‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am...

6
Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein Volkswirtschaftslehre – Finanzwissenschaft und Wirtschaftsförderung Webschulstraße 41-43, Mönchengladbach ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ Analyse des Haushaltsplanentwurfs 2015 und des Haushaltssanierungsplans der Stadt Viersen im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein In aller Kürze Nein, beruhigen können die Eckdaten auch dieses Haushaltsplanentwurfs nicht: Der operationelle Haushalt- sausgleich kann für 2015 und den gesamten mittelfristigen Finanzplanungszeitraum bis 2018 nicht darge- stellt werden. Anhaltende Jahresdefizite verbrauchen in erheblichem Maße Eigenkapital, bevor zum Ende dieses Jahrzehnts dieser Verzehr durch die für 2022 vorgeschriebene „schwarze Null“ langsam zum Still- stand kommen soll. Das Haushaltssicherungskonzept fordert mit jeder Fortschreibung in seiner notwendigen Nachjustierung immer größere Anstrengungen und neue Wege. Der als Konsolidierungsziel unabdingbare Haushaltsausgleich kommt rechnerisch nur denkbar knapp schon im Jahr 2021 zustande; auch 2022 ist das Polster dünn. Der Konsolidierungsdruck lässt bis zu diesem Punkt keineswegs nach – im Gegenteil. Klar ist somit: Die Anstrengungen müssen sogar forciert werden – die Stadt braucht noch einen langen Atem. Und dennoch: Der vorgelegte Haushaltsplanentwurf schafft noch den Spagat zwischen den Anforderungen der nachhaltigen Konsolidierung und der Standortpflege – und dies aus mehreren, wichtigen Gründen: Ers- tens setzt der interfraktionelle Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung weiterhin auf nachhaltige Ersparungen. Strohfeuereffekte werden vermieden. Zweitens hat gerade dieser AK zur Festlegung eines freiwilligen Kre- ditdeckels, der auf 50 Prozent des unrentierlichen Kreditaufnahmerahmens begrenzt ist, geführt. In der Kon- sequenz schont dieser über die Begrenzung der Zinsaufwendungen erheblich zukünftige Haushalte. Überdies werden Investitionen langfristig vor dem Hintergrund des Kreditrahmens geplant. Drittens werden die HSK- Maßnahmen auf ihre konsolidierende Wirkung hin kritisch überprüft und entsprechend auch nach unten kor- rigiert. Resultierende Kompensationsmaßnahmen müssen damit stringent und ohne Abstriche nachverfolgt werden. Viertens verfolgt das sehr ambitionierte Personalaufwendungenkonsolidierungskonzept (PAKK) ein aufgabenkritisches Verfahren, auch mit strukturellen Einsparvorgaben. Die sich ergebenen Einsparungen sind ein wichtiger Haushaltssanierungsbaustein. Fünftens verfolgt die Kommune bei langfristig angelegter Investitionsplanung die deutliche Rückführung des Verschuldungsstands. Und sechstens wird auch mit dem jetzt vorliegenden Haushaltsplanentwurf eine Prognoserechnung der Jahresergebnisse vorgelegt, die ohne Erhöhung der standortrelevanten Grundsteuer B und Gewerbesteuer auskommt. Wenn die Rechnung 2022 aufgehen soll, müssen diese Wege konsequent weitergegangen werden. Gesamtbetrachtung Der Kämmerer wünscht sich in seinen Erörterun- gen des HSK eine intensive Fortsetzung der erfolg- reichen Arbeit des Arbeitskreises Haushaltskonso- lidierung. Dieser Arbeitskreis besteht seit 2011 und bereitete maßgeblich das noch heute geltende Kon- zept zur Defizitverringerung vor. Ziel war die Ent- lastung des Haushalts um 1 Mio. Euro p.a. im Zeit- raum von 10 Jahren bis 2022. Eingebunden werden sollte dies in ein genehmigungsfähiges Haushalts- konsolidierungskonzept, um den rasanten Eigen- kapitalverbrauch über das sukzessive Erreichen des originären Haushaltsausgleichs aufzuhalten. Die ‚schwarze Null‘ ist nach den Vorschriften der Ge- meindeordnung NRW demnach bis spätestens im Jahr 2022 wieder zu gewährleisten. In nachstehen- der Abbildung 1 wird deutlich, dass dies rechne- risch bereits im Jahr 2021 mit einem positiven Jahresergebnis von knapp 0,4 Mio. Euro möglich sein soll. Abb. 1: Jahresergebnis und Eigenkapital in Euro Demnach würde der Eigenkapitalverzehr letztma- lig im Jahr 2020 stattfinden und so die Entwick- lung bei ca. 130 Mio. Euro Restbestand der Allge- meinen Rücklage (die Ausgleichsrücklage wurde im Jahr 2013 aufgebraucht) aufgehalten. So sehr das Eintreffen dieser Entwicklung zu be- grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen Defizitver- ringerung ein Selbstläufer wäre. Eine strikte Aus-

Transcript of ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am...

Page 1: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein Volkswirtschaftslehre – Finanzwissenschaft und Wirtschaftsförderung Webschulstraße 41-43, Mönchengladbach

‚Viersen – Haushalt passend auf Kante‘

Analyse des Haushaltsplanentwurfs 2015 und des Haushaltssanierungsplans der Stadt Viersen im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein

In aller Kürze

Nein, beruhigen können die Eckdaten auch dieses Haushaltsplanentwurfs nicht: Der operationelle Haushalt-sausgleich kann für 2015 und den gesamten mittelfristigen Finanzplanungszeitraum bis 2018 nicht darge-stellt werden. Anhaltende Jahresdefizite verbrauchen in erheblichem Maße Eigenkapital, bevor zum Ende dieses Jahrzehnts dieser Verzehr durch die für 2022 vorgeschriebene „schwarze Null“ langsam zum Still-stand kommen soll. Das Haushaltssicherungskonzept fordert mit jeder Fortschreibung in seiner notwendigen Nachjustierung immer größere Anstrengungen und neue Wege. Der als Konsolidierungsziel unabdingbare Haushaltsausgleich kommt rechnerisch nur denkbar knapp schon im Jahr 2021 zustande; auch 2022 ist das Polster dünn. Der Konsolidierungsdruck lässt bis zu diesem Punkt keineswegs nach – im Gegenteil. Klar ist somit: Die Anstrengungen müssen sogar forciert werden – die Stadt braucht noch einen langen Atem.

Und dennoch: Der vorgelegte Haushaltsplanentwurf schafft noch den Spagat zwischen den Anforderungen der nachhaltigen Konsolidierung und der Standortpflege – und dies aus mehreren, wichtigen Gründen: Ers-tens setzt der interfraktionelle Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung weiterhin auf nachhaltige Ersparungen. Strohfeuereffekte werden vermieden. Zweitens hat gerade dieser AK zur Festlegung eines freiwilligen Kre-ditdeckels, der auf 50 Prozent des unrentierlichen Kreditaufnahmerahmens begrenzt ist, geführt. In der Kon-sequenz schont dieser über die Begrenzung der Zinsaufwendungen erheblich zukünftige Haushalte. Überdies werden Investitionen langfristig vor dem Hintergrund des Kreditrahmens geplant. Drittens werden die HSK-Maßnahmen auf ihre konsolidierende Wirkung hin kritisch überprüft und entsprechend auch nach unten kor-rigiert. Resultierende Kompensationsmaßnahmen müssen damit stringent und ohne Abstriche nachverfolgt werden. Viertens verfolgt das sehr ambitionierte Personalaufwendungenkonsolidierungskonzept (PAKK) ein aufgabenkritisches Verfahren, auch mit strukturellen Einsparvorgaben. Die sich ergebenen Einsparungen sind ein wichtiger Haushaltssanierungsbaustein. Fünftens verfolgt die Kommune bei langfristig angelegter Investitionsplanung die deutliche Rückführung des Verschuldungsstands. Und sechstens wird auch mit dem jetzt vorliegenden Haushaltsplanentwurf eine Prognoserechnung der Jahresergebnisse vorgelegt, die ohne Erhöhung der standortrelevanten Grundsteuer B und Gewerbesteuer auskommt. Wenn die Rechnung 2022 aufgehen soll, müssen diese Wege konsequent weitergegangen werden.

Gesamtbetrachtung

Der Kämmerer wünscht sich in seinen Erörterun-gen des HSK eine intensive Fortsetzung der erfolg-reichen Arbeit des Arbeitskreises Haushaltskonso-lidierung. Dieser Arbeitskreis besteht seit 2011 und bereitete maßgeblich das noch heute geltende Kon-zept zur Defizitverringerung vor. Ziel war die Ent-lastung des Haushalts um 1 Mio. Euro p.a. im Zeit-raum von 10 Jahren bis 2022. Eingebunden werden sollte dies in ein genehmigungsfähiges Haushalts-konsolidierungskonzept, um den rasanten Eigen-kapitalverbrauch über das sukzessive Erreichen des originären Haushaltsausgleichs aufzuhalten. Die ‚schwarze Null‘ ist nach den Vorschriften der Ge-meindeordnung NRW demnach bis spätestens im Jahr 2022 wieder zu gewährleisten. In nachstehen-der Abbildung 1 wird deutlich, dass dies rechne-risch bereits im Jahr 2021 mit einem positiven Jahresergebnis von knapp 0,4 Mio. Euro möglich sein soll.

Abb. 1: Jahresergebnis und Eigenkapital in Euro

Demnach würde der Eigenkapitalverzehr letztma-lig im Jahr 2020 stattfinden und so die Entwick-lung bei ca. 130 Mio. Euro Restbestand der Allge-meinen Rücklage (die Ausgleichsrücklage wurde im Jahr 2013 aufgebraucht) aufgehalten.

So sehr das Eintreffen dieser Entwicklung zu be-grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen Defizitver-ringerung ein Selbstläufer wäre. Eine strikte Aus-

Page 2: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein

2 ‚Viersen – Haushalt passend auf Kante‘

gabendisziplin und stringente Aufgabenkritik, die auch den Kern des o.g. Konzepts zur Defizitver-ringerung ausmacht, ist weiterzuverfolgen.

Der erste Schritt ist das Erreichen eines positiven ordentlichen Ergebnisses, um hiernach Überschüs-se zur sukzessiven Deckung des defizitären Finan-zergebnisses bereitstellen zu können.

Abb. 2: Jahresergebnis in Euro

Der Kreisstadt Viersen gelingt dies im Jahr 2018 nach Planansatz; der Saldo der Erträge und Auf-wendungen der laufenden Verwaltungstätigkeit ist positiv. Der sogenannte Aufwanddeckungsgrad übersteigt die 100 Prozent-Marke, was als Grund-voraussetzung eines finanziellen Gleichgewichts zu werten ist.

Abb. 3: Aufwanddeckungsgrad in Prozent

Deutlich wird aber aus den Abbildungen 1 und 2, dass im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum kein operativer Haushaltsausgleich herbeigeführt werden kann. Im letzten Jahr dieses Zeitraums bleibt das Jahresergebnis mit 2,8 Mio. € defizitär. In diesem Licht sind die angesetzten Ertrags- und Aufwandsentwicklungen näher zu betrachten.

Erträge – moderate Steigerung

Maßgeblich für die Ansatzentwicklungen im mit-telfristigen Finanzplanungszeitraum sind die Ori-entierungsdaten des Landes unter Berücksichti-gung der örtlichen Besonderheiten. In diesem Kontext hat Viersen die nachstehenden Steuerer-träge im Plan entwickelt.

Abb. 4: Entwicklung Steuererträge, in Euro und Prozent, 2014=100

Die Grundsteuer B sowie die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer werden den Orientierungsdaten entsprechend plan-seitig veranschlagt. Diese wiederum basieren noch auf der optimistischen Steuerschätzung aus dem Mai 2014. Sollten sich aber die Wachstumskräfte so deutlich, wie derzeit prognostiziert, abschwä-chen, so wären diese Ansätze der konjunkturrea-giblen Aufkommen der Gemeindeanteile überzo-gen. In der Konsequenz ergäbe sich hieraus in der mittelfristigen Finanzplanung eine offene Flanke.

Hintergrund: Die Bundesregierung hat jüngst ihre eigene Prognose für 2014 von 1,8 auf 1,2 Prozent und für 2015 von 2,0 auf 1,3 Prozent gesenkt. Und der aktuelle Konjunkturbericht „Spätsommer 2014“ der IHKs Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein führt bereits aus: „Die regionale Wirtschaft war gut und optimistisch ins Jahr 2014 gestartet. Ihre Erwartun-gen haben sich im Jahresverlauf jedoch nicht erfüllt: Die Konjunktur lässt bislang den erhofften Schwung vermissen, der Aufschwung wird sich einstweilen verschieben. (…). Insbesondere wegen dieser einge-trübten Geschäftserwartungen ist der IHK-Konjunkturklimaindex, der Lage und Erwartungen zusammenfasst, um rund 9 Punkte gesunken. Mit 20,5 Punkten übertrifft er aber immer noch leicht den langfristigen Durchschnitt von 18,8 Punkten.“ (S.2.)

Grundsätzlich sind den Kommunen diese Zusam-menhänge bekannt, wollen aber häufig keine kon-servativere Linie auch in Anbetracht der wechsel-haften Prognosegüte in ihrem Haushalt fahren.

Page 3: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein

3 ‚Viersen – Haushalt passend auf Kante‘

Die Stadt Viersen weicht aber dem ‚Vorsichtsprin-zip‘ folgend von dieser Linie ab und steigert das Aufkommen der Gewerbesteuer nur um 0,5 Mio. Euro p.a. Damit halbiert sie die möglichen Orien-tierungsdaten. Auch wenn hier kein Einbruch im Konjunkturzyklus eingeplant wird, so erscheinen die Gewerbesteueraufkommen im Finanzplanungs-zeitraum konservativ gerechnet und in der Summe realisierbar.

Problematisch hingegen stellen sich die Ansätze der Schlüsselzuweisungen dar. Das Land NRW stellt gemäß GFG 2015-Entwurf eine verteilbare Finanzausgleichsmasse von 9,612 Mrd. Euro zur Verfügung, wobei der Verbundsatz der vom Land vereinnahmten Gemeinschaftssteuern bei 23 Pro-zent bleiben soll. Ferner fließen 4/7 der Grunder-werbssteuern in den kommunalen Finanzausgleich.

Die Verbundgrundlagen würden sich im Fall einer Wachstumskrise mit einer Zeitverzögerung eben-falls reduziert darstellen. Die aktuellen Orientie-rungsdaten, die Viersen hier verwendet, spiegeln diese sich anbahnende Entwicklung aber noch nicht wider. Ihre Schlüsselzuweisungsansätze wachsen somit stetig und mit einer spürbaren Rate. Werden dann noch geometrische Mittel für die Ansätze im Planungszeitraum 2019-2022 ange-wendet, erscheinen die angesetzten Zuwächse der Schlüsselzuweisungen zu optimistisch. Darüber hinaus kann unter dem Eindruck der notwendigen NRW-Haushaltskonsolidierung unter dem Ein-druck der ab 2020 einzuhaltenden Schuldenbremse die Verbundmasse zukünftig (nochmals) schrump-fen. Ein massives Nachsteuern würde dann für Viersen aus nicht mehr zu haltenden Schlüsselzu-weisungsansätzen notwendig.

Der gegenwärtige Haushaltsplanentwurf sieht für das Jahr 2015 in der Summe 5,4 Mio. Euro (or-dentliche) Mehrerträge und 1,5 Mio. Euro an Min-der-Finanzerträgen aus der zu erwartenden redu-zierten Gewinnausschüttung der NEW vor. Somit ergeben sich planseitig Mehrerträge von 3,9 Mio. Euro. Bei den ordentlichen Erträgen stehen insbe-sondere die Steuern und ähnlichen Abgaben sowie die Zuwendungen mit einem Plus von jeweils 2,0 Mio. Euro auf der Habenseite.

Aufwendungen – nach Plan: im Griff

Das Grundrezept für den Konsolidierungsprozess ist einfach: Die Entwicklung der Aufwendungen muss hinter jener der Erträge bleiben. Da die Er-träge – trotz der oben aufgezeigten potenziellen Überzeichnung einzelner Posten – in der Summe nur moderat weiterentwickelt werden, bleiben kaum Steigerungsmöglichkeiten für die ordentli-chen Aufwendungen. Zwischen 2015 und 2018

sollen die ordentlichen Aufwendungen nur um 3,1 Mio. € auf 193,9 Mio. Euro gesteigert werden. Bei den Erträgen steht ein Plus von 12,4 Mio. Euro.

Für den Haushalt 2015 werden Aufwandserhöhun-gen von 3,5 Mio. Euro angesetzt. Hier haben die Personal- und Versorgungsaufwendungen mit 2,6 Mio. Euro den größten Anteil an dieser Entwick-lung. Noch nicht erfasst sind die Auswirkungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Besoldungserhöhung für Beamte ab Besoldungs-gruppe A11. Dafür sind die Einsparvorgabe von 1,0 Mio. Euro durch Stelleneinsparungen und Wiederbesetzungssperren sowie die Ansatzanpas-sung von weiteren 0,8 Mio. Euro (s.u. PAKK) bereits eingerechnet.

Gegenüber dem Haushalt 2014 stellt sich der An-satz 2015 damit in der Summe um 0,4 Mio. Euro besser dar. Dennoch warnt der Kämmerer zu Recht vor einer nachlassenden Konsolidierungsbereit-schaft und stellt die Fortsetzung des Konsolidie-rungskurses als unabdingbar heraus (s.u.).

Haushaltssicherungskonzept 2012 - 2022

Wie bereits herausgestellt, gilt das Jahr 2012 als Startjahr des Haushaltssicherungskonzeptes. Dem-nach muss es im Jahr 2022 den operativen Haus-haltsausgleich darstellen. Abbildung 1 zeigt auf, dass dies schon 2021 möglich ist, wenngleich nur denkbar knapp.

In der Gesamtkonsolidierung wirken derzeit vier Bausteine: Drei Maßnahmenpakete aus 2012 bis 2014 sowie das Personalaufwendungenkonsolidie-rungskonzept – PAKK. Abbildung 6 macht deut-lich, dass die Gesamtkonsolidierung zwischen 2013 und 2022 von 3,5 Mio. Euro auf 6,2 Mio. Euro ansteigt.

Die hierbei verfolgten Grundsätze der Etataufstel-lung und -bewirtschaftung (2012) konkretisieren das aus dem Jahr 2011 stammende Konzept zur Defizitverringerung des bereits erwähnten Arbeits-kreises Haushaltskonsolidierung. Im Zusammen-spiel beider Konzepte werden folgende maßgeblich konsolidierende Rahmenbedingungen und Grund-sätze abgesteckt:

Auf der Ertragsseite existieren offene Flanken, die sich im Wesentlichen aus den im Zeichen der konjunkturellen Eintrübung zu optimisti-schen Orientierungsdaten des Landes ergeben. Die Aufwendungen werden nur moderat ge-steigert. Das Personalaufwendungenkonsoli-dierungskonzept trägt hierzu maßgeblich bei.

Page 4: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein

4 ‚Viersen – Haushalt passend auf Kante‘

• „ Vermeidung von neuen freiwilligen Leistungen (ggf. Kompensation bei anderen freiwilligen Leistungen)

• Begrenzung der Steigerung der Aufwendungen von pflichtigen Leistungen durch präventive Maßnahmen

• Minimierung des Anstiegs der Personalkosten im Rechnungsergebnis bei gleichzeitiger Aufgabenüber-prüfung (…)

• Kontrolle aller langfristigen Verträge (spätestens alle 3 Jahre)

• Stetige Überprüfung und Verbesserung der städti-schen Einnahmen- und Gebührenhöhe

• Etataufstellung: • "Deckelung" der Budgets/keine Budgeterhöhungen

im Finanzplanungszeitraum • Mehraufwendungen nur bei entsprechendem De-

ckungsvorschlag (…) • Minimierung des Anstiegs der Personalkosten

• Deckelung des Stellenplanes • Fortentwicklung des Personalaufwandskonsolidie-

rungskonzeptes • Ermittlung der Folgekosten bei größeren Investitio-

nen (…) • Grundsätzliche Realisierung aller Ertragsmöglichkei-

ten (…)

• Finanzierung von Leistungen (vor allem von Aufwen-dungen für kostenrechnende Einrichtungen) vorrangig durch spezielle Entgelte, nachrangig durch Steuern oder Kredite (…)

• Begrenzung der pflichtigen Aufwendungen auf die gegebenen gesetzlichen bzw. unabweisbaren Ver-pflichtungen (…)

• Ständige Überprüfung, inwieweit durch stärkere Teil-habe der Beteiligungen an der Haushaltskonsolidie-rung die Finanzerträge erhöht werden können“ [Haushaltsplan Viersen, S.61f., Hervorhebungen nicht im Original]

Diese Grundsätze sind die Eckbausteine für eine nachhaltige Konsolidierung, in dessen Mittelpunkt die Ausschöpfung eigener Potenziale (bei aus-drücklicher Nachrangigkeit von Steuererhöhungen) über die Aufwandseite steht. Der Ruf nach mehr Landes- und Bundeshilfen ist nicht die jährlich vorrangig praktizierende Übung der Kreisstadt Viersen. Dem steht die Forderung nach Einhaltung des Konexitätsprinzips aber zu Recht nicht entge-gen.

Abb. 5: Wirkungen des HSK 2012 - 2022

Viersen verwendet auf Wunsch der Kommunalauf-sicht die Anlagen zum HSK, die für die Stärkungs-paktkommunen vorgesehen sind. Die Konsolidie-rungsbestrebungen werden in ihrem Erfolg somit in einzelnen Übersichten transparent. Für 2013 konnte das HSK-Ziel um 208.180 Euro überschrit-

ten werden. Für 2014 wurden die Maßnahmen kritisch auf realisierbare Einsparvolumina über-prüft mit der Konsequenz, dass insbesondere zum Ende des Konsolidierungszeitraums gegenüber dem Ansatz 2014 Abstriche zu machen sind (2021: -1,1 Mio. €; 2022: -1,8 Mio. €). In der Summe

Page 5: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein

5 ‚Viersen – Haushalt passend auf Kante‘

– dies wurde voranstehend bereits ausgeführt – kann aber der geforderte Haushaltsausgleich (spä-testens) 2022 noch dargestellt werden (vgl. auch Abbildung 5). Der Eigenkapitalverbrauch würde zu diesem Zeitpunkt aufgehalten werden.

In der Summe ergeben sich folgende Konsolidie-rungsschritte (vgl. Abbildung 6). Hierunter sind die

… Erhöhung der NEW-Gewinnausschüttung [sie musste jedoch auf ein realisierbares Maß zu-rückgenommen werden – auch hier wurden nur die derzeit als verlässlich angesehenen Beiträge angesetzt (ab 2017: 0,8 Mio. Euro)],

… die Reduzierung der unrentierlichen Kreditauf-nahme,

… die Rückgabe der Straßenbaulast an Ortsdurch-fahrten,

… die Erhöhung der Vergnügungssteuer, … die Energieeinsparung bei öffentlichen Gebäu-

de sowie die Optimierung der Gebäudereini-gung

als die im Volumen heraustretenden Maßnahmen zu nennen.

Abb. 6: Maßnahmenpakete des HSK 2012 - 2022

Das Personalaufwendungenkonsolidierungskon-zept – PAKK stellt restriktive Bewirtschaftungsre-geln auf und verfolgt deren konsequente Umset-zung. Dabei handelt es sich um eine strukturelle Einsparvorgabe von 200 Tsd. Euro, die im Wege der Stellenreduzierungen Jahr für Jahr umgesetzt werden muss (d.h. 2015: 200 Tsd. Euro; 2016: 400 Tsd. Euro, 2017: 600 Tsd. Euro usf.). Zusätzlich wird eine pauschale Einsparvorgabe eingebracht, die 800 Tsd. Euro p.a. beträgt. Diese wird durch personalwirtschaftliche Maßnahmen – z.B. Wie-derbesetzungssperren – umgesetzt. Darüber hinaus ergibt sich eine jährliche Anpassung des Ansatzes mit Blick auf die Rechnungsergebnisse der Vorjah-re von weiteren 800 Tsd. Euro pauschal. Erst ein Teil der zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen ist im Haushalt bereits eingearbeitet worden (z.B. 2015: 297 Tsd. Euro). Die hieraus resultierenden pauschalen Kürzungsvorgaben für 2015 ff. sind

somit noch unabdingbar konkret einzuarbeiten, um die aufgezeigten Konsolidierungsbemühungen maßgeblich zu stützen.

In der Summe kann zum HSK der Stadt Viersen dem Kämmerer zugestimmt werden, wenn er in seinem Haushalt schon an früher Stelle resümiert:

„Trotz der genehmigungsfähigen Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes nach den gültigen Best-immungen des § 76 Abs. 2 GO NRW – Haushaltsaus-gleich im Laufe des 10-jährigen Konsolidierungszeit-raums (2012 bis 2022) – ist die Fortführung und Aus-dehnung von Konsolidierungsmaßnahmen, mit denen die weitere Kürzung von Budgets, die Absenkung von Leistungsstandards und der Abbau von Personalkosten zwangsläufig verbunden sein werden, weiterhin unab-dingbar.“ (Haushaltsplanentwurf 2015 Viersen, S. 16)

An dieser Stelle soll aber auch positiv herausge-stellt werden, dass Viersen allem Konsolidierungs-druck zum Trotz weiterhin etliche freiwillige Leis-tungen gerade im Kultur-, Sozial- und Jugendbe-reich aufrechterhalten kann, u.a. weil insbesondere Konsolidierungserfolge bei der Kreisleitstelle an-gesetzt werden.

Fazit

Der Haushalt 2015 und sein Haushaltssicherungs-konzept stehen in der Tradition ihrer Vorgänger: Der operative Haushaltsausgleich zum Ende des Konsolidierungszeitraums gelingt, wenngleich auch mit einen sehr geringen Puffer schon 2021. Dabei liegt noch viel Arbeit vor Viersen: Die Eck-daten weisen bis zum Ende des Jahrzehnts noch deutliche Jahresdefizite auf, der Eigenkapitalver-zehr schreitet weiter voran. Mit zunehmender Dau-er des HSK-Zeitraums werden die Fortentwicklung der bestehenden und die Entwicklung der zusätzli-chen, kompensatorischen Maßnahmen schwieriger.

Dennoch gehen auch positive Signale von diesem Haushalt 2015 aus: Es ist formal erneut gelungen, den geforderten Haushaltsausgleich in der Lang-fristperspektive darzustellen, ohne die Realsteuer-schraube anzuziehen oder auf zusätzliche, hohe Bundes- und Landeshilfen zu setzen. Viersen sucht die Konsolidierung über die Aufwandseite, weil dies zum einen im Rahmen eines HSK besonders geboten ist, und zum anderen, weil die Stadt so das Heft des Handelns weitgehend in der Hand behält. Dabei überprüft sie ihre Ansätze auf strikte Reali-sierbarkeit und weicht auch zum Teil zu Lasten eines ursprünglich höheren Konsolidierungsbeitra-ges von den Orientierungsdaten des Landes ab. Allerdings ergeben sich mit Blick auf die konjunk-turelle Entwicklung noch offene Flanken im Haus-haltsplan bei den Steuererträgen und den Schlüs-selzuweisungen.

Page 6: ‚Viersen Haushalt passend auf Kante‘ · grüßen wäre, so ist auch klar, dass das Polster am Ende des Konsolidierungszeitraums zu dünn ist, als dass der Prozess der notwendigen

Prof. Dr. Harald Schoelen, 7. November 2014 Hochschule Niederrhein Volkswirtschaftslehre – Finanzwissenschaft und Wirtschaftsförderung Webschulstraße 41-43, Mönchengladbach

Anhang: Zentrale Kennziffern

Tab. 1: Aufwanddeckungsgrad

Tab. 2: Fehlbetragsquote

Tab. 3: Nettosteuerquote und Zuwendungsquote

Tab. 4: Personalintensität, Sach- und Dienstleistungsintensität, Transferaufwandsquote, Zinslastquote

Ausgewählte Quellen: insbesondere diverse einschlägige Gesetze, Erlasse und Mitteilungen des Ministeriums für Inne-res und Kommunales des Landes NRW sowie der Entwurf des Haushaltsplans 2015 der Stadt Viersen mit Haushaltssi-cherungskonzept (inkl. Anlagen).

Ergebnis 2013* Ansatz 2014 Ansatz 2015 Planwert 2016 Planwert 2017 Planwert 2018

Ordentl. Erträge 177.609.377 176.820.207 182.215.054 186.735.581 191.259.840 194.575.513

Ordentl. Aufwendungen 173.221.085 186.705.042 190.758.982 190.883.786 192.677.902 193.894.227

Ordentliches Ergebnis 4.388.292 -9.884.835 -8.543.928 -4.148.205 -1.418.062 681.286

Aufwanddeckungsgrad in % 102,53 94,71 95,52 97,83 99,26 100,35

* Das Jahresergebnis 2013 ist noch nicht festgestellt und daher nicht belastbar

Planwert 2013 Ansatz 2014 Ansatz 2015 Planwert 2016 Planwert 2017 Planwert 2018

Jahresergeb. per 31.12. -16.545.938 -13.188.095 -12.804.598 -8.177.035 -5.173.042 -2.785.443

Ausgleichsrücklage (31.12.)** 0 0 0 0 0 0

Allgemeine Rücklage (31.12.) 175.502.297 162.314.202 149.509.604 141.332.569 136.159.527 133.374.084

Summe EK zum 31.12.* 175.635.146 162.447.051 149.642.453 141.465.418 136.292.376 133.506.933

Fehlbetragsquote in % 9,43 8,13 8,56 5,79 3,80 2,09

* mit Sonderrücklagen i.H.v. € 132849

** mit Verbrauch der Deckungsrücklage i.H.v. € -603.631 und der Ausgleichsrücklage i.H.v. 4239470

Ergebnis 2013* Ansatz 2014 Ansatz 2015 Planwert 2016 Planwert 2017 Planwert 2018

83.975.236 80.980.000 83.030.000 85.430.000 87.830.000 90.330.000

hierunter:

11.019.045 10.800.000 11.000.000 11.200.000 11.300.000 11.500.000

37.702.562 33.000.000 33.500.000 34.000.000 34.500.000 35.000.000

26.479.067 28.100.000 29.200.000 30.700.000 32.300.000 33.900.000

3.883.195 4.000.000 4.200.000 4.300.000 4.400.000 4.500.000

42.359.056 44.607.351 46.578.936 48.512.427 50.111.337 50.889.495

5.076.070 5.060.000 5.137.000 5.213.000 5.290.000 5.366.000

177.609.377 176.820.207 182.215.054 186.735.581 191.259.840 194.575.513

Nettosteuerquote in % 45,73 44,20 43,99 44,19 44,38 44,90

Zuwendungsquote in % 23,85 25,23 25,56 25,98 26,20 26,15

Gemeindeanteil an der Ust

Erträge aus Zuwendungen

Gewerbesteuerumlage inkl. Erhöhung

Ordentliche Erträge

Gemeindeanteil an der Est

Steuererträge/Abgaben

Grundsteuer B

Gewerbesteuer

* Das Jahresergebnis 2013 ist noch nicht festgestellt und daher nicht belastbar

Ergebnis 2013* Ansatz 2014 Ansatz 2015 Planwert 2016 Planwert 2017 Planwert 2018 ∆ 18-13 in %

Personalaufwand gesamt 43.301.464 52.296.710 54.959.005 54.498.730 54.735.090 55.047.010 26,4

dav. Personalaufwend. 42.529.093 47.653.550 49.984.795 49.611.090 49.642.300 49.890.240 16,7

dav. Versorgungsaufwend. 772.371 4.643.160 4.974.210 4.887.640 5.092.790 5.156.770 559,4

Aufwendungen für Sach- und

Dienstleistungen28.611.330 32.709.730 33.196.872 32.729.651 32.009.576 31.580.406 11,9

Transferaufwendungen 77.035.823 80.544.345 81.169.205 82.244.245 84.248.035 85.766.735 9,4

Finanzaufwendungen 2.409.548 7.968.660 7.480.860 7.349.020 7.175.170 6.986.920 197,8

Ordentl. Aufwendungen 173.221.085 186.705.042 190.758.982 190.883.786 192.677.902 193.894.227 11,2

Personalintensität in % 24,55 25,52 26,20 25,99 25,76 25,73

Sach- und Dienstleistungs-

intensität in %16,52 17,52 17,40 17,15 16,61 16,29

Transferaufwandsquote % 44,47 43,14 42,55 43,09 43,72 44,23

Zinslastquote in % 1,39 4,27 3,92 3,85 3,72 3,60

* Das Jahresergebnis 2013 ist noch nicht festgestellt und daher nicht belastbar, dies gilt insbes. für die Personal- und Versorgungsaufwendungen