„Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische...

6
Nachrichten Kultur „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“ Der renommierte Architekt Jürgen Mayer H. wird in Potsdams Stadtmitte ein Innovationszentrum bauen. Ein Gespräch über die Kraft von Architektur. Auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) in der Nähe des Potsdamer Hauptbahnhofes will der Berliner Projektentwickler Trockland Managment ein IT- und Innovationszentrum errichten. In einem Architekturauswahlverfahren setzte sich das Berliner Büro Jürgen Mayer H. durch. Der Architekt genießt europaweit höchstes Ansehen. Viele seiner Gebäude und Projekte werden gefeiert. Herr Mayer, tagtäglich erleben die Bewohner und die Touristen im spanischen Sevilla, wie glücklich Ihre Architektur machen kann, wenn sie Ihr skulpturales Bauwerk Metropol Parasol betreten. Haben Sie den Anspruch, die Welt zu verbessern? Jürgen Mayer H.: Natürlich ist es großartig, wenn Architektur nicht nur den Hintergrund bildet, sondern Menschen aktiviert, Emotionen weckt und anspornt, einen Stadtkontext neu zu sehen und Entwicklungen in Gang zu setzen. Sevilla ist ein Extrembeispiel, wie gut das funktionieren kann. Die Stadt hatte 2004 einen Wettbewerb ausgeschrieben, einen alten Markt zu bebauen, der lange als Schotterparkplatz brachlag. Metropol Parasol verbindet den südlichen Teil der Altstadt von Sevilla, der damals schon gut entwickelt war, mit dem Norden, der erst nach der Fertigstellung 2011 zu neuem urbanem Leben erwacht ist. Metropol Parasol ist der zentrale Platz der Stadt und eine neuartige Begegnungslandschaft, und er wird zu allen Tages- und Jahreszeiten angenommen. Die Sevillaner lieben es, auf die Straße zu gehen, sich zu 01:15 Uhr / 19.09.2018 ! ANZEIGE 11.12.19, 14:21

Transcript of „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische...

Page 1: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“

Potsdam.

Kultur / KULTUR

„Wir wollen historische Spuren sichern“Der renommierte Architekt Jürgen Mayer H. wird in Potsdams Stadtmitte ein Innovationszentrumbauen. Ein Gespräch über die Kraft von Architektur.

Auf dem Gelände des

ehemaligen

Reichsbahnausbesserungswerks (RAW)

in der Nähe des Potsdamer

Hauptbahnhofes will der Berliner

Projektentwickler Trockland Managment

ein IT- und Innovationszentrum

errichten. In einem

Architekturauswahlverfahren setzte sich

das Berliner Büro Jürgen Mayer H. durch.

Der Architekt genießt europaweit höchstes Ansehen. Viele seiner

Gebäude und Projekte werden gefeiert.

Herr Mayer, tagtäglich erleben die Bewohner und die Touristen im

spanischen Sevilla, wie glücklich Ihre Architektur machen kann, wenn

sie Ihr skulpturales Bauwerk Metropol Parasol betreten. Haben Sie den

Anspruch, die Welt zu verbessern?

Jürgen Mayer H.: Natürlich ist es großartig, wenn Architektur nicht nur

den Hintergrund bildet, sondern Menschen aktiviert, Emotionen weckt

und anspornt, einen Stadtkontext neu zu sehen und Entwicklungen in

Gang zu setzen. Sevilla ist ein Extrembeispiel, wie gut das funktionieren

kann. Die Stadt hatte 2004 einen Wettbewerb ausgeschrieben, einen

alten Markt zu bebauen, der lange als Schotterparkplatz brachlag.

Metropol Parasol verbindet den südlichen Teil der Altstadt von Sevilla,

der damals schon gut entwickelt war, mit dem Norden, der erst nach

der Fertigstellung 2011 zu neuem urbanem Leben erwacht ist. Metropol

Parasol ist der zentrale Platz der Stadt und eine neuartige

Begegnungslandschaft, und er wird zu allen Tages- und Jahreszeiten

angenommen. Die Sevillaner lieben es, auf die Straße zu gehen, sich zu

01:15 Uhr / 19.09.2018

!ANZEIGE

11.12.19, 14:21

Page 2: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

tre!en, Gemeinschaft zu zelebrieren. In Deutschland würde das

vielleicht so gar nicht funktionieren. 2018 war der Metropol Parasol

jedenfalls im Reiseführer Lonely Planet als Ziel auf Platz eins gelistet.

Will eine Stadt ganze Areale und Straßenzüge neu entwickeln, wozu

würden Sie raten: zu einer kleinteiligen, individuellen Bebauung oder

zu einer kompakten, siedlungsartigen Lösung aus einer Hand?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Jeder Ort braucht eine

individuelle Lösung. Es gibt Bereiche, wo man mit Homogenität mehr

erreicht, es gibt Stadtentwicklungen, wo man auf Abwechslung setzen

sollte.

Ihre Häuser und Projekte müssen sich in der Regel in einer eng

abgesteckten, bereits definierten Umgebung behaupten. Möchten Sie

einer konventionellen, rationellen Bebauung stets etwas

Ambitioniertes, Charaktervolles entgegensetzen?

Von unseren Bauwerken soll eine positive Energie ausgehen und die

muss man im Entwurfsprozess auch selber spüren. Wir entwickeln eine

zeitgenössische Haltung, die sich auf den Ort bezieht. Unser Entwurf

nimmt bereits Vorhandenes auf und denkt es weiter. Oftmals wählen

wir eine Architektursprache, die bestimmte lokale Phänomene

hervorhebt, um Neugier oder Irritation zum Gewohnten zu wecken.

Dadurch kann man die Umgebung neu wahrnehmen und kritisch

fragen, was ist hier für eine Stadt entstanden, welche Potenziale hat

dieser Ort? Die meisten Gebäude wurde ja einfach gebaut, ohne eine

architektonische Überzeugung. Wir Architekten arbeiten meistens dort,

wo es einen Bedarf gibt, etwas positiv zu verändern.

Ihre Bauwerke springen einem sofort ins Auge!

Ich beschreibe Architektur gerne als Abenteuer. Der Ausgang eines

Entwurfsprozesses ist oft nicht vorherzusehen. Und ein Architekt ist ja

nur ein Teil eines Teams. Es gibt die Bauherrschaft mit Planungszielen,

es gibt Verwaltungen für den Dialog mit der Stadt und die

Genehmigungen, es gibt Fachplaner und Konstruktionsmethoden und

Technologien, die Strukturen vorgeben. Der Architekt ist nie alleiniger

Autor. Es ist immer eine Komplizenschaft zwischen verschiedenen

Akteuren. Beim heutigen Bauen wird oft gar nicht der Anspruch

verfolgt, den Charakter eines Ortes zu unterstützen. Die

Erwartungshaltung an die Architektur hat sich in Deutschland

dramatisch verringert. In der Schweiz, Spanien und auch Frankreich

sieht es besser aus. Wohnungsbau in Frankreich oder Dänemark kann

so interessant sein. Bei uns freut man sich schon, wenn es nicht ganz so

schlimm kommt.

Ist es denn deutlich teurer, wenn ein Bauherr von Ihnen ein markantes

Wahrzeichen will?

Für Architekten gilt die Honorarordnung. Wir müssen mit dem Budget

haushalten, wie andere auch. Metropol Parasol war an sich kein

wirtschaftliches Gebäude im engeren Sinne. Aber das Gebäude hat jetzt

für die Stadt so viel Mehrwert entwickelt, der den Tourismus und die

lokale Wirschaft ankurbelt, und macht es so zu einem großen

ökonomischen Erfolg für die gesamte Stadt.

Ihr Stil wird gelegentlich als „Neobrutalismus“ bezeichnet. Dafür

sprechen der skulpturale Charakter und die Verwendung von

11.12.19, 14:21

Page 3: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

Sichtbeton. Was sagen Sie dazu?

Ich habe schon die verschiedensten Zuordnungen gehört. Es hieß

schon, wir seien Deutschlands größte Ho!nung seit dem Bauhaus. Mit

Gotik, Barock und Futurismus hat man unsere Projekte auch in

Zusammenhang gebracht. Unterschiedlicher geht’s kaum. Mir gefällt

die Vieldeutigkeit.

Der Neobrutalismus stand aber für ein Tabula rasa, während Sie

durchaus pittoreske und kleinteilige Lösungen anbieten.

Brutalismus kommt nicht von „brutal“, sondern von Beton-brut, das

heißt roher oder sichtbarer Beton. In den 1960er Jahren ging es darum,

die Architektur zu befreien von einem Zuviel an Materialität, an Putz

und Verkleidung. Der Brutalismus versucht eine Reduktion, eine

Reinigung. Mit dem Beton wurden fließende Formen möglich, man

konnte um die Ecke schalen. Und es gibt auch sehr sensible,

ortsspezifische, brutalistische Gebäude – gerade in England, wo der

Begri! entstand.

Beim RAW in Potsdam wollen Sie nicht nur die heruntergekommene

Industriehalle erhalten, sondern sogar das Gra"ti der Nachwendezeit.

Warum?

Wir möchten so viel wie möglich von der Struktur und den historischen

Spuren sichern, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben. Ob sich das

klimatisch überall realisieren lässt, untersuchen wir gerade. Früher war

das eine zugige Halle, in der Lokomotiven und Waggons standen. Heute

brauchen wir Arbeitsbedingungen für Büros. Das gläserne Hallendach

wird auch nach der Erneuerung wie ein Regenschirm wirken. Darunter

wird es im Sommer nicht ganz so heiß und im Winter nicht ganz so kalt

wie draußen. In dieser klimatischen Pu!erzone werden kleinteiligere

Strukturen für Arbeitsbereiche eingesetzt. Die o!enen Bereiche dienen

der Kommunikation und für Veranstaltungen.

Der Berliner Architekt Jürgen Meyer H. schuf in Sevilla, Düsseldorf und Ludwigsburg spektakuläre Bauten

Wird die Halle ö!entlich zugänglich sein?

"ZUR GALERIE

11.12.19, 14:21

Page 4: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

Die Halle soll ein Begegnungsraum werden. Zwischen dem horizontalen

Campus in der Halle und dem vertikalen Neubau entsteht ein

dreieckiger Platz. Dieser Meetingpoint wird ein Ort, der die

Ö!entlichkeit mit einbezieht. Ein Supermarkt, Cafés oder ein Fitness-

Studio bieten zusätzliche Angebote für die Nachbarschaft.

Was fällt Ihnen auf, wenn Sie als Architekt durch Potsdam gehen?

Unser Architekturbüro hat 2003 den groß und prominent besetzten

internationalen Wettbewerb für die Speicherstadt gewonnen. Dann hat

sich leider die Entwicklung sehr verschleppt und es wurde etwas ganz

anderes realisiert. Aber ich habe mich damals schon intensiv mit den

Blickbeziehungen und mit dem Verhältnis von Innenstadt und

Kulturlandschaft auseinandergesetzt. Es war uns damals wichtig, dass

wir die historischen Sichtachsen beachten, und dieses Thema sogar

noch weiterentwickeln. Unser Entwurf der Speicherstadt wurde mit

solitären Baukörpern entlang eines o!enen Boulevards geplant, der

sich auf die Nikolaikirche ausgerichtet hat. Damit war der Bezug von

der Speicherstadt zum Stadtzentrum auch aus weiterer Entfernung

gescha!en. Hier wurde neue Architektur mit der Historie von Potsdam

produktiv verzahnt. Ein Ansatz den wir auch für den Entwurf beim

RAW-Gelände wieder aufgreifen wollen.

Was sagen Sie zu Potsdamer Rekonstruktionen wie Landtagsschloss,

Palais Barberini und Garnisonskirche.

Das ist ein gesellschaftlicher Konsens, der sich unter demokratischen

Bedingungen entwickelt hat. Ich kann das Gefühl einer Rekonstruktion

zum Teil verstehen, wenn es auch bedauerlich ist, dass man es der

zeitgenössischen Architektur nicht zutraut, Antworten zu finden, so

einen Stadtkontext weiterzuentwickeln, ohne dass es historistisch wird.

Wird Ihnen das beim RAW-Gelände trotz ökonomischer Auflagen

gelingen?

Beim RAW-Gelände scha!en wir einen ausbalancierten Dialog

zwischen alter Bausubstanz und dem neuen Gebäude. Und man muss

merken, dass hier eine neue Dynamik entsteht, die den Bestand in eine

neue Nutzung überführt und ein lebendiger Ort für die Zukunft

entsteht.

Die Zacken auf den alten RAW-Dächern sind symmetrisch.

Asymetrische Zackenschwünge prägen dagegen den modernen,

sechsstöckigen Gekbäuderiegel. Warum?

Je nachdem wie weit der neue Riegel von den alten Hallen entfernt ist,

ist er ruhiger gestaltet. Oder er kann expressiver werden, wenn es sich

von den Hallen entfernt und an der Bahn ein Zeichen setzt. So bleibt die

Eigenständigkeit des alten Denkmals erhalten und der neue Campus

wirkt durch die Dynamik des Neubaus auch über die Grenzen von

Potsdam hinaus.

Ihr Architekturbüro arbeitet an vielen Projekten gleichzeitig. Sie

müssen ein absoluter Workoholic sein. Sind Sie selber überhaupt der

Typ, der „Aufenthaltslandschaften“ genießen kann?

Die letzten zwölf Monate waren sehr produktiv und wir haben viele

Wettbewerbe gewonnen und neue Projekte stehen an. Das ist ein

spannender Moment, in dem wir auch viel Synergien und Wissen

zwischen den verschiedenen Projekten nutzen können.

11.12.19, 14:21

Page 5: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

AnzeigeMirja Boes, Eltern und Promi-nente: Wer kann Kinder bessereinschätzen?Wer kann sich nicht an Regeln halten? Werfürchtet sich vor einer großen Vogelspinne?Und wer kennt die meisten Schimpfwörter?Viele Fragen – und die neue Familien-Game-

show „herrlich ehrlich – kennst du dein kind?“ mit Mirja Boes hat die Antworten! Dienstag ab20:15 Uhr bei VOX.

Können Sie am Wochenende abschalten?

Letzten Sonntag war ich in Luckau und habe dort die barocke Kirche

besichtigt.

Und wie leben Sie selber – im Altbau oder Neubau?

Das verrate ich nicht. Nur so viel: Jeder Neubau wird mal Altbau, und

jeder Altbau hat die Möglichkeit, sich neu zu erfinden.

Von Karim Saab

MacKeeper | Anzeige

1 Sache, die kein Mac-Benutzer vernachlässigen sollte

cheapenergy24 | Anzeige

Hausverkauf | Anzeige

Stromanbieter machtlos: Dieser Trick spart automatisch jedes Jahr

Lohnt sich der Hausverkauf in Ihrer Region?

COMPEON | Anzeige

Stromfresser im Betrieb erneuern? Förderung der KfW nutzen

World of Warships | Anzeige

InfinitiKloud | Anzeige

World of Warships: Das Online-Spiel, das dein Können testet

So sichern Sie Ihren gesamten Computer mit einem Klick

Super Boost Wifi | Anzeige

Superboost WLAN-Verstärker erobert Deutschland seit Wochen

RND.de | Anzeige

RND.de | Anzeige

Lehrer wird von Schüler mit Stuhl beworfen und stirbt kurz darauf

Jugendliche treten auf Elfjährige aus dem Irak ein

11.12.19, 14:21

Page 6: „Wir wollen historische Spuren sichern“...Nachrichten › Kultur › „Wir wollen historische Spuren sichern“ Potsdam. Kultur / KULTUR „Wir wollen historische Spuren sichern“

DeineTierwelt.de | DeineAnzeigenwelt.de | Fyndoo | Radio.de

11.12.19, 14:21