B09_Leseprobe

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09 Außerordentlich außergewöhnliche Sonderausgabe zum Festival Zeitkunst 2009

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09

Außerordentlich außergewöhnliche Sonderausgabe zum

Festival Zeitkunst 2009

allegretto

salve, hagel,

springst herbei über tische und bänke,trommelst nervös auf den fensterbrettern,klopfst deine codes an die türen,

salve! hagel,

durch straßen ziehend und über die dörfer,den briefträgern an die waden zu fahren,bissiger als ein hundepulk,

salve,

die ganze ernten niedermäht,doch selber nie satt macht, winzige pillenmit dem geschmack von kälte und luft.

hagel-

körner, aus denen nichts wachsen wird,bis auf die kostbare stille danach,das kühle hagelfeld der stille.

II

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Aufenthalte

I

Hin und wieder gerät Madrid in die Klaue eines Tiers;du zählst es aus, verlangst mich dazu,mein Beistehen in dieser grauenvollen Stundedeiner Wolllust, eine Stadt dem Boden gleich zu machen.

Es sind die Seminare deines kühlen Kopfes,von denen ich wenig halte; halten aber mussin den Puppengelenken, die von vorsichtigen Händenin einer einzigen Nacht nur gemacht sind,

ich weiß es – ich bezahle unser Heim, die Luft,an der wir gedeihen und verderben: grün, blau undrot bei Licht; bei Projektur der Tage, die – das glaube mir –nicht zu zerstören ist, so einfach wie dein Wild.

II

Du brauchst den Anhaltspunkt, dieses:Halt an! Hier!Und ich –vielleicht schwebe oder schwimme ichdir zu und fort und wieder hin;das Rückenmark aus Zitrone,die Essenz einer nicht verdauten Oblate.

Mein schwierigstes Unterfangen:zu bergen, was ich liebe.Ich beginne mit den Berührungenan dir, an mir, an den plötzlichen Schnittstellen,die ausfahrn aus beleidigtem Himmel,Aufmerksamkeit reißen, natürlich –das Kindlein ist ausgerückt,

entrückt, verrückt mehr als die geschworne Sekunde;mein Beileid, den neu entdeckten Leberfleckenauf Haut und Wort, dem Kanonder Naturen, die sich nicht erklärn;der Ertrag des Zauberhaftenliegt wie mein Kopf schon ungehaltenim Korb vor dir, ein Bukett des Ganzen.

III

Dir erklärt sich das ohne weiteres:eine Welt neben deiner.Meine Befangenheit nährt sich vom Übel:diese Kriege finden statt.

Ich fahr aus der Haut in die fremde,bin scheinbar,Jungfrau hinter Panzerglas.

Du beziehst die alten Knochen neu,stellst dich vors Haus unddarauf ein, dass es zu schmücken istmit dem, was sich findet

unter deiner Hand, deinem Blickdes Fassens einer Form;und weißt, um Jahre voraus

das Jahr, das zu bezeichnen ist,das gilt; und das ich immer ahnen darf,als würde ich von Beeren kosten,die mir vorm Finger weichen.

für Peter Kusserow

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Chronik

I

Hochzeiten entwerfen in einem Herbst undauf dem Rücken einer Schildkröte sitzen.

Dies Jahr sind die Kastanien fest, sagt Großmutterund lässt den Kopf nicht hängen, während siemit den Geistern spricht, Lüfte strickt.

II

In den Töpfen wurde gerührt, aus ihnenwurde nicht gespeist. Doch verteilt mit Mienen,die das Abendmahl verkündeten, von einemJesus sprachen, der den Weg vom Kreuzin alles fand, das den Anschein eines Hauses machte.

Manches Mal auch brach man dem Schlafeinen Zahn aus und nannte das Traum; Begehungeines unausweichlichen Raums, der verschlossenzwischen den Brauen und dem dritten Lächelneine Wiederkehr in Straßen versprach,

die unsicher geworden, junge Vögel und Kindervon ihrem Rücken warf, um ein Unheilzu vermeiden und ein anderes anzurichtennach den Litaneien und Versenkungen von Gliedlosem;aufzutischen mit den Speisen, die faulten.

III

Einhergehen im Storchenkostüm, die Wundkostfallen lassen im wimmernden Bündel, Sorge tragenfür den Schwarzen Peter, den man sich zuschiebtund sich ängstigt vor der Angst, deshalbMünder tauscht miteinander, Augen und Statur;

an der hält nichts fest, die hältnicht fest und legt sich in Arme nicht hinein.Im welken Licht: das Tuscheln der Wände,ein Erinnern an den Meteoritenhang,die Kollision und den guten endlichen Sturz.

GEGEN DEN TOD

zwei Ansatzmöglichkeiten

1. wenn es einen Anfang gabdann muss es auch ein Ende geben[Kausalproblem] 2. wenn es keinen Anfang gabdann kann es auch kein Ende geben[Vorstellungsproblem]

wir müssen dies in beide Richtungen zu Ende denken.

so leid es mir tut. es sind zwei Liniendie in ein und derselben Hinsichtsich überschneiden und nicht überschneiden

es ist wie ein Gehirnkrampf

wie ein schwarzes Loch in einem sonst logischen Systemwie ein Blackout am Morgen

als ob Raum und Zeit nun für immer verloren sind, ununterschieden, aufgelöst

trinkbar, wie ein grüner Tee.

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