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85 7 Relevanz is King: Content-Marketing-Strategien B7 RELEVANZ IS KING: CONTENT-MARKETING- STRATEGIEN Unternehmensfilme haben, wie jede Form der Unternehmenskommunika- tion, oft das Problem, dass sie mit Werbung gleichgesetzt werden. Sehr viele Unternehmen haben verstanden, dass sie mit schlichten Werbe- botschaften die Aufmerksamkeit der Rezipienten kaum mehr erreichen können. Eine seit einigen Jahren heiß diskutierte neue Strategie scheint einen Ausweg aus diesem Dilemma zu bieten: Das sogenannte „Content Marketing“. Damit ist gemeint, dass den Zielgruppen relevante und wert- volle Inhalte angeboten werden, die zu ihrer Interessenslage passen und ihnen einen Mehrwert bieten. Oder, wie es Klaus Eck und Doris Eichmeier in ihrem Standardwerk „Die Content-Revolution im Unternehmen“ aus- drücken: „Markeninhaber müssen künftig auch das publizistische und ver- legerische Handwerkszeug exzellent beherrschen und es zu Gunsten ihrer Marke einsetzen“ (Eck u. Eichmeier 2015, S. 9). Der Vorteil von Content-Marketing: Die Ansprache der Nutzer läuft über den Inhalt; dem Bedürfnis nach Orientierung werden inhaltsge- triebene Botschaften in besonderer Weise gerecht. Menschen möchten aus der Zeit, die sie medialen Botschaften widmen, den größtmöglichen Nutzen für sich ziehen: Sie wollen sich gut unterhalten, Wissen gewin- nen, Anregungen für ihr eigenes Handeln erhalten oder Fragen beant- wortet bekommen, die sie schon lange beschäftigen. Letztlich bedeutet das: Unternehmen dürfen in ihrer (Marketing-)Kommunikation nicht so sehr als Werber denken, sondern als Redakteure, Journalisten, Autoren und Kommunikateure, die auf die Zielgruppen zugeschnittene Inhalte – Filme, Texte, Bilder, Geschichten – erstellen und diese Inhalte möglichst geschickt mit dem Unternehmen verbinden. So können vor allem auch neue Zielgruppen im Netz erreicht werden. Denn Menschen suchen in aller Regel im Web nicht nach Unternehmen, sondern nach den Inhalten,

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7 Relevanz is King: Content-Marketing-Strategien

B7 RELEVANZ IS KING: CONTENT-MARKETING- STRATEGIENUnternehmensfilme haben, wie jede Form der Unternehmenskommunika-

tion, oft das Problem, dass sie mit Werbung gleichgesetzt werden. Sehr

viele Unternehmen haben verstanden, dass sie mit schlichten Werbe-

botschaften die Aufmerksamkeit der Rezipienten kaum mehr erreichen

können. Eine seit einigen Jahren heiß diskutierte neue Strategie scheint

einen Ausweg aus diesem Dilemma zu bieten: Das sogenannte „Content

Marketing“. Damit ist gemeint, dass den Zielgruppen relevante und wert-

volle Inhalte angeboten werden, die zu ihrer Interessenslage passen und

ihnen einen Mehrwert bieten. Oder, wie es Klaus Eck und Doris Eichmeier

in ihrem Standardwerk „Die Content-Revolution im Unternehmen“ aus-

drücken: „Markeninhaber müssen künftig auch das publizistische und ver-

legerische Handwerkszeug exzellent beherrschen und es zu Gunsten ihrer

Marke einsetzen“ (Eck u. Eichmeier 2015, S. 9).

Der Vorteil von Content-Marketing: Die Ansprache der Nutzer läuft

über den Inhalt; dem Bedürfnis nach Orientierung werden inhaltsge-

triebene Botschaften in besonderer Weise gerecht. Menschen möchten

aus der Zeit, die sie medialen Botschaften widmen, den größtmöglichen

Nutzen für sich ziehen: Sie wollen sich gut unterhalten, Wissen gewin-

nen, Anregungen für ihr eigenes Handeln erhalten oder Fragen beant-

wortet bekommen, die sie schon lange beschäftigen. Letztlich bedeutet

das: Unternehmen dürfen in ihrer (Marketing-)Kommunikation nicht so

sehr als Werber denken, sondern als Redakteure, Journalisten, Autoren

und Kommunikateure, die auf die Zielgruppen zugeschnittene Inhalte –

Filme, Texte, Bilder, Geschichten – erstellen und diese Inhalte möglichst

geschickt mit dem Unternehmen verbinden. So können vor allem auch

neue Zielgruppen im Netz erreicht werden. Denn Menschen suchen in

aller Regel im Web nicht nach Unternehmen, sondern nach den Inhalten,

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die sie interessieren. Erfolg hat, wer als Anbieter über die Suchanfragen

gefunden wird und Antworten auf die Fragen der User liefern kann. Dabei

spielt es eine untergeordnete Rolle, ob der Content in Form von Web-

sites, Online-Reportagen oder Webvideos angezeigt wird. Hauptsache

der Nutzwert von Informationen stimmt. Nicht jeder Inhalt ist für jede Ziel-

gruppe gleich relevant. Mit redaktionell aufbereiteten Inhalten, verbreitet

via Facebook oder über YouTube-Channels, bietet Content-Marketing eine

Möglichkeit, gezielt jene Zielgruppen anzusprechen, die mit klassischen

Medienkanälen nur schwer zu erreichen sind. Will beispielsweise ein On-

linehändler dort präsent sein, wo sich die User mit einem Thema beschäf-

tigen, kann er diese mit YouTube-Videos sehr viel leichter erreichen als

über die klassischen Medienkanäle. Außerdem erzielt das Liken, Sharen

und Kommentieren der Bewegtbildinhalte einen positiven Imagetransfer.

Wenn der Nutzer in Folge auf der passenden Website landet oder Produk-

te direkt bestellt, hat Content-Marketing sein Ziel erreicht.

Abb. 31: Inhalte statt reiner Werbung. Content-Marketing setzt auf

redaktionelle Inhalte z.B. in „Wirktutorials“ von LR Health & Beauty Systems.

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Inhalte findenEinen Unternehmensfilm im Rahmen einer Content-Management-Strategie

einzusetzen bedeutet damit, zunächst einmal die richtigen Inhalte für die

unterschiedlichen Zielgruppen des Unternehmens zu finden. In der klassi-

schen Werbung und im herkömmlichen Imagefilm war das relativ einfach:

Man stellte die Produktvorteile oder die Werte des Unternehmens in den

Mittelpunkt. Im Content-Marketing muss man weiterdenken. So könnte etwa

ein Unternehmen, das Sicherheitstechnik für Gebäude herstellt, das Thema

„Sicherheit“ zur Grundlage ihrer Content-Strategie machen und dieses

Thema in Filmen, Texten, Blogbeiträgen in all seinen Schattierungen be-

setzen: von Sicherheitstipps für Reisende über sicheres Autofahren bis hin

zu psychologischen Aspekten der Bedeutung von Sicherheitsgefühlen für

unser psychisches Wohlergehen. So kommuniziert sich das Unternehmen als

Es geht um den optimalen Einsatz der unterschiedlichen Kanäle, um Personalisierung der Inhalte, um Markenbotschaften, das gekonnte Nutzen von Social Media, um Storytelling und natürlich um jede Menge Kreativität.KLAUS ECK UND DORIS EICHMEIER, MARKETINGEXPERTEN

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„Kompetenzzentrum“ für alles rund um Sicherheit – und lädt natürlich auch

die eigenen Produkte mit dieser Kompetenz auf. Idealerweise taucht es dann

auch immer auf, wenn User im Web Fragen zum Thema Sicherheit stellen.

Ein gutes Beispiel aus dem Printbereich ist das Kundenmagazin „1890“

der Allianz Deutschland AG. In den vierteljährlich erscheinenden Heften steht

immer ein Thema im Mittelpunkt, das an der Oberfläche zunächst nichts

mit Versicherungen zu tun hat – Themen wie „Schmerz“, „Geschwindigkeit“

oder „Wendepunkte“. In journalistisch hervorragend aufbereiteten Reporta-

gen werden Geschichten über Protagonisten erzählt, Hintergründe geliefert,

Wissen vermittelt. Nur sehr indirekt und unaufdringlich wird dem Leser klar,

dass Schmerz natürlich irgendetwas mit Krankenversicherungen zu tun haben

könnte oder Wendepunkte etwas mit der Absicherung gegen die Wechsel-

spiele des Lebens. An den Texten dieses Magazins kann man lernen, wie man

solche Verbindungen dezent und keineswegs mit dem Holzhammer herstellt.

Content aufbereitenDieses Beispiel zeigt auch, dass man bei der Aufbereitung der Inhalte sehr

sensibel sein muss und in erster Linie aus der Perspektive des Rezipienten

und des Themas denken sollte, und nicht aus der des Unternehmens. Na-

türlich muss der Link zum Unternehmen funktionieren, sonst macht man

eine Publikumszeitschrift oder ein Fernseh-Wissensmagazin und kein Con-

tent-Marketing. Aber wie gesagt: dezent. Diesen Balanceakt hinzubekom-

men bedeutet, dass die Kommunikateure einerseits journalistische und

vom Inhalt herkommende Fähigkeiten besitzen (als Filmemacher, Autoren,

Redakteure), andererseits aber auch die Markenstrategie des Unterneh-

mens verinnerlicht haben. Das ist nicht einfach. Der Lohn für diese Mühe ist

jedoch, dass man über Themen und Inhalte Zielgruppen erreicht, die sonst

nie auf die Idee kämen, Kommunikationsmaßnahmen des Unternehmens

auch nur eines Blickes zu würdigen.

Mehrwert bietenDie Filme, die auf YouTube am meisten geklickt werden, sind diejenigen,

die entweder gute Unterhaltung und Humor versprechen oder bei denen

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der User etwas lernen, Tipps für seinen Alltag bekommen kann – die

Konjunktur der Schmink- und Style-Videos spricht Bände. Im Kontext der

Unternehmenskommunikation sind das also Filme, die dem User einen

Mehrwert bieten, der über die reine Information über ein Unternehmen

und dessen Produkte weit hinausgeht. Filme, die nicht nur versuchen, die

Unternehmensbotschaften an den Mann oder an die Frau zu bringen, son-

dern hinter denen man das Anliegen spürt: Was kann ich dem Zuschauer

zurückgeben für die Zeit, die er mit mir verbringt?

Um einen Unternehmensfilm mit Mehrwert zu konzipieren, sollte

man ein sehr gutes Gefühl für die Denkweise und die Anliegen der Kun-

den haben. Nicht umsonst sind die erfolgreichsten Produzentinnen von

Schmink-Videos und Modeblogs im selben Alter und damit auch in einer

ähnlichen Lebenssituation wie ihre Zuschauer- und Leserinnen. Es emp-

fiehlt sich also, in einen intensiven Dialog mit der Zielgruppe einzutreten,

sie genau kennenzulernen und nicht von oben herab wie ein ergrauter

Lehrer zu mutmaßen, was etwa junge Leute zu interessieren hat.

Procter & Gamble: „Always Being Girl“

Procter und Gamble hat für seine Marke „Always“ (Binden und Tampons)

in Amerika eine Filmreihe auf YouTube unter dem Titel „Being Girl“ ge-

startet, in der in kurzen Clips junge Mädchen über typische Mädchen-

probleme sprechen: Wie man damit umgeht, wenn der Freund einen

verlassen hat. Oder wie es ist, wenn man zum ersten Mal die Periode

hat. Manche dieser Filme gehen also direkt auf das Produkt ein, andere

nicht. Doch das Unternehmen präsentiert sich als kompetent mit allem,

was das Leben eines jungen Mädchens ausmacht – wozu natürlich auch

die Periode gehört.

Paradebeispiel „How-To-Filme“ Viele Menschen benutzen das Internet so: Sie haben eine Frage oder ein

Problem und geben Begriffe in das Eingabefeld einer Suchmaschine ein.

Blitzschnell erfolgen Angebote zur Lösung dieser Fragen; die Antworten

können natürlich auch Filme sein. Es gibt praktisch für alles Bedienungs-

anleitungen: wie man ein Ikea-Regal mühelos aufbaut, Autoreifen wechselt

oder als Selbsversorger über die Runden kommt. Solcher „User Generated

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Content“ ist der Renner auf den Videoplattformen. Glücklich kann sich

schätzen, wer als Unternehmen auf diese Weise vom Zuschauer „gefragt“

wird. How-to-Filme schaffen den perfekten Spagat zwischen dem Nutzen

des Zuschauers und dem des Unternehmens.

Content auf den richtigen Plattformen publizierenNatürlich hat man schon bei der Konzeption der Inhalte im Blick, auf wel-

cher Plattform man mit welchem Inhalt die richtigen Zielgruppen erreichen

kann. Im sogenannten „Influencer-Marketing“ spielt die Wahl der richtigen

Plattform eine entscheidende Rolle. Ist ein eigener YouTube-Channel der

richtige Ort für den Film oder ist es ein eigener Video-Blog oder doch

die eigene Website, auf der man genug Traffic hat, um seine Zielgruppen

anzusprechen? Auch die Frage, ob man Social Media eher als Veröffentli-

chungsplattform oder als Marketingplattform einsetzt, sollte geklärt wer-

den. Auch hier gibt es keine Standardlösungen. Man muss jeweils von Fall

zu Fall die richtigen Antworten unter Berücksichtigung der Marke und ihrer

Botschaften, der Zielgruppen und des Inhalts des konkreten Films finden.

OTTO’s Web-TV-Format: „Stylediaries“

OTTO gilt als Pionier und Trendsetter im Content-Marketing und hat mit

„Stylediaries“ einen Fashion- und Beauty-Channel auf YouTube betrieben,

der die junge Zielgruppe der 18- bis 35-jährigen ansprechen soll. Das

Gesicht des YouTube-Kanals ist Multitalent Bonnie Strange. Sie besucht in

regelmäßigen Abständen prominente Gäste aus der Fashion-, Musik- oder

Schauspielszene. Im Stil eines Fernseh-Boulevard-Beitrages gedreht unter-

halten sich Gast und Gastgeber in völlig ungezwungener und privater At-

mosphäre, etwa über die Frage, welche Bluse zu welcher Hose passt. Den

unterhaltsam gemachten Videos gelingt es, über die reine Sortiments-Prä-

sentation hinaus einen relevanten Mehrwert für die User herzustellen. Ein

Hinweis, dass alle gezeigten Outfits auf otto.de erhältlich sind, darf dabei

nicht fehlen. Die „Stylediaries“ führen vor Augen, dass Content-Marketing

eine sinnvolle und erfolgreiche Ergänzung im Marketing-Mix sein kann,

insbesondere bei komplexeren Kommunikationsinhalten.

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Abb. 32: OTTO betreibt einen eigenen YouTube-Channel und verleiht

auf diese Weise seiner Beratungs- und Trendkompetenz Ausdruck.

Abb. 33: „Zielgruppen-Fitting“. Jeden zweiten Mittwoch begrüßt Stil-Ikone

Bonnie Strange (links) Promi-Gäste, hier zum Beispiel Melissa Lee (rechts).