BA Frischkopf Amanda PR10 original · 2015-08-24 · • Es gibt einfache Wörter wie zum Beispiel...

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Bachelorarbeit Wortschatzarbeit Amanda Frischkopf PHZ Luzern 2013 3 1.2 Fragestellung Aufgrund der beschriebenen Überlegungen werde ich mit dieser Arbeit folgenden Fragen nachgehen: 1. Wie lassen sich die theoretischen Erkenntnisse zur Wortschatzarbeit in einer Fördereinheit zur Wortschatzerweiterung für eine Gruppe von sechs Lernenden der vierten Primarklasse konkret umsetzen; sprich planen, durchführen und deren Einsatz und Wirkung auswerten? 2. Kann durch die durchgeführte Fördereinheit der Wortschatz von sechs Lernenden der vierten Primarklasse erweitert werden? 1.3 Zielsetzung Das Ziel meiner Arbeit ist es, aktuelle und erfolgversprechende theoretische Erkenntnisse zur Wortschatzarbeit in der Primarschule aufzuzeigen und im Speziellen auf der vierten Primarstufe anzuwenden, um eine Antwort auf die formulierten Fragen zu finden. Um die Fragestellungen meiner Arbeit bearbeiten und beantworten zu können, soll in einem ersten schriftlichen Teil ein theoretischer Hintergrund gewährleistet werden. Dieser beinhaltet eine Definition der Begriffe Wort, Wortschatz und Wortschatzarbeit. In einem weiteren Kapitel wird die Problematik der Wortschatzarbeit aus Sicht der Theorie und Forschung dargelegt und die Wortschatzarbeit im Luzerner Lehrplan (IEDK, 1998) und im offiziellen Deutschlehrmittel Die Sprachstarken 4 (Lötscher, Nänny, Sutter, Schmellentin & Sturm, 2009, 2010) aufgeführt. Des Weiteren wird der Fokus auf die Theorie des Wortschatzerwerbes und die daraus abgeleitete Didaktik gelegt. Gestützt auf die theoretischen Grundlagen wird im praktischen Teil die Planung, Durchführung und Auswertung einer Fördereinheit von zwanzig Lektionen für sechs Lernende der vierten Primarklasse aufgeführt, die aufgrund einer Lernstandanalyse einen im Vergleich zur Klasse kleinen Wortschatz haben. Ich will mit dieser Fördereinheit aufzeigen, wie es im Deutschunterricht möglich ist, systematisch und differenziert Wortschatzarbeit nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung zu betreiben. Der Wortschatz dieser sechs Lernenden soll erweitert und vertieft werden. Am Ende der Wortschatzarbeit wird noch einmal die gleiche Lernstandanalyse durchgeführt. Die Ergebnisse der ersten und zweiten Wortschatzerhebung werden grafisch dargestellt, miteinander verglichen und ausgewertet. Die Beantwortung der Fragestellungen und die kritische Betrachtung der ganzen Fördereinheit runden die Arbeit ab. Da ich es grundsätzlich mit normal begabten Kindern zu tun habe, werde ich in meiner Arbeit nicht auf mögliche Störungen des Wortschatzerwerbes eingehen.

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1.2 Fragestellung

Aufgrund der beschriebenen Überlegungen werde ich mit dieser Arbeit folgenden Fragen

nachgehen:

1. Wie lassen sich die theoretischen Erkenntnisse zur Wortschatzarbeit in einer

Fördereinheit zur Wortschatzerweiterung für eine Gruppe von sechs Lernenden der

vierten Primarklasse konkret umsetzen; sprich planen, durchführen und deren Einsatz und

Wirkung auswerten?

2. Kann durch die durchgeführte Fördereinheit der Wortschatz von sechs Lernenden der

vierten Primarklasse erweitert werden?

1.3 Zielsetzung

Das Ziel meiner Arbeit ist es, aktuelle und erfolgversprechende theoretische Erkenntnisse

zur Wortschatzarbeit in der Primarschule aufzuzeigen und im Speziellen auf der vierten

Primarstufe anzuwenden, um eine Antwort auf die formulierten Fragen zu finden.

Um die Fragestellungen meiner Arbeit bearbeiten und beantworten zu können, soll in einem

ersten schriftlichen Teil ein theoretischer Hintergrund gewährleistet werden. Dieser beinhaltet

eine Definition der Begriffe Wort, Wortschatz und Wortschatzarbeit. In einem weiteren

Kapitel wird die Problematik der Wortschatzarbeit aus Sicht der Theorie und Forschung

dargelegt und die Wortschatzarbeit im Luzerner Lehrplan (IEDK, 1998) und im offiziellen

Deutschlehrmittel Die Sprachstarken 4 (Lötscher, Nänny, Sutter, Schmellentin & Sturm,

2009, 2010) aufgeführt. Des Weiteren wird der Fokus auf die Theorie des

Wortschatzerwerbes und die daraus abgeleitete Didaktik gelegt.

Gestützt auf die theoretischen Grundlagen wird im praktischen Teil die Planung,

Durchführung und Auswertung einer Fördereinheit von zwanzig Lektionen für sechs

Lernende der vierten Primarklasse aufgeführt, die aufgrund einer Lernstandanalyse einen im

Vergleich zur Klasse kleinen Wortschatz haben. Ich will mit dieser Fördereinheit aufzeigen,

wie es im Deutschunterricht möglich ist, systematisch und differenziert Wortschatzarbeit

nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung zu betreiben. Der Wortschatz dieser sechs

Lernenden soll erweitert und vertieft werden.

Am Ende der Wortschatzarbeit wird noch einmal die gleiche Lernstandanalyse durchgeführt.

Die Ergebnisse der ersten und zweiten Wortschatzerhebung werden grafisch dargestellt,

miteinander verglichen und ausgewertet. Die Beantwortung der Fragestellungen und die

kritische Betrachtung der ganzen Fördereinheit runden die Arbeit ab.

Da ich es grundsätzlich mit normal begabten Kindern zu tun habe, werde ich in meiner Arbeit

nicht auf mögliche Störungen des Wortschatzerwerbes eingehen.

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2 Theoretischer Hauptteil

Im folgenden Teil wird der theoretische Hintergrund zur Wortschatzarbeit erläutert. Zu

Beginn wird auf die Begriffe Wort, Wortschatz und Wortschatzarbeit genauer eingegangen.

Im Kapitel 2.2 wird die Problematik der Wortschatzarbeit aus Sicht der Theorie und

Forschung dargelegt und die Wortschatzarbeit im Luzerner Lehrplan (IEDK, 1998) und im

offiziellen Lehrmittel Die Sprachstarken 4 (Lötscher et al., 2009, 2010) aufgeführt.

Im Kapitel 2.3 wird der Fokus auf die Theorie des Wortschatzerwerbes und im Kapitel 2.4 auf

die daraus abgeleitete Didaktik gelegt.

2.1 Begriffsklärungen

Zu Beginn der Arbeit wird ihr Titel Wortschatzarbeit genauer betrachtet und die einzelnen

Aspekte Wort, Wortschatz und Wortschatzarbeit dargelegt und erklärt, was darunter

verstanden wird.

2.1.1 Wort und Lexem

Wörter sind die elementare Grundlage aller menschlichen Sprachen. Sie sind das

menschliche Verständigungsmittel, sei es das gesprochene oder das geschriebene Wort.

Ohne Grammatik und ohne ihre Regeln kann man nur schlecht kommunizieren, aber ohne

Wörter überhaupt nicht.

Alle Menschen wissen oder glauben zu wissen, was ein Wort ist. Im alltäglichen

Sprachgebrauch wird der Ausdruck Wort, wie die folgenden Beispiele zeigen, in

unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet.

Ich suche ein Wort mit sechs Buchstaben.

Schneide mir nicht das Wort ab!

Genug der Worte, jetzt folgen Taten!

Er gibt mir das Wort.

Ich mache schöne Worte.

Geht es um eine genauere wissenschaftliche Abgrenzung und Unterscheidung von

wortähnlichen Gebilden oder um eine klare Definition, ist sich die Sprachwissenschaft

überhaupt nicht einig. Darum existiert keine eindeutige Definition des Begriffes Wort. Je nach

Blickwinkel sind bei der Definition unterschiedliche Kriterien von Bedeutung (Ulrich, 2010,

S. 3).

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Ulrich (2010, S. 3-5) führt folgende zwei Definitionen1 auf.

Orthographische Definition

Das Wort ist eine Buchstabenfolge, die auf beiden Seiten durch Leerstellen/Abstände oder

ein Satzzeichen vom Kontext abgegrenzt ist.

Diese Definition weist jedoch Probleme auf. Die Abstände der geschriebenen Sprache

entsprechen nicht immer den Pausen der gesprochenen Sprache.

Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich zum Beispiel beim Wort wegfahren. Zählt wegfahren als

ein Wort oder fährt weg als zwei Wörter?

Auch bei den Flexionsformen der Verben fragen, fragst, fragte, gefragt etc., bei denen sich

die grammatische Form ändert, nicht aber die Bedeutung, stellt sich die Frage, ob es sich

dabei um ein Wort oder mehrere Wörter handelt?

Zudem gibt es Wörter, sogenannte Homonyme, welche die gleiche Form, aber verschiedene

Bedeutungen haben, wie beispielsweise der Gang als Korridor und der Gang als Art zu

gehen.

Die orthografische Definition ist zu sehr an die schriftliche Erscheinungsform der Sprache

gebunden und vernachlässigt die Bedeutung und die grammatische Funktion der Wörter.

Semantische Definition

Das Wort ist die kleinste selbstständig Bedeutung tragende Einheit der Sprache.

Die semantische Definition kommt in Konflikt mit der Linguistik. In der Linguistik definiert man

nicht das Wort als kleinste Bedeutung tragende Einheit, sondern den Wortbaustein, das

Morphem.

Zusammengesetzte Wörter wie Schlüsselloch und abgeleitete Wörter wie herzlich oder

Unmensch sind nach dieser Definition keine Wörter, weil man sie in kleinere

bedeutungstragende Wörter wie Schlüssel und Loch und in nachgestellte Wortbausteine,

Suffixe, wie lich und vorangestellte Wortbausteine, Präfixe, wie un zerlegen kann.

Gewissen Wörtern wie Artikeln, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen lassen sich

keine lexikalischen Bedeutungen zuordnen. Sie bestimmen die grammatisch logischen

Beziehungen der Wörter und Wortgruppen im Satz zueinander. Folglich wären laut der

semantischen Definition Artikel, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen keine Wörter.

1 Alle nachfolgenden Definitionen wurden paraphrasiert und zur besseren Sichtbarkeit in einen Rahmen gesetzt.

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Bussmann (2008, S. 794) führt in seinem Lexikon eine weitere Definition auf.

Syntaktische Definition

Das Wort ist die kleinste verschiebbare und ersetzbare Einheit des Satzes.

Unter syntaktischem Aspekt sind Wörter Einheiten, die sich innerhalb eines Satzes

verschieben, sich durch andere austauschen und durch das Einfügen weiterer Wörter

voneinander trennen lassen.

Diese Definition ist wie die orthografische problematisch, weil sie die Bedeutung des Wortes

nicht beachtet. Wortformen wie Frau und Frauen werden nicht als zusammengehörige

Wortformen bestimmt. Das gleiche Problem besteht bei trennbaren Verben wie auffressen

und er frisst auf, die auch getrennt als Ganzes zusammengehören.

Wie die verschiedenen Definitionsversuche zeigen, gibt es Wortbeispiele, die sich der einen

oder anderen Definition widersetzen und herausfallen.

Setzt man aber beim Begriff Wort weniger strenge Massstäbe an und geht davon aus, dass

ein Wort verschiedene Merkmale aufweisen kann, aber nicht muss, kommt man dem

Prototyp eines Wortes näher.

Nach Ulrich (2010, S. 5) kann ein Wort folgende Merkmale aufweisen:

• Es ist in der gesprochenen wie in der geschriebenen Sprache isolierbar.

• Es ist selbstständiger Bedeutungsträger.

• Es gibt einfache Wörter wie zum Beispiel Herz, die aus einem einzigen Morphem

bestehen.

• Es gibt aber auch komplexe Wörter wie zum Beispiel herzlos, herzlich, die aus mehreren

Morphemen bestehen.

Nach Ulrich (2010, S. 5-6) scheint es ratsam, aufgrund der erwähnten Probleme bei der

Begriffsabgrenzung einen anderen eindeutigen Terminus, das Lexem, zu verwenden. Der

Begriff Lexem lässt sich in der linguistischen Fachsprache eindeutiger definieren als der

Begriff Wort.

Definition Lexem

Das Lexem bildet die Grundeinheit des Lexikons, des Wortschatzes einer Sprache. Es ist als

Lexikoneinheit gesellschaftlich gefestigt und lexikalisiert.

Im Zusammenhang mit dem Begriff Wortschatz ist es sinnvoll, den Terminus Lexem zu

verwenden, da er eine abstrakte Grösse ist und sich auf alle Wörter bezieht.

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Es lassen sich drei Arten von Lexemen unterscheiden (Ulrich, 2011, S. 31-32):

• Einfache Lexeme, die aus einem einzigen freien Morphem bestehen. Bei Verben kommt

das Flexionsmorphem dazu. Beispiele sind Haus, hoch und lauf.

• Komplexe Lexeme, die aus mehreren Morphemen bestehen, also Zusammensetzungen

wie Hochhaus, Ableitungen wie bewohnen und Kurzformen wie U-Bahn.

• Wortgruppenlexeme wie Redewendungen, deren Bedeutung nicht einfach aus den

Einzelwörtern abgeleitet werden können. Zum Beispiel Nicht alle Tassen im Schrank

haben bedeutet verrückt zu sein. Der dritte Lexemtyp besteht aus mehreren Wörtern und

muss als semantische Ganzheit mit spezieller Bedeutung gelernt und im Langzeit-

gedächtnis gespeichert werden.

Aus der Fachliteratur wird ersichtlich, dass die Begriffe Wort und Lexem gleichbedeutend

verwendet werden. Deshalb wird in dieser Arbeit einfachheitshalber nur der Begriff Wort

verwendet. Damit ist aber auch immer das Lexem gemeint.

2.1.2 Wortschatz

Im Kapitel 2.1.1 wird das Wort als Grundeinheit des Lexikons genauer erläutert. Alle diese zu

einem bestimmten Zeitpunkt im Lexikon vorhandenen Wörter bilden den Wortschatz einer

Sprache oder Sprachgemeinschaft. Die Begriffe Wortschatz und Lexikon sind Synonyme und

austauschbar. In der deutschen Standardsprache gibt es nach Angaben der Fachliteratur

300‘000 bis 500‘000 Wörter. Berücksichtigt man jedoch noch die Fachsprachen, so sind es

bis zehn Millionen Wörter. Der Bestand ändert sich laufend. Einige Wörter wie Fräulein oder

Oheim verschwinden, andere wie herunterladen oder SMS kommen neu dazu. Kein

Individuum einer Sprachgemeinschaft beherrscht den gesamten Wortschatz. Von Geburt an

bis zum Tod lernt der Mensch nur einen bescheidenen Teil des Wortschatzes und speichert

ihn im Langzeitgedächtnis. Man nennt diesen individuellen Anteil, diesen menschlichen

Wortspeicher, das innere oder mentale Lexikon eines Menschen (Ulrich, 2011, S. 33).

Man unterscheidet zwischen einem rezeptiven, beziehungsweise passiven und einem

produktiven, beziehungsweise aktiven Wortschatz. Wörter, die beim Hören und Lesen

verstanden werden, gehören zum rezeptiven und passiven Wortschatz, der auch

Verstehenswortschatz genannt wird. Hingegen bilden Wörter, auf die beim Sprechen und

Schreiben aktiv zurückgegriffen wird, den produktiven und aktiven, den sogenannten

Ausdruckswortschatz. Der rezeptive Wortschatz ist in der Regel viel grösser als der

produktive und geht ihm voraus. Der Übergang vom rezeptiven zum produktiven Wortschatz

ist gleitend. Meistens ist es jedoch so, dass man Wörter zuerst vom Lesen oder Hören her

versteht und dann beim Schreiben oder Sprechen darauf zurückgreift und sie anwendet.

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Wörter können aber auch vom produktiven zum rezeptiven Wortschatz übergehen, wenn sie

im Alltag selten gebraucht werden. Der individuelle Bestand an Wörtern im mentalen Lexikon

und das Wachstum und der Umfang des Wortschatzes lassen sich nicht genau bestimmen,

nur schätzen.

Bei Schuleintritt im Alter von ungefähr sechs Jahren beträgt der rezeptive Wortschatz in der

deutschen Erstsprache eines Kindes rund 14‘000 Wörter und es verfügt über einen

produktiven Wortschatz von rund 5‘000 Wörtern. Während der Schulzeit wächst der

Wortschatz mit dem Schriftspracherwerb enorm. Jährlich vergrössert sich der rezeptive

Wortschatz während den ersten Schuljahren um rund 3‘000 neue Wörter. Erwachsene

verwenden normalerweise einen produktiven Wortschatz von 7‘000 bis 15‘000 Wörtern und

verfügen über einen rezeptiven Wortschatz von 50‘000 bis 100‘000 Wörtern. Auch im

Erwachsenenalter lernt man ständig neue Wörter hinzu (Selimi, 2010, S. 26).

2.1.3 Wortschatzarbeit

Mit Wortschatzarbeit ist eine explizite Wortschatzarbeit gemeint, die die Untersuchung

semantischer Strukturen des Lexikons zum Unterrichtsthema macht. Dies geschieht planvoll

und systematisch mit Hilfe von verschiedenen Wortschatzübungen (Ulrich, 2011, S. 43).

Die Ziele der Wortschatzarbeit sind laut Ulrich (2010, S. 35):

• Beherrschen eines möglichst umfangreichen rezeptiven und produktiven Wortschatzes

• Kennen eines Wortes mit seinen Haupt- und Nebenbedeutungen sowie den

semantischen Merkmalen

• Erwerben einer möglichst umfassenden analytischen und produktiven Wortbildungs-

kompetenz

• Verstehen der Prozesse der Bedeutungserweiterung und der Metaphernbildung

• Sensibilisieren für Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen mehreren Wörtern und

Lesarten

Es geht Ulrich (2011) bei der Wortschatzarbeit nicht nur darum, den individuellen Wortschatz

der Lernenden durch zusätzliche Einträge im mentalen Lexikon zu erweitern und zu

vertiefen, sondern auch darum, den Zugriff auf den Wortschatz zu sichern und zu optimieren.

Sowohl die Worterkennung beim Hören und Lesen wie auch die Wortfindung beim Sprechen

und Schreiben gilt es im Rahmen der Wortschatzarbeit zu verbessern (Ulrich, 2011, S. 41).

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2.2 Problematik

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, schliessen viele Wissenschaftler, aber auch die

Mitmenschen, vom Wortschatz eines Menschen auf seinen Intelligenzgrad. Klar, der

Wortschatz ist nur ein Indikator, doch zweifelsohne spielt er eine wichtige Rolle im

beruflichen wie privaten Alltag eines Menschen.

Wie im Kapitel 2.1.2 beschrieben, ist die Zunahme des Wortschatzes während der Schulzeit

am grössten. So liegt es auf der Hand, dass die Schule beim Wortschatzerwerb eine

wichtige Verantwortung übernimmt, beziehungsweise übernehmen muss. Sie ist

verantwortlich dafür, dass Lernende aus verschiedener sozialer und nationaler Herkunft und

mit verschiedenen kognitiven Fähigkeiten, ihren Wortschatz erfolgreich erweitern und

vertiefen können. Gelingt es der Schule, diese Verantwortung wahrzunehmen?

2.2.1 Problematik aus Sicht der Theorie und Forschung

Die Linguistik ging bis ins 20. Jahrhundert davon aus, dass der Satz die zentrale und

wichtigste Erscheinung der Sprache ist. Die Syntax als Theorie der Satzbildung bildete den

Kern der Sprachanalyse und Sprachbeschreibung. Das sprachliche Ausdrucksverhalten war

nach der Sprachwissenschaft in erster Linie die Anwendung von Satzbauregeln. So wurde

im schulischen Deutschunterricht der Schwerpunkt auf die Satzbaulehre, also die

Grammatik, gelegt.

In den 1980er Jahren führte der Paradigmenwechsel vom Behaviorismus zur kognitiven

Psychologie zur Entstehung einer kognitiven Linguistik und so auch zu einer kognitiven

Semantik. Die kognitive Semantik untersuchte, wie sprachliche Informationen, wie

Bedeutungen mental repräsentiert werden. Der Fokus wurde stärker als zuvor auf die

geistige Verarbeitung der wahrgenommenen Welt in Form von Konzepten und auf deren

Versprachlichung mit Hilfe von Sprachzeichen gelegt. Mit den neuen Erkenntnissen in der

kognitiven Semantik wurde die Bedeutung des Wortschatzes für alles sprachliche Handeln

erkannt. Es setzte sich immer mehr die Überzeugung durch, dass ein grosser Teil dessen,

was bei der Satzbildung erfolgt, von der Wahl der beteiligten Wörter abhängt. Diese stehen

nicht am Ende, sondern am Anfang eines Satzbildungsprozesses. In einem ersten Schritt

erfolgt der Zugriff auf den Wortschatz und erst in einem zweiten Schritt der Aufbau der

Satzstruktur. Nicht die Syntax steht, wie früher angenommen, im Zentrum des sprachlichen

Handelns, sondern der Wortschatz, auch Lexikon genannt. Ohne Grammatikkenntnisse kann

man sich nur schlecht verständigen, ohne Kenntnis der Wörter aber überhaupt nicht (Ulrich,

2011, S. 18-20).

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Dieser Wandel in der Sprachwissenschaft sollte zwangsläufig auch zu einem Wandel in der

Didaktik der deutschen Sprache führen. Dies ist jedoch nach Ulrich (2010) bis heute nicht

der Fall. Die Wortschatzarbeit wird im muttersprachlichen Deutschunterricht der

Volksschulen vernachlässigt. Sprachbetrachtung und Reflexion der Sprache beziehen sich

prinzipiell auf Grammatik und Rechtschreibung. Es herrscht die Meinung vor, dass der

Wortschatz der Lernenden im Unterricht beim Zuhören und beim Lesen von Texten nebenbei

erworben wird (Ulrich, 2010, S. 33). Aber nach Ansicht von Ulrich (2010) genügt dies nicht.

So fordert er: „Fort von einem satz- und syntaxzentrierten Grammatikunterricht hin zu einer

wortschatzorientierten Sprachreflexion im Unterricht!“ (Ulrich, 2010, S. 2). Er will damit den

herkömmlichen syntaxorientierten Grammatikunterricht, der Inhalte wie Wortarten,

Wortflexion, Satzglieder etc. umfasst, zu Gunsten einer lexikonorientierten Sprachreflexion

reduzieren. Um das Speichern lexikalischer Einheiten und ihr Abrufen zu sichern und zu

beschleunigen, fordert er, komplementär zur unsystematischen Wortschatzarbeit eine

differenzierte und systematische Bewusstmachung von Strukturen (Ulrich, 2011, S. 20-21).

Wie Ulrich (2010, 2011) stellt auch Selimi (2010) diese Problematik fest. Die

Wortschatzarbeit im Unterricht ist nach ihm heute zu wenig systematisch. Der Wortschatz,

den die Schülerinnen und Schüler sich beiläufig aneignen, bleibt oberflächlich und lückenhaft

und genügt bei vielen Lernenden nicht, das Wissen über Wörter und deren Feinheiten

nachhaltig auszuweiten. Auch Selimi (2010) fordert eine durchdachte Wortschatzförderung,

eine bewusste Auseinandersetzung mit den Wortbedeutungen und den Beziehungen

zwischen den Wörtern. Nur das führt zu einem grösseren Wortschatz der Lernenden.

Die von Ulrich (2010, 2011) und Selimi (2010) festgestellte mangelhafte Wortschatzarbeit im

Deutschunterricht hat Auswirkungen auf die Wortschatzkompetenzen der Lernenden.

Eine Studie von Moser und Hollenweger (2008, zit. in Selimi, 2010, S. 12) kommt zum

Schluss, dass bei Lernenden von mehrsprachigen Klassen der Primarschule durchschnittlich

geringe Wortschatzkompetenzen in der deutschen Sprache vorhanden sind.

Die internationale Vergleichsstudie PISA (2000, zit. in Selimi, 2010, S. 12) bescheinigt

mittelmässige Resultate im Leseverstehen bei den Jugendlichen. Diese Tatsache lässt die

Vermutung aufkommen, dass ein unzureichender Wortschatz die wichtigste Ursache für

diese ungenügenden Lesekompetenzen ist (Selimi, 2010, S. 12-13).

Nach den Erkenntnissen von Ulrich (2010, 2011) und Selimi (2010) zur Wortschatzarbeit

sowie den beiden Studien stellt sich die Frage, wie es um die Wortschatzarbeit im aktuellen

Deutschlehrplan (IEDK, 1998) der Primarschule des Kantons Luzern steht und wie sie im

obligatorischen Deutschlehrmittel Die Sprachstarken 4 (Lötscher et al., 2009, 2010)

umgesetzt wird?

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2.2.2 Wortschatzarbeit im Luzerner Lehrplan und Deutschlehrmittel

Da die Fördereinheit zur Wortschatzerweiterung für die vierte Primarklasse geplant ist,

beschränkt sich die Durchsicht auf den aktuellen Luzerner Deutschlehrplan (IEDK, 1998)

dieser Stufe. Er enthält insgesamt zwanzig Grobziele, wovon vier der Wortschatzerweiterung

zugeordnet werden können (Dienststelle Volksschulbildung Kanton Luzern, 2012, S. 5). Die

nachfolgenden Ausschnitte aus dem Lehrplan zeigen die entsprechenden vier Grobziele.

Abb. 1: Wortschatzarbeit im Lehrplan Deutsch des Kt. Luzern (IEDK, 1998, S. 16)

Beim Grobziel 1.1 im Lehrplan (IEDK, 1998), wie man in der Abbildung 2 sieht, geht es

darum, dass sich die Lernenden beim Lesen und Zuhören bewusst werden, welche Wörter

und Wendungen sie nur ungenau oder überhaupt nicht verstehen. Sie sollen die

Bedeutungen der Wörter oder Wendungen, die nicht verstanden werden, in einem ersten

Schritt aus dem Kontext selber erschliessen lernen und erst in einem zweiten Schritt

entsprechende Fragen stellen oder mit Hilfe von Nachschlagewerken die Wortbedeutungen

kennen lernen.

Beim Grobziel 1.2 sollen die Lernenden mündlich wie schriftlich Erfahrungen, Empfindungen,

Beobachtungen und Handlungsabläufe möglichst genau beschreiben können.

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Abb. 2: Wortschatzarbeit im Lehrplan Deutsch des Kt. Luzern (IEDK, 1998, S. 20)

Wie in der Abbildung 3 ersichtlich ist, wird von den Lernenden beim Grobziel 7.1 verlangt,

dass sie über einen Wortschatz verfügen, den sie in verschiedenen Situationen und mit

verschiedenen Gesprächspartnern in angepasster Wortwahl und adäquatem Tonfall

einsetzen können.

Weiter sollen die Lernenden beim Grobziel 7.2 Missverständnisse erkennen und Konflikte in

Streitgesprächen mit sprachlichen Mitteln verantwortungsvoll lösen können.

Im Lehrplan Deutsch des Kantons Luzern (IEDK, 1998) werden einige Angaben zur

Wortschatzförderung gemacht. Die Hinweise zu den Seitenangaben im Schülerbuch und im

Arbeitsheft entsprechen aber nicht dem neuen offiziellen Deutschlehrmittel Die

Sprachstarken 4 (Lötscher et al., 2009, 2010).

Im Deutschlehrmittel (Lötscher et al., 2009, 2010) der vierten Primarklasse gibt es einige

Themen, die sich indirekt mit der Wortschatzerweiterung befassen. Es sind dies zum Beispiel

im Sprachbuch (Lötscher et al., 2009) Seite 42 Anleitungen lesen und verstehen, Seite 44

Rezepte lesen und verstehen, Seite 46 Spielanleitungen lesen und verstehen und Seite 56

Interview lesen und verstehen.

Auch bei vielen Übungen zum Texte schaffen, Erzählen und Präsentieren sowie beim

Behandeln der Wortarten kann Wortschatzarbeit einfliessen, aber es ist der Lehrperson

überlassen, wie oft sie Wortschatzarbeit in den Unterricht einplant und durchführt. Das

Thema Wortfamilien bilden im Sprachbuch (Lötscher et al., 2009, S. 76) und im Arbeitsheft

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(Lötscher et al., 2010, S. 55) legt seinen Fokus auf die Rechtschreibung und nicht auf die

Wortbedeutung.

Explizite systematische Wortschatzarbeit wird im Sprachbuch (Lötscher et al., 2009, S. 63)

mit dem Thema Teekesselwörter ermöglicht. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler, dass

das gleiche Wort mehrere Bedeutungen haben kann.

Auf der Doppelseite 80/81 (Lötscher et al., 2009) werden unter dem Thema Oase

verschiedene Redensarten bildlich dargestellt. Das ist eher als Zusatzaufgabe für schnelle

Schülerinnen und Schüler gedacht und es bleibt der Lehrperson überlassen, ob sie dieses

Thema näher behandeln will oder nicht.

Es zeigt sich, dass es sowohl im Luzerner Deutschlehrplan (IEDK, 1998) wie auch im

Deutschlehrmittel der vierten Klasse (Lötscher et al., 2009, 2010) nur wenige Hinweise und

Themen zur Wortschatzarbeit gibt. Nur auf insgesamt drei von hundert Seiten wird im

Deutschlehrmittel Die Sprachstarken 4 (Lötscher et al., 2009, 2010) die Möglichkeit gegeben,

differenzierte und systematische Wortschatzarbeit zu betreiben.

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2.3 Wortschatzerwerb

Der Wortschatzerwerb ist ein Prozess von lebenslanger Dauer, dessen Verlauf und Erfolg

von Faktoren wie individuelle semantisch-lexikalische Fähigkeiten, Alter, persönliches

Interesse, familiäre Situation, soziales Umfeld oder gesellschaftliche Integration abhängt.

Wortschatzerwerb findet überall statt; in der Schule, im Beruf, beim Ausüben des Hobbys,

beim Konsum von Medien oder beim Austausch mit Mitmenschen. In all diesen Situationen

nehmen wir eine Vielzahl von vorher unbekannten Wörtern und Inhalten ins mentale Lexikon

auf.

Den Wortschatz erwerben wir einerseits ungesteuert in den verschiedenen Begegnungen mit

der Sprache wie beispielsweise beim Sprechen, Schreiben, Zuhören oder Lesen im Alltag,

andererseits durch gesteuerte Lernprozesse in der Schule. Der gesteuerte Wortschatz-

erwerb ist besonders wirkungsvoll (Selimi, 2010, S. 27). Auf die Gründe wird im Kapitel 2.4

näher eingegangen.

Im Zusammenhang mit dem Wortschatzerwerb ist es unabdingbar, auf die Semantik

einzugehen. Darum wird im folgenden Kapitel die Semantik in Bezug auf den

Wortschatzerwerb genauer erläutert.

2.3.1 Semantik

In der Linguistik gibt es verschiedene Disziplinen, die sich mit den verschiedenen Aspekten

von Bedeutung beschäftigen:

Die Semiotik befasst sich mit der Bedeutung von Indexen, Ikonen und Symbolen und die

Pragmatik wie auch die Semantik im engeren Sinne mit der Bedeutung sprachlicher

Ausdrücke.

Die Pragmatik untersucht die Bedeutung der Ausdrücke in aktuellen, zweckbestimmten

Äusserungszusammenhängen und Kommunikationssituationen. Sie analysiert einfache und

komplexe Ausdrücke als Äusserungsbedeutung.

Die Semantik untersucht die Bedeutung von Wörtern, Phrasen, Sätzen, aber auch von

Texten und ihre Abspeicherung im mentalen Lexikon (Bachmann-Stein, 2011, S. 54-55).

2.3.1.1 Wortbedeutungen

Wörter bestehen als Sprachzeichen, wie in Abbildung 4 erkennbar ist, aus einem auditiv

beziehungsweise visuell wahrnehmbaren materiellen Teil, dem Lautkörper beziehungsweise

dem Schriftbild und aus einem mit den Sinnen nicht wahrnehmbaren immateriellen Teil, der

Bedeutung. Die beiden Teile gehören nicht automatisch zusammen, sondern werden

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innerhalb einer Sprachgemeinschaft durch Vereinbarung miteinander verbunden und

festgelegt und so an die nächste Generation weitergegeben (Ulrich, 2010, S. 8).

Abb. 3: Aufbau des Sprachzeichens (Ulrich, 2010, S. 8)

Die Bedeutung eines Wortes ist an eine Vorstellung im menschlichen Bewusstsein

gebunden. Wenn der Mensch beim Sprechen, Schreiben, Lesen oder Zuhören die

Bedeutung eines Wortes herausfinden will, aktiviert er den Bewusstseinsinhalt (Selimi, 2010,

S. 22). Der Bewusstseinsinhalt enthält einen Teil des gesamten Wissens einer Person und

seiner Welterfahrungen. In der Kognitionspsychologie bezeichnet man diesen

Bewusstseinsinhalt als Konzept und in der Logik als Begriff. Konzepte sind Interpretationen

der wahrgenommenen und vorgestellten Welt, anders gesagt, Vorstellungen von Denotaten

beziehungsweise Referenten (Ulrich, 2010, S. 8). In Sprachhandlungen bezieht der Mensch

sich mit Hilfe von Wörtern und Gesten auf Vorgänge, Gegenstände und Sachverhalte,

sogenannte Referenten.

Das semiotische Dreieck in Abbildung 5 zeigt auf, wie mit Hilfe des Konzeptes,

beziehungsweise der Vorstellung, eine Verbindung zwischen dem Wort (Ausdruck) und dem

Objekt (Referent) hergestellt wird. Denn zwischen Wort und Objekt besteht kein direkter

Bezug. Zwischen den drei verschiedenen Eckpunkten Ausdruck, Referent und Konzept

vollzieht sich im Gedankensystem ein dynamisches Wechselspiel, wenn von etwas

gesprochen oder über etwas geschrieben wird. Dabei wird die Vorstellung auf einen Referent

gerichtet und zugleich wird der Ausdruck mit der Vorstellung, dem Begriff oder dem Konzept

verbunden (Selimi, 2010, S. 23-24).

Abb. 4: Darstellung des semiotischen Dreiecks (Selimi, 2010, S. 24)

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Nun ist es aber so, dass das Konzept eines Wortes sehr individuell, subjektiv und oft

ungenau ist. Folglich ist auch die Bedeutung eines Wortes nicht bei allen Mitgliedern einer

Sprachgemeinschaft gleich. Die verschiedenen Lebenserfahrungen, das unterschiedliche

Weltwissen und die darin enthaltenen Konzepte können voneinander abweichen. Die

Unterschiede der individuellen Konzepte sind normalerweise zu klein, als dass die

Verständigung zu stark beeinträchtigt oder verunmöglicht wird. Die Semantik berücksichtigt

diese Tatsache, indem sie Wörter als Sprachzeichen beschreibt, die eine Kernbedeutung

(Denotation) und eine symbolische Bedeutung (Konnotation) haben (Ulrich, 2010, S. 10-11).

Die denotative Kernbedeutung definiert ein Wort klassisch und emotionslos. In der

Geometrie beispielsweise definiert man den Kreis folgendermassen: Der Kreis ist eine Linie

von Punkten mit gleichem Abstand zu einem Mittelpunkt. Die Kernbedeutung eines Wortes

benennt einen Gegenstand, einen Vorgang oder einen Sachverhalt, den wir an eine

Vorstellung in unserem Bewusstsein binden (Selimi, 2010, S. 21-22).

Die konnotative Bedeutung stellt die stilistische und emotionale Komponente der

Wortbedeutung dar. Sie bezieht sich auf die möglichen Assoziationen, die ein Wort auslöst

und bezieht sich somit auf die Begleitvorstellungen eines Wortes. Begleitvorstellungen

können positive und negative Bewertungen, emotionale Absichten oder stilistisch

differenzierte Formulierungen sein. Mit Kreis assoziiert man normalerweise geometrische

Figuren, etwas Rundes, Sitzkreis, Spielkreis etc. Wichtig ist zu betonen, dass konnotative

Wortbedeutungen nicht nur einen rein subjektiven Charakter haben und nicht nur aus einem

individuellen Gefühl entstehen. Sie bilden sich aus dem Kontext eines Textes. Dies verlangt,

dass man bei der Bedeutungsfindung einzelner Wörter den gesamten Textzusammenhang

berücksichtigen muss. Je nach Kontext bedeutet das Wort Schatz in einem Abenteuerbuch

etwas anderes als in einem Liebesbrief (Selimi, 2010, S. 22).

Es haben sich seit der Begründung der Semantik als sprachwissenschaftliche Disziplin

zahlreiche unterschiedliche Ansätze herausgebildet, die Bedeutung von Wörtern zu

beschreiben. Im folgenden Kapitel 2.3.1.2 werden jene semantischen Konzepte näher

vorgestellt, die für die Wortschatzarbeit sinnvoll und gewinnbringend genutzt werden können.

2.3.1.2 Beschreibung von Wortbedeutungen

Im Alltag wird die Bedeutung eines Wortes mit Hilfe anderer Wörter beschrieben. Die

Beschreibung wird mit Gestik und Mimik unterstützt. Der Fachbegriff dazu heisst

Paraphrasierung. Die Paraphrase für Wendeltreppe könnte so lauten: Eine Treppe, die in

Form einer Spirale nach oben führt. Eine andere anspruchsvollere Beschreibung ist die

herkömmliche Definition. Dabei wird der Oberbegriff Treppe beschrieben und

unterschiedliche Merkmale zu anderen Treppen genannt (Ulrich, 2010, S. 13).

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Um Wortbedeutungen linguistisch exakt zu beschreiben, haben Fachleute der Semantik eine

Vielzahl von Theorien und Ansätzen entwickelt. Für die Wortschatzarbeit sind drei

semantische Konzepte von Bedeutung: Die vorstrukturalistische und strukturalistische

Wortsemantik, die kognitive Semantik und die Satz- und Textsemantik (Bachmann-Stein,

2011, S. 55-56).

Vorstrukturalistische und strukturalistische Wortsemantik

Als vorstrukturalistische Wortsemantik ist die Wortfeldtheorie entstanden. Nach ihr steht ein

Wort nicht isoliert da, sondern stets im Zusammenhang mit begriffsverwandten Wörtern.

Diese sinnverwandten, das heisst diese inhaltlich zusammengehörigen Wörter einer

Wortklasse bilden ein Wortfeld. So gehören zum Beispiel zum Wortfeld Backwaren die

Wörter Brot, Keks, Kuchen, Brötchen etc. Durch das Bilden eines Wortfeldes sind die

Bedeutungsbeziehungen der Wörter ersichtlich, aber es wird keine exakte

Bedeutungsbeschreibung der Wörter geliefert. Diese Schwäche der Wortfeldtheorie vermag

die strukturalistische Wortsemantik, die Merkmalsemantik zu beseitigen (Bachmann-Stein,

2011, S. 61-63).

Die Merkmalsemantik beschreibt die Bedeutungen von Wörtern als etwas aus einzelnen

semantischen Merkmalen (Semen) Zusammengesetztes, also die Summe der semantischen

Beziehungen beziehungsweise der semantischen Unterschiede zu anderen Wörtern. Beim

Vergleich eines Wortes mit anderen Wörtern wird zwischen gemeinsamen Merkmalen und

solchen, die nur dem einen Wort zukommen, den Besonderheiten unterschieden. Die

gemeinsamen Merkmale ermöglichen es, ganze Wortfelder, Gruppen bedeutungsverwandter

Wörter zu untersuchen (Ulrich, 2010, S. 13-14). Die Abbildung 6 zeigt ein Beispiel eines

Wortfeldergebnisses zu Binnengewässer.

Abb. 5: Merkmalanalyse (Ulrich, 2010, S. 14)

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Das Wortfeld stellt eine semantische Gegenüberstellung von verwandten Wörtern (Lexeme)

wie Strom, Fluss, Bach etc. und semantischen Merkmalen (Semen) wie fliessend, stehend,

natürlich, künstlich etc. dar. Um anzugeben, ob das jeweilige Merkmal vorhanden ist oder

nicht, kennzeichnet man die Seme mit + (trifft zu) oder - (trifft nicht zu). Es werden so viele

semantische Merkmale ermittelt, bis keine der aufgeführten Wörter mehr eine identische

Merkmalsmenge aufweisen. Aus diesem Grund ist das dargestellte Wortfeld noch nicht

beendet (Bachmann-Stein, 2011, S. 64).

Im Gegensatz zur vorstrukturalistischen werden bei der strukturalistischen Semantik nicht

nur sinnverwandte Wörter gesammelt, sondern die Wörter untereinander noch nach

semantischen Merkmalen geordnet.

Neben dem Wortfeld gibt es noch andere graphische Darstellungen von bedeutungs-

ähnlichen Wörtern wie die Stammbaumskizze in Abbildung 7 und die kreisförmige

Darstellung in Abbildung 8 (Ulrich, 2010, S. 14).

Abb. 6: Stammbaumskizze (Ulrich, 2010, S. 15)

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Abb. 7: graphische Darstellung zu Aufhören des Lebens (Ulrich, 2010, S. 15)

Die Merkmalsemantik hat jedoch auch ihre Schwachstellen. Einwände kommen vor allem

von Seiten der kognitiven Semantik. Die Merkmalsemantik gewichtet alle semantischen

Merkmale gleich, und es gibt keine Hierarchie unter ihnen. Zudem lässt sich bei den

Merkmalen immer nur zwischen + (trifft zu) oder - (trifft nicht zu) unterscheiden und es gibt

keine mittleren Werte. Des Weiteren wird die Bedeutung der Wörter in Abhängigkeit mit dem

Kontext nicht beachtet.

Ein weiterer gewichtiger Kritikpunkt an der Merkmalsemantik ist, dass sie auf einem

„Container-Modell“ beruht. Genauer gesagt, die Bedeutung eines Wortes wird als Behälter

für eine Anzahl von notwendigen und hinreichenden Merkmalen verstanden. Letztere

bestimmen, ob ein Wort zu einer bestimmten Kategorie oder Klassenbezeichnung gehört

oder nicht. Beispielsweise gehören alle Lebewesen mit den Merkmalen menschlich,

erwachsen, männlich und sehr alt zur Kategorie Greise. Fehlt eines dieser Merkmale, so ist

es kein Greis (Ulrich, 2010, S. 16).

Kognitive Semantik: Prototypensemantik

Die Probleme und Schwächen der Merkmalsemantik waren der Ausgangspunkt für einen

Teil der kognitiven Semantik, die Prototypensemantik. Anhand von empirischen Tests konnte

nachgewiesen werden, dass die Merkmale einer Kategorie für die Versuchspersonen nicht

alle gleich repräsentativ waren und dass die repräsentativeren Vertreter leichter aus dem

Gedächtnis abgerufen werden konnten als die weniger repräsentativen.

Die Bedeutungskategorien bilden sich nicht aus einem festgelegten Bündel von zutreffenden

und nicht zutreffenden Merkmalen wie in der Merkmalsemantik. Die Merkmale sind graduell

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gestuft und befinden sich in verschiedenen Zonen. In der Kernzone befinden sich die

besonders guten Vertreter, die Prototypen, und in den peripheren Bereichen die untypischen

Vertreter, die Randvertreter. Der Prototyp ist das von einer Sprachgemeinschaft als bestes

anerkannte Exemplar einer Kategorie. Er besitzt die meisten Merkmale mit den Exemplaren

der gleichen Kategorie, hingegen die wenigsten mit den Exemplaren anderer Kategorien.

Letztendlich entscheidet die Ähnlichkeit mit dem Prototyp über die Zugehörigkeit zu einer

Kategorie (Bachmann-Stein, 2011, S. 59-61).

Wie die Abbildung 9 zeigt, ist zum Beispiel in unserem Kulturkreis das Rotkehlchen der

prototypischere Vertreter der Kategorie Vogel als der Pinguin oder der Strauss. Beim

Rotkehlchen handelt sich um ein kleines Tier, das fliegen, ein Nest bauen und Eier legen

kann. Pinguin und Strauss unterscheiden sich in Grösse, Gestalt und Verhalten sehr vom

Prototyp Rotkehlchen (Ulrich, 2010, S. 17).

Abb. 8: Begriffsnetz zur Prototypensemantik (Ulrich, 2010, S. 17)

Die Menschen nehmen je nach persönlichem, ethnischem oder kulturellem Hintergrund

bestimmte Objekte als prototypischere Vertreter zur Beschreibung eines Wortes wahr als

andere (Selimi, 2011, S. 34). Für ein Kind aus Afrika ist beispielsweise der Strauss ein

besserer Vertreter der Kategorie Vogel als die Eule.

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Die Grenzen zwischen den Vertretern einer Kategorie können unscharf sein, weil die

einzelnen Vertreter nicht über alle gemeinsamen Eigenschaften verfügen müssen.

Die Kategorisierung eines Vertreters einer Kategorie kann auf unterschiedliche Art und

Weise geschehen. Es gibt Kategorien mit bevorzugtem Status innerhalb der Hierarchie.

Die Prototypensemantik geht von drei Ebenen bei der Bedeutungszuordnung aus.

1. Ebene übergeordnete Ebene z.B. Tier

2. Ebene Basisebene z.B. Hund

3. Ebene untergeordnete, spezifischere Ebene z.B. Dackel

Auf der Basisebene sind die Kategorien, deren Vertreter die meisten gemeinsamen

Eigenschaften untereinander und gleichzeitig die wenigsten gemeinsamen Eigenschaften mit

den Vertretern anderer Kategorien aufweisen. Auf dieser Ebene kann der Vertreter am

schnellsten identifiziert werden (Bachmann-Stein, 2011, S. 59-61).

Laut Ulrich (2010) schliessen sich die ältere Merkmalsemantik und die jüngere

Prototypensemantik als Beschreibungsmodelle für Wortbedeutungen nicht gegenseitig aus,

sondern ergänzen sich. Semantische Merkmale sind Gegenstand der Arbeit beider

Richtungen. Hingegen gibt es bei der Prototypensemantik nicht nur notwendige und

hinreichende Merkmale einer Bedeutung, sondern auch solche, die nicht notwendig, aber

doch typisch sind. Bei der Kategorie Vogel kann dies zum Beispiel das Merkmal fliegen sein

(Ulrich, 2010, S. 20-21).

Bei beiden Modellen ist die Beschreibung von Wortbedeutungen in den Zusammenhang des

situativen Kontextes zu stellen. Dadurch kann eine kontextbezogene Beschreibung von

Wortbedeutungen stattfinden. Sie muss Bezug nehmen auf gegensätzliche Wörter oder

Klassifizierungen wie Ober- und Unterbegriffe (Selimi, 2010, S. 34).

2.3.1.3 Satz- und Textsemantik

Im Gegensatz zur Wortsemantik, die sich mit einfachen und komplexen Wörtern befasst,

untersucht die Satz- und Textsemantik die Bedeutung komplexer sprachlicher Ausdrücke

und einfacher oder komplexer Sätze. Die Bedeutungen von Sätzen sind nicht wie die

Bedeutungen vieler Wörter im mentalen Lexikon gespeichert. Dennoch kann die Bedeutung

eines Satzes aus den Bedeutungen der in ihm enthaltenen Wörter und der Art der

syntaktischen Verknüpfung konstruiert werden.

Für die Wortschatzarbeit spielt auch die Textsemantik eine wichtige Rolle. Text-

semantisierung ist ein komplexer kognitiver Prozess, bei dem text- und wissensbasierte

Informationen zusammenspielen müssen. Die Prozesse des Textverstehens basieren auf

unterschiedlichen Ebenen des kognitiven Systems: der Sensomotorik, Syntax, Semantik und

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Pragmatik. Von besonderer Bedeutung sind die semantischen Prozesse, die die

Teilprozesse der Referenz, Kohärenz und Inferenz enthalten. Jeder Text bezieht sich auf

eine bestimmte Welt, zum Beispiel auf die reale Welt eines Zeitungsberichtes oder auf eine

fiktive Welt in einem Roman.

Referenz und Kohärenz werden mit Hilfe inferenzieller Prozesse hergestellt. Einem Text wird

keine Bedeutung entnommen, sondern der Leser konstruiert diese Bedeutung anhand des

Textes und verknüpft durch den Text angesprochene Konzepte mit seinen eigenen

Wissensständen, den Wortbedeutungen, die in seinem mentalen Lexikon gespeichert sind

(Bachmann-Stein, 2011, S. 65-66). Wie die Wortbedeutungen im mentalen Lexikon

gespeichert werden, wird im nächsten Kapitel genauer beschrieben.

2.3.1.4 Speicherung des Wortschatzes im mentalen Lexikon

Mit der Speicherung der Sprache im mentalen Kenntnissystem, dem mentalen Lexikon,

beschäftigt sich die kognitive Semantik. Sie untersucht die Frage, wie lexikalisch-

semantisches Wissen mental in den Köpfen der Sprachverwender repräsentiert ist und wie

dieses Wissen bei der Sprachproduktion und -rezeption aktiviert und genutzt wird. Oder

anders gesagt: Wie ist das mentale Lexikon organisiert und wie lässt sich Semantik mit

einem Modell semantischer Vernetzung aufbauen (Bachmann-Stein, 2011, S. 56-57)?

Das mentale Lexikon ist Teil des Langzeitgedächtnisses und ist der menschliche

Wortspeicher, der einen Wissensvorrat über das gesamte wortschatzbezogene sprachliche

Wissen, über Einheiten und Regeln enthält. Es ist für das sprachliche Handeln eines

Menschen von wesentlicher Bedeutung, da es die Wörter zur Verfügung stellt. Dieses

Lexikon wird jedes Mal aktiviert, wenn gehörten oder gelesenen Wörtern Bedeutungen

zuordnet werden oder wenn Wörter beim Sprechen oder Schreiben produziert werden. Die

Sprachwissenschaft geht davon aus, dass das mentale Lexikon aus verschiedenen

Teillexika besteht, die semantische, syntaktische, pragmatische und weitere komplexe

Informationen aus der Umwelt verarbeiten können (Bachmann-Stein, 2011, S. 57).

Levelt (1989, zit. nach Glück, 2011, S. 2) führte das Zwei-Ebenen-Modell des mentalen

Lexikons ein. Es zeigt, dass die verschiedenen Aspekte eines Wortes nicht unabhängig

voneinander gespeichert werden. Wie auf Abbildung 10 ersichtlich ist, unterscheidet das

Modell zwischen zwei Ebenen, der Lemma- und der Wortform-Ebene (Glück, 2011, S. 2).

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Abb. 9: Aufbau des mentalen Lexikons (Glück, 2011, S. 3)

Auf der Wortform-Ebene werden phonologische Eigenschaften eines Wortes gespeichert.

Dabei wird gespeichert, wie ein Wort klingt und wie man es ausspricht. Zudem werden

morphologische Eigenschaften der Wortform gespeichert. Dabei wird gespeichert, wie das

Wort in verschiedene Formen, zum Beispiel in den Plural, gesetzt werden kann. Hier arbeitet

das Lexikon an der Schnittstelle zur formal-regelgeleiteten Sprachproduktion. Da die

Pluralbildung nicht immer regelbestimmt ist, übernimmt hier das Lexikon auf der

Wortformebene die Rolle des Formspeichers.

Morphologische und phonologische Aspekte wie Wortlänge, die metrische Struktur,

Wortanfang und -ende (Initiallaut, Reim) fungieren als Ordnungskriterien auf der Wortform-

Ebene.

Zu Beginn der Schulzeit gehen die Kinder von einer Strukturierung des Wortformenlexikons

unter Berücksichtigung globaler Merkmale wie Wortlänge und -betonung zu einer

segmentorientierten Organisationsform mit Wortanfang und -ende als Orientierungskriterium

über. Die zweite Organisationsform ist wirkungsvoller, da die deutsche Sprache zu zirka 50%

aus ein- und zirka 30% aus zweisilbigen Wörtern besteht. Diese Veränderung der

Organisationsform geschieht unter dem Einfluss der phonologischen und

metaphonologischen Entwicklung (Glück, 2011, S. 2-4).

Auf der Lemma-Ebene werden Wörter einerseits nach ihren semantischen Eigenschaften

abgespeichert. Dabei handelt es sich um die Bedeutungen der Wörter. Anderseits werden

auch syntaktische Eigenschaften der Wörter abgespeichert. Darunter versteht man

Informationen, die Auskunft darüber geben, mit welchen Wörtern sich ein Wort zu

Wortgruppen und Sätzen verknüpfen lässt (Ulrich, 2010, S. 39).

Die Lemma-Ebene basiert auf dem Ordnungsprinzip der Semantik und der Syntax. Das

heisst die Ordnung geschieht beispielsweise unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit zu

Oberbegriffen oder Wortklassen. Auf dieser Ebene ist beim Aufbau von Wortwissen die

Vernetzung von sprachlichem Wortwissen und nicht-sprachlichem Weltwissen wie

Erfahrungen von wesentlicher Bedeutung für die Speicherqualität.

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Wie auf der Wortform-Ebene ändert sich auch auf der Lemma-Ebene die

Lexikonorganisation während der Entwicklung des Kindes. Die Speicherorganisation der

Lemma-Ebene orientiert sich anfangs an unmittelbar wahrnehmbaren Kriterien wie Farbe,

Form, Funktion und thematischem Zusammenhang. Mit der Zeit geht sie zu zunehmend

abstrakteren und kategorialen Kriterien über (Glück, 2011, S. 3).

Auch laut Selimi (2010, S. 39) weist das mentale Lexikon eigene netzartige

Ordnungsprinzipien auf. Nach ihm sind die Wörter in kognitiven Teilnetzen geordnet, die

inhaltlich und formal aneinander gekoppelt und in einem grossen Netz, dem mentalen

Lexikon zusammengefasst sind. Er schreibt von sieben verschiedenen Arten von kognitiven

Teilnetzen, die nachfolgend beschrieben werden.

Assoziatives Netz

Das assoziative Netz ist ein sehr individuelles Ordnungssystem. Es bildet sich aus

Erfahrungen, die eine Person gemacht hat, sowie deren persönlichem Wissen, das durch

kulturelle Prozesse und Vorstellungen beeinflusst wird. Es ermöglicht eine Verbindung aller

Gedanken, die einer Person spontan zu einem Begriff in den Sinn kommen. Somit werden

die Begriffe je nach Person mit unterschiedlichen Gedanken in Verbindung gebracht.

Beispielsweise kann der Begriff Gletscher bei Lernenden Assoziationen wie Wanderung,

Sommerferien, schmelzen, Klimawandel etc. hervorrufen. Es kann auch sein, dass noch

keine Assoziationen mit diesem Begriff verbunden werden können (Nodari & Steinmann,

2008, S. 25-26; Selimi, 2010, S. 41).

Affektives Netz

Das affektive Netz umfasst sowohl die emotionalen wie auch assoziativen Aspekte, die beim

Gebrauch eines Wortes hervorgerufen werden. Es bezieht sich somit auf konnotative

Wortbedeutungen (Selimi, 2010, S. 41). Wie das assoziative hängt auch das affektive Netz

sehr stark von den persönlichen Erfahrungen, individuellen Überzeugungen und dem

kulturellen Hintergrund eines Menschen ab. So verbindet man beispielsweise mit dem Begriff

Wald: ruhig, Vögel, spazieren, dunkel, stolpern etc. (Nodari & Steinmann, 2008, S. 26).

Begriffsnetz

Das Begriffsnetz entsteht im Gegensatz zu assoziativen und affektiven Netzen nicht

aufgrund der individuellen Erfahrungen von selber, sondern es ist normalerweise das

Ergebnis von schulischer Wortschatzarbeit. Durch Wortschatzübungen werden die

Lernenden an den systematischen Wortschatzausbau herangeführt und erwerben typische

Kategorisierungsarten (Nodari & Steinmann, 2008, S. 26). Das Begriffsnetz stellt eine Art

Landkarte unseres Gedächtnisses dar, die aus ähnlichen Merkmalen besteht. Ein

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Begriffsnetz zeigt auf, in welcher Beziehung die Wörter zueinander stehen. Es kann

beispielsweise in Ober- und Unterbegriffe unterteilt werden (Selimi, 2010, S. 40).

Wortfamiliennetz

Das Wortfamiliennetz besteht aus Wörtern mit gleichem Stamm, aus welchen neue

Zusammensetzungen wie Hausschuhe, Haustüre, Hausdach etc. oder Ableitungen wie Ge-

fährt, fähr-st, Fahr-t, er-fahr-en etc. entstehen können (Selimi, 2010, S. 40).

Syntagmatisches Netz

Das syntagmatische Netz umfasst Wörter, die in Verknüpfung stehen mit anderen

passenden Wörtern, wie das Huhn gackert, das Kind weint, die Sonne scheint etc. (Selimi,

2010, S. 40).

Sachnetz

Ein Sachnetz umfasst sachlich oder inhaltlich zusammengehörende Wörter. Es ist hilfreich,

da beim Abruf eines Wortes aus dem Sachfeld automatisch andere Wörter, die zu ihm

gehören, abgerufen werden. Ruft man beispielsweise das Wort Familie ab, so sind damit

Wörter wie Eltern, Geschwister, Grosseltern etc. verknüpft (Selimi, 2010, S. 40).

Klangnetz

Zum Klangnetz gehören Wörter mit ähnlichem Sprachrhythmus wie Maus und Haus oder

Keller und Teller. Auch Kollokationen, sogenannte häufig vorkommende und semantisch

motivierte Wortverbindungen, werden hier gespeichert. Das sind Wortkombinationen, deren

semantischer Einklang eine besondere Einheit im Wortschatz bildet wie zum Beispiel heisser

Tipp. Zusammen mit Kollokationen werden diese Reimwörter auf der semantischen Ebene

verarbeitet (Selimi, 2010, S. 41).

Die Grenze zwischen diesen verschiedenen Teilnetzen ist nach wissenschaftlichen

Erkenntnissen fliessend. Ein Wort kann von einem kognitiven Netz ins andere wechseln und

ist gleichzeitig Element verschiedener Teilnetze.

Je vielfältiger die verschiedenen kognitiven Teilnetze sind und je häufiger sie gemeinsam

aktiviert werden, desto stärker wird ihre Verbindung und desto grösser und differenzierter ist

der Wortschatz. Je grösser der Wortschatz ist, umso einfacher können zusätzliche Wörter im

Langzeitgedächtnis gespeichert und abgerufen werden (Selimi, 2010, S. 39).

2.3.2 Erweiterung und Vertiefung des Wortschatzes

Der Wortschatzerwerb stellt ein komplizierter und lebenslanger Prozess dar, der wie im

Kapitel 2.1.2 beschrieben, gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnt, während der

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Schulzeit einem starken Wachstumsschub unterliegt und wenn es die Gesundheit erlaubt,

bis zum Tode anhält.

Der Wortschatz erweitert sich über all die Jahre hin nicht nur quantitativ, sondern auch

qualitativ. Neben dem Umfang erweitert sich auch die Reichweite der Wörter im mentalen

Lexikon. Das Kleinkind kennt so wenige Wörter, dass es die Reichweite der einzelnen

Wörter überdehnt. Es wendet das Wort WAUWAU für alle vierbeinigen Tiere wie Katze und

Kuh an. Das nennt man Übergeneralisierung. Mit der Zeit erweitert das Kind den Wortschatz

und verwendet für die Katze das Wort MIAU und für die Kuh MUH. Es präzisiert die

Bedeutung.

Mit dem Alter wächst die Zahl der ins mentale Lexikon aufgenommenen Wörter. Schon

bekannte Wörter tauchen in immer neuen Zusammenhängen und Kontexten auf. Das

Verständnis für die vielfältigen Verwendungsarten eines Wortes wächst. Die vielfältige

Verwendungsart eines Wortes bezeichnet man in der Fachsprache als Polysemie. Im

mentalen Lexikon entwickelt sich um die Kernbedeutung eines Wortes herum ein radial

strukturiertes Beziehungsgeflecht. Die Kernbedeutung bildet den Mittelpunkt. Von ihr aus

führen strahlenförmig vernetzte Lesarten in alle möglichen Richtungen. Diese Veränderung

des Wortschatzes nennt man im Gegensatz zur Erweiterung Vertiefung des Wortschatzes.

Mit dem Älterwerden des Menschen verschiebt sich die Entwicklung des Wortschatzes

immer mehr von der Erweiterung zur Vertiefung.

In der Schule wird üblicherweise zwischen bekannten und unbekannten Wörtern

unterschieden. Diese Vorgehensweise ist zu ungenau. Die meisten erlernten Wörter sind

den Lernenden, ja sogar den Erwachsenen nur teilweise bekannt. Beim Lesen oder Hören

finden Begegnungen mit verschiedenen Lesarten eines Wortes statt und die Bedeutung wird

somit teilweise und oberflächlich erfasst. So erfolgt die Speicherung der Bedeutung eines

Wortes im mentalen Lexikon zu diesem Zeitpunkt bruchstückhaft (Ulrich, 2010, S. 29-30).

Selimi (2010) beschreibt dies als die erste Stufe der Wortkenntnis und nimmt Bezug auf das

Modell von Henriksen (1999, zit. nach Selimi, 2010, S. 29), welches in Abbildung 11

dargestellt ist.

Abb. 10: Dreidimensionales Modell zur Wortkenntnis (Selimi, 2010, S. 30)

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Die Bedeutung eines Wortes erkennt der Lernende auf der ersten Stufe nur grob und er ist

bei der Zuordnung zwischen Wort und Inhalt unsicher. Der Eintrag im mentalen Lexikon ist

blass und kann wieder verschwinden, wenn es nicht eine Wiederbegegnung mit dem Wort

gibt. So ist es auch nicht möglich die Bedeutung des Wortes abzurufen, da man sie noch

nicht genau kennt. Die Wortkenntnis ist auf dieser Stufe teilweise präzise.

Nach ein paar weiteren Begegnungen mit der Bedeutung eines Wortes in anderen

Zusammenhängen und Kontexten festigt und vervollständigt sich der Bedeutungseintrag.

Henriksen (1999, zit. nach Selimi, 2010, S. 29-30) nennt das die zweite Stufe der

Wortkenntnis. Auf dieser Stufe werden die erkannten Wörter vernetzt und mit Inhalt

verknüpft. Der Bedeutungseintrag eines Wortes wird angereichert. Je präziser die

Kenntnisse über die Wortbeziehungen und je vielseitiger die Vernetzungen sind, umso tiefer

ist die Entwicklung der Wortkenntnis.

Die dritte Stufe ist die Stufe der genauen Wortkenntnis. Auf dieser Stufe wird zwischen zwei

Formen der Wortkenntnis unterschieden. Über rezeptive Wortkenntnis verfügt man, wenn

man die Bedeutung eines Wortes beim Lesen oder Hören versteht. Über die produktive

Wortkenntnis verfügt man, wenn man das Wort mündlich und schriftlich anwenden kann.

Beide Formen sind aktive Prozesse, bei denen sich die rezeptiven und produktiven

Wortkenntnisse überschneiden. Die Wörter werden nicht linear, sondern dynamisch

erworben. Weil die Wortkenntnis kein festes, statisches Endprodukt und das Beherrschen

eines Wortes sehr individuell ist, ist es schwierig, das Niveau der Wortkenntnis zu

beschreiben (Selimi, 2010, S. 29-30).

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2.4 Didaktik der Wortschatzarbeit

Wie im Kapitel 2.3.1.4 beschrieben wird, geht Levelt (1989, zit. nach Glück, 2011) mit seinem

Zwei-Ebenen-Modell wie auch Selimi (2010) mit seinen netzartigen Ordnungsprinzipien

davon aus, dass für die Speicherung des Wortschatzes im mentalen Lexikon die Vernetzung

der Wörter von grosser Wichtigkeit ist. Je vielfältiger und häufiger die verschiedenen Aspekte

eines Wortes wie Semantik, Syntax, Phonologie und Morphologie oder die verschiedenen

kognitiven Teilnetze aktiviert werden, desto stärker wird ihre Verbindung, desto besser ist die

Verankerung im mentalen Lexikon und desto grösser und differenzierter ist der Wortschatz.

Je vielseitiger die Wörter im mentalen Lexikon miteinander vernetzt sind, umso einfacher

können zusätzliche Wörter im Langzeitgedächtnis gespeichert und abgerufen werden.

Auch Henriksen (1999, zit. nach Selimi, 2010, S. 29-30) weist durch sein Dreistufenmodell

zur Wortkenntnis darauf hin, dass es für die nachhaltige Speicherung der Wortbedeutung

sehr bedeutsam ist, die Wörter immer wieder zu vernetzen und mit Inhalt zu verknüpfen (vgl.

Kap. 2.3.2). Je präziser die Kenntnisse über die Wortbeziehungen sind, desto tiefer können

die Wortbedeutungen verankert werden. Diese theoretischen Erkenntnisse sprechen für eine

systematische und differenzierte Wortschatzarbeit in der Schule.

In diesem Teil werde ich nun einige Lerntechniken, Strategien, Aktivitäten und Ideen zur

praktischen Umsetzung der Wortschatzarbeit in der Schule vorstellen und erläutern.

Generell ist es wichtig, dass die Lehrperson die Schülerinnen und Schüler während der

Aufbauphase intensiv anleitet und begleitet und sie somit sorgfältig an die verschiedenen

Lerntechniken heranführt. Das Wortschatzmaterial und die angestrebten Lernziele sollen

dem Alter und den individuellen Wortschatzvoraussetzungen der Lernenden angepasst

werden. Sie sollen knapp über dem Wortschatzstand der Lernenden liegen, sodass sie von

einer Unter- beziehungsweise Überforderung bewahrt werden. Neues soll mit bekanntem

Wissen und bereits gefestigtem Können vernetzt werden. Vor allem die neuen Lerninhalte

müssen sowohl sinnlich-motorisch, handelnd, visuell-auditiv und in abstrakter Form

angeboten und verarbeitet werden.

Wortschatzarbeit ist besonders wirksam und erfolgreich, wenn sie bereits im Kindergarten

beginnt und auch während der Schulzeit fortgesetzt wird. Die Lehrperson muss sich bewusst

sein, dass es ein langfristiger Lernprozess ist, der nach den didaktischen Prinzipien vom

Konkreten zum Abstrakten und vom Einfachen zum Komplexen vor sich geht. Die

Komplexität und Abstraktion der Lerntechniken nimmt von Schulstufe zu Schulstufe zu. Die

Reihenfolge der nachfolgend aufgeführten Lerntechniken beachtet diese didaktischen

Prinzipien (Selimi, 2010, S. 51-53).

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2.4.1 Vernetzung der Wortbedeutung im Kontext

Wissen wird von den Lernenden prinzipiell in aktiver Auseinandersetzung mit der

unmittelbaren Umwelt erworben. So ist es beim Wortschatzerwerb von erheblicher

Bedeutung, dass die behandelnden Themenfelder des Wortschatzes einen hohen

kommunikativen und handelnden Gebrauchswert haben. Damit ist gemeint, dass der

Wortschatz aus dem unmittelbaren Umfeld der Lernenden zuerst thematisiert wird. Dadurch

wird die Motivation der Lernenden erhöht. Zudem können die Lernenden durch eine konkrete

Wortschatzarbeit eine Beziehung zwischen sich, dem Lerngegenstand, dem Kontext und der

Sprache herstellen, wodurch das Verständnis gefördert und der funktionale Nutzen des

Erlernten sichtbar wird. Wichtig ist auch, dass bei der Wortschatzarbeit das Vorwissen der

Lernenden aktiviert wird und so eine Vernetzung zwischen dem bereits bestehenden und

dem neuen Wissen erfolgt. Um dies zu unterstützen, ist es sinnvoll, wenn die

Wortschatzinhalte alltagsnah und anschaulich sind, in einem überschaubaren Umfang

angeboten werden und multisensorisches Lernen ermöglichen.

In der Volksschule sollen Kinder Wortbedeutungen vernetzen und mit Wörtern in

verschiedenen Kontexten spielen, denn Wortbedeutungen lassen sich oft aus dem

unmittelbaren Kontext erschliessen. Dadurch erweitern die Lernenden zugleich ihr

Sprachverständnis (Selimi, 2010, S. 54-56).

Die Lehrperson führt beispielsweise die Lernenden multisensorisch an das Wort Wetter

heran, indem sie die Lernenden möglichst viele Wörter, die im Zusammenhang mit dem

Wetter stehen, aufzählen lässt. Sie lässt zum Beispiel die Schülerinnen und Schüler

verschiedene Erfahrungen mit dem Regen machen; den Regen riechen oder schmecken,

Regentropfen auf den Körper fallen lassen, dem Regen zuhören. Sie lässt die Kinder über

verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse zum Thema Wetter erzählen. Zu den

unterschiedlichen Wetterphänomenen zeigt sie Bilder und lässt die entsprechenden Begriffe

zuordnen. Es lassen sich neben dem semantischen Aspekt mit dieser Lerntechnik auch

verschiedene Wortarten üben. Zum Beispiel suchen die Schüler zum Wort Regen passende

Verben wie regnen, nieseln, prasseln, schütten, tröpfeln etc. (Selimi, 2010, S. 57-59).

2.4.2 Erschliessung und Ordnen der Begriffe aus dem Kontext

Das Üben und Lernen des neuen Wortschatzes sollte in möglichst vielfältigen

Zusammenhängen erfolgen, damit die neuen Wörter schnell abrufbar sind (Nodari &

Steinmann, 2008, S. 27). Laut Selimi (2010) ist es hilfreich, wenn der neue Wortschatz in

assoziativen Zusammenhängen geübt wird und zugleich wortschatzrelevante Aspekte wie

Wortarten, Wortbauelemente wie Vor- und Nachsilben, Ober- und Unterbegriffe, sowie

Mehrdeutigkeit von Wörtern vorkommen.

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Im Unterricht können im Sinne der Wortschatzarbeit beispielsweise Tiere anhand ihrer

Merkmale geordnet und gruppiert werden. Die Lernenden ordnen zum Beispiel Tiere, die im

Wald, im Wasser, im Haus etc. leben. Es können auch Tiere beschrieben und aufgrund ihrer

Beschreibung erraten werden.

Zum Üben des Wortschatzes im Kontext ist auch das Erstellen von Zeichnungen hilfreich.

Aus ihnen können die Lernenden Fantasiegeschichten erfinden, was für die

Wortschatzerweiterung förderlich ist.

Ab dem dritten Schuljahr können die Lernenden vermehrt Wortbedeutungen aus dem

Kontext entschlüsseln. Sie lernen verstehen, wieso Menschen mit Tierbezeichnungen in

Verbindung gebracht werden. Es werden zum Beispiel die Bedeutungen der Wörter

Leseratte, Spassvogel, Pechvogel etc. gelernt (Selimi, 2010, S. 60-65).

2.4.3 Erarbeitung der Ober- und Unterbegriffe

Die Arbeit mit Oberbegriffen (Hyperonyme) und Unterbegriffen (Hyponyme) ist ein weiteres

Instrument zur Erschliessung von Wortbedeutungen, zum Ordnen von Begriffen und vor

allem zum Erkennen hierarchischer Verbindungen zwischen Wörtern (Selimi, 2010, S. 65-

66). Ober- und Unterbegriffe stellen kognitive Struktureinheiten dar, die den Wortschatz

derart ordnen, dass kognitive Zusammenhänge erkennbar und verständlich werden. Sie

können beliebig gegliedert werden. So können, wie Abbildung 12 zeigt, Unterbegriffe auch

zu Oberbegriffen werden und umgekehrt (Pohl, 2011, S. 205). Zum Beispiel sind die Begriffe

Eule, Huhn, Lerche und Zaunkönig Unterbegriffe des Oberbegriffs Vogel. Der Unterbegriff

Eule kann jedoch auch zugleich ein Oberbegriff für Schneeeule, Waldohreule und

Schleiereule sein (Aitchison, 1997, S. 119).

Abb. 11: Oberbegriffsebenen (Aitchison, 1997, S. 119)

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Der Oberbegriff ist ein allgemeiner Begriff. Die Unterbegriffe sind hingegen spezielle

Varianten des Oberbegriffes und inhaltlich differenzierter (Nodari & Steinmann, 2008, S. 26).

Die Lernenden sollen erkennen, dass Oberbegriffe mehrere Unterbegriffe subsumieren.

Grundsätzlich lässt sich zu jedem Thema mit Ober- und Unterbegriffen arbeiten. So kann der

Auftrag an die Schülerinnen und Schüler sein, Objekte oder Bilder von Objekten in Ober- und

Unterbegriffe zu unterteilen und dies, wie in Abbildung 13 dargestellt, in einer mehrstufigen

Grafik festzuhalten (Selimi, 2010, S. 66-68).

Abb. 12: Mehrstufige Grafik zu Ober- und Unterbegriffen (Selimi, 2010, S. 69)

Bereits vom Kindergarten an eigenen sich Wortreihen für die Arbeit mit Ober- und

Unterbegriffen. Die Lernenden müssen in einer Bild- oder Wortreihe, ein Bild oder ein Wort

suchen, das nicht hineinpasst. Zum Oberbegriff Werkzeuge kann die Wortreihe wie folgt

lauten: Hammer, Axt, Schraubenzieher, Gabel, Zange. Der Begriff Gabel ist kein Unterbegriff

vom Oberbegriff Werkzeuge (Selimi, 2010, S. 67).

Ab dem 3. Schuljahr lernen die Kinder Wörter noch bewusster aufgrund ihrer besonderen

Merkmale hierarchisch in Ober- und Unterbegriffe zu unterteilen. Den Lernenden soll klar

werden, dass Wortvernetzungen je nach Faktoren, die in Betracht gezogen werden,

unterschiedlich erfolgen. So ist beispielsweise der Oberbegriff von Tanne, Kiefer und Lärche

Nadelbaum. Kommt jedoch noch der Unterbegriff Ahorn dazu, verändert sich die

Vernetzungsart und man muss den allgemeineren Oberbegriff Baum wählen. Sinnvoll ist es,

wenn Lernende dieser Altersstufe zu vorgegebenen Oberbegriffen aus verschiedenen

Bereichen möglichst viele Unterbegriffe suchen.

Im 4. und 5. Schuljahr hingegen wird der Schwerpunkt vermehrt auf das Erkennen von

Bedeutungszusammenhängen der Wörter aus dem Kontext und deren Verständnis gelegt.

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Die Lernenden markieren zum Beispiel in einem Text alle Nomen, die Oberbegriffe darstellen

und begründen die Bedeutungszusammenhänge (Selimi, 2010, S. 70-71).

2.4.4 Einprägen des Wortschatzes über den Rhythmus

Ein wichtiges Element der Sprache, der Musik und des Gesangs ist der Rhythmus. Vor allem

für jüngere Lernende ist es motivierend, wenn sie beim Wortschatzlernen tanzen, sich

bewegen, singen und spielen dürfen. Melodiöse Abläufe und rhythmische Übungen

entsprechen dem kindlichen Lernen. Nach einer sorgfältigen Erarbeitung memorieren die

Kinder die Wörter und Satzstrukturen durch vielfältige Wiederholungen. Zum Beispiel singen

die Schülerinnen und Schüler ein Lied oder sprechen einen Vers und machen die

Bewegungen dazu. Lernende können auch verschiedene Gangarten wie hüpfen, rennen,

rasen, hinken, waten etc. vorspielen oder eine direkte Rede auf verschiedene Art und Weise

sprechen wie beispielsweise schnell, langsam, stotternd, heiser, flüsternd etc. (Selimi, 2010,

S. 72-73).

2.4.5 Erweiterung des Wortschatzes mit semantischen Wortlisten

Semantische Wortlisten bestehen aus Wörtern, deren vielseitige Bedeutung innerhalb eines

Satzes oder Textes erschlossen werden kann. Sie stellen eine der einfachsten

Lerntechniken der Wortschatzarbeit dar. Trotzdem bedarf es einer guten Einführung in die

Arbeit mit ihnen (Selimi, 2010, S. 74). Die Lernenden sollen ihren Aufbau, sowie die Arbeit

mit ihnen kennen. Die Wortschatzlisten sind nämlich ein Hilfsmittel zum selbständigen

Lernen und Erwerben des Wortschatzes, welches ein langfristiges Ziel der schulischen

Wortschatzarbeit ist (Nodari & Steinmann, 2008, S. 37).

Die Wortlisten sollen Wörter beinhalten, die die Lernenden später auch verwenden werden.

Daher ist es sinnvoll, wenn die Wortschatzinhalte direkt in Bezug zum Umfeld und den

Interessen der Lernenden gestellt werden. Weniger vertraute und neu gelernte Wörter sollen

möglichst visuell veranschaulicht und in den vorhandenen Wortschatz eingebaut werden. Es

soll dazu ein Beispielsatz gebildet werden. Der Lernende soll anschliessend das Wort

erklären, indem er die Bedeutung des Wortes mit seinem Vorwissen verknüpft. Dabei kann

auch eine Zeichnung hilfreich sein. Durch die Verknüpfung von bereits gelernten und

weniger vertrauten Wörtern findet eine erneute Begegnung statt und hilft, bekannte und

weniger bekannte Wörter im mentalen Gedächtnis abzuspeichern (Selimi, 2010, S. 75).

Eine Wortliste im Fach Geografie könnte, wie die Tabelle 1 zeigt, folgendermassen

aussehen (Nodari & Steinmann, 2008, S. 38).

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Tab. 1: Eine mögliche Wortliste im Fach Geografie, zusammengestellt aufgrund von Nodari und Steinmann (2008, S. 38)

Artikel Wort Beispielsatz Übersetzung oder

Erklärung des Kindes

die Flut, -en Nach der grossen Flut stand das ganze

Dorf unter Wasser.

Wie im Meer: Ebbe und Flut

� mehr Wasser als sonst

der Gletscher Ein Gletscher gleicht einem Fluss aus

Eis.

Wie auf dem Dia vom

Aletschgletscher

das Gebirge Ein Gebirge ist eine Gruppe von hohen

Bergen. Die Alpen sind ein Gebirge.

Berge, die

zusammengehören

Neben einer vorgegebenen Wortliste der Lehrperson ist es auch sinnvoll, eine persönliche

Wortliste mit weniger bekannten Wörtern zu führen. Beim Einsatz von semantischen

Wortlisten ist es bedeutungsvoll, dass auf keinen Fall ein stures, isoliertes Memorieren von

Wörtern angestrebt wird. Die Lernenden sollen dazu angehalten werden, Textematik und

Lexematik in Verbindung zu bringen und den Wortschatz in sinnvollen Zusammenhängen in

sogenannten semantischen Einheiten zu lernen. Eine Möglichkeit wäre, wie Abbildung 14

zeigt, die Kinder selber Bilder zeichnen zu lassen und mit passenden Wörtern zu versehen

(Selimi, 2010, S. 74-77).

Abb. 13: Visuelle Darstellung einer semantischen Wortliste (Selimi, 2010, S. 78)

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2.4.6 Festigung des Wortschatzes mit Wortfamilien und Wortfeldern

Die Arbeit mit Wortfamilien und Wortfeldern ist sehr geeignet für die Wortschatzarbeit, da die

Lernenden selbstständig, ihren Lernvoraussetzungen entsprechend, ihren Wortschatz zu

einem Themenfeld systematisch erweitern und festigen können (Selimi, 2010, S. 83).

2.4.6.1 Wortfamilien

Wortfamilien beinhalten alle Wörter verschiedener Wortarten, die den gleichen Wortstamm

und dasselbe Stammmorphem haben (Nodari & Steinmann, 2008, S. 26) und durch

Zusammensetzung und Ableitung entstanden sind. Zum Beispiel können aus dem

Stammmorphem Kauf die Nomen Ausverkauf, Einkauf, Kaufhaus, die Verben verkaufen,

einkaufen oder die Adjektive käuflich, unverkäuflich entstehen. Eine bewusste

Auseinandersetzung mit Wortfamilien stellt eine Förderung der Kenntnisse zum Wortaufbau

sowie der Rechtschreibkompetenz dar. Denn um die Wörter einer Wortfamilie zu erkennen,

müssen die Wörter in ihre Wortbausteine zerlegt werden. Dadurch kann die Konstanz des

Wortstammes, das heisst, dass er immer gleich geschrieben wird, bewusst werden. Zugleich

können die Schülerinnen und Schüler realisieren, dass neue Wörter entstehen, sobald man

einem Wort eine Vor- oder Nachsilbe anhängt oder es mit einem anderen Wort

zusammensetzt. Gute Wortbaukenntnisse ermöglichen den Lernenden, Wortbedeutungen

leichter zu erschliessen und aus Stammmorphemen neue Wörter zu bilden.

Im Unterricht muss darauf geachtet werden, dass beim Sammeln von Wörtern am Schluss

die Stammmorpheme genau untereinander liegen. Zur Veranschaulichung des Wortstammes

kann die Lehrperson, wie in Tabelle 2 ersichtlich ist, einen eingefärbten Streifen

Transparentfolie darüberlegen.

Tab. 2: Darstellung der Wortfamilie backen, zusammengestellt aufgrund der Abbildung von Selimi (2010, S. 85)

Back ofen

ge back en

Back pulver

Zwie back

Back form

Back uhr

Back blech

ich back e

du bäck st

Bäck er

Es muss beim Zusammenstellen der Wörter zu einer Wortfamilie Wert darauf gelegt werden,

dass Wörter aus verschiedenen Wortarten vertreten sind, um darzulegen, dass eine

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Wortfamilie nicht nur aus Zusammensetzungen, sogenannten Komposita besteht. Zudem ist

es wichtig, dass bei den Wortfamilien auch Wörter mit Umlauten vertreten sind (Selimi, 2010,

S. 83-85).

2.4.6.2 Wortfelder

Wortfelder sind Mengen von Wörtern, die zu einem Themenfeld gehören und sinnverwandt

und inhaltlich eng benachbart sind (Selimi, 2010, S. 86). Die folgende Abbildung 15 zeigt

eine Möglichkeit auf, wie ein Wortfeld zum Wort backen aussehen könnte.

Abb. 14: Darstellung des Wortfeldes backen

Wortfelder können im Unterricht als Einstieg in ein neues Thema von den Schülerinnen und

Schülern erarbeitet werden. Die Lernenden können die ungeordneten Wörter eines

Wortfeldes miteinander verbinden und mit ihnen Sätze oder ganze Texte bilden. Des

Weiteren können diese Wörter den einzelnen Wortarten zugeordnet werden. Vor allem für

Lernende mit nicht deutscher Erstsprache kann es hilfreich sein, wenn die Nomen mit Artikel

versehen werden (Selimi, 2010, S. 86-87).

Wortfelder bieten eine gute Grundlage für die Textproduktion. Die Lernenden sind

gezwungen, ein Wortfeld mehrmals zu durchsuchen, wenn sie mit den Wörtern Sätze bilden.

Mit diesem wiederholten Durchsuchen des Wortfeldes nach sinnvollen Wörtern festigen sie

die zu lernenden Wörter im Langzeitgedächtnis (Selimi, 2010, S. 88).

2.4.7 Bildung von Synonymen und Antonymen

Für die rezeptive wie auch die produktive Wortschatzarbeit ist eine bewusste

Auseinandersetzung mit Synonymen und Antonymen unerlässlich (Selimi, 2010, S. 88).

Synonyme sind Wörter, die dieselbe oder fast dieselbe Bedeutung haben (Nodari &

Steinmann, 2008, S. 27). So wäre eine mögliche Übung, dass die Lernenden Wortreihen

das Brot frisch schwitzen

knusprig

der Holzofen

backen

der Teig

heiss

der Bäcker

der Backofen das Mehl

das Auswallholz kneten

rühren

einheizen die Bäckerei das Gebäck

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bilden, in denen die Wörter eine ähnliche Bedeutung haben. Zum Beispiel zum Wort flüstern

wäre eine mögliche Wortreihe munkeln, wispern, zischeln, murmeln (Selimi, 2010, S. 95).

Hingegen Wörter, die eine gegensätzliche Bedeutung aufweisen, nennt man Antonyme

(Nodari & Steinmann, 2008, S. 27). Als Übung könnten die Lernenden zu gesammelten

Adjektiven Gegensatzpaare suchen und mit ihnen Sätze bilden wie zum Beispiel Der Löwe

ist mutig. Er ist nicht feige (Selimi, 2010, S. 89). Eine andere Form zum Üben von

Antonymen ist die sogenannte Elfen-Lerntechnik. Wie die Abbildung 16 zeigt, können die

Schülerinnen und Schüler mit dieser Lerntechnik Antonyme auf kreative Weise lernen

(Selimi, 2010, S. 93).

voll

voller Kopf

voller, roter Kopf

Ich bin extrem nervös!

Mathetest!

leer

leerer Kopf

leerer, roter Kopf

Ich bin extrem nervös!

Mathetest!

Abb. 15: Elfchen zum Gegensatzpaar voll und leer (Selimi, 2010, S. 94)

Als weitere Möglichkeiten zum Arbeiten mit Synonymen und Antonymen eignen sich

Kreuzworträtsel, die Herstellung eines Gegenteil-Minibuches oder verschiedene Spiele.

2.4.8 Herausarbeiten von Schlüsselwörtern in Texten

Eine Möglichkeit, den Wortschatz mit Hilfe eines Textes zu erweitern oder zu vertiefen, ist

das Heraussuchen von Schlüsselwörtern. Linguistisch gesehen ist ein Schlüsselwort

dasjenige Wort in einem Textabschnitt, auf das am meisten Bezug genommen wird (Polz,

2011, S. 118). Es ist ein typisches Wort, das dazu dient, ein Subjekt oder eine Handlung

eines Textes zu charakterisieren.

Die Lernenden müssen in die Schlüsselwort-Lerntechnik eingeführt werden. Zuerst wird ein

Sachtext überflogen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dann werden mit Bleistift die

wichtigsten Textstellen unterstrichen. In einem nächsten Durchgang werden die

Schlüsselwörter mit Leuchtstift dick markiert. Nebeninformationen, die zur genaueren

Erklärung der Schlüsselbegriffe wichtig sind, werden in einem weiteren Lesedurchgang mit

einem dünnen Markierfilzstift unterstrichen. Die markierten Schlüsselbegriffe werden auf ein

Blatt Papier herausgeschrieben und mit einer kurzen Erklärung ergänzt. So entsteht eine

Zusammenstellung der Schlüsselwörter eines Textes. Diejenigen Schlüsselwörter, die für

den Schulstoff wichtig sind und in den produktiven Wortschatz aufgenommen werden sollen,

müssen geübt werden. Das kann zum Beispiel mit einem Quiz geschehen. Die eine Gruppe

bekommt ein Kärtchen mit einem darauf notierten Schlüsselwort und die andere Gruppe

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muss die entsprechende Erklärung liefern. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Gruppe

das Schlüsselwort erklärt und die andere es erraten muss. Die Schlüsselwörter und

Erklärungen können auch an der Wandtafel aufgelistet und miteinander verbunden werden.

Die Arbeit mit Schlüsselwörtern verlangt eine behutsame Heranführung und viel Übung. Zur

Vereinfachung kann die Lehrperson am Anfang die Schlüsselbegriffe vorgeben und die

Lernenden die passenden Informationen dazu im Text suchen lassen (Selimi, 2010, S. 96-

100).

2.4.9 Entschlüsseln von Zusammensetzungen und Ableitungen

Ein grosser Teil der Wörter der deutschen Sprache entsteht durch Zusammensetzungen

verschiedener lexikalischer Elemente oder durch Ableitungen von Wörtern (Nodari &

Steinmann, 2008, S. 13). Zusammensetzungen, auch genannt Komposita, und Ableitungen

gehören zu den produktivsten Wortbildungstypen.

Zusammensetzungen bestehen normalerweise aus einer Kombination von Wörtern gleicher

oder verschiedener Wortarten. Man verbindet zwei Nomen, ein Adjektiv und ein Nomen oder

ein Verb und ein Nomen. So gibt es Zusammensetzungen wie zum Beispiel der Laub-frosch,

das Wild-schwein, das Nage-tier etc. (Selimi, 2010, S. 100-103). Im Grundsatz kann jede

Wortart mit jeder Wortart kombiniert werden. Seltener kommen Kombinationen mit

Pronomen wie dreidimensional oder Partikeln wie bergab vor. Am häufigsten gibt es

Zusammensetzungen mit Nomen. Die Menge möglicher zusammengesetzter Wörter ist

immens. Aus diesem Grund sind auch viele nicht im Wörterbuch zu finden.

Das Verwenden von Zusammensetzungen ermöglicht es, Gegenstände und Sachverhalte

präziser und eindeutiger zu benennen. Darum ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler

üben, zusammengesetzte Wörter auseinanderzunehmen und die Beziehungen zwischen den

Wörtern zu erschliessen (Nodari & Steinmann, 2008, S. 17). Entscheidend ist es, bei einer

Zusammensetzung zwischen dem Grundwort und dem Bestimmungswort zu unterscheiden.

Das Grundwort steht an letzter Stelle der Zusammensetzung und gibt an, worum es beim

zusammengesetzten Wort geht. Zudem zeigt es die Wortart des zusammengesetzten

Wortes wie auch das Geschlecht des zusammengesetzten Nomens an. Das

Bestimmungswort hingegen erklärt, was das zusammengesetzte Wort bedeutet. So kann

zum Beispiel aus dem Grundwort Heim und dem Bestimmungswort Alter die

Zusammensetzung Altersheim entstehen. Das Bestimmungswort gibt an, dass in diesem

Heim alte Menschen wohnen und nicht Tiere. Das Grundwort gibt an, dass es sich um ein

Heim handelt und dass der Artikel das verwendet wird. Das s zwischen den Wortteilen ist ein

Fugenelement.

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Im Unterricht können die Lernenden als Einstieg Zusammensetzungen bilden, indem sie die

Bestimmungswörter mit den passenden Grundwörtern verbinden. Wichtig ist, dass die

Schülerinnen und Schüler den Unterschied zwischen dem Bestimmungs- und Grundwort

erkennen. In einem zweiten Schritt sollen die Lernenden in Gruppen die Wortarten der

einzelnen Wörter herausfinden.

Als weitere Möglichkeit Zusammensetzungen zu üben dient das nachfolgende Lernspiel: Ein

Lernender oder die Lehrperson gibt ein zusammengesetztes Wort vor. Das nächste Kind

muss das Grundwort in ein Bestimmungswort verwandeln, wie zum Beispiel

Kleidungsverkäufer, Verkäuferausbildung, Ausbildungsgebäude, Gebäudefassade etc. So

geht es immer weiter und verloren hat, wer kein zusammengesetztes Nomen mehr sagen

kann (Selimi, 2010, S. 101-103).

Wie Zusammensetzungen sind auch Ableitungen besonders produktive Wortbildungstypen

und von grosser Bedeutung für den Wortschatz. Die wichtigsten Bausteine der Ableitung

sind Vorsilben, sogenannte Präfixe, und Nachsilben, sogenannte Suffixe.

In der deutschen Sprache kommen Vorsilben häufig vor und ein guter Wortschatz kann

durch das Kennen möglichst vieler Vorsilben beschleunigt werden (Selimi, 2010, S. 104). Im

Gegensatz zu Zusammensetzungen haben Ableitungssilben keine inhaltliche Bedeutung und

können nicht allein vorkommen (Nodari & Steinmann, 2008, S. 16). So sind Vorsilben

unselbstständige Morpheme, die vor einem Wortstamm stehen. Durch die Vorsilbe wird die

Bedeutung eines Wortstammes verändert.

Auch Nachsilben kommen nur in Verbindung mit einem vorangehenden Wort vor. Mit Hilfe

der Nachsilben kann man die Wortart des abgeleiteten Wortes erkennen, denn die

Nachsilben bestimmen die grammatischen Merkmale einer Ableitung (Selimi, 2010, S. 104-

105). Einige Beispiele dazu:

• Wörter mit den Suffixen -ung, -heit oder -schaft sind Nomen und Wörter mit den Suffixen

-ig, -bar oder -lich sind Adjektive.

• Nomen mit dem Suffix -in wie Königin stehen für weibliche Personen oder Tiere.

• Werden Verbstämme mit dem Suffix -er zu einem Nomen wie Bohrer oder Fahrer

kombiniert, so bezeichnen sie oft Geräte, die für diese Tätigkeit gebraucht werden oder

Personen, die eine Tätigkeit ausführen (Nodari & Steinmann, 2008, S. 15-16).

• Mit der Nachsilbe -er werden häufig maskuline Nomen wie der Bäcker oder der Lehrer

abgeleitet.

Lernende sollen Vor- und Nachsilben nicht auswendig lernen, sondern über die Fähigkeit

verfügen, sie im Kontext zu erkennen. Eine Übung dazu kann sein, dass die Schülerinnen

und Schüler missglückte Kombinationen von Vorsilbe und Wortstamm wie zum Beispiel

Misskraut anstatt Unkraut in einem Text suchen und passend verbessern. Zur Vertiefung

kann die Lehrperson eine Tabelle mit Vorsilben zusammenstellen und die Lernenden

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auffordern, die zweite Spalte mit kombinierbaren Verben zu ergänzen. Als nächster

Arbeitsschritt sollen sie zu jeder Vorsilbe mit den abgeleiteten Verben Sätze bilden. Die

Lernenden müssen auch zwischen trennbaren und untrennbaren Vorsilben unterscheiden

und die nicht trennbaren wie ent-, miss-, ver- oder zer- nennen können.

Eine gute Möglichkeit, die Nachsilben zu üben, ist eine Form des Geographie-Spiels. An

Stelle von Ländernamen, Flüssen, Bergen etc. müssen mit demselben Anfangsbuchstaben

möglichst schnell verschiedene Wörter zu verschiedenen Nachsilben wie -ung, -keit, -los,

-bar gesucht werden (Selimi, 2010, S. 106-109).

2.4.10 Lerntechniken zur Wortschatzstrukturierung

Da unser Gehirn den Wortschatz in einem komplizierten, netzartigen Ordnungssystem

abspeichert, ist es wichtig, dass verschiedene Ordnungssysteme für den Wortschatzerwerb

sowie für seine Erweiterung und Vertiefung angewendet werden. Neue Wörter müssen in

möglichst vielfältigen Zusammenhängen gelernt werden, denn das isolierte und

zusammenhangslose Einüben verhindert das Abspeichern und den Zugriff (Nodari &

Steinmann, 2008, S. 25-27). Die in den nachfolgenden vier Unterkapiteln erläuterten

Lerntechniken helfen, den Wortschatz zu ordnen und vernetzt abzuspeichern.

2.4.10.1 Clustering

Clustering ist eine kreative und assoziative Lerntechnik, bei der Begriffe, Gedanken und

Ideen ohne feste Ordnung gesammelt werden. Diese Methode eignet sich für den Einstieg in

ein Thema oder als Übung zur Aufbereitung des Wortschatzes zum Texte schaffen. Sie dient

auch als Vorbereitung für Gespräche und Diskussionen. Clustering ist eine gesteuerte, aber

unstrukturierte Lerntechnik und lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen.

• Als Ausgangspunkt wird, wie Abbildung 17 zeigt, ein Kernbegriff, ein Satz oder eine

Redewendung in die Mitte eines leeren Papieres geschrieben.

• Um den Kernbegriff herum werden spontane Ideen, Gedanken und Begriffe

aufgeschrieben, umkreist und mit dem Kern und untereinander zu Assoziationsketten

verbunden. Dadurch verbinden und aktualisieren die Lernenden ihr Vorwissen mit neuem

Wissen und Ideen.

• Jedes neue Wort, jede neue Idee stellt einen neuen Kern dar, von welchem aus weitere

Assoziationen gemacht werden können.

• Das Cluster ist beendet, wenn den Lernenden nichts mehr einfällt.

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Abb. 16: Cluster zum Kernbegriff Pirat (Selimi, 2010, S. 125)

Diese Lerntechnik eignet sich als Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit und sollte zeitlich auf

Maximum zehn Minuten beschränkt werden. Sie eignet sich als Vorstufe anderer

Lerntechniken und dient als erste Ideenfindung. Lerntechniken wie Mindmap, Begriffsnetz

und Advance Organizer können an das Clustering anknüpfen und helfen, den zu lernenden

Wortschatz zu strukturieren (Selimi, 2010, S. 124-126).

2.4.10.2 Mindmap

Das Mindmap ist im Vergleich zum Cluster stärker geordnet und strukturiert. Wie in

Abbildung 18 dargestellt ist, werden die Wörter und Ausdrücke bei einem Mindmap in eine

hierarchische Ordnung gebracht. Darum ist es sinnvoll, wenn dem Mindmap ein Cluster oder

eine andere Art von Ideensammlung vorausgeht (Nodari & Steinmann, 2008, S. 54).

Als erstes wird bei einem Mindmap das Lernthema oder der Oberbegriff in die Mitte eines

Papiers geschrieben. Von diesem Oberbegriff aus führen Äste mit Hauptgedanken oder

Unterbegriffen. Von diesen Ästen aus gehen weitere Äste mit Nebengedanken weg. Die Äste

können beliebig lange fortgesetzt werden. Damit das Einprägen und Erinnern der Wörter

unterstützt wird, können die Äste und die Begriffe mit Farben markiert oder mit Bildern

ergänzt werden.

Das Mindmap hat eine grosse Bedeutung für die Wortschatzarbeit. Es hat die Funktion,

Wissen und somit auch Wortwissen zu ordnen, strukturieren und gliedern. Dieses

Verknüpfen von Wortschatzinhalten unterstützt logisch strukturiertes Darstellen eines

Sachverhaltes wie auch das Präsentieren von eigenen Denkmustern. Weiter dient die

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Lerntechnik den Lernenden, das bildlich im Gedächtnis gespeicherte Wort- und Weltwissen

abzurufen.

Die Lerntechnik kann bei Unterrichtsphasen wie Ideensammlung, Wiederholung oder

Textaufarbeitung eingesetzt werden (Selimi, 2010, S. 118-119). Mindmaps sind besonders

unterstützend für Lernende mit nicht deutscher Erstsprache (Selimi, 2010, S. 124).

Als Einstieg in die Arbeit mit Mindmaps können die Lernenden ein halbfertiges Mindmap

vervollständigen oder von vorgegebenen Ideensammlungen ausgehen (Nodari & Steinmann,

2008, S. 54). Als weiterführende Arbeit könnte man mit den einzelnen Wörtern aus dem

Mindmap Sätze oder Texte formulieren (Selimi, 2010, S. 123).

Abb. 17: Mindmap zum Thema Wohnen (Selimi, 2010, S. 123)

2.4.10.3 Begriffsnetz

Eine weitere Lerntechnik ist das Begriffsnetz. Es ist eine graphisch dargestellte

Auslegeordnung zu einem bestimmten Thema. Es funktioniert ähnlich wie ein Mindmap,

jedoch stehen die zentralen Begriffe miteinander in Beziehung und beeinflussen einander

oder hängen voneinander ab. Beim Begriffsnetz kann hingegen das Beziehungsgeflecht

eines Wortes zu anderen Wörtern visuell kommentiert werden (Selimi, 2010, S. 126). Zudem

werden im Gegensatz zum Mindmap oder Cluster die Begriffe beim Begriffsnetz vorgegeben.

Folglich wird, wie bereits erwähnt, nicht auf das Suchen der Begriffe, sondern auf die

Beziehungen zwischen ihnen Wert gelegt.

Die Begriffe werden zu Beginn auf Kärtchen geschrieben, welche anschliessend im Plenum,

in Kleingruppen oder Einzelarbeit zu Begriffsnetzen angeordnet werden. Die Begriffskärtchen

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können frei verschoben werden, bis man mit der Position einverstanden ist. Dann wird das

Begriffsnetz auf ein Plakat geklebt und die Kärtchen werden mit Pfeilen verbunden und mit

Erklärungen ergänzt, sodass die Struktur mit den Beziehungen und Zusammenhängen

deutlich wird (Nodari & Steinmann, 2008, S. 55). Die Richtung der Beziehung respektive die

Pfeilrichtung spielt dabei eine wichtige Rolle. So können die Pfeile zuordnen, werten oder

eine Handlung charakterisieren. Vorteilhaft ist, dass die Begriffszusammenhänge mit kurzen

Erläuterungen und Kommentaren geklärt werden müssen und so die Reflexion und

Begründungskompetenz der Lernenden gefördert werden. Zur Vereinfachung kann die

Lehrperson die Schülerinnen und Schüler anfangs nur wenige Begriffe in einem Begriffsnetz

darstellen lassen oder sie gibt den Lernenden bereits die Netzstruktur vor und sie müssen

die Begriffe richtig einfügen.

Zur Übung können Lernende auch zu einem Text aus dem Unterricht ein Begriffsnetz

gestalten oder sie erhalten Kärtchen mit Wörtern zu einem aktuellen Thema und stellen, wie

die folgende Abbildung 19 zeigt, zum Beispiel zum Thema Ökologie ein Begriffsnetz dar

(Selimi, 2010, S. 127-128).

Abb. 18: Begriffsnetz zum Thema Ökologie (Selimi, 2010, S. 128)

Die Lerntechnik Begriffsnetz eignet sich gut für Wiederholungssequenzen innerhalb oder am

Ende eines Themas. Mit dieser Lerntechnik können Lernende zuvor gelernte Wörter bildhaft

strukturieren oder Wortzusammenhänge differenziert wiedergeben. Die Wortschatzarbeit im

Unterricht sollte sich nämlich nicht nur auf die Einführung neuer Wörter konzentrieren,

sondern vielmehr auch den vorhandenen Wortschatz immer wieder aktivieren und neu

ordnen. Erst dadurch treten die Wörter in ein ständiges Beziehungsgeflecht zueinander, das

kognitive Netz verdichtet sich im mentalen Lexikon und die Wörter können besser abgerufen

werden. So ist das Begriffsnetz wie auch der Advance Organizer, der im nächsten Kapitel

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genauer erläutert wird, eine gute Lerntechnik zum Erarbeiten oder Festigen des

Wortschatzes (Selimi, 2010, S. 127-128).

2.4.10.4 Advance Organizer

Wie auf Abbildung 20 ersichtlich wird, ist der Advance Organizer eine Lerntechnik, die das

Vorwissen der Lernenden mit dem neuen Wortschatz verknüpft. Die Begriffe werden im

mentalen Lexikon gedanklich strukturiert und in einem semantischen Netz von Begriffen

abgelegt und repräsentiert. Durch die Visualisierungsmöglichkeit der Lerninhalte können

diese leichter aufgenommen und verarbeitet werden.

Bei dieser Lerntechnik geht es darum, dass zu Beginn der gesamte Lerninhalt in seinem

inhaltlichen Zusammenhang den Lernenden aufgezeigt wird. Es ist hilfreich, wenn die

Schülerinnen und Schüler den Advance Organizer in einer bleibenden Form, beispielsweise

als Kopie am Anfang, erhalten. Die Lernenden erhalten dadurch einen Überblick, was auf sie

zukommen wird und es ist für sie ersichtlich, in welcher Beziehung die Teilthemen zum

Gesamtthema stehen. Er ist auch beim Voranschreiten in einem Thema eine nützliche

Orientierungshilfe für die Lernenden. Der Wortschatzinhalt des neuen Themas wird den

Lernenden vorweggenommen und kann den Lernprozess positiv und wirksam beeinflussen.

Der Advance Organizer weist zwar eine grosse Ähnlichkeit mit anderen Lerntechniken wie

dem Mindmap auf, sollte jedoch klar eine motivierende Wirkung haben. Er soll Fragen

aufwerfen, ein Problembewusstsein entwickeln und die Lernenden positiv auf den neuen

Lerngegenstand einstimmen. Die folgende Abbildung 20 zeigt auf, wie ein Advance

Organizer zum Thema Lebensraum Erde aussehen könnte.

Abb. 19: Advance Organizer über den Lebensraum Erde (Selimi, 2010, S. 131)

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Zuerst wird der Advance Organizer nur in vereinfachter Form, das heisst ohne Bilder und

andere Hervorhebungen dargestellt. Er wird nach und nach ergänzt. Mit Verbindungslinien

werden Zusammenhänge zwischen den Begriffen und Inhalten hergestellt. Sie werden mit

Farben hervorgehoben und Bilder, Skizzen und Symbole werden zur Veranschaulichung

hinzugefügt. Zur Festigung der Begriffe, die der Advance Organizer enthält, können die

Lernenden Begriffskarten erstellen und sich gegenseitig abfragen und überprüfen.

Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass der Einsatz dieser Lerntechnik sich positiv

auf das langfristige Behalten von Informationen auswirkt, sowie Lerntransferleistungen

günstig beeinflusst (Selimi, 2010, S. 129-132).

2.4.11 Erkennen der Vieldeutigkeit der Wörter

Da die deutsche Sprache geprägt ist von Wörtern mit mehreren Bedeutungen, ist es sinnvoll,

dass sich die Lernenden mit mehrdeutigen Wörtern auseinandersetzen. Die Lernenden

sollen auf die Feinheiten der Wortbedeutungen sensibilisiert werden. Dabei sollen die

Vielseitigkeit und der Bedeutungsreichtum eines Wortes genauer angeschaut werden. So hat

zum Beispiel das Wort Gang mehrere Bedeutungen, wie die folgenden Sätze zeigen:

Der Grossvater hat einen schweren Gang.

Die Geburtstagsparty ist voll im Gange.

Es führt ein schmaler Gang zur Turnhalle.

Auf der Autobahneinfahrt legte ich den vierten Gang ein.

Als letzter Gang gab es ein köstliches Dessert.

Weitere Bedeutungsfeinheiten ergeben sich, wenn man den Wortstamm Gang nimmt und

verschiedene Zusammensetzungen oder Ableitungen bildet wie zum Beispiel Gangfenster,

Durchgang, Ausgang etc. Die Mehrdeutigkeit verschiedener Wörter kann im Unterricht zum

Thema gemacht werden (Selimi, 2010, S. 135-137).

2.4.12 Bewusste Aufnahme und Anwendung von Redewendungen

Zu einem weiteren wichtigen lexikalischen Aspekt der deutschen Sprache gehört der

bewusste Erwerb von Redewendungen. Sie bestehen aus mehreren Wörtern, die in einer

Wortgruppe miteinander verbunden sind. Sie besitzen eine bestimmte, oft bildliche

Bedeutung und sind oft seit Generationen ein fester Bestandteil einer Sprache. Sie stammen

ursprünglich aus einem bestimmten lebensweltlichen oder beruflichen Kontext und beziehen

sich auf konkrete Handlungen oder Vorgänge. Heute hingegen haben sie eine wörtliche und

übertragene Bedeutung. Eine bewusste Auseinandersetzung mit Redewendungen

ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, ihren produktiven Wortschatz zu erweitern und

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Redewendungen in der mündlichen Kommunikation sowie auch beim Schreiben von Texten

einzubauen. Die Lernenden müssen jedoch zuerst die Redewendungen verstehen und

einprägen, bevor sie diese anwenden können.

Um mit der Thematik vertraut zu werden, ist es sinnvoll, in einem Text Redewendungen

suchen zu lassen, sie zu sammeln, ihre Bedeutungen zu umschreiben und mit eigenen

Erfahrungen zu verknüpfen. Als weiterer Auftrag könnte man in Gruppen verschiedene

Redewendungen zu einem Wort wie zum Beispiel Kopf suchen. Dies könnten sein: ein Brett

vor dem Kopf haben, den Kopf voll haben, sich etwas durch den Kopf gehen lassen, sich

etwas in den Kopf setzen etc.

Redewendungen lassen sich sehr gut bildlich darstellen und auf spielerische Art und Weise

erraten. Ein Spiel, das sich zum Einprägen von Redewendungen eignet, ist Montagsmaler.

Es spielen zwei Gruppen gegeneinander. Ein Mitglied einer Gruppe erhält eine Karte mit

einer Redewendung und muss sie zeichnerisch darstellen. Wenn die anderen Gruppen-

mitglieder die Redewendung erraten, bekommen sie einen Punkt (Selimi, 2010, S. 138-142).

2.4.13 Bewusste Anwendung von Metaphern

Metaphern sind bildhafte Wortumschreibungen. Sie können eine Aussage farbiger, treffender

und nuancierter machen. Mit Metaphern besteht die Möglichkeit, die Eigenschaften zweier

Dinge zu vergleichen, wie zum Beispiel schlau wie ein Fuchs. Solche Vergleiche kommen oft

vor, da die Menschen das Bedürfnis nach sprachlichen Bildern und Emotionen haben. Die

Metaphern spielen eine entscheidende Rolle im Unterricht, da sie in Geschichten,

Volksmärchen, Fabeln, Mythen, Legenden, Liedern und Fachtexten oft vorkommen. Ihr

Verständnis setzt einen umfangreichen Wortschatz und eine gute Denkfähigkeit voraus. Wie

bei den Redewendungen ist es auch bei den Metaphern so, dass man ein Leben lang immer

wieder neue dazulernt. Deshalb ist es bedeutungsvoll, sie in verschiedenen Themen-

bereichen zu betrachten und im produktiven Wortschatz zu festigen.

Für den Einstieg mit Metaphern eignen sich die Themen Tiere oder Fussball. Die Lernenden

können zum Beispiel Metaphern zu Tieren suchen wie stark wie ein Bär, flink wie ein Wiesel,

fleissig wie eine Ameise etc. In einem weiteren Arbeitsschritt kann die Lehrperson

fussballbezogene Metaphern vorgeben wie am Ball bleiben, im Abseits stehen, ein Eigentor

schiessen, in derselben Liga spielen, die rote Karte bekommen etc. und die Lernenden

auffordern, dazu im Internet oder in Zeitschriften passende Bilder zu suchen. Zudem kann

den Lernenden der Auftrag erteilt werden, Werbeslogans zu sammeln, sie auf Metaphern zu

durchsuchen und sie auf einem Plakat aufzukleben.

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Es ist lehrreich und sinnvoll, die Lernenden in Texten Metaphern gezielt suchen zu lassen

und sie anzuleiten, die Metaphern hie und da in selbst verfasste Texte einzuflechten. Sie

gestalten einen Text für den Leser interessanter (Selimi, 2010, S. 142-146).