Bachelorarbeit Autismus-Spektrum- Störungen · der Sozialarbeit zum Thema...

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Denise Chantal Naujoks 5. Semester Soziale Arbeit SUD Matrikelnummer: 70107294 Dorfstraße 1, 29394 Lüder OT Langenbrügge [email protected] Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fakultät Handel und Soziale Arbeit SS 2013 M 25 Bachelorarbeit Erstprüfer: Prof. Dr. Markus Storck Zweitprüfer: Dipl. Soz.päd. Karin Jakobides Abgabedatum: 20.08.2013 Bachelorarbeit Autismus-Spektrum- Störungen Sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus

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Denise Chantal Naujoks

5. Semester Soziale Arbeit SUD Matrikelnummer: 70107294 Dorfstraße 1, 29394 Lüder OT Langenbrügge [email protected] Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fakultät Handel und Soziale Arbeit SS 2013 M 25 – Bachelorarbeit Erstprüfer: Prof. Dr. Markus Storck Zweitprüfer: Dipl. Soz.päd. Karin Jakobides Abgabedatum: 20.08.2013

Bachelorarbeit

Autismus-Spektrum-Störungen Sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus

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Inhalt

1 Einleitung ............................................................................... 3

2 Autismus geschichtlich ........................................................ 3

3 ICD-10 und DSM IV ................................................................ 5

3.1 F84.0 Frühkindlicher Autismus ................................................ 9

3.2 F84.1 Atypischer Autismus .................................................... 10

3.3 F84.5 Asperger-Syndrom ....................................................... 10

4 Frühkindlicher Autismus .................................................... 11

4.1 Diagnostik .............................................................................. 11

4.2 Epidemiologie ........................................................................ 12

4.3 Komorbidität ........................................................................... 13

4.4 Ätiologie ................................................................................. 14

4.4.1 Molekularbiologie ............................................................... 15

4.4.2 Neurobiologie ..................................................................... 16

4.4.3 Biochemie .......................................................................... 16

4.4.4 Psychopathologie ............................................................... 17

4.5 Alltägliche Symptome ............................................................ 20

4.5.1 Wechselseitige soziale Interaktion ..................................... 20

4.5.2 Kommunikation .................................................................. 21

4.5.3 Eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten .............. 22

5 Therapiemöglichkeiten ........................................................ 22

5.1 Psychoedukative und/ oder lerntheoretisch orientierte Programme ............................................................................ 23

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5.1.1 TEACCH-Ansatz ................................................................ 23

5.1.2 ABA Lernmethode .............................................................. 25

5.2 Komplementäre oder alternative Ansätze .............................. 26

5.2.1 PECS ................................................................................. 27

5.2.2 FC ...................................................................................... 27

5.2.3 Social Stories ..................................................................... 28

5.2.4 Theory of Mind Training ..................................................... 30

5.2.5 RDI ..................................................................................... 30

5.3 Medizinische oder alternativmedizinische Ansätze ............... 31

6. Ableitung sozialarbeiterischer Interventionen ................. 32

6.1 Ableitung von psychoedukativen und/ oder lerntheoretisch orientierten Programmen ....................................................... 32

6.1.1 Klientenzentrierte Gesprächsführung ................................. 33

6.1.2 Sozialpädagogische Beratung............................................ 35

6.2 Ableitung von komplementären und alternativen Therapien . 36

6.3 Ableitung von der autistischen Störung ................................. 39

7 Sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus ............................................................................. 41

8 Fazit ...................................................................................... 44

Literaturverzeichnis

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1 Einleitung

In der folgenden Arbeit wird sich zuerst mit dem Begriff des Autismus und

seiner Herkunft beschäftigt. Darauf folgend werden die ICD-10 und das DSM

IV kurz erläutert. Im Weiteren werden anhand der ICD-10 die drei häufigsten

Autismus-Spektrum-Störungen und deren Diagnosekriterien dargestellt.

Daraufhin werden die Auffälligkeiten des frühkindlichen Autismus, sowie des-

sen Herausforderungen und daraus resultierenden Folgen für den Alltag ge-

nauer beleuchtet. Hierzu wird sich folgend mit Interventionsmaßnahmen in

der Sozialarbeit zum Thema Autismus-Spektrum-Störungen auseinanderge-

setzt. Zum Schluss werden sozialarbeiterische Interventionsmaßnahmen ge-

nauer beleuchtet und im Zusammenhang der Wirkungsfähigkeit auf den früh-

kindlichen Autismus angewendet.

2 Autismus geschichtlich

Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler führte 1911 den Begriff „Autismus"

ein, in dem er mit diesem ein Grundsymptom der Schizophrenie beschrieb.

Die Charakterisierung Bleulers richtete sich hierbei auf das Verhalten von an

Schizophrenie Erkrankter, welche sich in ihre gedankliche Welt zurückzie-

hen, den Kontakt zu ihren Mitmenschen nicht aufrechterhalten und sich somit

von ihrer Umwelt abwenden und sich zurückgezogen zeigen.

30 Jahre später nahmen fast gleichzeitig der österreichische Pädiater Hans

Asperger (1944) und der austro-amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner

(1943) den Begriff auf, um das autistische Störungsbild bei Kindern zu be-

schreiben.

Hierbei ist zu bedenken, dass autistische Kinder sich nicht bewusst in eine

Gedankenwelt zurückziehen, sondern von Geburt an eingeschränkt fähig bis

unfähig sind soziale Kontakte zu verstehen, aufzubauen und aufrecht zu er-

halten. Diesbezüglich ist der ursprüngliche Gedanke des Begriffes „Autis-

mus" nach Bleuler nicht mehr passend (vgl. Remschmidt 2008, S. 9).

1943 beschrieb Leo Kanner elf Fälle unter dem Titel „Autistische Störungen

des affektiven Kontakts". Die Gemeinsamkeiten der Fälle fasste er als

„[...]die von Geburt an bestehende Unfähigkeit, sich in normaler Weise mit

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Personen oder Situationen in Beziehung zu setzen [...]" (Remschmidt 2008, S. 9)

zusammen. Des Weiteren beschrieb Kanner „Die Eltern [...] beschrieben sie

[...]‚wie in einer Schale lebend‘‚ [...]‚am glücklichsten, wenn sie allein gelas-

sen wurden‘“ (Remschmidt 2008, S. 9).

Hieraus schlussfolgerte Kanner, das angenommen werden kann, dass diese

Kinder von Geburt an ein soziales Defizit aufweisen, vergleichbar mit ange-

borenen geistigen oder körperlichen Behinderungen.

1944 beschrieb Hans Asperger sechs Fälle unter dem Titel „Die ‚autistischen‘

Psychopathen" und fasste die Gemeinsamkeiten durch sechs Überpunkte

zusammen:

– „Körperliches und Ausdruckserscheinungen" (Remschmidt 2008, S.10)

Hier beschrieb Asperger, dass die betroffenen Kinder wenig Mimik und

Gestik zeigten, Blickkontakt vermieden, eine gewisse motorische Unge-

schicklichkeit aufwiesen und sprachliche Äußerungen unnatürlich wirkten.

– „Autistische Intelligenz" (Remschmidt 2008, S.10/11)

Hier stellte Asperger eine Art der Aufmerksamkeitsstörung dar, welche er

als besonders betrachtete. Zuerst stellte er die innere Abgelenktheit der

Kinder fest. Dazu hätten sie eine erfinderische Beziehung zur Sprache

gehabt, was durch die schnelle Erfindung neuer Wörter ersichtlich gewe-

sen sei. Schließlich hätten die beschriebenen Kinder über einen Aus-

gleich für die vielen vorhandenen Defizite verfügt.

– „Verhalten in der Gemeinschaft" (Remschmidt 2008, S.11)

Hierzu beschrieb Asperger die eingeschränkte Beziehung zur Umwelt,

welche sich in allen sozialen Kontakten und im alltäglichen Umgang durch

extremem Egoismus äußerte.

– „Trieb und Gefühlsleben" (Remschmidt 2008, S.11)

Hierbei zeigte sich laut Asperger ein sehr differenziertes Sexualverhalten,

welches, egal wie geartet, oft mit sadistischen Reaktionen einhergehe.

Des Weiteren hätten die Kinder keine Verbote oder Gebote beachtet und

häufig seien besondere Interessen und Sammelleidenschaften zu be-

obachten gewesen.

– „Genetik" (Remschmidt 2008, S.11)

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Asperger war der Meinung, dass das beschriebene Krankheitsbild eine

genetische Ursache hat. Er stellte fest, dass bei allen Fällen, die er beo-

bachtet hat, keine Familie dabei war, in der nicht auch bei mindestens ei-

nem Mitglied eine mehr oder weniger ausgeprägte Kommunikations- oder

Kontaktstörungen festzustellen war. Hierbei handelte es sich nach Asper-

ger zumeist um die Väter.

– „Soziale Wertigkeit und Verlauf" (Remschmidt 2008, S.11/12)

Diesbezüglich beschrieb Asperger die geringe oder nicht vorhandene so-

ziale Integration der beobachteten Kinder. Diese sei umso weniger aus-

geprägt, desto weniger Intelligenz vorhanden sei. Den umgekehrten Fall

beschrieb Asperger bei Kindern die intellektuell durchschnittlich oder

überdurchschnittlich zu beurteilen sind, sie hätten eine gute Sozialprog-

nose.

Zu diesen Ergebnissen kam Asperger ohne Kenntnisse von dem ein Jahr

zuvor erschienenen Titel von Kanner (vgl. Remschmidt 2008, S. 9–12).

1977 wurde die erste Definition des Begriffes "Autismus" von der Amerikani-

schen Autismusgesellschaft veröffentlicht. Drei Jahre später im Jahr 1980

wurde dann das Syndrom „Autismus" zum ersten Mal von dem Verband der

amerikanischen Psychiater in seinem "Diagnostischen und Statistischen Ma-

nual" definiert (vgl. Richman 2004, S. 14).

3 ICD-10 und DSM IV

Die ICD-10 ist die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten

und verwandter Gesundheitsprobleme. Sie ist das internationale Klassifika-

tionsmodell der Vereinten Nationen. In Deutschland ist es für Kassenärzte

und kassenärztlich geleitete Einrichtungen Pflicht nach der ICD-10 zu diag-

nostizieren.

Das DSM IV ist das diagnostische und statistische Handbuch der Vereinig-

ten Staaten von Amerika und somit ein nationales Klassifikationsmodell.

Der Unterschied in den beiden Klassifikationsmodellen liegt darin, dass das

nationale Handbuch DSM IV nicht so viele Kompromisse und Ergänzungen

eingehen muss, wie die internationale Klassifikation ICD-10. Der Grund hier-

für findet sich in der geringeren Menge der Kooperationspartner bei der Er-

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stellung des Manuals. Daher beinhaltet das DSM IV überwiegend spezielle-

re oder genauere diagnostische Kriterien, wie die ICD-10 und wird somit oft

als Ergänzung zur Diagnose nach der ICD-10 herangezogen (vgl. DIMDI - Deut-

sches Institut für Medizinische Dokumentation und Information o.A.).

Das Kapitel V der ICD-10 beinhaltet die Abschnitte F00 bis F99, welche sich

mit den psychischen und Verhaltensstörungen befassen. Darunter ist die

Gruppe der Entwicklungsstörungen, F80 bis F89, zu finden. In diesem Be-

reich wiederum befindet sich die Kategorie F84, welche sich mit den tief grei-

fenden Entwicklungsstörungen befasst.

Tief greifende Entwicklungsstörungen sind durch eine qualitative Abweichung

in den psychopathologischen Bereichen:

– wechselseitige soziale Interaktion,

– Kommunikation und

– eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten

gekennzeichnet.

Diese jeweilige qualitative Abweichung ist ein grundlegendes Funktions-

merkmal des betroffenen Kindes in allen Situationen.

Unter einer qualitativen Abweichung im psychopathologischen Bereich der

wechselseitigen sozialen Interaktion, wird die Beeinträchtigung nonverbaler

Verhaltensweisen zur Steuerung sozialer Interaktion verstanden. Hierzu ge-

hören unter anderen:

– Blickkontakt,

– Gesichtsausdruck,

– Körperhaltung,

– Gestik,

– Unfähigkeit entwicklungsgemäß Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzu-

bauen,

– Mangel spontan Freude, Interessen oder Erfolge mit anderen zu teilen

und

– Mangel an sozial-emotionaler Gegenseitigkeit.

Bei vielen Kindern fehlt im Säuglingsalter beispielsweise die Reaktion auf

das Hochnehmen des Kindes bzw. wenn eine Reaktion gezeigt wird, kann

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Unwohlsein beobachtet werden. Mit autistischen Säuglingen kann man die

gesellschaftlich verankerten "Säuglingsspiele", beispielsweise "Guck-guck",

nicht spielen und die Kinder verfolgen nicht mit den Augen das Kommen und

Gehen ihrer Bezugspersonen. Bei Kleinkindern ist zu beobachten, dass die-

se die typische Angstreaktion auf fremde Personen, das "Fremdeln" nicht

zeigen. Des Weiteren zeigen sie entweder eine sehr ausgeprägte oder gar

nicht ausgeprägte Bindung zu anderen Personen (vgl. Richman 2004, S. 8).

Unter einer qualitativen Abweichung im psychopathologischen Bereich der

Kommunikation, wird das verzögerte Einsetzen oder Ausbleiben gesproche-

ner Sprache verstanden. Hierzu gehört unter anderem:

– Unfähigkeit ein Gespräch zu beginnen oder fortzuführen,

– stereotyper oder repetitiver Gebrauch der Sprache und

– Fehlen von Rollenspielen oder sozialen Imitationsspielen.

Bei circa vierzig Prozent der autistischen Kinder zeigt sich beispielsweise gar

keine Sprachentwicklung. Hierbei ist zu beobachten, dass die betroffenen

Kinder nicht versuchen dieses Defizit, durch andere Formen der Kommunika-

tion, zu kompensieren. Bei den übrigen sechzig Prozent der autistischen

Kinder die Kommunikation erlernen, unabhängig wie weit ausgeprägt und

entwickelt die Fähigkeit ist, zeigt sich, dass die die Fähigkeiten zur angemes-

senen Kommunikation mit anderen Kindern und Erwachsenen überwiegend

unterentwickelt bleibt (vgl. Richman 2004, S. 9).

Unter einer qualitativen Abweichung im psychopathologischen Bereich des

eingeschränkten, stereotyp repetitiven Verhaltens, wird die umfassende Be-

schäftigung mit stereotypen und begrenzten Interessen verstanden. Hierbei

sind der Inhalt und die Intensität der Beschäftigung abnorm. Des Weiteren

besteht/ bestehen unter anderem:

– ein auffällig starres Festhalten an bestimmten nicht funktionalen Ge-

wohnheiten oder Ritualen,

– stereotype und repetitive motorische Manierismen und

– die ständige Beschäftigung mit Teilen von Objekten.

Im Säuglings- und Kleinkindalter kann man zum Beispiel beobachten, dass

ein Kind nur bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen möchte und andere,

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beispielsweise auf Grund des Aussehens, ablehnt. Das Gleiche kann für Tö-

ne, Stoffe, Gerüche, sowie Oberflächen oder Geräte/ Maschinen gelten. Dar-

über hinaus können die extreme Zuneigung oder Abneigung sich darin äu-

ßern, dass etwas überhaupt nicht wahrgenommen wird oder das Kind in Pa-

nik verfallen lässt. Weiter kann man zum Beispiel beobachten, dass viele

Kinder im Kleinkindalter nicht mit ihren Spielsachen spielen bzw. diese nicht

sachgerecht benutzen (beispielsweise das immer wiederholende Drehen des

Rades am Auto), sondern sich entweder selbst stimulieren oder teilnahmslos

vor sich hin starren.

Zu beachten ist, dass die Zusammensetzung der Fähigkeiten und Defizite bei

jedem Kind mit Autismus vollkommen unterschiedlich ist (vgl. Richman 2004, S. 10-

11).

Zu diesen tief greifenden Entwicklungsstörungen gehören unter anderem

unter F84.0 der frühkindliche Autismus, unter F84.1 der atypische Autismus

und unter F84.5 das Asperger-Syndrom (vgl. DIMDI - Deutsches Institut für Medizinische

Dokumentation und Information o.A.).

Die Störungen in diesem Bereich können in einigen Fällen durch körperliche

Krankheiten verursacht sein, bzw. mit diesen einhergehen (beispielsweise

eine Rötelninfektion der Mutter während der Schwangerschaft). Trotz dessen

werden die Störungen nicht auf Grund einer verursachenden oder einherge-

henden körperliche Erkrankung diagnostiziert, sondern anhand des Verhal-

tens. Des Weiteren muss beachtet werden, dass oft eine Intelligenzminde-

rung bei einer Störung in diesem Bereich vorzufinden ist, allerdings nicht im-

mer (vgl. Remschmidt 2008, S. 14).

Des Weiteren ist zu erläutern, dass es in der Fachwelt umstritten ist, ob die

verschiedenen Störungen, im Bereich der tief greifenden Entwicklungsstö-

rungen der ICD, tatsächlich als unterschiedliche Störungen zu sehen sind.

Hierbei gibt es die Überlegung die bisher als verschieden dargestellten Stö-

rungen unter dem Begriff der "Autismus-Spektrum-Störungen" zusammenzu-

fassen. Hierzu sind Theorien entwickelt worden die besagen, dass autisti-

sche Störungen sich nicht in den Kategorien qualitativ, sondern im Ausprä-

gungsgrad quantitativ voneinander unterscheiden.

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Bisher wird in der ICD-10 noch qualitativ in den Kategorien unterschieden

und demnach sind der frühkindliche Autismus, der atypische Autismus und

das Asperger-Syndrom drei verschiedenen Störungen. In der bald erschei-

nenden Neuauflage der ICD-10 soll es, laut Diskussionen in der Fachwelt,

diese Unterscheidung in verschiedene Störungen nicht mehr geben, sondern

die Zusammenfassung unter dem Begriff der „Autismus-Spektrum-

Störungen" und somit nur noch eine quantitative Unterscheidung der Aus-

prägungsgrade (vgl. Jenny et al. 2012, S. 17).

3.1 F84.0 Frühkindlicher Autismus

Der frühkindliche Autismus wird in der ICD-10 unter F84.0 aufgeführt. Weite-

re Begriffe, die mit dem frühkindlichen Autismus synonym verwendet werden

sind die „infantile Psychose", der „infantile Autismus", das „Kanner-Syndrom"

oder die „Psychose im Kindesalter".

Der frühkindliche Autismus definiert sich durch eine abnorme oder beein-

trächtigte Entwicklung des Kindes, sowie die Manifestation der beschriebe-

nen Merkmale vor dem dritten Lebensjahr.

Charakteristisch für den frühkindlichen Autismus sind die abnormen Funktio-

nen in allen drei beschriebenen psychopathologischen Bereichen. Hierbei ist

zu beachten, dass aus den drei psychopathologischen Bereichen mindestens

sechs Symptome vorliegen müssen. Dazu müssen von den sechs Sympto-

men mindestens zwei im Bereich der Abweichungen in der sozialen Interak-

tion liegen und jeweils ein Symptom im Bereich der Abweichungen in der

Kommunikation, sowie im Bereich der Abweichungen des eingeschränkten,

stereotyp repetitiven Verhaltens (vgl. Jenny et al. 2012, S. 13).

Symptome beim frühkindlichen Autismus liegen zum einen in Einschränkun-

gen des Sozial- und Spielverhaltens. Hier besteht, wie in Punkt 4.4 Ätiologie

weiter ausgeführt wird, ein Defizit in der Informations- und Hinweisreizverar-

beitung in Bezug auf soziale Interaktion. Dies dehnt sich weiter auf das Des-

interesse an Sozialkontakten aus.

Zum zweiten ist die Sprachentwicklung bei Kindern mit frühkindlichem Autis-

mus gestört. Viele Kinder bleiben ihr Leben lang stumm. Hierbei wird das

Ausbleiben der Sprache nicht mit nonverbaler Kommunikation ausgeglichen.

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Bei den Kindern die Sprache erlernen ist der Beginn des Spracherwerbs ver-

zögert und es zeigen sich weitere Abweichungen in der Entwicklung der

Sprache. Beispiele sind eine veränderte Prosodie oder Echolallien.

Zum dritten ist ein eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten zu nen-

nen. Dies äußert sich zum Beispiel in der Notwendigkeit eines gewohnten

Tagesablaufes oder in ungewöhnlichen bzw. eingeschränkten Interessen und

Aktivitäten (vgl. Poustka 2008, S. 9–10).

Des Weiteren treten häufig eine Vielzahl von weiteren unspezifischen Prob-

lemen auf. Die häufigsten sind hierbei:

– Phobien,

– Schlaf- und Essstörungen,

– Wutausbrüche und

– (autodestruktive) Aggressionen (vgl. DIMDI - Deutsches Institut für Medizinische Doku-

mentation und Information o.A.).

3.2 F84.1 Atypischer Autismus

Der atypische Autismus wird in der ICD-10 unter F84.1 aufgeführt. Weitere

synonym verwendete Begrifflichkeiten sind die "atypische kindliche Psycho-

se" und die "Intelligenzminderung mit autistischen Zügen".

Die Unterscheidung des atypischen Autismus zum frühkindlichen Autismus

zeigt sich vor allem in dem höheren Alter des Kindes/ Jugendlichen bei

Krankheitsbeginn. Des Weiteren sind nicht in allen drei psychopathologi-

schen Bereichen Einschränkungen vorhanden.

Häufig ist bei Kindern/ Jugendlichen/ jungen Erwachsenen die an atypischem

Autismus erkrankt sind eine schwer retardierte bzw. eine schwere rezeptive

Störung der Sprachentwicklung zu beobachten (vgl. DIMDI - Deutsches Institut für

Medizinische Dokumentation und Information o.A.).

3.3 F84.5 Asperger-Syndrom

Das Asperger-Syndrom wird in der ICD-10 unter F84.5 aufgeführt. Es wird

hier auch als autistische Psychopathie oder schizoide Störung des Kindesal-

ters umschrieben.

Die Hauptmerkmale des Asperger-Syndroms sind

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– eine unsichere nosologische Validität,

– qualitative Abweichungen in wechselseitigen sozialen Interaktionen und

– ein eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten.

Weitere Nebenmerkmale sind, dass Kindern, Jugendlichen und jungen Er-

wachsenen mit Asperger-Syndrom häufig eine auffallende Ungeschicklichkeit

zugeschrieben wird, sowie dass dieses Syndrom eine starke Tendenz zur

Persistenz bis in die Adoleszenz und das Erwachsenenalter hat. Gelegentlich

können psychotische Episoden im frühen Erwachsenenalter auftreten.

Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich vom frühkindlichen und atypi-

schen Autismus darin, dass die allgemeinen Entwicklungsverzögerungen

fehlen, bzw. die Entwicklungsrückstände fehlen. Dazu gibt es wesentliche

Unterscheidungen in der Sprache und der kognitiven Entwicklung, da sich

diese bei dem Asperger-Syndrom überwiegend altersgemäß entwickeln (vgl.

DIMDI - Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information o.A.).

4 Frühkindlicher Autismus

Im folgenden Abschnitt wird die tief greifende Entwicklungsstörung des früh-

kindlichen Autismus genauer beleuchtet. Hierzu wird, neben der in Punkt

3.1.1 schon beschriebene Diagnostik durch die ICD-10, ausführlich auf die

Symptomatik, die Epidemiologie, die Komorbidität und die möglichen Ursa-

chen dieser Störung eingegangen.

4.1 Diagnostik

Für die Diagnose von Autismus/ Autismus-Spektrum-Störungen gibt es ge-

schulte Kinder- und Jugendpsychiater, klinische Psychologen und Kinderärz-

te. Dies ist nötig, da Autismus keine alltägliche Erkrankung ist, sondern ver-

gleichsweise selten vorkommt. Bezüglich der späteren Ausführungen in

Punkt 4.4 Ätiologie, kann Autismus nicht an zuverlässigen organischen Hin-

weisen diagnostiziert werden.

Daher besteht die Diagnostik aus einer genauen Beobachtung und Analyse

des Verhaltens, sowie in der Befragung der Eltern bezüglich der Entwicklung

des Kindes. Solch eine Diagnose ist üblicherweise mehrstündig. Hierbei wer-

den nach wissenschaftlichen Kriterien konzipierte Interviews geführt, zugleich

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werden Beobachtungsinstrumente und Fragebögen genutzt. Die bisher am

genauesten geprüften Fragebögen sind der „FSK" (Fragebogen zur sozialen

Kommunikation) und „SRS" (Skala zur Erfassung sozialer Reaktivität ). Bei

den Beobachtungsinstrumenten wird überwiegend „ADOS" (autism diagnos-

tic observation schedule - diagnostische Beobachtungsskala für autistische

Störungen) benutzt und die Interviews werden nach „ADI-R" (Autism Diag-

nostic Interview, Revised - diagnostisches Interview für Autismus - revidiert)

geführt.

Das Ziel der Diagnostik sind herauszufinden, ob eine Autismus-Spektrum-

Störung vorliegt, wenn ja in welchem Grad diese ausgeprägt ist und inwie-

weit sich dies auf den Alltag des Kindes auswirkt. Des Weiteren soll festge-

stellt werden ob bei dem jeweiligen Kind weitere Erkrankungen vorliegen.

Hierzu werden weitere Ärzte für andere Untersuchungen an der Diagnostik

hinzugezogen (z.B. Ohren- und Augenarzt zur Feststellung des Hör- und

Sehvermögens) (vgl. Poustka 2009, S. 20).

4.2 Epidemiologie

In Bezug auf epidemiologische Studien der letzten zehn Jahre kann gesagt

werden, dass die Diagnose von autistischen Störungen zugenommen hat.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die diagnostischen Verfahren sich dies-

bezüglich verändert und spezifiziert haben. Somit kann hieraus nicht aus-

schließlich auf die Zunahme der Erkrankung geschlossen werden. Zu beach-

ten ist beispielsweise, dass es bei der Umstellung des DSM-III zum DSM-IV

einen 1,5-fachen Anstieg der Prävalenzraten für eine autistische Störung

gab.

Bezüglich der Geschlechterverteilung autistischer Störungen kann festge-

stellt werden, dass insgesamt viermal mehr Jungen an diesen erkranken als

Mädchen. Betrachtet man die verschiedenen Arten des Autismus, in Bezug

auf deren Funktionsniveau, zeigt sich, dass das Ungleichgewicht mit der

Steigerung des Funktionsniveaus zunimmt und mit der Senkung abnimmt.

Beispielsweise beim Asperger-Syndrom kommt ein Mädchen auf sechs bis

acht Jungen. Andersherum lässt sich beobachten, dass in der Gruppe der

Kinder mit Intelligenzminderungen auf zwei Jungen ein Mädchen kommt.

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Hier ist zu erwähnen, dass erkrankte Mädchen zumeist schwerer von der

Erkrankung betroffen sind (vgl. Jenny et al. 2012, S. 22).

Im Verlauf der autistischen Störungen ist zu beobachten, dass diese nicht

remittieren, sondern sich in Bezug auf die mangelnde soziale und später

auch berufliche Integration zuspitzen. Dies kann im Laufe des Erwachsenen-

alters bis hin zum Rückzug auf die Sonderinteressen führen, wobei die Diag-

nose überwiegend stabil bleibt.

Ab Beginn der Symptomatik zeigt sich eine starke Ausprägung im Alter von

vier bis fünf Jahren. Kinder die hierbei ein hohes Funktionsniveau haben,

haben hierbei ein klar definiertes soziales Interesse, welches sie auf Grund

der Defizite in den kommunikativen, sozialen und emotionalen Kompetenzen

nicht zu einer altersgemäßen sozialen Interaktion ausführen können.

Im weiteren Verlauf kann diese Problematik im Jugendalter durch den ver-

stärkten Anpassungsdruck zu einem hohen Leidensdruck führen. Darüber

hinaus zeigt sich, dass mit dem immer komplexer werdenden sozialen Um-

feld im Zuge des Älterwerdens, die Auseinandersetzung und Konfrontation

mit der eigenen Andersartigkeit steigt. Hierdurch wiederum kann die Symp-

tomatik des Leidensdruckes, wenn nicht schon im Jugendalter geschehen,

weiter verstärkt und zu Depressionen, Zwangs- und Angstneurosen, sowie

suizidalen Handlungen führen.

Aus den oben genannten Defiziten ergibt sich, dass an Autismus Erkrankte

geringere schulische und berufliche Qualifikationen erlangen und somit nur

ein kleiner Teil der autistischen Erwachsenen ein selbstständiges Leben füh-

ren können (vgl. Jenny et al. 2012, S. 23).

4.3 Komorbidität

Siebzig Prozent der Kinder, die sich im autistischen Spektrum befinden, wei-

sen eine mäßige oder schwere Intelligenzminderung auf. Hierbei ist auf die

Gewichtung der Prozente in den einzelnen autistischen Störungen hinzuwei-

sen. Nach der Definition für das Asperger-Syndrom gehört eine Intelligenz-

minderung nicht zu den Merkmalen dieser Symptomatik. Des Weiteren zeigt

sich beim frühkindlichen Autismus, dass fünfzig Prozent der Kinder eine

leichte, zwanzig Prozent eine schwere und dreißig Prozent keine geistige

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Behinderung aufweisen. Die letztgenannten dreißig Prozent werden dann

dem „High-Functioning-Autismus“ zugeordnet (vgl. Jenny et al. 2012, S. 21).

Der Begriff "High-Functioning-Autismus" bezeichnet inoffiziell Menschen mit

frühkindlichem Autismus ohne Intelligenzminderung bzw. mit mindestens

durchschnittlicher Intelligenz. Hierbei liegen, trotz eines zunächst verzögerten

Beginns des Spracherwerbs, überwiegend gute sprachliche Fähigkeiten vor.

Entstanden ist der Begriff des "High-Functioning-Autismus" durch Lorna

Wing. Diese gebrauchte ihn um Kinder die augenscheinlich am frühkindli-

chen Autismus erkrankt sind, aber später eine Entwicklung zum Asperger-

Syndrom vollziehen zu beschreiben (vgl. Poustka 2008, S. 11).

Des Weiteren weisen alle autistischen Kinder und Jugendlichen eine psychi-

sche Störung auf. Hierbei wird auf das erhöhte Risiko für eine Tic-Störung,

affektive Störungen, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität, sowie

Zwangsstörungen hingewiesen.

In Bezug auf organische Syndrome zeigt sich, dass diese bei circa zehn Pro-

zent der autistischen Kinder auftreten. Zu nennen sind hier Epilepsie, die tu-

beröse Sklerose und das Fragile-X-Syndrom. Zu der Komorbidität der Epi-

lepsie kann gesagt werden, dass circa drei Prozent aller an Autismus Er-

krankten diese im Laufe der Erkrankung entwickeln. Besonders häufig ist

dies bei Kindern mit frühkindlichem Autismus, bei denen eine schwere intel-

lektuelle Retardierung vorliegt, zu beobachten. Hierbei ist dies nicht von der

Intelligenz abhängig (vgl. Jenny et al. 2012, S. 21).

4.4 Ätiologie

In der Ursachenforschung wird nicht, wie in der ICD-10 bisher üblich, zwi-

schen den verschiedene Formen der autistischen Störungen unterschieden.

Das heißt, dass für das gesamte autistische Spektrum, auf der Grundlage

der bisherigen Forschungsbefunde, die gleichen Faktoren diskutiert werden.

Die Ätiologie der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen ist vielschichtig und

hat einen Überhang in Bezug auf die biologischen Faktoren. Dieser Über-

hang erschließt sich der Fachwelt durch den frühen Störungsbeginn, die

nachweislich hohe Komorbidität zu einer Intelligenzminderung, die hohe Auf-

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fälligkeit bekannter genetischer Erkrankungen, neuropsychologischer Funkti-

onsstörungen und in der Neurologie (vgl. Jenny et al. 2012, S. 24).

Dennoch muss beachtet werden, dass die Ätiologie in vielen Fällen unbe-

kannt ist. Dies liegt daran, dass sich keine wissenschaftlichen Beweise fin-

den lassen, beispielsweise organische Erkrankungen.

Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, unzureichende Lernförderung, man-

gelhafte Erziehung und Beschulung und somit die generellen Umweltfaktoren

die Entwicklungsfunktionen beeinflussen (vgl. Amann und Schanze 2007, S. 158).

4.4.1 Molekularbiologie

Für die genetischen Ursachen, die Vererbung, des Autismus sprechen vor

allem die Auffälligkeit der betroffenen Kinder im Säuglingsalter (Essstörun-

gen, abnormes Schreien etc.) und dass sich die Eltern dieser Kinder in ihrem

Verhalten und der Persönlichkeit nicht gravierend von den Eltern gesunder

Kinder unterscheiden. Dazu kommt, dass vierzig bis sechzig Prozent, der an

frühkindlichem Autismus erkrankten Kinder, neurologische Befunde in der

Phase des Schulalters aufweisen. Des Weiteren entwickeln in der Adoles-

zenz circa dreißig Prozent eine Epilepsie. Darüber hinaus konnte festgestellt

werden, dass nach der Erkrankung durch bestimmte Virusinfektionen über-

durchschnittlich häufig ein autistisches Verhalten auftritt, beispielsweise nach

einer Rötelnembryopathie. Gestützt wird diese Theorie auf Zwillings- und

Familienstudien, in Bezug auf pränatal mutiertes Erbgut, sowie auf moleku-

larbiologischen Untersuchungen.

Aus den Familienstudien geht hervor, dass es ein Erkrankungsrisiko bezüg-

lich Autismus für die Geschwister von autistischen Kindern gibt. Verglichen

wurden in den Studien beispielsweise Geschwister mit Down-Syndrom. Hier-

bei stellte sich beispielsweise heraus, dass fünfzehn Prozent aller Geschwis-

ter von autistischen Kindern kognitive Funktionsstörungen aufweisen. Die ist

hingegen nur bei drei Prozent der Geschwister von Kindern mit Down-

Syndrom der Fall.

Bei den Zwillingsstudien, zu nennen sind hierbei die Durchführungen von

LeCouteur et al. (1989), konnte festgestellt werden, dass die Übereinstim-

mung im Test von eineiigen Zwillingen wesentlich höher waren als die von

zweieiigen Zwillingen. Für autistisches Verhalten gibt es bei fünfzig Prozent

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der eineiigen Zwillinge eine Übereinstimmung und bei den zweieiigen Zwillin-

gen null Prozent.

Durch molekularbiologische Untersuchungen, die sich überwiegend mit dem

frühkindlichen Autismus beschäftigen, kann festgestellt werden, dass drei

Prozent der Kinder mit einer autistischen Störung auch das Fragile-X-

Syndrom aufweisen. Hingegen weisen circa fünfundzwanzig Prozent der

Kinder mit dem Fragilen-X-Syndrom eine autistische Störung auf. Dazu konn-

ten bereits bestimmte Genorte, die für die Verursachung des frühkindlichen

Autismus ausschlaggebend sein können, ausfindig gemacht werden. Hieraus

ergibt sich für die Forscher der Molekularbiologie der Schluss, dass der früh-

kindliche Autismus eine polygene Erkrankung ist (vgl. Remschmidt 2008, S. 27–32).

4.4.2 Neurobiologie

Pivien et al. (1990) fanden bei Stichproben heraus, dass vierundfünfzig Pro-

zent ihrer Proben, mit autistischer Störung, abnorme Veränderungen der

Hirnrinde aufweisen. Hingegen zeigte sich dies bei keiner Person ohne autis-

tische Störung. Hieraus schlossen die Forscher, dass die Entwicklungsper-

spektive eine wesentliche Bedeutung in Bezug auf die Entwicklung des Ge-

hirns hat und sich nicht nur auf das Verhalten auswirkt. Dieses Ergebnis

wurde durch andere Beobachtungen zur Hirnpathologie untermauert.

Darüber hinaus konnte bisher kein genauer Entstehungszeitpunkt, sowie

Schwere oder Ort der Störung festgestellt werden. Diesbezüglich bestehen

viele verschiedene Theorien, die auf Spekulationen beruhen und bisher nicht

empirisch nachgewiesen werden konnten (vgl. Remschmidt 2008, S. 33–34).

4.4.3 Biochemie

Die zu diesem Bereich zugehörigen Befunde sind von allen Theorien über

Ursachen am unterschiedlichsten.

In Untersuchungen konnten wesentliche quantitative Veränderungen bei etli-

chen Hormonen und Neurotransmittern festgestellt werden. Bei Kindern mit

einer autistischen Störung wurden Abweichungen im Dopamin- und Norad-

renalin-Spiegel nachgewiesen, zu nennen sind hier Untersuchungen von

Gillberg (1990).

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Darüber hinaus wurde gleichzeitig ein erhöhter Endorphin-Wert in Zusam-

menhang mit einem verminderten Schmerzempfinden festgestellt. Diese Er-

gebnisse können nicht abschließend bewertet werden, da sie zum Teil nicht

empirisch belegt sind. Zum anderen stellt sich die Frage, wie diese veränder-

ten Werte auf den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt wirken, so dass

autistische Störungen hierdurch ihre Symptome zeigen.

Bezüglich der veränderten Dopamin-Werte kann gesagt werden, dass der

hierdurch veränderte Stoffwechsel eine wichtige Rolle in Bezug auf den früh-

kindlichen Autismus darstellt. Dies kann aus den Erfahrungen mit Neurolepti-

ka und frühkindlichen Autismus geschlossen werden, da Neuroleptika, ähn-

lich wie Dopamin, eine psychomotorisch dämpfende, beruhigende und anti-

psychotische Wirkung haben (vgl. Remschmidt 2008, S. 34).

4.4.4 Psychopathologie

Im Bereich der Psychopathologie sind zum einen Theorien zur Ursachenfor-

schung bezüglich Störungen der emotionalen Entwicklung und zum anderen

Theorien bezüglich Störungen der Sprachentwicklung und kognitiver Prozes-

se zu nennen.

In Bezug auf die Störungen der emotionalen Entwicklung hat Hobson (1984

und 1986) die „affektive Theorie" aufgestellt, welche sich in den Ergebnissen

Kanners und Piagets begründet.

Hobson ist der Auffassung, dass die von Autismus betroffenen Kinder eine

angeborene affektive Störung aufweisen. Diese äußert sich in der einge-

schränkten Fähigkeit die Gemütserregung anderer Menschen an ihrem kör-

perlichen Ausdruck zu erkennen, bzw. die verschiedenen Gemütserregungen

zu unterscheiden. Hierzu hat Hobson nachgewiesen, dass dieses Defizit im

Bereich der Empathiefähigkeit nicht alleinig durch Einschränkungen in der

räumlichen Wahrnehmung zu begründen ist. Für den Nachweis zeigte Hob-

son einer Gruppe von autistischen Kindern und einer Kontrollgruppe, die aus

nichtautistischen und entwicklungsverzögerten Kindern bestand, kurze

Filmsequenzen in denen die gezeigten Menschen nonverbal ihre derzeitige

Gefühlslage zum Ausdruck brachten. Anschließend sollten die Kinder Fotos

oder gemalte Bilder von Gesichtern mit verschiedenem emotionalem Aus-

druck den jeweiligen Filmsequenzen zuordnen. Zusätzlich gab es die gleiche

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Zuordnung mit Bildern oder Fotos für Objekte, die keine Gefühlserregung

darstellten.

Hierbei zeigte sich, dass die Kinder mit Autismus und die aus der Kontroll-

gruppe dieselbe Fähigkeit bei der Zuordnung bezüglich der Objekte ohne

Gemütserregung besitzen. Im Gegensatz hierzu schnitten die autistischen

Kinder bei der Zuordnung der Gefühlserregungen wesentlich schlechter ab

als die Kontrollgruppe. Des Weiteren zeigte sich innerhalb der Kindergruppe

mit Autismus, dass ein Zusammenhang zwischen der intellektuellen Reife

des Kindes und der Fähigkeit Gefühlserregungen zu beschreiben besteht.

Die zweite Untersuchung von Hobson bestätigte die ersten Ergebnisse. Hier-

durch kann davon ausgegangen werden, dass Kinder mit Autismus keine

allgemeine Wahrnehmungsstörung aufweisen, sondern eine veränderte In-

formationsverarbeitung vorliegt.

Diese These unterstützte auch Rutter (1983), da er von einer Veränderung

der Informationsverarbeitung bestimmter Hinweisreize ausgeht (vgl. Remschmidt

2008, S. 35–38).

Bezüglich Hobsons Ausführungen kritisierten Leslie, Frith und Baron-Cohen

(1985, 1986) diese als nicht ausreichend. Sie gingen davon aus, dass spezi-

elle kognitive Defizite bei Kindern mit Autismus vorliegen. Hierzu konnten sie

durch Experimente feststellen, dass autistische Kinder Probleme damit ha-

ben, sich andere Menschen mit verschiedenen Gefühlserregungen vorzustel-

len. Hierdurch entstehen Missverständnisse in der Deutung der Gefühle An-

derer, wodurch autistische Kinder wiederum schnell selbst aus der Fassung

gebracht werden, da sie die anderen Menschen falsch einschätzen und An-

dere oft als Objekt behandeln. Zu denselben Ergebnissen kamen 1987 Fer-

nald und Dawson, sowie 1988 noch einmal Frith und Leslie. Hierdurch kann

festgestellt werden, dass diese Defizite die soziale Wahrnehmung betreffen

(vgl. Remschmidt 2008, S. 35–38).

Die Empathiefähigkeit bzw. Fähigkeit die Welt durch die Augen eines ande-

ren zu sehen wird auch „theory of mind", nach Premack und Woodruff (1978)

und Baron-Cohen (1989), genannt. In der deutschen Literatur wird sie auch,

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seit einer Übersetzung von Frith (1992), als „Alltagspsychologie" benannt (vgl.

Remschmidt 2008, S. 35–38).

In einem Experiment zur „theory of mind" stellte Baron-Cohan (1989) die

hierbei herausragenden Auffälligkeiten bei Autisten fest:

- "eingeschränkte Fähigkeiten, physikalische Vorgänge von psychischen zu unter-

scheiden;

- unzureichendes Verständnis für psychische Vorgänge;

- Schwierigkeiten in der sprachlichen Bezeichnung psychischer Vorgänge;

- eingeschränkte Fähigkeit, fiktive Spiele auszuführen;

- Einschränkung im Verständnis emotionaler und sozialer Situationen;

- eingeschränkte Fähigkeit im Verständnis metaphorischer Bedeutungen (z.B. Ironie,

Witze);

- eingeschränkte Fähigkeiten, die Intentionen anderer Personen zu erkennen;

- eingeschränkte Fähigkeit, zu unterscheiden, ob Ereignisse zufällig eingetreten sind

oder absichtlich herbeigeführt wurden."

(Remschmidt 2008, S. 38).

Bezüglich des „Warums" der Veränderung der „theory of minds" bei autisti-

schen Kindern können noch keine empirischen Befunde dargestellt werden.

Ebenfalls kann nicht gesagt werden, dass diese Veränderungen Autismus

spezifisch sind, da sie ebenso bei anderen Störungen auftreten, allerdings

nicht in der Intensität (vgl. Remschmidt 2008, S. 35–38).

Abschließend kann gesagt werden, dass davon auszugehen ist, dass die

verschiedenen Blickwinkel der Ursache von frühkindlichem Autismus in einer

Wechselwirkung zu einander stehen.

Durch die Genetik kann ein Kind anfälliger für externe Schädigungen sein.

Des Weiteren können Störungen der emotionalen und kognitiven Entwick-

lung zu einer gesamten Entwicklungsverzögerung führen. Dies kann zur Fol-

ge haben, dass das soziale Umfeld nicht adäquat auf das jeweilige Kind rea-

giert. Dazu kommt die Störung der Informationsverarbeitung von Umweltre-

aktionen und somit die Fehlverarbeitung, welche wiederum dazu führt, dass

das Kind seine altersgemäßen Entwicklungsaufgaben nicht lösen kann und

die Defizite weiter verstärkt werden (vgl. Remschmidt 2008, S. 35–38).

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4.5 Alltägliche Symptome

In den folgenden Absätzen werden die Auffälligkeiten des frühkindlichen Au-

tismus im alltäglichen Umgang mit seiner Familie beschrieben. Dies wird an-

hand der drei psychopathologischen Bereiche „wechselseitige soziale Inter-

aktion", „Kommunikation" und „eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhal-

ten" beschrieben. Die Grundlage hierfür bieten zusammengeführte Erfah-

rungsberichte von Eltern mit Kindern die an frühkindlichem Autismus erkrankt

sind.

4.5.1 Wechselseitige soziale Interaktion

Bezüglich dieses Bereiches wurde durch Erfahrungsberichte von Eltern fest-

gestellt, dass diese bereits sehr früh die Einschränkung in der wechselseiti-

gen Interaktion bemerken. Dies äußert sich durch den veränderten Blickkon-

takt zum Kind. Die Abweichungen reichen von reduziertem, über inkonsisten-

ten Blickkontakt bis hin zu einem „Hindurchblicken" des Kindes in der Inter-

aktion. Des Weiteren reagiert das autistische Kind nicht so intensiv, wie Kin-

der ohne Autismus, mit einem sozialen Lächeln auf seine Bezugsperson.

Dazu ist der Einsatz von Mimik und Gestik des Kindes stark reduziert.

Ein weiteres frühes Symptom ist das Defizit der Herstellung einer gemeinsa-

men Aufmerksamkeit zwischen dem Kind und einer Person, bzw. zwischen

dem Kind, einer Person und einem Gegenstand. Hierbei gibt es seitens der

Kinder kaum Bemühungen die Aufmerksamkeit der interagierenden Person

auf ein Objekt oder Ereignis des eigenen Interesses zu lenken. Demgegen-

über ist es auch schwieriger die Aufmerksamkeit des Kindes auf einen Ge-

genstand oder ein Ereignis von Interesse für die agierende Person zu lenken.

Dazu kommt, dass die betroffenen Kinder kaum Zeichen von Verlustängsten

oder Freude in Bezug auf Verabschiedungen oder Begrüßungen der Be-

zugspersonen zeigen. Es kann passieren, dass diese Kinder in ihnen unbe-

kannten Situationen sich nicht bei den Eltern rückversichern über Gefahr o-

der Erlaubnis und weglaufen. Im Gegensatz hierzu steht, dass die Kinder

dafür in anderen Situationen Verhalten für eine starke Bindung zu den Be-

zugspersonen zeigen, beispielsweise essen sie nur in der Gegenwart der

Bezugsperson.

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In Bezug auf die wechselseitige Interaktion zu Gleichaltrigen verläuft diese

überwiegend durch aggressives Verhalten, absolute Kontaktverweigerung,

gemeinsame Beschäftigung bei der das Interesse und/ oder die Aktivität

stark reduziert wird oder über funktionale Beziehungen. Deswegen finden

Kinder mit frühkindlichem Autismus besseren Kontakt zu älteren Personen,

da diese einfühlsamer und weniger bedrängend sind als Gleichaltrige. Des

Weiteren reagieren und verhalten sich die Kinder unangemessen in Reaktion

auf Gefühle und Emotionen anderer, da sie diese nicht verstehen können (vgl.

Kamp-Becker et al. 2011, S. 13–14).

4.5.2 Kommunikation

In Bezug auf diesen Bereich kann durch Elternerfahrungen gesagt werden,

dass Kinder mit frühkindlichem Autismus keine Gesten mit Symbolgehalt be-

nutzen (z.B. winken zum Abschied). Des Weiteren fehlt in der Sprachent-

wicklung häufig das vorangehende "Brabbeln" vor dem Sprachbeginn. Wie

schon erwähnt gibt es viele Kinder die gar keine kommunikative Sprache

entwickeln oder diese sehr spät einsetzt, bzw. dann keinen kommunikativen

Charakter hat.

Dazu kommt, dass die Ich-Entwicklung von Kindern mit frühkindlichem Au-

tismus sehr verzögert ist und sie häufig sehr lange in der zweiten oder dritten

Person von sich sprechen. Des Weiteren ist bei vielen Kindern das Sprechen

an sich sehr auffällig in Bezug auf die Betonung, den abgehackten Sprachr-

hythmus und die monotone Sprachmelodie.

Darüber hinaus sind Kinder mit frühkindlichem Autismus nicht zu interaktiven

Spielen fähig. Oft passiert es, dass das Spielzeug anders als gedacht ver-

wendet wird. Grundsätzlich überwiegen bei diesen Kinder sensomotorische

Spiele, bei denen sie durch die Aktivität des Körpers und die Sinne den je-

weiligen Gegenstand erfassen. Eine weitere Auffälligkeit hierbei ist, dass sie

ein besonderes Interesse an bestimmten Teilen der Spielsachen haben und

sich über eine geraume Zeit damit beschäftigen.

Schließlich sind auch das Symbolspiel und das Rollenspiel der Kinder mit

frühkindlichem Autismus reduziert. Es werden wesentlich seltener fiktive Er-

eignisse erzeugt (vgl. Kamp-Becker et al. 2011, S. 14–15).

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4.5.3 Eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten

In Bezug auf diesen Bereich ist auffällig, dass autistische Kinder eine stark

ausgeprägte Angst vor Veränderungen haben. Dies schließt mit ein, dass sie

das zwanghafte Bedürfnis haben nichts in ihrer Umgebung zu verändern. Auf

welche Objekte sich diese Verhaltensweise bezieht ist individuell vom jewei-

ligen Kind abhängig. Beispiele hierfür sind fremde Speisen oder Veränderun-

gen des Tagesablaufes. Wenn die Rhythmen die sich das jeweilige Kind an-

geeignet hat, bzw. an die es sich gewöhnt hat nicht eingehalten oder verän-

dert werden, reagieren die Kinder sehr extrem, beispielsweise mit andauern-

dem Schreien, Aggressivität bis hin zu Panikzuständen.

Des Weiteren weisen viele Kinder mit frühkindlichem Autismus viele Stereo-

typien in Form von Hand- und Fingermanierismen auf, wobei diese als

Selbststimulation im Bereich der Sinne vermutet werden, beispielsweise ei-

gene Handschläge auf den Kopf. Demgegenüber steht, dass diese Kinder oft

körperlichen Kontakt und Zärtlichkeiten abweisen oder vollkommen distanz-

los reagieren. Dazu zeigen sich oft eine Schmerzunempfindlichkeit, sowie ein

reduziertes Kälteempfinden, bestimmte Ängste, beispielsweise vor einem

bestimmten Tier, und oftmals ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört.

Abschließend kann gesagt werden, dass es bei Autismus und besonders hier

explizit bei frühkindlichem Autismus nicht "das Symptom" für diese Störung

gibt. Vielmehr ist eine Symptomvielfalt anzutreffen, welche in der jeweiligen

Konstellation die Diagnose des frühkindlichen Autismus zulässt (vgl. Kamp-

Becker et al. 2011, S. 15–16).

5 Therapiemöglichkeiten

Im Bereich der Therapiemöglichkeiten für Kinder mit Autismus gibt es eine

große Bandbreite an Förderkonzepten, therapeutischen Vorschlägen, aus-

gearbeiteten Programmen etc. Dazu gibt es viele Möglichkeiten die verschie-

denen Interventionsmaßnahmen zu gruppieren. Am häufigsten findet man

eine ungefähre Unterteilung in die drei Bereiche „Psychoedukative und/ oder

lerntheoretisch orientierte Programme" (Fingerle; Ellinger 2008, S. 258), „Komple-

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mentäre oder alternative Ansätze" (Fingerle; Ellinger 2008, S. 258) und „Medizinische

oder alternativmedizinische Ansätze" (Fingerle; Ellinger 2008, S. 258).

Des Weiteren konnte die Wissenschaft die psychoedukativen und lerntheo-

retischen Konzepte und Programme am besten belegen. In diesem Bereich

stehen besonders viele Möglichkeiten zur Verfügung und die hier beschrie-

benen Interventionsmöglichkeiten werden immer häufiger angewandt.

Um einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten zu geben, werden

die am häufigsten angewendeten Interventionsmöglichkeiten in den folgen-

den Absätzen in die drei oben genannten Gruppierung eingeordnet und kurz

erläutert (vgl. Tietze-Fritz 2011, S. 69–70).

5.1 Psychoedukative und/ oder lerntheoretisch orientierte Programme

2001 analysierte Probst eine umfangreiche Gruppe von Konzeptergebnissen

bezüglich Elterntrainings. Unter anderem waren hier die beiden oben ge-

nannten Ansätze/ Methoden vorhanden. Probst konnte feststellen, dass

psychoedukative Programme durch ihre guten Ergebnisse eine wissenschaft-

lich dargelegte Behandlungsoption darstellen. Des Weiteren konnten Drew

und Kollegen (2002), nach einer Pilotstudie zu einem Trainingsprogramm für

Eltern mit autistischen Kindern, erläutern, dass die Sprachentwicklung bei

diesen Kindern kennzeichnende Fortschritte aufwies.

In diesem Bereich sind überproportional häufig der TEACCH-Ansatz nach

Mesibov und Schopler sowie die Lernmethode ABA nach Lovaas zu finden,

da sie gute Ergebnisse in der Arbeit mit autistischen Kindern erzielen (vgl. Fin-

gerle und Ellinger 2008, S. 258).

5.1.1 TEACCH-Ansatz

Der TEACCH-Ansatz (Treatment and Education of Autistic and Communica-

tion handicapped CHildren) geht auf Schopler zurück. Dieser führte auf

Grund von Zweifeln am psychodynamischen Erklärungsmodell von Bettel-

heim (Mütter autistischer Kinder seien persönlichkeitsgestört sowie gefühls-

kalt und daher verantwortlich für die Störung ihrer Kinder) eine Reihe von

Studien durch. Hierbei konnte er 1965 feststellen, dass die autistische Stö-

rung keine emotionale sondern eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung ist.

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Darüber hinaus widerlegte Schopler 1969 das Erklärungsmodell von Bettel-

heim und konstatierte, dass sich die Denkmuster von Eltern autistischer Kin-

der nicht von denen nicht autistischer Kinder unterscheiden. Des Weiteren

stellte er heraus, dass die Einschätzungen der Eltern von Kindern mit Autis-

mus, bezüglich des Entwicklungsstandes und der Entwicklungsbeeinträchti-

gungen, überwiegend den Untersuchungsergebnissen von Fachleuten ent-

sprechen. Hierdurch stellte Schopler die Basis für die Zusammenarbeit zwi-

schen Fachleuten und Eltern her.

Schließlich konstatierten Schopler und Kollegen 1971, dass es einen großen

Vorteil von strukturierten Spielsituationen für Interventionen bei Autismus

gibt, im Gegensatz zu unstrukturierten. Dies ergab die Grundlage für die Me-

thodik vom TEACCH-Ansatz.

Darüber hinaus ist der TEEACCH-Ansatz keine bestimmte Interventionsme-

thode, sondern ein staatliches Förderprogramm, welches 1972, nach den

Ausführungen Schoplers und Kollegen, an der University of North Carolina in

der Division TEACCH verankert wurde (vgl. Bölte 2009, S. 273–274).

Des Weiteren begründet sich der TEACCH-Ansatz auf dem Gedanken, dass

alle autistischen Menschen in einer Umwelt lernen, leben und arbeiten kön-

nen sollen, in der sie am geringsten eingeschränkt sind und zugleich die

größtmögliche Chance haben ihre Selbstständigkeit zu entwickeln und sich

frei zu entfalten. Dementsprechend soll für die jeweilige Person ein individu-

elles Umfeld geschaffen werden, welches seinen Neigungen und Interessen

entspricht und somit einen sicheren Zugang zur Welt ermöglicht (vgl. Poustka

2008, S. 136).

Zentrale Begriffe in Bezug auf TEACCH sind die Strukturierung und Visuali-

sierung. Bezüglich der Strukturierung geht es um Interventionen in der Struk-

turierung des Raumes, der Zeit, der Arbeit und/ oder Aufgaben, von Material

und zum Aufbau von Routinen. Bei allen Handlungen wird immer ein großer

Fokus auf die Visualisierung gesetzt, um dem jeweiligen autistischen Men-

schen die Strukturierung darzustellen und eine Hilfestellung geben zu kön-

nen (vgl. Noterdaeme 2010, S. 271).

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5.1.2 ABA Lernmethode

ABA (Applied Behavior Analysis), zu Deutsch die angewandte Verhaltens-

therapie, ist für die Intervention bei Autismus, gerade im englischsprachigen

Raum, besonders verbreitet.

ABA ist an sich keine Lernmethode, sondern ein Oberbegriff für viele Mög-

lichkeiten im Bereich der angewandten Verhaltenstherapie, beispielsweise

die Lovaas-Methode. Alle Formen die unter dem Begriff ABA gefasst werden

sind wissenschaftlich belegte Lernmethoden die auf der Grundlage der Ver-

haltensanalyse arbeiten. Hierbei wird sich besonders mit dem Verständnis für

sozial kennzeichnendes Verhalten beschäftigt. Das heißt, dass es um den

Ursache-Wirkungszusammenhang unserer Umwelt auf unser eigenes Ver-

halten geht.

Der Ursprung von ABA findet sich in der Arbeit von Pawlow (1927) zur klas-

sischen Konditionierung und Skinner (1938) zum operanten Konditionieren.

1970 spezialisierte sich ein Forschungszweig der ABA-Wissenschaft auf die

Intervention bei Autismus. Lovaas verwendete nun die ABA-Lernmethoden

explizit zur speziellen Förderung von Kindern mit Autismus und führte hier-

über Studien an der University of California Los Angeles. Die Ergebnisse,

dass bei fünfundvierzig Prozent der Kinder die Autismus Diagnose, nach in-

tensiver Förderung mit ABA aufgehoben wurde, veröffentlichte Lovaas 1987.

Diese Forschungen zeigten ebenfalls, dass eine intensive Frühförderung in

Form einer Verhaltensintervention, die auch im alltäglichen Umfeld durchge-

führt wird, das Fundament für eine gute Entwicklung von autistischen Kindern

ist. Des Weiteren veröffentlichte Lovaas 1981 einen praktischen Leitfaden

zur intensiven Arbeit mit ABA, welcher als Standardwerk für die ersten ABA-

Institute wurde. Im späteren Verlauf der ABA-Forschung stellte sich heraus,

dass die Erkenntnisse durch ABA richtig waren, aber die praktische Umset-

zung in den achtziger Jahren noch nicht ausgereift war.

Seit 1990 stieg das internationale Interesse an ABA. Bis heute wird es über-

wiegend angewendet und die Methoden und Lernstrategien werden kontinu-

ierlich angepasst und verbessert. Methoden die zu ABA gehören sind bei-

spielsweise der VB-Ansatz (Verbal Behavior), die Verstärkung und die Lö-

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schung von angemessenem/ unangemessenem Verhalten (vgl. Menze 2012, S.

15–17).

5.2 Komplementäre oder alternative Ansätze

Bei komplementären und alternativen Therapien geht es um kommunikati-

onsfördernde Maßnahmen, die Förderung der sozialen Fertigkeiten und The-

rapien die am Spielverhalten und/ oder der Bindung und Beziehung anset-

zen.

Der Bereich der kommunikationsfördernden Maßnahmen durchlief eine Wei-

terentwicklung, als sich vor fünf bis zehn Jahren der Blickwinkel vom Erler-

nen der Sprache zur Förderung der Kommunikation, als Voraussetzung des

Erlernens der Sprache, wendete. Es entwickelten sich neue alternative För-

dermöglichkeiten, die bis jetzt zum Teil ergänzend in vorhandene Program-

me eingefügt wurden. Besonders häufig stößt man hier auf die PECS Metho-

de (Picture Exchange Communication System) und die FC (facilitated com-

munication).

Die Förderung der sozialen Fertigkeiten wird in Bezug auf autistische Men-

schen mit hohem Funktionsniveau sehr häufig verwendet. Hier bestehen

Einzel- und Gruppentrainings, die bereits in etliche Programme aufgenom-

men wurden. In diesem sehr vielfältigen Bereich gibt es kaum empirisch fun-

dierte Erkenntnisse, da diese durch die Verzahnung des Aufbaus mehrerer

Fähigkeiten und die Entwicklung der einzelnen Fertigkeiten schwer zu identi-

fizieren sind. Sehr bekannt sind hier die Arbeiten in Bezug auf Social Stories

und das Theory of Mind Training.

Im Bereich der Therapien die am Spielverhalten und/ oder der Bindung und

Beziehung ansetzen, geht es darum das rigide, sensomotorisch dominierte

Spielverhalten von autistischen Kindern um Teile von explorativem, physi-

schem, manipulativem, symbolischen und sozialem Spiel zu erweitern. Diese

Erweiterung soll helfen den üblichen Erwerb und das spielerische Üben von

Fähigkeiten herzustellen. Bezüglich dieser Förderung gibt es wenige Ansät-

ze, obwohl unbestritten ist, wie wichtig diese für die Entwicklung von Kindern

ist. Die bestehenden Ansätze unterscheiden sich überwiegend in ihrem Be-

zug auf die Umgebung und im Grad des Eingriffes. Hier trifft man besonders

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häufig auf das Programm RDI (Relationship Development Intervention) (vgl.

Fingerle und Ellinger 2008, S. 262–267).

5.2.1 PECS

PECS ist im Vergleich ein junges Programm. Es ist eine Methode zur Kom-

munikation für autistische Kinder über Bildkarten und wurde 1994 von Frost

entwickelt. Es soll eine Alternative zur Gebärdensprache bieten sowie der

Umgebung des autistischen Kindes helfen mit diesem zu kommunizieren, da

die Bildkarten mit denen gearbeitet wird leicht verstanden werden können.

Diese Übung der Kommunikation beginnt durch die physische Annäherung

an den Menschen mit Autismus und soll das Sprechen aufbauen, wenn dies

möglich ist. Das Kind mit Autismus soll lernen, durch die Bildkarten seine

Bedürfnisse zu äußern. Die Phasen erstrecken sich von der einzelnen Karte

die vorgegeben wird um ein Bedürfnis mit einer Karte zu verknüpfen, über

das selbstständigen Holen des Bildkartenordners, bis hin zum formulieren

komplexer Sätze mit Hilfe der Bildkarten. Die Phasen werden unterteilt in den

"Austausch von Bildern", die "Erhöhung der Distanz", die "Unterscheidung

von Bildern" und die "Zusammenstellung von Sätzen". Zu beachten ist, dass

nicht jedes Kind, aufgrund seiner Konstitution, alle Phasen erreichen kann

(vgl. Sinzig 2011, S. 96).

Durch Fallstudien konnte festgestellt werden, dass die nonverbale Kommuni-

kation gefördert und somit verbessert werden konnte. In Einzelfällen hat sich

ebenfalls die verbale Sprache verbessert. Durch eine anderer Studien an

Grundschulkindern (2007) konnte festgestellt werden, dass die Kinder, nach

einer Trainingsdauer von über sieben Monaten, öfter ihre Bildkarten einsetz-

ten, wobei die Kommunikation im Gegensatz zu vorher wesentlich öfter von

den Kindern selbst ausging (vgl. Freitag 2008, S. 130).

5.2.2 FC

Die FC wurde über einen langen Zeitraum als eine Alternative zur verbalen

Sprache angeboten. Hierbei werden die Hand- oder Ellenbogengelenke des

autistischen Menschen auf einer Schreibmaschine oder Computertastatur

geführt, damit so die Bedürfnisse verschriftlicht werden können. Wenn der

betroffene Mensch schreiben kann tut er dies selbst, ansonsten soll er auf

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die Tasten zeigen und es wird für ihn geschrieben. Schließlich soll diese Füh-

rung nur noch durch die Berührung der Schulter geschehen.

Diese Methode wurde wissenschaftlich untersucht und konnte nicht empi-

risch belegt werden. Daher raten Fachleute davon ab sie weiter einzusetzen

(vgl. Freitag 2008, S. 132).

5.2.3 Social Stories

Social Stories (soziale Geschichten) sind Beschreibungen von Situationen,

Gegebenheiten und Fertigkeiten, die kurz und klar formuliert sind und für au-

tistische Menschen eine Bedeutung haben. Diese Abhandlungen werden

üblicherweise individuell für den jeweilig Betroffenen angefertigt und sollen

als Therapiematerial dienen. Das Konzept gründet sich auf den Ausführun-

gen von Carol Gray (2000), welche des Weiteren die „Comic Strip Conversa-

tions“ und die „Thinking Stories“ konzipierte.

Geschrieben werden die Social Stories von den Eltern der Betroffenen oder

ihren Therapeuten. Die Geschichten sind jeweils am Leben der betroffenen

Person ausgerichtet und berichten beispielsweise von Problemen die eine

autistische Person hat. Hierdurch soll die derzeitige Lebenssituation oder

Problematik des autistischen Menschen zusammen mit diesem analysiert

und besprochen werden, dadurch können Lösungsstrategien gefunden und

die Situation bewältigt werden. (Poustka 2008, S. 137)

Gray gibt für die Social Stories vier bis sechs verschiedene Satztypen vor:

– „1. Deskriptive, beschreibende Sätze" (Matzies 2010, S. 52)

Hierbei werden Fakten zu einem Thema dargestellt und in notwendige

Teilaspekte untergliedert. Dieser Satztyp ist die häufigste Form in Social

Stories.

– „Perspektivische Sätze" (Matzies 2010, S. 52)

Dieser Satztyp beschreibt einen inneren Zustand einer Person mit der die

autistische Person aus der Social Storie interagiert. Die Inhalte des inne-

ren Zustandes sind die Gefühle, das Wissen, Meinungen und Glaubenss-

ätze des Menschen sowie die Gedanken. Wichtig ist hierbei, dass die In-

halte genau benannt werden.

– „3. Direktive Sätze" (Matzies 2010, S. 52)

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Diese sollen lebenspraktische Orientierung bieten. Hierzu wird eine be-

stimmte Verhaltensweise zu einer/ m festgelegten/ m sozialen Situation/

Kontext vorgegeben. Dabei ist zu beachten, dass die formulierten Sätze

nicht zu direktiv beginnen, da sie an sich wenig Handlungsspielraum bie-

ten.

– „4. Bekräftigende, affirmative Sätze" (Matzies 2010, S. 52)

Mit diesem Satztyp wird das vorher Gesagte untermauert.

Des Weiteren arbeitet Gray mit halben Sätzen, das heißt, dass die Betroffe-

nen den Satz selbstständig vollenden sollen.

Dazu hat Gray vorgegeben, dass es Verhältnisse der Satztypen gibt, das

heißt, dass auf einen deskriptiven Satz mindestens zwei bis fünf andere Sät-

ze in der Social Storie stehen müssen, direktive Sätze müssen nicht vor-

kommen.

Schließlich gibt Gray die Möglichkeit zweier weiterer Satztypen die genutzt

werden können aber nicht müssen. Hierbei handelt es sich um „kooperieren-

de Sätze“, welche von der Person für die die Geschichte verfasst wird selbst

geschrieben werden und „kontrollierende Sätze“. Für den kontrollierenden

Satztyp gilt das Gleiche wie für den direktiven, auf einen dieser Sätze müs-

sen mindestens zwei bis fünf andere Sätze vorkommen. Des Weiteren ist

dieser Satztyp kein „Muss“ (vgl. Matzies und Großmann 2010, S. 51–53).

In Anlehnung an die Social Stories von Gray, haben Schuster und Matzies

die soziale Anleitung konzipiert. Themen sind hierbei Konventionen, soziale

Regeln, Redewendungen, Emotionen und Begriffe. Die soziale Anleitung ist

in jeglicher Form von präziser und klar formulierter Erklärungen, bezüglich

einer sozialen Situation, geprägt. Dementsprechend ist es besonders wichtig,

dass bei der sozialen Anleitung darauf geachtet wird, dass die Sprache des/

der Anleiters/ Anleiterin so präzise wie möglich gehalten ist. Hierzu gehört

vor allem, dass überflüssige Formulierungen vermieden werden. Dies liegt

daran, dass autistische Menschen für sich Vorteile aus korrekter, eindeutiger

Sprache ziehen, da die Möglichkeit für soziale Missverständnisse minimal ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der/ die Anleiter/ in weitestgehend alle

Details mit erklärt und aufführt. Zu beachten sind hierbei vor allem die De-

tails, die uns als Menschen nicht auffallen, da man beispielsweise nicht dar-

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über nachdenkt warum man jemanden anlächelt. Grundsätzlich ist es wichtig,

dass man dem autistischen Menschen apodiktisch erklärt, warum er sich

wann wie zu verhalten hat. (Matzies und Großmann 2010, S. 47)

Bezüglich der Ergebnisse der Social Stories kann gesagt werden, dass diese

sehr unterschiedlich ausfielen. Des Weiteren wurde die anhaltende Dauer

der Wirkung dieser Förderung noch nicht untersucht. Diesbezüglich besteht

bisher noch ein deutlicher Forschungsbedarf (vgl. Freitag 2008, S. 135).

5.2.4 Theory of Mind Training

1998 entwickelte Howlin das Theory-of-Mind-Training. Hierbei setzt er einen

sprachlichen Entwicklungsstand von durchschnittlich entwickelten 5-Jährigen

voraus. Der Inhalt umfasst Übungen zur Entwicklung des imaginären Spiels,

zur Identifikation von Gefühlen und zum Verständnis über das Wissen ande-

rer. Bis heute konnte nicht empirisch fundiert nachgewiesen werden, ob die

erlernten Fertigkeiten auch im Alltag ihre Anwendung finden, bzw. umgesetzt

werden können (vgl. Fingerle und Ellinger 2008, S. 264).

Grundsätzlich ist das Theory-of-Mind-Training ein Gruppenangebot. Es ist

abgestimmt auf autistische Menschen mit durchschnittlicher Begabung und

sprachlicher Entwicklung. Kinder und Jugendliche, die eine geringere Ent-

wicklung haben können nicht gefördert werden.

Am Anfang des Trainings wird über die Fähigkeiten und Fertigkeiten des

Kindes eine Statusdiagnostik vorgenommen. Inhalte des Trainings sind das

Spielverhalten, die Gefühle und weitere psychische Umstände. Bei dem

Training geht es darum, dass fünf Stufen des Verständnisses für psychische

Prozesse durchlaufen werden müssen. Die fünf Stufen sind: „Erkennen von

Emotionen in Fotografien, in schematischen Darstellungen, situative Emotio-

nen, Wünsche und Überzeugungen." (Poustka et al. 2008, S. 138).

Damit die fünf Stufen bewältigt werden können, müssen die Betroffenen bei-

spielsweise Gesichtsausdrücke interpretieren (vgl. Poustka 2008, S. 138).

5.2.5 RDI

Von Gutstein konzipierte 2002 die RDI. Hierbei handelt es sich vorrangig um

ein psychoedukatives Konzept, welches die Beziehungsaufnahme und -

gestaltung fördern soll. Es orientiert sich an den Entwicklungsphasen von

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Freundschafts- und Beziehungskonzepten. Bei der RDI stehen besonders

die Aufmerksamkeitslenkung des Kindes auf die Bezugsperson sowie die

nonverbale Kommunikation im Vordergrund. Die "Trainer" hierbei sind die

Eltern, da sie im alltäglichen Leben auf das Kind am meisten einwirken kön-

nen.

In Bezug auf die elternbasierte Intervention, werden die Eltern oder andere

Bezugspersonen durch einen RDI-Berater unterstützt und ausgebildet.

Am Anfang stehen im Vergleich leichte Gegebenheiten im Fokus. Darauffol-

gend werden im weiteren Verlauf zunehmend umfassendere Situationen

analysiert und bearbeitet. Hierbei soll die Fähigkeit zur Erkennung und Ver-

wertung von Informationen gefördert werden sowie die Fertigkeit sich an Si-

tuationen anpassen zu können (vgl. Noterdaeme 2010, S. 269).

Für dieses Konzept liegen bisher kaum empirische Daten vor, weshalb die

Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen werden kann. Trotz dessen wird es

immer häufiger in den USA angewendet (vgl. Fingerle und Ellinger 2008, S. 268).

5.3 Medizinische oder alternativmedizinische Ansätze

In Bezug auf Psychopharmaka kann festgestellt werden, dass diese nicht

vorrangige auf die Symptomatik von autistischen Störungen einwirken kön-

nen. Im Gegensatz hierzu können sie bezüglich der sekundären Symptoma-

tik bzw. der Komorbidität wirken. Hierbei geht es darum selbst- und fremd-

schädigendes Verhalten, welches nicht anders zu beeinflussen ist, zu verrin-

gern. Dies kann unter anderem den Nutzen haben, dass das Kind die Mög-

lichkeit hat aus einem beispielsweise psychoedukativen Förderprogramm

den bestmöglichen Erfolge zu erzielen (vgl. Fingerle und Ellinger 2008, S. 271).

Grundsätzlich ist, wie anfangs konstatiert, festzuhalten, dass die Kernsymp-

tome von Autismus nicht zugänglich sind für medikamentöse Behandlungen.

Darüber hinaus kann gesagt werden, dass die Verwendung von Neurolepti-

ka, die am besten untersucht sind, zur kontrollierten Reduktion von motori-

scher Unruhe, aggressivem Verhalten und Stereotypien dienen. Darüber hin-

aus führen sie zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit von autistischen Kin-

dern, in Bezug auf die Interaktion mit Erwachsenen, wenn dies von den Er-

wachsenen ausgeht (vgl. Klicpera et al. 2002, S. 308–309).

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Trotz des mittlerweile länger andauernden Einsatzes von Psychopharmaka in

der Autismustherapie fehlen im deutschsprachigen Raum umfassende empi-

rische Untersuchungen. Im Nachbarland Schweiz hat 1988 eine Befragung

durch einen Elternverein ergeben, dass siebenundzwanzig Prozent der autis-

tischen Menschen schon einmal medikamentös behandelt wurden. Steinhaus

machte 2004 eine Nachuntersuchung und stellte fest, dass vierzehn Prozent

der Betroffenen eine durchgeführte medikamentöse Behandlung hatten und

dass neunundzwanzig Prozent aktuell mit Psychopharmaka therapiert wur-

den (vgl. Steinhausen 2010, S. 222).

6. Ableitung sozialarbeiterischer Interventionen

Aus den in 5.1 und 5.2 beschriebenen psychoedukativen und/ oder lerntheo-

retisch orientierten Programmen sowie komplementären oder alternativen

Ansätze, ergeben sich mehrere sozialarbeiterische Interventionsmöglichkei-

ten. Folgend werden diese Interventionen nacheinander von den soeben ge-

nannten Bereichen der Therapie abgeleitet und daraufhin erläutert.

6.1 Ableitung von psychoedukativen und/ oder lerntheoretisch orientierten Programmen

Der Bereich der psychoedukativen und/ oder lerntheoretisch orientierten An-

sätze besagt in Bezug auf die Begrifflichkeit, dass hier die Psychoedukation

ein wichtiger Bestandteil ist. Auch zu beachten, da sie, wie in Punkt 5.1 er-

läutert, wissenschaftlich fundiert als Behandlungsoption bei Autismus gilt.

Nach Buttner gibt es ein Spektrum an psychoedukativen Maßnahmen, wel-

che darauf abzielen Patienten und Angehörigen wichtige Informationen über

die jeweilige Störung zu erläutern sowie über Wege der Hilfe und Bewälti-

gung zu informieren. Die Unterschiede des Spektrums liegen in den Inhalten,

Vermittlungsweisen, Zielen, sowie den einzelnen Adressaten und dem Um-

fang der Intervention (vgl. Geißler-Piltz et al. 2005, S. 114).

Der wichtigste Ansatzpunkt ist hierbei die Informationsvermittlung. Sie geht

von Informationen über die Störung Autismus, über deren Symptome und die

Ätiologie, bis hin zur Behandlung bzw. zu Fördermöglichkeiten. Hierbei ist

natürlich das Funktionsniveau des autistischen Menschen zu beachten. Die

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Psychoedukation ist ebenfalls für die Angehörigen gedacht, so werden diese,

bei einem niedrigen Funktionsniveau des autistischen Kindes, über die

soeben genannten Aspekte aufgeklärt (vgl. Sartory 2007, S. 135).

Weitere grundsätzliche Inhalte der Psychoedukation bestehen im Abbau von

Halbwissen und Stress, da dies zur Rehabilitation bzw. Habilitation beitragen

soll. In Bezug auf den Menschen mit Autismus wird die Psychoedukation,

eingebettet in Förderprogramme, bei einem hohen vorhandenen Funktions-

niveau üblicherweise in Form von Einzeltherapie durchgeführt, bei einem

niedrigen Funktionsniveau in Form einer „familiären Einzeltherapie".

Es sollen, wenn möglich, die Selbstmanagementfähigkeiten des autistischen

Menschen gefördert werden. Hierbei würde bei einer Psychoedukation eines

beispielsweise an Schizophrenie Erkrankten ihm der „Expertenstatus“ für

seine Erkrankung zugebilligt werden. Dies soll die Beziehung zwischen dem

Erkrankten und dem Therapeuten stärken, da der Erkrankte so erkennen

kann, dass er einen Experten mit eigenen Wissensgrenzen vor sich hat, der

mit diesen ehrlich umgeht. Bei Autismus ist dieses Handeln nicht praktikabel,

da die autistischen Menschen zumeist nicht wissen, was ihre Störung ist,

wodurch sie sich äußert und wie sie auf andere wirkt und dass sie beispiels-

weise Dinge einfach anders verarbeiten. Deswegen ist zu beachten, dass die

Informationssitzungen an die individuellen Möglichkeiten und Bedürfnisse

des jeweiligen Menschen mit Autismus angepasst werden (vgl. Hahlweg und Dose

1998, S. 71–73).

Aus der Psychoedukation lässt sich zum einen die sozialarbeiterische Inter-

vention der klientenzentrierten Gesprächsführung ableiten sowie die sozial-

pädagogische Beratung.

6.1.1 Klientenzentrierte Gesprächsführung

Die klientenzentrierte Gesprächsführung ist im institutionalisierten Bereich

die verbreitetste Methode. Bei dieser geht es um die Selbstanalyse des Be-

troffenen, wobei hierfür neutrale erleichternde Methoden genutzt werden.

Wieder zu beachten ist, dass das Funktionsniveau des von Autismus be-

troffenen Menschen im oberen Bereich liegen muss.

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Konzeptionell ist die klientenzentrierte Gesprächsführung an die Ansätze der

sozialen Einzelfallhilfe angegliedert. Die theoretische Grundlage basiert auf

Carl R. Rogers, der in den 40er Jahren das Beratungs- und Therapiemodell

entwickelte. Die Grundlage von Rogers „Interventionskonzeptes“ ist seine

Persönlichkeitstheorie. Diese besagt erstens, dass der Mensch eine Tendenz

zur fortschreitenden Selbstverwirklichung hat, somit seine Erfahrung aktuali-

siert, erhält und erhöht. Zweitens trifft dieses Selbstkonzept auf die Umwelt,

wodurch es flexibel auf diese reagieren können muss. Dafür benutzt der

Mensch sich selbst als Selektionsapparat und bewertet so alle Umweltein-

flüsse. Drittens folgt daraus, dass alle Wahrnehmung grundsätzlich subjektiv

ist. Der Mensch als Individuum lebt in einer sich ständig verändernden Welt,

wobei er selbst der Mittelpunkt ist. Hierbei bleiben in seinen ureigenen Tiefen

Erfahrungen durch die er auf die subjektiv wahrgenommene Realität reagiert.

Rogers geht davon aus, dass wenn der Mensch seine Umwelt ignoriert, er

mit ihr keine Beziehung zu seinem Selbst herstellen kann, bzw. wenn er die

Umwelt leugnet oder verzerrt, sie nicht mit seinem Selbst übereinstimmen

kann. Dies sei dann eine psychische Fehlanpassung, welche nach Rogers zu

potentiellen oder grundlegenden psychischen Spannungen führe, welche

wiederum Ängste und Verteidigungsstrategien oder die Empfindung einer

Bedrohung auslösen. Daher ist nach Rogers das Ziel der klientenzentrierten

Gesprächsführung, dem Klienten zu helfen sich besser an die lebensweltli-

chen Gegebenheiten anzupassen. Die ist besonders für Menschen mit Au-

tismus relevant, da sie oft die Handlungen anderer Menschen nicht nachvoll-

ziehen können. Damit dies geschehen kann, müsse der Weg hierhin ohne

Ängste oder Verteidigung durchlaufen werden, wofür die gute Beziehung

zwischen dem Betroffenen und dem Beratenden wichtig sei. Um die Über-

einstimmung vom Selbst und Erfahrungen beim autistischen Menschen wie-

der herzustellen, müssen die Grenzen des Selbstkonzeptes schrittweise fle-

xibler gemacht werden. Prinzipien die der Beratende einhalten soll sind die

Förderung der Selbstheilungskräfte des Individuums, der Aufbau einer unter-

stützenden Beziehung zum Klienten, keine direktive Beratung, die Person

steht im Zentrum und dem Klienten Raum geben zur Selbstexploration. Des

Weiteren soll die Haltung des Beratenden aus emotionaler Wärme und posi-

tiver Wertschätzung, Echtheit und Empathie bestehen. Hilfsmittel und Tech-

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niken die angewandt werden sollen sind Techniken zur Wahrnehmung und

Selbstwahrnehmung des Klienten, zur Gestaltung des nonverbalen und ver-

balen Verhaltens, Selbsteinschätzungsskalen für den Klienten und Skalen für

den Beratenden zur Einschätzung, sowie Hinweise auf nicht adäquate Ver-

haltensweisen (vgl. Waller 2007, S. 176–182).

Diese Methode durchlief eine Adaption durch die Soziale Arbeit für soge-

nannte „Multiproblemfamilien“, welche eine oder mehrere Notlagen (z.B. Ar-

beitslosigkeit), mangelnde psychosoziale Verarbeitungskompetenzen und

objektive Belastungen (z.B. materiell) haben. Diesbezüglich erweiterte Mro-

chen das klassische Konzept der klientenzentrierten Gesprächsführung nach

Rogers. Er fügte die Interventionskompetenz und sozialpolitische Kompetenz

hinzu. Ersteres beinhaltet den Aufbau von Handlungsstrategien zur alternati-

ven Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Zweites soll das Wissen über

materielle Bedingungen der Hilfebedürftigkeit, sozialpolitische Rahmenbe-

dingungen sowie Mechanismen der sozialen Ausgrenzung beinhalten. Hier-

bei muss das Spektrum der Ausweitung auf den Wissensstand und Horizont

des autistischen Menschen runtergebrochen werden (vgl. Ehrhardt 2010, S. 73).

6.1.2 Sozialpädagogische Beratung

Die sozialpädagogische Beratung lässt sich als sozialarbeiterische Interven-

tion von psychoedukativen und/ oder lerntheoretisch orientierten Ansätzen

ableiten, da die Psychoedukation als großen Bestandteil die Informations-

vermittlung beinhaltet.

Beratung an sich ist ein grundsätzlicher Bestandteil jeder Kommunikation.

Die Teilnehmenden sollen einen Nutzen daraus ziehen, das heißt die aus der

Beratung resultierenden Lösungsansätze in Handlungsschritte umsetzen.

Hierbei soll Hilfe zur Selbsthilfe in schwierigen Lebenssituationen geleistet

werden. Des Weiteren werden die Probleme des Klienten ganzheitlich be-

trachtet, beispielsweise im Bereich des Autismus die häufig vorkommenden

sozialen Problemsituationen im Schulalltag (vgl. Ehrhardt 2010, S. 76–77).

Bei der sozialpädagogischen Beratung wird der Kompetenzbereich des Bera-

tenden vorher festgelegt, z.B. auf die Adressatengruppe. Hierbei ist zu be-

achten, dass innerhalb eines Feldes, z.B. der Adressatengruppe straffälliger

Jugendlicher, das Aufgaben- und Themenspektrum nicht begrenzt ist. Das

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Thema auf das der Beratende spezialisiert ist, hat Auswirkungen auf seine

Handlungsansätze, das heißt er richtet diese am Thema aus. Des Weiteren

gibt es in der sozialpädagogischen Beratung vielfältige Beratungsformen und

sie ist offen für unterschiedlichste Angebotsformen. Dazu wird die Beratung

auch auf den Alltag des zu Beratenden ausgerichtet, hierbei liegt die Schnitt-

stelle zwischen den individuellen Biographien und gesellschaftlichen Struktu-

ren. Das bedeutet, dass das Beratungshandeln sich auf diese widersprüchli-

che Struktur der Individualität des zu Beratenden und der Masse der Gesell-

schaft einlassen muss. Dies kann nur geschehen, wenn der Beratende dem

Ratsuchenden Akzeptanz entgegen bringt, eine gewisse Sachkompetenz hat

sowie den Grundsatz der Partizipation beachtet. Methoden der sozialpäda-

gogischen Beratung sind unter anderem die Planung von Zukünftigem, Mo-

delllernen, Provozieren, Anbieten von eigenen Interpretationen, Zusammen-

fassen, aktives Zuhören, Reflexion von Vergangenem, Alternativen aufzei-

gen, Problemannäherung in bewältigbaren Schritten, unzentrierte Ideen-

sammlung und Schutz vor Überlastung. Abschließend sind fünf Konsequen-

zen für die Gestaltung der Beratung zu nennen. Zum einen ist die Diagnose

eine „teilnehmende Diagnose“ und besteht somit aus dem gemeinsamen

Handeln. Zweitens wird Hilfe als eine Umstrukturierung der Situation gese-

hen, durch Erschließung materieller Ressourcen und Neudefinition sozialer

Beziehungen. Drittens wird durch „Konfrontation“ hinter die Fassade der

Problemartikulation geschaut. Viertens ist zu beachten, dass nicht Sprache

allein zu Veränderungen führt, sondern das Interagieren im Handlungsspekt-

rum und fünftes muss der Bezug auf den Alltag gegeben sein (vgl. Galuske 2007,

S. 168–174).

6.2 Ableitung von komplementären und alternativen Therapien

Wie in Punkt 5.2 erläutert, geht es bei komplementären und alternativen The-

rapien um kommunikationsfördernde Maßnahmen, die Förderung der sozia-

len Fertigkeiten und Therapien die am Spielverhalten und/ oder der Bindung

und Beziehung ansetzen.

Fasst man diese Bereiche zusammen, kann man den Überbegriff der Famili-

enintervention finden. Dieser Begriff passt zu den beiden Feldern der kom-

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munikationsfördernde Maßnahmen und der Therapien, die am Spielverhalten

und/ oder der Bindung und Beziehung ansetzen. Dies erklärt sich dadurch,

dass die Förderung hier am bestmöglichen fortschreiten kann, wenn sie im

familiären Bereich angesiedelt ist. Dies ergibt sich zum einen aus dem Alter,

da die Kommunikationsförderung in frühem Kindesalter ansetzt und zum an-

deren in der Art der Förderung, da die Bindungs- und Beziehungsentwicklung

am ehesten im familiären Umfeld gefördert werden kann.

Die Familie eines autistischen Kindes ist die wichtigste Ressource grundsätz-

licher Unterstützung und vor allem der sozialen Unterstützung. Darüber hin-

aus besteht an die Eltern autistischer Kinder ein hoher Anspruch bzw. sie

sind stark belastet und mitbetroffen. Daher sollen Familieninterventionen

auch der emotionalen Entlastung der Angehörigen dienen. Dies geschieht

durch den Austausch der Familie mit dem jeweiligen Therapeuten.

Des Weiteren ist es für die Familie wichtig die autistische Störung zu verste-

hen, um mit dieser umgehen zu können. Daher ist auch hier die Informati-

onsvermittlung ein wichtiger Aspekt der Intervention (vgl. Hahlweg und Dose 1998, S.

81).

Im Detail zielt die Familienintervention auf die Verbesserung der Problemlö-

se- und Bewältigungsfähigkeiten innerhalb der Familie ab. Des Weiteren soll

die Förderung zu einem hilfreichen Umgang für alle Seiten führen. Dies ist

besonders wichtig, wenn man bedenkt welche Schwierigkeiten auf Eltern

eines autistischen Kindes zukommen können. Angefangen von Problemen in

der Versorgung des Kindes, über Probleme in der Kommunikation und Ver-

ständigung, bis hin zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Stigmata

(vgl. Gaebel und Wölwer 2010, S. 24).

Des Weiteren sollen die Familien bei der Familienintervention durch Kommu-

nikationstraining lernen miteinander zu kommunizieren, indem sie lernt Ge-

fühle angemessen auszudrücken. Hierbei werden nonverbale und verbale

inhaltliche Aspekte der Kommunikation besprochen. Dazu muss wiederum

das Funktionsniveau des autistischen Kindes beachtet werden. Liegt ein ho-

hes Funktionsniveau vor, kann das Kommunikationstraining mit der Familie,

dem betroffenen Kind helfen Missverständnisse aufzuklären und somit seine

Familie und sein Umfeld besser zu verstehen. Dazu kommt das Krisenma-

nagementtraining, in welchem zusammen mit der Familie das Problem be-

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stimmt und die Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und bewertet werden, so

dass die Familien zum Schluss die erarbeitete Problemlösung real erproben

können. Hier muss ebenfalls das Funktionsniveau des betroffenen Kindes

beachtet werden, da diese Intervention bei einem niedrigen Funktionsniveau

nicht möglich ist (vgl. Sartory 2007, S. 135–138).

Von der Familienintervention kann die sozialarbeiterische Methode der sys-

temischen Familientherapie abgeleitet werden.

Die systemische Familientherapie wird grundsätzlich als eine Form der hel-

fenden Kommunikation angesehen. Sie sieht das Verhalten und Denken be-

gründet durch die soziale Interaktion in den Bedeutungs- und Lebenszu-

sammenhängen. Des Weiteren wird hierbei davon ausgegangen, dass das

System einer Selbstorganisation unterliegt, welche nicht gesteuert aber irri-

tiert werden kann. Der Helfende ist hierbei kein neutraler Beobachter, son-

dern Teil des Systemgeschehens. Kerntechniken sind hierbei beispielsweise

das zirkuläre Fragen, die Befragung an sich sowie die systemische Aufstel-

lung (vgl. Walter 2011, S. 892–893).

Dazu kommt die positive Symptombewertung, welche sich auszeichnet durch

die Beachtung und wohlwollende Anerkennung sowie die Symptomver-

schreibung und die Verschreibung von Familienritualen. Das Symptom oder

die Problemkonstellation wird nicht als Defizit gesehen und es gibt keine

Analyse der Vorgeschichte, sondern der Situation. Wie die oben genannten

Kerntechniken zeigen, ist die Methode weniger sprach-, sondern mehr hand-

lungszentriert (vgl. Galuske 2007, S. 223–227).

Die systemische Familientherapie ist, wie der Name schon sagt, system- so-

wie kommunikationsorientiert und kompetenzfokussiert. Es geht zuerst um

die Entdeckung, dann um die Veränderung von familiär konstruierten Mus-

tern und Regelabläufen. Hierbei wird beim systemischen Ansatz davon aus-

gegangen, dass der „Symptomträger“ lediglich zeigt, dass das System aus

seiner Balance geraten ist. Bezüglich der Diagnose Autismus gibt es keinen

„Symptomträger" im hier verstandenen Sinne. Der von der Störung betroffe-

ne Mensch zeigt die zur Störung gehörenden Symptome nicht, weil das Sys-

tem Familie durcheinander geraten ist, sondern er wurde mit dieser Störung

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in die Familie geboren. Von daher kann man diesen Aspekt der systemi-

schen Beratung nicht auf die autistische Störung beziehen.

Eine andere Sichtweise sagt aus, dass das System Familie durch den

„Symptomträger“ durcheinander geraten ist. Dies bezüglich kann Familien in

denen ein autistisches Kind lebt mit der systemischen Beratung geholfen

werden

Abschließend ist zu beachten, dass in der Therapie jedes einzelne Famili-

enmitglied wichtig ist und dass sich am Sprachgebrauch der Familie orientiert

werden soll (vgl. Kandziora 2011, S. 294).

6.3 Ableitung von der autistischen Störung

Betrachtet man die autistische Störung mit all ihren Erscheinungen kommt

man nicht um hin festzustellen, dass es eine weitere Möglichkeit der sozial-

arbeiterischen Intervention gibt, die soziale Einzel(fall)hilfe. Diese ergibt sich

daraus, dass es notwendig ist jedes autistische Kind mit seiner Individualität

wahrzunehmen und dementsprechend individuell zu fördern.

Die soziale Einzel(fall)hilfe begründet sich auf Richmond (1917) und kommt

aus den USA. In Deutschland hat Salomon, unter anderem durch die Veröf-

fentlichung ihres Buches "Soziale Diagnose" 1926, die soziale Einze(fall)hilfe

bekannt gemacht. Durch den zweiten Weltkrieg und seine Folgen, kam die

Entwicklung der sozialen Einzel(fall)hilfe nur schleppend voran, bis hin zum

Erliegen. Erst in den 1970er Jahren ging es in der Entwicklung weiter vor-

wärts, als wichtige Personen hierbei sind Bang (1970), Kamphuis (1973) so-

wie Roberst und Nee (1974) zu nennen.

Die soziale Einzel(fall)hilfe richtet sich immer an das einzelne Individuum.

Hierbei werden die individuellen Probleme die im jeweiligen Menschen selbst

liegen bearbeitet.

Des Weiteren gibt es bei der Arbeit mit dem Individuum eine Veränderungs-

absicht, welche sich auf die Qualifikationen, Kompetenzen, Verhaltensweisen

und Sichtweisen des betroffenen Menschen bezieht. Diesbezüglich wird die

soziale Einzel(fall)hilfe als therapeutische Intervention verstanden, da sie

durch eine Verhaltens- und Einstellungsänderung zur Verbesserung der

momentan problematischen Lebenslage des Betroffenen führen soll.

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Ein wesentlicher Bestandteil dieses Hilfeprozesses stellt die „helfende Bezie-

hung‘" (Galuske 2009, S. 79) zwischen dem Betroffenen und dem Sozialarbeiter

dar. Diese Beziehung muss intakt sein, damit der Betroffene den Sozialarbei-

ter als ehrlichen Gesprächspartner akzeptieren kann, zu diesem Vertrauen

aufbaut und somit die Hilfe des Gegenübers akzeptieren und annehmen

kann.

Als Ziel der sozialen Einzel(fall)hilfe gilt die Erhöhung des Wohlbefindens des

Ratsuchenden. Damit dies geschehen kann, soll das Gleichgewicht zwischen

dem Betroffenen und der Umwelt wieder hergestellt werden. Hierzu wird eine

bessere Anpassungsfähigkeit des Ratsuchenden intendiert. In Bezug auf die

Anpassung müssen sowohl die Anpassung des Betroffenen an die Umwelt,

als auch die Anpassung der Umwelt an den Betroffenen beachtet werden.

Betrachtet man letzteres, ist es nicht möglich dies zu veranlassen, solange

sich das Bestreben nicht in Richtung gesellschaftlicher Veränderungen be-

wegt. Bezüglich der Umgestaltung von Beziehungs- und Kommunikations-

netzen sowie der Erschließung von Hilfsquellen ist die Anpassung der Um-

welt in dieser Dimension durchführbar.

In Bezug auf die soziale Einzel(fall)hilfe gibt es konkurrierende Konzepte.

Zum einen den psychosozialen Ansatz nach Hollis, zum zweiten den funktio-

nalen Ansatz nach Smalley und zum dritten den problemlösenden Ansatz

nach Perlmann.

Der psychosoziale Ansatz versteht sich als system-theoretisch im Sinne der

Ganzheitlichkeit und richtet seine Intervention auf das Gefüge, der Situation

in der sich der Betroffene zurzeit befindet, aus. Kennzeichnend ist für diesen

Ansatz, dass eine umfassende und sehr aufwendige, weil weitreichende,

Anamnese nicht mehr von Nöten ist. Die Anamnese bezieht sich hierbei

zentral auf die Situation des Ratsuchenden und die davon betroffenen kom-

plexen Bereiche.

Der funktionale Ansatz legt seinen Fokus auf die Psychologie des Wachs-

tums. Im Gegensatz zur Arbeit der Diagnostik, wird hier nicht der/ die Sozial-

arbeiter/ in als Mittelpunkt für die Veränderung gesehen, sondern der Betrof-

fen. Das heißt, dass dieser Ansatz die sozialpädagogische Intervention als

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Festigung des geistigen und seelischen Wachstums des Betroffenen, durch

die Unterstützung des/ der Sozialarbeiters/ in, sieht.

Der problemlösende Ansatz sieht das Leben als einen komplexen Prozess

der Problemlösung. Die Unterscheidung zu den beiden anderen Ansätzen

besteht des Weiteren darin, dass nicht nur Einzelpersonen sondern auch

Familien Betroffene sein können. Die Aufgabe die der Ansatz dem/ der Sozi-

alarbeiter/ in zukommen lässt ist hierbei die Motivation, Befähigung sowie

Identifizierung und Erschließung von Ressourcen.

Charakteristisch für soziale Einzel(fall)hilfe sind die Elemente der ethischen

Rahmung sowie der Phasierung des Hilfeprozesses und die Techniken der

Gesprächsführung.

Bezüglich der ethischen Rahmung sind die zehn Gebote der Sozialarbeit von

Lattke (1961) zu nennen. Des Weiteren hat Maas (1966) sechs grundlegen-

de Prinzipien formuliert.

In Bezug auf die Phasierung des Hilfeprozesses ist es wichtig, dass der Hil-

feprozess in Handlungsschritte aufgeteilt wird, die einzeln, definiert und

überschaubar sind.

Bezüglich der Techniken der Gesprächsführung muss genannt werden, dass

das zentrale Instrument das Gespräch an sich ist, um auf den Ratsuchenden

einzuwirken. Die Literatur hierzu beschäftigt sich mit den Fragen der Bedeu-

tung und Techniken des Fragens, Formen der Gesprächsführung, Elemente

der Gestaltung der Atmosphäre während eines Gespräches und der nonver-

balen Unterstützung von Aussagen (vgl. Galuske 2007, S. 74–87).

7 Sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus

Wie in Punkt 6 beschrieben, sind die klientenzentrierte Gesprächsführung,

die sozialpädagogische Beratung, die systemische Familientherapie und die

soziale Einzel(fall)hilfe von den Programmen und Möglichkeiten der Therapie

bei Autismus abzuleiten. Im Folgenden wird erläutert, welche dieser Interven-

tionen bei der Störung des frühkindlichen Autismus anzuwenden sind und

diese Einschätzung wird begründet.

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Die klientenzentrierte Gesprächsführung ist in Bezug auf die gewünschte

Psychoedukation der Menschen mit frühkindlichem Autismus anzuwenden,

wenn diese ein hohes Funktionsniveau aufweisen. Hiermit ist gemeint, dass

diese Intervention nur bei Menschen angewendet werden kann, die geistig

auf einem durchschnittlichen oder annähernd durchschnittlichen Niveau sind.

Dies begründet sich darin, dass es in der klientenzentrierten Gesprächsfüh-

rung um die Selbstanalyse des Betroffenen geht. Bei älteren Kindern bzw.

Jugendlichen kann diese Intervention hilfreich sein, um mit ihnen ihren sozia-

len Umgang zu reflektieren, sobald sich dieser für sie selbst auch als Prob-

lem darstellt. Denn hier geht es um den Klienten im Mittelpunkt, mit seiner

Sicht der Probleme. Wenn die soziale Interaktion für den Betroffenen ein

Problem darstellt, bzw. ihm Missverständnisse im Kontakt mit beispielsweise

Mitschülern, Lehrern oder Bekannten aufgefallen sind, können diese ausge-

räumt werden. Dies geschieht indem dem Betroffenen die Erwartungen der

anderen Menschen in Bezug auf soziale Gegebenheiten, Konventionen und

Situationen erläutert werden. Des Weiteren können dem autistischen Men-

schen Regeln und Abläufe für übliche soziale Situationen, beispielsweise die

Begrüßung oder Verabschiedung, mit an die Hand gegeben und somit Struk-

tur gegeben werden.

Bezüglich der tiefgreifenden Entwicklungsstörung des frühkindlichen Autis-

mus ist diese Interventionsmaßnahme, aus meiner Sicht, nicht die ange-

brachteste sozialarbeiterische Intervention, da der überwiegende Teil der

Menschen mit dieser Störung über ein mittleres bis niedriges Funktionsni-

veau verfügt.

Die sozialpädagogische Beratung ähnelt in ihrer Methodik und Zielen der

klientenzentrierten Gesprächsführung. Auch hierbei können nur die Men-

schen mit frühkindlichem Autismus erreicht werden, die ein hohes Funktions-

niveau aufweisen. Der Unterschied zur vorangegangenen Intervention liegt

zum einen darin, dass es nicht nur um die Selbstreflexion des Ratsuchenden

geht, womit dieser im Mittelpunkt der sozialarbeiterischen Intervention steht,

sondern zum anderen auch um die Schnittstelle zur Umwelt. Das heißt, dass

hier ganz gezielt die Umwelt mit in den Blickwinkel der Intervention gerückt

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wird. Es geht darum eine teilweise Neuordnung herzustellen, Dinge anzu-

passen und Gegebenheiten zu verändern und dies zusammen mit dem Be-

troffenen. Gerade diese Veränderungen und Umstrukturierungen fallen Men-

schen mit Autismus schwer, können ihnen Angst machen, bis hin zu pani-

schen Anfällen. Zum einen halte ich deswegen diese sozialarbeiterische In-

tervention nicht für die geeignetste in der Arbeit mit frühkindlichem Autismus,

zum anderen, wie bei der vorangegangene Intervention beschrieben, erreicht

man auch hier nur die Menschen mit frühkindlichem Autismus, welche ein

hohe Funktionsniveau aufweisen.

Die systemische Familientherapie unterscheidet sich von den beiden voran-

gegangenen sozialarbeiterischen Interventionen durch das Handeln mit dem

System Familie. Durch die Erweiterung der Ratsuchenden ist es nicht mehr

notwendig, dass die Betroffenen selbst über ein hohes Funktionsniveau ver-

fügen. In der Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Bezugspersonen kann

der/ die Sozialarbeiter/ in mit diesen die Probleme im häuslichen Umfeld be-

stimmen und gezielt Lösungsansätze herausarbeiten. Hierdurch kann Stress,

Ärger und Unverständnis im komplexen Familienalltag abgebaut werden,

beispielsweise durch das Erläutern von Verhaltensweisen des Kindes/ Ju-

gendlichen gegenüber den Eltern/ Bezugspersonen. Somit soll ein Verständ-

nis der Eltern/ Bezugspersonen gegenüber bisher unverständlichem Verhal-

ten oder unverständlichen Verhaltensweisen des Kindes/ Jugendlichen her-

vorgerufen werden. Hierdurch können bisher ungewollte schädliche Famili-

enstrukturen und -abläufe verändert werden (beispielsweise lautstarke Aus-

einandersetzungen bei den Mahlzeiten), wobei gleichzeitig darauf geachtet

wird, dass das/ der betroffene Kind/ Jugendliche mit dieser Umstrukturierung

nicht überfordert wird, beispielsweise durch die langsame und schrittweise

bzw. schleichende Veränderung.

Wie in Punkt 6.2 erläutert, erachte ich die sozialarbeiterische Intervention der

systemischen Familientehrapie als geeigneter für die Arbeit mit Menschen

mit frühkindlichem Autismus und auch anwendbar, da sie die Familie des

Betroffenen mit einschließt.

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Die sozialarbeiterische Intervention der sozialen Einzel(fall)hilfe ähnelt sich in

ihrer Arbeit der klientenzentrierten Gesprächsführung und der sozialpädago-

gischen Beratung. Arbeitet man bei der sozialen Einzel(fall)hilfe nach dem

psychosozialen oder funktionalen Ansatz ergibt sich auch hier wieder, dass

der Mensch mit frühkindlichem Autismus ein hohes Funktionsniveau aufwei-

sen muss.

Im Gegensatz hierzu steht der problemlösende Ansatz der sozialen Ein-

zel(fall)hilfe. Dieser bezieht nicht nur den Betroffenen selbst in die Interventi-

on mit ein sondern darüber hinaus die Familie, als Mitbetroffene. Hieraus

ergeben sich die Möglichkeiten der Arbeit wie soeben bei der systemischen

Familientherapie beschrieben, ohne das der/ das betroffene Jugendliche/

Kind als Symptomträger gesehen wird. Darüber hinaus soll die sozialpäda-

gogische Einzel(fall)hilfe motivieren, befähigen sowie Ressourcen identifizie-

ren und erschließen. Das heißt, es geht dazu darum Netzwerkarbeit zu leis-

ten, den betroffenen Eltern/ Bezugspersonen eine Anlaufstelle zu bieten, um

somit das ganze Spektrum der Hilfemöglichkeiten auszuschöpfen.

Bezüglich der eben genannten Ausführungen erachte ich diese sozialarbeite-

rische Intervention als geeignet für die Arbeit mit Menschen mit frühkindli-

chem Autismus. Hier wird kein hohes Funktionsniveau vorausgesetzt, es wird

das System Familie beachtet sowie die Umwelt und es können weitreichende

Hilfestellungen geboten werden.

8 Fazit

In Bezug auf sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus ist

für mich erkennbar, dass die Interventionsmöglichkeiten für Sozialarbeiter/

innen begrenzt sind. Dies liegt zum einen an dem klinischen Erscheinungs-

bild dieser tiefgreifenden Entwicklungsstörung, welches ärztlicher und thera-

peutischer Maßnahmen bedarf, die von einem Sozialarbeiter nicht zu leisten

sind. Zum anderen liegt dies meinem Erachten nach an der nicht ausrei-

chenden ausgeweiteten und spezifizierten Entwicklung sowie Anerkennung

der Methoden der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft. Darüber hinaus wird

das Wissen und Können dieser Profession zuweilen unterschätzt, bzw. wer-

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den für die Therapie und Intervention bei dieser Störung vorrangig andere

Professionen zu Rate gezogen.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Soziale Arbeit mir ihrer derzeiti-

gen Ausrichtung und ihren momentanen Aufgabengebieten viel in der Inter-

vention bei frühkindlichem Autismus, in Bezug auf die Lebensumstände des

Kindes in der Familie bewirken kann. Hierzu müsste, wie oben beschrieben,

dass Ansehen der Profession in der Gesellschaft und in den anderen Profes-

sionen steigen. Des Weiteren ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen

Professionen nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich, um den jeweilig

Betroffenen in seiner individuellen Ganzheitlichkeit zu sehen. Damit diese

geschehen kann, muss die Profession der Sozialen Arbeit ihre nicht ganz

einfach festzuhaltenden Ergebnisse wissenschaftlich evaluieren. Des Weite-

ren müssen die evaluierten Ergebnisse zur Verbesserung der Arbeit am und

mit der Klientel genutzt werden, sowie zur Verbesserung der Zusammenar-

beit mit anderen Professionen, Institutionen und Behörden.

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Eidesstattliche Versicherung Naujoks, Denise Chantal____ 70107294_____ Name, Vorname Matr.-Nr. Ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit

mit

dem Titel

Autismus-Spektrum-Störungen.

Sozialarbeiterische Intervention bei frühkindlichem Autismus.

selbstständig und ohne unzulässige fremde Hilfe erbracht habe. Ich habe

keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie

wörtliche und sinngemäße Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher

oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.

Langenbrügge, 20.08.2013____ _______________________ Ort, Datum Unterschrift