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Fakultät Wirtschaft und Soziales Department Pflege & Management Dualer Studiengang Pflege (BA) Bachelorarbeit Familiengesundheitspflege bei Früh- und Neugeborenen – Definition eines neuen Aufgabenbereichs für Pflegende Abgabe Datum: 01.06.2015 Eingereicht von: Mirjam Schewe Matrikelnummer: Adresse: E-Mail: Betreuende Prüfende: Frau Prof. Dr. Doris Wilborn Zweiter Prüfer: Jörg Rahmann

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Fakultät Wirtschaft und Soziales

Department Pflege & Management

Dualer Studiengang Pflege (BA)

Bachelorarbeit Familiengesundheitspflege bei Früh- und Neugeborenen – Definition eines neuen Aufgabenbereichs für Pflegende

Abgabe Datum: 01.06.2015

Eingereicht von: Mirjam Schewe

Matrikelnummer:

Adresse:

E-Mail:

Betreuende Prüfende: Frau Prof. Dr. Doris Wilborn

Zweiter Prüfer: Jörg Rahmann

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 1.1 Zielsetzung 2 2. Methodik 3 2.1 Begründung des Vorgehens 3 2.2 Literaturrecherche 3 3. Definitionen 4 3.1 Definition Perinatalzentren 4 3.2 Definition Neu-und Frühgeborene 5 3.2 Epidemiologie, Ursachen und Komplikationen bei Frühgeborenen 6 4. Bedeutung für die Familien 8 4.1 Bedeutung bei Frühgeburten 8 4.2 Bedeutung bei chronischen Erkrankungen 12 5. Familiengesundheitspflege 14 5.1 Wichtige Schlüsselbegriffe 14 5.2 Definition Familiengesundheitspflege 15 5.3 Entwicklung und Geschichte 16 5.4 Ausbildung in Deutschland 18 5.5 Zielgruppen 18 5.6 Rolle der Familienpflege 19 5.7 Ansiedelung der Familiengesundheitspflege 19

5.7.1 Sozialmedizinischer Nachsorgedienst 19 5.8 Handlungskompetenzen 21 5.9 Handlungsfelder 23 5.10 Finanzierung 25 6. Ergebnisbetrachtung der Familiengesundheitspflege im stationären Setting 25 6.1 Familiengesundheitspflege als feste Bezugsperson 26 6.2 Aufgabenbereiche der Familiengesundheitspflege 28 6.3 Strukturelle Ansiedelung der Familiengesundheitspflege 33

6.3.1 Bezugspflege-Case-Management 34 6.3.2 FGP mit Sprechstunden 36

7. Fazit 38 8. Literaturverzeichnis 40 9. Eidesstattliche Erklärung 43

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1. Einleitung

„Allein in Deutschland werden pro Jahr etwa 60.000 Kinder zu früh geboren.

Davon haben etwa 6.000 ein Geburtsgewicht von unter 1.500g und benötigen

bereits in ihren ersten Lebenswochen eine hochspezialisierte Behandlung.

Darüber hinaus ist es leider in den vergangenen Jahrzehnten trotz erheblicher

Bemühungen nicht gelungen, die Häufigkeit von Frühgeburten zu senken.“1

Laut Reichert, Wauer, Rüdiger und Lutz, (2008)2 ist diese frühzeitige Trennung für

die Eltern vom Kind, gefolgt von der Konfrontation mit der neonatologischen

Intensivstation und dem möglicherweise kritischen Gesundheitszustand des

Kindes, mit Gefühlen von Angst, Ohnmacht, Schuld und Ausgeschlossen-Sein

verbunden. Laut von der Wense und Bindt wurden in einer Studie von Pangel et

al. aus dem Jahr 2002, 200 Eltern von extrem frühgeborenen Kindern zum Ende

ihres Aufenthalts auf einer neonatologischen Intensivstation zu ihrem Befinden

während der Behandlungszeit befragt: 10 Prozent der Mütter und 6 Prozent der

Väter gaben an, sie hätten sich meistens oder immer „hilflos und alleingelassen“

gefühlt. 3 Auch Prof. Dr. Linderkamp, Chefarzt der Neonatologie am

Universitätsklinikum in Heidelberg, gibt im Interview mit der „Pflegezeitschrift“

(2006) an, dass Familien unter der Frühgeburt ihres Kindes leiden, denn

„Selbstvorwürfe, Ängste um das Überleben und die Gesundheit des

frühgeborenen Kindes erschweren die Gesamtsituation“4. Hinzu kommen enorme

„zeitliche und finanzielle Belastungen sowie eine allgemeine Überforderung und

die Sorge um die Betreuung des Kindes nach der Entlassung aus der Klinik“.5 Hier

sieht Linderkamp noch Handlungsbedarf, um Familien besser auffangen zu

könne. 6 Diese Krisensituation erschwert den notwendigen emotionalen

Bindungsaufbau zum Kind und lässt insbesondere Mütter ihre elterliche

Kompetenz hinterfragen. Die Eltern sollen sich jedoch befähigt sehen, die

Elternrolle auszufüllen.7 Aufgrund des Personalmangels in der Pflege, fehlt den

                                                                                                               1 Wense & Bindt (2013) S.18 2 Reichert et al. (2008) S.212 3 Vgl. Wense & Bindt (2013) S.75 4  Kohlhammer (2006) S.422  5  Kohlhammer (2006) S.422  6 Vgl.Kohlhammer (2006) S.422 7 Vgl.Bundesverband "Das Frühgeborene Kind" e.V. (2014) S.6

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Pflegenden oft die Zeit, um Gespräche mit den Eltern führen zu können. Auch eine

Elternberatung oder Anleitung lässt sich oft schwer realisieren. Aufgrund des

rotierenden Pflegepersonals und der Ärzte fehlt den Eltern ein fester

Ansprechpartner, auf den sie während des Klinikaufenthaltes zurückkommen

können. Laut des Bundesverbandes „Das Frühgeborene Kind“ e.V. gibt es „für den

Begriff Elternberatung sowie psychosoziale Begleitung im Perinatalzentrum (...)

bislang keinen Konsens bezogen auf Inhalte und Verantwortlichkeiten bzw.

involvierte Berufsgruppen.“ 8 Im Rahmen von verschiedenen Praxiseinsätzen

wurde mir der sozialmedizinische Nachsorgedienst „Leuchtturm e.V.“ bekannt.

Dies ist ein gemeinnütziger Verein der besonders Familien mit frühgeborenen oder

schwer kranken Kindern im Anschluss an einen Klinikaufenthalt unterstützt und

jedoch nur bedingt die Eltern stationär betreut. 9 Für diesen Nachsorgedienst

arbeiten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, aber auch spezialisierte,

sogenannte Familiengesundheitspflegerinnen (Family Health Nurses), welche die

Familien zu Hause betreuen. „Diese fungieren in den Familien vor allem als

Gesprächspartner, als Berater, als Anleiter als Begleiter, als Motivator, als Lotsen,

als Vermittler (...).“10

1.1 Zielsetzung

Um der Problematik der fehlenden Ansprechpartner für Eltern auf

neonatologischen (Intensiv-) Stationen entgegen zu wirken, kam die Idee auf

Familiengesundheitspfleger/innen als Ansprechpartner in diesem stationären

Setting zu etablieren. Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Auseinandersetzung mit

dem WHO11 Konzept der Familiengesundheitspflege (Family Health Nurse). Auch

werden die Ursachen und Komplikationen der Frühgeburten beschrieben.

Weiterhin wird verdeutlicht, welche Bedeutung eine Frühgeburt, sowie die daraus

resultierenden chronische Erkrankungen für die Eltern und Familien hat. Anhand

der Literatur wird erläutert, ob dieses WHO Konzept in einem stationären Setting

eine feste Bezugsperson für Eltern von Früh- und Neugeborener über den

gesamten Klinikaufenthalt schaffen kann.

                                                                                                               8 Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2014) S.6 9 Im Laufe der Arbeit werde ich noch einmal auf den Verein eingehen 10 Wagner, Schnepp (2001) S.34 11 englisch: World Health Organisation; deutsch Weltgesundheitsorganisation  

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Daher wird den folgenden Fragestellungen nachgegangen:

- Kann ein/e Familiengesundheitspfleger/in im stationären Setting eine feste

Bezugsperson für Eltern Früh- und kranker Reifgeborener über den

gesamten Klinikaufenthalt sein?

- Welchen Aufgabenbereich übernimmt die Familiengesundheitspflege im

stationären Setting und wo kann sie strukturell angesiedelt werden?

2. Methodik

2.1 Begründung des Vorgehens In den letzten Jahren ist das Thema der Familiengesundheitspflege immer

präsenter geworden und es gibt einige Literatur zu dieser Thematik, jedoch noch

nicht in Bezug auf die Familiengesundheitspflege im stationären Setting bei Früh-

und Neugeborenen. Daher werden im Rahmen dieser Bachelor Thesis anhand

der bereits vorhandenen Literatur und persönlicher Erfahrung die

Forschungsfragen beantwortet.

2.2 Literaturrecherche

Zur Literaturrecherche wurde der Online Katalog der Hochschule für Angewandte

Wissenschaft, sowie verschiedene Datenbanken wie Pub Med, Med Pilot und

Google Scholar genutzt. Dabei wurden die Suchbegriffe, „Family Health Nurse“,

„Familiengesundheitspflege“, „Neonatologie und Elternbetreuung“ und

„Frühgeburt“ verwendet.

Auch die offiziellen Internet-Plattformen von Organisationen wie z.B. dem „Bunten

Kreis Deutschland“, der Familiengesundheitspflege des Deutschen

Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), sowie des Bundesverbandes „Das

Frühgeborene Kind“ e.V. wurden als vertrauenswürdige Quellen herangezogen.

Diese anerkannten Organisationen nehmen eine Vorreiterrolle in diesem

Tätigkeitsfeld der Familiengesundheitspflege ein. Auch wurde das Alter der

Literatur auf die letzten elf Jahre aufgrund ihrer Aktualität eingegrenzt. Jedoch

stellt die Literatur der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 1999 eine

Ausnahme dar. Die Literaturrecherche erfolgte im April 2015.

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3. Definitionen

Die meisten Neu- und Frühgeborenen werden in Perinatalzentren zur Welt

gebracht. Kranke Neugeborene und Frühgeborene benötigen eine intensive

Versorgung und werden oft mit chronischen Erkrankungen und pflegerischen

Bedarfen nach Hause entlassen. Daher werden zu Beginn der Thesis die

zentralen Begriffe Perinatalzentrum, Früh- und Neugeborene definiert. Auch

werden die Epidemiologie12, die Ursachen und die häufigsten Komplikationen bei

Frühgeborenen erläutert.

3.1 Definition Perinatalzentren

Unter Perinatalzentrum (PNZ) versteht man eine „geburtshilfreiche Einrichtung für

die Betreuung von Frauen mit Risikoschwangerschaften oder Risikogeburt und

von Frühgeborenen“ 13 . In diesen Zentren sind Frauenklinik, Kinderklinik und

Neonatologie angesiedelt, um Diagnostik und Therapie von Mutter und Kind

während der Schwangerschaft, der Geburt und in der Neonatalperiode („Zeitraum

von Geburt bis zum vollendeten 28. Tag nach der Geburt“14) zu überwachen.

Geburtsmedizin und Neonatologie sind hier einander funktionell und räumlich eng

zugeordnet, damit das Kind unmittelbar von einem gut vorinformierten

neonatologischen Team (Facharzt für Früh- und Neugeborenenmedizin,

Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger) intensivmedizinisch erstversorgt und

betreut werden kann. Neben der optimalen Betreuung von Mutter und Kind in der

Perinatalperiode (Zeitraum zwischen Geburtsbeginn und dem 7. Tag nach der

Geburt15) ist die Vermeidung der Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt

ein wesentlicher Vorteil, da Mütter keine größeren Distanzen zu ihren Kindern

haben.

Die Einteilung der Perinatalzentren erfolgt nach Ressourcen und wird in zwei

Level unterteilt. In einem PNZ mit Level 1 müssen personelle und strukturelle

Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Versorgung von Kindern mit

einem Geburtsgewicht unter 1250g und mit einem Schwangerschaftsalter jünger

                                                                                                               12 „Wissenschaftszweig, der sich mit der Verteilung von Krankheiten, deren Variablen und sozialen Krankheitsfolgen in menschlichen Bevölkerungsgruppen befasst sowie mit Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen“ (Warmbrunn & Wied 2012, S.248) 13  Warmbrunn & Wied (2012) S.619  14 Warmbrunn & Wied (2012) S.586 15 Warmbrunn & Wied (2012) S.619  

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als eine vollendete 29. Schwangerschaftswoche (SSW) sowie einem hohen Risiko

gegeben sein. In Perinatalzentren mit Level 2 werden Kinder mit einem

Geburtsgewicht von 1250 bis 1499g oder einem Schwangerschaftsalter zwischen

vollendeter 29. SSW und vollendeter 33. SSW oder einem hohen Risiko versorgt.

Neugeborene die zwischen der vollendeten 33. SSW und der vollendeten 36.

SSW geboren werden, können in einem Krankenhaus mit perinatalem

Schwerpunkt versorgt werden.16

3.2 Definition Neu-und Frühgeborene

Allgemein versteht man unter einem Neugeborenen ein „lebendgeborenes Kind in

der Zeit ab der Geburt bis zum 28. Lebenstag.“17 Dabei wird zwischen dem termin-

oder reifgeboren Neugeborenen und den Frühgeborenen sowie den übertragenen

Neugeborenen (über die 42 SSW hinaus) unterschieden.18

Die heutigen Definitionen für Früh und reife Neugeborene richten sich nach dem

sogenannten Gestationsalter (Reifezustand) des Kindes, also ob es zu früh

geboren wurde oder nicht. Die gängigen Definitionen sind folgende: „Ein reifes

Neugeborenes wird zwischen der 38.- 42. Schwangerschaftswoche geboren.“19

„Neugeborene, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (260 Tage)

zur Welt kommen, werden als Frühgeborene bezeichnet.“20

Weiterhin unterscheidet man zwischen untergewichtigen Neugeborenen, die

unabhängig vom Schwangerschaftsalter weniger als 2.500g wiegen (LBW:„Low

Birthweight Infant“), den sehr untergewichtigen Neugeborenen mit einem

Geburtsgewicht von 1.500g (VLBW: Very Low Birthweight Infant), sowie den

extrem untergewichtigen Neugeborenen, die ein Geburtsgewicht von 1.000g

unterschreiten (ELBW: Extremly Low Birthweight Infant).21

                                                                                                               16 Vgl. Warmbrunn & Wied (2012) S.619 17 Warmbrunn & Wied (2012) S.587 18 Vgl. Warmbrunn & Wied (2012) S.587 19 Hoel (2008) S.584 20 Hoel (2008) S.623 21 Vgl. Wense & Bindt (2013) S. 29

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3.2 Epidemiologie, Ursachen und Komplikationen bei Frühgeborenen

Etwa 8,8 Prozent aller Neugeborenen in Deutschland sind Frühgeborene mit einer

Schwangerschaftsdauer von unter 37 Wochen. 22 Mehr als ein Prozent der

670.000 Neugeborenen in Deutschland kommen mit einem Gewicht unter 1500g

zur Welt. Dies entspricht etwa 7000 Frühgeborenen pro Jahr.23 Die Ursachen für

Frühgeburtlichkeit sind verschieden, vielseitig und sehr komplex.

Plazentaprobleme (vorzeitige Plazentaablösung, Plazentainsuffizienz sowie

ungünstiger Plazentasitz) und fetale Probleme wie Mehrlingsschwangerschaften,

sowie erhöhte Fruchtwassermenge, zum Beispiel bei fetalen Schluckstörungen

können zu Frühgeburten führen. Auch mütterliche Probleme wie genitale

Infektionen, vorzeitiger Blasensprung, eine Schwäche des

Muttermundverschlusses (Zervixinsuffizienz), sowie das HELLP-Syndrom (erhöhte

Leberwerte, niedrige Blutplättchenanzahl) begünstigen das Frühgeburtsrisiko.

Neben physischen Problemen können auch Lebenssituationen wie

Schwangerschaft im hohen Lebensalter oder bei Minderjährigen, aber auch

psychosoziale Stressbelastung und schwierige sozioökonomische

Rahmenbedingungen Frühgeburten begünstigen.24

Die Geburt stellt für den kindlichen Organismus eine große Herausforderung dar

und kann daher mit Anpassungsstörungen verbunden sein.25 Durch die vorzeitige

Geburt des Kindes wird die physiologische Entwicklung unterbrochen. Daher

haben Frühgeborene oft mit Lungenunreife, sowie mit Unreife des Herz-Kreislauf-

Systems, des Gehirns und des Immunsystems zu kämpfen. Je unreifer das Kind

ist, desto mehr Komplikationen, wie beispielsweise Hirnblutungen oder

Infektionen, können auftreten. Sind diese Blutungen oder Infektionen

schwerwiegend, können sich daraus chronische Erkrankungen und

Behinderungen entwickeln. Auch reife Neugeborene können mit chronischen

Erkrankungen geboren werden.

                                                                                                               22 Vgl. Reichert, et al. (2014) S. 1010 23 Vgl. Wenes & Bindt (2013) S. 29 24 Vgl. Wense & Bindt (2013) S.30-31 25 Vgl. Huter (2004) S.51

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Unter „chronischer Erkrankung“ versteht man laut Lubkin und Müller (2002) „das

irreversible Vorhandensein bzw. die Akkumulation (Anhäufung)26 oder dauerhafte

Latenz von Krankheitszuständen oder Schädigungen“27. Weiterhin wird gesagt,

dass „im Hinblick auf unterstützende Pflege, Förderung der

Selbstversorgungskompetenz, Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und

Prävention weiterer Behinderung das gesamte Umfeld des Patienten gefordert

ist“28.

Chronische Erkrankungsbilder können also als „Störungsbilder zusammengefasst

(werden), die über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben und die schwer oder

gar nicht heilbar sind“29. Charakteristisch ist eine dauerhafte bis lebenslange

Behandlungsnotwendigkeit der chronisch erkrankten Patienten. 30 Laut

Warschburger variiert in der Literatur der Zeitraum ab dem von einer chronischen

Erkrankung gesprochen werden kann. Die Spanne kann so von „einem Monat

über drei Monate bis zu einem Jahr“31 reichen.

Solche Kinder brauchen eine spezielle pflegerische Betreuung, da sie nicht

selbständig atmen können, Probleme mit der Temperaturregulierung des Körpers

haben und sehr schnell ermüden. Deswegen brauchen sie Unterstützung durch

Beatmung oder wärmeregulierende Betten. Sind die Kinder zu schwach zum

Trinken, werden sie mit Hilfe einer Magensonde ernährt. Um Stress bei

Frühgeborenen zu vermeiden, werden diese so wenig wie möglich berührt,

beziehungsweise versorgt. Das bedeutet, dass Maßnahmen die nicht dringlich

erforderlich sind, unterlassen werden.32

Meistens sind die Eltern und Familien nicht auf diese Erkrankungen der

Neugeborenen sowie die frühe Geburt ihres Kindes vorbereitet. Was dies für die

Eltern und die Familien bedeutet wird im folgenden Kapitel beschrieben.

                                                                                                               26 Duden (2009) S. 168 27  Lubkin & Müller (2002) S.26  28 Lubkin & Müller (2002) S.26 29 Lohaus & Heinrichs (2013) S.15 30 Vgl. Lohaus & Heinrichs (2013) S.15 31 Hagen & Schwarz (2009) S. 28 32 Vgl. Hoel (2008) S.630  

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4. Bedeutung für die Familien

Unter Familie versteht man einen „Zusammenschluss von Menschen, die als

soziale Einheit betrachtet werden.“33 „Die Mitglieder sind entweder genetisch,

gesetzlich und/oder emotional verbunden.“34

Ein Familienmitglied oder einen Angehörigen im Krankenhaus zu wissen, stellt für

viele Menschen eine Belastung dar. Für Familien, deren Kind zu früh geboren

oder sein Leben lang unter einer chronischen Erkrankung leiden wird, stellt diese

Situation eine enorme Belastung dar, der ich in diesem Kapitel nachgehen werde.

Besonders diese Familien brauchen eine spezielle Betreuung. Dieses Kapitel ist

daher in zwei Unterpunkte gegliedert. Zum einen wird die Bedeutung der

Frühgeburt für Familien erläutert zum anderen die Bedeutung der daraus

möglicherweise resultierenden chronischen Erkrankung beschrieben.

4.1 Bedeutung bei Frühgeburten

„Der Aufenthalt eines Neugeborenen auf einer neonatologischen Intensivstation

stellt für die gesamte Familie ein krisenhaftes und stressbeladenes Lebensereignis

dar“.35 Laut des Bundesverbandes „Das Frühgeborene Kind“ e.V. ist die komplexe

intensivmedizinische Situation auf der Station für die Eltern zunächst befremdlich

und verstörend. Sie kennen weder die Funktion der Geräte, noch die Wirkung von

den verabreichten Medikamenten. Auch können sie die Relevanz von Alarmen

und angezeigten Werten auf den Monitoren nicht einschätzen und werden mit

unverständlichen Begriffen konfrontiert. Mit ihren „elterlichen Kompetenzen wie

Schutz, Trost, Wärme und Geborgenheit, die sie ihrem Kind geben wollen, stehen

sie hilflos vor einer trennenden Plexiglasscheibe“36, hinter der ihr verkabeltes Kind

liegt.

So sind die ersten Wochen nach der Geburt ihres Kindes fast vollständig von der

Abhängigkeit vom Pflegepersonal und den Ärzten geprägt, was dazu beiträgt,

„dass Eltern sich in ihrer Hilflosigkeit oft fragen, wem das Frühgeborene eigentlich

                                                                                                               33  Warmbrunn & Wied (2012) S. 274  34 Warmbrunn & Wied (2012) S. 274 35 Panagl et al. (2005) S.15 36  Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.7  

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gehört (so genanntes „Whose-Baby-Syndrom‟)“37. Laut Panagl, Kohlhauser und

Pollak (2005) haben Eltern zwei wesentliche Herausforderungen während des

stationären Aufenthalts zu bewältigen, zum einen die „Entwicklung zur Familie“

und „die Krankheitsverarbeitung“38. Zusätzlich zu den genannten Belastungen und

Herausforderungen, müssen sie neben den Besuchen auf der Station die

Alltagsanforderungen zu Hause oder im Beruf bewältigen. Weiterhin müssen sie

sich mit den veränderten und zuweilen bedrohlichen Zukunftsperspektiven nach

der Entlassung ihres Kindes befassen.39

Durch diese vielen verschiedenen Eindrücke und Faktoren sind die Eltern von

Frühgeborenen stark in ihren Emotionen belastet. Jedoch muss beachtet werden,

dass Mütter „erheblich und oft auch anhaltend emotional belastet“40 sind. Dies

kann daran liegen, dass Mütter von Frühgeborenen innerlich noch nicht auf das

Ende ihrer Schwangerschaft vorbereitet sind. 41 In der letzten

Schwangerschaftsphase, in der alles beschwerlicher für die Mutter wird, kommt es

zu einer „inneren Loslösung vom Kind zu einer Akzeptanz ‚ich bin ich und du bist

du’“42. Männer scheinen hingegen emotional weniger betroffen zu sein als ihre

Partnerinnen. 43 Auch die Forschungsergebnisse von Bruns-Neumann (2006)

zeigen, dass „speziell Mütter intensive emotionale Reaktionen als Folge einer

Frühgeburt zeigen“44. Die meist genannten Emotionen, die Eltern während der

Neugeborenenperiode durchleben, sind die Gefühle der Schuld, Angst,

Ungewissheit, Depression, Niedergeschlagenheit und der Entfremdung. Neben

den genannten Gefühlen treten für die betroffenen Eltern zahlreiche

Stressfaktoren in den Vordergrund, die das emotionale Erleben negativ

beeinflussen können. Auslöser für Stress können der Anblick des fragilen Kindes,

dessen Gesundheitszustand und die weitere gesundheitliche Entwicklung sein.

Auch die Umgebung, die Intensivstation, kann einen Einfluss auf das

                                                                                                               37 Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.11 38 Panagl et al. (2005) S.18 39 Panagl et al. (2005) S.20 40 Vgl. Wense & Bindt (2013) S. 79 41 Huter (2004) S.64 42 Huter (2004) S.64 43  Vgl. Wense & Bindt (2013) S. 78  44 Bruns-Neumann (2006) S.154  

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Stresserleben haben.45 „Äußere Faktoren, die sich negativ auswirken können,

betreffen besonders die Anforderungen, die an die Eltern hinsichtlich eines

geregelten Familienlebens gestellt werden, und das Unverständnis des sozialen

Umfelds für die Situation der Eltern“46.

Durch die „Unvorhersehbarkeit und Bedrohlichkeit der Ereignisse nehmen die zu

frühe Geburt und der nachfolgende stationäre Aufenthalt ihres Kindes für viele

Eltern die Dimension einer traumatischen Krise an“47. Dies kann sich bei den

Eltern auf verschiedene Art äußern, zum einen nehmen sich die Eltern gegenüber

dem Pflegeteam und den Ärzten deutlich zurück und drücken ihre Zweifel nicht

aus. Oft ist dies auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Andere Eltern

begegnen den Behandelnden durch ihre Unsicherheit mit vielen Ansprüchen, sind

sehr fordernd nach Gesprächen und haben ein hohes Bedürfnis an Kontrolle.

Dieses Verhalten führt oft zu einer Gegenwehr der Teammitglieder, die dann die

Eltern in den Informationsfluss oder die praktische Versorgung des Kindes nicht

mehr mit einschließt. Dies gibt den Eltern jedoch den Grund, ihr Verhalten zu

verschärfen.48 Eltern sind laut des Bundesverbands „Das frühgeborene Kind“ e.V.

(2010), grundsätzlich an allen ihr Kind betreffenden Abläufen, Geschehnissen und

Details interessiert. Daher ist nichts zu unbedeutend, um es möglichst zeitnah den

Eltern mitzuteilen. Diese Informationen vermitteln den Eltern das Gefühl, in die

Behandlung des Kindes mit einbezogen zu sein. Weiterhin fördern genaue

Informationen zum Gesundheitszustand des Kindes die Krankheitsbewältigung der

Eltern. Neben dem Einbezug der Eltern in die Informationen, ist es laut Panagl et

al. (2005) wichtig die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung und der

Elternidentität zu fördern, indem das Betreuungsteam die Mütter und Väter

möglichst früh in die Pflege und Versorgung ihres Kindes integriert. Die Eltern

müssen ermutigt und angeleitet werden den Kontakt zu ihrem Kind aufzubauen.

Dies kann beispielsweise mittels des „Känguruhen“ geschehen. Durch dieses

Verfahren kann frühzeitig Hautkontakt mit dem Baby aufgebaut werden, denn das

Kind ruht dabei, meist nur mit Windel bekleidet, auf dem nackten Oberkörper eines

Elternteils.                                                                                                                45 Vgl. Bruns-Neumann (2006) S.154 46 Bruns-Neumann (2006) S.154 47 Panagl et al. (2005) S.15 48 Vgl. Wense & Bindt (2013) S.79

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Wichtig ist auch, dass die Geschwisterkinder auf der Station integriert werden,

indem sie als Besucher willkommen sind. Auch sollen sie bei der Pflege mithelfen

und ermutigt werden, ihrem jüngeren Geschwisterkind etwas Persönliches

mitzubringen. Dies ist wichtig, da bereits eine normale Geburt für die

Geschwisterkinder aufgrund der Trennung von der Mutter ein belastendes

Ereignis sein kann.49

Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V. (2010) hat auf

neonatologischen Intensivstationen Feedback von den Eltern erfragt, in dem diese

spontan positive und negative Erfahrungen wiedergeben konnten. Der

Schwerpunkt lag darauf, wie lange das Erlebte schon zurück liegt. Dabei war

überraschend, dass die Erfahrungen nach acht, zehn und sogar fünfzehn Jahren

immer noch bei den Eltern präsent waren. Grund für die Erfragung des

Elternfeedbacks waren die wenigen Rückmeldungen der Eltern an die Stationen.

Insbesondere fehlte ein Feedback von detaillierten Schilderungen bestimmter

Situationen, die von den Eltern als hilfreich oder belastend empfunden wurden.

Dies hängt damit zusammen, dass viele Eltern während dieser Akutphasen oft

keine Kritik am Stationsteam äußern, da sie überfordert sind. Viele Eltern

brauchen daher zunächst Abstand, um das Erlebte reflektieren zu können. Für

Eltern in diesen Ausnahmesituationen ist es, laut des Bundesverbandes, wichtig,

dass sie Ansprechpartner auf der Station haben. Der erste Kontakt mit dem

Stationsteam hat laut des Bundesverbandes eine große Bedeutung im Umgang

mit den Eltern, denn bereits in dieser Situation können viele Dinge im Vorfeld

besprochen und die Eltern auf Situationen vorbereitet werden. Andernfalls können

Eltern die erste Begegnung mit dem Kind später oftmals als befremdlich

empfinden und möglicherweise sogar fehlinterpretieren.50 Bei allen Eltern steht

zunächst die Sorge um das Wohl ihres Kindes an erster Stelle. Daneben die

eigenen Befindlichkeiten zu thematisieren, fällt ihnen besonderes dann schwer,

wenn für sie als Eltern kein eigener Ansprechpartner auf Station vorhanden ist.

Das Pflegepersonal ist vorrangig mit der Versorgung des Kindes befasst und die

anwesenden Ärzte sorgen für die medizinischen Belange.51 Für Eltern ist es

                                                                                                               49 Panagl et al. (2005) S.19 50 Vgl. Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.9 51 Vgl. Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.39

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wichtig, sich als Individuum wahrgenommen zu fühlen und Zuwendung zu

erfahren. Deswegen sollte es einen Ansprechpartner geben, „der auf sie zukommt,

sich nach ihren Befindlichkeiten erkundigt und ihnen ein wenig Zeit widmet, der

Raum für mögliche Fragen, Zweifel, Sorgen und Nöte bietet.“52 Dabei geht es laut

des Bundesverbandes oft weniger um die eigentliche Dauer, sondern vielmehr um

die Ausgestaltung dieser Zeit. „Jemand, der Eltern in einen gesonderten Raum

bittet, ihnen etwas zu trinken anbietet, sich gemeinsam mit ihnen an einen Tisch

setzt und im Anschluss an die Information einfach nur zuhört, was die Eltern in

diesem Zusammenhang noch an Fragen oder Sorgen auf dem Herzen haben,

kann mehr Verständnis oder Anteilnahme vermitteln als jemand, der sich 15

Minuten mit den Eltern zwischen Tür und Angel auf dem Gang beschäftigt, indem

er sie über den aktuellen Gesundheitszustand des Kindes informiert.“53

4.2 Bedeutung bei chronischen Erkrankungen

Laut Lohaus und Heinrichs (2013), betreffen chronische Erkrankungen im

Kindesalter das gesamte Familiensystem. Denn ist ein Teil des Systems chronisch

krank, hat dies Auswirkungen auf alle anderen Teile der Familie. Dabei führt die

Erkrankung meist zu erheblichen Änderungen in der Verteilung der Aufgaben

innerhalb der Familie und bringt den Rhythmus in der Familie durcheinander. Für

die Entwicklung des Familiensystems spielt die Bewältigung der Erkrankung durch

jedes einzelne Familienmitglied eine entscheidende Rolle und wie dabei die

Ressourcen der Familie genutzt werden. Die Zusammensetzung der Familie hat

eine große Bedeutung, jedoch ist die Qualität der Beziehungen untereinander

wichtiger. So kann eine chronische Erkrankung als Risikofaktor für die

Familiendynamik betrachtet werden. Daher ist es wichtig, dass Familien einen

gesunden Umgang mit der Erkrankung finden. Dies ist nicht so leicht zu

realisieren, denn je nach Schwere der Erkrankung des Kindes können die Eltern

sehr stark belastet sein. Eine schwere chronische Erkrankung wird auf der Skala

der Schwere der psychosozialen Belastungsfaktoren bei Erwachsenen im DSM-III-

R (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) durchschnittlich auf der

Stufe 5 eingestuft.

                                                                                                               52 Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.15 53 Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.15

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Dabei stellt Stufe 6 den höchsten Belastungsgrad dar. Solche Belastungen

können die Lebensqualität stark beeinträchtigen, besonders in Bezug auf die

Selbstverwirklichung und die Zufriedenheit mit der Situation der Familie. Dabei

sind Mütter im Allgemeinen mehr emotional belastet als Väter. Die Partnerschaft

der Eltern ist durch die wenige Zeit, die sie aufgrund der neuen Belastungen

füreinander haben, beeinträchtigt, auch wenn sie durch die Bedrohung des

Lebens des Kindes zusammenwachsen.

Bei gesunden Geschwistern entsteht durch eine chronische Erkrankung zunächst

eine unklare, bedrohliche Situation, die besonders durch die plötzliche

Veränderung des Alltags hervorgerufen wird. Erkennen Geschwisterkinder, dass

die ursprüngliche Familiensituation nicht wieder genauso, wie die vorherige

Normalität, hergestellt werden kann, können sie enttäuscht sein. Meistens sind die

gesunden Geschwisterkinder eher zuvorkommend, zugewandt und bemüht. 54

Aufgrund der hohen Belastungen, die sich durch chronische Erkrankungen und

Frühgeburten ergeben, brauchen Familien in diesen Krisen- und Stresssituationen

professionelle Hilfe, die sie unterstützen, entlasten und betreuen kann. Sie

brauchen einen Ansprechpartner, eine Bezugsperson, die ihre Sorgen und Nöte

versteht und ihnen ihre fachlichen Fragen zum Kind beantworten kann. Auf vielen

Neointensivstationen und in Perinatalzentren gibt es bereits psychologische

Betreuung. Aus meiner persönlichen Erfahrung, durch die Arbeit mit diesen Eltern,

wird die Empfehlung mit einem Psychologen zu sprechen oft nicht

wahrgenommen. Der Gedanke psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen ist

bei den meisten Eltern sehr oft negativ belegt. Daher ist es wichtig eine

Bezugsperson zu schaffen, zu der Eltern Vertrauen entwickeln können. Meist sind

dies die Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen, da diese aufgrund ihrer

Präsenz auf der Station „eine Schlüsselposition bei der Versorgung“55 der kranken

Kinder haben und für die Eltern die wichtigsten Ansprechpartner in einer sehr

schwierigen Lebenslage darstellen. Dies bedarf einer speziellen Aus- bzw.

Weiterbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege, der sogenannten

Familiengesundheitspflege, die im nächsten Kapitel erläutert wird.

                                                                                                               54 Vgl. Lohaus & Heinrichs (2013) S.21- 24 55 Bruns-Neumann (2006) S.147

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5. Familiengesundheitspflege

Familiengesundheitspflege ist ein zentraler Begriff dieser Bachelor Arbeit. Im

folgenden Kapitel wird definiert, was unter Familiengesundheitspflege verstanden

wird. Um Zusammenhänge deutlich zu machen, wird auf die Entwicklung und

Geschichte eingegangen. Weiterhin wird erläutert wie Familiengesundheitspflege

in Deutschland in Bezug auf die Gesundheits-, Kinder - und Krankenpflege

umgesetzt wird.

Zu Beginn dieses Kapitels möchte ich einige Schlüsselbegriffe definieren, die

wichtig sind, um diese Thematik besser zu verstehen.

5.1 Wichtige Schlüsselbegriffe

Case Management ist ein „kooperativer Prozess, in dem die Versorgung eines

Patienten mit einer komplexen und kostenintensiven Erkrankung (...) geplant,

koordiniert, überwacht und evaluiert wird.“56 Das Ziel ist daher eine Optimierung

der Qualität und Kontinuität einer Behandlung bei einer gleichzeitigen Kontrolle

der damit verbundenen finanziellen Aufwendungen.57

Disease Management wird vor allem bei chronischen und Erkrankungen, die eine

große Häufigkeit in der Bevölkerung aufweisen, wie beispielsweise Diabetes und

Krebs, eingesetzt und ist daher ein „umfassender, integrierter,

informationsbasierter Ansatz der Patientenversorgung mit dem Ziel, das Verhältnis

zwischen Therapiequalität und (den) Gesamtkosten“58 zu verbessern. Disease-

Management-Programme (auch DMP) tragen durch umfassende

Behandlungsleitlinien zur medizinischen Versorgung bestimmter Erkrankungen

sowie zu Vorsorgemaßnahmen, zur Diagnostik und der Verbesserung der

Patientencompliance („Bereitschaft eines Patienten zur Zusammenarbeit mit dem

Arzt“/Pflege 59 ) dazu bei, „die Versorgung der Patienten (...) über alle

Krankheitsstadien und Versorgungseinrichtungen hinweg zu verbessern.“60

                                                                                                               56 Warmbrunn & Wied (2012) S. 166  57 Vgl. Warmbrunn & Wied (2012) S. 166 58 Warmbrunn & Wied (2012) S.203  59 Warmbrunn & Wied (2012) S.173 60 Warmbrunn & Wied (2012) S.203

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Da sich für Familienassessment keine genaue Definition finden ließ, werden die

beiden Wörter aus dem sich Familienassessment zusammen setzt definiert. Das

erste Wort „Familie“ wurde in Kapitel 3 definiert. Ein „Assessment“ ist die

Beurteilung, Bewertung und systematische Vorgehensweise zur Erhebung,

Analyse und anschließenden Auswertung von Daten zu einem bestimmten

Untersuchungsbereich. In der Pflege wird dies meist durch standardisierte und

dokumentierte Einschätzungen und Beurteilungen eines Patienten auf der

Grundlage der Daten erhoben, die im Pflegeprozess durch Kommunizieren,

Beobachten, Sammeln und Prüfen von Informationen gewonnen wurden. 61

Friedemann entwickelte ein standardisiertes Selbsteinschätzungsinstrument zur

Erfassung von Familienprozessen im Kontext eines Pflegeprozesses, das

sogenannte Assessment Familienprozess (engl. Assessment of strategies in

families-effectiveness). Dies hat das Ziel, in der Pflege von Familien die Stabilität,

Kongruenz (in diesem Fall „Übereinstimmung von Anforderungen, Werten und

Zielen innerhalb des Familiensystems“62) und die Gesundheit zu fördern.63

5.2 Definition Familiengesundheitspflege

Die Familiengesundheitspflege (FGP), übersetzt aus dem Englischen „Family

Health Nursing“ (FHN), wird wie folgt definiert:

„Die sogenannte ‚Familiengesundheitsschwester’ kann dem einzelnen Menschen

und ganzen Familien helfen, mit Krankheit und chronischer Behinderung fertig zu

werden und in Stresssituationen zurechtzukommen, indem sie einen großen Teil

ihrer Arbeitszeit im Zuhause der Patienten und mit deren Familien verbringt. Diese

Pflegefachkräfte können sinnvolle Ratschläge zu Fragen der Lebensweise und

verhaltensbedingten Risikofaktoren erteilen und den Familien in gesundheitlichen

Anliegen zur Seite stehen. Sie können die gesundheitlichen Probleme schon im

Frühstadium erkennen und damit gewährleisten, dass sie auch frühzeitig

behandelt werden. Mit ihrem gesundheitswissenschaftlichen und

sozialwissenschaftlichen Ausbildungshintergrund und ihrer Kenntnis anderer

Sozialfragen zuständiger Stellen können sie die Auswirkungen sozioökonomischer

                                                                                                               61 Warmbrunn & Wied (2012) S. 59-60 62 Warmbrunn & Wied (2012) S.492 63 Warmbrunn & Wied (2012) S. 60

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Faktoren auf die Gesundheit einer Familie erkennen und die Familie an die

richtige zuständige Stelle überweisen. Durch häusliche Pflege können sie eine

frühe Entlassung aus dem Krankenhaus erleichtern, sie können als

Verbindungsglied zwischen Familie und Hausarzt dienen und an die Stelle des

Arztes treten, wenn eindeutig eher pflegerische Sachkenntnis gefordert ist.“ 64

5.3 Entwicklung und Geschichte

Das Konzept „Family Health Nurse“ wurde von der Weltgesundheitsorganisation,

(WHO) und durch mehrere Konferenzen entwickelt. 1978 wurde in der Deklaration

von Alma-Ata die primäre Gesundheitsversorgung als zentrale Strategie der WHO

bestimmt. Im Jahr 1988 wurde in der Wiener Erklärung zur Pflege die dringende

Notwendigkeit formuliert, dass Regierungen und nationale

Gesundheitsentscheider die Pflegenden dabei unterstützen, Veränderungen in der

Pflege vorzunehmen, um die regionalen Ziele für „Gesundheit für Alle“ zu

erreichen. Eine stärkere Einbeziehung der Pflegenden in die Entwicklung von

Gesundheitspolitik und Strategien auf allen Ebenen sowie einen Schwerpunkt auf

Pflegende in den Strukturen der primären Gesundheitsversorgung, wie in der

Alma-Ata-Erklärung beschrieben, wurde verlangt.65

1998 wird in Kopenhagen die sogenannte „Gesundheit 21“ Strategie für die

europäische WHO verabschiedet. 66 In dieser Strategie werden 21 Ziele

beschrieben, durch die das Hauptziel „Gesundheit für Alle“ erreicht werden soll.67

Auch wird durch die Definition der Familiengesundheitspflege (siehe oben) ein

Grundstein gelegt.

Im Jahr 2000 verabschieden die Gesundheitsminister der WHO-Region Europa

die sogenannte Münchner Erklärung, welche Potenziale für die Entwicklung der

Rolle und Grundlagen für einige Kernbereiche der Hebammen und Pflegenden

formuliert. Die Familiengesundheitspflege ist laut der Münchner Erklärung eine

Antwort auf eine Reihe von Herausforderungen für die Gesundheit und

Gesundheitsversorgung der Menschen in Europa.

                                                                                                               64 Weltgesundheitsorganisation (1999) S. 169-170 65 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S.11 66 Vgl. Macht (2010) S.8 67 Vgl. Dichter et al. (2009) S.140

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Die Implementierung der Familiengesundheitspflege wurde über mehrere Jahre in

verschiedenen Ländern evaluiert und von der WHO zusammengefasst. Die

Abschlusstagung 2006 in Berlin zeigte, dass dieses Konzept umsetzbar ist.

Seitdem wird es von vielen Regierungen in ganz Europa unterstützt.68

Zwischen Mai 2004 und Februar 2005 wurde in Deutschland eine wissenschaftlich

begleitete Projektdesign- und Konsensphase durchgeführt. Daraus ergaben sich

fünf verschiedene Szenarien, in denen die Familiengesundheitspflege im

deutschen Gesundheitssystem eingesetzt werden kann. 69 Im ersten Szenario

handelt es sich um „Aufsuchende Hilfe bei einem alleinstehenden älteren Herrn“70.

Das zweite Szenario ist „Case Management und unterstützende Begleitung der

Familie“70. Im dritten Szenario wird „die Familiengesundheitspflegerin als

Pflegeexpertin in der Hausarztpraxis“70 angesiedelt. Szenario 4 stellt „die

Familienhebamme im öffentlichen Gesundheitsdienst“70 und Szenario 5

„Stadtteilbezogene Prävention und Gesundheitsförderung“70 dar.

Eine modellhafte Weiterbildung zur Familiengesundheitspfleger/in (FGP) und der

Familiengesundheitshebamme (FGH) wurde ab Oktober 2005 vom Deutschen

Bundesverband für Pflegeberufe (DBfK) angeboten. Dieses Modellprojekt dauerte

insgesamt zwei Jahre und wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

sowie der Robert Bosch Stiftung gefördert. Zu dem Modellprojekt startete der

DBfK 2005 eine Begleitforschung, die sich in zwei Untersuchungsphasen

gliederte. In der ersten Phase wurde die Weiterbildung evaluiert. In der zweiten

Phase lag der Schwerpunkt auf dem Verbleib der Absolventen/innen und

möglichen ersten Auswirkungen der neuen Rollen auf die deutsche Gesundheits-

und Sozialversorgung. 71 Anhand dieser Evaluation wurde die Weiterbildung

überarbeitet.

Da sich diese Thesis mit der Familiengesundheitspflege im Bereich der Pflege

beschäftigt, wird im folgenden Kapitel nur die Familiengesundheitspflege benannt,

nicht aber die Familiengesundheitshebamme. Die Inhalte der Weiterbildung sind

jedoch gleich.                                                                                                                68 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S.11-12 69 Dichter et al. (2009) S.141  70 Dichter et al. (2009) S.141/ Wagner, Schnepp (2001) S. 47 71 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S.15 -17

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5.4 Ausbildung in Deutschland

Die Weiterbildung zur Familiengesundheitspfleger/in wird aktuell vom DBfK an

verschiedenen Standorten wie Berlin, Essen und Itzehoe angeboten. 72

Zugangsvoraussetzungen für diese Weiterbildung sind zwei Jahre

Berufserfahrung in der Gesundheits- und Kinder-, sowie Krankenpflege oder in der

Altenpflege. Auch für Hebammen wird diese Weiterbildung angeboten. Während

der Weiterbildung wird empfohlen, mindestens 50 Prozent in den Praxisfeldern zu

arbeiten.73 Die Weiterbildung erfolgt somit berufsbegleitend über zwei Jahre, in

denen 720 Stunden auf acht verschiedene Module (Einführung

Familiengesundheitspflege, Public Health, Arbeit mit Familien,

Gesundheitsförderung und -beratung, Entscheidungsfindung und Problemlösung,

Informationsmanagement und Forschung, Case-Management und

Multidisziplinäres Arbeiten) verteilt sind. Die Präsenzzeiten sind auf 3- bis 4-

tägige Blöcke von mittwochs bis samstags verteilt. Die Weiterbildung kostet

insgesamt 3990 Euro.74

5.5 Zielgruppen

Die Zielgruppe der FGP in Deutschland sind Familien mit pflegebedürftigen

Kindern und Erwachsenen sowie vulnerable Personen oder Gruppen wie

Migranten, Kinder, Jugendliche und alleinstehende ältere Personen aber auch

chronisch kranke und pflegebedürftige Menschen mit ihren Familien, Frauen mit

Risikoschwangerschaft, drogenabhängige Schwangere und Mütter,

alleinerziehende Personen, all die Familien und Gruppen, die sich in einer Krisen-

und Umbruchsituation befinden. Gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich

benachteiligte Einzelpersonen, Familien und Bevölkerungsgruppen, diejenigen mit

erschwertem Zugang zum Gesundheitssystem gehören zur Zielgruppe der FGP.75

                                                                                                               72 Vgl. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege- Weiterbildungs-Standorte 73 Vgl. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege- Zugangsvoraussetzungen 74 Vgl. Deutscher Bundesverband für Pflegeberufe, Weiterbildung Familiengesundheit für Pflegende und Hebammen- Standort Berlin 75 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S.34 u. 53

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5.6 Rolle der Familienpflege

Familiengesundheitspfleger/innen fungieren in den Familien vor allem als

Gesprächspartner, Anleiter, Berater, Begleiter, Motivator, Lotsen, Vermittler, als

Vernetzer, Fürsprecher und als Stabilisator. Diese Unterstützung befähigt

Einzelpersonen, Familien und Gruppen zum eigenständigen Handeln. Diese

Versorgung ist auf die gesamte Lebensspanne ausgerichtet und umfasst neben

der pflegespezifischen Betreuung und Begleitung vor allem Prävention,

Gesundheitsförderung und Rehabilitation. Somit kann die Rolle der FGP als

multifaktoriell bezeichnet werden. 76 Im Kapitel Handlungskompetenzen wird

genauer auf die einzelnen Rollen und Aufgaben eingegangen.

5.7 Ansiedelung der Familiengesundheitspflege

Laut Wagner und Schnepp kann der Zugang zu den Familien über den

ambulanten Pflegedienst, öffentliche Institutionen wie das Gesundheits- oder

Jugendamt, aber auch über die Klinik und den Angehörigengesprächskreis

erfolgen. So kann FGP in ambulanten Pflegediensten, in der Klinik,

Beratungsstellen oder in der Schule angesiedelt sein.77

Aktuell sind Familiengesundheitspfleger/innen in verschiedenen Bereichen

vertreten, wie Beratungseinrichtungen, im öffentlichen Gesundheitsdienst und bei

Gesundheits- und Jugendämtern. Auch können sie freiberuflich im Auftrag der

Barmer GEK (Krankenkasse) oder bei Projekten der frühen Hilfe, Demenzhilfe,

Entlastung pflegender Angehöriger, Drogenberatung, familiale Pflege78 und im

Entlassungsmanagement arbeiten.79

5.7.1 Sozialmedizinischer Nachsorgedienst

Im Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg, arbeiten viele Gesundheits- und

Kinderkrankenschwestern mit der Weiterbildung zur FGP in einem sogenannten

sozialmedizinischen Nachsorgedienst. Diese sozialmedizinischen

Nachsorgedienste betreuen schwer- und chronisch kranke Kinder und ihre

                                                                                                               76 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S. 34 77 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S. 35 78 Projekt, das Angehörigentraining anbietet um pflegebedürftige Menschen im familiären Setting versorgen zu können. Vgl.: AOK (07.08.14) 79 Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Flyer: Weiterbildung Familiengesundheit für Pflegende und Hebammen- Standort Berlin

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Familien, wenn diese aus dem Krankenhaus oder der Rehabilitation entlassen

werden und weiter ambulant versorgt werden müssen. Die sozialmedizinische

Nachsorge stellt somit sicher, „dass qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

das Kind und seine Familie von der stationären Behandlung oder Rehabilitation ab

begleiten und einen reibungslosen Übergang in die häusliche Pflege und die

ambulante Behandlung ermöglichen“80.

„Voraussetzung ist, dass die Nachsorge wegen der Erkrankung erforderlich ist, um

den stationären Aufenthalt zu verkürzen oder die anschließende ambulante

Behandlung zu sichern.“ 81 Versicherte haben gegenüber ihrer Krankenkasse

einen Anspruch auf diese so genannte sozialmedizinische Nachsorge, wenn

chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder und Jugendliche das 14.

Lebensjahr, in besonders schwerwiegenden Fällen das 18. Lebensjahr noch nicht

vollendet haben.82

Der bekannteste soziale Nachsorgedienst in Deutschland ist der „Bunte Kreis“.

Dieses Modell wurde Anfang der 1990er in Augsburg aufgrund des sogenannten

„Drehtüreffekts“ entwickelt. Dieser Begriff beinhaltet, dass Kinder in einer Klinik

professionell versorgt und die Eltern in der Betreuung unterwiesen wurden; aber

kurz nach der Entlassung standen die Familien wieder in der Klinik, weil in der

häuslichen Situation kleine Probleme zu einer Bedrohung ihres schwer kranken

Kindes oder zu einer Überforderung der Eltern wurden. Das Nachsorge-Modell hat

in Deutschland Vorbildfunktion, denn über 80 Einrichtungen arbeiten nach den

gleichen Prinzipien und Qualitätsstandards. Diese sind alle im Bundesverband

Bunter Kreis e.V. zusammengeschlossen.  Einrichtungen, die nach dem Modell des

Bunten Kreises arbeiten, sind in regionalen Netzwerken integriert und vernetzt. Sie

arbeiten in einem interdisziplinären Team (Arzt, Kinderkrankenschwester,

Sozialpädagoge, Psychologe und Seelsorger). Neben der sozialmedizinischen

Nachsorge sind auch andere Angebote, z.B. Patiententraining oder Angebote für

Geschwister fester Bestandteil der Einrichtungen.83

                                                                                                               80 Bundesministerium für Gesundheit (02.03.2015) 81 Bundesministerium für Gesundheit (02.03.2015) 82 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (02.03.2015) 83 Bundesverband Bunter Kreis e.V.: Modell Bunter Kreis

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Auch Leuchtturm Hamburg e.V., der sozialmedizinische Nachsorgedienst des

Altonaer Kinderkrankenhauses (AKK) ist in diesem Netzwerk eingebunden.84

5.8 Handlungskompetenzen

„Die Unterstützung der FGP (...) ist vielfältig und individuell auf die Bedarfe der

Familien abgestimmt.“85

Schnepp und Wagner (2011) beschreiben die Kernaufgaben der FGP. Zu ihnen

gehören das „familiensystemische Assessment einschließlich der Einschätzung

und Nutzung erforderlicher Hilfen und vorhandener Ressourcen, die Planung,

Durchführung und Evaluation der daraus resultierenden Interventionen wie z.B.

die Durchführung von Familienkonferenzen, Familien-Helfer-Konferenzen bzw.

Hilfeplangesprächen, die Information und Beratung über die vorhandenen

Hilfsangebote, die frühzeitige Einbindung und Vernetzung aller, für den

Versorgungsprozess erforderlichen Leistungsanbieter einschließlich dem

koordinierten Entlassungsmanagement“86. „Den Familien ist es wichtig, dass sie

aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.“87

Aus der WHO-Pilotstudie zur Family Health Nurse in Deutschland, einer

qualitativen Untersuchung von Krüger et al. gehen die Handlungskompetenzen,

die sich die Familien von der FGP wünschen, hervor.

Die Voraussetzung für eine gelungene Unterstützung der FGP in den Familien ist,

das Vertrauen der Pflegebedürftigen und ihrer Familien zu erlangen. Dazu braucht

es „Gespräche, den Einbezug und die Partizipation aller Familienmitglieder“88

jedoch auch eine „einfache Erreichbarkeit“89 der FGP. Daher wird zwischen der

FGP und den Familien alle ein bis zwei Wochen ein Termin über 90 Minuten

ausgemacht, allerdings ist die FGP auch darüber hinaus erreichbar.

Die Familien erachten die Gespräche über die familiäre und pflegerische Situation

als besonders wichtig und hilfreich. Während dieser Gespräche können sie mit der

FGP über Themen und Angelegenheiten sprechen, über die sie in der Familie

oder mit Freunden/innen nicht reden.

                                                                                                               84 Leuchtturm Hamburg e.V. - Über uns 85 Krüger et al. (2012) S.179 86  Wagner, Schnepp (2001) S. 35  87 Wagner, Schnepp (2001) S. 35 88 Krüger et al. (2012) S.179 89 Krüger et al. (2012) S.179  

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In den Gesprächen werden alle Familienmitglieder miteinbezogen. Die FGP fragt

nach Wünschen und Bedarfen der Familie und holt für alle ihre Aktivitäten die

Meinung und das Einverständnis der Familie ein, was zu einer vertrauensvollen

Basis führt.90

Die Stabilisierung der familiären Situation steht, laut Krüger, Eberl und Schnepp

(2011), besonders im Vordergrund. Dies hat durch unterschiedliche Maßnahmen

oberste Priorität, bevor weitere Unterstützungsmöglichkeiten angeboten werden

können. Zu diesen Maßnahmen gehört die Vermittlung bei Konflikten innerhalb der

Familien. Dabei werden die FGP als neutrale Ansprechpartner wahrgenommen,

„die bei durch Pflegesituationen hervorgerufenen Konflikten innerhalb der Familie

moderieren und ausgleichend handeln dürfen“91.

Weiterhin erweitern und stärken FGP das informelle Pflegenetzwerk. Je nach

Familie ist der Kreis der Pflegepersonen unterschiedlich groß. So regen FGP

beispielsweise an, die Hauptpflegeperson zu entlasten und versuchen weitere

Personen in die Pflege mit einzubeziehen, wie Kinder, Geschwister oder

ehrenamtliche Helfer/innen der Pflegebedürftigen. Die FGP ermutigt die

Hauptpflegepersonen, trotz der Belastungen auf sich selber, das eigene

Wohlbefinden und die Gesundheit zu achten. Zur Entlastung gehört auch die

Bestärkung professionelle Hilfe wie Pflegedienste, in Anspruch zu nehmen und die

„dadurch entstandenen Freiräume für sich zu nutzen“92.

Eine Person zum Reden zu haben, welche „die Situation kennt, einschätzen kann

und aufgrund der kontinuierlichen Betreuung Veränderungen feststellt“93, gibt den

Familien Sicherheit und Bestätigung, da eine dritte, objektive Meinung einer

Fachkraft vorhanden ist. Durch die Reflexion der Situation ermöglichen die FGP

den Familien eine Änderung des Blickwinkels. Eine Person, die im Hintergrund ist

und bei Bedarf noch „einmal nachhakt“94, ist für die Familien enorm wichtig. Bei

verschiedenen Problemen, die zu dem Zeitpunkt nicht von den Familien vertreten

werden können, übernimmt die FGP die „Anwaltschaft“.

                                                                                                               90 Vgl. Krüger et al. (2012) S.179 91  Krüger et al. (2012) S.179 92 Krüger et al. (2012) S. 180 93 Krüger et al. (2012) S. 180 94 Krüger et al. (2012) S. 180  

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Sie helfen den Familien dabei, schwierige soziale Lagen zu strukturieren und

erleichtern durch Vermittlung zu Freizeitangeboten 95 oder Selbsthilfegruppen,

sowie Angehörigengesprächskreisen oder ehrenamtlichen Helfern den Alltag.96

Laut Krüger et al. (2012) berichten die Familien in der Studie von Pflege- und

gesundheitsbezogenen Tätigkeiten der FGP, die sich direkt auf die Pflege des

Angehörigen bezieht, wie beispielswiese Ganzkörper-oder Teilkörperwäsche.

Hinzu kommt eine Aufklärung über die Erkrankung und Informationen zur

Alltagsgestaltung und den Einsatz adäquater Hilfsmittel. „Diese Beratung der FGP

ermöglicht den Familien die jeweiligen Pflegesituationen im Alltag zu

bewältigen.“97

Die FGP dient den Familien im Case Management oder als Lotsenfunktion, indem

sie eine Vielzahl unterschiedlicher Unterstützungsmöglichkeiten bietet. Die

Familien werden zum einen über die Inhalte der Sozialgesetzbücher (SGB)

informiert, aber auch über die Leistungen des SGB beraten und bei Antragstellung

wird ihnen Hilfestellung geboten. FGP verweisen zum anderen die Familien an

verschiedene Institutionen und professionelle Akteur/innen, nennen

Sanitätshäuser und stellen Informationsmaterialien zur Verfügung. Wird der

Kompetenzbereich der FGP überschritten, vermittelt sie beispielsweise an

Psychologen oder ehrenamtliche Betreuer/innen.98 Daher ist es Familien wichtig,

dass die FGP ihre häusliche Situation kennt.99

5.9 Handlungsfelder Schnepp und Wagner (2011) geben nach der Begleitforschung Empfehlungen ab,

wie sich das Handlungsfeld der FGP verfestigen kann. So sollte ihrer Meinung

nach die Ansiedelung der FGP in einer Hausarztpraxis erprobt werden, um eine

Umverteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie eine verbesserte

Versorgung von älteren und chronisch kranken Personen und ihrer Familien zu

erzielen. Besonders in ländlichen Regionen mit niedriger Hausarztdichte wäre ein

Handlungsfeld für die FGP denkbar. In deutschen Hausarztpraxen sollten FGP

das Familienassessment und das geriatrische Assessment übernehmen.

                                                                                                               95 Vgl. Krüger et al. (2012) S.179-180 96 Wagner, Schnepp (2001) S. 35 97 Vgl. Krüger et al. (2012) S. 180 98 Vgl. Krüger et al. (2012) S.180 99 Wagner, Schnepp (2001) S. 35

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Im Rahmen der Prävention und Gesundheitsförderung sollten sie Angebote wie

Beratung, Schulung und Begleitung z.B. zur Ernährungsberatung bei Kindern und

Jugendlichen und deren Familien durchführen. Weiterhin könnte die FGP das

„Case- bzw. Disease- und Medikamentenmanagement zur verbesserten

Versorgung chronisch kranker Personen“100 übernehmen.101

Auch sollte den FGP die Verordnung der Pflegehilfsmittel übertragen werden.

Unter Pflegehilfsmittel versteht man die „Geräte und Sachmittel, die zur häuslichen

Pflege notwendig sind“ 102 . Diese erleichtern und tragen dazu bei, dem

Pflegebedürftigen eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen. Hierbei wird

zwischen den technischen Pflegehilfsmitteln (Pflegebett, Lagerungshilfen etc.) und

den Verbrauchsprodukten (Einmalhandschuhe, Betteinlagen) unterschieden.103

Laut Schnepp und Wagner (2001) wurden „mit der Reform der Pflegeversicherung

(BMG 2008) (...) Aufgabenfelder geschaffen, für welche die FGP ebenfalls

geeignete Akteure darstellen“ 104 . Diese können beispielsweise das Case-

Management, Pflegestützpunkte, umfassende Pflegeberatung, sowie die

Selbstständigkeit von Familiengesundheitspflegenden sein. Sind Pflegende

selbständig, haben sie Verträge mit Pflegekassen, um einen oder mehrere

Pflegebedürftige und ihre Familien zu versorgen.

Auch könnten die Kompetenzen der FGP in Kindertageszentren,

Familienbildungs- und Beratungsangeboten genutzt werden.

Familiengesundheitspflegende mit einer Ausbildung in der Gesundheits- und

Kinderkrankenpflege sollten in Frühwarnsysteme eingebunden werden, um

Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung vorbeugen zu können, indem sie

mit der Gesundheits- und Jugendhilfe kooperieren.105

                                                                                                               100 Wagner, Schnepp (2001) S. 38 101 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S. 38 102  Bundesministerium für Gesundheit (01.01.2015)  103 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (01.01.2015) 104 Wagner, Schnepp (2001) S. 38  105 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S. 37-39

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5.10 Finanzierung Die Finanzierung der Leistungen hat sich seit der Pilotstudie verändert. Kurz nach

der Pilotstudie erfolgte die Finanzierung der FGP fast ausschließlich über das

SGB XI, beispielsweise über die Beratungseinsätze nach §37 und das SGB V

über die Behandlungs- und Vermeidungspflege. In den Kliniken wurden die

Leistungen im Rahmen der Pflegeüberleitung abgerechnet.106

Seit dem 1. Juli 2012 besteht eine gemeinsame Rahmenvereinbarung zwischen

dem DBfK und der Barmer GEK (Krankenkasse) welche „pflegenden Angehörigen

oder anderen pflegenden Personen bei der Versorgung ihres Pflegebedürftigen

Unterstützung durch Familiengesundheitspflegende“107 anbietet.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Leistung ist, „dass entweder der

Pflegebedürftige selbst oder eine der anwesenden pflegenden Personen bei der

Barmer GEK versichert ist“107.

Die Leistung umfasst bis zu 21 Stunden Unterstützung innerhalb von sieben

Monaten nach dem Familiengesundheitskonzept. „Diese können auch schon im

Rahmen der Überleitungspflege vor der Entlassung des Pflegebedürftigen aus der

stationären Einrichtung erbracht werden.“ 107

6. Ergebnisbetrachtung der Familiengesundheitspflege im stationären Setting

In diesem Kapitel sollen die Fragestellungen anhand der Erkenntnisse aus der

Literatur reflektiert und beantwortet werden. Dazu werden die Fragestellungen

einzeln betrachtet. Ob ein/e Familiengesundheitspfleger/in im stationären Setting

eine feste Bezugsperson für Eltern Früh- und kranker Reifgeborener über den

gesamten Klinikaufenthalt sein kann, wird im Folgenden beschrieben. Ebenso

welchen Aufgabenbereich sie übernehmen, sowie wo diese strukturell angesiedelt

werden können.

                                                                                                               106 Vgl. Wagner, Schnepp (2001) S. 36 107 Barmer GEK

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6.1 Familiengesundheitspflege als feste Bezugsperson Zu Beginn möchte ich den Begriff Bezugsperson kurz erläutern. Im Allgemeinen

versteht man unter einer Bezugsperson eine Person deren Werte, Normen,

Einstellungen und Verhaltensweisen als Orientierungsgrundlage für das eigene

Verhalten, die Handlungen und Meinungen dienen. Im Pflegeprozess von

Akutstationen regeln Bezugspersonen Besuchs- und Auskunftsmöglichkeiten.108

Laut Wagner und Schnepp (2001) kann FGP in vielen Bereichen angesiedelt

werden, unter anderem auch in Kliniken. 109 Das bedeutet, sie können im

stationären Setting eingesetzt werden.

Bisher ist FGP besonders in sozialmedizinischen Nachsorgediensten vertreten

und hat somit seinen Schwerpunkt im häuslichen Setting. In der Definition der

FGP wird beschrieben, dass sie: dem einzelnen Menschen und ganzen Familien

helfen kann, mit Krankheit und chronischer Behinderung fertig zu werden sowie in

Stresssituationen zurechtzukommen, indem sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit

im Zuhause der Patienten und mit deren Familien verbringt.110

Familien mit Früh- und kranken Neugeborenen brauchen jedoch schon im

stationären Setting Unterstützung, um mit diesen Stresssituationen umgehen zu

können. Auch brauchen sie Hilfe bei der Krankheitsbewältigung ihres Kindes.

Diese Bedarfe haben also nicht nur Familien im häuslichen Umfeld, sondern sie

existieren schon viel früher nämlich im stationären Setting.

Der Schwerpunkt der FGP liegt darin, wie oben beschrieben, einen großen Teil

ihrer Arbeitszeit im „Zuhause“ der Patienten und mit deren Familien zu verbringen.

Hierbei ist zu bedenken, dass für die Frühgeborenen das Krankenhaus in den

ersten Wochen und teilweise Monaten ihr „Zuhause“ darstellt. Für viele Familien

ist während dieser schweren Zeit das Krankenhaus ihr „zweites Zuhause“.

Besonders Mütter investieren so viel Zeit wie sie können, um bei ihrem kranken

Kind zu sein.

In meinem ersten Einsatz auf der Neugeborenen IMC des Altonaer

Kinderkrankenhauses gab es Eltern, die den Ablauf auf Station besser kannten,

als ich. Dies mag etwas überspitzt sein, jedoch muss bedacht werden, dass Eltern

von Frühgeborenen teilweise Monate lang ihr Kind im Krankenhaus besuchen.

                                                                                                               108 Vgl.Warmbrunn & Wied (2012) S.123 109 siehe S.19 110 siehe S.15

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Manche haben auch die Möglichkeit in speziellen Elternzimmern zu wohnen, wenn

die Anreise sehr weit ist. In der letzten Woche vor der Entlassung der Kinder

können die Eltern auch auf Station zusammen mit ihrem Kind in einem Zimmer

„wohnen“, um sich mehr an die häusliche Situation zu gewöhnen. Legt man

„Zuhause“ auf diese Art aus, sollten Familiengesundheitspflegende definitiv im

stationären Setting arbeiten und viel Zeit mit den Familien und Patienten

verbringen. Die Familien brauchen eine Bezugsperson, eine Person an die sie

sich wenden können, die Verständnis für ihre Situation hat, an der sie sich im

Umgang mit ihrem Kind orientieren können.

Weiterhin heißt es in der Definition: „Sie können die gesundheitlichen Probleme

schon im Frühstadium erkennen und damit gewährleisten, dass sie auch frühzeitig

behandelt werden.“111 Das bedeutet also, FGP soll präventiv arbeiten. Werden

Familien erst zu Hause betreut, kann es schon „zu spät“ sein, da erste Probleme

schon im Krankenhaus auftreten wie beispielsweise Ängste und Unsicherheit. Aus

Kapitel 3.2 kann entnommen werden, dass eine Frühgeburt neben physischen

Problemen auch durch psychische Probleme verursacht werden kann. Daher kann

davon ausgegangen werden, dass einige Mütter dieser Kinder schon vorbelastet

sind. Diese Probleme müssen schon im Krankenhaus erkannt werden, um die

Familien entlasten zu können.

Die Weiterbildung zur FGP ermöglicht ein multidisziplinäres Arbeiten mit Familien,

das solchen Problemen entgegen wirken kann. Darüberhinaus haben

Familiengesundheitspfleger/innen durch die Weiterbildung die Fähigkeit

Ansprechpartner/innen und mehr noch eine Bezugsperson im Stationären Setting

für Familien sein zu können.

Die FGP kann dann eine feste Bezugsperson für Eltern Früh- und kranker

Reifgeborener über den gesamten Klinikaufenthalt sein, wenn sie einen „großen

Teil ihrer Arbeitszeit“112 von Beginn der Aufnahme mit dem Patienten und den

Familien verbringen. Durch die Zeit, die sie investieren, bauen sie ein

Vertrauensverhältnis zu den Familien auf und können diese dann durch Krisen-

und Stresssituationen hindurch begleiten, ihnen als Anleiter, Berater und Motivator

zu Seite stehen, sowie als Fürsprecher, Vermittler und Gesprächspartner agieren.

Dies sind nur einige Aufgaben, welche die FGP übernehmen kann und sollte.                                                                                                                111 siehe S.15 112  Weltgesundheitsorganisation (1999) S. 169  

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Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen im stationären Setting sind durch

die Unterbesetzung so mit der Grundpflege der Patienten ausgelastet, dass sie

diese vielen Aufgabenfelder nicht bewältigen können. Laut des deutschen

Ärzteblattes (2015) geht aus einer Umfrage aus dem Herbst 2014 des

Marktforschungsinstitutes Forsa hervor, das jedes zehnte Krankenhaus einen

Pflegenotstand hat.113

Außerdem fehlen den Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen wichtige

Grundlagen aus den Bereichen Public Health, der Arbeit mit Familien, der

Gesundheitsförderung und -beratung, sowie der Entscheidungsfindung und

Problemlösung, dem Informationsmanagement, der Forschung und dem Case-

Management, die in der Weiterbildung zur FGP vermittelt werden.114

So kann festgehalten werden, dass Familiengesundheitspflege im stationären

Setting angesiedelt werden kann und sollte, da Familien in solchen

Ausnahmesituationen eine besonders intensive Betreuung benötigen. Um eine

feste Bezugsperson über den ganzen stationären Aufenthalt für solche Familien

zu schaffen, braucht es jedoch Zeit. Zum einen bedarf es Zeit um Vertrauen zu

den Familien aufzubauen, zum anderen Arbeitszeit, die genutzt wird, um

Gespräche mit den Familien zu führen, um ihr Vertrauen zu erlangen.

Wie die Aufgabenbereiche der FGP als Bezugsperson im stationären Setting

aussehen, wird im Folgenden beschrieben.

6.2 Aufgabenbereiche der Familiengesundheitspflege Die wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Unterstützung der FGP in den

Familien ist, das Vertrauen der Pflegebedürftigen und ihrer Familien zu

erlangen, 115 dies stellt somit einen wichtigen Aufgabenbereich dar. Um das

Vertrauen der Familie zu erlangen, sollte die FGP von der Aufnahme bis zur

Entlassung des Patienten der Familie zur Seite stehen.

Daher sollte einer der Aufgabenbereiche der FGP im stationären Setting das

Erstgespräch mit den Eltern/der Familie sein. In diesem Gespräch kann die FGP

zusammen mit dem Arzt die Eltern auf die erste Begegnung mit dem Kind

vorbereiten, ihnen erklären wie sie ihr Kind vorfinden werden und in welcher

                                                                                                               113 Deutsches Ärzteblatt (2015) 114 siehe S.18 115 siehe S.21

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gesundheitlichen Situation es sich befindet. Eltern empfinden die erste Begegnung

mit ihrem Kind sehr oft als befremdlich,116 daher wäre es sinnvoll, dass die FGP

die Eltern nach dem Vorgespräch an das Bett des Kindes begleitet und ihnen die

zuständige Gesundheits- und Krankenpflege für das Kind vorstellt.

Weiterhin sollte die FGP als Bezugsperson in dieser Situation als Ansprechpartner

für die Eltern zur Verfügung stehen, indem sie Fragen beantwortet und die

technischen Geräte erklärt, die Ängste der Eltern etwas zu mindern und sie mit der

Situation vertraut machen.

Eine weitere Aufgabe der FGP sollte es sein, den Eltern die Station zu zeigen,

ihnen eine Broschüre der Station mitzugeben und die Eltern darüber zu

informieren, wie der Stationsablauf ist (ggf. noch einmal schriftlich in einer

Broschüre). Auch sollte die FGP den Eltern vermitteln, dass sie immer auf der

Station anrufen dürfen, um den Gesundheitszustand des Kindes zu erfragen.

Um weiterhin Vertrauen aufzubauen und eine Bezugsperson für die Familie zu

werden, sollte die FGP sich regelmäßig nach der Befindlichkeit der Familie

erkundigen, ihnen Zeit und Raum für mögliche Fragen, Zweifel, Sorgen und Nöte

bieten.117 Auch ist es wichtig, dass die FGP sich für alle ihre Aktivitäten, wie

beispielsweise Gespräche oder pflegerische Maßnahmen am Kind, die Meinung

und das Einverständnis der Familie einholen.118

In den Gesprächen kann das „familiensystemische Assessment“119 zum Einsatz

kommen. Das bedeutet, die FGP schätzt die vorhandenen Ressourcen der Familie

ein und nutzt diese. Auch kann sie Probleme ausmachen und die Planung,

Durchführung und Evaluation der daraus resultierenden Interventionen

übernehmen. Dies kann z.B. die Durchführung von Familienkonferenzen oder die

Information, Anleitung und Beratung sein. Sind Probleme in der Familie

vorhanden, ist es Aufgabe der FGP die familiäre Situation zu stabilisieren.120

Die von der FGP im stationären Setting ermittelten Probleme und Ressourcen

können die Arbeit des sozialmedizinischen Nachsorgedienstes unterstützen, da

schon eine Vorarbeit geleistet wurde.

                                                                                                               116 Vgl. Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.9 117 Bundesverband " Das Frühgeborene Kind" e.V. (2010) S.15 118 Vgl. Krüger et al. (2012) S.179 119 siehe S.21 120 siehe S.22

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Da es, wie in Kapitel 4.1 beschrieben, nur wenige Rückmeldungen der Eltern an

die Stationen gibt, kann die FGP als Bezugsperson den Eltern nahe legen, ihr

Feedback über die Zeit auf der Station an das Krankenhaus zu melden, bzw. die

Einschätzung der Eltern persönlich erfragen. Die Aufgabe der FGP kann in einer

Art Zwischen- und Abschlussgespräch bestehen, das sie mit den Familien führt

und in dem sie gezielt erfragen kann, wie sich die Familien vom Team behandelt

fühlen oder ob es Schwierigkeiten gibt bzw. gab. Wenn die FGP eine neutrale

außenstehende Person ist und nicht in der Pflege mitarbeitet, kann sie den Eltern

helfen Situationen zu reflektieren und ggf. zwischen den Eltern und dem Team

oder einzelnen Teammitgliedern vermitteln. Auch kann sie Probleme in

Teamsitzungen ansprechen und somit als Vermittler und Fürsprecher der Familien

oder auch des Teams agieren.

Ein weiterer Aufgabenbereich der FGP im stationären Setting ist, die Familien

aktiv in Entscheidungsprozesse miteinzubinden, da dies den Familien sehr wichtig

ist. 121 Dies kann durch gemeinsame Gespräche der FGP mit Ärzten und den

Eltern geschehen. Die FGP kann im Gespräch oder danach unverständliche

Begriffe oder Handlungen erklären und vermitteln.

In den Gesprächen kann die FGP den Familien einen neuen „neutralen“

Blickwinkel geben und sie zur Versorgung ihres Kindes, zum Stillen, zu klärenden

Gesprächen oder zur Inanspruchnahme von Hilfe motivieren. Neben den

Gesprächen ist es auch wichtig, dass die FGP die Familien anleitet und berät.

Daher gehört es zum Aufgabenbereich der FGP, die Eltern während des

stationären Aufenthalts ihres Kindes im Umgang mit ihrem Kind anzuleiten, damit

diese ihre Ängste verlieren und sicher im Handling ihres Kindes werden.

So können die Familien beispielsweise beim Wickeln, Baden und Känguruhen

angeleitet und begleitet werden. Auch können Eltern das Sondieren, Füttern und

Stillen ihres Kindes übernehmen. Gibt es Probleme beim Stillen, kann die FGP der

Mutter eine Stillberatung vermitteln.

Wichtig ist auch, die Geschwisterkinder in die Anleitung miteinzubeziehen, auch

wenn sie beispielsweise lediglich beim Wickeln oder Baden zuschauen dürfen

oder ihren Eltern etwas anreichen.122

                                                                                                               121 siehe S.21 122 siehe S.11

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Die Aufgabe der FGP ist somit, den Eltern, aber auch den Geschwistern Angst vor

den vielen Kabeln und Infusionen zu nehmen, ihnen die Medikamente sowie die

Werte und Anzeigen der Monitore zu erklären, damit die Familie sich zum einen in

die Pflege miteinbezogen fühlt und zum anderen sicher im Handling mit ihrem

Kind wird.

Eltern von chronisch kranken Kindern sollten bereits im Krankenhaus von der FGP

auf die Entlassung vorbereitet werden. Die Familien werden zum einen über die

Inhalte der Sozialgesetzbücher (SGB) informiert, über die Leistungen des SGB

beraten und bei der Antragstellung unterstützt. Die FGP berät die Familien im

Hinblick auf Pflegehilfsmittel und weist sie in den Umgang damit ein. Sinnvoll,

besonders für die ambulante Betreuung, wäre es, wenn die FGP ohne ärztliche

Anordnung, Hilfsmittel verordnen dürfte.

In Österreich beispielsweise ist es den Pflegenden im Entlassungsmanagement

erlaubt die Pflegehilfsmittel für den häuslichen Bereich zu verordnen.

Zu den Aufgabenbereichen zählen dann je nach Krankheit und Bedarf des Kindes,

auch die Anleitung der Eltern in der Bedienung des Heimmonitors, der

Heimbeatmung, Medikamentengabe, sowie dem Umgang mit der PEG-

Ernährungssonde (Magensonde durch die Bauchdecke).

Auch sollten alle Eltern mit kreislaufinstabilen Kindern eine Anleitung in den

Wiederbelebungsmaßnahmen erhalten, um ihrem Kind zu Hause „Erste Hilfe“

leisten zu können. Weiterhin sollte die FGP die Beratung hinsichtlich der

Entlassung übernehmen und die Eltern ggf. an einen Kinderarzt, die

Physiotherapie, eine/n Psychologen/in, an Selbsthilfegruppen, eine Hebamme, die

Stillberatung und einen sozialmedizinischen Nachsorgedienst vermitteln.

In Gesprächen mit den Familien können schon vor der Entlassung Aufgaben in

der Familie verteilt werden, um Überlastungen von einzelnen Personen zu

vermeiden. Diese präventive Maßnahme, der Haushalts- oder Aufgabenplan der

Familie kann dann noch ggf. vom sozialmedizinischen Nachsorgedienst überprüft,

reflektiert und bei Bedarf neu erarbeitet werden.

Daher ist es wichtig, dass die FGP den Familien eine konkrete Vorstellung davon

vermittelt, wie der Alltag nach dem Krankenhausaufenthalt aussehen wird. Um die

Eltern im stationären Setting auf die Entlassung und ihr zu Hause vorzubereiten,

braucht die FGP jedoch Erfahrung zum einen im neonatologischen Bereich, um

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pflegerische Bedarfe des Patienten besser einschätzen zu können und im

Handling in den Anleitungssequenzen sehr sicher zu sein.

Zum anderen ist es sicherlich angebracht, wenn die FGP als Bezugsperson von

Eltern mit Früh- und Neugeborenen schon selber Elternerfahrungen hat. Das gilt

besonders für die Frauen, da sie sich besser in die Mütter hineinversetzen und

somit eine Empathie entwickeln können. Dies ist für Mütter in diesen

Ausnahmesituationen sehr wichtig, da sie oft stärker emotional belastet sind.123

Die Einbindung in Frühwarnsysteme, um Kindeswohlgefährdung und

Vernachlässigung vorbeugen zu können, ist ein weiterer wichtiger

Verantwortungsbereich für die FGP, da sie so eng mit den Familien

zusammenarbeitet. In der letzten Zeit kommt es vermehrt zu Misshandlungen von

Säuglingen. Während meines sechswöchigen Praktikums auf der

Kinderintensivstation versorgten wir drei „geschüttelte“ Kinder. Auch der Fall des

zwei Monate alten Kindes aus Finkenwerder sorgte am 30. April im Hamburger

Abendblatt für Schlagzeilen. Der Säugling wurde durch Schläge seines Vaters

lebensgefährlich verletzt, obwohl das Jugendamt eingeschaltet war.124 Daher ist

es wichtig, dass die FGP mit den Jungendämtern kooperiert.

Beginnt die FGP die Betreuung des Kindes im Krankenhaus direkt nach der

Entbindung, könnten die Familien möglicherweise stabilisiert werden. Dazu ist es

wichtig, dass die FGP in Perinatalzentren angesiedelt ist und Gesundheits- und

Kranken-, sowie Kinderkrankenpfleger in Bezug auf dieses Thema sensibilisiert

werden, damit sie im Bedarfsfall die FGP, Psychologen oder Sozialarbeiter

verständigen können. Neben der Arbeit mit diesen Familien, könnte die FGP

Schulungen für Gesundheits- und Kranken-, sowie Kinderkrankenpfleger

durchführen, um diese für das Thema Missbrauch zu sensibilisieren.

Für Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen mit einer Weiterbildung zur

FGP in einer normalen Festanstellung im Krankenhaus ist es aufgrund des

Personalmangels nicht realisierbar, den Großteil der Arbeitszeit mit dem Patienten

und der Familie zu verbringen und die beschriebenen Aufgaben zu übernehmen.

                                                                                                               123 siehe S.9 124 Herder (2015)

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Deshalb werden im Folgenden zwei Ideen beschrieben, wo FGP im stationären

Setting strukturell angesiedelt werden kann und welchen Aufgabenbereich sie hat,

damit sie sich ausschließlich auf die Arbeit mit den Familien konzentrieren kann.

6.3 Strukturelle Ansiedelung der Familiengesundheitspflege Wie bereits in Kapitel 6.1 beschrieben, kann FGP in Kliniken angesiedelt werden

und laut Wagner und Schnepp (2001) im Rahmen der familialen Pflege und im

Entlassungsmanagement arbeiten. Bezogen auf die Arbeit mit Familien von Früh-

und kranken Neugeborenen sollte die FGP in erster Linie in allen Perinatalzentren

angesiedelt werden. Besonders in Perinatalzentren mit dem Level 1 ist sie

erforderlich, da hier Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1250g und mit einem

Schwangerschaftsalter jünger als eine vollendete 29. SSW sowie hohem Risiko125

geboren und versorgt werden. Je früher Kinder geboren werden, desto höher ist

die Wahrscheinlichkeit von Hirnblutungen und den damit einhergehenden

chronischen Erkrankungen. Auch sind die Familien, besonders die Mütter, noch

nicht auf die Geburt vorbereitet. Dies impliziert einen besonderen Umgang mit den

Patienten und deren Familien. Aufgrund des multidisziplinären Arbeitsfeldes der

FGP sind verschiedene Modelle denkbar, diese im stationären Setting in

Perinatalzentren anzusiedeln.

Der Bunte Kreis arbeitet in der Nachsorge nach dem Prinzip des Case

Management. Der Leuchtturm e.V. arbeitet ebenfalls nach diesem Prinzip. Die

Familiengesundheitspfleger/innen arbeiten im Altonaer Kinderkrankenhaus in

Teilzeit auf Intensiv- oder Neointensivstationen. Neben der Teilzeitarbeit sind sie

mit einem sozialversicherungsfreien Minijob im sozialmedizinischen

Nachsorgedienst Leuchtturm e.V. angestellt. Im stationären Setting fungieren sie

nicht als Familiengesundheitspfleger/innen, sondern ausschließlich als

Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen. Teilweise machen sie stationär

erste Bekanntschaft mit den Familien, haben jedoch keinen längeren Bezug zu

diesen, sondern lernen die Familien erst nach der Entlassung kennen.

Damit sich Vertrauen zwischen der Bezugsperson und den Familien mit Früh- und

kranken Neugeborenen entwickeln kann, was essenziell für die Arbeit der FGP ist,

braucht es Zeit für Begegnungen und Gespräche. Dieses Vertrauen kann also in

dem Modell des Altonaer Kinderkrankenhauses nicht gebaut werden.

                                                                                                               125 siehe S.4-5

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Laut Wagner und Schnepp (2001) ist es möglich, dass die FGP das Case

Management übernimmt. Um an das Modell des Altonaer Kinderkrankenhauses

anzuknüpfen und Bezugspersonen schon während des stationären Settings zu

schaffen, wäre die erste Idee, die FGP im Bezugspflege-Case-Management

anzusiedeln.

6.3.1 Bezugspflege-Case-Management Unter Bezugspflege (engl. primary care/nursing) versteht man eine bestimmte

„Arbeitsorganisation in der Pflege, bei der eine Pflegeperson die

Pflegeverantwortung für einen Patienten während des gesamten stationären

Aufenthalts (...) übernimmt“126. Nach Ewers und Schaeffer (2005) übernimmt in

diesem Konzept eine Bezugspflege neben den direkten Pflegeleistungen auch das

Case Management für die Patienten. Funktionen, die sonst an andere Abteilungen

delegiert werden, wie beispielsweise die Entlassungsplanung, werden auf der

Station von der/m Case Manager/in übernommen.127

Das bedeutet, die FGP arbeitet normal in der Pflege mit, ist jedoch von der

Aufnahme an, einem bestimmten Patienten mit seiner Familie zugewiesen und

kümmert sich um diese. Sinnvoll wäre es, wenn diese FGP als Bezugspflege im

Case-Management die Familie nicht nur durch den stationären Aufenthalt,

sondern auch danach ins ambulante Setting begleiten würde, damit die Bezugs-

und Vertrauensperson für die Familien gleich bleibt.

Die FGP würde die Familien anleiten und beraten, die Pflege des Kindes

übernehmen und auch die Entlassung planen. Der Vorteil ist, dass die FGP am

Patienten, dem Kind arbeitet und somit das Kind besser einschätzen kann. Durch

die lange Betreuung lernt die Bezugspflege auch die Familie besser kennen.

Wichtig ist, dass die FGP nicht mehr als zwei Kinder zugeteilt bekommt, denn das

Case-Management in der Bezugspflege ist sehr komplex, multidisziplinär und

erfordert viel Arbeitszeit. Es muss gewährleistet sein, dass ausreichend Zeit zur

Anleitung und Beratung der Familien zur Verfügung steht, sowie um als

Gesprächspartner zu agieren. In diesem Konzept ist die FGP jedoch Teil des

Teams und hat deswegen keine „außenstehende Rolle“ mehr. Daher könnte es ihr

schwerer fallen, zwischen der Familie und dem Team zu vermitteln.

                                                                                                               126  Vgl.Warmbrunn & Wied (2012) S.123  127 Vgl. Ewers & Schaeffer (2005) S.61

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Um dieses Konzept zu realisieren, muss es genug Familiengesundheitspflegende

auf solchen Neointensivstationen geben. Es muss gewährleistet sein, dass die

FGP während ihrer Arbeitszeit mit den Patienten und Familien arbeiten können,

für die sie Bezugspersonen sind und nicht auf irgendwelchen anderen Stationen

aushelfen oder zusätzlich noch mehr Patienten betreuen müssen.

Durch die Teilzeitarbeit, wie im Altonaer Kinderkrankenhaus, sind

Familiengesundheitspfleger/innen jedoch seltener auf der Station, so dass sie

nicht so viel Zeit mit dem Patienten und der Familie verbringen können wie ein

Vollzeitangestellte/r. Daher sollte die FGP in Vollzeit angestellt sein, wobei auch

die Arbeitszeit im ambulanten Setting berücksichtigt werden muss, in der sie ihre

Bezugsfamilie betreuen.

Dieses „Vollzeitkonzept“ in der Bezugspflege ist meiner Meinung nach schwer zu

realisieren, da die FGP nach der Entlassung ihres Bezugspatienten weniger

Stunden im stationären Setting arbeitet, was organisatorisch schwierig im

Dienstplan zu berücksichtigen wäre. In Anbetracht der neuen Qualitätssicherungs-

Richtlinie für Früh- und Reifgeborene wäre die Bezugspflege durch die FGP eine

Möglichkeit, die Arbeit mit den Familien auf Neointensivstationen zu

professionalisieren.

Die neuen Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und

Reifgeborenen des gemeinsamen Bundesausschusses besagt, dass ab dem 1.

Januar 2017 jederzeit mindestens ein/e Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in

je intensivtherapiepflichtigem Frühgeborenen in einem neonatologischen

Intensivtherapiebereich eines Perinatalzentrum des Level 1 verfügbar sein muss.

Im neonatologischen Intensivüberwachungsbereich (IMC Bereich) muss dann

jederzeit mindestens ein/e Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in für zwei

intensivüberwachungspflichtige Frühgeborene verfügbar sein. 128 Das bedeutet,

dass ein neuer Personalschlüssel erstellt werden muss, der auch für das

Bezugspflegekonzept passen würde. Jedoch muss bedacht werden, dass die

Gesundheits- und Krankenpfleger/innen auf den Intensivstationen meistens schon

eine Fachweiterbildung zur Anästhesie- und Intensivpfleger/in haben.

Zu dieser Fachweiterbildung müssten sie zusätzlich noch die Weiterbildung zur

FGP absolvieren.

                                                                                                               128 Vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss (2014), QFR-RL Anlage 2, S.4

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So wäre es sinnvoll, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen ohne

Fachausbildung für die Weiterbildung zur FGP zu gewinnen, da es dann zwei sich

ergänzende Fachrichtungen auf den Stationen gäbe. Da diese Weiterbildung mit

Zeit und Geld (insgesamt 3990 Euro129) verbunden ist, sollten die Kosten vom

Arbeitgeber übernommen oder zumindest ein Teil getragen werden, um die

Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen in ihrem beruflichen Engagement

zu unterstützen.

Die zweite Idee wie FGP im stationären Setting noch angesiedelt werden kann,

werde ich im Folgenden beschreiben.

6.3.2 FGP mit Sprechstunden Die Idee der FGP mit Sprechstundenzeiten leitet sich von dem Gedanken ab, die

FGP in einem Perinatalzentrum so anzusiedeln, dass sie aus der Pflege

ausgeschlossen ist, um sich wirklich auf die Familien einlassen zu können, und die

Zeit hat, alle Gespräche und Anleitungssequenzen vor und nachzubereiten.

Sie leistet also „Büroarbeit“, arbeitet jedoch auch am Patienten, indem sie die

Eltern im Umgang mit dem Kind anleitet. Sie ist die Person „im Hintergrund“, auf

die alle Eltern zurückgreifen können und ist in bestimmten Zeiten immer

Ansprechpartner.

Die FGP hat ein festes Büro, einen gesonderten Raum, in dem sie den Familien

etwas zu trinken anbieten kann, sich gemeinsam mit ihnen an einen Tisch setzt

und im Anschluss an die Informationen einfach nur zuhört, was die Eltern an

Fragen oder Sorgen haben. Um das Vertrauen der Eltern zu erlangen, ist sie per

Telefon und E-Mail sowie während der Sprechzeiten immer erreichbar und ist, da

sie nicht Teil des pflegerischen und ärztlichen Teams ist, ein neutraler

Ansprechpartner bei Problemen.

Sie begleitet alle Familien von der Aufnahme des Kindes bis nach Hause und

kann, da sie Dienstplan unabhängige Arbeitszeiten hat, die Familien zu Hause

besuchen.

                                                                                                               129 Vgl. Deutscher Bundesverband für Pflegeberufe, Flyer: Weiterbildung Familiengesundheit für Pflegende und Hebammen- Standort Berlin

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Sie vereinbart mit den Familien alle ein bis zwei Wochen sowohl auf Station als

auch zu Hause, einen Termin in denen sie die Familien berät, anleitet und mit ihr

Gespräche führt.130

Durch die Anleitungssequenzen ist sie auf der Station präsent und ist in den

Teambesprechungen anwesend. Auch übernimmt die FGP die Organisation der

Entlassung. Sie berät die Eltern, leitet sie in der Nutzung von technischen

Hilfsmitteln für zu Hause an und vermittelt sie an Kinderärzte, Physiotherapie etc.

und entlastet dadurch die Arbeit des Pflegeteams. Durch ihre einfache

Erreichbarkeit und die Gespräche kann sie das Vertrauen der Familien erlangen.

Zu bedenken ist, dass die FGP keinen engeren Bezug zum/r Patienten/in hat und

damit oft nicht den gesundheitlichen Zustand des Kindes exakt einschätzen kann.

Auch kann eine/r Familiengesundheitspfleger/in nicht allein für alle Familien

zuständig sein, daher müssten mindestens zwei bis drei

Familiengesundheitspfleger/innen in einem PNZ mit Sprechstunden angesiedelt

werden.

Dies ist mit höheren Kosten verbunden, da neue Stellen geschaffen werden

müssen. Jedoch muss man bedenken, dass die FGP mit den Sprechstunden die

Familien im stationären Setting und auch im ambulanten Setting betreuen kann.

So könnte dieser Arbeitsplatz als Vollzeitstelle eingerichtet werden, wobei sich die

FGP die stationären und ambulanten Zeiten frei einteilt.

Diese Variante der FGP mit Sprechstunden im stationärem Setting sowie der

Betreuung zuhause ließe sich zurzeit zumindest bei den Familien realisieren, die

bei der Barmer GEK krankenversichert sind. Denn die FGP, für die die

Krankenkasse entsprechende Gelder zur Verfügung stellt, kann auch schon im

Rahmen der sogenannten Überleitungspflege vor der Entlassung des Patienten

aus der stationären Einrichtung erfolgen.

Jedoch ist zu beachten, dass der Schwerpunkt der Betreuung im Sinne der

Barmer GEK in der häuslichen Umgebung liegen muss.131 Dies würde bedeuten,

dass die FGP kaum Zeit mit den Familien auf der Station verbringen kann und es

daher nicht einfach wird, diese zu einer kontinuierlichen Bezugsperson zu

machen.

                                                                                                               130 siehe S.21 131 Barmer GEK

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7. Fazit

Die FGP ermöglicht durch ihr multidisziplinäres Arbeiten ein großes Handlungs-

und Aufgabenfeld. Sie soll insbesondere Familien in Krisensituationen

unterstützen. Anhand der Literatur wurde belegt, dass zu solchen Familien auch

die mit Früh- oder kranken Neugeborenen gehören. Daher ist es wichtig und auch

von den Familien gewünscht, dass sie einen festen Ansprechpartner, eine

Bezugsperson haben, an die sie sich wenden können. Diese finden sie nicht im

Pflege- und Ärzteteam, da durch den Schichtdienst keine Kontinuität gegeben   ist.

Die in der Literatur beschriebenen Zielgruppen, Handlungs- und Kompetenzfelder,

sowie die Ansiedelung der FGP in Krankenhäusern erlauben ihr, im stationären

Setting zu arbeiten und auch eine Bezugsperson für die Familien zu werden.

In dieser Arbeit ist deutlich geworden, dass sie nur Bezugspersonen werden

können, wenn sie viel Zeit mit den Patienten und ihren Familien verbringen, um

das nötige Vertrauen aufbauen. Aufgrund dessen kam die Frage auf: Wie viel Zeit

brauchen die Familien, um eine FGP als Bezugsperson zu sehen und um

Vertrauen aufbauen zu können? Dies ist eine Frage der definitiv nachgegangen

werden sollte und zu der Familien, sowie die FGP befragt werden sollten.

Die Ergebnisse der Literaturrecherche zum Aufgabenbereich der FGP im

stationären Setting zeigen als wesentliche Aufgaben das Anleiten, Beraten,

Vermitteln, sowie als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und Gespräche

mit den Familien zu führen. Diese und die Organisation der Entlassung sollen die

Familien sowie das Pflegeteam entlasten.

Hier sollte noch angemerkt werden, dass die Aufgabenübernahme durch die FGP

im stationären Setting das Pflegeteam nicht auf Waschen und die Vergabe von

Medikamente reduzieren, sondern es viel mehr unterstützen und für andere

Aufgaben frei setzen soll.

Im Bereich der strukturellen Ansiedelung der FGP auf der Station wurden zwei

Ideen erarbeitet. Zum einen wurde die des Bezugspflege- Case-Managements

entwickelt, zum anderen die der Ansiedelung einer FGP mit Sprechstunden.

Die Idee des Bezugspflege-Case-Managements scheint aufgrund der neuen

Qualitätssicherungs-Richtlinie für Früh- und Reifgeborene durch den höheren

Personalschlüssel realisierbar zu sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob dies

machbar wäre, wenn die FGP die Familien auch noch im ambulanten Setting

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versorgen würde. Hier müsste noch gründlicher das Problem der

Dienstplangestaltung oder die Art der Anstellung durchdacht und auch evaluiert

werden.

Die FGP mit Sprechstunden, kann nur realisiert werden, wenn mehr

Krankenkassen für die Leistungen der FGP aufkommen. Die FGP könnte in

diesem Bereich der Ansiedelung möglicherweise nicht so intensive Beziehungen

zu den Familien bauen wie eine Bezugspflege, würde die Familien aber kennen

lernen und könnte einige Probleme und Ressourcen ermitteln. Allerdings stellt sich

hier die Frage, ob die Krankenhäuser, bzw. Perinatalzentren Gelder in neue

Stellen investieren wollen und können. Es ist wahrscheinlicher, dass die

Arbeitgeber die Weiterbildung zur FGP finanziell unterstützen, als dass neue

Stellen und Räumlichkeiten geschaffen werden. Beide Ideen sind nicht komplett

ausgereift und können daher Themen für eine weitere wissenschaftliche Arbeit

oder Anstoß für ein zu evaluierendes Pilotprojekt sein.

Meiner Meinung nach kann durch die Einführung von FGP im stationären Setting

die Überleitung in die sozialmedizinische Versorgung verbessert werden. Dies

kann damit begründet werden, dass die Familien bereits im stationären Setting

von der FGP aufgefangen werden und erste Ressourcen und Probleme erkannt

werden können. Dies leistet eine gewisse Entlastung für den sozialmedizinischen

Nachsorgedienst und auch eine wichtige Präventionsarbeit.

Wie in der Einleitung beschrieben gibt es, laut dem Verein „Das Frühgeborene

Kind“ e.V., für den Bereich „Elternberatung und psychosoziale Begleitung in

Perinatalzentren“ noch keine verantwortliche Berufsgruppe. Das multidisziplinäre

Handlungs- und Aufgabenfeld der FGP kann meiner Meinung nach die

Verantwortlichkeiten von Elternberatung und psychosozialer Begleitung in

Perinatalzentren übernehmen.

In der Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema ist mir sehr deutlich

geworden, wie sinnvoll es ist, FGP im Bereich von Früh- und Neugeborenen

anzusiedeln, und damit Arbeit und Geld zu investieren, damit Familien sich in

diesen schwierigen Situationen wahrgenommen und ernstgenommen fühlen. Für

mich war die Beschäftigung mit dem Thema der FGP sehr interessant und

aufschlussreich, sodass mir durch diese Bachelorarbeit noch mehr bewusst

geworden ist, wie gerne ich mich in diese Richtung weiterbilden möchte.

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9. Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe selbstständig

verfasst und nur die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Wörtlich

oder dem Sinn nach aus anderen Werken entnommene Stellen sind in allen Fällen

unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht.