Bahntechnikkompetenz in Berlin und Brandenburg · Bereichen Automotive, Logistik, Luft- und...

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BERLIN-BRANDENBURG | Bahntechnikkompetenz 14 ETR | APRIL 2017 | NR. 4 www.eurailpress.de/etr 1. INTERNATIONAL FÜHRENDER STANDORT FÜR SCHIENENVER- KEHRSTECHNIK 1.1 WIRTSCHAFTSSTRUKTUR In der Schienenverkehrstechnik bietet die Hauptstadtregion traditionell eine hohe Kompetenz entlang der gesamten Wert- schöpfungskette und gehört damit schon heute international zu den führenden Bahn- technikregionen. Branchengrößen wie Sie- mens, Bombardier, Stadler, Knorr-Bremse und voestalpine BWG sind in der Region ebenso vertreten wie etliche kleine und mittlere Unternehmen. Der Deutsche Bahn- Konzern konzentriert eine Vielzahl zentraler Lutz Hübner Projektmanager Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH [email protected] Maria Hoffmann Projektmanagerin Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH maria.hoff[email protected] Ralf Meinsen Geschäftsführer Kompetenznetz Rail Berlin-Brandenburg GmbH [email protected] Andreas Guttschau Geschäftsführer Bahntechnologie Campus Havelland GmbH andreas.guttschau @btc-havelland.de Bahntechnikkompetenz in Berlin und Brandenburg Berlin-Brandenburg gehört zu den führenden Standorten der Bahntechnik. Über 100 Firmen und Forschungseinrichtungen mit mehr als 20 000 Beschäftigten machen die Hauptstadtregion auf diesem Gebiet zu einem bedeutenden Zentrum Europas für Forschung, Entwicklung und Produktion. Ihre führende Rolle zeigte die Region auch auf der InnoTrans, im Jahr 2016 mit dem bislang größten gemeinsamen Auftritt beider Länder auf einer internationalen Fachmesse. Funktionen in der Region. Neben der BVG als größtem deutschen kommunalen Nahver- kehrsanbieter haben Verkehrsunternehmen wie DB Regio Nordost und die S-Bahn Berlin, Netinera mit der ODEG, Abellio, Transdev, Captrain mit der Industriebahngesellschaft Berlin und der Niederbarnimer Eisenbahn, die BEHALA und die Havelländische Eisen- bahn ihre Zentralen in Berlin oder Branden- burg. Die regionalen Branchenschwerpunk- te umfassen insbesondere die Bereiche Fahrzeugtechnik, Fahrwege und Verkehrs- anlagen, Leit- und Sicherungstechnik, In- formations- und Kommunikationstechnik sowie vielfältige schienenverkehrsbezoge- ne Engineering-Dienstleistungen. Die gute Position der lokalen Industrie eröffnet neue Chancen für Zulieferer, indem beispielswei- se Systemfähigkeiten auf Tier-1 oder Tier-2 Ebene gebildet werden. Somit wird zusätzli- che Wertschöpfung in der Region generiert. Berlin-Brandenburg steigert damit auch sei- ne Attraktivität für Neuansiedlungen und Wachstum von branchennahen und -über- greifenden Unternehmen und Instituten. 1.2 DEUTSCHLANDS FÜHRENDER FOR- SCHUNGS-, HOCHSCHUL- UND AUSBIL- DUNGSSTANDORT FÜR BAHNTECHNOLOGIE Die Hauptstadtregion hat sich als internatio- naler Wissenschaftsstandort mit anerkannter BILD 1: Mit mehreren GVZ im Berliner Umland ist die Hauptstadtregion zentrale Drehscheibe für europäische Verkehrsströme. Hier kreuzen sich drei der neun TEN-T-Korridore (Foto: © Harald Hirsch) © Michel Kaufmann, Berlin

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14 ETR | APRIL 2017 | NR. 4 www.eurailpress.de/etr

1. INTERNATIONAL FÜHRENDER STANDORT FÜR SCHIENENVER-KEHRSTECHNIK

1.1 WIRTSCHAFTSSTRUKTUR

In der Schienenverkehrstechnik bietet die Hauptstadtregion traditionell eine hohe Kompetenz entlang der gesamten Wert-schöpfungskette und gehört damit schon heute international zu den führenden Bahn-technikregionen. Branchengrößen wie Sie-mens, Bombardier, Stadler, Knorr-Bremse und voestalpine BWG sind in der Region ebenso vertreten wie etliche kleine und mittlere Unternehmen. Der Deutsche Bahn-Konzern konzentriert eine Vielzahl zentraler

Lutz HübnerProjektmanager Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie [email protected]

Maria HoffmannProjektmanagerin Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik Wirtschaftsförderung Land Brandenburg [email protected]

Ralf MeinsenGeschäftsführer Kompetenznetz Rail Berlin-Brandenburg [email protected]

Andreas GuttschauGeschäftsführer Bahntechnologie Campus Havelland GmbHandreas.guttschau @btc-havelland.de

Bahntechnikkompetenz in Berlin und BrandenburgBerlin-Brandenburg gehört zu den führenden Standorten der Bahntechnik. Über 100 Firmen und Forschungseinrichtungen mit mehr als 20 000 Beschäftigten machen die Hauptstadtregion auf diesem Gebiet zu einem bedeutenden Zentrum Europas für Forschung, Entwicklung und Produktion. Ihre führende Rolle zeigte die Region auch auf der InnoTrans, im Jahr 2016 mit dem bislang größten gemeinsamen Auftritt beider Länder auf einer internationalen Fachmesse.

Funktionen in der Region. Neben der BVG als größtem deutschen kommunalen Nahver-kehrsanbieter haben Verkehrsunternehmen wie DB Regio Nordost und die S-Bahn Berlin, Netinera mit der ODEG, Abellio, Transdev, Captrain mit der Industriebahngesellschaft Berlin und der Niederbarnimer Eisenbahn, die BEHALA und die Havelländische Eisen-bahn ihre Zentralen in Berlin oder Branden-burg.

Die regionalen Branchenschwerpunk-te umfassen insbesondere die Bereiche Fahrzeugtechnik, Fahrwege und Verkehrs-anlagen, Leit- und Sicherungstechnik, In-formations- und Kommunikationstechnik sowie vielfältige schienenverkehrsbezoge-ne Engineering-Dienstleistungen. Die gute

Position der lokalen Industrie eröffnet neue Chancen für Zulieferer, indem beispielswei-se Systemfähigkeiten auf Tier-1 oder Tier-2 Ebene gebildet werden. Somit wird zusätzli-che Wertschöpfung in der Region generiert. Berlin-Brandenburg steigert damit auch sei-ne Attraktivität für Neuansiedlungen und Wachstum von branchennahen und -über-greifenden Unternehmen und Instituten.

1.2 DEUTSCHLANDS FÜHRENDER FOR-SCHUNGS-, HOCHSCHUL- UND AUSBIL-DUNGSSTANDORT FÜR BAHNTECHNOLOGIE

Die Hauptstadtregion hat sich als internatio-naler Wissenschaftsstandort mit anerkannter

BILD 1: Mit mehreren GVZ im Berliner Umland ist die Hauptstadtregion zentrale Drehscheibe für europäische Verkehrsströme. Hier kreuzen sich drei der neun TEN-T-Korridore (Foto: © Harald Hirsch)

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Kompetenz in der Schienenverkehrstechnik etabliert. Aktiv sind hier insbesondere die TU Berlin, die BTU Cottbus-Senftenberg, die TH Brandenburg und die TH Wildau, die von der Grundlagenforschung bis hin zur Ent-wicklungsunterstützung über umfangreiche Kompetenzen in der Fahrzeugtechnik, der Schieneninfrastruktur und im Bahnbetrieb verfügen. Hinzu kommen vielfältige Kompe-tenzen in angrenzenden Technologiefeldern und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Hier stechen insbesondere die Bereiche Tele-matik, Kraftfahrzeugtechnik, Materialtechnik, Informationstechnik, Logistik und Mensch-Technik-Interaktion heraus, die einerseits branchenübergreifende Ansätze befördern und andererseits einen hohen Grad an Inter-disziplinarität ermöglichen. Eine feste Größe in diesem Zusammenhang ist der 1995 auf Betreiben der TU Berlin und des Landes Berlin gegründete Interdisziplinäre Forschungsver-bund (IFV) Bahntechnik.

Die regionale Hochschullandschaft bringt durch verschiedene Studiengänge im Be-reich der Eisenbahntechnik hoch qualifi-zierte Fach- und Führungskräfte hervor, die zumeist auf attraktive Jobangebote der Ar-beitgeber vor Ort stoßen.

Zu den bedeutenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die eine hohe Affinität zur Bahntechnik aufweisen, zählen die in Berlin-Adlershof sitzenden Institute für Verkehrsforschung, Verkehrssystemtechnik und Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zen-trums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie die im Leistungszentrum Digitale Vernet-zung (LZDV) organisierten, in Berlin ansässi-gen Fraunhofer-Institute.1)

1.3 DIE INNOTRANS: INTERNATIONALES SCHAUFENSTER DER BAHNTECHNOLOGIE IN BERLIN

Die InnoTrans ist die weltweite Leitmesse für Schienenverkehrstechnik und das größte internationale Schaufenster der Bahntech-nologie. Auf der InnoTrans 2016 waren 2955 Aussteller aus 60 Ländern und 144 470 Fach-besucher in Berlin zu Gast. [1] Bereits zum achten Mal war auch die Hauptstadtregion mit einem Gemeinschaftsstand vertreten. Im Jahr 2016 war dieser mit 65 Ausstellern und über 1200 m² Ausstellungsfläche der bisher größte gemeinsame Auftritt der beiden Län-der auf einer internationalen Fachmesse. [2]

Integraler Bestandteil des Fachbesucher-programms des Gemeinschaftsstandes wa-ren die InnoTrans Business Days. Diese wur-den vom Enterprise Europe Network (EEN) Berlin Brandenburg organisiert. Im Rahmen

1) www.digitale-vernetzung.org

der InnoTrans Business Days wurden ver-schiedene Formate durchgeführt, die sehr guten Zuspruch fanden: B2B-Meetings, wel-che auf dieser Messe eine einzigartige Netz-werkplattform darstellten, thematisch fo-kussierte geführte Messerundgänge und ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm, in dem erfolgreiche Kooperationsprojekte vorgestellt wurden und über Möglichkei-ten einer Beteiligung an europäischen For-schungs- und Entwicklungsvorhaben infor-miert wurde.

Erstmalig fand im Rahmen der InnoTrans ein Ladies‘ Lunch statt, zu dem der Verband der Unternehmerinnen (VdU), die IHK Berlin und das Enterprise Europe Network Berlin Brandenburg über 80 weibliche Führungs-kräfte aus der Transportbranche begrüßen konnten. Ansinnen des Ladies‘ Lunch war es, in entspannter Atmosphäre Netzwerke zu stärken, Vorbilder sichtbarer zu machen und neue weibliche Talente für die Branche zu gewinnen. Hier gilt es vor allem, ver-stärkt Frauen für MINT-Berufe zu begeistern.

BILD 2: International erfolgreiche Unternehmen aus der Region entwickeln integrierte System-lösungen für die Nutzung von Echtzeitinformationen im öffentlichen Verkehr (Foto: © Berlin Partner – Wüstenhagen)

BILD 3: Schaufenster der Bahntechnikregion Berlin-Brandenburg: Die Hauptstadtregion prä-sentierte sich mit einem Gemeinschaftsstand und 65 Ausstellern auf der InnoTrans 2016 (Foto: © Berlin Partner – Müller)

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Das erfolgreiche Format wird als Ladies‘ Brunch im Rahmen des 5. Railway Forums Ende August 2017 weitergeführt.

Darüber hinaus wird die Hauptstadtregion auch in diesem Jahr auf einer internationa-len Fachmesse, der TRAKO 2017, mit einem Gemeinschaftsstand vertreten sein.

2. INNOVATIONSPOTENZIALE IN DER HAUPTSTADTREGION

Die regionalen Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft gehen innovative Wege, um führend im Bereich der Schienenverkehrs-technik zu bleiben. Dabei beschäftigen sie sich mit zukunftsweisenden Themen wie Automatisierung, Digitalisierung, Leichtbau, Energieeffizienz und Lärmminderung. Die Spezialisierung in diesen Themen eröffnet der Schienenverkehrstechnik neue Per-spektiven und beeinflusst die gesamte Wert-schöpfungskette. So profitieren Forschung und Entwicklung, Produktions- und Be-triebsprozesse, die intelligente Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern und Diensten sowie neue Modelle für eine zustandsbasier-te Wartung und Instandhaltung insbesonde-re vom Trend der Digitalisierung.

Berlin ist eine der führenden Startup-

Metropolen Europas. Die Hauptstadtregion bietet als Hub für Startups das Fundament, fruchtbare Kooperationen zwischen etab-lierten regionalen Unternehmen und dyna-mischen Tech-Firmen zu knüpfen.

Ein wichtiger Innovationsmotor für Schie-nenverkehrstechnik sind branchenübergrei-fende Lösungsansätze. Hervorzuheben ist hier der sehr gute Wissens- und Technolo-gietransfer aus den Bereichen der Automo-tive-Industrie, Energietechnik, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Optik. Diese Bereiche tragen ebenfalls stark und erfolgreich zur Wirtschaftsentwicklung der Hauptstadtregion bei.

3. DIE HAUPTSTADTREGION IM ZEN-TRUM: REGIONAL UND EUROPAWEIT GUT VERNETZT

Die Schienenverkehrstechnik ist als eine der regionalen Wachstumsbranchen Kernbe-standteil des länderübergreifenden Clusters Verkehr, Mobilität und Logistik. Die Akteure der Hauptstadtregion sind regional, natio-nal und international sehr gut vernetzt. So ist das Cluster beispielsweise eingebunden in die European Railway Clusters Initiative (ERCI), das European Rail Research Network

of Excellence (EURNEX) und in das regiona-le Branchennetzwerk Kompetenznetz Rail Berlin-Brandenburg (KNRBB).

3.1. DAS CLUSTER VERKEHR, MOBILITÄT UND LOGISTIK IN BERLIN UND BRANDENBURG

Das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik2) wurde 2011 im Rahmen der „Gemeinsamen Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB)“ definiert. Ziel die-ser Innovationsstrategie ist es, die Cluster länderübergreifend zu fördern und somit den Standort Berlin-Brandenburg auch im internationalen Wettbewerb weit vorn zu positionieren und zu etablieren. Das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik vernetzt regi-onale Wirtschaft und Wissenschaft aus den Bereichen Automotive, Logistik, Luft- und Raumfahrt, Schienenverkehrstechnik und Verkehrstelematik. [3]

Für das Clustermanagement ist ein ge-meinsames länderübergreifendes Team der beiden Wirtschafts- und Technologieförder-gesellschaften – Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH und Wirtschaftsför-

2) www.mobilitaet-bb.de

BILD 4: Intelligente Mobilitätsstation Berlin Südkreuz: Der Bahnhof als Testfeld für innovative Konzepte zur Mobilität, Fahrgastinformation sowie zur Erzeugung und Nutzung regenerativer Energien (Foto: © Berlin Partner)

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derung Land Brandenburg GmbH – zustän-dig. Kernaufgabe des Clustermanagements ist es, regionale Unternehmen und wissen-schaftliche Einrichtungen der Region auf verschiedenen Ebenen zu unterstützen. Die Clusterakteure werden mit regionalen, nati-onalen und internationalen Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen vernetzt und Kooperationen werden gezielt ange-bahnt.

Mit vom Cluster organisierten Veranstal-tungen und Aktivitäten werden die Akteure unterstützt, Projekte zu initiieren. Ist eine Projektidee generiert, informiert das Cluster über mögliche regionale, nationale und eu-ropäische Fördermöglichkeiten für Verbund-vorhaben auf vorwettbewerblicher Ebene und begleitet erfolgreiche Innovationspro-jekte. Darüber hinaus initiiert das Cluster Aktivitäten zur Fachkräftesicherung und un-terstützt Clusterakteure darin, internationale Märkte zu erschließen.

Das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik trägt das Silber-Label der European Cluster Excellence Initiative (ECEI).

3.2. UNTERNEHMERNETZWERK: KOMPETENZNETZ RAIL BERLIN- BRANDENBURG

Die Kompetenznetz Rail Berlin-Brandenburg GmbH (KNRBB)3) ist ein seit über fünf Jahren geografisch unabhängiges, agiles und in-ternationales Unternehmernetzwerk im Be-reich der Schienenverkehrstechnik mit Sitz in Brandenburg an der Havel. Mit über 70 Kooperationspartnern, davon fast 50 Akteu-re aus der Hauptstadtregion, ist die KNRBB Katalysator und Filter bei der Identifikation von Kooperationspotentialen, neutraler Ma-nager bei akquirierten Netzwerkprojekten sowie Impulsgeber für Projektideen in den

3) www.knrbb-gmbh.de

Schwerpunktbereichen Fahrzeugtechnik, Fahrwegtechnik, Modernisierungen von Infrastrukturanlagen und Innovationen. Durch die Bündelung einzelner Kernkompe-tenzen der Kooperationspartner schafft das KNRBB-Netzwerk einen Mehrwert, der die Möglichkeit eines einzelnen Unternehmens übersteigt. Ein Erfolgsindikator des KNRBB-Netzwerkes ist die Initiierung von konkreten Projekten, von denen die Netzwerkpartner messbar profitieren. Beispielhaft ist hier das zwischen 2012 und 2015 durchgeführ-te Projekt „Modernisierung von Reisezug-wagen“ zu nennen, welches im Auftrag der RDC-Deutschland GmbH gemeinsam mit 12 Netzwerkpartnern unter KNRBB-Koordinati-on realisiert wurde.

3.3. EUROPEAN RAILWAY CLUSTERS INITIATIVE (ERCI)

Unter dem Dach der European Railway Clusters Initiative (ERCI)4) haben sich zwölf forschungs- und innovationsgetriebene Bahntechnik-Cluster aus zehn europäischen Staaten zusammengeschlossen. Hierzu ge-hört seit Anbeginn auch das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik in Berlin und Bran-denburg. Die ERCI-Partnercluster repräsen-tieren in Summe mehr als 1000 kleine und mittlere Unternehmen der Schienenver-kehrstechnikbranche.

Die ERCI-Partnercluster verfolgen das ge-meinsame Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bahnindustrie langfristig zu sichern. Sie setzen dabei auf eine vertrau-ensvolle Zusammenarbeit zwischen Groß-unternehmen, kleinen und mittleren Unter-nehmen sowie Forschungsinstituten und auf die Erschließung neuer Geschäftsmög-lichkeiten für ihre Mitglieder auf internati-onaler Ebene. Zu diesem Zweck organisiert

4) www.eurailclusters.eu

die ERCI diverse clusterübergreifende Aktivi-täten, wie z. B. B2B-Kontakte und Fachwork-shops im Rahmen von Unternehmensreisen und Messebeteiligungen. Bereits etabliert ist die jährliche Verleihung der ERCI Innovation Awards, die 2016 im Rahmen der InnoTrans bereits zum zweiten Mal stattfand.

Zudem forcieren die ERCI-Partnercluster die gemeinsame Beteiligung ihrer Mitglie-der an innovativen Forschungs- und Ent-wicklungsvorhaben auf europäischer Ebene, wie z. B. an Ausschreibungen im Rahmen von Shift2Rail. Dies schließt ebenso eine gute Sichtbarkeit und Vernetzung der ERCI auf europäischer Ebene ein, sei es durch Be-teiligung an relevanten Terminen oder durch direkte Kontakte zur EU-Kommission und Verbänden wie UNIFE und UIC selbst.

3.4. EUROPÄISCHES BAHNFORSCHUNGS-NETZWERK EURNEX

Das European Rail Research Network of Ex-cellence (EURNEX)5) bündelt von Berlin aus die europäische Bahnforschungskompe-tenz. EURNEX verbindet 40 exzellente For-schungsinstitutionen im gesamten Trans-portsektor aus 20 EU-Ländern, darunter die TU Berlin.

Im direkten Dialog mit Industrie und Be-treibern finden ein stetiger Lernprozess und aktuelle Diskussionen über die Zukunftsthe-men statt. Über einen direkten Zugriff auf die Kompetenzen der europäischen Partner gelingt EURNEX der Aufbau internationaler Partnerschaften und die Initiierung von EU-weiten Forschungsvorhaben.

Die wissenschaftliche Kompetenz der EURNEX-Mitglieder spiegelt sich in den fol-genden Scientific Poles of Excellence wider: (1) Strategy and Economics, (2) Operation and System Performance, (3) Rolling Stock,

5) www.eurnex.eu

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(4) Product Qualification Methods, (5) Intel-ligent Mobility, (6) Safety and Security, (7) Environment and Energy Efficiency, (8) Infra-structure and Signalling, (9) Human Factors, (10) Training and Education.

4. DER BLICK IN DIE ZUKUNFT

Für die Zukunft plant die Bahntechnikregion Berlin-Brandenburg eine Reihe von inno-vativen Projekten und Aktivitäten. So soll im Havelland ein Bahntechnologie Campus entstehen. Des Weiteren sei auf die Inten-sivierung der Internationalisierungsbestre-bungen und das Engagement der Region im Rahmen der europäischen Forschungsiniti-ative Shift2Rail im Folgenden näher einge-gangen.

4.1. SHIFT2RAIL

Regionale Akteure aus Wirtschaft und Wis-senschaft wirken bereits heute in Schlüs-selpositionen an europäischen Projekten mit, in denen das Bahnsystem der Zukunft entwickelt werden soll. Neben der direkten Mitgliedschaft einiger namhafter Hersteller und Betreiber im Gemeinschaftsunterneh-men Shift2Rail sind weitere Akteure aus der Hauptstadtregion derzeit in fünf Pro-jekten beteiligt, die im Rahmen der ersten Runde der „Open Calls“ ausgewählt wurden und im Herbst 2016 starteten. Das Fachge-biet Schienenfahrzeuge der TU Berlin ist al-

lein in drei Projekten vertreten. Das Projekt DESTINATE6) nimmt sich dem Thema Lärm-minderung im Schienenverkehr an und ver-folgt das Ziel, kosteneffiziente Maßnahmen zur Minderung des Bahnlärms zu erforschen. An der TU Berlin werden hierzu Messungen des Luft- und Körperschalls in Straßen-bahnen durchgeführt. Ziel des Projektes DYNA FREIGHT7) ist es, innovative technische Lösungen zu finden, um die bei sehr langen Zügen auftretenden Längsschwingungen zu reduzieren, wobei der Fokus der Forschung auf langen Güterzügen liegt.

Mit dem Projekt INNOWAG8) sollen neu-artige Überwachungs- und vorbeugende Instandhaltungslösungen entwickelt wer-den, um die Stillstandzeiten von Güterzügen signifikant zu verringern. Sensoren an jedem Waggon liefern alle notwendigen Echtzeit-daten für eine technische Überwachung im Stillstand und während der Fahrt. Durch deren intelligente Verknüpfung lassen sich Betriebsprozesse automatisieren und in ih-rer Wirtschaftlichkeit steigern. Am Projekt INNOWAG ist neben der TU Berlin auch die Havelländische Eisenbahn beteiligt. Darü-ber hinaus sind die IAV (SAFE4RAIL9)) und

6) DESTINATE – Decision supporting tools for implementa-tion of cost-efficient railway noise abatement measures

7) DYNAFREIGHT – Innovative technical solutions for im-proved train dynamics and operation of longer freight trains

8) INNOWAG – Innovative monitoring and predictive maintenance solutions on lightweight wagon

9) SAFE4RAIL – Safe architecture for robust distributed ap-plication integration in rolling stock

die Firma Contecht (GoSAFE RAIL10)) Partner von laufenden Shift2Rail-Projekten. Nicht zu vergessen ist schließlich die Beteiligung des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) am Shift2Rail-Leuchtturmprojekt IT2Rail11).

4.2. KNRBB-VERNETZUNGSPROJEKT ZUR INTERNATIONALISIERUNG IM BEREICH DER SCHIENENVERKEHRSTECHNIK

Die KNRBB ist für bahnaffine Unternehmen der „Türöffner“ für internationale Kooperati-onen im Bereich der Schienenverkehrstech-nik. Mit finanzieller Unterstützung seitens des Landes Berlin („Programm für Interna-tionalisierung – Förderung der Netzwerk-bildung“) und der EU („Operationelles Pro-gramm des EFRE Berlin 2014-2020“) wird die KNRBB bis August 2019 die Anbahnung von Kooperationen mit internationalen Netzwer-ken im Bereich der Schienenverkehrstechnik verstärkt vorantreiben.

Zielsetzung der KNRBB-Netzwerkarbeit über die 36-monatige Projektlaufzeit ist die Initiierung und Begleitung von überregio-nalen und grenzüberschreitenden Koope-rationsprozessen aus dem Netzwerk heraus gemeinsam mit deutschen und internati-onalen Partnern. Die KNRBB konzentriert sich bei der internationalen Netzwerkarbeit auf folgende ausländische Zielregionen: Po-len, Italien und Österreich (Priorität 1) sowie Tschechien, Ungarn und Belgien (Priorität 2). Diese Länderbenennung ist nicht abschlie-ßend, sondern wird im Falle von sinnstiften-den Kontakten bzw. Potentialen um weitere Länder erweitert.

Die KNRBB plant im Rahmen des Förder-projektes u. a. Aktivitäten zum Ausschrei-bungspool „Schienenverkehrstechnik“, Öffentlichkeitsarbeit in ausländischen Fachmedien zur besseren Sichtbarkeit des KNRBB-Netzwerkes und der Berliner Un-ternehmen, Veranstaltungen im In- und Ausland zur Identifizierung von Entwick-lungspotentialen und zur Schaffung von Vernetzungsmöglichkeiten für Berliner Unternehmen sowie die Sicherstellung der KNRBB-Kontaktstelle als Scharnier-funktion zwischen Berliner Unternehmen und Akteuren in ausländischen Zielregio-nen.

Die KNRBB hat mit ihren polnischen und österreichischen Partnern bereits den Grundstein für zahlreiche Fachveranstaltun-gen gelegt, die den Netzwerkpartnern und Unternehmen der Hauptstadtregion einen Zugang zu internationalen Netzwerken und

10) GoSAFE RAIL – Global safety management framework for rail operations

11) IT2Rail – Information technologies for Shift2Rail

BILD 5: Mit dem integrierten Bahntechnologie Campus Havelland wird die Wustermarker Eisenbahnertradition mit Gewerbe, Ausbildung und Forschung am ehemaligen Rangierbahnhof im Wustermarker Ortsteil Elstal fortgesetzt (Animation: © HVLE)

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▶  SUMMARY

Excellence in railway engineering in Berlin and Brandenburg

The German Capital Region has a high level of skill to offer in railway engineering all along the added-value chain. In that respect, it is certainly one of the interna-tionally leading regions and has potential to develop further. The sector’s main emphases are on the construction of vehi-cles, track and transport facilities, control-command and safety systems, information and communication equipment as well as engineering. Economic and scientific aspects are effectively intertwined, going beyond sectoral boundaries and offer a perfect breeding ground for innovations. Digitisation is one of the catchwords here. Reputable protagonists within the region are partners in Shift2Rail projects.

Partnern im Bereich der Schienenverkehrs-technik ermöglichen.

4.3. BAHNTECHNOLOGIE CAMPUS HAVELLAND

Auf der 34 Hektar großen Fläche des einsti-gen Rangierbahnhofs Wustermark wurde im Januar 2017 der Startschuss für ein millio-nenschweres Infrastrukturprojekt gegeben. Der Landkreis Havelland entwickelt, unter-stützt durch die Havelländische Eisenbahn AG, ein Zentrum für Bahngewerbe und mo-derne Bahntechnologien und wird dabei aus Mitteln des Landes Brandenburg gefördert.

Die Entwicklung eines Bahntechnologie-Campus im Havelland fußt auf den Hand-lungssträngen Logistik, Gewerbe, Forschung und Praxis sowie Wissenschaft und Bildung. Der Campus soll den traditionsreichen Stand-ort des ehemaligen Rangierbahnhofs revi-talisieren sowie Gewerbebetriebe aus dem Sektor Bahn mit Forschungs- und Wissen-schaftseinrichtungen zusammenbringen.

Als Logistik-Plattform ist der Standort mit dem seit 2008 aktiven Rail & Logistik Center Wustermark wieder in Betrieb und soll wei-ter ausgebaut werden. Die Nähe zum GVZ Wustermark und zu den drei sich kreuzen-den europäischen TEN-T-Korridoren schafft optimale Voraussetzungen u. a. für multi-modale Gütertransporte. Die hervorragende infrastrukturelle Anbindung bildet die Basis für weitere Ansiedlungen: Eine regionale Agglomeration bahnaffiner Unternehmen mit Dienstleistungen wie Werkstattservice und Fahrzeuginbetriebnahmen soll Syner-gien und damit Wettbewerbsvorteile für alle

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Unternehmen auf dem Gewerbe-Campus schaffen.

Zudem eignet sich das Gelände als Praxis- und Erprobungsfeld für verschiedene Unter-nehmen aus dem Bereich Eisenbahn, Ener-gie und Infrastruktur und eröffnet gleichsam vielfältige Betätigungsfelder für Ausbildung, Wissenschaft und Forschung. Schon heute wird die Anlage von namhaften Forschungs-einrichtungen in Berlin und Brandenburg genutzt. Die TU Berlin, TH Wildau, TH Bran-denburg, das Fraunhofer-Institut für Ver-kehrs- und Infrastruktursysteme und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Institut für Verkehrssystemtechnik führen hier anwendungsnahe Forschung durch und erproben das kontrollierte Entgleisen, geo-thermische Weichenheizungen sowie leise Bremsen. Solche und weitere Möglichkeiten sollen mit der Entwicklung des Bahntechno-logie Campus Havelland weiter ergänzt wer-den und so einen Forschungsnukleus ent-stehen lassen, der sich perspektivisch auch in der europäischen (Bahn) Forschungsland-schaft vernetzen soll. Eng hiermit verknüpft ist die Schaffung neuer praxisorientierter dualer und modularer Aus- und Weiterbil-dungsprogramme. Auszubildende sollen so bis zu Hochschulabschlüssen qualifiziert werden und Hochschulabsolventen mit Zu-satzqualifikationen ihre fachliche Speziali-sierung erlangen können.

Die Revitalisierung des Geländes sowie die Sanierung der Bestandsgebäude erfolgt sowohl denkmalgerecht als auch unter Be-rücksichtigung energetischer Musterlösun-gen. Somit kann an dem Standort auch die Nutzung regenerativer Energien erprobt werden. ◀

Literatur[1] Messe Berlin: InnoTrans 2016: Impulstreiber, Innovations-

plattform, und internationale Branchenbühne. Presse-Information, 26. September 2016; http://www.innotrans.de/de/Presse/Pressemitteilungen/News_32320.html?referrer=/de/Presse/Pressemitteilungen/#news-de-32320, abgerufen am 10. Februar 2017

[2] Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie: InnoTrans 2016 in Berlin. Hauptstadtregion zeigt Stärke in Ver-kehrstechnik. Presseinformation, 20. September 2016; https://www.berlin-partner.de/nc/presse/presseinfor-mationen/detailansicht/innotrans-2016-in-berlin/, ab-gerufen am 10. Februar 2017

[3] Gemeinsame Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB); http://innobb.de/sites/default/files/gemeinsame-innovationsstrategie-der-laender-berlin-und-brandenburg-innobb-372.pdf, ab-gerufen am 10. Februar 2017

[4] Technische Universität Berlin: Runderneuerung des Schienenverkehrs in Europa. Medieninformation Nr. 175/2016, 2. November 2016; http://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/tub_medien/publikationen/me-dieninformationen/2016/november_2016/medieninfor-mation_nr_1752016/, abgerufen am 10. Februar 2017