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Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege Erarbeitet im Rahmen des Projektes »Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern! Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen« Berlin, Juni 2013

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Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege Erarbeitet im Rahmen des Projektes »Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern! Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen«

Berlin, Juni 2013

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Expertise „Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege“ Erarbeitet im Rahmen des Projektes „Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern! Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen“ Wert.Arbeit GmbH, Berlin Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation Albrechtstraße 11a 10117 Berlin und Udo Böhlefeld Graewis-Verlag Wallstr. 60 10179 Berlin Berlin, Juni 2013 Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Berlin – Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

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Inhalt

1. Balanceorientierung – was bedeutet das? 2

2. Entgrenzung der Arbeit 5

2.1. Erwartungen der Beschäftigten und Work-Life-Balance als Voraussetzung für „Gute Arbeit“ 5

2.2. Gestaltung von Schichtarbeit 7

2.3. Balanceorientierte Schichtarbeit 10

2.3.1. Arbeitszeitdauer 10

2.3.2. Planbarkeit 11

2.3.3. Arbeitszeitsouveränität 12

2.3.4. Handlungsspielräume für beide Seiten – und Vorteile für den Arbeitgeber 12

2.3.5. Erwartungen der Beschäftigten 13

3. Branchenfokus Pflege – Bedeutung wächst 17

3.1. Boombranche Pflege 17

3.2. Demografischer Wandel 17

3.3. Besondere Herausforderung 18

4. Beschäftigtenstruktur 19

4.1. Überwiegend weibliche Beschäftigte 20

4.2. Beschäftigungssituation 20

4.3. Geringfügige Beschäftigung und Zeitarbeit 21

4.4. Besonderheiten der Arbeitsorganisation 21

5. Anforderungen an die Dienstplan- und Arbeitszeitgestaltung in der

Pflege 23

5.2. Arbeitszeit 23

5.3. Atypische Beschäftigung 24

5.4. Zeit- und Termindruck 24

5.5. Gesundheitliche Beschwerden 25

5.6. Handlungsmöglichkeiten der betrieblichen Akteurinnen und Akteure 25

6. Beispiele guter Praxis 27

7. Literaturverzeichnis 30

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1. Balanceorientierung – was bedeutet das?

Lebensqualität und Leistungsfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen, so lautet – auf eine knappe Formel gebracht – eine mögliche Definition für „Balanceorientierung“. Grundlage ist dabei das Zusammenspiel mehrerer Lebensfaktoren:

• Privatleben (private Lebenszeit, Aktivitäten mit und für Familie sowie Freunde, Familienarbeit)

• Berufsleben (Arbeitsbedingungen und -zeit, Karriere, Erfolge, Wertschätzung)

• Selbst und Werte (Wie bin ich mit meinen Werten im Einklang?)

• Kommunikation und Kooperation (Zusammenwirken mit Anderen)

• Finanzielle Sicherheit (Sicheres und auskömmliches Einkommen)

• Gesundheit (psychische und physische Belastungen versus Gesundheitsförderung)

Balanceorientierung heißt, die betrieblichen Maßnahmen und individuelle Kompetenzen aufeinander zu beziehen sowie zu entwickeln, das Verhältnis von Arbeit und Leben in eine sozial nachhaltige Beziehung zu bringen: Arbeitszeit und Lebenszeit, Anforderungen und Ressourcen, Wertschätzung und Perspektiven, Verausgabung und Erholung sowie Quantität und Qualität von Arbeit. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist in der Bundesrepublik ein viel diskutiertes Thema. Insbesondere die Situation berufstätiger Mütter wird als besonders verbesserungswürdig angesehen. Die politische Debatte etwa bezüglich des Angebots an Kinderbetreuungsplätzen (U3-Betreuung) oder auch das nach wie vor aktuelle Thema eines Betreuungsgeldes für Eltern, die auf Kindertagesstättenbetreuung verzichten, zielt lediglich auf die Spitze eines Eisbergs: Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Monitor Familienleben 2011, wird insgesamt auf die Bedürfnisse von Familien zu wenig Rücksicht genommen:

• In der Arbeitswelt (sagen 65,0 % der Bevölkerung insgesamt)

• bei dem Angebot für Kinderbetreuungsplätzen (54,0 %)1

Die Vereinbarkeit beider Lebensbereiche ist die Voraussetzung, um dauerhaft gesund mit sich und der Umwelt im Einklang zu stehen. Ohne diese Balance wird der Mensch auf Dauer psychisch und physisch krank.

»Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und

Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden

Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab,

erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und

gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen.«

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Eine etwas weitergehende Betrachtung sieht den Menschen „nicht nur als Rollen- und Funktionsträger innerhalb der Arbeitswelt (...), sondern innerhalb der Lebens- und der Arbeitswelt. Die Rollen und Funktionen des Individuums in beiden Bereichen sind somit nicht losgelöst voneinander zu betrachten, um eine Balance zwischen beiden Bereichen

1 Vgl. Pfahl 2011, S. 3

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

herzustellen, in denen das Individeben ist auch lebensphasenabhä

»Work-Life-Balance heißt: d

Funktionsträger) im beruflich

ihm dadurch die Möglichkeit

Bereiche die anfallenden Ve

dauerhaft gesund, leistungsfä

Projekt „BALANCE“, http://ba

Von allen Seiten betrachtet, und isoliert von Strukturen innerhdas unterschiedliche Subsystemerfüllen haben und sich in einer Nachstehende Abbildungen zeArbeit“ hinsichtlich der Ausgewvergleich:

Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, 200

Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, 200 2 Zitiert nach Projekt „BALA

31.05.2013

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

Individuum in seinen Rollen und Funktionen interaphasenabhängig.

eißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (

eruflichen und privaten Bereich (der Lebens und

lichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und indi

den Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu

tungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.«

ttp://balanceonline.org/enzyklopaedie/work-life-bala

bedeute Balance demnach, „dass der Menschinnerhalb der Gesellschaft lebt, sondern innerhalb

Subsysteme besitzt, die alle eine bestimmte Struktureiner Ursache-Wirkung-Kette bedingen.“2

ildungen zeigen die Befragungsergebnisse des DGder Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben

Arbeit, 2007, INIFES (Tatjana Fuchs)

Arbeit, 2007, INIFES (Tatjana Fuchs)

ekt „BALANCE“, http://balanceonline.org/enzyklopaedie/

3

interagiert.“ Und das

chten (als Rollen- und

s und Arbeitswelt) und

nd individuell für beide

len zu können, um so

balance: 31.05.2013

Mensch nicht losgelöst innerhalb eines Systems, Struktur und Funktion zu

se des DGB Index „Gute Privatleben im Branchen-

zyklopaedie/work-life-balance;

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

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2. Entgrenzung der Arbeit

Seit den 90er Jahren sind Beschäftigte mit einer Arbeitswelt konfrontiert, in der sie zunehmend selbstverantwortlich Zeit und Rahmen ihrer Arbeit strukturieren. Globalisierung und moderne Managementstrategien, ständig im Wandel begriffene Arbeitsanforderungen und die wachsenden Ansprüche der Nachfrageseite auf ständige Verfügbarkeit von Dienstleistungen führen dazu, dass insbesondere bei den Beschäftigten der Dienst-leistungsbranche die Grenzen zwischen Privatleben und Erwerbsarbeit verschwimmen. Arbeiten im Dienstleistungsbereich können nicht auf Vorrat produziert und gelagert werden, das gilt umso mehr für den gesamten Pflegebereich. Diese Tätigkeiten müssen vor Ort und zu der Zeit erbracht werden, zu der es die Pflegebedürftigen benötigen oder wünschen. Die Nachfrage wirkt sich so unmittelbar auf die Angebots- und die Arbeitszeiten der Beschäftigten aus. Wochenend-, Feiertags-, Früh- und Spätdienste sowie Nachtarbeit sind die Folge. Die Entgrenzungstendenzen haben längst auch die Strukturen in den Unternehmen erfasst, führen zur Ausdünnung betrieblicher Steuerungs- und Organisationsstrukturen sowie zum Personalabbau. Klassische Dienstpläne werden den daraus resultierenden Anforderungen und veränderten Wünschen der Beschäftigten nicht mehr gerecht – die Branche leidet Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Nachwuchskräften. Die Beschäftigten in der Pflege sind unmittelbares Bindeglied zwischen Unternehmen und Pflegebedürftigen. Sie vermitteln durch ihr Auftreten einen Eindruck auch ihrer Arbeitsbedingungen: Freundlichkeit kann nicht angeordnet werden, Überarbeitung und Unzufriedenheit, zu knapp bemessene Zeiten für die jeweiligen Kundinnen und Kunden können aber zu hohem Stress und in der Folge zu mangelhaftem Service führen. Vor diesem Hintergrund wird unmittelbar deutlich, dass:

• Einerseits Handlungsbedarf hinsichtlich der Gestaltung einer als positiv empfundenen Work-Life-Balance besteht,

• Andererseits aber die Gegebenheiten im Pflegebereich, solche Bedingungen zu gestalten, grundsätzlich schwierig sind.

2.1. Erwartungen der Beschäftigten und Work-Life-Balance als

Voraussetzung für „Gute Arbeit“

Die generelle Entwicklung der Erwerbsarbeit geht für die meisten Beschäftigten mit steigender Belastung und individueller Beanspruchung einher. Hinsichtlich gelungener Work-Life-Balance sind diese Megatrends somit grundsätzlich kritisch einzuschätzen. Damit wird die Notwendigkeit deutlich, zur Verbesserung der Balanceorientierung integrierte Ansätze der Arbeitsgestaltung zu verfolgen, die neben der ökonomischen Effizienz auch und gerade arbeits- sowie beschäftigtenorientierte Zielstellungen verfolgen. Die arbeitswissenschaft-lichen Erkenntnisse zu den Grundprinzipien positiver Arbeitsgestaltung (Stichwort „Gute Arbeit") sind dabei nicht neu und bestehen im Wesentlichen aus folgenden Schwer-punkten3:

3 Vgl. IG Metall 2010

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− Handlungsspielräume bei der Ausübung der Tätigkeiten

− Beteiligung an der Aufgabenverteilung und Arbeitsgestaltung

− Ganzheitliche Aufgabengestaltung

− Angemessener Planungshorizont zur Ausübung der Tätigkeiten

− Kommunikationserfordernisse und Teamförderlichkeit

− Funktionierende Informations- und Rückmeldesysteme

− Erreichbare Zielsetzungen

− Zeitliche Ressourcen beim Umgang mit Störungen

Die Prinzipien sind spezifisch hinsichtlich der jeweils konkreten Arbeitsumstände zu interpretieren und auszuformulieren. Deutlich wird jedoch, dass in vielen Fällen die gestalteri-schen Prinzipen auch Anforderungen hinsichtlich der Qualifikation der Beschäftigten mit sich bringen. Die Erweiterung der Arbeitsinhalte etwa hinsichtlich einer möglichst ganzheitlichen Aufgabengestaltung bedeutet beispielsweise die Übernahme von planerischen und kontrollierenden Tätigkeiten durch Beschäftigte, die zuvor ausschließlich auf Anweisung durchführende Arbeiten erledigt haben. Damit einher geht zunächst eine zusätzliche (Qualifikations-) Anforderung und die Bereitschaft der Beschäftigten zu lebenslangem Lernen: Der kontinuierliche Entwicklungsprozess ganzheitlicher Arbeitsge-staltung erfordert auch die permanente Erweiterung der Qualifikationen der Beschäftigten.

Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Alterung der Erwerbsbevölkerung spielt die Frage der lernförderlichen Arbeitsgestaltung eine wichtige Rolle. Die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen wird weniger daran gemessen werden können, dass diese Arbeitsplätze „altersgerecht" im Sinne von „Schonarbeitsplätzen" sind, sondern vielmehr daran, in wie fern sie „alternsgerecht" sind. Alternsgerecht meint dabei eine Arbeitsgestaltung, die es den Beschäftigten erlaubt, an einem Arbeitsplatz „alt zu werden". Entscheidende Kriterien an einen alternsgerechten Arbeitsplatz überschneiden sich mit den oben genannten Eckpunkten der Gestaltung „Guter Arbeit":

− Kontinuierliche Förderung geistiger Fähigkeiten

− Beanspruchungswechsel

− Möglichkeit des Einbringens beruflichen Erfahrungswissens

− Einbindung in kommunikative Arbeitszusammenhänge

− Vermeidung von körperlicher Überlastung und psychischem Stress

Die dargestellten Erkenntnisse zeigen: Die Einführung balanceorientierter Arbeitszeiten bzw. Schichtsysteme ist bei ganzheitlicher Betrachtungsweise nicht von den Fragen balanceorientierter Arbeitsgestaltung loszulösen. Nicht nur „wann" gearbeitet wird, ist für eine gelungene Work-Life-Balance entscheidend, sondern auch „wie“ gearbeitet wird.

Die Gestaltung „Guter Arbeit" wird damit zu einem Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Bearbeitung der Problemfelder Motivation und Identifikation, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, demografischem Wandel und Fachkräfte- bzw. Nachwuchsmangel.

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Quelle: Meissner/Stockfisch 2011

2.2. Gestaltung von Schichtarbeit

In Betrieben, deren Betriebszeiten länger sind als die Arbeitszeit der einzelnen Beschäftig-ten, wird in der Regel in Schichtarbeit gearbeitet. Dies bedeutet, dass die individuelle Arbeitszeit der Beschäftigten nur einen Teil der Betriebszeit abdeckt; die Folgeschicht löst die erste Schicht ab und dehnt so die Betriebszeit aus. Nach Untersuchungen des DGB4 arbeiteten in der Bundesrepublik im Jahr 2008 16,9 % aller Beschäftigten in Schichtarbeit (19,0 % der Männer und 14,6 % der Frauen). Die Schichten selbst können dabei sehr unterschiedliche Zeiträume umfassen. Insbesondere ungewöhnliche Arbeitszeiten (Spät-, Nacht-, Wochenendarbeit usw.) werden im Rahmen von Schichtsystemen abgedeckt. So arbeiteten insgesamt 15,2 % aller Beschäftigten z.T. zwischen 23 Uhr und 6 Uhr (Nachtarbeit), 43,8 % abends nach 18 Uhr, 44,8 % samstags und 25,8 % auch sonntags. Die Branchen mit den höchsten Quoten dauerhafter oder gelegentlicher Schichtarbeit sind dabei der Handel, Gaststätten und Verkehr mit 43,0 %, das produzierende Gewerbe (ohne Bau) mit 33,0 % sowie der öffentliche und private Dienstleistungssektor mit 23,0 %5.

Je nach Branche und damit zusammenhängend den jeweiligen Betriebszeiten existieren ausgesprochen vielfältige Schichtsysteme. Die nachstehende Abbildung gibt einen Überblick bezüglich der grundsätzlichen Formen der Schichtarbeit:

4 Vgl. Meissner/Stockfisch 2011, S. 2 5 Vgl. Meissner/Stockfisch 2011, S. 3

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Gängige Schichtsysteme Permanente Schichtsysteme (In den USA und Japan bevorzugt!)

I. Dauerfrühschicht II. Dauerspätschicht

III. Dauernachtschicht IV. Geteilte Schichten

zu konstanten Zeiten (z.B. Schiffswachen)

Wechselschichtsysteme (In Europa bevorzugt!)

I. System ohne Nachtarbeit

1. Zweischichtsystem ohne Wochenend-arbeit

2. Zweischichtsytem mit Wochen-endarbeit (z.B. mit Springern oder verdünnten Schichten)

II. System mit Nachtarbeit ohne Wochenendarbeit („diskontinuierliche Arbeitsweise“)

Regelmäßige Systeme a) Zweischichtsystem (z.B. 12-Stunden-Tag-, 12-Stunden-Nachtschicht; 3- Schichtbelegschaft)

b) Dreischichtsystem (z.B. 3 x 8 Std.; 3-Schichtbelegschaft)

Unregelmäßige Systeme (z.B. mit Variation der Anzahl von Schichtbeleg-schaften, Schicht-dauer, Schicht-wechselzeiten, Schichtwechselzyklus

III. System mit Nachtarbeit und Wochenendarbeit („kontinuierliche“ Arbeitsweise)

1. Regelmäßige Systeme

a) Schicht-Belegschaften (z.B. Schiffswachen)

b) 4-Schicht-Belegschaften (z.B. 8- oder 12-Stunden-Schichten; kombiniert als sog. Schwedenschicht)

c) 5- oder 6-Schicht-Belegschaften

2. Unregelmäßige Systeme (z.B. Variation der Anzahl von Schichtbeleg-schaften, der Schichtdauer, der Schichtwechsel-zeiten, des Schicht-wechselzyklus)

Quelle: Meissner/Stockfisch 2011, S. 4

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Im Zusammenhang mit balanceorientierter Arbeitszeitgestaltung kann Schichtarbeit grund-sätzlich als schwierige Rahmenbedingung gelten: Die Arbeit an Wochenenden und abends/ nachts schränkt die möglichen Sozialkontakte ebenso ein wie notwendige bzw. gewünschte Zeiten für private Verpflichtungen. Hinzu kommen zusätzliche gesundheitliche Belastungen durch Schichtarbeit. In der arbeitswissenschaftlichen wie arbeitsmedizinischen Forschung sind die möglichen Folgen von Schichtarbeit immer wieder untersucht worden. Die Ergebnisse dieser Forschungen haben zur Formulierung der Erkenntnisse in Form von „10 Geboten" zur Schichtarbeit geführt. Die Beachtung dieser Regeln sind z.T. in der betrieblichen Praxis schwierig umzusetzen und selbst die Umsetzung kann hinsichtlich gelungener Balanceorientierung keinesfalls als hinreichend gelten. Vielmehr sind die Regeln der „10 Gebote“ notwendige Voraussetzung für eine möglichst schädigungsarme Gestaltung von Schichtarbeit. Die arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen können wie folgt zusammengefasst werden6:

− „Schichtarbeit soll überschaubar und vorhersehbar sein, kurzfristige Schicht-planänderungen sollten vermieden werden

− Ungünstige Schichtfolgen, z.B. Nacht – frei – Früh, sind zu vermeiden

− Ruhezeiten von mindestens 32 Stunden nach einer Nachtschichtfolge, mindestens 56 Stunden nach mehr als zwei Nachtschichten in Folge

− Mindestens ein freier Abend pro Woche zwischen Montag und Freitag

− Geblockte Wochenendfreizeiten sollten gewährt werden (2-3 Tage)

− Maximal 3 Nachtschichten in Folge

− Belastungsabhängige maximale Arbeitszeit pro Tag (8 Stunden) und pro Woche (5 Tage)

− Gleichmäßige Verteilung von Wochenarbeitszeiten

− Möglichst frühes Ende der Nachtschicht und möglichst später Beginn der Frühschicht

− Der Vorwärtswechsel sollte bevorzugt werden

Die Empfehlungen sind gemäß § 6 Abs. 1 ArbZG als Grundlage für die Schichtplan-gestaltung zu beachten. Gleichwohl ist eine durchgängige Umsetzung in der Praxis aufgrund zum Teil widersprüchlicher Forderungen kaum möglich. So führt in einem kontinuierlichen Schichtbetrieb ein frühes Ende der Nachtschicht unweigerlich zu einem frühen Beginn der Frühschicht und widerspricht damit den Empfehlungen. Auch die Vorwärtsrotation (Früh – Spät – Nacht – Früh ...) ist in der Praxis nur dann akzeptabel, wenn ausreichend lange Ruhezeiten nach der Nachtschichtphase existieren und nicht etwa durch Einbringschichten oder Mehrarbeit verkürzt werden.

6 Böker 2011, S. 741

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

Aufeinanderfolge der Schichte

Quelle: Meissner/Stockfisch 2011, S

Von besonderer Bedeutung für ddie Planbarkeit der Schichtarbeit Aspekte aber lassen in der notwendige Flexibilität werden Freitag auf Samstag) formuliert uUnter solchen Bedingungen ist dmöglich. Planbarkeit wird damiRahmen einer positiven Work

2.3. Balanceorientierte S

Die sich widerstrebenden Anfordbetriebsspezifische sowie beteiligsationsmodells notwendig. Um esetzen zu können, bedarf es zusten arbeitswissenschaftlichen Em

– Arbeitszeitdauer

– Planbarkeit

– Arbeitszeitsouveränität

– Ganzheitliche Arbeitsgest

– Teamförderliche Arbeitsbe

– Betriebliche Unterstützung

2.3.1. Arbeitszeitdauer

Für eine positiv empfundene Wherausragende Rolle. Je länger Zufriedenheit der Beschäftigten in

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

er Schichten

isch 2011, S. 22

eutung für den Aspekt der Balanceorientierung ist die chichtarbeit und die Vermeidung kurzfristiger Änderungen in der Praxis häufig zu wünschen übrig. Unter de

tät werden oft sehr kurzfristige Arbeitszeitanforderun) formuliert und auf mehr oder weniger „freiwilliger Basisgungen ist die gelungene Vereinbarkeit von Beruf undt wird damit zu einem wesentlichen Kriterium für Veen Work-Life-Balance.

rientierte Schichtarbeit

nden Anforderungen an balanceorientierte Schichtarbebeteiligungsorientierte Erarbeitung eines Arbeitsze

endig. Um einen ganzheitlichen Anspruch der Balanceoedarf es zusammenfassend – neben der Beachtung der aftlichen Empfehlungen – der Berücksichtigung folgende

veränität

gestaltung und Handlungsspielräume

he Arbeitsbedingungen

nterstützungsfunktionen

pfundene Work-Life-Balance spielt die Dauer der A. Je länger die individuelle Arbeitszeit ist, desto gering

schäftigten in ihrem jeweiligen Work-Life-Kontext.

10

rung ist die Anforderung an r Änderungen. Genau diese ig. Unter dem Hinweis auf itanforderungen (etwa von williger Basis" durchgesetzt. Beruf und Privatleben kaum rium für Verlässlichkeit im

Schichtarbeit machen eine es Arbeitszeit- und Organi-er Balanceorientierung um-

achtung der bereits genann-ng folgender Merkmale:

auer der Arbeitszeit eine desto geringer ist auch die

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

Dauer und Verteilung der Arbe

Quelle: Meissner/Stockfisch 2011, S Bereits bei Arbeitszeiten von 40gegenüber kürzeren WochenarbHöchstarbeitszeit von 48 StundeArbeitszeiten mit weniger als 3Balance empfunden. Dabei ist individuellen Bedingungen undMensch muss sich Teilzeit leinsbesondere diejenigen mit Ebegrüßen.

2.3.2. Planbarkeit

Planbarkeit ist ein ganz entschFamilie, sowohl was die Betreuunals auch bei der privaten Zeitgesmüssen, um Absprachen im PProjektes Lanceo stellen einen die Arbeit ist, desto weniger Privatleben“7. Dabei ist eine möglichst langfrirelativ starrer JahresschichtplanArbeitgeberperspektive flexibler Kehrseite einer solchen FlexibBeschäftigten. UnregelmäßigkeitUnregelmäßigkeit und Unstetibetriebswirtschaftlichen GrundsFlexibilitätsanforderungen an

7 Kratzer/Nies/Pangert/Vogl 2011, 8 Vgl. Pfahl 2011, S. 6

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

g der Arbeitszeit

isch 2011, S. 22

iten von 40 bis 45 Wochenstunden steigt die Unzufried Wochenarbeitszeiten. Bei Orientierung an der gesen 48 Stunden überwiegt die Unzufriedenheit. Im Umkehreniger als 34 Wochenstunden als positiv hinsichtlich . Dabei ist die Forderung nach kürzeren Arbeitszeitenungen und nicht zuletzt von der jeweiligen Einkom Teilzeit leisten können. Die Mehrzahl der Beschigen mit Elternpflichten, würden eine Verkürzung de

ganz entscheidendes Kriterium bei der Vereinbarkeit die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angeaten Zeitgestaltung. Sie wollen wissen, wann und wie lanachen im Privatleben treffen zu können. Forschungsellen einen eindeutigen Zusammenhang fest: „Je wenigto weniger stabil ist auch das Verhältnis von Erw

ichst langfristige Planung wünschenswert. Ein verlässlsschichtplan ist balanceorientierter als ein Wochenplaive flexibler ist und möglicherweise täglich verändert chen Flexibilität ist die Unkalkulierbarkeit und Unplangelmäßigkeit und Unstetigkeit der individuellen Arbeitnd Unstetigkeit bei der privaten Lebensgestaltun

Grundsatz sind sowohl räumliche, inhaltlichengen an die Beschäftigten gestiegen8.

t/Vogl 2011, S. 8

11

ie Unzufriedenheit stark an n der gesetzlich erlaubten . Im Umkehrschluss werden hinsichtlich der Work-Life-

Arbeitszeiten abhängig von ligen Einkommenssituation:

der Beschäftigten, dabei rkürzung der Arbeitszeiten

ereinbarkeit von Beruf und rftigen Angehörigen angeht,

d wie lange sie arbeiten Forschungsergebnisse des

st: „Je weniger planbar (…) Erwerbsarbeit und

Ein verlässlicher und damit Wochenplan, der aus der verändert wird. Denn die und Unplanbarkeit für die ellen Arbeitszeit führen zu nsgestaltung. Unter dem

inhaltliche wie zeitliche

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

12

2.3.3. Arbeitszeitsouveränität

Die Steigerung der Flexibilität birgt hinsichtlich der Balanceorientierung sowohl Chancen als auch Risiken für die Beschäftigten. Flexible Arbeitszeitregelungen können nur dann als balanceförderlich gelten, wenn die Beschäftigten Einfluss auf die Gestaltung der eigenen Arbeitszeit nehmen können: „Um vereinbarkeitsförderlich zu sein, muss sie (die Arbeitszeit) nicht nur flexibel nach Dauer und Lage sein, sie muss zusätzlich eine für die Beschäftigten selbst wählbare und planbare Flexibilität aufweisen"9. Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten ist demzufolge ein entscheidendes Kriterium für die Work-Life-Balance. Das bedeutet, dass die Beschäftigten über Lage und Dauer der eigenen täglichen Arbeitszeit (mit-)entscheiden können. Flexible Arbeitszeit auf Abruf läuft einer individuellen Zeitplanung zuwider. Maximale Arbeitszeitsouveränität wäre hinsichtlich der Balanceorientierung als positiv zu bewerten. Da in der Praxis weder die eine, noch die andere Variante realistisch sein dürfte, kommt der Gestaltung der „Spielregeln" große Bedeutung zu. Nach § 87 (1) BetrVerfG besitzt der Betriebsrat beim Abschluss ent-sprechender Betriebsvereinbarungen volles Mitbestimmungsrecht und kann auf größtmögliche Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten achten. Bei Verfügung der Arbeitgeberseite über Zeitguthaben bzw. über Teile von Zeitguthaben sind möglichst lange, verbindliche Ankündigungsfristen festzuschreiben, um so zumindest Planbarkeit für die Beschäftigten zu schaffen. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung „von heute auf morgen" oder gar im Rahmen der laufenden Schicht unter der Priorität des Unternehmens bzw. „betrieblicher Belange", ist hingegen nur unter den Bedingungen echter

Freiwilligkeit akzeptabel und sollte ansonsten ausgeschlossen werden.

2.3.4. Handlungsspielräume für beide Seiten – und Vorteile für den Arbeitgeber

Wie unter 2.1 dargestellt, sind balanceorientierte, ganzheitliche Arbeitssysteme nicht auf den Aspekt der Arbeitszeit zu reduzieren. Positive Wechselwirkungen für Beschäftigte wie Arbeitgeber werden durch Kompetenzerwerb, Motivation und effizientes Handeln erzielt10. Dies bedingt eine Arbeitsgestaltung, die sich am Konzept „vollständiger Aufgaben" orientiert11:

• „Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Ziele eingebettet werden können,

• Selbstständige Handlungsvorbereitungen im Sinne der Wahrnehmung von Planungsfunktionen,

• Auswahl der Mittel einschließlich der erforderlichen Interaktion zur adäquaten Zielerreichung,

• Ausführungsfunktionen mit Ablauf-Feedback zur Handlungskorrektur,

• Kontrolle mit Resultat-Feedback und der Möglichkeit, Ergebnisse der eigenen Handlungen auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen zu überprüfen.“

9 Glasen 2011, S. 27 10 Vgl. Kratzer/Nies/Pangert/Vogl 2011, S. 6 11 Ulich 1994, S. 167 ff.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

In der Praxis ist eine solche gaGruppenaufgabe zu realisierenArbeitsaufgaben und zielgerichteist die Überforderung der Bescvermeiden: Nicht ausreichendschnell zur Überforderung und wirkungen zwischen Arbeit ugemeinsame und schrittweise Enotwendig, um die angestrebte erzielen. Absprachen im Zusammenhang der Beteiligten. Dazu gehören sKonfliktfähigkeit, KommunikatiSchlüsselqualifikationen für funzwischen den Beschäftigten. DieArbeitspraxis, aber auch durch fördern. Die Aufgabe von Führuund die Teamentwicklung aktiv zu

2.3.5. Erwartungen der Besc

Über die bis hierher behandeltefunktionen für Beschäftigte erfordbesonderen Anforderungen an 2011:

Quelle: Dipl.-Soz. Svenja Pfahl, Sow … und Karriereverzicht. Weg S. 17, 2011

12 Vgl. Kratzer/ Nies/Pangert/V13 Vgl. Pfahl 2011, S. 5

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

e solche ganzheitliche Aufgabengestaltung nur mit Abs realisieren. Dennoch können die Kriterien zur Ü zielgerichteten Weiterentwicklung der Arbeitsgestaltungg der Beschäftigten durch die Erweiterung des Aufgusreichende Qualifikationen oder individuelle Dispo

und so zum Gegenteil der Zielstellung. Negn Arbeit und Privatbereich12 sind die Folge. chrittweise Entwicklung der Arbeitsaufgabe im Veränangestrebte positive Bereicherung zwischen den Lebe

mmenhang praktizierter Arbeitszeitsouveränität erforderren soziale Kompetenzen: Qualifikationen wie Ko

ommunikations- und Kooperationsbereitschaft nen für funktionierende Abstimmungsprozesse und äftigten. Diese Qualifikationen sind durch gezielte Maß

auch durch Teamtrainings, Kommunikations- und Kon von Führungskräften ist dabei, die Rahmenbedingunglung aktiv zu begleiten.

en der Beschäftigten

behandelten Aspekte hinaus sind konkrete Hilfs- und äftigte erforderlich. Eine Übersicht der Wünsche von Berungen an die Work-Life-Balance liefert die Darstellun

Auf die Frage „Wenn Sie einmal danach gwissen oder vermuten: Tun die meisten UDeutschland genug dafür, ihren Mitarbeiterinbeitern die Vereinbarkeit von Familie erleichtern, oder müsste in den meisten Untdafür getan werden?“ – antworteten 84,0getan werden", nur 5,0 % antworteten mit „Ugenug"13.

ja Pfahl, SowiTra, Jenseits von Zeitnot…. Wege aus dem Arbeitszeitdilemma,

/Vogl 2011, S. 6

13

nur mit Abstrichen und als rien zur Überprüfung der itsgestaltung dienen. Dabei g des Aufgabeninhalts zu uelle Dispositionen führen llung. Negative Wechsel-

Folge. Insofern ist eine e im Veränderungsprozess n den Lebensbereichen zu

ität erfordern Teamfähigkeit onen wie Kompromiss- und eitschaft – wesentliche esse und Entscheidungen gezielte Maßnahmen in der

und Konfliktseminare zu enbedingungen zu schaffen

und Unterstützungs-sche von Beschäftigten mit ie Darstellung von SowiTra

al danach gehen, was Sie meisten Unternehmen in

Mitarbeiterinnen und Mitar- Familie und Beruf zu

meisten Unternehmen mehr ,0 % „müsste mehr

teten mit „Unternehmen tun

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

Die Wünsche von Beschäftigten

Quelle: Dipl.-Soz. Svenja Pfahl, S Wege aus dem Arbeitsze

• 87,0 % (94,0 % der Mü

Arbeitszeiten (Gleitzeit, A

• 67,0 % (75,0 % der Mütte

• 56,0 % (67,0 % der Mütte

• 54,0 % (48,0 % der Mütte Als familienfreundliche Arbeitsz

• Kurze Dauer der tatsächlmehr Stunden)

• Familiäre Bedürfnisse bei

• Gleitzeit und Arbeitszeitko

• Telearbeit / Home-Office

• Schutz von wichtigen Soz

• Planbare und überschaub

• Selbstbestimmte Flexibilit

• Familienfreundliches Betri

• Verständnis unter Kollegin

Hinsichtlich pflegesensibler Arb

• Freistellungen / Auszeiten

• Arbeitszeitkonten und gez

• Ergebnisorientierung in de

• Befristete Teilzelt, ggf. vor

• „Pflege-Vollzeit"

14 Vgl. Pfahl 2011, S.17 15 Vgl. Pfahl 2011, S. 18 16 Vgl. Pfahl 2011, S. 22

0% 20%

Beschäftigte allgemein

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

schäftigten hinsichtlich Vereinbarkeit Familie und Beruf s

enja Pfahl, SowiTra, Jenseits von Zeitnot…. … und KarrierevArbeitszeitdilemma, S. 17, 2011

% der Mütter mit Kindern bis 18 Jahre) wünschen (Gleitzeit, Arbeitszeitkonten)

der Mütter mit Kindern bis 18 Jahre) Sonderurlaub be

der Mütter mit Kindern bis 18 Jahre) Viele Teilzeitstell

der Mütter mit Kindern bis 18 Jahre) Betriebliche Kind

he Arbeitszeiten werden beispielsweise genannt15

der tatsächlichen Arbeitszeit (TZ mit 20-30 h/ Woche

ürfnisse bei Arbeitszeitgestaltung berücksichtigen

Arbeitszeitkonto (sofern: Gestaltungsrechte!)

ffice

ichtigen Sozialzeiten (abends, Wochenende)

überschaubare Arbeitszeit

te Flexibilität bei Bedarf

dliches Betriebsklima & Angebote

nter Kolleginnen (Fehlzeiten, keine Überstunden)

ensibler Arbeitszeiten werden folgende Aspekte genan

Auszeiten

ten und gezielter Aufbau von Zeitguthaben

tierung in der Arbeit statt Anwesenheitskultur

lzelt, ggf. vorgezogener Wiedereinstieg

94%

75%

67%

48%

87%

67%

56%

54%

40% 60% 80% 100%

allgemein Mütter mit Kindern bis 18 Jahre

14

und Beruf sind vielfältig14:

nd Karriereverzicht.

wünschen sich flexiblere

derurlaub bei krankem Kind

Teilzeitstellen

iebliche Kinderbetreuung

15:

Woche; VZ mit 42 oder

pekte genannt16:

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

15

• Befreiung/Lockerung von betrieblichen Kernzeiten/Anwesenheitspflichten

• Befreiung von Wochenend- und Nachtarbeit

• Kurzfristige Arbeitsunterbrechungen im Tagesverlauf

• Telearbeit/Home-Office

Die notwendige betriebliche Unterstützung für balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung liegt damit sowohl auf der Ebene kollektiver Regelungen (z.B. über Betriebsvereinbarun-gen) als auch im Rahmen individueller Übereinkünfte mit einzelnen Beschäftigten. Die Unternehmenskultur sollte den Rahmen für konkrete Regelungen liefern und dabei die „Eckpunkte für familienfreundliche Arbeitszeiten" berücksichtigen17:

• Niedrigere Arbeitszeitstandards

• Qualifizierte Teilzeit – überall

• Schluss mit der Vollzeitkultur

• Ende der „überlangen“ Arbeitszeiten

• Anreize für gleichmäßigere Arbeitsverteilung

• Lebenslauf-Ansatz stärken

• „Zeitsensibilität für Fürsorge“

Wie weit in der betrieblichen Praxis konkrete Unterstützungsleistungen verbreitet sind, und wie weit demgegenüber die Wünsche der Beschäftigten entwickelt sind, zeigt die folgende Übersicht:

17 Vgl. Pfahl 2011, S. 24

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Expertise: Balanceorientierte Arbeits

Abbildung Betriebliche Sozialleist

Quelle: Meissner/Stockfisch 2011,

tierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

e Sozialleistungen für Erziehende

isch 2011, S. 27

16

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

17

3. Branchenfokus Pflege – Bedeutung wächst

Professionelle Pflege wird in Deutschland im Krankenhaussektor, aber auch im ambulanten und im stationären Pflegebereich geleistet. Pflegeberufe sind „typisch“ weiblich – d.h. der Anteil der Frauen liegt im Allgemeinen im nicht approbierten Bereich deutlich über der Dreiviertelmarke. Bei auch in Zukunft steigendem Fachkräftebedarf stagniert jedoch die Zahl der Beschäftigten. Während die demografische Entwicklung im Grundsatz mehr Personal notwendig macht, führen gleichzeitig die aktuellen Arbeitsbedingungen sowie Lohn- und Gehaltsgefüge eher zur Abwanderung von Beschäftigten in andere Bereiche. Nach einem „Status-quo-Szenario“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg (IAB) steigt der Bedarf an Pflegevollkräften ausgehend vom Jahr 2005 bis 2025 um rund 27,3 % an.

3.1. Boombranche Pflege

Die Entwicklungen der pflegenden Dienstleistungen werden maßgeblich von der Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte bestimmt. Dabei wird Pflege fast immer als Kostenfaktor gesehen. Der Wandel vom Kostentreiber zum Wachstumsmotor kann nur funktionieren, wenn auch in Zukunft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Das Darmstädter Forschungsinstitut WifOR und die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) haben in einer gemeinsamen Studie die Personalentwicklung in ambulanten sowie stationären Einrichtungen für ärztliches und nichtärztliches Personal analysiert. Ihr Fazit: Ohne entschlossene Kursänderung wird der Fachkräftemangel zunehmen. 2030 werden bundesweit mindestens 400.000 Vollzeitkräfte fehlen. Die PwC-Studie geht im schlimmsten Fall von bis zu knapp einer Million fehlenden Fachkräfte aus. Dabei ist der Fachkräftemangel schon heute im gesamten Pflegebereich deutlich spürbar. Die WifOR/PwC-Studie zeigt, dass es besonders betroffene Regionen geben wird. In Brandenburg und Rheinland-Pfalz bleiben im Basis-Szenario der Expertenstudie im Jahr 2030 rund 28,0 % der Stellen unbesetzt.

3.2. Demografischer Wandel

Bedingt durch den demografischen Wandel steigt der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Lebensweisen und medizinische Versorgung tragen dazu bei, dass sich die durchschnittliche Lebensdauer erhöht. So nimmt die Zahl älterer Menschen zu, gleichzeitig wächst die Zahl Pflegebedürftiger. Allein in der Bevölkerungsgruppe der über 80-Jährigen wird ein Anstieg von rund 73,0 % auf 6,3 Millionen erwartet. Bis 2030 werden über 28 Millionen Menschen in Deutschland 60 Jahre oder älter sein18. Für Berlin wird mit einer Zunahme der 65- bis unter 80-Jährigen um 14,0 % gerechnet. Die Zahl der über 80-Jährigen soll im gleichen Zeitraum sogar um 87,0 % steigen.19

18 Vgl. Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), 2008 19 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (2009), S. 17

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

18

Diese wachsende Zahl älterer Menschen wird im Idealfall länger aktiv und mit wenigen Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl Pflegebedürftiger und die Komplexität der Krankheitsbilder nimmt zu. In Berlin wird bis 2030 mit einer Zunahme der Pflegebedürftigen von 66,0 % gegenüber dem Jahr 2007 gerechnet. Die Zahl der Pflegebedürftigen soll sich von rund 96.000 auf dann 159.000 Menschen erhöhen.20 Während die Nachfrage nach Pflegepersonal steigt, kommt es gleichzeitig beim familiären Pflegepotenzial – bedingt durch zunehmende Erwerbsbeteiligung bei Frauen und sinkender Geburtenrate – zu einem Verlust an familiärem Pflegepotenzial.

3.3. Besondere Herausforderung

Ob in der Alten- oder in der Krankenpflege: Pflege muss rund um die Uhr geleistet werden. Dabei sind auch die Beschäftigten selbst im hohen Maße daran interessiert, gute Arbeit in der Pflege zu leisten. Dies stellt einerseits hohe Ansprüche an Beschäftigte und Arbeitsorganisation, andererseits eröffnet es die Möglichkeit, eine Vielzahl unterschiedlicher und flexibler Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Formen der Regulierung der Arbeitszeiten, die einen Ausgleich verschiedener Zeitinteressen versprechen, kommt eine besondere Bedeutung zu. Passgenauigkeit: Arbeitsumfang, Dienstzeiten, Arbeitsdauer pro Tag und Dienst-Frei-Rhythmus müssen zur aktuellen familiären Situation der Beschäftigten passen. Einrichtungen und Betrieben stehen viele Wege offen, um die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu organisieren. Für eine balanceorientierte Arbeitszeit- sowie Dienstplangestaltung muss gelten, dass die Arbeitszeiten planbar sind und die Beschäftigten mitreden können. Dafür gibt es verschiedene Optionen – von innovativen Schichtmodellen über Arbeitszeitkonten bis zur verkürzten Vollzeitarbeit beispielsweise.

20 Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010), 2. 29

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

19

4. Beschäftigtenstruktur

Aus beschäftigungspolitischer Perspektive gilt die Gesundheitswirtschaft als Hoffnungsträger für die Länder Berlin und Brandenburg. Dabei stellt der demografische Wandel erhebliche Herausforderungen für die Gewinnung von Fachkräften in beiden Bundesländern dar. Im Zentrum der folgenden Betrachtungen steht allein die Beschäftigung im pflegenden Bereich des Gesundheitswesens, zu denen Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, Pflegeheime und sonstige stationäre Einrichtungen sowie Alten- und Behindertenwohnheime und die Ambulanten Sozialen Dienste gerechnet werden.21

Innerhalb der Gesundheitswirtschaft ist dieser Kernbereich besonders beschäftigungs-intensiv. In Berlin sind rund 81,0 % der insgesamt 130.324 Beschäftigten hier konzentriert.

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

in der Gesundheitswirtschaft (Kernbereich) Krankenhäuser 44.092 Arzt- und Zahnarztpraxen 23.624 Gesundheitswesen (sonstige Praxen und Rettungsdienste) 16.643 Pflegeheime 15.640 Stationäre Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung, Suchtbekämpfung usw.

36

Altenheime; Alten- und Behindertenwohnheime 10.805 Ambulante soziale Dienste 19.484

Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011

Wie das IAB feststellt, hat die Beschäftigung in den Krankenhäusern in der zweiten Hälfte der 90er Jahre bis etwa 2005 stark abgenommen – gleichzeitig haben Ambulante Soziale Dienste, Pflege- sowie Altenheime und die sonstigen Praxen deutlich an Beschäftigung zugelegt.22

Beschäftigungsentwicklung in den Branchen des Gesundheitskernbereiches 2000 bis 2011

2000 2011 absolut In Prozent Kernbereich insgesamt

109.353 130.324 20.971 19,2

Krankenhäuser 55.186 44.092 -11.094 -20,1 Arzt- und Zahnarztpraxen

19.050 23.624 4.574 24,0

Sonstige Praxen und Rettungsdienste

9.627 16.643 7.016 72,9

Pflege- u. Wohnheime, Betreuung Behinderter*

17.448 26.481 9.033 51,8

Ambulante Soziale Dienste

8.042 19.484 11.442 142,3

* die Einrichtungen der psychosozialen Betreuung wurden in der Vergangenheit getrennt erfasst. Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011

21 Auf Basis des Reports IAB-Regional 1/2013, Berichte und Analysen aus dem Regionalen

Forschungsnetz 22 ebd.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

20

4.1. Überwiegend weibliche Beschäftigte

Bundesweit ist der Anteil der Frauenbeschäftigung in der Gesundheitswirtschaft hoch, die Branche erweist sich als Frauendomäne. So lag ihr Anteil 2011 bei 78,0 %. Von allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten über 20,0 % in der Branche. In Berlin sind drei Viertel der Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft weiblich (74,5 %). In der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil der Frauenbeschäftigung bei 51,6 %. Der Anteil der Frauen im Kernbereich – den pflegenden Berufen also – liegt noch höher: Bei 78,4 % (Brandenburg: 81,4 %). Der Anteil der jüngeren Beschäftigten im Kernbereich liegt im Durchschnitt aller Beschäftigten. In Berlin sind 5,6 % der Beschäftigten im Kernbereich unter 25 Jahre. Knapp 80,0 % der Beschäftigten gehören der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren an. Nach Branchen innerhalb des Kernbereichs ist in Berlin vor allem in den Alten- und Pflegeheimen der Anteil der Älteren (45 bis 54 Jahre) deutlich stärker besetzt als im Bereich der Krankenhäuser und Arztpraxen. Mit dem Anteil von gut 15,0 % sind die über 54-Jährigen im Kernbereich etwa so gut vertreten wie in der Gesamtwirtschaft.23

4.2. Beschäftigungssituation

Die Arbeitszeiten im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft sind stark teilzeitgeprägt. Während die Vollzeitbeschäftigung in Berlin insgesamt in den letzten elf Jahren um 5,7 % zurückgegangen ist, hat die der Teilzeitbeschäftigten stark zugenommen (+43,4 %). Bundesweit hat 2011 ein gutes Drittel der Beschäftigten der Branche (34,8 %) in Teilzeit gearbeitet. In Berlin sind es 31,0 %, dabei betrifft das fast ausschließlich Frauen. Knapp 90,0 % der Teilzeitkräfte sind weiblich. Seit 2000 verzeichnet die Teilzeitbeschäftigung in der Gesundheitswirtschaft Berlins hohe Zuwächse (+53,8 %), insgesamt gehen fast 64,0 % des Beschäftigungswachstums in der Hauptstadt auf Teilzeitbeschäftigung zurück. In Krankenhäusern ist die Zahl der Vollzeitstellen in dieser Zeit um rund 30,0 % gesunken, in Pflege- und Wohnheimen sowie den sonstigen Praxen und Rettungsdiensten wurden mehr Teilzeit- als Vollzeitstellen geschaffen. Nach den Gesundheitsbranchen differenziert ist Teilzeit vor allem im Kernbereich verbreitet und hier vor allem bei Pflege- und Wohnheimen, den ambulanten Diensten und in Krankenhäusern. Wie das IAB feststellt, „vor allem ein Instrument der Flexibilisierung des Personaleinsatzes und Reduzierung von Personalkosten und weniger Ergebnis gewünschter freiwilliger Teilzeit der Beschäftigten.“ Und: „Das Gesamt-Arbeitszeitvolumen dürfte – wenn überhaupt nur geringfügig gestiegen sein.“24

23 ebd. 24 ebd.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

21

Entwicklungen der Beschäftigten in den Branchen des Gesundheitskernbereichs Berlin nach Arbeitszeit 2000 und 2011

2000 2011 Gesamt Vollzeit Teilzeit Gesamt Vollzeit Teilzeit Gesundheitswirtschaft insgesamt

134.130 102.005 32.113 161.366 111.845 49.405

Kernbereich 109.353 80.712 28.633 130.324 85.099 45.127 Krankenhäuser 55.186 43.615 11.570 44.092 30.428 13.659 Arzt- und Zahnarztpraxen

19.050 13.763 5.282 23.624 17.169 6.428

Sonstige Praxen und Rettungsdienste

9.627 6.899 2.726 16.643 11.520 5.099

Pflege- und Wohnheime, Betreuung Behinderte*

17.448 12.170 5.278 26.481 14.520 11.957

Ambulante soziale Dienste

8.042 4.265 3.777 19.484 11.462 7.984

* Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung und Suchtbekämpfung wurden in der Vergangenheit getrennt erfasst.

Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus IAB Pallas online, 2011

4.3. Geringfügige Beschäftigung und Zeitarbeit

Im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft kommen in der Hauptstadt auf 100 Beschäftigte 9 geringfügig entlohnte Beschäftigte – deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt (14). Der Anteil der Zeitarbeit machte an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 2,9 % aus, der Bundestrend liegt mit 3,2 % aller Beschäftigten leicht darüber. Dennoch wird Zeitarbeit in Berlin gerade in der Pflege als flexibles Personalinstrument genutzt. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird Zeitarbeit in der Pflege jedoch nicht zur Kompensation von Auftragsspitzen genutzt, sondern als Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung bei zu geringer Personalausstattung.25

4.4. Besonderheiten der Arbeitsorganisation

Wie die erwähnte PwC-Studie zeigt, ließe sich der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen durch eine bessere Ausschöpfung der Arbeitskraft der vorhandenen Fachkräfte zwar nicht gänzlich vermeiden, aber deutlich abmildern. Erreichbar sei demzufolge ein Szenario, in dem 2030 in etwa das heute bekannte Versorgungsniveau gehalten werden könne und bundesweit „nur noch“ rund 168.000 Pflegekräfte und gut 51.000 Ärzte fehlen. Dabei wird angenommen, dass die Vollzeit- und Teilnahmequoten über alle Berufsgruppen hinweg um durchschnittlich 10,0 % gesteigert werden können. In der ambulanten Altenpflege beispielsweise müsste der Anteil der Berufsaussteiger von 18,0 % auf 10,0 % sinken, gleichzeitig die Vollzeitquote von 69,0 % auf rund 76,0 % gesteigert werden. Hinzu kommt nach dem PwC-Szenario eine Verlängerung der tatsächlichen Jahresarbeitszeit im Pflegewesen um 20,0 %.

25 Bräutigam et al. 2010, 5

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

22

Damit die Pflegekräfte länger berufstätig sein können, müssten sich aber die Rahmenbe-dingungen im Gesundheitswesen ändern. Eine höhere Teilnahmequote setze voraus, dass die Beschäftigten ihren Beruf auch jenseits von 50 Jahren noch ausüben können. „Insbesondere in der Pflege muss die Arbeit durch den konsequenten Einsatz technischer Hilfsmittel leichter werden. Eine regelmäßige Jobrotation und psychologische Betreuung können die Belastung abmildern.” Auch in den ärztlichen Berufen sei der vorzeitige Ausstieg – mit hohem finanziellen Aufwand – der ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte ein Problem. “Viele Ärzte leiden unter wachsendem bürokratischem Aufwand, der immer weniger Zeit für die Patientenversorgung lässt. So kämen in den Kliniken oft starre Hierarchien hinzu, die gerade jüngere Mediziner zur Abwanderung in nicht-ärztliche Berufe bewege.

Eine besondere Herausforderung, auf die bislang nur unzureichend reagiert worden sei, ist die so genannte Feminisierung des Gesundheitswesens. Bei dem hohen Anteil an weiblichen Fachkräften könne eine anzustrebende Anhebung von Teilzeit- und Vollzeit-quoten nur gelingen, wenn sich Beruf und Familie besser vereinbaren lassen als heute. Kinderbetreuung sei flächendeckend zu gewährleisten – auch nachts und am Wochen-ende.26

26 „112 – und niemand hilft“, Hrg.: PwC, Frankfurt am Main, August 2012

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

23

5. Anforderungen an die Dienstplan- und Arbeitszeit-gestaltung in der Pflege

5.1. Wünsche der Beschäftigten

Mit Faktoren, die in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, dass Beschäftigte nicht in andere Bereiche abwandern oder frühzeitig aus dem Beruf ausscheiden, befasst sich unter anderem der „DGB-Index Gute Arbeit 2009: Gute Arbeit aus Arbeitnehmersicht“ sowie die Studie „Arbeitsintensität und gesundheitliche Belastungen aus der Sicht von Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen“ im Auftrag der ver.di-Bundesverwaltung. Dabei wurden unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Rahmenbedingungen – überproportional hoher Frauenanteil – die folgenden Faktoren für „Gute Arbeit“ in den Fokus genommen:

− Lage und Dauer der Arbeitszeit

− Atypische Beschäftigungsverhältnisse

− Zeit- und Termindruck aus Sicht der Beschäftigten

− Gesundheitliche Beschwerden von Beschäftigten

5.2. Arbeitszeit

Anhand der Arbeitszeitlage erfasst der Index „Gute Arbeit“, wann die Arbeit stattfindet. Von besonderem Interesse ist dabei die Arbeitszeit außerhalb der klassischen Arbeitszeit: Arbeit am Wochenende, Arbeit am Abend (zwischen 18 und 22 Uhr), Nachtarbeit (zwischen 22 und 5 Uhr), Schichtarbeit, Arbeit nach Bedarf und völlig unregelmäßige Arbeit. Für die Mehrzahl der Pflegeberufe in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist Wo-chenendarbeit ein fester Bestandteil ihrer Arbeitszeit. Nachtarbeit (zwischen 22 und 5 Uhr) müssen insbesondere Krankenschwestern und -pfleger leisten. In diesen Pflegebereichen sind Zwei- bis Drei-Schicht-Systeme die berufliche Realität. Die Arbeit nach betrieblichem Bedarf ist mit 42,0 % weit verbreitet. Insbesondere Altenpflegerinnen und -pfleger sind davon betroffen. Jeder zweite Beschäftigte dieses Berufes beantwortete im DGB-Index „Gute Arbeit“ die Frage damit, dass sich seine Arbeit nach dem betrieblichen Bedarf richte. Immer noch 14,0 % gaben an, dass die anfallende Arbeit „völlig unregelmäßig“ sei. Im Vergleich zur Gesamtheit der Beschäftigten sind die Pflegeberufe deutlich häufiger teilzeitgeprägt, da die überwiegend weiblichen Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier am ehesten realisieren könnten. Zwar handle es sich angesichts eines deutlich weniger vorhandenen Angebots an Vollzeitstellen faktisch um „Zwangsteilzeit“, die überproportionalen Teilzeitverträge führen insgesamt jedoch zu einer kürzeren wöchentlichen Arbeitszeit.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

24

5.3. Atypische Beschäftigung

Zu den atypischen Beschäftigungsverhältnissen zählen befristete Verträge, Minijobs, Zeitarbeit und Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 21 Wochenstunden. Atypische Beschäftigung bedeutet oft Niedriglohn, unsichere Beschäftigung, eine deutlich geringere ökonomische Absicherung und ein erhöhtes Armutsrisiko. Laut DGB Index ist die befristete Beschäftigung verbreitet: 15,0 % der Beschäftigungsverhältnisse betrifft das. Überdurchschnittlich viele Beschäftigte mit Minijobs gibt es in der Altenpflege (7,8 %). Insgesamt arbeiten 27,0 % aller Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Bei Krankenschwestern und -pflegern liegt die Quote gar bei 28,0 %.

5.4. Zeit- und Termindruck

Zeit-/Termin- druck wird verursacht durch

Ge-samt

Gesund-heits-dienst-berufe

Soziale Berufe

Lehr-berufe

Kranken-schwester/-pfleger

Erziehe -rinnen/ -er

Alten- pflege- rinnen/ -er

... zu knappe Personalbemessung

44,4 48,3 49,7 27,5 72,0 43,1 61,2

... zu viele, gleichzeitig zu bearbeitende Abläufe/Projekte

31,2 37,6 27,3 26,1 49,1 23,8 22,2

...Störung durch ungeplante Zusatzaufgaben

28,5 35,0 26,3 16,8 47,6 10,2 44,0

... zu knapp vorgegebene Termine

18,9 23,3 20,2 12,2 29,4 9,2 34,6

... Druck der Vorgesetzten

16,5 19,5 17,4 15,4 22,5 11,1 27,3

Quelle: DGB-Index 2009 (Auszug)

Im Rahmen des DGB-Index wurde nach Ursachen für möglichen Zeit- und Termindruck gefragt. Eine zu knapp bemessene Personaldecke stand bei den Antworten mit Abstand der Spitze der Nennungen. Für rund die Hälfte der Beschäftigten ist dieser Faktor die wesentliche Ursache für hohe Arbeitsintensität – Krankenschwestern und -pfleger nennen das zu 72,0 % und Altenpfleger bzw. Altenpflegerinnen zu 61,0 %. An zweiter Stelle der Belastungsfaktoren stehen zu viele, gleichzeitig zu bearbeitende Abläufe oder Projekte (31,0 %). Störungen durch ungeplante Zusatzaufgaben liegen mit 35,0 % in den Gesundheitsberufen an dritter Stelle der Ursachen. Auch hier sind Krankenschwestern und -pfleger überdurchschnittlich betroffen. Sie nennen die Zusatzaufgaben zu 48,0 % und in der Altenpflege sind es 45,0 %. Zu knapp vorgegebene Termine und Druck der Vorgesetzten werden überdurchschnittlich oft von Altenpflegerinnen bzw. -pflegern als Ursachen für Zeit- und Termindruck benannt.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

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Der Index „Gute Arbeit“ befragte die Beschäftigten auch danach, welche Maßnahmen, Veränderungen und Einflussmöglichkeiten aus Sicht der Beschäftigten geeignet seien, den Termin- und Zeitdruck abzubauen. Entsprechend der am meisten genannten Ursache ist eine höhere Personalbemessung die häufigste genannte Maßnahme zur Beseitigung. Mit einer Einschränkung: Im Gesundheitsdienst sieht mit über 54,0 % die Mehrheit der Befragten eine klare Arbeitsorganisation und ein reibungsloser Ablauf als wirksamste Maßnahme an. Hier folgt die stärkere Personalbemessung erst an zweiter Stelle. Auffällig ist, dass dem mitarbeiterseitigen Einfluss auf Arbeitsorganisation, Arbeitsmenge und Arbeitszeit am wenigsten zugetraut wird, das Problem Zeit- und Termindruck zu lindern.

5.5. Gesundheitliche Beschwerden

Wenn auch nicht im Mittelpunkt dieser Betrachtung, soll doch der Vollständigkeit halber das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz nicht unerwähnt bleiben. So befragte der DGB-Index erstmals auch zu gesundheitlichen Beschwerden der Beschäftigten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Im Ergebnis kam es zu einer bedenklich langen Liste:

− Allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung

− Schmerzen im unteren Rücken, im Nacken- und Schulterbereich

− Kopfschmerzen

− Nervosität oder Reizbarkeit

− Niedergeschlagenheit

− Nächtliche Schlafstörungen Einseitige körperliche Belastungen kamen in einzelnen Berufen zu den psychischen Beschwerden hinzu, etwa Schmerzen in der Hüfte oder in den Knien. Schmerzen in Beinen und Füßen sowie Armen und Händen sind bei Krankenschwestern und -pflegern sowie den Altenpflegerinnen und Altenpflegern häufig genannt.

5.6. Handlungsmöglichkeiten der betrieblichen Akteurinnen und Akteure

Neben dem aufmerksamen Blick auf die Einhaltung gesetzlicher Regelungen und Tarif-verträge haben die Interessenvertretungen die Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen abzu-schließen, wenn deren Sachverhalte nicht bereits in Tarifverträgen geregelt sind (§77 Abs. 3 BetrVG). Dabei sind Betriebliche Vereinbarungen Verhandlungsergebnisse, die Ausdruck von Gestaltungsbedarf sind. Sie sind abhängig vom Kräfteverhältnis und der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Unternehmens. Die Beschäftigten brauchen frühzeitig Klarheit Die Lage ihrer Arbeitszeit und entsprechende Erholungszeiten sind so rechtzeitig bekannt zu machen, dass die Beschäftigten ein geregeltes Privatleben führen können. Der Gesetzgeber hat deshalb im §12, TzBfG eine Frist von mindestens vier Tagen festgelegt, wenn der Arbeitsvertrag ausdrücklich „Arbeit auf Abruf“ vorsieht. Die Beteiligten sind auf der sicheren Seite, wenn Mitarbeitervertretung und Unternehmer eine Vereinbarung zur (rechtzeitigen) Vorlage eines Schichtplans geschlossen haben.

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Expertise: Balanceorientierte Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung in der Pflege

26

Menschengerechte Gestaltung der Schichtpläne Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW hat in einem Erlass die menschengerechte Gestaltung der Schichtpläne als Mindestbedingung klar gestellt. Es empfiehlt unter anderem:

− Ausreichende Ruhezeiten bei Schichtwechsel, keinesfalls kürzer als 24 Stunden

− Regelmäßig freie Wochenenden in kontinuierlichen Schichtsystemen

− Wochenendfreizeiten von mindestens zwei Tagen, davon ein Samstag oder Sonntag

− Ausgleich der Mehrbelastung von Schichtarbeiterinnen und -arbeitern durch zusätzliche Freizeit

− Keine Arbeitsperioden von 8 oder mehr Arbeitstagen in Folge; möglichst keine langen Schichten

Hier sind Tarifverträge, Gesetze, aber auch Empfehlungen von Arbeitsmedizinern berührt – sie sollten bei der Schichtplangestaltung berücksichtigt werden. Leider hat sich die Rechtsprechung mit den Besonderheiten im Gesundheitswesen relativ wenig aus-einandergesetzt. Bei festen betriebsüblichen Arbeitszeiten sind Verfahrensregelungen verhältnismäßig einfach zu finden. Flexible Schichtpläne erfordern vor allem die Doku-mentation sowie die Zustimmung des Betriebsrats rechtzeitig vor Inkrafttreten des jeweiligen Schichtplans. Mehrarbeit: Freizeitausgleich oder Vergütung Teilzeitbeschäftigte leisten Mehrarbeit über das Vereinbarte hinaus, wenn Stunden über das geplante Arbeitsende hinaus nicht zu einem anderen Zeitpunkt ausgeglichen werden. Sie erhalten für jede Mehrarbeitsstunde ein zusätzliches Stundenentgelt. Werden Mehrarbeit und Überstunden angeordnet, muss die Mitarbeitervertretung zustimmen. Gibt es als Ausgleich für mehr Arbeit auch mehr Geld? Oder werden die Beschäftigten unvermittelt zur Freizeit gezwungen? Ist die Pflegekraft mit der Mehrarbeit einverstanden? Fragen, die ein Betriebs- oder Personalrat vor der Zustimmung prüft. Tags schlafen und nachts arbeiten 2007 hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Schichtarbeit und Nachtschicht als vermutlich „krebserregend beim Menschen“ eingestuft. Lange Jahre war Nachtarbeit in Deutschland für Frauen und Kinder gesetzlich verboten – bis die Regierung Kohl dieses Verbot 1994 für Frauen aufgehoben hat. Wer nachts arbeitet (23:00 bis 6:00 Uhr) oder Bereitschaftsdienst hat, steht unter dem besonderen Schutz des Arbeitszeitgesetzes. Die Beschäftigten können durch Geld oder freie Tage zusätzlich entlohnt werden. Die betrieblichen Interessenvertretungen stehen den Beschäftigten dabei zur Seite, um diesen Anspruch durchzusetzen. Auch in vielen anderen Fällen stehen die Mitarbeitervertretungen, Betriebs- und Personalräte bereit, um mit offenen Augen über die Einhaltung der Gesetze zu wachen oder um in Vereinbarungen mit Arbeitgebern familienfreundliche Arbeitszeitmodelle umzusetzen.

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6. Beispiele guter Praxis

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Pflegepersonal ist weit überwiegend weiblich. Aber auch Männer wollen immer öfter Verantwortung in der Familie übernehmen und suchen nach Arbeitszeit- bzw. Schichtmodellen, in denen das möglich ist. Einige Beispiele guter Praxis: In einem Essener Krankenhaus etwa werden verschiedene Arbeitszeitmodelle gezielt eingesetzt. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Viele von ihnen leiten Stationen oder Abteilungen. Arbeitsbeginn und Arbeitsende werden frei abgesprochen, insbesondere bei den Teilzeitbeschäftigten. Zeitkonten zeichnen die Plus- und Minusstunden der Beschäftigten auf und ermöglichen Gleitzeit und familienorientierte Kernzeiten. Die Zeitkonten eröffnen auch ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen über den tariflichen Urlaub hinausgehenden Heimataufenthalt. Falls im privaten Bereich ein akuter Notfall eintritt, können die Beschäftigten in Schichtmodellen mit erhöhter Flexibilität arbeiten oder zur Pflege Angehöriger bei weiter bestehendem Vertragsverhältnis beurlaubt werden. Eine Arbeitsgruppe trifft sich zweimal pro Jahr, um sich über die Entwicklungen auszutauschen und neue Ziele festzulegen. Diese Maßnahmen sorgen für eine geringe Fluktuation der Beschäftigten sowie einen sehr niedrigen Krankenstand.27 Ein Reha-Zentrum in Brandenburg arbeitet seit 2001 kontinuierlich an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Die ersten Schritte waren die Ausweitung der Teilzeitarbeit und die Einrichtung von Tele-arbeitsplätzen für Mütter in Elternzeit. Jahr für Jahr wurde das Angebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessert. „Diesem Prozess ging die Erkenntnis voraus, dass zufriedene Beschäftigte einen entscheidend höheren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können“, begründet das Unternehmen sein Konzept. Mittlerweile wurden die Teilzeitangebote weiter ausgebaut, für langjährig Beschäftigte und Ältere gibt es Zusatzurlaub. Zusätzliche freie Tage gibt es auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wechselschichten. Es gibt darüber hinaus einen Kindergartenzuschuss, und das Zentrum beschäftigt zwei Tagesmütter, die sich während der Dienstzeiten am Wochenende um den Nachwuchs der Beschäftigten kümmern.

27 Quelle INQA Datenbank „Gute Praxis“

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Geplant ist eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für Eltern mit Kindern bis 12 Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen. Für die Umsetzung dieses Angebots wird weiteres Personal eingestellt.

Die Gesundheit der Beschäftigten ist ein weiterer wichtiger Faktor. Mit betrieblichen Vorsorge- und Präventionsangeboten konnten bereits einige Ziele erreicht werden: Die Absenkung des Krankenstandes, die Senkung der Fluktuation oder der Erhalt der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das Reha-Zentrum ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: Die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sei höher, sie seien stärker motiviert, und die Beschäftigten werden langfristig an das Haus gebunden.

Im September 2005 wurde das Zentrum mit dem Audit „Beruf und Familie“ des Bundesfamilienministeriums ausgezeichnet. Ein ambulanter Pflegedienst aus Aachen beschäftigt rund 80 Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter, überwiegend Pflegefachkräfte, Schwesternhelferinnen und Haushaltshilfen. Das Angebot reicht von Betreuungsleistungen bis hin zur Intensivpflege. Der Pflegedienst hat am Projekt „PIA – Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen“ teilgenommen.

Ziel war, eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur zu entwickeln, um Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen. Ein Schwerpunkt dabei: Die Weiterbildung „Projektarbeit im Team“, die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut ankam. Darüber hinaus konnten sich die Beschäftigten an einer Umfrage darüber beteiligen, welche Arbeitssituationen sie als besonders belastend empfinden. Als eine Konsequenz aus der Befragung wurden Schulungen angeboten, die sich mit Themen wie emotionale Abgrenzung oder auch Umgang mit demenzkranken Menschen beschäftigten.

Als belastend wurden auch die mit dem Pflegedienst verbundenen Autofahrten empfunden. In einem ersten Schritt wurde den Betroffenen ein Fahrsicherheitstraining angeboten und darüber hinaus wurde der Fuhrpark erneuert.

Das Fazit des Pflegedienstes ist positiv. Die Unternehmenskultur hat sich durch die Teilnahme an dem Projekt verbessert, der Informationsfluss wurde durch Konzeption und Umsetzung eines neuen, strukturierten Übergabeprozess optimiert. Insbesondere die Betei-ligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neuen Projekten gehört zu den erfolgreichen neuen Ansätzen. In Zukunft soll auch mit neuen Arbeitszeitmodellen stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten eingegangen werden.

Mit 21 Beschäftigten arbeitet der Ambulante Pflegedienst Hornbostel. Das kleine Unternehmen setzt dabei auf eine familienfreundliche Personalpolitik. Alle Dienstleistungen des Pflegedienstes können auch vom Personal in Anspruch genommen werden. Das fängt bei der Beratung an und reicht bis zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Bei Bedarf stehen sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander bei. Das Angebot ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kostenlos. Auch der 24-Stunden-Haushaltsnotruf hilft den Beschäftigten. Unterschiedliche Arbeitszeitmodelle stellen sicher, dass auch Familien mit Kindern ihre Zeit einteilen können. Wer längere Zeit zu Hause benötigt, kann bis zu 30 Tage freigestellt werden – bei voller Bezahlung.

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Mit umfangreichen Maßnahmen hat eine Klinik im Main-Kinzig-Kreis den Weg zur familienfreundlichen Arbeitszeitgestaltung beschritten. Die Vertrauensarbeitszeit wurde auch für Oberärztinnen und -ärzte eingeführt. Besetzungsanforderungen werden durch eine Führungskraft unpersonalisiert erstellt, die Mitglieder des jeweiligen Teams stimmen ihre jeweilige individuelle Arbeitszeit dann ab. Abwesenheitszeiten werden in verschiedenen Stufen geplant: Auf die Urlaubsplanung aufbauend werden arbeitsfreie Tage geplant. Im Bedarfsfalle nimmt eine weitere Kollegin bzw. ein Kollege auf Zeitkonto frei. Bei Wahlarbeitszeitmodellen können Beschäftigte ihre Vertragsarbeitszeit innerhalb einer Bandbreite von 75,0 bis 100,0 % frei wählen. Das Bruttoarbeitsentgeld wird jeweils ange-passt. Für bedarfsorientierte Kinderbetreuung auf dem Klinikgelände steht in einer Völklinger Klinik das klinikeigene Kinderzimmer des Familienhauses bereit. Dort können Beschäftigte ihre Kinder von Geburt an bis etwa zum 12. Lebensjahr von Montag bis Sonntag von 6 Uhr bis 22 Uhr betreuen lassen. Weil die Klinik die Kosten für die Kinderbetreuung übernimmt, ist die Kinderbetreuung für die Beschäftigten auch günstiger als ein klassischer Krippenplatz.

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