Balde, Agricola, Faber und Stengel: Ingolstädter … zu entwickeln (Sesden-faden). Erbauliche...

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Katalog zur Jesuitenausstellung Bis zum 30. November fin- det die Ausstellung zur Jesui- tenmission in China „Der Jesuitenfriedhof in Peking“ im Neuen Schloss, dem Bay- erischen Armeemuseum, in Ingolstadt statt. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen. Er schildert die Hintergründe und Umstände dieses Brü- ckenschlags zwischen Europa und China – die wissenschaftlichen Leis- tungen der Jesuitenpro- fessoren, die von euro- päischen Universitäten abberufen und als Spit- zenkräfte der Astrono- mie, Landvermessung und Ingenieurskunst, aber auch der Musik, Architektur und Kunst in die Mission entsandt wurden. Der Katalog zeichnet auch, soweit möglich, die Biogra- phien der 63 Jesuiten nach, die auf dem Zhalanfriedhof bestattet sind, den der Sohn des Himmels dem Begründer der China-Mission Matteo Ric- ci zuwies und der dann knapp 200 Jahre als „Jesuitenfried- hof“ diente. Der Katalog enthält dar- über hinaus eine Reihe von Fachaufsätzen, etwa von Bea- trix Schönewald zu „Jesuiten in Ingolstadt“, von Iris Winkler über die Jesuitenmusiker am Pekinger Hof sowie Grußwor- te von Ansgar Reiß, Direktor des Bayerischen Armeemu- seums und von Stefan Kiech- le, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten und ist zum Preis von 29,50 Euro (Ausstellungspreis) in der Ausstellung und an der Kasse des Stadtmuseums im Kava- lier Hepp erhältlich. Gerd Treffer, Jesuitenmission in China. Der Jesuitenfriedhof in Peking, herausgegeben von Gerd Treffer, Beatrix Schö- newald und Ansgar Reiß. Ingolstadt, 2016 367 Seiten ISBN: 978-3-932113-71-0 Balde, Agricola, Faber und Stengel: Ingolstädter Beiträge zum Jesuitentheater Das Jesuitentheater war eine Antwort auf die Reformation (Teil 3) Von Gerd Treffer Fortsetzung des Beitrags aus der Juli-Ausgabe Balde schrieb keineswegs nur religiöse oder morali- sche Gedichte, sondern auch Jagdlieder und patriotische Lyrik, daneben Satiren und vor allem das erwähnte Jesu- itendrama. Später wurde Bal- de Hofprediger in Neuburg an der Donau. Pfalzgraf Fried- rich Wilhelm hielt große Stü- cke auf ihn. Der Neuburger Fürst ernannte ihn zum Haus- geistlichen, und 1661 wurde Balde Beichtvater der fürstli- chen Familie. Er starb am 9. August 1668 in seiner letzten Lebensstation Neuburg und ruht in der Gruft der dortigen Hofkirche. Georg Agricola, ein „begabter Theaterregisseur“ Agricola und Faber gehör- ten (wie Gretser) einer frühe- ren Generation von Jesuiten- patres (und Autoren) an – sie sind gut 30 Jahre älter. Die Lebensgeschichte des 1566 im schwäbischen Lech- bruck geborenen Georg Agri- cola wurde in den Histori- schen Blättern unter dem Aspekt seiner Tätigkeit als Lehrer am Ingolstädter Jesu- itengymnasium (Pädagogi- um) skizziert. Bakkalaureat und philosophischen Magis- tergrad hatte er (1585 bzw 1586) in Dillingen erworben und war dem Jesuitenorden beigetreten. In Ingolstadt studierte er Theologie und übernahm 1594 die Griechischprofessur. Ver- mutlich fühlte er sich am wohlsten in der Rolle des Lehrers am Gymnasium – 1599 bis 1603 war er in lei- tender Position am Münch- ner Jesuitengymnasium tätig, 1604 – 1605/1606 dann am Ingolstädter Gym- nasium, wobei er die sechs- te, die Abschlussklasse, die Rhetorik, unterrichtete. (Während die Lehrer der fünf darunter rangieren- den Klassen als „Praecepto- res“ betitelt wurde, war der Leiter der Rhetorik „Profes- sor“ und Mitglied der phi- losophischen Fakultät der Universität). Später kehrte Agricola noch einmal kurz nach Ingolstadt zurück und vertrat Pater Faber offenbar in der Rhetorikklasse. 1621 – 1625 war er im Eichstätter Jesuitenkolleg, 1633 - 1635 in Dillingen, vorwiegend aber in Ellwangen, wo er 1625 Beich- tiger des Fürstprobstes war, und wo er 1635 auch verstarb. Ulrich Neumann beschreibt (im Biographi- schen Lexikon der Ludwig- Maximilians- Universität) Agricola als „begabten The- aterregisseur... (er) verfasste auch selbst Schauspiele, wie z.B. den 1604 in Ingolstadt uraufgeführten Justus Antis- siodorensis“, von denen sich allerdings meist nur die Peri- ochen erhalten haben“. Der Lexikoneintrag verzeichnet auch „De regno humanitatis“ von 1593, ein Stück, das mit Agrícolas erster Zeit als Leh- rer am Gymnasium zusam- menfällt, den oben genann- ten „Justus Antissiodorensis“ von 1604 und „Ignatius Antio- chenus martyr“ von 1605 – wobei beide Letztgenann- te in die zweite Periode von Agrícolas Lehrerzeit fallen. Aufgeführt wurden die Stü- cke vermutlich in der Gym- nasiumsaula, die im obersten Stock des Gebäudekomple- xes von Konvikt und Gymna- siumsbau untergebracht war. Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke erfanden, nie- derschrieben, inszenierten , kann nicht verwundern, da das Jesuitendrama aus dem „Schulspiel“ entstand und schulische Aufführungen zum Programm der Gymnasien im Schuljahresablauf gehör- ten. Der Lexikoneintrag ver- weist ferner auf eine pro- fund recherchierte Studie von Ingrid Seidenfaden (in den Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtli- che Landeskunde in Baden- Württemberg - Reihe B, For- schungen - mit dem Titel „Das Jesuitentheater in Konstanz. Grundlagen und Entwicklun- gen. Ein Beitrag zur Geschich- te des Jesuitentheaters in Deutschland. Stuttgart, 1963), in der über eine Aufführung 1609 in Konstanz des Stückes „Comico- Tragedien von dem Leben und Todt des neunjäh- rigen Knabens und Märtyrers Justi“ berich- tet wird - als deren Urhe- ber Agríco- la gilt und das als „text- gleich“ mit dem Justus Antissidoren- sis betrachtet wird. Seiden- faden spricht jedenfalls von einem „erprobtem Repertoir- stück .... das, 1604 in Ingol- stadt verfasst und gespielt, in den fol- genden Jah- ren seinen Weg über einige nam- hafte Bühnen der oberdeut- schen Provinz machte“. (C.M. Haas; Das The- ater der Jesui- ten in Ingolstadt. Diss. Mün- chen 1948, Anhang 1604 - Per. StB 4 8av 2197/3- 61. Haas gibt (auch) für die Kon- stanzer Aufführung Agrícola als Autoren an). 1605 wurde das Stück in Freiburg, 1620 in Luzern, 1608 in München auf- geführt. Die Münchner Auf- führung fällt in die ersten Zeit von Jakob Bidermanns dortiger Tätigkeit, der es wohl aus Ingolstadt kannte. Nach Periochenvergleichen stimmen die beiden Stücke überein. „Mit bemerkens- wertem Können hat der Ver- fasser, in dem man wohl zu Recht einen bewährten Ingol- städter Lehrer vermuten darf, (was auf Agrícola hundertpro- zentig zutrifft,; G.T.) die Dra- matisierung unternommen und die stofflich in Fülle vor- handenen Affekte.... auf den wunderbaren Tod des fünf- ten Aktes hin konzipiert. Ihm ist es gelungen, das echte Pathos der Berufung und des Glaubenstodes aus einem streckenweise recht komisch dargestellten Alltag überzeu- gend zu entwickeln“ (Sesden- faden). „Erbauliche Tragödige mit komischen Zügen“ Bekannt sind die äußeren und durchaus beeindrucken- den Umstände dieser Kons- tanzer Aufführung. Das Thea- terstück wurde gewählt, um wirksam die Diözesansyno- de zu eröffnen, die Bischof Jakob Fugger (für den 18.- 24. Oktober 1609) einberu- fen hatte. Etwa zweihundert Geistliche waren dem Ruf des Bischofs gefolgt, fanden sich nachmittags im „neuen Gymnasium“ ein und eröffne- ten zugleich die Theater-Aula. Inhaltlich handelt die erbauli- che Tragödie (mit komischen Zügen) vom Knaben Justus, der sich zur Zeit Diocletians auf Geheiß eines Engels von Auxerre nach Amiens auf- macht, um dort den entführ- ten Bruder Justinianus aus der Dienstbarkeit eines Kaufmans zu lösen. Fortsetzung in der nächsten Aus- gabe der Historischen Blätter. Die historische Diskriminierung der Raucher 20. Teil: Wo die Päpste Blitze gegen die Raucher schleuderten, während andere Obrigkeiten in Tabakskollegien qualmen. Von Gerd Treffer Natürlich verzichtet Kapp- ler nicht darauf, ausdrücklich, das päpstliche Dekret Urbans VIII. (vom 30. Januar 1642) zu erwähnen, das „zwar den Geist jener Zeiten (athme)“ und (leider) zunächst nur die „Klerisei des sevillischen Kir- chensprengels angehe“ (S. 31) – dessen gute Absicht aber deutlich in die Augen sprin- ge und es verdient hätte, „auf den Klerus der gesam- ten katholischen Kirche aus- gedehnt“ zu werden. In Kapplers Übersetzung heißt es in diesem Dekret: „Wir verbieten hiermit aus apostolischer Gewalt bei Stra- fe der Exkommunikation latae sententiae, mit dem Befehl, wenn es nötig sein sollte, sogar den weltlichen Arm zu Hilfe zu rufen, allen und Jeden beiderlei Geschlechts, sowohl Weltlichen als Geistlichen, dass sie sich fernerhin nicht mehr unterstehen in den Kir- chen der Stadt und Diöcese Sevilla… Tabak zu schnupfen, zu rauchen oder auf eine Art zu nehmen“. Das Schnupfen wurde, so Kappler, deshalb verboten, „weil die Messe lesenden Geistlichen mit dem Unrath, welchen der Tabak aus dem Gehirne ziehet, Korporal, Altar- und Kelchtücher, Alben usw. verunreinigen, ein Fall, der sich auch itzt nicht selten ereignet“. Was Kappler nicht erwähnt, ist Papst Innocens X., der 1650 gar der ganzen Christenheit die Exkommunikation androh- te, so sie nicht vom Rauchen ließe. Kappler stellt natürlich – seinem Berichtsschema fol- gend – obrigkeitliche Missfal- lensäußerungen zum Rauchen dar. Er verzichte aber auf Hin- weise, dass sich gelegentlich selbst in Hofkreisen regel- rechte Tabakskollegien gebil- det hatten. Im Ablauf lassen sich durchaus unterschiedliche Phasen der Einstellung zu Tabak und zur Nachrichtenla- ge über Tabak erkennen. Den Darstellungen über Auffindung in Amerika und den Weg nach Europa folgen Abhandlungen über körper- liche Wirkungen und medizi- nische Einschätzungen bzw. dessen botanische Konservie- rung (1592 etwa im Herbarium des Naumburger Arztes Caspar Ratzenberger, oder – vom sel- ben Jahr – als Erwähnung im zu Nürnberg erschienenen Werk „Dispensatorium sive Antidolarium“ des Valerius Cordus, oder im 1598 belegten Inventar der Braunschweiter Ratsapotheke. Der Londoner Arzt Raphael Thorius betrach- tet in seinem „Hymnus Taba- ci“ die medizinischen Wirkun- gen ebenso wie der bereits erwähnte Johann Neander. Zu dieser Zeit galten die ver- schiedenen Anwendungsfor- men des Tabaks quasi als All- heilmittel. Vorwiegend in der ers- ten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnen die Obrigkeiten auf das Tabakrauchen zu reagieren und sich eine ihm eher abge- neigte Tendenz abzuzeich- nen, die Kappler aufgriff und die oben dargestellt wurde. Von einer generellen Ableh- nung kann aber nicht ausge- gangen werden. In Preußen z.B. genoss das Tabakskolle- gium des ansonsten so stren- gen Königs Friedrich I. und sei- nes Sohnes Friedrich Wilhelm I. legendären Ruf und wurde in berühmten Gemälden fest- gehalten. Paul Carl Leygebe hat das Tabakskollegium Friedrichs I. um 1710 in der roten Kam- mer des Berliner Stadtschlos- ses abgebildet. Das Königs- paar sitzt zwar noch zentral im Raum, aber nicht (mehr) direkt unter dem Baldachin. Bedienstete Mohren und Tür- ken servieren Getränke – der Tabak in holländischen Ton- pfeifen wird mit Fidibus oder an Kerzen entzündet. Das Gemälde zum Tabakskollegium Friedrich Wilhelm I., des „Soldatenkö- nigs“, entstand 1737 in Königs Wusterhausen und wird Georg Liesiewski (von anderen Dis- mar Degen) zugewiesen. Am schweren Eichentisch sitzen auf einfachen lehnenlosen Bänken die Mitglieder. Während Friedrich I. Zeit nahmen auch Damen an der grundlegend geselligen Ver- anstaltung teil. Rauchen war dabei eine Pflicht, von der man sich mit Geld für wohltä- tige Zwecke freikaufen konn- te. Unter Friedrich Wilhelm I. wandelte sich der Charakter des Tabakkollegiums gänz- lich zu einer Art königlichen Stammtisches, zur reinen Gesellschaft von Männern, die Ton- oder Meerschaum- pfeifen schmauchten, reich- lich Bier tranken, über Politik, Gott und die Welt debattier- ten. Zum festen Kreis gehör- ten hohe Militärs, gelegentlich Durchreisende und Diploma- ten, aber auch Gelehrte und Professoren (die „Lustige Räte“ hießen). Friedrich II. („der Große“), der Sohn des Soldatenkönigs, beendete die Tabakskollegien, er zog Schnupftabak dem Pfei- fenrauchen vor. Der Streit über den Tab- akkonsum dauerte über die Jahre hin an. Die Schwägerin des Sonnenkönigs, das Uni- kum am Versailler Hof, die berüchtigte und scharfzün- gige Liselotte von der Pfalz, wetterte gegen die tabak- schnupfenden Weiberleut. Ludwigs Leibarzt Guy-Cres- zent Fagon stellte fest: „Dero- halben verkuertzet der oeff- tere Gebrauch des Tobaks das Leben“. Andererseits emp- fahl man noch Mitte des 18. Jahrhunderts Frauen Tabak als sicherste Mittel für eine wirksame Empfängnis, eine Ansicht, der postwendend und entschieden der Toxiko- loge Lous Levin widersprach. Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke erfanden, niederschrieben, inszenierten , kann nicht verwundern, da das Jesuitendrama aus dem „Schulspiel“ entstand und schulische Auffüh- rungen zum Programm der Gymnasien im Schuljahresablauf gehörten. JAHRGANG 7 · AUSGABE NR. 64 · 2016

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Katalog zur Jesuitenausstellung

Bis zum 30. November fin-det die Ausstellung zur Jesui-tenmission in China „Der Jesuitenfriedhof in Peking“ im Neuen Schloss, dem Bay-erischen Armeemuseum, in Ingolstadt statt.

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen. Er schildert die Hintergründe und Umstände dieses Brü-ckenschlags zwischen Europa und China – die wissenschaftlichen Leis-tungen der Jesuitenpro-fessoren, die von euro-päischen Universitäten abberufen und als Spit-zenkräfte der Astrono-mie, Landvermessung und Ingenieurskunst, aber auch der Musik, Architektur und Kunst in die Mission entsandt wurden. Der Katalog zeichnet auch, soweit möglich, die Biogra-phien der 63 Jesuiten nach, die auf dem Zhalanfriedhof bestattet sind, den der Sohn des Himmels dem Begründer der China-Mission Matteo Ric-ci zuwies und der dann knapp 200 Jahre als „Jesuitenfried-hof“ diente.

Der Katalog enthält dar-über hinaus eine Reihe von Fachaufsätzen, etwa von Bea-trix Schönewald zu „Jesuiten in Ingolstadt“, von Iris Winkler

über die Jesuitenmusiker am Pekinger Hof sowie Grußwor-te von Ansgar Reiß, Direktor des Bayerischen Armeemu-seums und von Stefan Kiech-

le, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten und ist zum Preis von 29,50 Euro (Ausstellungspreis) in der Ausstellung und an der Kasse des Stadtmuseums im Kava-lier Hepp erhältlich.

Gerd Treffer, Jesuitenmission in China. Der Jesuitenfriedhof in Peking, herausgegeben von Gerd Treffer, Beatrix Schö-newald und Ansgar Reiß. Ingolstadt, 2016367 SeitenISBN: 978-3-932113-71-0

Balde, Agricola, Faber und Stengel: Ingolstädter Beiträge zum Jesuitentheater

Das Jesuitentheater war eine Antwort auf die Reformation (Teil 3)

Von Gerd TrefferFortsetzung des Beitrags aus der Juli-Ausgabe

Balde schrieb keineswegs nur religiöse oder morali-sche Gedichte, sondern auch Jagdlieder und patriotische Lyrik, daneben Satiren und vor allem das erwähnte Jesu-itendrama. Später wurde Bal-de Hofprediger in Neuburg an der Donau. Pfalzgraf Fried-rich Wilhelm hielt große Stü-cke auf ihn. Der Neuburger Fürst ernannte ihn zum Haus-geistlichen, und 1661 wurde Balde Beichtvater der fürstli-chen Familie. Er starb am 9. August 1668 in seiner letzten Lebensstation Neuburg und ruht in der Gruft der dortigen Hofkirche.

Georg Agricola, ein „begabter

Theaterregisseur“

Agricola und Faber gehör-ten (wie Gretser) einer frühe-ren Generation von Jesuiten-patres (und Autoren) an – sie sind gut 30 Jahre älter.

Die Lebensgeschichte des 1566 im schwäbischen Lech-bruck geborenen Georg Agri-cola wurde in den Histori-schen Blättern unter dem Aspekt seiner Tätigkeit als Lehrer am Ingolstädter Jesu-itengymnasium (Pädagogi-um) skizziert. Bakkalaureat und philosophischen Magis-tergrad hatte er (1585 bzw 1586) in Dillingen erworben und war dem Jesuitenorden beigetreten. In Ingolstadt

studierte er Theologie und übernahm 1594 die Griechischprofessur. Ver-mutlich fühlte er sich am wohlsten in der Rolle des Lehrers am Gymnasium – 1599 bis 1603 war er in lei-tender Position am Münch-ner Jesuitengymnasium tätig, 1604 – 1605/1606 dann am Ingolstädter Gym-nasium, wobei er die sechs-te, die Abschlussklasse, die Rhetorik , unterrichtete. (Während die Lehrer der fünf darunter rangieren-den Klassen als „Praecepto-res“ betitelt wurde, war der Leiter der Rhetorik „Profes-sor“ und Mitglied der phi-losophischen Fakultät der Universität). Später kehrte Agricola noch einmal kurz nach Ingolstadt zurück und vertrat Pater Faber offenbar in der Rhetorikklasse. 1621 – 1625 war er im Eichstätter Jesuitenkolleg, 1633 - 1635 in Dillingen, vorwiegend aber in Ellwangen, wo er 1625 Beich-tiger des Fürstprobstes war, und wo er 1635 auch verstarb.

U l r i c h N e u m a n n beschreibt (im Biographi-schen Lexikon der Ludwig-Maximilians- Universität) Agricola als „begabten The-aterregisseur... (er) verfasste auch selbst Schauspiele, wie z.B. den 1604 in Ingolstadt uraufgeführten Justus Antis-siodorensis“, von denen sich allerdings meist nur die Peri-ochen erhalten haben“. Der Lexikoneintrag verzeichnet auch „De regno humanitatis“ von 1593, ein Stück, das mit Agrícolas erster Zeit als Leh-rer am Gymnasium zusam-

menfällt, den oben genann-ten „Justus Antissiodorensis“ von 1604 und „Ignatius Antio-chenus martyr“ von 1605 – wobei beide Letztgenann-te in die zweite Periode von Agrícolas Lehrerzeit fallen. Aufgeführt wurden die Stü-cke vermutlich in der Gym-nasiumsaula, die im obersten Stock des Gebäudekomple-xes von Konvikt und Gymna-siumsbau untergebracht war. Dass es die führenden Lehrer

des Gymnasiums waren, die Theaterstücke erfanden, nie-derschrieben, inszenierten , kann nicht verwundern, da das Jesuitendrama aus dem „Schulspiel“ entstand und schulische Aufführungen zum Programm der Gymnasien im Schuljahresablauf gehör-ten. Der Lexikoneintrag ver-weist ferner auf eine pro-fund recherchierte Studie von Ingrid Seidenfaden (in den Veröffentlichungen der

Kommission für Geschichtli-che Landeskunde in Baden-Württemberg - Reihe B, For-schungen - mit dem Titel „Das Jesuitentheater in Konstanz. Grundlagen und Entwicklun-gen. Ein Beitrag zur Geschich-te des Jesuitentheaters in Deutschland. Stuttgart, 1963), in der über eine Aufführung 1609 in Konstanz des Stückes „Comico- Tragedien von dem Leben und Todt des neunjäh-rigen Knabens und Märtyrers

Justi“ berich-tet wird - als deren Urhe-ber Agríco-la gilt und das als „text-gleich“ mit dem Justus Antissidoren-sis betrachtet wird. Seiden-faden spricht jedenfalls von einem „erprobtem Repertoir-stück ....das, 1604 in Ingol-stadt verfasst und gespielt, in den fol-genden Jah-ren seinen Weg übe r einige nam-hafte Bühnen der oberdeut-schen Provinz machte“. (C.M. Haas; Das The-ater der Jesui-

ten in Ingolstadt. Diss. Mün-chen 1948, Anhang 1604 - Per. StB 4 8av 2197/3- 61. Haas gibt (auch) für die Kon-stanzer Aufführung Agrícola als Autoren an). 1605 wurde das Stück in Freiburg, 1620 in Luzern, 1608 in München auf-geführt. Die Münchner Auf-führung fällt in die ersten Zeit von Jakob Bidermanns dortiger Tätigkeit, der es wohl aus Ingolstadt kannte. Nach Periochenvergleichen stimmen die beiden Stücke überein. „Mit bemerkens-wertem Können hat der Ver-fasser, in dem man wohl zu

Recht einen bewährten Ingol-städter Lehrer vermuten darf, (was auf Agrícola hundertpro-zentig zutrifft,; G.T.) die Dra-matisierung unternommen und die stofflich in Fülle vor-handenen Affekte.... auf den wunderbaren Tod des fünf-ten Aktes hin konzipiert. Ihm ist es gelungen, das echte Pathos der Berufung und des Glaubenstodes aus einem streckenweise recht komisch dargestellten Alltag überzeu-gend zu entwickeln“ (Sesden-faden).

„Erbauliche Tragödige mit komischen Zügen“

Bekannt sind die äußeren und durchaus beeindrucken-den Umstände dieser Kons-tanzer Aufführung. Das Thea-terstück wurde gewählt, um wirksam die Diözesansyno-de zu eröffnen, die Bischof Jakob Fugger (für den 18.-24. Oktober 1609) einberu-fen hatte. Etwa zweihundert Geistliche waren dem Ruf des Bischofs gefolgt, fanden sich nachmittags im „neuen Gymnasium“ ein und eröffne-ten zugleich die Theater-Aula. Inhaltlich handelt die erbauli-che Tragödie (mit komischen Zügen) vom Knaben Justus, der sich zur Zeit Diocletians auf Geheiß eines Engels von Auxerre nach Amiens auf-macht, um dort den entführ-ten Bruder Justinianus aus der Dienstbarkeit eines Kaufmans zu lösen.

Fortsetzung in der nächsten Aus-gabe der Historischen Blätter.

Die historische Diskriminierung der Raucher20. Teil: Wo die Päpste Blitze gegen die Raucher schleuderten, während andere Obrigkeiten

in Tabakskollegien qualmen.

Von Gerd Treffer

Natürlich verzichtet Kapp-ler nicht darauf, ausdrücklich, das päpstliche Dekret Urbans VIII. (vom 30. Januar 1642) zu erwähnen, das „zwar den Geist jener Zeiten (athme)“ und (leider) zunächst nur die „Klerisei des sevillischen Kir-chensprengels angehe“ (S. 31) – dessen gute Absicht aber deutlich in die Augen sprin-ge und es verdient hätte, „auf den Klerus der gesam-ten katholischen Kirche aus-gedehnt“ zu werden.

In Kapplers Übersetzung heißt es in diesem Dekret: „Wir verbieten hiermit aus apostolischer Gewalt bei Stra-fe der Exkommunikation latae sententiae, mit dem Befehl, wenn es nötig sein sollte, sogar den weltlichen Arm zu Hilfe zu rufen, allen und Jeden beiderlei Geschlechts, sowohl Weltlichen als Geistlichen, dass sie sich fernerhin nicht mehr unterstehen in den Kir-chen der Stadt und Diöcese Sevilla… Tabak zu schnupfen, zu rauchen oder auf eine Art zu nehmen“.

Das Schnupfen wurde, so Kappler, deshalb verboten,

„weil die Messe lesenden Geistlichen mit dem Unrath, welchen der Tabak aus dem Gehirne ziehet, Korporal, Altar- und Kelchtücher, Alben usw. verunreinigen, ein Fall, der sich auch itzt nicht selten ereignet“.

Was Kappler nicht erwähnt, ist Papst Innocens X., der 1650 gar der ganzen Christenheit die Exkommunikation androh-te, so sie nicht vom Rauchen ließe.

Kappler stellt natürlich – seinem Berichtsschema fol-gend – obrigkeitliche Missfal-lensäußerungen zum Rauchen dar. Er verzichte aber auf Hin-weise, dass sich gelegentlich selbst in Hofkreisen regel-rechte Tabakskollegien gebil-det hatten.

Im Ablauf lassen sich durchaus unterschiedliche Phasen der Einstellung zu Tabak und zur Nachrichtenla-ge über Tabak erkennen. Den Darstellungen über

Auffindung in Amerika und den Weg nach Europa folgen Abhandlungen über körper-liche Wirkungen und medizi-nische Einschätzungen bzw. dessen botanische Konservie-rung (1592 etwa im Herbarium

des Naumburger Arztes Caspar Ratzenberger, oder – vom sel-ben Jahr – als Erwähnung im zu Nürnberg erschienenen Werk „Dispensatorium sive Antidolarium“ des Valerius Cordus, oder im 1598 belegten Inventar der Braunschweiter Ratsapotheke. Der Londoner Arzt Raphael Thorius betrach-tet in seinem „Hymnus Taba-ci“ die medizinischen Wirkun-gen ebenso wie der bereits erwähnte Johann Neander. Zu dieser Zeit galten die ver-schiedenen Anwendungsfor-men des Tabaks quasi als All-heilmittel. Vorwiegend in der ers-

ten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnen die Obrigkeiten auf das Tabakrauchen zu reagieren und sich eine ihm eher abge-neigte Tendenz abzuzeich-nen, die Kappler aufgriff und die oben dargestellt wurde. Von einer generellen Ableh-nung kann aber nicht ausge-gangen werden. In Preußen z.B. genoss das Tabakskolle-gium des ansonsten so stren-gen Königs Friedrich I. und sei-nes Sohnes Friedrich Wilhelm I. legendären Ruf und wurde in berühmten Gemälden fest-gehalten.

Paul Carl Leygebe hat das Tabakskollegium Friedrichs I. um 1710 in der roten Kam-mer des Berliner Stadtschlos-ses abgebildet. Das Königs-paar sitzt zwar noch zentral im Raum, aber nicht (mehr) direkt unter dem Baldachin. Bedienstete Mohren und Tür-ken servieren Getränke – der Tabak in holländischen Ton-pfeifen wird mit Fidibus oder an Kerzen entzündet. Das Gemälde zum

Tabakskollegium Friedrich Wilhelm I., des „Soldatenkö-nigs“, entstand 1737 in Königs Wusterhausen und wird Georg Liesiewski (von anderen Dis-mar Degen) zugewiesen. Am schweren Eichentisch sitzen auf einfachen lehnenlosen Bänken die Mitglieder.

Während Friedrich I. Zeit nahmen auch Damen an der grundlegend geselligen Ver-anstaltung teil. Rauchen war dabei eine Pflicht, von der man sich mit Geld für wohltä-tige Zwecke freikaufen konn-te. Unter Friedrich Wilhelm I. wandelte sich der Charakter des Tabakkollegiums gänz-lich zu einer Art königlichen Stammtisches, zur reinen Gesellschaft von Männern,

die Ton- oder Meerschaum-pfeifen schmauchten, reich-lich Bier tranken, über Politik, Gott und die Welt debattier-ten. Zum festen Kreis gehör-ten hohe Militärs, gelegentlich Durchreisende und Diploma-ten, aber auch Gelehrte und Professoren (die „Lustige Räte“ hießen).

Friedrich II. („der Große“), der Sohn des Soldatenkönigs, beendete die Tabakskollegien, er zog Schnupftabak dem Pfei-fenrauchen vor.

Der Streit über den Tab-akkonsum dauerte über die Jahre hin an. Die Schwägerin des Sonnenkönigs, das Uni-kum am Versailler Hof, die berüchtigte und scharfzün-gige Liselotte von der Pfalz, wetterte gegen die tabak-schnupfenden Weiberleut. Ludwigs Leibarzt Guy-Cres-zent Fagon stellte fest: „Dero-halben verkuertzet der oeff-tere Gebrauch des Tobaks das Leben“. Andererseits emp-fahl man noch Mitte des 18. Jahrhunderts Frauen Tabak als sicherste Mittel für eine wirksame Empfängnis, eine Ansicht, der postwendend und entschieden der Toxiko-loge Lous Levin widersprach.

Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke erfanden, niederschrieben, inszenierten , kann nicht verwundern, da das Jesuitendrama aus dem „Schulspiel“ entstand und schulische Auffüh-rungen zum Programm der Gymnasien im Schuljahresablauf gehörten.

ren seinen Weg übe r einige nam-hafte Bühnen der oberdeut-schen Provinz machte“. (C.M. Haas; Das The-ater der Jesui-Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke

JAHRGANG 7 · AUSGABE NR . 64 · 2016

im Neuen Schloss, dem Bay-

losophischen Fakultät der Universität). Später kehrte Agricola noch einmal kurz nach Ingolstadt zurück und vertrat Pater Faber offenbar in der Rhetorikklasse. 1621 – 1625 war er im Eichstätter Jesuitenkolleg, 1633 - 1635 in Dillingen, vorwiegend aber in Ellwangen, wo er 1625 Beich-tiger des Fürstprobstes war, Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke Dass es die führenden Lehrer des Gymnasiums waren, die Theaterstücke