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1 Barbara Frale Die Geschichte der Templer unter Einbeziehung neuer Entdeckungen [Druck in EADEM (=Dieselbe ), Das Papsttum und der Prozess gegen die Templer. Die unveröffentlichte Absolution von Chinon im Lichte der päpstlichen Diplomatik, Rom 2003, S. 9-48 © der Autorin Ausgegeben im Digitalformat von „Reti Medievali“ (= Mittelalterliche Netze )] Übersetzt von Susanne Hannes © 2008 Dentro la leggenda Im Innern der Legende Die Geschichte um die Templer stellt eines der traurigsten und finstersten Kapitel in der Geschichte des mittelalterlichen Okzidents dar: als religiös-militärischer Orden zur Verteidigung der Terrasanta (=Heiliges Land ) gegründet wurde der Tempel (=Templerorden ) eine der mächtigsten und einflussreichsten Institutionen der gesamten Christenheit. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde ihm der Prozess gemacht und er wurde dann 1312 auf Grund der schweren Anschuldigungen, die auf seinen Mitgliedern lasteten aufgelöst. Der letzte Großmeister Jacques de Molay wählte, zusammen mit einem der höchsten Würdenträger, den Tod um seine Unschuld und die seiner Mitbrüder hinsichtlich der ihnen angelasteten Vergehen zu beweisen: Häresie, Beitritt zu einem antichristlichen Glauben, sittliche Verderbtheit, Götzendienst 1 . Verurteilt zum Scheiterhaufen, weil er bis zum Ende die Ehre des Tempels verteidigen wollte, beabsichtigte Molay kurz vor seinem Tod Clemens V. und Philipp den Schönen vor ein Gottesgericht einzuberufen, um sie Rechenschaft über ihre Verantwortlichkeit ablegen zu lassen. Beide starben vor Ablauf des Jahres: diese Erzählung, überliefert durch eine zeitgenössische, von einem mutmaßlichen Augenzeugen der Hinrichtung 2 geschriebene Chronik, erzeugte bald Legenden, die großen Anklang fanden, sich über die Zeiten hinweg erhielten, und die Phantasie der Urheber der sieben Verliese und der Novellisten der romantischen Epoche inspirierten. Es war die Renaissance mit ihrer großen Leidenschaft für Magie und Okkultismus die die alten Prozessakten entstaubte und über jene von der Inquisition ausgemerzten Konfessionen fantasierte, wo man von seltsamen Geheimriten las, die jedoch niemals die Menschen des beginnenden Trecento (=1300-1399 ) verzauberten, die die Geschehnisse wirklich erlebten: Dies ist der Fall bei Dante Alighieri, der im 22. Gesang der Purgatoriums (=Teil der Göttlichen Komödie ) von Ugo Capeto die Verdammung über seinen Erben Philip IV. für die Zerstörung des Tempels zu Zwecken der Gewinnsucht aussprechen lässt oder bei Boccaccio, dessen Vater sich in Paris befand um Handel zu treiben und der der Verbrennung des letzten Großmeisters auf dem Scheiterhaufen beiwohnte 3 . Historische Studien haben ergeben, dass diese mutmaßlichen esoterischen Verstrickungen der romantischen Träumerei angehören; nichtsdestotrotz ist es eine Strömung, die ihre Bedeutung hat und eine wichtige Seite in der Geschichte der europäischen Kultur darstellt. Vor allem wegen des Interesses, das die tragischen Geschehnisse um die Templer noch heute hervorrufen können - fast 700 Jahren nach ihrem Ende 4 . Die wichtigste Ursache für den Angriff auf den Tempel, fundiert nachzuweisen durch den Kapitalbedarf Frankreichs von Philipp dem Schönen, war auch für die Gesellschaft der Zeit offensichtlich; aber es gibt zahlreiche Aspekte des langen Prozesses, der technisch gut 7 Jahre dauerte, die noch der Klärung bedürfen. L´assoluzione Die Absolution Im September 2001 wurde im Inneren der Engelsburg des Archivio Segreto Vaticano =(geheimen vatikanischen Archivs) ein Originaldokument wieder entdeckt, das die wissenschaftliche Gemeinschaft seit langer Zeit verloren glaubte: es handelt sich um ein Pergament, das die durch die Autorität von Papst Klemens V. erteilte Absolution für Jacques de Molay und die höchsten Würdenträger des Tempels enthält, die vom König von Frankreich

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Barbara Frale Die Geschichte der Templer unter Einbeziehung neuer Entdeckungen

[Druck in EADEM (=Dieselbe), Das Papsttum und der Prozess gegen die Templer. Die unveröffentlichte

Absolution von Chinon im Lichte der päpstlichen Diplomatik, Rom 2003, S. 9-48 © der Autorin – Ausgegeben

im Digitalformat von „Reti Medievali“ (= Mittelalterliche Netze)]

Übersetzt von Susanne Hannes © 2008

Dentro la leggenda – Im Innern der Legende

Die Geschichte um die Templer stellt eines der traurigsten und finstersten Kapitel in

der Geschichte des mittelalterlichen Okzidents dar: als religiös-militärischer Orden zur

Verteidigung der Terrasanta (=Heiliges Land) gegründet wurde der Tempel (=Templerorden)

eine der mächtigsten und einflussreichsten Institutionen der gesamten Christenheit. Zu Beginn

des 14. Jahrhunderts wurde ihm der Prozess gemacht und er wurde dann 1312 auf Grund der

schweren Anschuldigungen, die auf seinen Mitgliedern lasteten aufgelöst. Der letzte

Großmeister Jacques de Molay wählte, zusammen mit einem der höchsten Würdenträger, den

Tod um seine Unschuld und die seiner Mitbrüder hinsichtlich der ihnen angelasteten

Vergehen zu beweisen: Häresie, Beitritt zu einem antichristlichen Glauben, sittliche

Verderbtheit, Götzendienst1.

Verurteilt zum Scheiterhaufen, weil er bis zum Ende die Ehre des Tempels verteidigen

wollte, beabsichtigte Molay kurz vor seinem Tod Clemens V. und Philipp den Schönen vor

ein Gottesgericht einzuberufen, um sie Rechenschaft über ihre Verantwortlichkeit ablegen zu

lassen. Beide starben vor Ablauf des Jahres: diese Erzählung, überliefert durch eine

zeitgenössische, von einem mutmaßlichen Augenzeugen der Hinrichtung2 geschriebene

Chronik, erzeugte bald Legenden, die großen Anklang fanden, sich über die Zeiten hinweg

erhielten, und die Phantasie der Urheber der sieben Verliese und der Novellisten der

romantischen Epoche inspirierten.

Es war die Renaissance mit ihrer großen Leidenschaft für Magie und Okkultismus die

die alten Prozessakten entstaubte und über jene von der Inquisition ausgemerzten

Konfessionen fantasierte, wo man von seltsamen Geheimriten las, die jedoch niemals die

Menschen des beginnenden Trecento (=1300-1399) verzauberten, die die Geschehnisse

wirklich erlebten: Dies ist der Fall bei Dante Alighieri, der im 22. Gesang der Purgatoriums

(=Teil der Göttlichen Komödie) von Ugo Capeto die Verdammung über seinen Erben Philip

IV. für die Zerstörung des Tempels zu Zwecken der Gewinnsucht aussprechen lässt oder bei

Boccaccio, dessen Vater sich in Paris befand um Handel zu treiben und der der Verbrennung

des letzten Großmeisters auf dem Scheiterhaufen beiwohnte3.

Historische Studien haben ergeben, dass diese mutmaßlichen esoterischen

Verstrickungen der romantischen Träumerei angehören; nichtsdestotrotz ist es eine Strömung,

die ihre Bedeutung hat und eine wichtige Seite in der Geschichte der europäischen Kultur

darstellt. Vor allem wegen des Interesses, das die tragischen Geschehnisse um die Templer

noch heute hervorrufen können - fast 700 Jahren nach ihrem Ende4.

Die wichtigste Ursache für den Angriff auf den Tempel, fundiert nachzuweisen durch

den Kapitalbedarf Frankreichs von Philipp dem Schönen, war auch für die Gesellschaft der

Zeit offensichtlich; aber es gibt zahlreiche Aspekte des langen Prozesses, der technisch gut 7

Jahre dauerte, die noch der Klärung bedürfen.

L´assoluzione – Die Absolution

Im September 2001 wurde im Inneren der Engelsburg des Archivio Segreto Vaticano

=(geheimen vatikanischen Archivs) ein Originaldokument wieder entdeckt, das die

wissenschaftliche Gemeinschaft seit langer Zeit verloren glaubte: es handelt sich um ein

Pergament, das die durch die Autorität von Papst Klemens V. erteilte Absolution für Jacques

de Molay und die höchsten Würdenträger des Tempels enthält, die vom König von Frankreich

2

in den Verliesen seiner Festung von Chinon gefangen gehalten wurden. Das Dokument stellt

einen wesentlichen Bestandteil der päpstlichen Ermittlung dar, die in Poitiers im Sommer

1308 stattfand, die eine eigens eingeführte Art von spezieller Prüfung an einem separaten Ort

für Fälle von höherer Gewalt beinhaltete5; in dieser Veröffentlichung wurde es zum ersten

Mal publiziert und in das Innere des Kontextes eingefügt dem es angehört.

Dass Klemens V. die Exkommunikation der führenden Köpfe der Templer aufheben

hätte lassen, war durch indirekte Quellen bekannt, gegenüber denen die Historiker jedoch

immer ein lobenswertes Misstrauen hegten: das Fehlen des Originals, zusammen mit den

folgenden Geschehnissen der Ordensauflösung und der Hinrichtung des letzten Großmeisters

auf dem Scheiterhaufen ließen natürlich berechtigte Zweifel im Raum, dass ein derartiges

Dokument jemals existiert hatte6.

Sofort nach der Identifizierung wurden vier Gelehrte von internationalem Ruf,

Spezialisten der Geschichte des Tempels konsultiert die eine sichere Bestätigung, aber auch

die Überprüfung der sich stellenden Fragen liefern sollten: Malcom Barber Dozent in

Cambridge und später in Reading, Alain Demurger von der Sorbonne, Franco Cardini von der

Universität in Florenz und Francesco Tommasi von der Hochschule in Perugia; von ihnen

kam die Bestätigung, dass das Dokument zumindest zum jetzigen Stand der Bibliographie

bislang unveröffentlicht blieb7. Nach der diplomatischen, paläographischen und

kodikologischen (=Kodex-/Handschriftenkunde) Analyse stellte sich das Pergament von

Chinon als hinsichtlich jedes Aspektes authentisch heraus und lässt keinen Raum für Zweifel.

Zwei gravierende Gründe für Betroffenheit ergeben sich für den Historiker bezüglich

der indirekten Bekanntwerdung der Absolution des Papstes für die Führungsriege des

Tempels: an erster Stelle scheint es unwahrscheinlich, dass gerade diese Urkunde verloren

gegangen sein soll, vielleicht die bedeutendste des gesamten Verlaufs und die jedenfalls eine

eindeutige Entscheidung des Papstes darstellte, zumal die Kurie noch heute große Teile der

während des Prozesses entstandenen Dokumente aufbewahrt; an zweiter Stelle, wenn dieses

Dokument wirklich existiert hat wie konnte es verheimlicht werden und vollkommen ohne

Auswirkungen bleiben?

Zwei Jahre nach der Auffindung ist es möglich gewesen, nur eine unter den offenen

Fragen zu beantworten die die komplexen Geschehnisse erklären, die im Zentrum einer

äußerst verwickelten internationalen Affäre angesiedelt sind wo sich Politik und Religion,

Geld und Spiritualität vermischen. Dem Historiker stehen zur Wahrheitsfindung heute

lediglich einige wenige vergilbte und abgenutzte Stücke Papier zur Verfügung. Außerdem

muss er eine andere, nicht weniger entmutigende Realität mit einbeziehen: wenn

nachgewiesen ist, dass die entourage von Philipp dem Schönen Urkunden zu politischen

Zwecken fälschte, war Klemens V. ein erfahrener Anwalt und gewiefter Diplomat und sehr

wohl fähig die Prinzipien des kanonischen Rechtes äußerst frei zu interpretieren und sie

überdies zu willfährigen Instrumenten seiner Strategien zu machen wenn nötig8.

Der Schlüssel zum Verständnis, warum das Pergament so lange Zeit versteckt

geblieben ist, liegt in der Aktivität der Gelehrten im Innern des Archivio Segreto seit seiner

Eröffnung auf Wunsch von Papst Leo XIII. (1878-1903)9 begründet.

Das Adjektiv „segreto“ (=geheim) ist heute nur eine unangemessene Adaption des

alten secretum, das auf den Papst beschränkt bedeutet und das päpstliche Archiv war niemals

wirklich unzugänglich wie die vielen überlieferten Zutrittsscheine seit dem Cinquecento

(=1500-1599) belegen; aber die Gelehrten mussten schon immer ein extrem schwieriges

Hindernis überwinden die sich aus der unermesslichen Quantität der schriftlichen Unterlagen

ergibt, die oft wirklich derart angelegt ist, dass es die Forschung verhindert. Denn es wären

Jahre der Sichtung nötig, nur um die Papiere zu finden die das betreffende Interessengebiet

beinhalten: die Sala Indici (=Registerraum) ist heute so groß wie eine komfortable Wohnung,

und die Bestandslisten, wo jede Blattsammlung oder jedes Register mit Millionen von

3

historischen Meldungen nur als ein Name oder eine Datumsangabe erscheint, belaufen sich

auf Tausende von Bänden.

So steht die Masse an Dokumenten, die einen externen Beobachter an unglaubliche

Verwaltungsschwierigkeiten denken lässt, in Kontrast zu den Anstrengungen um eine

öffentliche Zugänglichmachung, die die vielen Nachfolger in Punkto Archivio seit den Zeiten

von Leo XIII. unternahmen: noch heute ist es trotz zügiger elektronischer Datenerfassung und

systematischen Programmen der elektronischen Datensuche mit Hilfe wertvollster Bestände

oft unmöglich ein spezielles Dokument in einem akzeptablen Zeitraum zu finden wenn man

die genaue Kennung eines Bestandes nach Jahren geduldiger Forschung nicht hat10

. Das sind

die Gründe die das Pergament von Chinon für die großen Gelehrten der Vergangenheit

unauffindbar gemacht haben und es noch heute tun, in vielen unerfahreneren Händen.

Fra gli scaffali della storia d´Europa – Zwischen den Regalen der Geschichte Europas

Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiteten zwei

hervorragende Professoren der deutschen Sprache, Konrad Schottmüller und Heinrich Finke,

an einer Studie und der Herausgabe der im Vatikan aufbewahrten Quellen für die

Templerprozesse; Ersterer veröffentlichte die Untersuchungsakten von Cipro, von Brindisi,

des englischsprachigen Raumes und der in der Römischen Kurie in Poitiers11

durchgeführten

Ermittlungen; Letzterer kümmerte sich um eine Ausgabe anderer Fragmente, d.h. einen Teil

der im registro avignonese (=von Avignon) 48 zusammengetragenen Faszikel und jene einer

an einem unbekannten Ort durchgeführten Ermittlung, die im registro avignonese 30512

aufbewahrt werden; keiner von ihnen beschäftigte sich mit dem schönen Pergament, das in

Chinon verfasst wurde. Einige Jahre später nahmen Paul Viollet und Georges Lizérand die

Analyse der überlieferten Geständnisse von Jacques de Molay in Angriff und kamen zu dem

Schluss, dass kein Originalbericht des einzigen Erscheinens des Großmeisters vor der

päpstlichen Autorität die Zeiten überdauert hatte; es ist jetzt zwanzig Jahre her, dass Gilmour

Bryson die Publikationsarbeit abschloss und die Membran-Papierrolle mit der Anhörung

hinzufügte, die im Patrimonio di San Pietro in Etrurien und in den Abruzzen aufbewahrt wird;

aber alle ihre Werke berücksichtigten nicht das fragliche Dokument13

.

Die Historiker, die sich nach Schottmüller und Finke dem Prozess widmeten, gingen

von diesen beiden eindrucksvollen Ausgaben aus und setzten – vollkommen verständlich – als

gesichert voraus, dass sie einer systematischen Recherche entstammten und ihnen keine

Quelle des Prozesses entgangen war: daher stammt der Fehler der Studientradition für den

gesamten Verlauf des Novecento (=1900-1999). Eine grundlegende Fährte für die Lösung des

Rätsels findet sich in der überaus reichhaltigen Retrospektiv-Studie über die

bibliographischen und archivarischen Quellen, die Francesco Tommasi14

durchführte, der sich

in den letzten Jahren mit demselben Problem des Studiums eines Originaldokuments des

Prozesses konfrontiert sah das lange Zeit unveröffentlicht blieb: unter Zuhilfenahme seiner

ausgezeichneten Methodologie und die Studientradition zurückverfolgend ist es möglich, auf

die Gründe zu stoßen, die das wertvolle Zeugnis wahrscheinlich in einen vergessenen Fundus

des päpstlichen Archivs verbannten.

Die Annahme, dass Schottmüller und Finke eine erschöpfende Nachforschung der

Templerdokumente im Archivio Vaticano durchgeführt hatten, war sozusagen zwingend,

betrachtet man die vielen wissenschaftlichen Verdienste der beiden Akademiker, aber sie ließ

einen wichtigen Tatbestand außer acht: vielleicht weil er vor der Öffnung für das Publikum

mit der Arbeit begann, fügte Schottmüller keine präzise Archivsignatur der verschiedenen

Teile bei und machte es so sehr schwierig, sie unter den hunderten und tausenden von

mittelalterlichen Dokumenten zu identifizieren. Wahrscheinlich hat aus diesem Grund eine

unbekannte Hand zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Bleistift die exakte Signatur der

verschiedenen Akten auf eine Kopie seiner Publikation ergänzt, die in der Biblioteca

Apostolica Vaticana aufbewahrt wird: es wäre nicht allzu überraschend, wenn man

4

herausfinden würde, dass dieser anonyme Signierer genau jener Heinrich Finke war,

konfrontiert mit dem dringenden Problem herauszufinden, wie viel bereits von seinem

Vorgänger herausgegeben und studiert worden war.

Natürlich brachte die unheimliche Masse der Prozessakten, die beim Archivio

gefunden wurden den einen oder anderen dazu, eine Auswahl zu treffen. Jedoch ist diese

Erklärung ist zu simpel und erklärt nicht, warum sie ausgerechnet das bedeutendste

Dokument der päpstlichen Untersuchung vollkommen übergangen hätten; eine Retrospektiv-

Forschung erlaubt den Schluss auf die glaubwürdigste Antwort, nämlich dass als Ursprung

ihres Versehens eine Verkettung von Umständen zu sehen ist.

Beide Gelehrte arbeiteten mit einer handgeschriebenen Inventarliste aus dem Jahr

1628 von Giambattista Confalonieri, damals Aufseher des Archivio di Castel Sant´Angelo

(=Engelsburg), der die wichtigsten Prozessakten im Innern eines Schrankes mit dem

Buchstaben D15

einordnete; während der napoleonischen Deportation büßte der Fundus

jedoch viele Dokumente ein, weil die französischen Generäle, vor allem der Besetzer Roms,

Radet, eine regelrechte Begierde nach Papieren des Templerprozesses an den Tag legten: sie

verlangten die Öffnung genau jener Kisten, in die die Angestellten des päpstlichen Archivs

die Akten noch vor der Abfahrt des Konvois nach Paris16

verpackt hatten.

Nach der mühevollen Wiederkehr von Frankreich wurde die Dokumentation an ihren

Standort zurückgebracht, jedoch mit der bitteren Gewissheit, dass viele Stücke verloren

gegangen oder zerstört worden waren. Im Jahre 1909 veranlasste Kardinal Melampo eine

Erneuerung der Inventarliste des Fundus des Castel Sant´Angelo, entweder weil die alte

beschädigt und an gewissen Punkten unleserlich geworden war oder weil der bedeutende

Fortschritt durch die gelehrten Historiker in den letzten Jahrzehnten des Ottocento (=1800-

1899) verfeinertere und modernere Instrumente für die Erforschung des Archivs benötigte.

Es wurde eine lang andauernde und sorgfältig durchgeführte Unternehmung, die

darauf zielte den Fundus komplett neu zu ordnen, das Vorhandensein von Siegeln und

anderen wichtigen Elementen zu vermerken und unwiderherstellbare Dokumente zu

übertragen; außerdem wusste man, dass viele verloren geglaubte Akten in verschiedenen

Fundi gelandet waren. Deswegen machte man sich an eine etappenweise Säuberung, die es

erlaubte, wie der Schriftsteller Vincenzo Nardoni im Jahre 1913 mit Befriedigung notierte,

wenigstens hunderte von Stücken wieder zu finden. Leider musste man feststellen, dass eine

ganze Abteilung der Prozessakten gegen die Templer wirklich während der Verbringung nach

Paris17

verschwunden war.

Schottmüller veröffentlichte seine Ausgabe 1884 und Finke 1906; beide betrieben

daher ihre Forschungen im Archivio vor der Neuordnung durch Kardinal Melampo, d.h.

bevor der Fundus neu geordnet wurde und sich mit Gewissheit klärte, wie viele Dokumente

verschwunden waren als das päpstliche Archiv nach Paris gebracht wurde, und welche man

tatsächlich bei der Säuberung wieder zu finden hoffte; daher veröffentlichten die beiden

Gelehrten das Pergament von Chinon nicht, die bedeutendste Akte der päpstlichen

Untersuchung, wahrscheinlich weil sie in einer Zeitspanne arbeiteten, in der viele Prozessteile

als verschollen galten.

Es bleibt zu klären, warum die beiden Gelehrten nicht mit einer angemessenen

Diskussion die Kenntnis des Pergaments würdigten; auf diese Frage kann es nur eine

überzeugende Erklärung geben, nämlich dass die Präsenz des Pergaments nur sehr schwer

erkennbar war: natürlich hätten zwei Spürhunde mit den Fähigkeiten von Schottmüller und

Finke die Fundi des Archivs auf den Kopf gestellt, wenn sie nur gewusst hätten, dass sie es

irgendwo finden könnten. Die überzeugendste Demonstration liefert die Tatsache, dass

Gaetano Lamattina, noch in den letzten Jahren und ausgestattet mit der neuen, detaillierten

Bestandsliste, ein hervorragendes Repertoire aller päpstlichen Dokumente bezüglich des

Templerordens zusammenstellte, das aber das Pergament von Chinon außer acht ließ, das

kürzlich in der Anhangsliste eines anderen populären Buches von ihm rezensiert wurde, ohne

5

darin die besondere Bedeutung des Dokumentes zu erkennen oder es als genau die Akte zu

identifizieren, die viele vergebens gesucht haben18

.

Der Archivar Confalonieri hatte die Untersuchung in Chinon, die von drei

Kommissarkardinälen von Klemens V. durchgeführt wurde, als einen Vorgang auf dem

Gebiet der Diözese von Tours beschrieben; diese Nachricht ist in dem Sinne korrekt, als sich

das Schloss von Chinon genau in der Diözese von Tours befindet, da es sich überdies um ein

Gerichtsverfahren der Kirche handelte, war eine topographische Angabe basierend auf den

Diözesen viel bedeutender als auf einer einzelnen Festung.

Mit der Bulle Faciens misericordiam vom 12. August 130819

ordnete der Papst die

Eröffnung von Untersuchungen gegen die Templer in der ganzen Christenwelt an. Diese

Untersuchungen mussten von den Diözesanbischöfen geführt werden und erstreckten sich

dann über die vollen beiden Jahre 1309-1311: die Notiz von Confalonieri in diocesi Turonensi

zusammen mit der Tatsache, dass viele der geraubten Stücke genau Akten von

Diözesanuntersuchungen waren, muss die beiden Gelehrten verwirrt haben, die

wahrscheinlich nicht das überaus bedeutende päpstliche Verfahren erkannten oder sie hielten

es für eine der zahlreichen Provinz-Untersuchungen20

. Der Schriftsteller Nardoni bewegte

sich sehr geschickt durch die Lektüre der alten Dokumente, war aber kein Experte in der

Templergeschichte: in seinen Augen war die Untersuchung in Chinon nur eine unter den

zahlreichen Anhörungen im Templerprozess, ein Pergament unter den vielen Pergamenten

des Schrankes D, die sich auf die laufenden Verfahren in den verschiedenen Diözesen

Europas bezogen. Kein Wunder also, dass er sich darauf beschränkte, die von Confalonieri

benutzte Ausdrucksweise zu bewahren, die ihm im Übrigen nicht falsch erscheinen konnte, da

die auf dem Pergament erwähnte Örtlichkeit in castro de Caynona diocesis Turonensis war.

Der Verdienst der Entdeckung gebührt Bérenger Frédol, dessen Persönlichkeit und

Aktivitäten ich in den letzten Forschungen studierte. Als ich ihn unter den Inquirenten, die die

Untersuchung in diocesi Turonensi führten, bemerkte, wusste ich sofort, dass etwas nicht

stimmte: einer der besten Kanoniker seiner Zeit, Kardinal von höchstem Rang, auffallendes

Mitglied des Sacro Collegio, päpstlicher Legat für die heikelsten Missionen, und nicht zuletzt

Neffe des Papstes, konnte die Kurie verlassen haben, um eine der zahlreichen Provinz-

Untersuchungen zu leiten21

?

Tommasi besteht darauf, dass die undeutlichen Signaturen von damals (Instr. miscell.),

zusammen mit der Nachricht unermesslicher Verluste des päpstlichen Archivs während seiner

Wanderschaften, dazu dienen, die Gelehrten zu desorientieren und zu entmutigen; in der Tat

bezieht sich Schottmüller, der ja ein unermüdlicher Forscher war, auf nach der

napoleonischen Deportation22

nicht wieder auffindbare Stücke. Der Gelehrte aus Perugia fügt

hinzu, dass die Diaspora der Prozessakten gegen den Tempel sehr seltsam anmutet und er

scheint zu vermuten, das sie nicht einfach dem Zufall zu zuschreiben sei: eine komplette

Bestandsaufnahme, wie auch eine wenigstens virtuelle Wiederherstellung des ursprünglichen

Fundus, der im 14. Jahrhundert den Titel processus Templariorum trug, wäre wirklich

wünschenswert23

.

Das kürzlich identifizierte Dokument eröffnet viele historische Fragen, die nur auf

lange Sicht genau umrissen werden können und mittels einer möglichst groß angelegten

Studie des gesamten Prozessgeschehens mit allen seinen Erscheinungsformen: hinsichtlich

Politik, Ökonomie, internationaler Diplomatie; die Verbreitung der Entdeckung hat außerdem

starkes Interesse und viele Untersuchungen von Seiten der Gelehrten ausgelöst, die mit

gerechtfertigtem Nachdruck fordern, dass das Dokument schnellstmöglich der

wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt wird.

Die seit der Wiederauffindung vergangene Zeit ist zu kurz, um sich der Diskussion um

die Untersuchung von Chinon in erschöpfender Art und Weise stellen zu können, die sie

erfordern würde, und im Übrigen versteht man das Ereignis nur im Zusammenhang mit vielen

Faktoren außerhalb des Kontextes, zu dem es gehört: deshalb hat man beschlossen, an dieser

6

Stelle vor allem eine Ausgabe der Quelle zu liefern, zusammen mit einer allgemeinen

Präsentation der neuen Fragestellungen, und eine detailliertere Abhandlung aufgeschoben, die

nur nach einer sorgfältigen Analyse der vielen päpstlichen Bullen und der anderen Zeugnisse

möglich ist, die sich im glühenden Sommer von 1308 aneinanderreihten. Das Pergament von

Chinon ist daher ein Angebot an die Aufmerksamkeit der Historiker, denn die allgemeine

Reflexion und die Beiträge der verschiedenen Spezialisten könnten uns zu einem klareren und

zuverlässigeren Bild der Fakten führen.

Servi del Santo Sepolcro – Diener des Heiligen Grabes

Der Orden der Templer wurde auf Initiative von Hugo von

Payns24

gegründet, eines aus der Champagne stammenden französischen Ritters, der

vielleicht am ersten Kreuzzug teilnahm; um das Jahr 1119 hatte er in Jerusalem einige

Gefährten in einer Bruderschaft militärischer Laien gesammelt, die entschlossen waren, das

eigene Leben und die für ihre soziale Gruppe spezifischen militärischen Fähigkeiten der

Verteidigung des Sepolcro (=Heiliges Grab) und der Terrasanta25

(=Heiliges Land) zu

widmen.

Die Initiative an sich war nicht revolutionär und fand schon im Okzident des 11.

Jahrhunderts einige wichtige Vorläufer: im Gebiet Südfrankreichs und vor allem auf der

iberischen Halbinsel, Zonen der steten reconquista gegen die islamische Okkupation, hatten

sich bewaffnete confraternitates organisiert, Zusammenschlüsse von Laienkriegern, die gegen

die Sarazenen kämpften und eine genau religiöse Pflicht erfüllten, ohne sich jedoch effektiv

dem Klosterleben zuzuwenden. Als zeitliche begrenzte Gemeinschaft und mit in gewissem

Sinne experimentellem Charakter waren sie mit wichtigen Kultzentren verbunden,

verteidigten dort die Güter gegen die islamischen Angriffe und beschützten die

Zugangsstraßen, die die Pilger benutzten: im Grunde gab es eine Art von Allianz mit den

einheimischen Kirchenverbänden, ein gegenseitiger Vorteil, begründet durch das Angebot der

Verteidigung im Austausch mit spirituellem Nutzen26

.

Die Initiative entstand als private Entscheidung für den Glauben und hatte vor allem

den Charakter der Buße, in Harmonie mit einer unter den militärischen Aristokraten

verbreiteten Tendenz zu Zeiten des ersten Kreuzzuges; kurz gesagt beschloss die Gruppe

gemäß den Quellen, eine genau bestimmte und festgelegte religiöse Pflicht auf sich zu

nehmen: im Sinne einer Bekehrung wurden sie von den Kanonikern des Santo Sepolcro

aufgenommen, wohnten bei ihnen und pflegten mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit die

selben Lebensgewohnheiten27

.

Die Entscheidung, sich an diese spezielle Institution zu wenden, leitete sich wohl von

der existierenden Affinität zwischen einem gewissen symbolischen Ansatz von Spiritualität

der Kanoniker und der eigentümlichen Mentalität der bekehrten Mitglieder der militärischen

élites ab. Kurz nach der römischen Eroberung hatte Goffredo di Buglione in Jerusalem vier

Gründungen regelkonformen Kanoniker28

vorgenommen, also von Klerikern, die gemäß den

Regeln des Heiligen Augustinus in Gemeinschaft lebten und sich mit der Seelsorge und dem

erhabenen Kult29

beschäftigten: darunter die Kanoniker des Santo Sepolcro, an die sich die

Bruderschaft der militärischen Konvertiten von Hugo von Payns zunächst wandte, und die

Kanoniker des Tempels, neben denen die Gruppe im Anschluss lebte, benannt nach ihrem

Sitz in der Felsenkirche des Templum Domini, die sich im Innern der alten Einfriedung von

Salomons Tempel (Haram ash Sharif) erhebt.

Im Jahre 1114 erhielten die Kanoniker des Tempels vom Patriarchen Arnolfo di

Chocques eine endgültige Regelung und von da an befolgten sie dieselbe liturgische Ordnung

wie die der Kanoniker des Santo Sepolcro30

.

Die Wurzel der augustinischen Spiritualität selbst, und speziell eine bestimmte Art der

Sichtweise des Lebens als Militärdienst auf der Welt zum Wohl der Mitmenschen, war

sicherlich ausschlaggebend dafür, dass die Kanoniker zustimmten, jene Laienritter bei sich

7

aufzunehmen, die sich Gott zuwenden und dennoch weiterhin in den Reihen der

kriegsführenden Aristokratie bleiben wollten.

Schon seit den ersten Jahrhunderten der Christenheit hatte sich eine Strömung von

Gedankengut gefestigt, der die Nachricht von Gewaltfreiheit in den Evangelien für absolut

hielt und obwohl Christus Nachsicht gegenüber den ihm begegneten Berufssoldaten an den

Tag legte, wie im Fall des Zenturios, tendierte die christliche Gemeinschaft in der Zeit vor

dem Toleranzedikt dazu, Waffenberufe mit Argwohn und Missbilligung. Im Umfeld des

entstehenden Mönchstums, beseelt vom Wunsch auf weltlichen Verzicht, hatte sich ein

Gegensatz zwischen der militia seaculi, d.h. ein von den Werten das Laientums geprägtes

Leben, und der militia Dei im Sinne eines inneren Kampfes gegen die Sünde mit den bloßen

Waffen der Buße und des Glaubens31

entwickelt.

Diese Einstellung fand eine weite Verbreitung während der ersten Jahrhunderte der

christlichen Ära; für die Konvertierten kam die militärische Karriere nicht in Frage, die

gemäß Laktanz in einer Katechumene ein tatsächliches Zeichen von Gottesverachtung

darstellte, und daran schlossen sich exemplarische Fälle von Heiligen an, die ihren Abschied

von den Waffen genommen hatten. Im Verlauf des 3. Jahrhunderts hatte sich das Christentum

in weiten Teilen des römischen Heeres verbreitet und die Aufmerksamkeit von großen Teilen

der Truppen erweckt; daraus entstand als Konsequenz die Notwendigkeit einer neuen

theologischen Reflexion, ob die Waffenberufe wirklich mit den Geboten der neuen Religion32

nicht vereinbar waren.

Die Angriffe gegen das Imperium von Seiten der barbarischen Völker mit den während der

Plünderungs- und Invasionsgeschehnisse erzeugten Massakern führten einige Kirchenväter

dazu, die Benutzung der Waffen als Akt der legitimen Verteidigung gegen einen

Übergriffsversuch zu sehen. Vor allem Augustinus von Hippo, der das Leiden der römischen

Bevölkerung Afrikas angesichts der Invasion der Vandalen selbst erfahren musste, hatte das

Problem in all seiner Dramatik erlebt und kam zu dem Schluss, dass Waffengewalt im strikten

Gebrauch zur Verteidigung einer notwendigen und gerechten Sache (bellum iustum) auch ein

vollwertiger Dienst im Zuge eines religiösen Plans sein kann: bedeutet es doch, das eigene

Überleben für den Kampf gegen die Todesgefahr und die Sicherung der Errettung anderer33

aufs Spiel zu setzen.

Der Kampf erreichte in der Vision des Augustinus den Charakter des unerlässlichen

Heilmittels für ein schreckliches Übel, nämlich die Unterdrückung Unschuldiger von Seiten

der Böswilligen, gegen die der Befreiungskrieg als Akt der Verteidigung Gestalt annahm; die

Legitimation für diese Art des Krieges entstand im Wesentlichen aus der Verherrlichung des

Friedens als höchstem Gut: Krieg und Frieden erschienen nicht mehr als unversöhnliche

Gegensätze, sondern als zwei notwendige Aspekte derselben Suche nach sozialer Ordnung

und Gerechtigkeit34

.

Un´idea di lotta come sacrificio e dono – Die Vorstellung vom Kampf als Opfer und Hingabe

Augustinus hatte sich nicht damit begnügt, ein milderes Verhalten gegenüber den

Berufssoldaten auszudrücken, indem er den in den Evangelien enthaltenen Spuren folgte, die

die Kämpfenden zu einer Ethik von Gerechtigkeit und einem ehrenvollen Dienst ermahnten;

der dramatische Tenor der Zeit und gerade die Vision der religiösen Pflicht als Kampf in der

Welt gegen das Böse zur Errettung des Nächsten brachten seine Predigt dahin, sich energisch

mit Kriegssymbolik zu durchziehen. Der Sinn für die gesicherte Verteidigung der Schwachen

gegen den Missbrauch durch gewalttätige Menschen war sehr stark und wurde als eine

religiöse Pflicht verstanden, eine notwendige pastorale Last:

Die Aufrührer ermahnen, die Kleinmütigen trösten, die Schwachen stützen, die

Widersprechenden entkräften, sich vor Intriganten hüten, die Unwissenden

unterweisen, die Trägen anspornen, die Streitsüchtigen beruhigen, die Anmaßenden

8

in ihre Schranken weisen, die Protestierenden beruhigen, den Armen zu Hilfe

kommen, die Unterdrückten befreien, die Guten ermutigen, die Bösen ertragen und

alle lieben35

.

Zwischen der von Augustinus gewünschten Lebensart, in der Ruhe der Kontemplation

im Frieden eines Klosters, und der für den Willen Gottes als zu akzeptierend gelebten, die

Last der pastoralen Aktivität, existierte ein krasser Gegensatz, der zum Wohl der anderen

überwunden werden musste. Die religiöse Berufung ist vor allem Dienst gegenüber der

Kirche, besonders angesichts ihrer schwächsten Mitglieder, die jeder Art von Übergriffen

ausgesetzt sind; darin zeigen sich das persönliche Opfer und Mühen als sequela Christi, das

Nacheifern Jesu in seinen Kämpfen gegen das Böse und seinen Verzichten:

Wir sind Diener der Kirche, und vor allem Diener ihrer schwächsten

Mitglieder…Wenn die Mutter Kirche eure Dienste verlangen wird, kommt dem nicht

aus bloßer Begierde nach Aufstieg nach, noch lehnt aus dem verführerischen

Wunsch des Nichtstuns heraus ab, sondern gehorcht Gott mit demütigem

Herzen…Stellt nicht die Ruhe eurer Kontemplation gegen die Bedürfnisse der

Kirche… Wenn der gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe anbot, selbst so viele

Martyrien erleiden konnte von eben jenen Schafen, mit wie viel mehr Eifer müssen

dann jene, denen der Herr seine Herde zum hüten, das heißt zum formen und führen

anvertraute, für die Wahrheit kämpfen bis zum Tod und sogar bis zum Vergießen des

eigenen Blutes im Kampf gegen die Sünde36

.

Die Bezüge zur Kriegssymbolik haben sich großflächig in der kanonischen Tradition

entwickelt, die die eigene Mission als Verpflichtung in der Welt verstand und eine

Geisteshaltung besaß, die den Dienst an der christlichen Gemeinschaft auch als offensiven

Kampf angesichts des Bösen ansah. Einer der größten Vertreter der Spiritualität des 12.

Jahrhunderts, Geroch di Reichesberg, sagte, dass der Kleriker die Welt mit dem Kampf

besiegen muss wie der Mönch sie durch Flucht besiegt, und sein Bruder Arno, vermutlich

Autor der Schrift mit dem Titel Scutum canonicorum, bekräftigte dasselbe Konzept, indem er

diejenigen, die die Pflicht des Kampfes gegen das Böse in der Welt verweigerten, des

Egoismus bezichtigte:

Der Ordensstand hat sich in seine eigene Ruhe geflüchtet und sich in die Stille seines

Klosters eingeschlossen, oder noch schlimmer, hat die Bosheit akzeptiert, während

ich, der Stand der Kanoniker, bis zum Tod quer durch meine Kinder im privaten und

öffentlichen Bereich kämpfte37

.

Obwohl die Mentalität der Kanoniker wie auch ihre Theologie die Konzepte der

kriegerischen Pflicht auf eine rein symbolische Ebene bezogen, musste das Angebot jener

Soldaten, die entschlossen waren, sich beim Heiligen Grab für die Vergebung ihrer Sünden

aufzuopfern, wie eine Art von Verlagerung der kanonischen Profession in das Umfeld der

Laien erschienen sein: wenn die regelkonformen Kleriker ihren täglichen Kampf gegen die

Sünde mit den Waffen des Verzichts und des Pastoraldienstes bestritten, konnten die

Gefährten von Hugo von Payns, die Mitglieder der militärischen Aristokratie, ein ähnliches

Konzept der Christenpflicht in ebensolcher Weise durch den Gebrauch ihrer kriegerischen

Fähigkeiten für die materielle Verteidigung der Brüder leben. Die Situation des jüngsten

Königreichs von Jerusalem war äußerst bedenklich, verschiedene Nachrichten sprachen für

das Vorhandensein eines Risikos, da die Straßen schutzlos vor den islamischen Beutejägern

waren, die sich auf die Wanderer und Pilger stürzten, um sie zu berauben und zu ermorden;

9

Fulcherio di Chartres war der Meinung, dass die Bevölkerung in einem andauernden Zustand

von Unsicherheit lebte, immer mit einem wachsamen Auge für ein Zeichen bevorstehender

Gefahr38

.

1119 fand ein unheilvoller Zwischenfall statt, der wahrscheinlich eine entscheidende

Rolle bei der Gründung des Templerordens spielte: eine Gruppe von Pilgern auf dem Weg

zwischen Jerusalem und Jordan wurde komplett niedergemetzelt und das Massaker löste eine

derartige Bestürzung aus, das sein Echo auch die Chronisten des Okzidents39

erreichte. Ein

Jahr später, im Jahre 1120, fand in Nablus eine wichtige Versammlung mit herausragenden

Führungsgestalten des Klerus und des Adels des Königreichs von Jerusalem statt: die

Historiker sehen in jener Zusammenkunft die wahrscheinlichste Gelegenheit für die offizielle

Vertretung der Sache der soeben gebildeten militärischen Bruderschaft, und die Quellen

siedeln den Beginn der Templergruppe tatsächlich um jenes Jahr40

herum an.

Vielleicht sensibilisierte die Erschütterung in der Folge des Desasters die Laienbrüder

beim Heiligen Grab und brachte sie dazu, den Geist der augustinischen Theologie zu

interpretieren, den sie auf jeden Fall dank der Predigt und der Pastoralseelsorge der Kanoniker

aufgenommen hatten, auf eine speziellere und konkretere Art des Beistands für die

Notwendigkeit des Überlebens der christlichen Bevölkerung: die Gruppe übernahm die drei

Klostergelübde des Gehorsams, der Armut und der Keuschheit vor dem Patriarchen von

Jerusalem, und dieser vertraute ihnen die explizite Mission an, zur Verteidigung der Pilger,

die sich auf dem Weg zum Heiligen Grab41

befanden, gegen den islamischen Feind zu

kämpfen.

L´ardito progetto della milizia religiosa – Das kühne Vorhaben der religiösen Truppen

Die Initiative von Hugo von Payns hatte im Wesentlichen Büßercharakter, war der

vollständigste Ausdruck für die Ideale, die den Kreuzzug unterstützt hatten, und entstand als

religiöse Entscheidung von privatem Charakter durch die Aufnahme und Unterstützung des

Instituts der Kanoniker; aber dank ihres einzigartigen Charakters, besonders nach der

Übernahme der Kriegsmission der bewaffneten Verteidigung der von den Pilgern benutzten

Routen, erwies sie sich auch unter dem Blickwinkel anderer Zwecke als wertvoll.

Der König von Jerusalem, Balduin II., unterstützte die Bruderschaft von Anfang an

und förderte so ihre Ausweitung und ihre Verwandlung zu einer festen Einrichtung: die

Schöpfung einer unabhängigen Truppe, die aber der Kontrolle der Kirche unterstand, schien

von großem Nutzen bei der Besatzung der christlichen Gebiete und konnte gleichzeitig eine

Stütze gegen die nach Autonomie strebenden Anmaßungen des Adels des Heiligen Landes42

sein.

Der erste Schritt war die Verlegung in einen weitläufigeren und repräsentativeren Sitz:

Balduin überließ der Gruppe einen Flügel seines alten Königspalastes, der sich bei den als

Überreste des Salomontempels identifizierten Ruinen befand. Die Ritter wurden nun Militia

Salomonica Templi genannt, und später milites Templi oTemplarii, neben dem Namen, den sie

sich wohl aus Achtung vor ihrem Gelübde, Gott mit Waffen im Geiste der Armut zu dienen,

gegeben hatten: pauperes commilitones Christi43

.

Das Vorhaben, das Wachstum der Gruppe voranzutreiben und ihr eine institutionellere

Gestalt zu verleihen, reifte während einer Reise um das Jahr 1127, die der Gründer Hugo von

Payns und seine einflussreichsten Gefährten Richtung Okzident unternahmen, wo sie auch im

Namen des Königs von Jerusalem an die Türen einiger bedeutender Feudalherren klopfen

wollten, um sie für das Problem der Verteidigung des Heiligen Landes zu sensibilisieren: es

bedurfte der Truppen, und die militärisch-religiöse Organisation von Payns erfuhr in jenen

Jahren eine bescheidene Entwicklung, die aufgrund der Quellenlage mit höchstens etwa 30

Rittern44

angegeben werden kann.

Der Gründer und seine Gefährten bereisten das gesamte Hoheitsgebiet Frankreichs

und erreichten auch England, aber ihr Ziel war es nicht allein, möglichst viele Ritter zum

10

Auffüllen der Reihen der Gruppe und der Truppen des Heiligen Landes zu rekrutieren: Ein

wirklich institutioneller Aufstieg der Bruderschaft war ohne die überwiegende Zustimmung

der Christenheit des Okzidents nicht möglich, aber vor allem auch durch eine effektive

Anerkennung aus dem Umfeld der Kirche.

Beide Ziele erschienen kühn: in jenen Jahren wurde das Papsttum tatsächlich mit

schwerwiegenden Problemen der institutionellen Stabilität geplagt45

, überdies empfand ein

Großteil des kirchlichen Gesellschaftskreises den Laienstand, und insbesondere das Leben der

kriegsführenden Aristokratie, als Hindernis für die ewige Erlösung.

Die Ausrichtung hatte sich während des 11. Jahrhunderts dank des reformatorischen

Werkes von Pier Damiani sehr stark gefestigt, der in jedem Fall die direkte und indirekte

Anwendung von Gewalt verdammte; der Heilige verband in seinen Schriften fortlaufend das

Leben der Laien mit der Sünde und umgab es mit Begriffen aus dem Bereich der

Korruption46

. Auf derselben Linie befand sich Bernhard von Clairvaux, einer der

bedeutendsten Theologen und Verkündiger dieser Zeit; Hugo von Payns wandte sich

geradewegs an ihn auf der Suche nach spirituellem Zuspruch und ideologischem Halt für die

Gründung dessen, was vielen, und zu Beginn auch ebenjenem Abt, eine ungeheuerliche

Mischform erschien: ein dem Krieg47

verpflichteter Mönchsorden.

Hugo von Payns bewegte sich vielleicht auf Ersuchen des Königs von Jerusalem, der

dem heiligen Bernhard mit der Bitte geschrieben hatte, eine geeignete Regel für die Templer48

auszuarbeiten, oder auf eigene Veranlassung, besonders falls einige historische Spuren

bestätigt werden würden, die eine Verwandtschaft um mehrere Ecken zwischen der Familie

von von Payns und dem Heiligen49

nahe zulegen scheinen. Abgesehen davon, dass er eine der

größten religiösen Persönlichkeiten der Epoche war, befand sich der Zisterzienserabt an

vorderster Front im Kampf für die Verteidigung der päpstlichen Rolle im Schoß der

christlichen Gesellschaft und zählte demzufolge zu den besten Fürsprechern bei der Kurie:

vertreten von Bernhard hatte die Sache der Templer große Hoffnung auf Erfolg.

Anfangs legte der Abt ein indifferentes Verhalten an den Tag; aber im folgenden und

aufgrund von Beweggründen, die die historische Analyse noch nicht endgültig klären konnte,

schloss er sich dem Vorhaben in enthusiastischer Weise und unter Einsatz aller seiner

spirituellen, intellektuellen und politischen Fähigkeiten an, um die Entwicklung

voranzutreiben. Obwohl er im Mönchstum immer noch den zu bevorzugenden Weg zur

Erlösung sah, eine Idee, die ihn dazu trieb, sich bei Graf Hugo aus der Champagne zu

beklagen, weil der sich den Templern angeschlossen und das Vorhaben aufgegeben hatte, in

Cîteaux50

einzutreten, befürwortete Bernhard uneingeschränkt das Vorhaben der Gründung

einer religiösen Truppe und versuchte auch, die Bürgschaft einiger bedeutender

Persönlichkeiten seiner Zeit zu erwerben51

.

Il braccio armato della pace – Der bewaffnete Arm des Friedens

Das offensichtlich widersprüchliche Verhalten des heiligen Bernhard erhält eine

vollkommen andersartige Bedeutung, wenn es nicht für sich selbst betrachtet und in den

Kontext einfügt, zu dem es gehört, genauer gesagt in die Bedingungen der Laiengesellschaft

des 12. Jahrhunderts. Einer der bedeutendsten Gelehrten des mittelalterlichen Rittertums,

Franco Cardini, hatte die Tatsache betont, dass in einer von der von institutioneller

Bedenklichkeit und Gewalt, der sich der Lebensstil der aristokratischen Gruppen unterworfen

hatten, dominierten Epoche der einzig mögliche Weg für den Versuch der Christianisierung

einer Gesellschaft, die sich andernfalls komplett widersetzt hätte, die Erschaffung eines Ideals

von religiösen Kriegern war: es wäre eine unvollständige Christianisierung, widersprüchlich,

oberflächlich, aber sie hätte zu einer gewissen Anpassung der Laien an religiöse Vorschriften

geführt, was konkret eine Beschränkung der Gewalt gegenüber der unbewaffneten

Bevölkerung bedeutet hätte.

11

Die eigentümliche Mentalität, die die militärische élites des Okzidents von den

germanischen Anfängen an charakterisierte, mit den Worten eines Experten wie Stefano

Gasparri ausgedrückt, ihre „traditionelle Kultur“ war vollkommen geprägt durch die

kriegerischen Werte und stützte sich auf eine echte und eigene Kriegsethik53

; diese aus der

Vergangenheit ererbte forma mentis konnte ihren Wert während der mühevollen Zeitspanne

der Überfälle von Seiten der Wikinger, Ungarn und Sarazenen erlangen und sich mit der

Dekadenz der karolingischen Institutionen verschlimmern, als im Klima des allgemeinen

Chaos die Ausübung von Waffengewalt den einzigen Überlebensweg für die Bevölkerung

darstellte die von den legitimen Inhabern der öffentlichen Macht54

dem eigenen Schicksal

überlassen worden war.

In gewissen Gebieten, in denen das Abbröckeln der imperialen Struktur vorzeitig

erfolgte, wie beispielsweise in Frankreich, tauchten auf sozialer Ebene Gruppen von

Berufskriegern zu Pferd auf die oft nur aufgrund ihrer zerstörerischen Kraft stark waren: teils

in Verbindung mit alten Vertretern der karolingischen Aristokratie, teils um sich auf eigene

Faust von den örtlichen gegenüber der königlichen Autorität autonomen Machthabern zu

befreien, errichteten sie zunehmend zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert eine neue

Gesellschaftsordnung, die auf Kernen tatsächlicher Macht basierte. In konkreter Weise

dominiert von juristischer Willkür und weit verbreiteter Gewalt55

.

Die Register von Gregor VII. gestatten es, sich ein realistisches Bild vom Verhalten

der militärischen Aristokratie noch in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts zu machen

an der Schwelle zum ersten Kreuzzug: die Dokumente beschreiben ein allgemeines Klima

von Anarchie, Gewalttätigkeit und wahlloser Gewaltanwendung, die die Massen geißelten

und nicht einmal die höchsten Prälaten verschonte. In Terouanne schändeten im Jahre 1083

der miles Oilard und der Graf Eustache die Kathedrale durch das Aufbrechen der Tür, das

Entweihen der Reliquien und den Raub der Kirchengeräte von Wert und zusätzlich durch die

Verschleppung des Bischofs Lambert, der kniend im Gebet vertieft war und auf schreckliche

Weise verstümmelt wurde; 1074 wurde der Erzbischof von Tours auf Pilgerfahrt Richtung

Rom auf der Straße vom miles Lanzelin de Beaugency an der Spitze einer Truppe angegriffen

und dasselbe Schicksal ereilte 1080 den Bischof von Liegi, der vom Grafen von Chiny56

überfallen wurde.

Hildebrand von Soana besaß ein realistisches und kämpferisches Temperament und er

war ein guter Kenner der menschlichen Natur. Als er sich an jene milites oft im Ton

väterlichen Tadels wandte und nach einem Weg für politisch-soziales Verständnis suchte,

hegte er nicht allzu viele Illusionen: die aristokratischen Gruppierungen, ihre bewaffnete

Klientel und überdies die Ritter ohne soziale Eingliederung waren durchtränkt von Gewalt,

auch weil sie unter einem speziellen Standpunkt aufwuchsen der darauf abzielte offensive

Gewalt geradezu als Grundwert anzusehen57

.

Gregor VII. förderte eine Tendenz, die sich im Lauf des 11. Jahrhunderts bewährte,

anlässlich gewisser Ereignisse, die das Schicksal des römischen Stuhls in ernsthafte Gefahr

gebracht haben, so dass dem zur Verteidigung der Kirche geführten bewaffneten Kampf ein

religiöser Wert und einer derartigen Aufgabe die Macht der Heiligung zukam; 1053 hatte

beispielsweise Papst Leo IX. die Märtyrer anerkannt, die im Kampf für die Verteidigung der

päpstlichen Sache in der Schlacht von Civita gegen die Normannen gestorben waren; es

handelte sich um eine besondere Strategie und das Ereignis wurde durch die Erzählung

bekannt gemacht, dass die Gefallenen dem Papst in strahlenden Gewändern erschienen waren,

ein Zeichen ihres himmlischen Ruhmes. Gregor VII. bezeichnete diejenigen feierlich als

milites beati Petri, die den Waffendienst für die Sache des Papstes gewählt hatten und

Bonizione di Sutri hielt sie für wahrhafte und echte Märtyrer die zu den Heiligen zu zählen

seien; im Jahre 1090 sprach Bruno di Segni von jenen milites beati Petri als milites Christi,

eine entscheidenden und auffallenden Neuerung hinsichtlich der traditionellen Betrachtung,

die die militia Christi auf den Mönch im Kampf gegen die Sünde58

bezog.

12

Der Papst hatte verstanden, dass es nicht möglich gewesen wäre, diese Menschen und

ihre Kultur im Innersten zu bekehren; stattdessen würden bessere Ergebnisse erzielt werden

durch den Versuch die Gewalt einem weniger niederträchtigen Ziel zuzuführen das

ausbaufähig war, auf das sie in jedem Fall59

nicht verzichtet hätten. Als er die Nachricht von

der Verwüstung Jerusalems durch die Türken erhielt, plante Gregor VII. das Vorhaben

persönlich eine Militärexpedition zur Befreiung des Heiligen Grabes und dem Schutz der

Christen des Orients60

anzuführen: obwohl dieser Kreuzzugsversuch ante litteram ins Leere

verlief, hatte er den begeisterten Zuspruch der Menge auf den Appell Urbans II. während des

Konzils von Clermont61

bewirkt.

Bernardo di Clairvaux e la cavalleria alternativa - Bernhard von Clairvaux und das

Alternativ-Rittertum

Die Probleme, denen das Papsttum in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts

ausgesetzt war, hatten die Intellektuellen sensibilisiert und sie dazu gebracht die Zensur

gegenüber der militärischen Aktivität zu mäßigen, wenn sie der Verteidigung christlicher oder

kirchlicher Belange diente; auf institutioneller Ebene war deshalb die päpstliche Zustimmung

keine unerreichbare Zielsetzung, vorausgesetzt dass sich die Weihe an Laienritter wandte, die

in jenem Jahrhundert lebten und noch leben würden: das Problem, das sich der Bruderschaft

des Hugo von Payns stellte, war jedoch ein vollkommen anderes, da jene konvertierten

Krieger den Laienstand verlassen sollten, um in Waffen dem Ordensstand beizutreten.

Bernhard mobilisierte seine Kenntnisse und dank seiner Hilfe wurde anlässlich des

Konzils von Troyes im Jahre 112962

in Anwesenheit des päpstlichen Legaten, des Kardinals

Matthäus von Albano, und der einflussreichsten Vertreter des Zisterzienserordens wie

Stephan Harding63

, der erste militärische Religionsorden in der Geschichte der lateinischen

Kirche ins Leben gerufen; der Tempel erhielt eine spezifische Regel unter Anleitung des

Abtes64

. Später, wahrscheinlich um das Jahr 1135, widmete Bernhard dem Orden ein

lobendes und zugleich mahnendes Werk mit dem Titel De laude novae militiae, in dem er die

ethischen und spirituellen Charaktereigenschaften der Templer betonte: Konversion,

weltlicher Verzicht, dienendes Wesen gegenüber der christlichen Sache und Streben nach

Märtyrertum im Namen des Glaubens65

.

Das Traktat stellte wirklich keinen Verrat und noch nicht einmal eine Besinnung

hinsichtlich des negativen Urteils des Heiligen gegenüber dem Gebrauch von Gewalt und dem

Lebensstil der aristokratischen Laien dar, deren soziales milieu er sehr gut kannte, da er von

Geburt her daraus stammte und mit dem er endgültig durch sein Mönchtum in Cîteaux66

gebrochen hatte. Schon zu Beginn seiner Aktivität als Abt hatte er die Konzepte der militia

Christi in Bezug zum klösterlichen, asketischen und kontemplativen Leben gestellt, gemäß

jener alten Strömung, die die gesamte Kirchengeschichte durchzog und die Heiligkeit

unauflöslich mit dem contemptus mundi verband, dem freiwilligen Verzicht auf

Verführungen, aber auch auf die Denkweise hinsichtlich der im Jahrhundert67

vorherrschenden Verhaltensmuster.

Bernhard blieb seiner Linie immer treu, wenn auch mit angemessenerem Verhalten,

und auch nach der Einsetzung des Templerordens, wie gewürdigt und gebilligt auch immer,

fühlte er die Minderwertigkeit dieser Konversion gegenüber der Wahl des Mönches, der miles

Christi im höheren und vollwertigeren Sinn blieb68

; außerdem ist sein Modell von der

religiösen Truppe nicht aus dem Nichts heraus entstanden, da Bernhard wahrscheinlich auf

eine gewisse Strömung von Gedanken geblickt - und vielleicht auch aus ihr geschöpft – hatte,

die sich in der Vergangenheit im Innern des benediktinischen Flusses selbst entwickelt hatte,

vor allem im Umfeld von Cluny.

Um das Jahr 930 hatte der Abt Odo von Cluny ein hagiographisches Werk

geschrieben, wirklich sui generis und bis dato ohne Vorläufer: sein Held des Glaubens, der

adlige Gérard d´Aurillac, hatte die Heiligkeit erreichen können, obwohl er Laie geblieben ist

13

und ohne den umstrittenen Waffenberuf aufzugeben, und machte im Gegenzug daraus sogar

das Instrument für die eigene Errettung: Über die religiöse Absicht hinaus stellte die Schrift

eine kulturelle, soziale und politische Unternehmung dar, die ein neues Verhaltensmodell für

die militärische Aristokratie voranbringen wollte, und sie dazu anhielt, den wahllosen

Gebrauch der Gewalt einzuschränken, um sie auf die Verteidigung nutzbringender Dinge für

die Friedenserhaltung69

zu richten.

Die Orientierung von Abt Odo lag auf einer Linie mit der Tendenz, die sich einige

Jahrzehnte später verbreitete, als die Bischöfe der französischen Gebiete aufs Schwerste von

der Anarchie bedroht versuchten, die Köpfe der Militärscharen zu sammeln und sie mit

erhabenen Religionsschwüren zu verpflichten, die als tregue di Dio70

bekannt wurden. Das

Zentrum von Cluny, das aktiv mit der Reform und der Christianisierung der Laiengesellschaft

betraut war, nahm auch Gesuche dieser Art entgegen; das von Abt Odo unternommene

Experiment erzeugte in seinem Inneren eine Gedankenströmung, die sich, wenngleich weder

durchgängig noch kohärent, ins kulturelle Umfeld des 12. Jahrhunderts überlieferte, aus dem

Bernhard abstammte.

Gérard d´Aurillac war ein Beispiel für eine mächtige Pflicht im Kampf zur

Verteidigung der Schwachen, der Kirche und der Gerechtigkeit gegen die Unterdrückung von

Seiten der Ehrlosen: eine wahre und echte Inkarnation auf Laienebene des augustinischen

Konzepts des bellum iustum, dem persönlichen Opfer für das Wohl der anderen unter

Waffengebrauch in der Welt gewidmet; aber jenes edle Abbild, wie Ambrogio Piazzoni

betont, war noch weit entfernt von der kulturellen Entwicklung, die im folgenden zur

Wertschätzung des Gebrauchs der Kriegsstärke für die gerechte Sache führte. Er ist im

Grunde ein Mönch durch und durch, hinsichtlich Mentalität und Verhaltensmodellen und

besitzt sogar das Element des contemptus mundi, das traditionsgemäß eher die Berufung zum

Klosterleben charakterisiert: Gérard ist sicher ein miles sanctus, aber seine militia Christi

stellt eine innerliche und spirituelle Qualität dar.

In der Mitte des 11. Jahrhunderts, mehr als 100 Jahre nachdem Odo seine Vita des

Heiligen Gérard geschrieben hatte, erschien im Umfeld von Cluny eine andere Biographie

eines heiligen miles, in der gewisse Ansprüche zu entschiedeneren Entwicklungen führten, in

offensichtlichem Einvernehmen mit dem Tenor der Epoche. Es handelte sich um den adligen

Burchard, Graf von Vendôme und Wohltäter des Klosters von Saint-Maure bei Paris - eine

mächtige und illustre Figur, die sich in der Folge einer Krankheit an das Klosterleben

klammerte: die entscheidende Tatsache ist, dass sein Biograph die Figur und sein Beispiel im

christlichen Sinn feierte, als jener Mann sich noch in der Welt befand, das heißt auf der Höhe

seiner Feudalmacht und sogar im Stand der Ehe.

Burchard stellte ein vollkommen anderes Modell für den heiligen Krieger dar als

Gérard: wenn der Graf ´Aurillac ein Liebhaber des Friedens war und bestmöglich danach

strebte, nicht kämpfen zu müssen, entzog sich der Graf von Vendôme wirklich keinem der

Kämpfe, die – wenn auch gerecht und von Gott begünstigt – jedes Mal die Tötung von

Feinden bedeuteten; trotz des Laienstandes führte ersterer ein Leben nach Art des Klosters,

während letzterer der Welt und ihrem Ruhm verhaftet blieb, wenn auch im Lichte einer

positiven Ethik des bedeutenden und gerechten Feudalherren, Gefährte und treuer Diener von

König Hugo Capet. Die Vita Burcardi belegt, dass in der Mitte des 12. Jahrhunderts und

einige Jahrzehnte vor dem ersten Kreuzzug gewisse Änderungen des Modells erfolgt waren,

die im Umfeld von Cluny für die neu entstandene Klasse der milites für angemessen erachtet

wurde; und obwohl auch dieses nicht als unmittelbarer Vorläufer des Vorhabens der Templer

betrachtet werden kann, bezeugt es doch, dass ähnliche Ideen in aktiver Weise verbreitet

waren72

.

Wenn auch Bernhard diese hagiographische um Cluny nicht direkt benutzte, da es

keine offensichtlichen und eindeutigen Bezüge gibt, ist der Gedanke unvermeidlich, dass er

aus diesem ideologischen Plan geschöpft hat; in diesem Fall hätte der Abt eine edle und

14

intelligente Anstrengung des Synkretismus unternommen um herauszufinden ob der

augustinische Ansatz des bellum iustum, auf dessen Grundlage sich die Templer formiert

hatten und der benedektinische des contemptus mundi, der das unverzichtbare Ideal der

Zisterzienser repräsentierte, vereinbar waren.

Cavalieri penitenti nello spirito di povertà – Bußfertige Ritter im Geiste der Armut

Der Schlüssel des Problems lag im Bußcharakter der Bruderschaft von Hugo von

Payns, ein ursprünglicher Bestandteil von größter Relevanz, denn ihre Verschreibung an das

Heilige Grab war in seinem Namen geschehen. Das ursprüngliche Ideal der Templer war die

Aufopferung für das Heilige Grab als kanonische Konvertiten. Ein Zustand, der schon in sich

ein ureigenstes Wesen beinhaltete, in religiöser Hinsicht und auch bezüglich der

Eingliederung in die Kirche73

; das Scutum canonicorum beschrieb sie als

Menschen des Laienstandes die alles aufgegeben hatten um sich dem Joch Christi zu

unterwerfen, die obwohl sie sich nicht zum Priestertum gelangen konnten oder

wollten, zur klösterlichen Vollendung kommen konnten indem sie mit ihren eigenen

Händen arbeiteten und die Laster und Begierden ihres Fleisches nach der Art der

Büßer bestraften: es sind jene, die sich zu den Klöstern begeben und sich auch in

ihrem Verhalten, also als Ledige den Mönchen angleichen74

.

Das Grundelement war wirklich die Suche nach einer Art der Sündenläuterung, die

Dimension der Buße, die auch im äußeren Erscheinungsbild sichtbar wurde: das bescheidene

Gewand ohne jegliche Verzierung, aber auch der lange Bart (das Scutum nennt sie fratres

barbuti), der Verzicht auf jedweden weltlichen Rang, das Verbot der Teilnahme an

Aufführungen, an Volksfesten und geräuschvollen Banketten, die Mäßigkeit beim Essen und

Trinken, die Enthaltsamkeit; das war haargenau die traditionelle Lehre, denen sich diejenigen

– auch wenn sie keine öffentlichen Sünder waren – unterwarfen, die freiwillig die Formen der

Buße zu den auferlegten als Akt der persönlichen Unterwerfung und Angebot an Gott75

hinzunahmen.

Jedes dieser Elemente ist in der unter Führung Bernhards festgehaltenen Regel der

Templer vorhanden und jedes entstammt der Aufrechterhaltung des ursprünglichen Geistes,

der dem Stand der konvertierten Kanoniker eingeimpft wurde, den Payns und seine Gefährten

in Jerusalem anzunehmen gedachten. Als Büßer und pauperes durch ihre freie Wahl

verdeutlichten die Templer jene Weltverachtung, die das Gelübde der Keuschheit

vervollständigte und als milites widmeten sie ihre Anstrengung, ihr körperliches Leiden und

sogar ihr Leben selbst dem Wohl der anderen und dem Dienst an der gerechten Sache in

Übereinstimmung mit den Lehren, auf denen sie die Kanoniker gegründet hatten.

Insgesamt war das Vorhaben der Templer wirklich plausibel: vorausgesetzt aber, dass

sich diese perfekte Harmonie durch die religiöse Truppe als bloßes Instrument der

Verteidigung einstellte. Jean Leclercq hat das Traktat für die Templer als „Dokument

Bernhards für die Beschränkung der Gewalt“ bezeichnet und sah im Orden hauptsächlich

nicht ein paralleles Rittertum, sondern ein alternatives zum Laienrittertum; der Abt wollte ein

ritterliches Modell schaffen, das die Gewaltanwendung der säkularen Truppen durch den vor

allem auf ein Minimum reduzierten Gebrauch von Stärke ersetzte, sich den Zielen der

Verteidigung unterwarf und von der Nächstenliebe76

motiviert wurde.

Im Templerorden fassten beide Ideale gemeinsam Fuß, das klösterliche von Cîteaux

mit der Hauptbetonung auf den inneren Kampf gegen die Sünde in der Einsamkeit des

Rückzugs und jenes kämpferische der augustinischen Theologie, das den Krieg gegen das

Böse in der Welt als Dienst und Angebot jedes einzelnen für die anderen sieht: nur zu diesen

Bedingungen, da unter den Templern also eine entschiedene asketische Absicht vorhanden

15

war, gestattete Bernhard ihre Aufnahme – wenn auch nur ein einziges Mal – in sein äußerst

edles Konzept von der militia Christi77

.

Die Templer würden dem Beispiel Christi hinsichtlich der Armut folgen und auf alle

Erscheinungsformen des Luxus und der sozialen Überlegenheit verzichten, die die Gebräuche

des Laienrittertums charakterisierten und gleichzeitig würden sie ihm durch den Kampf gegen

die Feinde des Glaubens folgen, genau wie die Laienritter ihre seniores im Krieg begleiteten:

Die Armen mit dem armen Christus, waren sie auch milites mit demjenigen miles

und dux militium Christus, der die Händler mit Peitschenhieben aus jenem Tempel

verjagt hatte, der später der Sitz der Krieger geworden ist …der pauper miles Christi

war ein Waffengefährte von ihnen in seinem kosmischen Kampf gegen Seine Feinde,

aber auch im täglichen inneren Kampf gegen sich selbst, die Versuchung, die

Sünde78

.

Un cambiamento di missione? – Eine Änderung des Auftrags?

Während seiner Rekrutierungsreise gewann Hugo von Payns verschiedene Ritter für

den Tempel; die westliche Gesellschaft antwortete auf eindeutig positive Weise auf das vom

heiligen Bernhard propagierte Vorhaben, wie die vielen Spenden der Mächtigen, aber auch

von einzelnen Privatleuten zeigen, die im Laufe weniger Jahrzehnte die französischsprachigen

Gebiete und andere europäische Länder79

mit Einrichtungen übersäten: die Epoche erkannte

zusätzlich zur Güte und zum Wert die Notwendigkeit einer derartigen Präsenz, wie die

folgende Gründung von weiteren religiös-militärischen Orden80

zeigt. Der Tempel war eine

länderübergreifende Organisation geworden, die sich auf große Teile des Mittelmeerraumes

und darüber hinaus erstreckte, und Besitztümer und Festungen von Schottland über Sizilien

und von Portugal bis in das armenische Gebiet ihr Eigen nannte.

Die Templer blieben zunächst dem Gehorsam des Patriarchen von Jerusalem

unterworfen, eingegliedert in die römische Kirche durch ihre Entstehung und ihren

spirituellen Ansatz, und blieben auch im Folgenden eine Organisation des Gebets und der

dem Orden vorgeschriebenen Liturgie der Kanoniker des Heiligen Grabes81

; im Jahr 1139

machte Papst Innozenz II. mit dem als Omne datum optimum betitelten Sonderrecht dem

Tempel Zugeständnisse, die den Weg zu einer absoluten Unabhängigkeit von der kirchlichen

Hierarchie freimachten und ihn exklusiv der Person des römischen Papstes82

unterstellten.

Der Orden besaß eine innere hierarchische Unterteilung, die auf der Unterscheidung

zwischen Rittern (milites) mit Einsetzung als Ritter oder durch Zugehörigkeit zu Familien im

Rang von Rittern, und Sergeanten oder dienende Brüder (servientes), die diesen Titel nicht in

Anspruch nehmen durften. Die Tempelritter durften das weiße Gewand als Symbol der

Keuschheit und der reinen Absichten des Ordens tragen, während den Sergeanten die braunen

vorbehalten blieben; im Jahr 1147 fügte Eugen III. dem Gewand der Templer ein rotes Kreuz

zum dauerhaften Tragen auf dem Mantel83

hinzu.

Der Tempel bildete zusammen mit dem Kontingent der Hospitaliter

(=Johanniterorden), einen grundlegenden Teil des christlichen Besatzung des Heiligen

Landes84

: nach Meinung eines bedeutenden Experten der Militärgeschichte bildeten die

Templer das erste Beispiel für eine Truppe, die entsprechend den den Heeren des modernen

Zeitalters eigenen Modalitäten organisiert war85

. Den Kriegspraktiken des Laienrittertums,

das hauptsächlich auf Mut und Eigeninitiative basierte, wodurch manchmal Unordnung und

geradezu Destrukturierung innerhalb der Truppe resultierte, setzte der Tempel eine eiserne

Disziplin und enorme Kapazität hinsichtlich der Koordinierung entgegen. Die dem Orden

vorbehaltenen Sonderrechte des Papstes führten zu Heldenmut und Opferbereitschaft beim

Vergießen des eigenen Blutes für die christliche Sache86

; von den heftigen Ausdrücken, die

die islamischen Quellen im Bezug auf die Templer benutzen, kann man sehr gut die Macht

des Aufpralls mit den feindlichen Truppen87

bewerten.

16

Im 13. Jahrhundert hatte sich der Orden mit einer Zahl von hunderten von

Gründungen weit verbreitet; die große Vermehrung der Ordenshäuser (mansiones, französisch

maisons, d.h. „magioni“ (=altes Wort für Haus) oder auch Komtureien) hatte die Schaffung

von Provinzen notwendig gemacht, die einem verantwortlichen Ordensgeneral unterstanden,

der Visitator genannt wurde und direkt dem Großmeister88

untergeordnet war. Während der

Phase des intensiven Einsatzes im Orient, also fast dem gesamten 12. Jahrhundert, dienten die

westlichen Einrichtungen vor allem als Produktionsstätten und Sammellager für die Ausfuhr

ins Heilige Land, wo sie für die Finanzierung der Militäraktionen89

verwendet wurden.

Aufgrund des großen Vertrauens, das die Templer auch dank ihrer bemerkenswerten

Vermittlungsfähigkeiten aus den Kampagnen im Heiligen Land in der Gesellschaft ihrer Zeit

genossen, wurden sie sehr oft von europäischen Monarchen und dem Papsttum für heikle

Diplomatiemissionen eingesetzt. Zusätzlich zu den ausgeprägten Militärqualitäten konnte sich

der Orden auch großen Ansehens auf religiösem und spirituellem Gebiet rühmen: seinen

Mitgliedern wurde unbestrittene Autorität bei der Identifizierung authentischer Reliquien

zugesprochen und es war ein Ritter des Tempels, der zusammen mit einem Gleichrangigen

des Spitals (=Spital des heiligen Johannes, Johanniterorden) die Ehre hatte, in der Prozession

das wertvolle Reliquiar mit dem Holz vom wahren Kreuz, das in Jerusalem90

aufbewahrt

wird, zu bewachen und zu eskortieren.

Im Jahre 1187 gebot die den Christen von Saladin zugefügte schreckliche Niederlage

von Hattin die Expansion der Kreuzfahrer in Syrien und Palästina und bildete den Anfang der

fortschreitenden Territorialverluste91

. Im 13. Jahrhundert schritt die islamische

Rückgewinnung in fast unaufhaltsamer Weise voran; der Tempel und die anderen

Militärorden wurden zur Zielscheibe heftiger Polemik, denn die zeitgenössische Gesellschaft

schrieb das Scheitern der Kreuzzugsunternehmen der Habgier und den Lastern zu, die ihrer

Meinung nach das christliche Kontingent geschwächt hatten92

. Während dieses Zeitraums

änderte der Orden in fortschreitendem Maß seine ihm eigene Rolle; zur Funktion der

bewaffneten Besatzungstruppe kam die der Verwahrung des Staatsschatzes der christlichen

Herrscher93

und die Bewachung und Verwaltung der für den Kreuzzug bestimmten Geldmittel

von Seiten der Kirche hinzu.

Die Überlagerung beider Funktionen, die jedoch zumindest auf der ideellen Ebene

demselben Zweck dienten, führte den Orden dazu, besondere Fähigkeiten im finanziellen

Bereich zu entwickeln; die europäischen Herrscher bedienten sich ihrer auch aus Motiven der

Innenpolitik der jeweiligen Reiche: ein bedeutender Fall wurde das Hauptquartier des

Tempels von Paris, das die Schatzkammer von Frankreich94

wurde.

Crisi di un´epoca – Die Krise einer Epoche

Während der Sechziger Jahre des Duecento (=1200-1299) verringerten die von Sultan

Baibar durchgeführten Rückeroberungen das Kreuzfahrerreich in Syrien und Palästina auf

einen schmalen Küstenstreifen mit der Hauptstadt Akkon95

; als im Jahre 1291 auch diese

Stadt als letztes Bollwerk der christlichen Anwesenheit im Heiligen Land verloren ging,

mussten der Tempel und die anderen Militärorden einen schweren Rückschlag auf

moralischer Ebene zusätzlich zu den menschlichen und materiellen Verlusten hinnehmen:

obwohl der Großmeister Wilhelm von Beaujeu auf heldenhafte Weise beim Versuch der

Verteidigung Akkons ums Leben kam, und auch wenn die Templer als letzte die brennende

Stadt verließen96

, brachte ebenjene Niederlage die Orden in eine sehr schwierige Situation

gegenüber dem gesamten Okzident.

Templer und Hospitaliter verlegten das neue Hauptquartier des Orients auf die Insel

Zypern, wo die Präsenz der Templer bereits lange Zeit andauerte und wo der Orden für einen

kurzen Zeitraum direkt die Regierungsgewalt innehatte97

. Das Scheitern der Kreuzzugspolitik

bedrohte in sehr ernster Weise die Existenz der Militärorden: bereits im Umfeld des Konzils

17

von Lyon im Jahre 1274 war die Möglichkeit der Zusammenlegung von Tempel und Hospital

in ein einziges Institut diskutiert worden98

.

Das Ende des Königreichs von Jerusalem entfachte Polemiken und Reformvorhaben

aufs Neue, die beiden Großmeister boten ihnen jedoch Paroli: zuletzt 1305, als Klemens V.

beiden eine Konsultation hinsichtlich ihrer Fürsprache für die Vorbereitungen zu einem neuen

Kreuzzug und der Hypothese eines einzigen Ordens99

geschickt hatte. Der Großmeister des

Tempels, Jacques de Molay, stellte sich gegen die Fusion; das entsprechende Antwortdossier

von Folques de Villaret, dem Großmeister der Hospitaliter, ist nicht erhalten und enthielt

wohl nur eine Befürwortung des Kreuzzugs100

. Das Vorhaben fand die Fürsprache Klemens

V., wie übrigens auch Nikolaus IV., weil die Vereinigung der militärischen und logistischen

Kräfte die strategische Leistung merklich erhöht und damit die Hoffnung auf die

Rückeroberung Jerusalems vergrößert hätte; auf jeden Fall handelte es sich um ein rein

theoretisches Kalkül, das mit nicht wenigen sachlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden

würde.

In der langen Verteidigungsschrift von de Molay zu den Rechtfertigungsgründen für

die Ablehnung, die den Papst sicherlich enttäuschte, sind interessante Informationen

enthalten, die Licht auf die zukünftigen Geschehnisse des Prozesses werfen: der Großmeister

riet lebhaft von der Fusion ab, da der Tempel und das Spital verschiedenen Normenkodexen

folgten und die Hospitaliter, die eine weitaus sanftere Disziplin gewohnt waren, sich nicht so

leicht an die äußerst strenge des Tempel angepasst hätten; außerdem gab es zwei verschiedene

Hierarchien, die in einer einzigen zusammengefasst hätten werden müssen, mit der daraus

resultierenden Aberkennung der Befehlsgewalt von vielen Würdenträgern, die sicherlich alles

für die Erhaltung ihrer eigenen Rolle getan hätten und daraus wären heftige innere Kämpfe

entstanden.

Das wichtigste Motiv erklärte Jacques de Molay dem Papst jedoch nur mit sehr vagen

Anspielungen, wohl aus Respekt gegenüber der Würde des Menschen, an den er sich

wendete: Philipp der Schöne, schon geraume Zeit ein energischer Fürsprecher für das

Vorhaben der Fusion, hatte keinerlei Intention, Energie auf die Rückeroberung des Heiligen

Landes zu verwenden. Sein Einsatz musste vor allem zwei Zielen dienen: an erster Stelle war

die künftige Expedition in den Orient ein wunderbarer Deckmantel für den Plan zur

französischen Okkupation Armeniens, dem sich die Rittertruppe bei ihrer Landung widmen

würde, und dass die Armenier derart beunruhigte, dass sie die Gefahr gerade dem

Großmeister des Tempels verraten würden101

; an zweiter Stelle wollte Philipp der Schöne die

Fusion der beiden bedeutendsten Militärorden leiten, um sich dann deren Kontrolle durch die

Verleihung der führenden Position an ein Mitglied seiner Familie zu versichern.

Im Konzil von Lyon 1274 hatten die Templer Nikolaus IV. bereits dargelegt, was nach

der Durchführung eines derartigen Unternehmens geschehen würde: die Orden hätten ihre

Funktion verloren und wären lediglich zu Organen der Politik und Diplomatie im Dienst der

Interessen der Krone geworden; der Großmeister hatte bekräftigt, dass sich die Templer als

treue Söhne der Kirche von Rom jedoch dem letzten Willen des Papstes102

unterwerfen

würden. Wenige Jahre später würde der Orden vom König von Frankreich angeklagt und

dann vom Konzil von Wien 1312 mit einer von Papst Klemens V. autorisierten Anordnung

aufgelöst werden, in Übereinstimmung mit den Konzilsvätern, damit eine ernste Gefahr für

die Kirche abgewendet wird. Die Folgen dieses Geschehens – von traurigem Ruhm – waren

der Tod auf dem Scheiterhaufen von Jacques de Molay und dem Ziehvater der Normandie auf

Veranlassung von Philipp dem Schönen am 18. März 1314, nachdem er sie der kirchlichen

Autorität entzogen hatte, die für ihr Urteil103

zuständig gewesen wäre: aber schon kurz nach

dem Beginn des Prozesses war den Zeitgenossen klar, dass einer der Hauptgründe für die

Auflösung des Ordens die klare Ablehnung ebenjener Fusion mit dem Spital von Seiten de

Molays war, die der König von Frankreich104

so vehement vorantrieb.

18

Il sottile meccanismo dell´arresto – Der subtile Ablauf der Haft

In einer vollkommen illegalen und unerwarteten Aktion wurden am 13. Oktober 1307

alle Templer Frankreichs an einem einzigen Tag auf Anordnung Philipps des Schönen

verhaftet; dank einer Vereinbarung, die der Herrscher auf von der päpstlichen Autorität

autonome Weise mit dem Kopf der Inquisition Frankreichs, dem Dominikaner Guillaume de

Paris, wurde gegen die Gefangenen der schreckliche Mechanismus des Tribunals in

verschärfter Form geführt, wie er auf Personen unter Verdacht der Häresie105

angewendet

wurde. Die Verhaftung stellte einen Übergriff dar, weil die Templer ein religiöser Orden

waren. Außerdem hatte eine Reihe von durch den Papst verliehenen Privilegien die

Gerichtsbarkeit allein dem Urteil des Papstes106

vorbehalten.

Der Templerorden befolgte seit seiner Gründung ein absolutes Treuegelübde auf die

Person des Papstes, wahrscheinlich ein Erbe des heiligen Bernhard von Clairvaux, des

spirituellen Ordensgründers und ersten Patrons107

; in der speziellen Ethik der Templer war der

Papst nicht nur einfach der Stellvertreter Petri, sondern seine Person wurde der des Heiligen

gleichgestellt, so dass sie sich an ihn als Nostro Padre l´Apostolo (=UnserVater, der Apostel)

wandten.

Die Regelung drückte diese Verbindung auf sehr offensichtliche Weise aus, und

bestätigt beispielsweise, dass der Papst der absolute Patron des Ordens gleich nach dem Herrn

war108

; tatsächlich fanden diese Regeln ein exaktes Entsprechung in den Worten der

Ordensführer während des Konzils von Lyon im Jahr 1274, als man das Vorhaben der Fusion

prüfte, dass den Tempel auf ein umfangreiches Sparschwein ohne Schloss reduzieren würde,

das die europäischen Herrscher für ihre eigenen Interessen plündern konnten: verbittert und

entmutigt in Angesicht einer solchen Perspektive hatte der Großmeister dennoch bekräftigt:

Wir sind der Heiligen Römischen Kirche unterworfene Kinder, und werden es immer

sein, mit Gottes Hilfe. Wir sind Kinder des Gehorsams, und werden es noch sein:

und wir werden dem lebenslangen Gelübde für den Dienst an der Verteidigung des

Heiligen Landes treu bleiben. Dafür werden wir alles geben, was wir haben, bereit

auch unser Leben mit Freude nach dem Willen unseres Vaters zu opfern109

.

Gerade dank seines besonderen Bandes mit dem Apostolischen Stuhl hatte der Tempel

das Privileg erhalten, sowohl von der Laien- als auch von der Kirchenrechtssprechung frei zu

sein; so wurde er praktisch unangreifbar und unterstand nur der päpstlichen Autorität; in

dieser unverwundbaren Rüstung, die der Orden trug, war jedoch ein schwacher Punkt durch

eine in den ersten Jahrzehnten des Duecento (=1200-1299) angesiedelte Episode.

Zur Zeit Honorius´ III. waren verschiedene Regionen der westlichen Christenheit, vor

allem in Frankreich, an der Ausbreitung der Häresie der Katharer beteiligt, die viele Anhänger

auch in den Reihen der Kirche fand; 1221 hatte der Papst aufgrund der Schwere der

Umstände dem Inquisitor Etruriens die Sonderbefugnis der Untersuchungen sogar hinsichtlich

der von jedweder Rechtssprechung befreiten Orden gegeben, das bedeutet Templer,

Hospitaliter und Zisterzienser110

.

Es handelte sich um eine Notfallmaßnahme und vor allem durch eine besondere

Situation diktiert, dennoch wurde diese Befugnis niemals von den Päpsten widerrufen und

blieb deshalb gültig, wie eine Art latente Waffe, die auch in der Zukunft gegen die drei

privilegierten Orden eingesetzt werden konnte.

„Mors tua, vita mea“ (=Dein Tod, mein Leben)

Während der folgenden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts, als die Macht und der

politische Einfluss der Templer bedeutend waren im Schoße der christlichen Gesellschaft,

dachte niemand an das vorherige Rechtsgeschehen, da das Privileg auf jeden Fall wegen

fehlender Aufhebung oder Auflösung durch den Erlass eines entgegen gesetzten Dekrets

19

gültig blieb. Noch unter der Herrschaft Ludwigs IX., einer zu Mystizismus neigenden und vor

allem sehr empfindlichen Persönlichkeit gegenüber den Bedürfnissen des Heiligen Landes,

blieb die Zusammenarbeit zwischen Tempel und französischer Krone eng und herzlich111

;

schon unter dem Nachfolger Philipp III bekamen die Beziehungen Risse, wenigstens ist es

offensichtlich, dass der Herrscher die Templer daran hindern wollte, unveräußerliche Güter zu

erwerben, wie es in der Vergangenheit geschehen war. Sein Sohn Philipp IV. wiederholte

später dasselbe Vorgehen, aber erst mit dem Ausbruch des französisch-englischen Konflikts

in der Folge der Invasion von Guyenne 1294 setzte sich ein schreckliches Getriebe von in der

Folgezeit internationaler Tragweite in Gang112

.

Durch die Ausgaben für den Krieg, der sich weit über die Vorstellungen des Königs

hinaus verlängerte, war Frankreich erschöpft und befand sich am Rand des Bankrotts, so dass

die der Krone nahe stehenden Anwälte den Herrscher zur widerrechtlichen Besteuerung des

Klerus im Königreich anhielten; angesichts der stolzen Reaktion von Papst Bonifatius VIII.

(Benedetto Caetani, 1294-1303) gegenüber dem Missbrauch der Kirchengüter wurde das

Vorgehen von königlicher Seite als höchst politischer und formeller Kampf zur Entthronung

jenes Papstes angesehen, den sie als Usurpator der päpstlichen Würde nach der Abdankung

Coelestins V. darstellten. Die Situation verschlimmerte sich zusehends bis zur

Exkommunikation Philipps des Schönen (durch die Bulle Super Petri solio, aufgesetzt, aber

nicht erlassen) und dem Attentat von Agnani (1303)113

.

Unter dem Druck des schweren ökonomischen Notstands hatte der König von

Frankreich erkannt, dass ein fettes Stück der Kirche des Königreichs, das heißt die Templer

und die Hospitaliter, ein aus produktiven Einheiten und liquidem Kapital bestehendes

Vermögen besaß, das aber dank der speziellen Privilegien, die sämtliche Ressourcen der

Militärorden den Bedürfnissen des Heiligen Landes vorbehielten, nicht wirklich besteuerbar

war. Der König trachtete danach, dieses Vermögen unter die Kontrolle der Krone zu bringen,

indem er die im Zuge des Konzils von Lyon diskutierte Vereinigung des Tempels und des

Spitals befürwortete, und Philipp wollte die Leitung durch die Einsetzung eines

Familienmitglieds als Oberhaupt des einheitlichen Ordens übernehmen: wenn nötig er selbst,

nach seinem Verzicht auf den Thron zugunsten seines Erstgeborenen; aber der Plan scheiterte

durch die heftige Gegenwehr der Templer und die Unentschlossenheit der Päpste114

.

Angesichts des Scheiterns wurde im Innern des königlichen Rates, oder mit größerer

Wahrscheinlichkeit im Kreis der königlichen Anwälte, eine Alternativstrategie entwickelt, die

dem Herrscher erlaubt hätte, auch beim Zusammenbruch der Hypothese von der Fusion an die

Verwaltung des Vermögens der beiden Militärorden zu kommen: Philipp der Schöne ließ

heimlich zwölf Spione in den Tempel einschleusen, die zwar Mitbrüder wurden, aber

geduldig damit beschäftigt waren, alles zu sammeln, was für ein eventuelles Vorgehen gegen

den Orden115

nützlich sein konnte.

Im Jahre 1306 kam die Situation Frankreichs an einen derartig ernsten Punkt, dass es

eine Revolte der Bevölkerung von Paris gab, und Philipp IV. war mit seinem Gefolge zur

Flucht in den Turm des Tempels gezwungen, um dem Ansturm der Menge zu entgehen;

wahrscheinlich setzte er bei dieser Gelegenheit den Hauptschatzmeister des Tempels, Bruder

Jean de la Tour, unter Druck, bis dieser ihm ein Darlehen zumindest zur Eindämmung der

wichtigsten Verpflichtungen gab. Der vom Herrscher geliehene Betrag, 300 000 Gulden in

Gold, war enorm und brachte sicherlich die Zahlungsfähigkeit des Haupthauses von Paris ins

Wanken, denn die Templer hatten auch die Rolle der Bank inne und mussten die volle

Kapitalentschädigung ihrer Schuldner absichern; wenn man bedenkt, dass die Summe der

damaligen Jahresbilanz der Seerepublik Pisa116

entsprach, ist es wirklich kein Wagnis zu

behaupten, dass die Geldeintreibung des Königs von Frankreich praktisch die Kassen des

Tempels von Paris geleert hatte. Aber schlimmer war noch die vollkommen illegale Dynamik

des Darlehens, ohne Berechtigungen und mit der Möglichkeit der Amtsenthebung des

20

Schatzmeisters des Ordens, das unter Verletzung der Tempelregeln durchgeführt wurde, das

heißt indem der Großmeister darüber in keinster Weise informiert wurde117

.

Der Skandal um den Hauptschatzmeister bildete den Grundstock für eine stürmische

Situation, die die Beziehungen zwischen Tempel und Krone118

aufs äußerste anspannten: als

der Großmeister zu Beginn des Jahres 1307 von Zypern zurückkehrte, prüfte er die

Rechnungsbücher und bemerkte den enormen, auf verräterische Weise zugunsten des Königs

entnommenen Fehlbetrag. Philipp der Schöne hatte das Geld ohne jegliche Garantie entliehen,

ohne beispielsweise eines der Güter der Krone zu verpfänden, die es dem Tempel erlaubt

hätten, das Darlehen zu rechtfertigen119

.

Der Herrscher hatte in der Vergangenheit gegen Bonifatius VIII. in der Überzeugung

gekämpft, den französischen Klerus nach seinem Gutdünken besteuern zu können, um die

finanziellen Schwierigkeiten des Königreichs zu überwinden; nach dem Gewinn dieses

Zwistes120

wollte er zum Vermögen des privilegierten Ordens übergehen, der den Staatsschatz

des Königreichs verwaltete und einen beträchtlichen Teil der Gewinne der auf französischem

Territorium gelegenen Güter einholte. Er war mit unerhörter Arroganz vorgegangen und die

Reaktion des Großmeisters war derart heftig, dass der Papst höchstpersönlich einschreiten

musste, um die Krise abzuwenden.

Der Schatzmeister La Tour wurde nur dank der Fürsprache von Klemens V. wieder in

den Orden aufgenommen, eine Maßnahme, die das ganze Ereignis im Grunde als einen

Zwischenfall aufgrund eines Missverständnisses erscheinen ließ und die - wenigstens war dies

die Hoffnung des Papstes - die Beziehungen zwischen Jacques de Molay und Philipp dem

Schönen121

retten würde: aber der König hatte verstanden, dass jener Großmeister sich auf

stolze Art der Kontrolle der Krone über den Tempel widersetzen würde, und mit ihm als

Leiter des Ordens die Güter der Templer niemals als Notreserve für die Bedürfnisse der

französischen Politik zur Verfügung stehen würden.

Den Angriff, den der Herrscher kurz darauf verübte, leitete sich wahrscheinlich nicht

von einer Art vor gefasster ideologischer Feindseligkeit, obwohl die Historiker dazu neigen,

ihn als jähzornige und dem religiösen Fanatismus zugetane Persönlichkeit darzustellen. Mit

derselben Strategie hatte Philipp der Schöne die Güter finanzkräftiger Gruppierungen des

Königreichs beschlagnahmt, wie etwa die Juden und die Bankiers von Florenz, indem er sie

unter Anklage stellte und sie ihrer Güter enteignete122

: in der Vorstellung des Herrschers, oder

sagen wir lieber in den feinsinnigen Theoriekonstrukten seiner Anwälte, schien kein Preis zu

hoch für die Steigerung der Macht Frankreichs.

Note – Anmerkungen 1. Die historische Bibliographie ist überholt; eine nützliche Orientierung ist anzutreffen in M. Barber, The Trial; Demurger, Vie et mort de l’Ordre du Temple; Frale, L’ultima battaglia dei Templari. 2. Cronique de Geoffroi de Paris, Spalte 143-145. 3. Dante Alighieri, Purgatorio (=Purgatorium, Fegefeuer), XX, 91-96; Giovanni Boccaccio, De casibus

virorum illustrium, Buch IX. 4. Zur Entwicklung des Templermythos vgl. Partner, The Murdered Magicians. 5. Nach dem von Frenz ausgearbeiteten Hauptschema ist das Pergament von Chinon technisch gesehen ein Pontifikaldokument, kein päpstliches, durch die Autorität von Klemens V. mittels Kardinälen als päpstliche Legate erlassen; vgl. Frenz, Papsturkunden, S. 95-96. 6. Vgl. Barber, The Trial, S. 275, Anm. 50, über das Fehlen einer Originalfassung der Untersuchung von Chinon: «There is no proper transcription of these hearings. The information derives from a letter of the cardinals to King Philip (Baluze, III, pp. 98-100); an extract from the Vatican Archive register of the Avignon popes given in Finke, II, pp. 324-8; and the bull Faciens misericordiam, Port (ed.), Guillaume Le Maire, pp. 438-40» (“Es gibt keine authentische schriftliche Überlieferung dieser Anhörungen. Die Information leitet sich aus einem Brief der Kardinäle an König Philip (Baluze, III, S. 98-100) ab; ein Auszug aus dem Vatikanischen Archivregister der Päpste von Avignon liegt vor in Finke, II, S. 324-8; und die Bulle Faciens misericoridiam, Port (Hsg.), Guillaume Le Maire, S. 438-40.“) 7. Einige der bedeutendsten Werke dieser Historiker sind im Bibliographieteil aufgeführt.

21

8. Die Tatsache, dass er ein ausgezeichnetes juristisches Wissen verfügte, erlaubte Klemens V. eine große Handlungsfreiheit in Notsituationen, und er kam zu neuen Lösungen, die einem Papst mit andersartiger Bildung unannehmbar erschienen wären. Ein bedeutendes Beispiel ist das Eingreifen bei der Tilgung aller Absätze bezüglich der Verdammnis gegen Philipp den Schönen in den Registern von Bonifatius VIII, mit bewundernswertem juristischem Scharfsinn ausgeführt und von der Geschichtsschreibung hastig als x-ter Akt der Unterwürfigkeit jenes Papstes gegenüber dem Herrscher bezeichnet. Das Vorgehen bedarf entschieden einer weitergehenden Analyse, da es sich als umkehrbar erwies, eine wahrhaft doppelschneidige Waffe gegenüber der französischen Monarchie. 9. Zur Entstehung des päpstlichen Archivs vgl. Peri,Progetti e rimostranze, S. 191-237. 10. Die Anfänge dieser Forschung reichen ins Jahr 1995 zurück, während des 2. Schuljahres der Scuola Vaticana di Paleografia (=Vatikanschule für Paläographie), anlässlich einer Arbeit zum Spezialgebiet, für das ich das Register von Avignon 48 wählte. 11. Schottmüller, Der Untergang des Templerordens. 12. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens.

13. Viollet, Bérenger Frédol; Lizérand, Les dépositions du Grand Maître , S. 81-106; Gilmour Bryson, The

Trial of the Templars. 14. Siehe Einleitung zur Quellenausgabe: Tommasi,Interrogatorio di Templari a Cesena, S. 265-285. 15. Das Inventar von Calofanieri aus dem 17. Jahrhundert befindet sich beim Archivio Segreto Vaticano (von jetzt an als ASV), Sala Indici (=Registerraum), Manuskript Nr. 57. 16. Das Schicksal des päpstlichen Archivs und die einzelnen Vorgänge während der Deportation werden vom privaten Kammerdiener des Archivpräfekten Marino Marini berichtet, der dem Konvoi nach Frankreich folgte und dann nach der Restauration für die Rückkehr des Materials nach Rom sorgte; vgl. Regesta Clementis papae V, I, S. ccxxviii-cccxxv. 17. Vgl. ASV, Sala Indici, Nr. 1001. 18. Lamattina, I Templari nella storia, S. 275. 19. Der Wortlaut der Bulle, auf dieselbe Weise angefertigt und an alle Diözesanbischöfe übermittelt, findet sich in Regestum Clementis papae V, Nr. 3402. 20. ASV, Sala Indici, Nr. 57, c. 116r: es waren Texte der Anhörungen in den Diözesen Toul, Sens, Tours, und außerdem ein Dokument mit der Bezeichnung «Responsiones consiliariorum provincie Narbonensis super facto Templariorum». 21. Vgl. Hierarchia Catholica, I, S. 14, und Viollet, Bérenger Frédol, S. 62-178. 22. Tommasi, Interrogatorio dei Templari a Cesena, S. 265-285, alla p. 273; Schottmüller, Der Untergang, I, S. 705. 23. Während dieses Buch die Phasen des Druckes durchlebte, wird gerade eine erste Rekonstruktionsstudie angefertigt, deren Resultate in wahrscheinlich in einem kurzen Artikel der nächsten Veröffentlichung dargelegt werden. 24. Diesbezüglich ist die Biographie grundlegend, die im den Großmeistern des Ordens gewidmeten Band skizziert wird: Bulst-Thiele, Sacra Domus, S. 19-29; Cerrini, Le fondateur de l’ordre du Temple, S. 99-110. 25. Für eine grundlegende Einordnung in die Geschichte des Ordens vgl. Forey, Templari, in Dizionario

degli Istituti di Perfezione, Spalte 886-896; besonders gut ist die Diskussion und die Analyse der Quellen über die Ursprünge in Jerusalem in Tommasi,Pauperes commilitones Christi, S. 443-475. Eine wertvolle Übersicht über die neuesten Titel findet sich in Cerrini, L’ordine del Tempio. Aggiornamento bibliografico, S. 153-163. 26. Das Argument wird in verständlicher und ausreichender Art behandelt in Ligato, Fra ordini

cavallereschi e crociata, besonders S. 645-653. 27. Die Theorie über die Verbindung zwischen den Kanonikern des Heiligen Grabes und den Geführten von Payns bildet eine richtiggehende Tradition innerhalb der historischen Studien über den Tempel und verdient es mit Sicherheit, vertieft zu werden; die Hauptlinien in Leclerq, Un document sur

les débuts des Templiers, S. 81-91; Meyer, Zum Itinerarium peregrinorum, S. 210-221; Elm, Kanoniker und

Ritter vom Heiligen Grab, S. 141-169. 28. Vgl. Dupont Lachenal, Canonici regolari di s. Agostino, Spalte 553-565. 29. Die Nachricht wird in der Chronik des Guglielmo di Tiro (=Wilhelm von Tiro) (IX, 9). 30. Vgl. Elm, Canonici del Tempio, in Dizionario degli Istituti di Perfezione, Spalte 884-886. 31. Leclerq, “Militare Deo”, S. 3-18. 32. Vgl. Cardini, I Cristiani, la guerra e la santità, S. 9-17. 33. Das Problem im Zusammenhang mit den Ursprüngen des Templerordens wird analysiert in Cardini, I poveri cavalieri del Cristo, S. 15-29. 34. Vgl. Sicard, Paix et guerre dans le droit canonique, S. 79-81. 35. Sermones, 240, 1; Vgl. Lanzi, Agostino, predicatore e pastore di anime, S. 425. 36. Ebda., S. 425-429. 37. Vgl. Fonseca, “Militia Deo” e “militia Christi” , S. 343-354. La storia dei Templari e l’apporto delle nuove scoperte 43

22

38. Historia Hierosolymitana, II, 4, S. 373-374 e III, 42, S. 763, diskutiert in Barber, The New Knighthood, S. 3-7. 39. Demurger, Vie et mort, S. 21-23. 40. Hiestand, Kardinalbischof Matthäus von Albano, S. 295-325; Tommasi, “Pauperes commilitones Christi” , S. 454-458. 41. Barber, The New Knighthood, S. 8-9. 42. Demurger, Vie et mort, S. 22. 43. Die alte Bezeichnung ist Objekt einer akuraten Spezialstudie in Tommasi, Pauperes commilitones

Christi, S. 443-75. 44. Nach Guglielmo di Tiro zählte die Gruppe damals kaum neun Individuen, d.h. sie blieb praktisch auf die Gefährten des Gründers beschränkt; die Chronik von Michele Siriano berichtet hingegen von einer Zahl von ca. dreißig Rittern, was wohl wahrscheinlicher ist. Vgl. die aufgestellte Diskussion in Barber, The New Knighthood, S. 6 und Anmerkung 6; Demurger, Vie et mort, S. 23- 24. 45. Das Pontifikat von Honorius II. (Lamberto Scannabecchi da Fagnana) hat 1124 in einem Klima des Kampfes zwischen zwei mächtigen Lagern der römischen Aristokratie begonnen; beim Tod des Papstes zwischen dem 13. und dem 14. Februar 1130 führte der Streit sogar zum Schisma und der Wahl von zwei Päpsten, dem legitimen Innozenz II. (Gregorio Papareschi) und dem Gegenpapst Coelestin II. (Teobaldo Buccapeco); vgl. ihre Biographien von S. Cerrini und T. di Carpegna Falconieri in Enciclopedia dei Papi, II, S. 255-268. 46. Cardini, I poveri cavalieri di Cristo, S. 63-64. 47. Dieses Urteil über den Gedanken von Bernhard erscheint gut belegt und von vielen Seiten der Geschichtsschreibung geteilt; vgl. Zerbi, La “militia Christi” per i Cistercensi, besonders die Diskussion S. 277-281. 48. Der Text wurde herausgegeben in Léonard, Cartulaire, Nr. 1. 49. Vgl. Leclercq, Un document sur les débuts des Templiers, S. 88; Vacandard, Vie de saint Bernard, I, S. 254, zitiert in Cardini, I poveri cavalieri del Cristo, S. 98. 50. Epistola 31, VII, S. 85-86. 51. Darunter Pietro il Venerabile, Guigue de la Grand-Chartreuse und Isacco di Stella; vgl. diesbezüglich The Letters of Peter the Venerable, Nr. 172, S. 408; Lettres des premiers chartreux, S. 154-161; Isacco di Stella, Sermones, III, Nr. 48; diskutiert in Cerrini, Une experience neuve, II, S. 502. 52. Cardini, Alle radici della cavalleria medievale, S. 174, diskutiert in Zerbi, La “militia Christi” per i

cisterciensi , S. 284-285. 53. Gasparri, La cultura tradizionale dei Longobardi; trotz der chronologischen Entfernung bezüglich der durch den Historiker analysierten Epoche und den ethnischen Besonderheiten des langobardischen Volkes können viele Aspekte und typische Verhaltensmodelle der militärischen élites auf die Jahrhunderte des Hochmittelalters übertraben werden, nachdem sie den umformenden Filter der Christianisierung durchlaufen hatten, um sich in den Ritualen des mittelalterlichen Rittertums zu manifestieren und in der Folgezeit in den speziellen Eintritt in den Templerorden: es handelt sich jedoch nur um eine interessante Spur hin zu einer noch zu führenden Forschung. 54. Für eine grundlegende Einordnung vgl. Tabacco, L’ambiguità delle istituzioni, S. 401-438; Regno,

impero e aristocrazie, S. 15-29. 55. Das Problem der Entstehung des Rittertums als soziales und politisches Phänomen ist sehr komplex und verdient eine ausführliche Erörterung, auf die hier trotz der thematischen Affinität mit dem Gegenstand dieses Essays verzichtet wird, da sie eine derartig große Abschweifung mit sich bringen und die zentrale Stellung der Abhandlung unrechtmäßig einnehmen würde. Als Referenztitel seien drei berühmte Werke als wunderbare Anleitung für eine ausführlichere Forschung zitiert: Duby, Les origines de le chevalerie, S. 739-761; Cardini, Alle radici della cavalleria; Flori, L’idéologie du glaive. 56. Gaudemet, Grégoire VII et la France, S. 238. 57. Ausgezeichnete Arbeiten der jüngsten Zeit über das Leben und die Persönlichkeit des Papstes sind der Band von Cowdrey, Pope Gregorius VII, und der Beitrag von Ovidio Capitani in Enciclopedia dei

Papi, S. 188-212. 58. Vgl. Cardini, I Cristiani, la guerra e la santità, S. 9-17; Fonseca, “Militare Deo” e “militia Christi” nella

tradizione canonicale , S. 343-354. 59. Interessant der Beitrag von Gaudemet, Grégoire VII et la France, S. 213-240. 60. Alphandéry, Dupront, La cristianità e l’idea di crociata, S. 21-25. 61. Auch in diesem Fall ist die nützliche Bibliographie unendlich; deswegen werden hier nur die neuesten und relevantesten Werke im speziellen Blickwinkel dieses Essays zitiert: Autour de la première

croisade, par M. Balard; Bull, Knighty piety and the lay response to the first crusade; Flori, La première

croisade; Purcell, Papal crusading policy. 62. Zu dieser Alternativ-Datierung bezüglich der traditionellen von 1128 siehe Hiestand, Kardinalbischof Matthäus von Albano, S. 17-37.

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63. Zur Konzilsregel des Tempels existiert eine exakte philologische, kodikologische und paläographische Studie, durchgeführt von Cerrini, Étude et édition des règles latine et française, Dissertation in 2 Bänden. Ein besonders wichtiger Teil der Arbeit betrachtet genau die Laien- und Kirchenpersönlichkeiten, die am Konzil teil nahmen (II, S. 394-433). 64. Die Historiker sind uneins, ob die Templerregel lediglich als Teil der Benediktinerfamilie angesehen werden oder die Rolle der Zisterzienser neu überdacht werden muss; zu dieser Frage empfiehlt sich Tommasi,“Pauperes commilitones Christi”, S. 465-466, mit den Aktualisierungen aufgrund der Studien von Simonetta Cerrini, nach denen es Beweise gibt, dass Bernhard selbst an der Abfassung des Textes mitgearbeitet hat; cfr. Cerrini, Une experience neuve, II, S. 389-393. 65. Siehe Cardini, I poveri cavalieri di Cristo, S. 15-129, und Tommasi, Templari e Cisterciensi, S. 227-74. 66. Für ein biographisches Gesamtbild siehe den Beitrag von Jean Leclercq in Dizionario degli Istituti di

Perfezione, I, S. 1394-1396, oder vom selben Autor, Bernard de Clairvaux, «Bibliothèque d’Histoire du Christianisme», 19 (1989). 67. Zerbi, La “militia Christi” per i Cisterciensi , S. 274-275. 68. Es ist die Meinung der vielleicht besten zeitgenössischen Kennerin des Gedankens des heiligen Bernhard, Jean Leclercq, geteilt von Pietro Zerbi und teilweise auch von Franco Cardini: vgl. Leclercq, Attitude spirituelle de saint Bernard devant la guerre, S. 195-225; Zerbi, La “militia Christi” per i Cisterciensi, S. 273-294; Cardini, I poveri cavalieri del Cristo, S. 94-99. 69. Eine ausgezeichnete Analyse der unterschwelligen sozio-politischen Absichten dieses Werkes ist ausgedrückt in Duby, Les origines de la chevalerie, S. 754-756. 70. Die Bibliographie zu diesem Thema ist überholt; als Titel zur Orientierung siehe Blumenthal, Papal

and local Councils, S. 137-144; Carozzi, La tripartition sociale et l’idée de paix au XIe siècle, S. 9-22; Althoff, Nunc fiant Christi milites, S. 317-333, außerdem die schon zitierten Werke von George Duby (Spoleto 1968) und Jean Flori (Gèneve 1983). 71. Piazzoni, “Militia Christi” e Cluniacensi , S. 241-246. 72. Vgl. Vie de Bourcard le vénerable, S. 1-32, diskutiert in Piazzoni, “Militia Christi” e Cluniacensi, S. 254-256. 73. Vgl. Fonseca, I conversi nelle comunità canonicali, S. 304-305. 74. Patrologia Latina, 194, Spalte 1524. 75. Meersseman, I penitenti nei secoli XI e XII, S. 308-309. 76. Vgl. Leclercq, Bernard de Clairvaux, S. 52, und vom selben Autor, Attitude spirituelle de Bernard devant

la guerre, S. 212-215, beide diskutiert in Zerbi, La “militia Christi” per i Cisterciensi , S. 279-280. Zu diesem Argument siehe auch den neuen Beitrag Cerrini, I Templari: una vita da fratres, S. 19-48. 77. Ein anderer Punkt, an dem sich die Historiker nicht einig sind, ist die kirchliche Klassifikation des Rangs der Templer, ob sie also effektiv als Mönche angesehen wurden. Die Gründer derjenigen, die dies abstreiten, sind natürlich gültig, aber Bernhard hat sie tatsächlich unmissverständlich als monachi

in seinem De laude bezeichnet, wenn auch mit einer ganz eigentümlichen Typologie: vgl. Zerbi, La

“militia Christi” per i Cisterciensi, S. 278. 78. Cardini, I poveri cavalieri di Cristo, S. 88. 79. Diesbezüglich vgl. die Rekonstruktionen in Demurger, Vie et mort, S. 47-93, und Barber, The New

Knighthood, S. 229-279. 80. Für einen generellen Überblick über die klösterlich-militärischen Orden des Mittelalters vgl. Nicholson, Templars, Hospitallers and Theutonic Knights; eine ganz neue und erschöpfende Analyse ist jene von Demurger, Chevaliers du Christ.

81. Legras, Lemaitre, La pratique liturgique des Templiers, S. 77-137. Für einen generellen Überblick über die Spiritualität der Militärorden vgl. Demurger, Chevaliers du Christ, S. 181-195. 82. Der Wortlaut des Privilegs, das in weitreichender Form für folgende Zugeständnisse von den Päpsten wieder benutzt wurde, wurde veröffentlicht in Hiestand, Papsturkunden für Templer und

Johanniter, Nr. 3, S. 204-210. 83. Die Unterscheidung ist schon in der Konzilsregel sichtbar (vgl. Curzon, Règle, § 16; Cerrini, Édition, § 6) und wird in der folgenden Regelung verstärkt (vgl. Curzon, Règle, § 337). Zur Klärung einer derartigen sozialen Differenzierung vgl. Barbero, L’aristocrazia nella società francese del medioevo, besonders S. 243-324. Für die Zulassung des roten Kreuzes auf dem Mantel vgl. Demurger, Vie et mort, S. 66-67. 84. Vgl. Demurger, Templiers et hospitaliers dans les combats de Terre sainte, S. 77-96. Zu den Militäreinrichtungen in Syrien und Palästina vgl. Pringle, Templar Castles between Jaffa and Jerusalem e Templars Castles on the Road of the Jordan, beide in The Military Orders, respektive S. 89-109, 148-166. 85. Gaier, Armes et combats, S. 47-56. 86. Die komplette Sammlung der Papstdokumente bezüglich der Templer findet sich in Lamattina, Regesta Pontificum Romanorum erga Templarios. 87. Vgl. Livre des deux jardins, III, S. 277, 299.

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88. Curzon, Règle, §§ 87-88. Siehe auch die Prozessquellen insgesamt, beispielsweise die Aussage des Visitators von Frankreich, Hugues de Pérraud, während der ersten Untersuchung in Paris, in Michelet, Procès, II, S. 361-363. 89. Demurger, Vie et mort, vgl. Besonders S. 133-183.

90. Zu diesem Thema ist grundlegend der Beitrag von Tommasi,I Templari e il culto delle reliquie, S. 191-210. 91. Zu diesem Problem vgl. Barber, Supplying the Crusaders States, S. 315-330. 92. Ebda, besonders S. 226-231; vom selben Autor vgl. auch Les templiers, Matthieu Paris et le sept péchés

capitaux, S. 153-169. 93. Zu diesem Thema vgl. Demurger, Trésor des templiers, trésor du roi, S. 73-85. 94. Diesbezüglich vgl. ausführlich Delisle, Mémoires sur les opérations financières des Templiers. 95. Runciman, Storia delle crociate, II, S. 953-981. 96. Demurger, Vie et mort, S. 235-236; Barber, The New Knighthood, S. 119-120. 97. Ebda, vgl. zum Beispeil S. 213, 217, 236-237; Favreau-Lilie, The military orders and the escape, S. 201-227. 98. Ebda, S. 224-25. Vgl. Amargier, La défense du Temple devant le concile de Lyon, S. 495-501. 99. Vgl. Finke, Papsttum und Untergang, II, S. 33-37; zu diesen verzögerten Projekten der Rückgewinnung des Heiligen Landes vgl. Schein, Fideles Crucis. 100. Vgl. Lizérand, Le dossier, S. 2-15; vgl. auch Guillemain, Il papato sotto la pressione del re di Francia, S. 198. 101. Vgl. die Behauptungen von Molay im Antwortschreiben an den Papst, diskutiert in Frale, L’ultima

battaglia dei Templari, S. 43-48. Über die Einrichtungen der Templer in jenem Gebiet Riley-Smith, The

Templars and Teutonic Knights in Cilician Armenia, S. 92-117. 102. Vgl. Amargier, La défense, S. 495-501. 103. Vgl. den Wortlaut der Aufhebungsbulle Vox in excelso, in Villanueva, Viage litterario, V, S. 207-221. 104. Vgl. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, II, S. 51: «Intendo tamen, quod summus pontifex et dominus rex hoc faciant causa habendi de eorum moneta et quia facere volunt de Hospitali et Templo et omnibus aliis freriis unam simplicem mansionem, cuius mansionis rex predictus unum ex eius filiis regem facere dexiderat et intendit. Templum autem de hiis multum durum existit nec adhuc in hiis se voluit convenire». (« Ich denke jedoch, dass der höchste Pontifex und der Herr König dies machten, um das Geld jener zu besitzen, und weil sie aus den Hospitalitern und dem Tempel und allen anderen Bruderschaften ein einziges Haus machen wollten, und der König als Vorstand dieses Hauses einen seiner Söhne einzusetzen wünschte und wollte. Der Tempel aber erwies sich als sehr hart und wollte diesem Vorhaben bis jetzt nicht zustimmen.“) 105. Für einen generellen Überblick über das Problem der mittelaterlichen Häresien Merlo, Eretici ed

eresie medievali. Zur Inquisition vgl. Lea, A History of The Inquisition. 106. Barbiche, Les Actes Pontificaux, Nr. 1205. 107. Die Verbindung mit Bernhard ist besonders ausgedrückt und diskutiert in La storia dei Templari e l’apporto delle nuove scoperte 47 Cardini, I poveri cavalieri del Cristo, S. 15-129; vgl. auch Cardini, Bernardo e le crociate, S. 187-197; Ambrosioni, Bernardo e il papato, S. 59-79. 108. Curzon, Règle, § 475. 109. Vgl. Amargier, La défense, S. 499-500: «Filii sumus et imediate subiecti sacrosancte Romane ecclesie et erimus, auctore Domino, in futurum. Filii sumus obedientie et erimus et vota que fecimus perpetua ad Terre sancte subsidium nos offerimus impleturos. Et parati sumus expandere in Terre Sancte subsidium omnia que habemus et libenti animo propria corpora morti exponere quam voluit pater noster». (« Wir sind die der heiligen römischen Kirche unmittelbar unterworfenen Söhne und werden es auch in Zukunft sein, durch Autorität des Herrn. Wir sind gehorsame Söhne und werden es sein, und legen das dauerhafte Gelübde ab, dass wir uns vollständig der Unterstützung des Heiligen Landes widmen. Und wir sind bereit, zur Unterstützung der Ausdehnung des Heiligen Landes alles zu geben, was wir haben, und freien Mutes sogar unseren Körper dem Tod auszusetzen, wenn unser Vater dies will.“) 110. Vgl. Regesta Honorii papae III, Nr. 3431. 111. Über die Kreuzzugspolitik von Ludwig IX vgl. beispielsweise Runciman, An History of the Crusades, II, S. 902-933; Cardini, Le crociate tra il mito e la storia, S. 134-154. 112. Zur Situation Frankreichs unter Philipp dem Schönen vgl. Coulet, Francia e Inghilterra nella guerra

dei cent’anni, S. 623; Carozzi, Le monarchie feudali, S. 359-361; Boutaric, La France sous Philippe le Bel, S. 230-231. 113. Vgl. Fawtier, L’attentat d’Anagni , S. 153-179; Guillemain, Bonifacio VIII e la teocrazia pontificia, S. 129-174. 114. Eine aktuelle Synthese zur Frage der Fusion in Demurger, Chevaliers du Christ, S. 218-220.

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115. Die Information wurde dem Papst von demselben königlichen Anwalt Guillaume de Plaisians während einer Rede vor der Kurie zugetragen; vgl. Finke, II, S. 145: «Rex etiam in diversis partibus regni sui ordinavit, quod aliqui, bene XII numero, intrarent ordinem illum et audacter facerent, quicquid eis diceretur et postea exirent. Qui predicta omnia testificati sunt esse vera. Multi etiam, qui conversati sunt cum eis, testificati sunt hoc» (“ Der König aber ordnete in verschiedenen Teilen seines Königreiches an, dass zwölf an der Zahl jenem Orden beitreten und dies kühn machen, was immer ihnen gesagt wird, und später austreten. Für die Wahrheit alles Gesagten sind sie Zeugen. Viele aber, die mit ihnen konvertiert sind, sind Zeugen dessen“) ; Barber, The Trial, S. 51-52. 116. Ich danke Professor Marco Tangheroni, der mich auf diese äußerst wichtige Offensichtlichkeit aufmerksam machte. 117. Gestes des Chiprois, S. 329. 118. Frale, L’ultima battaglia dei Templari, S. 48-59. 119. Eine Episode aus der Vergangenheit, während des ersten Kreuzzugs des Heiligen Ludwigs geschehen, könnte ein wichtiger Präzedenzfall sein und einen Weg aufzeigen, um den Herrscher in Schwierigkeiten ohne eine Verletzung der strengen Disziplin des Tempels zufrieden zu stellen; vgl. Joinville, Histoire de Saint Louis, S. 134-136. 120. Der harte ideologische Konflikt um die unrechtmäßige Besteuerung von 1295 nahm im folgenden moderatere Töne an und man kam zu einer Kompromisslösung: eine Delegation von französischen Kirchenmännern reiste bis nach Rom, um sich einerseits beim Papst wegen der an der Kirche von der Krone zugefügten Gewalttaten zu beklagen, andererseits um zu bezeugen, dass die Situation wirklich kritisch war, und Bonifatius VIII um ein Entgegenkommen hinsichtlich der Bedürfnisse des Herrschers zu bitten. Trotz der steuerlichen Immunität der Kirche gegenüber der Autorität der Laien erkannte der Papst die Möglichkeit der Herrscher, dem Klerus außerordentliche Steuern aufzuerlegen, wenn die Situation des Landes dies erforderte; die Phase relativer Anspannung dauerte bis ins Jahr 1298 und gipfelte in der Kanonisierung von König Ludwig IX., dem Großvater von Philipp dem Schönen. Vgl. Dalle Piane, La disputa tra Filippo il Bello e Bonifacio VIII, S. 497-500; Garfagnini, Il Tractatus de potestate, S. 158. 121. Gestes des Chiprois, S. 329. 122. Barber, The Trial, S. 39-40.