Barbara Merker, Frankfurt/M Phänomenologie und Pragmatismus · Barbara Merker, Frankfurt/M...

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Barbara Merker, Frankfurt/M Phänomenologie und Pragmatismus Die frühen Phänomenologen Edmund Husserl und Martin Heidegger sind nicht gerade als Verteidiger des Pragmatismus bekannt. Vermutlich hatten sie nicht genügend Kenntnisse über ihn. Dennoch ist der Heidegger von "Sein und Zeit" häufig als Pragmatist interpretiert worden, zuletzt in zwei Aufsätzen von Robert Brandom. 1 Dagegen scheint es unmöglich zu sein, den ganz und gar Cartesischen Philosophen Husserl in eine Beziehung zu pragmatistischen Ideen zu bringen. Im folgenden möchte ich genau dies tun. Im ersten Teil beschreibe ich eine innere Spannung in der Philosophie Husserls, der unter dem Deckmantel cartesischer Rhetorik Annahmen und Präsuppositionen verbirgt, die sich mit denen decken, die auch viele Pragmatisten vertreten haben. Im zweiten Teil versuche ich, Husserls nicht- cartesischen Begriff fundamentaler philosophischer Rechtfertigung verständlich zu machen. Im dritten Teile möchte ich zeigen, in welchem Sinne Husserl die pragmatistische Aufgabe erfüllt, die Probleme der Menschheit zu lösen. Und im vierten und letzten Teil versuche ich die pragmatistische Priorität dere Praxis-These, zum Teil mit Blick auf Heidegger, zu verstehen und zu kritisieren. 1. Husserls impliziter Pragmatismus Die prominente Position von Descartes in der Philosophie Husserls bringt der Titel seines späten Werkes "Cartesianische Meditationen" zum Ausdruck, das 1931 zuerst auf französisch publiziert wurde. Der Titel geht nicht nur auf das Faktum zurück, daß dieses Werk auf Vorlesungen basiert, die Husserl 1929 in Paris in dem berühmten Amphithéatre Descartes gehalten hat. In den meisten seiner Werke spielt Descartes eine wichtige, obwohl ambivalente Rolle: In seiner Abhandlung über die "Krisis der europäischen Wissenschaften" wird Descartes getadelt als Initiator eines naiven naturalistischen Objektivismus und szientistischen Realismus, der verantwortlich dafür war, daß Galileis Konzeption der Natur Eingang in die Philosophie fand, aber zugleich gepriesen als Vater der Einsicht in die Bedeutung des ego cogito und der Transzendentalphilosophie. Was Husserl in seinen Meditationen besonders und mit Sympathie hervorhebt, ist Descartes Idee einer Art fundamentaler philosophischer Rechtfertigung, die notwendig sei für unsere alltäglichen Überzeugungen, für die Annahmen der verschiedenen Wissenschaften und für die Philosophie selber. Angesichts dieser 1 Robert Brandom 2002, 298-347; vgl. Barbara Merker 2005, 103-125.

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Barbara Merker, Frankfurt/M

Phänomenologie und Pragmatismus

Die frühen Phänomenologen Edmund Husserl und Martin Heidegger sind nicht gerade als

Verteidiger des Pragmatismus bekannt. Vermutlich hatten sie nicht genügend Kenntnisse über

ihn. Dennoch ist der Heidegger von "Sein und Zeit" häufig als Pragmatist interpretiert

worden, zuletzt in zwei Aufsätzen von Robert Brandom.1 Dagegen scheint es unmöglich zu

sein, den ganz und gar Cartesischen Philosophen Husserl in eine Beziehung zu

pragmatistischen Ideen zu bringen. Im folgenden möchte ich genau dies tun. Im ersten Teil

beschreibe ich eine innere Spannung in der Philosophie Husserls, der unter dem Deckmantel

cartesischer Rhetorik Annahmen und Präsuppositionen verbirgt, die sich mit denen decken,

die auch viele Pragmatisten vertreten haben. Im zweiten Teil versuche ich, Husserls nicht-

cartesischen Begriff fundamentaler philosophischer Rechtfertigung verständlich zu machen.

Im dritten Teile möchte ich zeigen, in welchem Sinne Husserl die pragmatistische Aufgabe

erfüllt, die Probleme der Menschheit zu lösen. Und im vierten und letzten Teil versuche ich

die pragmatistische Priorität dere Praxis-These, zum Teil mit Blick auf Heidegger, zu

verstehen und zu kritisieren.

1. Husserls impliziter Pragmatismus

Die prominente Position von Descartes in der Philosophie Husserls bringt der Titel seines

späten Werkes "Cartesianische Meditationen" zum Ausdruck, das 1931 zuerst auf französisch

publiziert wurde. Der Titel geht nicht nur auf das Faktum zurück, daß dieses Werk auf

Vorlesungen basiert, die Husserl 1929 in Paris in dem berühmten Amphithéatre Descartes

gehalten hat. In den meisten seiner Werke spielt Descartes eine wichtige, obwohl ambivalente

Rolle: In seiner Abhandlung über die "Krisis der europäischen Wissenschaften" wird

Descartes getadelt als Initiator eines naiven naturalistischen Objektivismus und szientistischen

Realismus, der verantwortlich dafür war, daß Galileis Konzeption der Natur Eingang in die

Philosophie fand, aber zugleich gepriesen als Vater der Einsicht in die Bedeutung des ego

cogito und der Transzendentalphilosophie. Was Husserl in seinen Meditationen besonders und

mit Sympathie hervorhebt, ist Descartes Idee einer Art fundamentaler philosophischer

Rechtfertigung, die notwendig sei für unsere alltäglichen Überzeugungen, für die Annahmen

der verschiedenen Wissenschaften und für die Philosophie selber. Angesichts dieser

1 Robert Brandom 2002, 298-347; vgl. Barbara Merker 2005, 103-125.

cartesianischen Rhetorik kann man überrascht sein, eine Fülle an Reflexionen zu finden, die

ganz und gar nicht zu Descartes passen.

Erstens wiederholt Husserl immer wieder, daß die Basis und der Ausgangspunkt der

Philosophie die sogenannte "natürliche Einstellung" ist. Als ein konstitutives Merkmal dieser

natürlichen Einstellung betrachtet er das Faktum, daß wir ganz selbstverständlich glauben,

was wir wahrnehmen, bis wir Gründe haben, daran zu zweifeln. Eines seiner berühmten

Beispiele für diese natürlichen Einstellung, für einen primären Glauben an das

Wahrgenommene und den Beginn eines Zweifels finden wir in Husserls berühmtem Bericht

seines Besuches im Wachsfigurenkabinett in Wien oder Berlin, wo er zuerst mit Vergnügen

eine Frau ihm zuwinken sah, aber bei näherem Hinsehen mit Enttäuschung feststellen mußte,

daß er sich irrte und daß es nicht eine wirkliche Frau, sondern nur eine Wachspuppe war. In

der natürlichen Einstellung, so Husserl, beginnen wir zu zweifeln, wenn eine Disharmonie,

ein Konflikt, eine Diskrepanz unsere normalerweise harmonischen Erfahrungen stört, wenn

die Antizipation oder Präsumtion, die in jeder Wahrnehmung involviert ist, nicht durch

Anschauung bestätigt wird. In diesem Fall ist eine Korrektur der Überzeugung, die man zuvor

hatte, erforderlich. Aber selbst wenn die Realität eines besonderen Objektes in Frage steht

oder als Illusion oder Halluzination zurückgewiesen wird, kann dies nur gegen einen

Hintergrund kontinuierlicher Gewißheit hinsichtlich der Realität der Welt im allgemeinen

geschehen. Zweifel können, so Husserl gegen Descartes, immer nur lokal, niemals global

sein.

Zweitens beschreibt Husserl die natürliche Einstellung nicht nur auf diese phänomenologisch-

pragmatistische Weise; er betrachtet sie auch als vollständig legitim. In seiner Sicht sind wir

berechtigt zu glauben an das, was wir wahrnehmen, so lange es keine Gründe oder Evidenzen

für die Möglichkeit gibt, daß wir uns täuschen und falsch liegen. In jedem Fall haben wir

keinen Grund zu zweifeln, daß Husserl die natürliche Einstellung als vollständig

gerechtfertigt betrachtet und als unbedürftig einer speziellen philosophischen Rechtfertigung.

Außerdem behauptet Husserl explizit, daß nicht nur die relativen Evidenzen unseres

alltäglichen Lebens, sondern auch jene der verschiedenen Wissenschaften mit ihren stärkeren

Anforderungen an Rechtfertigung keinerlei Philosophie brauchen, um ihre

Forschungsergebnisse berechtigterweise als Wissen zu bezeichnen. So können wir

zusammenfassen: Es gibt keinerlei Bedürfnis nach fundamentaler Rechtfertigung mittels der

Philosophie weder im Rahmen unseres alltäglichen, lebensweltlichen Überzeugungen noch im

Rahmen der verschiedenen Wissenschaften.

Drittens kritisiert Husserl immer wieder das erkenntnistheoretische Vorurteil von Empiristen

und Rationalisten, daß wir unmittelbaren Zugang nur zu inneren Repräsentanten der Welt

haben, zu Ideen, cogitata, noemata, Sinnen oder Sinnesdaten, von denen aus wir unseren Weg

zur Realität beispielsweise durch Schlüsse oder andere mentale Mittel erst bahnen müssen.

Weil er es für selbstverständlich hält, daß unsere Intentionen normalerweise die Welt direkt

und unmittelbar erreichen, betrachtet er Beweise der Existenz der Außenwelt als genauso

sinnlos wie universale oder partiale, wirkliche oder methodologische skeptische Zweifel an

ihr.

Aus diesem Grund müssen wir schließlich viertens und letztens auch seine berühmt-

berüchtigte epoché nicht im Sinne ihrer Erfinder als Instrument eines Skeptikers betrachten,

der die Möglichkeit des Wissens bezweifelt und empfiehlt, mittels der epoché von jedweden

Geltungsansprüchen zurückzutreten in der Absicht, Irrtum zu vermeiden und ataraxia zu

erreichen. Als eine konstitutive Methode der Phänomenologie ist die epoché eine Weise des

Einklammerns, des Außerspielsetzens von Geltungsansprüchen, Positionen unserer

natürlichen Einstellung, die die einzige Aufgabe hat, die Aufmerksamkeit der Intentionalität

unserer natürlichen Einstellung von der intendierten externen Welt weg und hin zu den

Phänomenen oder Erscheinungen oder Noemata zu lenken. Aber die epoché ist eine

Enthaltung des Glaubens, die "vereinbar ist mit der unerschütterlichen Überzeugung der

Wahrheit" des Glaubens. Insoweit, behauptet Husserl, beläßt die epoché alles genau so, wie es

ist. Entgegen den Annahmen der Skeptiker wird Husserls holistische epoché möglich und

notwendig für seine Zwecke, gerade weil wir normalerweise intentional auf die Welt gerichtet

sind und daher etwas tun müssen, um diese natürliche Verbindung zu durchschneiden.

Mit diesen vier basalen Annahmen im Blick ist es nicht so überraschend, daß Husserl auf

einer Seite behauptet, daß seine Phänomenologie "Neo-Cartesianismus" genannt werden

kann, auf der anderen Seite aber betont, daß die Phänomenologie "gezwungen ist, fast den

gesamten Gehalt der Cartesischen Philosophie abzulehnen".2 Was er sich gezwungen fühlt

zurückzuweisen ist der Cartesische Repräsentationalismus, der Cartesische Skeptizismus und

die Vorschrift eines universalen methodologischen Zweifels - zumindest einmal im Leben.

Aber diese Zurückweisungen setzen Annahmen voraus, die er als selbstverständlich und

legitim verteidigt und bei denen es sich um genau die Annahmen handelt, die ihn mit vielen

Pragmatisten verbinden: direkter Realismus, Kritik des Skeptizismus und die Annahme, daß

reale Zweifel lebendige Gründe erfordern.3

2 Husserl, Cartesianische Meditationen § 1.

3 Nach Hilary Putnam sind dies genau die Kriterien, die konstitutiv für den Pragmatismus sind. 1994,

151ff; 1995; 2002.

2. Staunen statt Zweifeln - Fundamentale Rechtfertigung in welchem Sinn?

Mit den vier anti-cartesischen Überzeugungen im Blick muß es einem sonderbar vorkommen,

daß Husserl dennoch auf dem philosophischen Projekt fundamentaler, sogar transzendentaler

Rechtfertigung besteht. Auf der einen Seite behauptet er, daß weder unsere lebensweltlichen

Überzeugungen noch unsere wissenschaftlichen Annahmen eine solche fundamentale

philosophische Rechtfertigung brauchen. Er behauptet sogar, daß es nicht nur nicht notwendig

ist, sie philosophisch zu rechtfertigen, sondern sogar unmöglich, dies zu tun. Und er gibt auch

nicht ein einziges Beispiel für eine philosophische Rechtfertigung, die die Absicht hat, diese

Funktion zu erfüllen, nämlich Gründe für einige oder alle Überzeugungen, die man hat, zu

geben, Gründe dafür, daß man etwas für wahr hält, das durch diese Gründe gerechtfertigt

wird. Auf der anderen Seite erklärt er, daß das ganze Projekt der Phänomenologie in nichts

anderem besteht als in solch einer fundamentalen philosophischen Rechtfertigung. Aber was

ist es dann, wozu eine solche fundamentale philosophische Rechtfertigung gut oder geeignet

oder nützlich sein soll? Wie paßt dieses anscheinend cartesische Projekt fundamentaler

philosophischer Rechtfertigung zu den anti-cartesischen Annahmen, die Husserl nicht müde

wird zu betonen? - Um zu verstehen, daß Husserl sich nicht einfach widerspricht, und um zu

zeigen, daß beide Behauptungen kompatibel sind, ist es hilfreich, einen Blick auf das zu

lenken, was er tut, wenn er nicht seine cartesische Rhetorik gebraucht, sondern uns zumindest

einige Hinweise, Winke oder Rezepte für die Praxis fundamentaler Rechtfertigung gibt.

Zunächst sind das, was Husserl philosophische Rechtfertigung nennt, verschiedene Arten von

Aktivitäten, die in der unnatürlichen Einstellung der epoché oder phänomenologischen

Reduktion stattfinden. Dies ist wichtig, weil es jegliches Interesse an der Wahrheit oder

Falschheit unserer Überzeugungen oder ihrer Übereinstimmung mit der Realität ausschließt.

Aus diesem Grund sind die verschiedenen Arten rechtfertigender Aktivität auf verschiedene

Momente der eingeklammerten Struktur der Intentionalität gerichtet. Was er zeigen möchte

ist, daß die verschiedenen Momente der eingeklammerten Struktur der Intentionalität: das Ich,

die verschiedenen Arten der Intention, die abstrakten oder konkreten Gegenstands-Sinne,

Phänomene oder Noemata nicht kontingent organisiert sind und bloß unverbunden Seite an

Seite stehen, sondern durch essentielle Strukturen oder Relationen zusammengebunden sind.

So ist die dreifache phänomenologische Methode: die Reflexion, die phänomenologische

epoché und die freie Variation als Mittel eidetischer Reduktion vorausgesetzt von oder

impliziert in der Methode, die er gebraucht, um diese verschiedenen Arten von essentiellen

Gesetzen zu erwerben, und die er "intentionale Analyse" oder auch "Horizontanalyse" nennt.

Die intentionale Analyse oder Horizontanalyse ist das Verfahren, explizit zu machen, was in

den Gegenstandssinnen implizit ist, zum Beispiel in dem Gegenstandssinn "schwarzer

Würfel". Jeder Gegenstandssinn, wie z. B. "schwarzer Würfel" hat nach Husserl einen

Horizont oder enthält Möglichkeiten, die wir explizieren und entfalten können. Husserl ist

natürlich nicht interessiert an der speziellen Explikation besonderer Gegenstands-Sinne,

besonderer intentionaler Einstellungen, ihren besonderen Relationen zueinander und zu

besonderen Ichen, sondern an ihrem jeweiligen Wesen. Zum Teil aufgrund des Umstandes,

daß wir verkörpert sind, fähig sind, Habitualitäten, Gewohnheiten auszubilden und so

sinnlich-motorische Geschicklichkeiten zu erwerben - wie Husserl in seiner genetischen

Phänomenologie ebenso wie viele Pragmatisten betont - und dank des Umstandes, daß wir

fähig sind, mit anderen zu kooperieren, haben wir ein implizites Wissen dieser essentiellen

Gesetze. Dieses macht es einsichtig, daß es unmöglich für uns ist, jemals etwas völlig

Unvertrautem zu begegnen.

Was zum Beispiel in dem Gegenstands-Sinn "Schwarzer Würfel" implizit ist, ist, daß es ein

raumzeitliches Objekt ist, ein Sinn, der weiter entfaltet werden kann und so, wie Husserl

glaubt, es der Philosophie ermöglicht, eine regionale Phänomenologie der Natur zu

entwickeln und die Naturwissenschaften mit geklärten Konzepten zu beliefern. Was weiter in

dem Sinn "raum-zeitliches Objekt" implizit ist, sind auch seine Relationen zu verschiedenen

Arten von intentionalen Einstellungen und ihren Relationen zueinander und zu einem Ich mit

diachroner Identität: z. B., daß ein gegenwärtiges raumzeitliches Objekt nicht auf einen

Schlag als Ganzes wahrgenommen werden kann, sondern immer nur partiell und sukzessiv;

daß es auch durch andere wahrgenommen werden kann; daß aber, wenn jemand das Objekt

anschaut oder um es herumgeht, nicht auch jemand anderes dieses gleichzeitig an derselben

Stelle und mit derselben Perspektive tun kann; daß Wahrnehmung Antizipation und

Erinnerung und ein verkörpertes Ich mit der Fähigkeit, sich zu bewegen verlangt; daß wenn es

andere Wahrnehmungen gegeben hätte, auch die Erinnerungen anders gewesen wären usw. -

Wenn es also raumzeitliche Objekte gibt - und Husserl zweifelt, wie gesagt nicht daran, daß

es sie gibt, als Phänomenologe macht er diese Existenzpräsupposition aber nicht mit - wenn es

also raumzeitliche Objekte gibt, müssen sie diesen essentiellen Gesetzen unterliegen. Aber es

wäre irreführend, intentionale Analyse auf die Prozedur der Analyse von Konzepten zu

reduzieren oder auf das Ziehen materialer Inferenzen aus den Gegenstands-Sinnen, weil

Husserl glaubt, daß all dies nicht in Separation von der Anschauung in dem weiten Sinne

einer nicht-inferentiellen Evidenz getan werden kann.

Mit diesem Projekt intentionaler Analyse versucht Husserl, die rationalistische Suche nach

essentiellen Strukturen und Relationen von Gegenständen, die Konstruktion formaler und

regionaler Ontologien und region-konstitutiver Begriffe auf der einen Seite zu verbinden mit

der empiristischen Frage Humes, wie es möglich und zu begreifen ist, daß wir überhaupt

Bewußtsein von Objekten, von identischen Objekten haben können und sogar von solchen,

die abwesend sind. Husserl schreibt, daß er verständlich machen möchte, wie "die Einheit von

Gegenständen zustande kommt und wie diese wunderbare Arbeit der Konstitution identischer

Objekte im Fall jeder Kategorie von Objekten getan werden kann". Überraschenderweise

schwenkt Husserl von der Sprache intentionaler Analyse über in die Sprache transzendentaler

Konstitution und scheint eine Art subjektiven Idealismus zu verteidigen. Aber so wie wir

seine cartesische Rhetorik nicht zu ernst nehmen sollten, so sollten wir auch seine

idealistische Rhetorik nicht zu ernst nehmen. Die Frage, auf die Husserl antworten möchte, ist

die Humesche Frage, wie es möglich ist, daß wir Bewußtsein von identischen Objekten und

der Welt überhaupt haben können.

Wie Helmuth Plessner berichtet, ging er in Göttingen eines Tages mit Husserl von einem

Seminar zurück zu Husserls Haus. Als sie an der Gartentür ankamen, fragte Plessner ihn nach

seiner Einschätzung des Verhältnisses der Phänomenologie zu Fichtes Wissenschaftslehre.

Plessner zufolge antwortete Husserl mit Emphase: "Mir ist der deutsche Idealismus immer

zuwider gewesen. Mein ganzes Leben lang - und dabei zücke er seinen dünnen Spazierstock

mit silberner Krücke und stemmte ihn vorgebeugt gegen den Türpfosten - die Realität

gesucht."4 Unübersehbar plastisch, so Plessner, vertrat der Spazierstock den intentionalen Akt

und der Pfosten seine Erfüllung.

Jetzt können wir die Frage beantworten, warum Husserl auf der einen Seite behauptet, daß

alltägliche wie wissenschaftliche Überzeugungen keinerlei philosophischer Rechtfertigung

erfordern und auf der anderen Seite dennoch auf fundamentaler philosophischer

Rechtfertigung besteht. Die Arten philosophischer Rechtfertigung, die er vor Augen hat,

sollen keine Gründe für die Wahrheit unserer Überzeugungen geben; er akzeptiert vielmehr

die Wahrnehmung, Erinnerung, das Zeugnis anderer und so weiter als normale und legitime

Quellen des Wissens. Offensichtlich gebraucht er den Begriff der Rechtfertigung in einem

weiten Sinn, der eine spezielle philosophische Art der Rechtfertigung enthält. Diese kann

verstanden werden als eine Art der Entdeckung und Erforschung der notwendigen

Bedingungen oder impliziten Präsuppositionen unseres Bewußtseins der Welt, nicht mit der

Intention diese Präsuppositionen als Vorurteile zu kritisieren oder abzuschaffen, denn er

4 Helmuth Plessners Aufsatz ist in seinen Gesammelten Schriften gleich zweimal abgedruckt. In dem

ersten Abdruck "Bei Husserl in Göttingen" heißt es, Husserl sei der deutsche Idealismus "zuwider", in dem

zweiten Abdruck "Husserl in Göttingen" heißt es, er sei ihm "zum..." gewesen. Vgl. auch den Abdruck in:

Edmund Husserl 1859-1959.

betrachtet sie als unverzichtbar, sondern mit der Intention, sie explizit zu machen. Er

betrachtet diese Art philosophischer Aktivität als die "höchste denkbare Form der

Rationalität". Und die Einstellung, die dieser Aktivität unterliegt, ist nicht ein skeptischer

Zweifel, sondern ein Staunen über das Wunder unserer Weise, in der Welt zu sein und eine

Welt zu haben.

Husserls Untersuchungen und Reflexionen scheinen viel mit pragmatistischen Ideen

gemeinsam zu haben: nicht nur den Anti-Skeptizismus, Realismus und Anti-

Repräsentationalismus, sondern auch die Akzentuierung sozialer Kooperation, speziell die

soziale Perspektivität als eine Bedingung der Objektivität, die Idee einer

Forschungsgemeinschaft, die auf lange Sicht die Idee der Wissenschaft realisiert, eine

holistische Sicht des Bewußtseins oder auch die Annahme einer engen Verbindung zwischen

dem Verständnis der Begriffe der Wahrheit und Bestätigung. Sogar die nicht infallible

Methode der intentionalen oder Horizontanalyse läßt sich auf ähnliche Weise zum Beispiel als

Methode des Explizit-Machens in dem Hauptwerk Robert Brandoms finden.

3. Philosophie und die Probleme der Menschheit

Ruth Anna Putnam, die zuerst einige pragmatistische Schlüsselideen wie Interaktion,

Untersuchung, Konversation, Solidarität, Erfahrung und Praxis erwähnt, schreibt dann: "Ich

kann die Frage, was es heute heißt, eine Pragmatistin zu sein, nicht beantworten. Ich bin mir

nicht sicher, ob ich eine Pragmatistin bin oder was es bedeuten würde zu sagen, daß ich eine

bin. Daher möchte ich die Frage ändern. Lassen Sie mich versuchen zu sagen, was es heißt,

den Pragmatismus ernst zu nehmen."5 Aus diesem Grunde bezieht sie sich auf John Dewey,

der in der Einleitung zu seiner "Rekonstruktion der Philosophie" schreibt: "Die Philosophie

wird sich erholen, wenn sie aufhört, sich mit Problemen von Philosophen zu beschäftigen und

sich stattdessen um die Probleme der Menschen kümmert".6 Lassen wir die Frage, warum und

inwieweit Philosophen nicht zu den Menschen gehören beiseite und fragen, wie Husserl in

seiner Phänomenologie diese pragmatistische Aufgabe erfüllt. Zu diesem Zweck möchte ich

mich seinem späten Werk über die Krisis der europäischen Wissenschaften zuwenden.

Der Ausgangspunkt von Husserls unvollendeter Abhandlung, die zum Teil 1936 in der ersten

Nummer der Zeitschrift "Philosophia" in Belgrad erschien und zurückgeht auf Vorlesungen,

die er 1935 in Wien und Prag hielt, ist seine Beschreibung eines allgemeinen Gefühls der

Unzufriedenheit und des Unbehagens, das ganz verschiedene Leute in ganz verschiedenen

Kontexten artikulieren. Er interpretiert diese Gefühle als einen Ausdruck oder ein Sympton

5 Ruth Anna Putnam 2002, 7.

6 John Dewey 1958, 5.

einer verbreiteten Krise, und in den drei Teilen seiner Abhandlung bemüht er sich um eine

Diagnose dieser Krise, um eine Anamnese oder Genealogie und schließlich um eine Therapie.

Dabei ist überraschend, zumindest für diejenigen, die mit Husserls Obsession für die

Phänomenologie nicht vertraut sind, daß er seine persönliche Situation zum Zeitpunkt der

Vorlesungen mit keinem Wort erwähnt. Als Jude in Nazi-Deutschland hatte er die Erlaubnis

verloren, Vorträge innerhalb des Landes zu halten und die Einrichtungen seiner ehemaligen

Universität zu benutzen. Husserl scheint sich gar nicht für diese politischen und persönliche

Gründe für Unbehagen und Unzufriedenheit zu interessieren. In seiner Genealogie der Krise,

die ihm zufolge nicht nur die Natur- und Geisteswissenschaften betrifft, sondern auch die

Europäische Kultur und Menschheit insgesamt, interessiert er sich für einen weiter

zurückliegenden Ursprung dieser negativen Gefühle und dafür, von der Oberfläche dieser

Gefühle weiter nach ihrem tieferen Ursprung zu fragen, der seiner Meinung nach nur

gefunden werden kann durch einen Rückgang in die Geschichte. Seine Diagnose dieser

kontinuierlichen Krise, in der Positivismus, Relativismus und Skeptizismus eine wichtige

Rolle spielen als objektive, aber ebenso oberflächliche Symptome der Krankheit, ist -

zumindest - dreifältig. Es gibt erstens einen Verlust an Realität, zweitens einen Verlust an

Gemeinschaft und drittens einen Verlust an Sinn. - Im folgenden möchte ich nur einige

Bemerkungen zu dem Verlust an Realität machen, vor allem, weil dieses uns zurückführt zu

meinen Reflexionen in den ersten beiden Teilen.

Wie viele seiner Zeitgenossen beobachtet Husserl die Artikulation eines verbreiteten Gefühls,

einer Furcht vor Unwirklichkeit, eine eigentümliche Art von Ungewißheit mit Blick auf die

Realität der Welt. Zwei von unzähligen Belegen dafür sind der Chandos-Brief von Hugo von

Hofmannsthal und Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften", in dem dieser Situationen oder

Ereignisse untersucht, in denen irgendwann irgendwas wirklich zu werden scheint. Ein Teil

dessen, was Husserl in seiner Abhandlung versucht, besteht darin, ein historisches Narrativ

anzubieten mit der Intention, die Gründe und Ursachen dieses verbreiteten Gefühls von

Unwirklichkeit zu entdecken. Seiner Ansicht zufolge sind schlechte Arten von Philosophie

verantwortlich für die Ungewißheiten oder sogar Zweifel mit Blick auf die Realität. Und er

versucht im Detail zu zeigen, wie auf Descartes naturalistischen Objektivismus, seinen

Repräsentationalismus und seinen methodologischen Zweifel zum einen die rationalistische

Annahme folgt, daß die wirkliche Welt die Welt der mathematischen Physik ist, zum anderen

die skeptisch empiristische Annahme, die in Berkeleys Empirismus kulminiert, daß die

wirkliche Welt die Welt von Sinnesdaten und Ideen sei. Was diese beiden, Rationalismus und

Empirismus, trennt, ist das, was sie als reale Realität betrachten, aber was sie gemeinsam

haben ist die Ansicht, daß die wirkliche Realität nicht die Welt ist, in der wir leben, unsere

alltägliche Lebenswelt, die Husserl zufolge die Basis ist, von der die metaphysische

Spekulationen ebenso wie die empirischen Wissenschaften ausgehen, in der sie arbeiten, auf

die sie immer zurückkommen müssen und auf die sie sich permanent verlassen. Die

Philosophen nach Descartes scheitern nach Husserl alle dabei, unseren natürlichen Glauben

an die Realität der Lebenswelt zu akzeptieren und anzuerkennen, die dennoch für sie

unverzichtbar ist. Und sie scheitern an der Entwicklung einer plausiblen Konzeption der

Intentionalität, dank derer wir unproblematischen Zugang zu der Realität haben, in der wir

leben. Entsprechend ist die Therapie sozusagen von homöopathischer Art: Philosophie hat der

europäischen Menschheit die Krankheit gebracht und nur Philosophie in Form der

Phänomenologie ist fähig, sie zu heilen. Daher haben seine phänomenologische Geschichte

der Philosophie, seine Konzeption der Intentionalität, seine Konzeption philosophischer

Rechtfertigung und seine Theorie der Lebenswelt zusammen die Funktion, diese sekundären,

philosophie-induzierten Zweifel zu zerstören, das Vertrauen in die Realität der Welt, in der

wir leben, zurückzugeben und uns mittels sozialer Kooperation innerhalb der

phänomenologischen Gemeinschaft zu zeigen, wie unser Glaube an die Existenz der

gemeinsamen Lebenswelt möglich und warum er legitim ist.

Ich weiß nicht, ob Dewey dies als die richtige Art philosophischer Problemlösung betrachten

würde, weil es Husserl nur um den speziellen Fall geht, daß die Probleme der Menschen, um

die sich die Philosophie Dewey zufolge kümmern sollte, Probleme sind, die wiederum durch

und zwar schlechte Arten von Philosophie selber in die Welt kamen. Aber auf eine umwegige

Weise können Husserls historische Reflexionen vielleicht zeigen, was geschieht, wenn

Philosophen Probleme behandeln, die nur Philosophen mit der Realität haben, und nicht die

wirklichen Probleme der Menschen.

4. Die Priorität der Lebenswelt

Eine Überzeugung, die alle Pragmatisten zu verbinden scheint, ist die Überzeugung, daß

Praxis eine gewisse Priorität oder einen Primat vor der Theorie hat. Es gibt aber viele

verschiedene Arten von Priorität, viele Arten der Praxis und daher auch viele Arten des

Pragmatismus. Bislang habe ich zwei Weisen vorgestellt, wie man die Prioritätsthese

interpretieren könnte. Die erste war, daß philosophische oder theoretische Zweifel, die unsere

alltäglichen Überzeugungen und die Annahme betreffen, daß diese einer philosophischen

Rechtfertigung bedürftig sind, nicht ernstgenommen werden sollten. Wie wir gesehen haben,

verteidigt Husserl diese Position, aber er beschreibt sie nicht als eine Priorität der Praxis,

sondern als die Priorität oder Unverzichtbarkeit der Lebenswelt und der natürlichen

Einstellung. Dies scheint plausibel zu sein, weil er glaubt, daß die natürliche Einstellung

beides enthält: das Theoretische und das Praktische, und weil er glaubt, daß auch Philosophie

eine spezielle Form von Praxis ist, nämlich eine theoretische Praxis. Die zweite Weise der

Interpretaton des Prioritätsanspruchs bestand darin, daß Theorie oder Philosophie nicht

Probleme erfinden, sondern die wirklichen, nämlich praktischen Probleme der Menschen

lösen sollte. Dieses ist sicher ein wertvoller und vielleicht letzter, aber sicher nicht der einzige

Zweck der Philosophie. Warum kann es nicht einen dritten Weg geben, in dem Philosophie

weder darauf beschränkt wird, die Probleme von Menschen zu lösen, die oder insofern sie

keine Philosophen sind, noch in die Irrtümer verfällt, die Pragmatisten und Phänomenologen

gleichermaßen kritisieren?

Es gibt viele deskriptive und normative Lesarten der Priorität-der-Praxis-These: daß Praxis

eine notwendige Bedingung der Theorie ist und daß sie ontologisch oder genetisch früher ist

als die Theorie, zum Beispiel in dem Sinn, daß wissen, daß stets wissen, wie voraussetzt; oder

daß Praxis ist oder sein sollte der Zweck von Theorie, eine These, die der von Dewey

nahekommt; oder daß Praxis hat oder sollte haben Priorität bei der Explanation oder

Explikation; außerdem kann es Kombinationen dieser Sichtweisen geben.

Weiter kann auch die Differenz zwischen Praxis und Theorie verschiedene Lesarten haben.

Erstens können beide unterschieden werden durch ihre Zwecke: in der Praxis ist mein Zweck,

die Welt meinen Intentionen korrespondierend zu machen, in der Theorie ist mein Zweck,

meine Überzeugungen der Welt korrespondierend zu machen oder zu entdecken, was wahr

über sie ist. So müssen wir zwei Arten von Praxis oder intentionaler, absichtlicher Tätigkeit

unterscheiden: die praktische Praxis und die theoretische Praxis. In diesem Fall würde die

Prioritätsthese beschränkt auf den Bereich der Praxis selber: praktische Praxis würde in

irgendeinem Sinn als früher betrachtet als die theoretische Praxis. Zweitens könnten wir

unterscheiden Praxis als zweckhaftes Verhalten sowohl in praktischem als auch theoretischen

Sinne von sub-intentionalen Handlungen und von der Theorie als bloßem Besitz von

Überzeugungen, egal wie wir zu ihnen gekommen sind. So kann Theorie entweder verstanden

werden als die theoretische Praxis des Versuches, wahre Überzeugungen oder Wissen zu

erwerben, oder als der Besitz wahrer oder falscher Überzeugungen oder als beides. Und

Praxis kann entweder als intentionales oder sub-intentionales Verhalten verstanden werden.

Doch was wir gerade in unserer theoretischen Praxis säuberlich unterschieden haben, ist in

der Realität eng verwoben. Praktische Praxis, nämlich der Versuch, die Realität unseren

Intentionen entsprechend zu gestalten, erfordert Theorie, nämlich im Sinn von

Überzeugungen über die Situation und im Sinn der theoretischen oder sub-intentionalen

Praxis des monitoring oder Kontrollierens dessen, was wir dabei sind zu tun. No action

without perception, feed-back and proprioception. Keine Spontaneität ohne Rezeptivität. Auf

der anderen Seite erfordert Theorie in beiderlei Sinne mannigfaltige praktische Praktiken:

zum Beispiel komplizierte Experimente oder einfach eine Bewegung des Körpers oder sogar

nur der Augen. No perception without action.7

Daher könnte es eine gute Idee sein, die übliche pragmatistische Kritik von Dualismen (von

Fakten und Werten, Fakten und Theorien, Fakten und Interpretationen, Mittel und Zielen,

Analytischem und Synthetischem) auch auf den Dualismus von Theorie und Praxis selber

anzuwenden anstatt den Dualismus zwischen ihnen aufrechtzuerhalten und auf ihm zu

insistieren. In jedem Fall ist es nicht selbstverständlich, wie und warum innerhalb der

Unterscheidung das eine, nämlich die Praxis, hat oder haben sollte Priorität vor dem anderen,

nämlich der Theorie. Sie sind beide notwendig für das menschliche Leben, sie sind

unverzichtbare Momente eines Ganzen und sie sind wechselseitig voneinander abhängig.

Aber es könnte noch einen anderen Grund geben, die Priorität-der Praxis-These in frage zu

stellen. Zu diesem Zweck möchte ich mich abschließend Martin Heidegger zuwenden, der

eine Variante dieser These in seiner Analyse der Umweltlichkeit in "Sein und Zeit" entwickelt

hat. Aber er verteidigt sie nicht im Ganzen. Der Grund ist, daß er Theorie und Praxis als

Weisen des Verstehens auf der einen Seite und Stimmungen und Emotionen als Weisen der

Befindlichkeit auf der anderen Seite ebenfalls als wechselseitig voneinander abhängig

betrachtet. Er scheint sogar der These zugeneigt, daß wir die primäre Entdeckung der Welt

unseren Stimmungen verdanken und daß unsere Zwecke auf verschiedene Weisen umrissen

oder vorgezeichnet werden durch unsere Stimmungen und Emotionen. Außerdem macht er

aufmerksam auf das Faktum, daß nicht alle Probleme von Menschen im Prinzip durch Mittel

der Praxis gelöst werden können. In seiner Vorlesung "Die Grundbegriffe der Metaphysik.

Welt-Endlichkeit-Einsamkeit", die er im Winter 1929/30 gehalten hat, versucht Heidegger -

wie Husserl - eine Diagnose des verbreiteten Gefühls des Unbehagens und der

Unzufriedenheit in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts zu geben. Aber wie nicht anders

zu erwarten, differieren ihre Diagnosen. Heidegger kritisiert die Kulturphilosophen seiner

Zeit, explizit Spengler, Klages, Scheler und Ziegler und deren Diagnose der gegenwärtigen

Situation. Obwohl deren Ansichten im Detail differieren, versuchen sie alle, die Probleme der

Menschen ihrer Zeit als einen Konflikt zwischen Leben und Geist oder Seele und Geist zu

identifizieren, ein Dualismus, der Heidegger zufolge seinen theoretischen Ursprung in

7 Vgl. Alva Noe 2004.

Nietzsches Beschreibung des Dualismus zwischen dem Dionysischen und Apollinischen hat.

Was daran falsch ist und ebenso an den Annahmen des Neukantianers Ernst Cassirer, ist

Heidegger zufolge, daß Menschen und Kultur in Begriffen der Expression, Objektivation oder

Symbolisierung als typischen Aktivitäten des Geistes oder Verstandes begriffen werden. Das

aber ignoriert nach Heidegger die Möglichkeit, daß Individuen, denen es gelingt, etwas

auszudrücken, daran scheitern, sich selber auszudrücken oder sich selber in den öffentlichen

Expressionen wiederzufinden.8

Für Heidegger besteht die Krankheit der Zeit nicht im Scheitern der Versöhnung von Leben

oder Seele auf der einen Seite und Geist oder Expression auf der anderen Seite, sondern in

einer anderen Form der Selbstentfremdung, die als Symptom die Stimmung der Langeweile

produziert.9 Der Ursprung der tiefsten und gewöhnlich unbemerkten Form der Langeweile ist

in seiner Sicht nicht in speziellen Situationen zu finden, sogar nicht primär in der

langweiligen Welt als Ganzer, sondern in der gelangweilten Person selber. Wenn die

öffentlichen Bedeutsamkeiten ihre persönliche, existentielle Bedeutung verloren haben, wenn

alle Expressionen das Individuum nicht mehr affizieren oder berühren oder ergreifen, wenn es

nichts mehr gibt, woran ihm wirklich liegt, dann breitet sich eine Form fundamentaler

existentieller Indifferenz und und lähmendes Desinteresse aus, eine Leere und Distanz

gegenüber der Welt, an die diejenigen, die an der Langeweile leiden, dennoch gebunden

bleiben und in der sie sich auch weiterhin expressiv engagieren. Obwohl also, wie Heidegger

es beschreibt, das Dasein in einem Sinne präsent ist in den öffentlichen Expressionen und

Rollen, ist es zur selben Zeit in einem anderen Sinne abwesend darin, weil es ihm, indem es

etwas ausdrückt, nicht gelingt, sich selber darin auszudrücken.10

Ich kann hier weder Heideggers Versuch diskutieren, diese Arten von Langeweile einsichtig

zu machen durch Rückgang auf die verschiedenen temporalen Modi, die ihr zugrundeliegen,

noch die Möglichkeit einer philosophischen Diagnose oder Therapie der Probleme der

Menschen. Wie im Fall von Husserl und Dewey könnte es gute Gründe dafür geben, daran zu

zweifeln, daß philosophische Lehnstuhlbemühungen überhaupt hinreichend oder geeignet

sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Was für meine Zwecke wichtig ist, ist nur, daß nach

Heidegger keine theoretischen oder praktischen Anstrengungen, sondern nur ein Wechsel der

Stimmung durch eine andere Stimmung, die nicht intentional herbeigeführt werden kann, von

8 Vgl. Merker 1989, 220ff, 234ff.

9 Mich interessiert hier nicht die Frage nach der Richtigkeit der Heideggerschen Diagnose, die bereits für

weite Teile des 19. Jahrhunderts als "epochenbestimmte Erscheinung wachsende thematische Relevanz"

(Wolfgang Preisendanz 1963, 166 Anm. 47) angenommen hat, aber auch als kontextunabhängige Beschreibung

des Phänomens gelesen werden kann. 10

Heidegger, GA 29/30, 104, 112, 235-242.

der Krankheit der Langeweile heilen kann. - Vielleicht aber würden die Pragmatisten, speziell

Dewey, auch in diesem Fall auf der Priorität der Praxis bestehen und die Produktion

artifizieller Mittel empfehlen mit dem Zweck einer Veränderung der Stimmung zur Lösung

der Probleme der Menschen. Aber ich weiß nicht, was ihre Einstellung sein würde.

Zusammengefaßt: es erscheint plausibler für mich, eine andere Prioritätsthese anzunehmen,

die nicht zu den Problemen führt, auf die ich gerade hingewiesen habe. Mein Vorschlag ist

einfach, die vage Priorität der Praxisthese durch die These der Priorität der Lebenswelt zu

ersetzen. Auf diese Weise würden wir eine unnötige und problematische Reduktion oder ein

Ranking der Pluralität unserer menschlichen Kapazitäten vermeiden. Dieses schließt freilich

nicht aus, daß zwar nicht absolut, wohl aber mit Blick auf bestimmte Belange die Ausübung

einer bestimmten Fähigkeit wichtiger ist als die von anderen.

Der Zweck meiner Überlegungen bestand darin, Phänomenologie in Kontakt mit dem

Pragmatismus zu bringen und die Priorität der Praxisthese zu problematisieren. Das Ergebnis

ist, daß Phänomenologie und Pragmatismus - entgegen dem ersten Anschein - viele

Überzeugungen teilen, vielleicht noch mehr, als ich hier präsentieren konnte. So ist es

vielleicht eher eine Sache terminologischer Präferenzen und philosophischer Biographien, ob

wir eine bestimmte Art der Philosophie pragmatisch oder phänomenologisch nennen.

Literatur

Brandom, Robert: Heidegger's Categories in Sein und Zeit, in: Tales of the Mighty Dead.

Historical Essays in the Metaphysics of Intentionality. Cambridge/Mass. 2002, 298-323.

- Dasein, the Being that Thematizes, in: Tales of the Mighty Dead. Historical Essays in

the Metaphysics of Intentionality. Cambridge/Mass. 2002, 298-323.

Dewey, John: Reconstruction in Philosophy. New York 1958.

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29/30.

- Sein und Zeit. Tübingen 1976.

Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. Eine Einleitung in die Phänomenologie.

Hamburg 1977.

- Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie.

Husserliana VI. Haag 1976.

Merker, Barbara: Konversion statt Reflexion. Eine Grundfigur der Philosophie Martin

Heideggers, in: Forum für Philosophie (Hg.), Martin Heidegger: Innen- und Außenansichten.

Frankfurt/M. 1989, 215-244.

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(Hrsg.): Einheit der Vernunft? Normativität zwischen Theorie und Praxis. Paderborn 2005.

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Plessner, Helmuth: Bei Husserl in Göttingen, in: Plessner: Gesammelte Schriften IX.

Frankfurt/M 2003, 344-354.

- Husserl in Göttingen: in: Plessner: Gesammelte Schriften IX. Frankfurt/M 2003, 355-372.

- Bei Husserl in Göttingen, in: Edmund Husserl 1859-1959. Recueil commémoratif. Den

Haag 1959, 35.

Preisendanz, Wolfgang: Humor als dichterische Einbildungskraft. München 1963.

Putnam, Hilary: Pragmatismus. Eine offene Frage. Frankfurt/M 1995.

- (1): Pragmatism and Realism (hg. v. J. Conant u U. Zeglen). London/New York 2002.

- Pragmatism and nonscientific knowledge, in: Putnam (1) 14-25.

- Words and Life (hg. v. J. Conant). Cambridge/Mass. 1994.

Putnam, Ruth Anna: Taking pragmatism seriously, in: Putnam (1) 7-13.

Barbara Merker, Frankfurt/M

Phenomenology and Pragmatism

The early phenomenologists Edmund Husserl and Martin Heidegger are not famous as

defenders of pragmatism. Presumably, they had not sufficient knowledge about it.

Nevertheless, the Heidegger of "Being and Time" is often interpreted as a pragmatist, but

what seems to be impossible is to bring the thoroughly Cartesian philosopher Husserl in any

connection with pragmatistic ideas. In what follows I just want to do this. In the first part I

describe an inner tension in the philosophy of Husserl, who under the cover of cartesian

rhetoric hides assumptions and presumptions which coincide with those of many of the

pragmatists. In the second part I will explain Husserl`s non-cartesian concept of fundamental

philosophical justification. In the third part I want to show in what sense Husserl fulfills the

pragmatistic task of solving the problems of men. And in the fourth and last part I try to

understand and, partly by referring to Heidegger, criticize the pragmatistic priority-of-practice

thesis.

1. Husserl`s implicit pragmatism

The prominent position of Descartes in the philosophy of Husserl is expressed in the title of

his late work "Cartesian Meditations", first published in French in 1931. The title is not only

due to the fact that this work goes back to the lectures Husserl was invited to hold in Paris in

1929 in the famous Amphithéatre Descartes. In most of his works Descartes plays an

important though ambivalent role: in his treatise about the "Crisis of European Sciences"

Descartes is praized as the father of the insight into the importance of the ego cogito and

transcendental philosophy, and he is blamed as the initiator of a naive naturalistic objectivism

and scientific realism who was responsible for the transportation of Galileis conception of

nature into philosophy. What Husserl especially accentuates with sympathy in his

"Meditations" is Descartes' idea of a kind of fundamental philosophical justification necessary

for our everyday beliefs, for the assumptions of the different sciences as well as for

philosophy itself. With this cartesian rhetoric in view, however, the reader is or should be

surprised to find a lot of reflections which do not seem to fit this Cartesian make-up at all.

First of all Husserl repeats again and again that the basis and starting point of philosophy

has to be the so-called "natural attitude". As one constitutive feature of this natural attitude he

regards the fact that we self-evidently believe in what we experience until we have reasons to

doubt it. One of his famous examples for this kind of natural attitude, for a primary belief in

what is experienced and the beginning of a doubt, can be found in Husserl`s report of his visit

in a wax works in Vienna (and Berlin) where he first noticed with pleasure a woman waving

her hand, but when approaching her had to realize with disappointment that he was mistaken

and that it was not a woman, but only a wax figure. In the natural attitude, according to

Husserl, we begin to doubt when a disharmony, a conflict, a discrepancy is disturbing our

normally harmonious experiences, when the anticipation or presumption involved in every

experience is not intuitively confirmed. In this case a correction of the belief held before may

be required. But even when the reality of a particular object is questioned or rejected as an

illusion or hallucination this can be done only against the background of a continuing

certainty concerning the reality of the world in general. Doubts can be only local, never

global.

Secondly Husserl does not only describe the natural attitude in this manner; he also regards

it as completely legitimate. In his view we are entitled to believe in what we experience as

long as there are no evidences for the possibility that we are wrong. In any case we have no

reason to doubt that Husserl regards the natural attitude as completely justified and in no need

of a special philosophical justification at all. Besides that Husserl claims explicitly that not

only the relative evidences of our everyday life but also those of the different sciences with

their stronger requirements of justification do not need philosophy to become entitled to be

called knowledge. So we can summarize: There is no need of a fundamental justification by

means of philosophy neither in the frame of our lifeworld or commonsense beliefs nor in the

frame of the different sciences.

Thirdly Husserl criticizes again and again the assumption that we have immediate access

only to inner representations of the world, to ideas, cogitata, noemata or sense-data, from

which we have to find our way to reality by inferences or other mental means. Because he

takes it to be self-evident that our intentions normally reach the world immediately he regards

proofs of the existence of the external world to be as senseless as universal or partial, real or

methodological sceptical doubts.

For this reason we must finally understand his epoché not in the sense of its historical

inventors as an instrument of the skeptics, who doubted the possibility of knowledge and

recommended to retain from any claims by means of the epoché with the intention to avoid

error and reach ataraxia. As a constitutive instrument of phenomenology the epoché is a way

of bracketing, disconnecting or putting out of play the claims (positions) of our natural

attitude, and it has the single task of directing the intentionality of our natural attitude away

from the (intended) external world and towards the phenomena or appearances or noemata.

But the epoché is a refraining from belief "which is compatible with the unshaken conviction

of truth". Insofar, Husserl claims, the epoché leaves everything exactly as it is. Contrary to the

assumptions of the skeptics Husserl´s holistic epoché becomes possible and necessary for his

purposes just because we are normally intentionally directed to the world and therefore have

to do something to cut off this connection.

Now, with these four basic assumptions in view it is not so surprising that Husserl on one

side claims that his phenomenology might be called "Neo-Cartesianism", but on the other side

emphasizes that phenomenology is "compelled to reject almost the whole content of Cartesian

philosophy".11

What he feels compelled to reject is the Cartesian representationalism, the

Cartesian skepticism and the prescription of a universal methodological doubt - at least once

in life. But these rejections presuppose assumptions which he defends as self-evident and

legitimate and which are just those assumptions which connect him with some of the

pragmatists: direct realism, critique of skepticism and the assumption that real doubts require

vivid reasons.12

2. Wondering, not doubting. - Fundamental philosophical justification in what sense?

With the four anti-cartesian convictions in view it must seem strange that Husserl nevertheless

insists on the philosophical project of fundamental, even transcendental justification. On one

side he claims that neither our commonsense beliefs nor our scientific assumptions need or

require such a fundamental philosophical justification. He even claims that it is not only not

necessary to justify them philosophically, but also impossible to do this. And he does not give

a single example of a philosophical justification intended to fulfill this function, namely to

give reasons for taking a certain belief to be true or for taking some or all beliefs to be true.

11

Husserl, Cartesianische Meditationen § 1. 12

Nach Hilary Putnam sind dies genau die Kriterien, die konstitutiv für den Pragmatismus sind. 1994,

151ff; 1995; 2002.

On the other side he declares the whole project of phenomenology as consisting in nothing but

such a fundamental philosophical justification. But what is it then that such fundamental

philosophical justification is good or apt or used for? How does this seemingly cartesian

project of fundamental philosophical justification fit into the anti-cartesian assumptions

Husserl uses to emphasize continuously? - To understand that Husserl does not simply

contradict himself and to show that both of his claims are compatible it is helpful to have a

look at what he does when he does not only use the cartesian rhetoric but gives us at least

some hints, outlines or recipes for the practice of fundamental justification.

First of all what Husserl calls justification are different kinds of activities which take place

in the unnatural attitude of the epoché or phenomenological reduction. This is important

because it excludes any interest in the truth or falsity of our beliefs or in their correspondance

with reality. For this reason the different kinds of justifying acitivies are directed to different

moments of the bracketed structure of intentionality. What he wants to show is that the

different moments of the bracketed structure of intentionality: the ego, the different kinds of

intention, the abstract or concrete object-senses, phenomena or noemata are not contingently

organized and standing merely disconnectedly side by side, but are bound and bound together

by essential structures or relations.

So the threefold phenomenological method: the reflexion, the phenomenological epoché

and the free variation as a means to eidetic reduction is presupposed by or implied in the

method which he uses to acquire these different kinds of essential laws and which he calls

"intentional analysis" and "horizonal analysis" starting with a certain object-sense, for

example "black cube". Intentional analysis or horizonal analysis is the procedure of making

explicit what is implicit in the object-senses. Each object-sense according to Husserl has an

horizon or entails possibilities which we can explicate and unfold. Husserl, of course, is not

interested in the special explication of particular object-senses, particular intentional attitudes,

their particular relations to each other and to particular egos, but in their essences. Partly in

virtue of our being embodied, of being able to establish customs, habits and habitualities and

so acquiring senso-motorical skills - as Husserl emphasizes in his genetic phenomenology like

many pragmatists do - and of being able to cooperate with others we have an implicit

knowledge of these essential laws which makes it intelligible that it is impossible for us to

ever meet something completely unfamiliar.

What is implicit in the object-sense "black cube" for example is that it is a spatio-temporal

object, a sense which ought to be unfolded further and thus, as Husserl believes, enables

philosophy to develop the regional phenomenology of nature and to provide the natural

sciences with cleared concepts. Further on what is implicit in the sense "spatio-temporal

object" are also its relations to different kinds of intentional attitudes and their relations to

each other and to an ego with a diachronic identity: for example that a present spatio-temporal

object cannot be perceived as a whole but only partially and successively, that it can be

perceived by others as well, that somebody`s looking at or going around the object excludes

others having the same perspective, that perception requires anticipation and memory and an

embodied ego with the ability to move, that if there had been other perceptions there would

have been other memories and so on. So, if there are spatio-temporal objects - and Husserl

does not doubt that there are some - they must fulfill these essential laws. But it would be

misleading to reduce intentional analysis to the procedure of analysing concepts or of drawing

material inferences from the object-senses, because Husserl believes that all this cannot be

done in separation from intuition.

With his project of intentional analysis Husserl tries to combine the rationalistic search for

the essential structures and relations of entities, the construction of formal and regional

ontologies and region-constitutive concepts on one side with the empiristic question of Hume

how it is possible and intelligible that we have consciousness of objects, of identical objects at

all and even of somethings which are not present but absent. Husserl writes that he wants to

make intelligible how "object-unities can become intended and how this marvellous work of

constituting identical objects is done in the case of each category of objects". Surprisingly

Husserl now switches from the language of intentional analysis (in)to the language of

transcendental constitution and seems to defend a sort of subjective idealism. But as we

should not take too seriously his cartesian rhetoric we should not take too seriously his

idealistic rhetoric as well. The question he wants to answer is the Humean question how it is

possible that we have consciousness of identical objects and the world at all. - As Helmuth

Plessner reports he and Husserl once walked home from a seminar to Husserl's house. When

they arrived at the door of the garden Plessner asked him what he thought about the relation of

his phenomenology to Fichtes Wissenschaftslehre. According to Plessner Husserl answered

with emphasis: "I have always detested the German Idealism. All my life I was looking for

reality." And while saying this he draw his thin walking stick with the silver gripp, bent

forward and pushed the tip of the stick into the post of the door. Obviously, so Plessner, the

walking stick represented the intentional act and the post its fulfillment.13

Now we can answer the question why Husserl on one side argues that everyday beliefs

like scientific beliefs do not require philosophical justification at all and on the other side

nevertheless insists on it. The kinds of philosophical justification he has in mind do not give

reasons for taking our beliefs to be true; he just accepts perception, memory, testimony and so

on as normal sources of knowledge. Obviously he uses the concept of justification in a wide

sense, entailing a special kind of philosophical justification. This can be understood as a sort

of discovering and inquiring the necessary conditions or implicit presuppositions of our

consciousness of the world, not with the intention to criticize or abolish these presuppositions

as prejudices, for he regards them as indispensable, but with the intention to make them

explicit. He regards this kind of philosophical activity as the "highest imaginable form of

rationality". And the attitude which underlies this acitivity is not a skeptical doubt but a

wondering about the miracle, marvel and mystery of our common way of being in the world.

Husserl`s inquiries and reflections seem to have much in common with pragmatistic ideas:

not only the anti-skepticism and anti-representationalism, but also the accentuation of social

cooperation, especially of social perspectivity as a condition of objectivity, the idea of a

community of researchers trying to realize in the long run the idea of science, a holistic view

of consciousness or even the assumption of a close connection between the understanding of

the concept of "truth" and confirmation. Nevertheless I am skeptical if pragmatists would

appreciate his not infallible method of intentional analysis as a legitimate method of a special

kind of justification, namely philosophical justification, but I am not sure about it.

3. Philosophy and the Problems of men

Ruth Anna Putnam, who first mentions some pragmatistic key ideas like interaction, inquiry,

conversation, solidarity, experience and practice, then writes: "I cannot answer the question,

'What does it mean today to be a pragmatist?' I am not sure whether I am a pragmatist or what

it would mean to say that I am one. So, I want to change the question. Let me try to say what

13

Helmuth Plessners Aufsatz ist in seinen Gesammelten Schriften gleich zweimal abgedruckt. In dem

ersten Abdruck "Bei Husserl in Göttingen" heißt es, Husserl sei der deutsche Idealismus "zuwider", in dem

zweiten Abdruck "Husserl in Göttingen" heißt es, er sei ihm " zum..." gewesen. Vgl. auch den Abdruck in:

Edmund Husserl 1859-1959.

it means to take pragmatism seriously".14

And that is why she refers to John Dewey who in

the Introduction to his "Reconstruction in Philosophy" writes: "Philosophy will recover itself

when it ceases to deal with the problems of philosophers and addresses the problems of

men."15

- Let us put aside the question why and in how far philosophers do not belong to men

and ask whether and how Husserl in his phenomenology fulfils this pragmatistic task. For this

purpose I want to turn to his late work about the crisis of the European sciences.

The starting point of Husserl's unfinished treatise which was partly published in 1936 in

the first number of the Journal "Philosophia" in Belgrade and goes back to lectures he gave in

Vienna and Prague in 1935 is his description of a general feeling of unsatisfaction and

uneasiness articulated by quite different people in quite different contexts. He interpretes

these feelings as an expression or symptom of a widespread crisis, and in the three parts of his

treatise he tries to offer a diagnosis of the crisis, an anamnesis or genealogy, and finally a

therapy. It may be, by the way, surprising, at least for those who are not familiar with

Husserl`s obsession with phenomenology, that he does not even mention his personal

situation when he gave the lectures. As a Jew in Nazi-Germany he had lost the permission to

give talks inside the country and to use the facilities of his former university. Husserl,

however, does not seem to be interested at all in these political and personal reasons for

feeling uncomfortable. In his genealogy of the crisis, which according to him does not only

concern the sciences and humanities, but also the European culture and mankind in general,

he is interested in earlier originated subjective feelings and in going beyond the mere surface

of these feelings of uneasiness and looking for their deeper origin which in his view can be

found only by looking back to history. His diagnosis of the continual crisis, in which

positivism, relativism and skepticism play an important role as objective, but superficial

symptoms of the disease, is - at least - threefold. There is first a loss of reality, second a loss

of community and third a loss of sense. - In the following I want to make only some remarks

concerning the loss of reality, mainly because this leads us back to my reflections in the

preceding parts.

As many of his contemporaries Husserl observes the articulation of a widespread feeling

or fear of unreality, a strange sort of uncertainty regarding the real world. Two well-known of

unnumerous expressions of this are the Chandos-letter by Hugo von Hofmannsthal and Robert

Musil`s "Man without Properties" where he inquires situations or events in which after all

14

Ruth Anna Putnam 2002, 7. 15

Dewey 1958, 5.

anything appears to become reality. Part of what Husserl tries to do in his treatise is to offer a

historical narrative with the intention to discover the reasons and causes of this widespread

feeling of unreality. In his view bad kinds of philosophy are responsible for the uncertainties

or even doubts concerning the reality. And he tries to show in detail how Descartes´

naturalistic objectivism, his representationalism and his methodological doubt is followed by

the rationalistic assumption that the real world must be the world of mathematical physics and

by the skeptical empiristic assumption culminating in Berkeleys idealism, that the real world

is the world of sense impressions and ideas. What separates them is what they regard as real

reality, but what they have in common is the view that the real reality is not the world we live

in, our everyday lifeworld which according to Husserl is the basis from which the

metaphysical speculations as well as the empirical sciences start, are working in, have to

come back to and on which they permanently rely on. They all fail in Husserl´s view in

accepting and recognizing our everyday belief in the reality of the lifeworld which is

nevertheless indispensible for them. And they fail in developping a plausible conception of

intentionality in virtue of which we have unproblematic access to the reality we live in.

Accordingly his therapy is so to say of a homeopathic kind: philosophy has brought the

disease into European mankind and only philosophy in the form of phenomenology is able to

cure it. So his phenomenological history of philosophy, his conception of intentionality, his

conception of philosophical justification and his theory of the lifeworld altogether have the

function to destroy those secondary doubts, to give back the trust into the reality we live in

and to show us by means of the social cooperation within the phenomenological community

how our belief in the common lifeworld is possible.

I do not know whether Dewey would regard this as the right kind of philosophical

problem solving because it concerns the special case that the problems of men which

philosophy should take care of are problems which came into the world by (bad kinds of)

philosophy itself. But in a roundabout way Husserl`s historical reflections may show what

happens when philosophers treat problems only philosophers have with reality and not the

real problems of men.

4. The Priority of the Lifeworld

One conviction which seems to connect all pragmatists is the conviction that practice has a

certain priority or primacy over theory. But there are many kinds of priority, many kinds of

practice and theory and therefore many kinds of pragmatism, too. Up to now I have presented

two ways of interpreting the priority thesis. The first was that philosophical or theoretical

doubts concerning our everyday beliefs and the assumption that these need philosophical

justification should not be taken seriously. As we have seen Husserl defends this position, but

he does not describe it as a priority of practice, but as the priority or indispensibility of the

life-world and the natural attitude. This seems to be plausible because he believes that the

natural attitude entails both: the theoretical and the practical, and because he believes that

philosophy is a special form of practice too, namely a theoretical practice. The second way of

interpreting the priority claim was that theory or philosophy should not invent problems but

solve the real, namely practical problems of men. This seems to be a worthy and perhaps

ultimate, but not the only purpose of philosophy. Why can`t there be a third way in which

philosophy is neither restricted to solving the problems of men who are not philosophers nor

falling into the errors pragmatists and phenomenologists use to criticize alike?

There are many descriptive and normative readings of the priority-of-practice claim: that

practice is a necessary condition of theory and that it is ontological or genetical prior to

theory, for instance in the sense that knowing that presupposes knowing how; or that practice

is or should be the purpose of theory, which is similar to the claim of Dewey; or that practice

has or should have priority in explanation or explication; and there may be combinations of

this.

Further the difference between practice and theory can have different readings too. Firstly

both can be distinguished by their purposes: in practice my purpose is to make the world

correspond to my intentions, in theory my purpose is to make my beliefs correspond to the

world or to discover what is true about it. Thus we have to distinguish two kinds of practice or

intentional, purposive activity: practical practice and theoretical practice. In this case the

priority thesis would be restricted to the realm of practice itself: practical practice would be

regarded as prior to theoretical practice. Secondly we might distinguish practice as purposive

behaviour both in the practical and theoretical sense from more sub-intentional actions and

from theory as the mere possession of beliefs no matter how we arrived at them. So theory

can be either understood as the theoretical practice of attempting to acquire true beliefs or

knowledge or as the possession of true or false beliefs or as covering both. And practice can

be understood either as intentional or more sub-intentional behaviour.

What we have just neatly distinguished in our theoretical practice is however interwoven

in reality. Practical practice, namely the attempt to make reality correspond to our intentions,

requires theory, in the sense of having beliefs about the situation and in the sense of the

theoretical or sub-intentional practice of monitoring or controlling what we are doing. No

action without perception and proprioception. On the other side theory in both senses requires

varieties of practical practices. It may require complicated experiments or just moving the

body or even only the eyes. No perception without action.

Thus, it might be a good idea to apply the usual pragmatistic critique of dualisms (of facts

and values, facts and theories, facts and interpretations, of means and ends, of analytic and

synthetic) to the dualism of theory and practice as well instead of maintaining and insisting on

the dualism between the two. It is, in any case, not self-evident how and why within the

distinction the one, namely practice, has or should have priority over the other, namely theory.

They are both necessary for human lives, they are indispensable moments of a whole and they

are mutually dependant. In another deeper sense, however, we might argue as normative

linguistic fundamental pragmatists (like Brandom) do that practical abilities and skills, a

practical knowing how is ontological and explanatory prior to all kinds of concept-involving

theoretical or practical intentional attitudes. May be the priority thesis can be justified in this

fundamental sense, but even in this case our fundamental practical knowing how requires

certain sorts of theoretical feed-back.

But there may be another, quite different reason to question the priority-of -practice thesis.

For this purpose I finally want to turn to Martin Heidegger who defends one sort of this thesis

in his analysis of environmentality in "Being and Time". But he does not defend it on the

whole. The reason is that he regards theory and practice as ways of understanding on one side

and moods and emotions as ways of Befindlichkeit (state of mind) on the other side as

mutually dependant too. He even seems to favour the theses that we owe the primary

discovery of the world to our moods and that our purposes are outlined or framed

(vorgezeichnet) in several ways by our moods and emotions. Besides that he pays attention to

the fact, that not all problems of men can in principle be solved by means of practice. In his

lecture "Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit" held in winter

1929/1930 Heidegger tries - like Husserl - to give a diagnosis of the widespread feelings of

unsatisfaction and uneasiness in the first decades of the 20th century. But as to expect their

diagnosis differ.

Heidegger criticizes the philosophers of culture of his time, explicitly Spengler, Klages,

Scheler and Ziegler and the diagnosis they give of the actual situation. Though their views

differ in detail they all attempt to identify the problems of men at their time as a conflict

between life and spirit or soul and spirit, a dualism which according to Heidegger has its

theoretical origin in Nietzsche´s description of the dualism between what he calls "das

Dionysische" and "das Apollinische". What is wrong with their assumptions as well as with

those of the Neo-Kantian Ernst Cassirer is to understand men and culture in terms of

expression, objectivation or symbolisation as the typical activities of spirit or understanding.

This approach, however, in the view of Heidegger, ignores the possibility that individuals

who try to express something might fail in expressing themselves or in re-finding themselves

in the public expressions.16

For Heidegger the disease of his time does not consist in the failure of reconciling life or

soul on one side with spirit or expression on the other side but in a different form of self-

alienation which produces as its symptom the mood of boredom. The origin of the deepest

and usually unnoticed form of boredom is in his view not to be found in special sitations, even

not primarily in the boring world as a whole but in the bored person herself. When the public

significances have lost their personal, existential meaning, when all the expressions do not

affect or touch or seize the individual any more, when there remains nothing one might really

care about then a form of fundamental existential indifference and desinterest, an emptiness

and distance towards the world is spreading to which those suffering from boredom

preconsciously remain nevertheless bound to or even expressively engaged in. So, as

Heidegger decribes it, though the Da-sein is in one sense present in the public expressions and

roles it is at the same time absent in them, because in expressing something it does not

succeed in coming to the surface of the expressions herself.17

I can neither discuss here Heidegger`s attempt to make these kinds of boredom intelligible

by going back to different temporal modes nor the possibility of a philosophical diagnosis of,

influence on or even therapy of the problems of men. As in the case of Husserl and Dewey

there may be good reasons to doubt that philosophical armchair-efforts are sufficient or apt at

all to do that kind of job. What is important for my purpose is only that according to

Heidegger no theoretical or practical efforts, but only a change of mood by another mood

which cannot be brought about intentionally can cure from the disease of boredom. - May be

16

Merker 1991, 220ff, 234ff. 17

Heidegger GA 29/30, 104, 112, 235-242.

the pragmatists, especially Dewey, would even in this case insist on the priority of practice

and recommend the production of artificial means with the purpose of changing the mood and

thus solving the problems of men. But I do not know what their attitude would be.

To sum up: it appears more plausible to me to adopt a different priority-thesis which does

not lead to the problems I have just tried to point to. My proposal is simply to replace the

vague priority-of-practice thesis by the thesis of the priority-of-the-lifeworld. Thereby we

would avoid an unnecessary and problematic reduction or ranking of the plurality and the

richness of our human capacities. This does, of course, not exclude that not absolutely, but

relative to certain respects the exercise of a certain capacity may be more important than that

of others.

The purpose of my paper was to bring phenomenology in contact with pragmatism and to

question to some extend the priority-of-practice thesis. What I found was that phenomenology

and pragmatism have much in common, and even more than I could present here and now.

This result may lead us to a supposition analogous to that of John Stewart Mill concerning the

relation of his utilitarianism to the traditional kinds of ethics. As Mill assumed that the

principle of utility was implicit in all previous moral philosophies so we might assume that

the principles of pragmatism - perhaps even contrary to what the pragmatists themselves used

to believe - are more or less hidden in many if not all kinds of philosophy and that it is even

only a matter of terminological preferences and philosophical origin, whether we call a certain

style of philosophy "pragmatistic" or "phenomenological".

Literatur

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