Barnes, Harry Elmer - Die Kreuzigung von Frankreichs Retter (2011, 12 S.)

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    Professor Harry Elmer Barnes

    Die Kreuzigung von Frankreichs Retter

    Institut fr Volkstum und Zeitgeschichtsforschung

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    Die Kreuzigung von Frankreichs Retter

    Die schndliche Behandlung von Marschall Henri Ptain

    Institut fr Volkstum und Zeitgeschichtsforschung1.Auflage (01/2011)

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    Die Kreuzigung von Frankreichs RetterMan sagt, da ungerechte Handlungen oft auf den Urheber zurckfallen. Diese Erfahrung konnteman recht augenfllig beim Verfahren gegen Marschall Henri Philippe Ptain machen. Es warder reinste Fall Dreyfu nur umgekehrt. Im Fall Dreyfu (1894) verschworen sich die

    Nationalisten, Royalisten, katholischen Nationalisten wie Maurice Barres und Charles Maurras, die

    Masse des Militrs und ganz allgemein die Reaktionren gegen einen liberalen jdischen Offizier.Es war ein antirepublikanischer Coup Im Verfahren gegen Marschall Ptain waren die Rollenvertauscht. Die Republikaner, die Radikalen, die alte Volksfront-Gruppe rotteten sich gegen einePersnlichkeit des Militrs zusammen, den hervorragendsten Soldaten, den Frankreich seitTarenne und Napoleon hervorgebracht hat. Ganz gleichgltig, wofr Ptain persnlich steht, er warzum Symbol der militrischen und antirepublikanischen Krfte Frankreichs geworden. Die Faktenscheinen zwar darauf hinzuweisen, da Gen. Charles de Gaulle in seinen Vorkriegstagen enger mitden Militrs und Royalisten verbunden war, als Ptain es jemals war. Aber Ptain wurde dazuausersehen, die volle Wucht des Angriffs derer zu tragen, die den Fall Frankreichs herbeifhrten.Wie alle gebildeten Menschen las ich darber, wie Gen. Ptain im Ersten Weltkrieg Verdunverteidigte, und wie er die ernste Meuterei der franzsischen Armee erstickte, aber mein erster

    persnlicher Kontakt mit dem Marschall erfolgte im Oktober 1931, als er anllich des 150.Jahrestags der Kapitulation von Yorktown als Reprsentant der franzsischen Regierung in denVereinigten Staaten war. brigens sagt man, da ihm damals der berschwenglichste Willkomm ge-

    boten wurde, der je einem Franzosen seit Lafayettes historischem Besuch 1824 dargebotenwurde. Damals gab der Marschall, als er New York besuchte, ein Interview, in dem er diejenigenangriff, die Frankreich teilweise fr den Ersten Weltkrieg verantwortlich machten und die

    Nachkriegspolitik Frankreichs kritisierten. Es machte mir einiges Vergngen, dem Marschalldiesbezglich in meinem Leitartikel in der New YorkerWorld Telegram vom 20. Oktober 1931sanft aber bestimmt eins berzugeben. Die ffentliche Aufmerksamkeit richtete sich dann zurZeit des franzsischen Waffenstillstands im Juni 1940 wieder auf den Marschall, und ich las auchhierber. Aber erst im Sommer 1942 kam ich noch einmal mit seinem Lebensweg in direkten

    Kontakt. Damals war ich dabei, ein Manuskript ber das Leben und Werk von Marschall Ptainherauszugeben. Ich ging alle erhltlichen Quellen ber den Marschall durch und wurde mit denTatsachen gut vertraut. Spter las ich dann alles, was der Marschall je geschrieben hat und gab esheraus, auch seine Reden, Proklamationen und Erlasse, als er in Vichy Staatschef war. Ichglaube, sagen zu knnen, da ich mehr als jeder Amerikaner ber Ptain und seine Politik wei.Dieses Studium gab mir die berzeugung, da Marschall Ptain ein groer Soldat ist, einnobler Charakter, und ein beraus patriotischer Franzose. Im Verlauf des Buches, dasnoch nicht verffentlicht wurde, haben ich jede gegen den Marschall gerichteteAnschuldigung bezglich seines angeblichen Deftismus im Ersten Weltkrieg und Zauderns bei derVerteidigung Frankreichs zwischen den zwei Weltkriegen aufgegriffen und vernichtendwiderlegt. Es wurde auch gezeigt, da es keinerlei Mglichkeit fr Frankreich gab, 1940

    den Krieg weiterzufhren, anstatt einen Waffenstillstillstand anzunehmen. Aber mehr dazu spter.Seit ich diese Manuskripte durchgesehen und die Schriften und Proklamationen des Marschallsherausgegeben habe, sind eine Reihe Bcher erschienen, die den Marschall aufs heftigste angreifen,wobei die meisten die Lgen wiederholen und ausschmcken, die seine Feinde aus der Zeit desErsten Weltkriegs verbreiteten. Ich bin zu der berzeugung gelangt, da in der jngsten Zeitwahrscheinlich keine andere Gestalt derartig gnadenlos, ungerechtfertigt und absichtlichverleumdet wurde, wie Marschall Ptain. Solche Verleumdungen und Schmhungen aufzudecken,ist der einzige Grund, weshalb ich mich jetzt mit seinem Fall befasse. Von den Interessen undberzeugungen des Marschalls sprechen mich persnlich nur wenige an, mit Ausnahme viel-leicht seiner Vorliebe fr dieEssays von Montaigne. Ich bin schlichtweg schockiert von derVerlogenheit, Feigheit, dem Schwindel und der Unritterlichkeit seiner Angreifer, von de-nen die meisten mit genau den Krften und Gruppierungen begeistert zusammengearbeitet haben,die die militrische Strke Frankreichs in den Jahren vor 1939 unterminiert haben. Die wichtigstender gegen Marschall Ptain erhobenen Anklagen sind: 1) er war im Ersten Weltkrieg ein

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    unfhiger Defaitist; 2) er lie nach 1919 die Verteidigung Frankreichs hinterherhinken; 3) ervereitelte die von de Gaulle empfohlene Mechanisierung der franzsischen Armee; 4) erkollaborierte nach 1933 mit den Nationalsozialisten; 5) er war lange vor 1939 ein fhrenderfranzsischer Faschist; 6) er bat 1940 um einen Waffenstillstand, als sich die franzsische Armeemit Leichtigkeit nach Nordafrika htte zurckziehen und unbeschrnkt gegen die Deutschenhtte durchhalten knnen; und 7) als Staatschef von Vichy verkaufte er Frankreich absicht-

    lich und berschwenglich an die Nationalsozialisten. Wenn man die echten geschichtlichenTatsachen aus den Originalquellen zusammensammelt, widerlegen sie vollstndigund berwltigend jede einzelne dieser Anschuldigungen und entlarven, wie falsch sie sind.Ptain verbrachte einen Gutteil seines militrischen Lebens vor 1914 als Professor derMilitrwissenschaft. Dabei zeichnete er sich durch die Modernitt und Vernunft seiner Ideenaus, vor allem durch seine Betonung der Notwendigkeit, Strategie und Taktik angesichts dermodernisierten Kriegfhrung, der Mechanisierung der militrischen Ausrstung und der zu-nehmenden Intensitt des Geschtzfeuers abzundern. Damit legte er sich mit der alten Garde (denHinterwldlern) an, die sich an die napoleonische Tradition des Frontalangriffs hielt, aber mitder Zeit setzten sich seine Ideen durch. Sie erhielten ihre blutige Rechtfertigung im Herbst 1914,als die franzsischen Armeen vor der uersten Niederlage nur durch die Ineffektivitt und

    Schwerflligkeit des Deutschen Oberkommandos gerettet wurde, speziell des kranken, alten,unfhigen von Moltke, der Generalstabschef der deutschen Armee war. Nachdem sie an derMarne die Scherben aufgesammelt hatten, muten die franzsischen Generale sich nachPtains Kriegfhrungs-Philosophie richten oder endgltig den Krieg verlieren. Aber sie lerntennicht alle ihre Lektion sogleich, vor allem nicht Joffre, Foch, Mangin und Nivelle. Siewolltenweiterhin die napoleonische Taktik verfolgen, mit einer pltzlichen, berraschenden Augen-zu-und-durch-Offensive auf einen Durchbruch zu hoffen, wobei sie nicht mit der genderten Strke derVerteidigung rechneten, die durch ausgedehnte Grben, Schnellfeuer-Artillerie und tdliche Ma-schinengewehre herbeigefhrt worden war. Marschall Ptain stellte den Irrtum und dieGefhrlichkeit solch veralteter Militrauffassungen am 29. Juni 1915 in einem Memorandum andas franzsische Oberkommando deutlich fest:Der gegenwrtige Krieg hat die Form eines Verschleikrieges angenommen. Es gibt nichtmehr wie frher Entscheidungsschlachten. Der Erfolg wird letztlich dem zufallen, der den letztenMann zur Verfgung hat. Es ist daher wichtig zu erkennen, da es am klgsten ist, fr die

    Endphase des Krieges eine letzte Reserve aufzuheben, die eingesetzt werden kann, wenn dieDeutschen gezwungen sind, nach einer letzten Anstrengung ihre Offensive aufzugeben.In der Zwischenzeit ist es ratsam, im Hinblick auf diesen entscheidenden Augenblick dieZermrbung und Aufreibung unserer Truppen so weit wie mglich zu begrenzen.Aber Poincar und Joffre hrten nicht auf Ptain, trotz der Lehren vom August und September1914. Im September 1915 wurde bei Artois und Champagne ein pltzlicher Angriff befohlen, derFrankreich schwere Opfer an Mannschaft und Ausrstung kostete, aber keinen militrischen

    Erfolg oder Vorteil brachte. Noch ernster war die verheerende und blutige Offensive von Nivelle imApril 1917, in der die Franzosen beinahe so viele Soldaten verloren wie bei der heroischenVerteidigung von Verdun, aber nichts gewannen. Dies fhrte Ende April 1917 zur Meuterei derfranzsischen Arme, einer kritischen Lage, die Ptain bereinigen mute. Er war die einzigeFhrungspersnlichkeit des franzsischen Militrs gewesen, der den Mut und den Realismus hatte,offen gegen diese berstrzten Offensiven vom Frhling 1917 einzutreten, bevor sie befohlenwurden. Obwohl Ptain Verdun gerettet hatte, nachdem sein Vorgnger diese groe entscheidendeFestung beinahe verloren htte, wurde er sogar in bezug auf diese glnzende und khne Heldentatdes Deftismus beschuldigt. Es stellt sich heraus, da sein .Deftismus. darin bestand, einen Planfr einen geordneten Rckzug zu entwerfen, falls sich die Verteidigung von Verdun als unmglicherweisen sollte, um so jede ungeordnete Flucht des sich zurckziehenden Heeres zu verhindern. Ein

    Rckzug war nicht ntig. Aber jeder Taktiker, der sein Salz wert ist, wrde Manahmenergreifen, um sich darauf vorzubereiten, und genau das hat Ptain getan. Nachdem dasschlechtberatene und teuer bezahlte Ungestm von Mangin und Nivelle die franzsische Armee

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    im April 1917 dahingemetzelt und demoralisiert hatte, und bei den emprten SoldatenMeuterei weit verbreitet war, wurde Ptain zum Oberkommandierenden der gesamtenfranzsischen Streitkrfte gemacht, und ihm fiel die schwierige Aufgabe zu, die Meuterei zuersticken und die Moral der franzsischen Armee wiederherzustellen. Das wre keinem anderenfranzsischen General gelungen, und die Meisterleistung Ptains war eine der Haupterfolge desErsten Weltkriegs. Gen. John Pershing hat ihr bewegt Tribut gezollt. Bis zum Herbst 1917

    war die Moral der Soldaten wiederhergestellt, und die franzsische Armee war in der Lage, demgroen Vorsto Ludendorffs im Frhjahr 1918 standzuhalten. Der Erfolg von Ptains geschickterund geduldiger Heeres-Reorganisation zeigte sich in Gnze Ende Mrz 1918, als bereits seinerasche Verlegung der franzsischen Reserven zur Untersttzung der Englnder . eine fastbermenschliche Kraftanstrengung . die Wucht des Ludendorffschen Vorstoes gebrochen hatte,

    bevor Foch am 26. Mrz zum Generalissimus der Alliierten ernannt wurde. Kurz darauf bedurftees Ptains Feldherrnkunst, um das Unheil abzuwenden, nachdem Foch mehrere bereilte undleichtsinnige Angriffe auf die deutschen Linien versucht hatte. Und schlielich war es PtainsStrategie (das Gouraud Manver), wodurch am 15. Juni 1918 Ludendorff die entscheidendeFalle gestellt wurde, die den verzweifelten deutschen Vorsto auf Paris beendete. DieseKatastrophe vernichtete die deutschen Krfte und zerstrte ihre Moral. Danach konnte die von

    Ptain wieder in ihren frheren Zustand versetzte franzsische Armee die fhrende Rolle beimZurckwerfen der Deutschen bernehmen und diese zwingen, im November um einenWaffenstillstand zu bitten. In seinem Buch They Won the Warschreibt Frank Simonds:Ptain studierte das Problem geduldig und systematisch, lftete das Geheimnis, erarbeitete die

    Lsung. Als Ludendorff im Juli 1918 seine letzte Offensive, unternahm, . er hatte den Kaisereingeladen, um diesem .Friedenssturm. beizuwohnen . rckten die deutschen Sturmtruppen in eineWste vor, wo sie eine schnelle und vollstndige Vernichtung ereilen sollte. Damit brach Ptainauf dem Schlachtfeld von Champagne, wo ihm selbst 1915 ein groer Sieg entgangen war, drei

    Jahre spter die Angriffskraft der deutschen Armee. Wenn Foch spter den Krieg gewann -die Grundlage des Sieges war von Ptain gelegt worden.Das Urteil fairer und sachkundiger Militrhistoriker drfte lauten, da Ptain eines der dreiMilitrtalente ersten Grades war, die der Erste Weltkrieg hervorgebracht hat, zusammenmit dem Deutschen von Hoffman und dem Russen Brussilov.

    Im Dezember 1918 berreicht Poincar Ptain in Metz den Marschallsstab. Im Ersten Weltkrieg war Ptainderjenige, der in den Reihen der franzsischen Armee die Hoffnung wieder einkehren lie, als die Moral aufihrem Tiefpunkt war. Er gab ihnen neues Vertrauen in den Endsieg. 1917 betrugen Frankreichs Verlustedurch Tod und Gefangenschaft nur 190.000, gegenber 430.000 im Jahr 1915, dem Jahr von Joffres

    Oberbefehl. Dank der Schonung der Hilfsmittel, die Ptain sowohl in bezug auf Menschen und Mate-rial erreichte, indem er auf die Ankunft der Amerikaner wartete, wurde das Unheil durch den Sieg vom Mrz1918 wieder gut gemacht.

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    Es gab eine Reihe zweitrangiger Generale, wie Foch in Frankreich, Ludendorff und von Mackensenin Deutschland und der Grofrst Nikolaus in Ruland. Foch wre zur napoleonischen Zeit eingroer General gewesen, aber er war nie in der Lage, sich ganz an die Gegebenheiten der modernenKriegfhrung anzupassen. Ob Ptain ein greres Militrgenie war als von Hoffman und Brussilov,ist Ansichtssache. Frank Simonds hat geschrieben, da Ptain auf allen Seiten der einzige Generalwar, der whrend des ganzen Krieges keinen Fehler machte, . und er entging dem bestimmt nicht

    durch Unttigkeit. Ptains Rolle im Ersten Weltkrieg wird am besten beschrieben, wenn man ihnals den Organisator des Sieges fr die alliierten Heere bezeichnet. Einer der fhrenden Verfasserber die Schlachten des Ersten Weltkriegs formulierte es so:Ptain war Meister der technischen Einzelheiten des modernen Gefechts und glaubte an dieberlegenheit der Maschine ber den Menschen. Auf taktischem Gebiet und als Organisator hatte

    Ptain nicht seinesgleichen unter den alliierten Generalen.Die vielleicht mageblichste Beurteilung ber Ptain als den Organisator fr den SiegFrankreichs und der Alliierten stammt von Paul Painleve, dem Premier Frankreichs, 1917:Ptains Militrphilosophie ist eine rationale, positive Lehre, welche die zur Verfgung

    stehenden Krfte bercksichtigt, die Mittel, wie sie eingesetzt werden knnen, den Radius ihresEinsatzgebietes, ohne ihnen Menschenunmgliches abzuverlangen, und zugleich sicherstellt,

    da der Kriegsmaschine in all ihren Formen das uerste, was sie leisten kann, abverlangt wird.Diese Doktrin wird uns erlauben, stark zu bleiben, bis zur letzten Prfung. Durch siewerden wir unseren Alliierten im Augenblick der Schlurunde eine zahlenstarke und

    gutausgebildete Armee sowie einen eindrucksvollen Bestand an Kriegsmaterial und schwererArtillerie zufhren, was ein notwendiger Bestandteil des gemeinsamen Sieges wird.

    Bei dieser Gedenk-Feier im September 1927 in Dinant (Belgien) sieht man Marschall Ptain und seinen

    Adjutanten Charles de Gaulle links, dahinter der rtliche Brgermeister mit Zylinder. Der Mann imVordergrund ist unbekannt. Im Herbst 1927 hielt de Gaulle Vorlesungen an der Sorbonne. Aber, so glnzendsein Auftritt war, so war doch seine zivile Zuhrerschaft ber seine Ideen kein bichen begeisterter, als dieMilitrs zuvor gewesen waren. Dennoch erkannten einige Heerfhrer sein Knnen, und sie konnten einenMann, der so deutlich unter Ptains Fittichen war, nicht ignorieren.

    Es gibt keine nachdrcklichere Wrdigung Ptains als Militrbefehlshaber als der Ausspruch, denFrankreichs Prsident Raymond Poincar im August 1918 verlas, als er Ptain die Militrmedailleverlieh:Im Laufe dieses Krieges hat er bei den verschiedenen Kommandos, die er ausbte, - Brigade,

    Division, Armeekorps, Armee, Armeegruppe, das franzsische Heer - immer die hchste moralischeund technische Eignung an den Tag gelegt. Bis ins Innerste Soldat, hat er ohne Unterla die reinste

    Pflichterfllung und das grte Selbstopfer unter Beweis gestellt. Er hat bei den ihm unterstelltenTruppen eine straffe und wohlwollende Disziplin aufrechterhalten, hat ihre Moral hochgehalten,und ihr Vertrauen in hchstem Grad verstrkt. Er hat sich durch die Art, wie er den deutschen

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    Ansturm zum Stehen brachte und siegreich zurckschlug, zu recht die unsterbliche Dankbarkeit derNation erworben.Zwischen den zwei Weltkriegen verwandte Ptain seine Bemhungen hauptschlich darauf,Frankreich fr den nchsten groen Konflikt vorzubereiten, der vielleicht auf das Landzukommen wrde. Er wurde 1920 zum Vizeprsident des Obersten Kriegsrats ernannt, und 1922zum Generalinspekteur der franzsischen Armee, ein Amt, das er bis 1931 innehatte, als er

    Generalinspektor der Luftverteidigung wurde. 1934 war er neun Monate lang Kriegsminister.1939 ernannte ihn Ministerprsident Daladier zum Botschafter in Spanien, und im Mai 1940brachte ihn der Zusammenbruch der franzsischen Verteidigung vor dem Ansturm der Deutschennach Paris zurck. Da er die Lage fr hoffnungslos ansah, bat er um einen Waffenstillstand.

    Nachdem er im Rahmen des Waffenstillstands die Vichy-Regierung unter strikter Wahrung derVerfassung gebildet hatte, war Ptain Staatschef der neuen Vichy-Regierung und blieb auf diesemPosten, bis er im August 1944 von den Deutschen mit Gewalt abgesetzt wurde. SmtlicheVerteidigungsoperationen und militrische Strken, die Frankreich zwischen den zwei Weltkriegenan den Tag legte, gingen auf die Voraussicht und Bemhungen von Marschall Ptain zurck.Er war fr die Reorganisation der franzsischen Armee nach dem Krieg verantwortlich und fr diePlanung des neuen franzsischen Verteidigungssystems. Er entwarf die Plne fr die Befestigung

    der franzsischen Grenzen, die von Maginot und anderen ausgefhrt wurden. Er wollte dieMaginot-Linie bis zum Kanal ausweiten, und die Nichtbefolgung dieser Empfehlung erwies sich1940 als entscheidende Schwche der franzsischen Verteidigung. Ptain verbesserte und erwei-terte auch das System der Militrinstruktionen bedeutend. Als Kriegsminister sorgte er 1934 zwecksStrkung sowohl der Armee wie auch des Verteidigungssystems fr noch nie da-gewesene Geldmittel. Eine der grotesken Legenden, die nach dem Waffenstillstand entstanden,

    besagte, da de Gaulle versucht habe, die franzsische Armee mit Panzern auszursten und zumodernisieren, aber von Ptain daran gehindert worden sei. Ptain, und nicht de Gaulle, war dergroe Verfechter der Panzerwaffe fr das franzsische Militrsystem. Das hatte er begonnen zulehren, bevor de Gaulle geboren war. Kein anderer franzsischer Militr trug so viel wie Ptain zur

    jeweils verwirklichten Ausstattung der franzsischen Armee mit Panzern bei. Er war auch derstrkste franzsische Befrworter einer starken Luftwaffe. Ptain erkannte im Ersten Weltkriegdie entscheidende Bedeutung der Kriegsfhrung aus der Luft. Er schrieb damals:Die Flugzeug-Frage beherrscht den Krieg. Mit Luftberlegenheit knnten wir alleTruppenkonzentrationen in den feindlichen Reihen verhindern.Liddell Hart schrieb eindringlich bezglich Ptain und der militrischen Mechanisierung:Ptain erwies sich als einer der ersten und wenigen Fhrer, der die Funktionsweise desmodernen Krieges verstand, wie er von bewaffneten Industrienationen entwickelt worden war.Was de Gaulle anbetraf, so verdankte er seine militrische Karriere und Befrderunghauptschlich Ptain. Bei den Militrmanvern 1926 zeigte de Gaulle betrchtliche Originalitt.In Erinnerung an seine eigenen Schwierigkeiten bei der Bekmpfung archaischer

    Militrvorstellungen lie Ptain de Gaulle kommen und lie ihn zum Instrukteur an der Kriegs-schule ernennen. Spter machte er de Gaulle zu seinem Adjutanten und behielt ihn in dieserStellung, solange er bei der Armeefhrung war. 1932, nachdem de Gaulle sein erstesBuchDie Philosophie der Fhrungverffentlicht hatte, empfahl Ptain ihn General Weygand, undde Gaulle wurde zum Generalsekretr des Obersten Rates der Nationalen Verteidigung ernannt. DeGaulle reagierte in angemessener Weise: er widmete seine Bcher Ptain und pries PtainsMilitrgenius. Noch 1938 stellte er in einem Buch fest, da Ptains Meisterschaft in der Taktik soherausragend war, da sie fast eher als ein Naturgesetz, denn als eine menschliche Handlungerschien. Whrend der ganzen 30er Jahre arbeitete Ptain khn, unermdlich und fast ohne Hilfeanderer fr die grndliche Mechanisierung der franzsischen Armee, und drngte vor allemauf die Bildung einer franzsischen Luftwaffe, die mit der NS-Deutschlands mithalten oder sie

    bertreffen konnte. All dies steht in ausgeprgtem Kontrast zu der Lethargie und Selbstgeflligkeitder Volksfront bei Militr- und Verteidigungssachen. Zu dieser Zeit sagte Leon Blum selbst:Wir [die Sozialisten] lassen nicht einmal den Gedanken an einen mglichen Krieg zu.

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    Foch, der als Autoritt fr die franzsischen Sozialisten sprach, erklrte, da alle energischenSchritte, die geeignet wren, Frankreich zu rsten, den Krieg mit NS-Deutschland nurunvermeidlicher machten. Wie A. Williams es formulierte:Die franzsische Luftwaffe war im roten Dreck versumpft.Aber viele der Bcher, die erschienen sind und Ptain anprangern, weil er die franzsischeVerteidigung vor 1939 unterminiert habe, wurden von frheren Anhngern der lethargischen

    Volksfront-Koalition verfat. Obwohl Ptain von seiner politischen Philosophie her sicher-lich kein begeisterter Republikaner war, war er ein Militr par excellence, der loyal der jeweiligenfranzsischen Regierung diente. Whrend des Bestehens der Republik verhielt sich Ptaindurch und durch loyal zu ihr. Wie Stanton Leeds es formulierte:Ptain, der einflureichste aller Generale, war ein Republikaner, der mehr als jeder anderedas Regime zur Zeit des Stavisky-Skandals rettete.Ptain war alles andere als ein Vorkriegs-Kollaborateur mit den Deutschen, und trat mehr als

    jeder andere prominente Franzose mit Warnungen vor der Gefahr der NS-Militrbedrohung hervorund drngte seine Landsleute, sich dafr zu wappnen. Tatschlich sagte er in einem Artikel in der

    Revue des deux Mondes am 1. Mrz 1935 mit bemerkenswerter Przision genau die Art Blitzkriegvoraus, mit der Frankreich im Frhjahr 1940 erobert wurde. Er machte deutlich, da Frankreich

    selbst 1935 nicht darauf vorbereitet war, einer solchen Invasion Widerstand entgegenzustellen,und warnte, da die diesbezglich herrschende derzeitige Ungleichheit zwischen Frankreich und

    Deutschland von 1936 an wahrscheinlich noch schlimmer werde.Er betonte besonders die Tatsache, da zufriedenstellende und sichere Beziehungen mit Deutsch-land nur aufrecht erhalten werden knnten, wenn Frankreich mit Deutschland volle militrischeParitt behielt, zahlenmig wie auch militrtechnisch, und in der Lage sei, Gewalt mitGewalt zu erwidern. Ein ausgezeichnetes und gutfundiertes Urteil ber Ptains Bemhungen,Frankreich zu warnen und zu rsten, erging durch Paul Bernier, den Abgeordneten der RadikalenSozialisten in seinem Parlamentsbericht im Mai 1939:Mit klarer Voraussicht fr die mglichen Entwicklungen hatte der groe Soldat vorzglich dieGrundlage fr die zu errichtende Struktur gelegt, war durch das Land gereist, um seine Plne

    zu erlutern, er brachte in alles Belebung und zeigte sich immer besorgt um den Schutz derZivilbevlkerung gegen eine zunehmend wachsende Gefahr.In bezug auf die vielen weltbekannten militrischen Fehler, ber die seit 1939 geschriebenwird, ist keine Behauptung absurder als die, da sich die franzsische Armee 1940 nach

    Nordafrika htte zurckziehen und eine Zeitlang mit beeindruckendem Erfolg htte kmpfenknnen. Es war General Weygand und nicht Ptain, der seine Regierung im Juni 1940 wiederholtdarber informierte, da eine weitere aktive Kriegfhrung gegen die Deutschen unmglich sei.Bevor Ptain um einen Waffenstillstand bat, hatte die Regierung drei ihrer besten Militrexperten

    per Flugzeug nach Nordafrika geschickt, um die Mglichkeit zu prfen, den Krieg dortweiterzufhren. Diese Fachleute uerten einmtig und bestimmt die Ansicht, da jeder

    Gedanke an eine Fortfhrung des Krieges in Nordafrika uerst verwegen sei. Es war einehoffnungslose Lage. Wenn im Juni 1940 in Nordafrika Widerstand geleistet worden wre, istsogar uerst wahrscheinlich, da die Nationalsozialisten, die Italiener und Spanier in Nordafrikaeingefallen wren und vor Ende des Sommers das ganze Mittelmeerbecken eingenommenhtten. Es ist sehr wahrscheinlich, da die Nationalsozialisten schnell ganz Spanien besetzt htten.Wahrscheinlich rettete der Waffenstillstand sogar England, indem die Englnder eineAtempause erhielten, die sie uerst ntig hatten, um sich nach dem Schock der Katastrophevon Dnkirchen zu erholen und zu reorganisieren. Das wurde von mageblichen englischenMilitrs zugegeben. Kein geringerer als gerade Winston Churchill erklrte vor dem ame-rikanischen Kongre, daniemand zu sagen vermag, welches Unglck und Leid uns beschieden worden wre, wenn

    sich Deutschland entschieden htte, nach dem franzsischen Zusammenbruch im Juni 1940 in dieBritischen Inseln einzufallen.Wir wissen jetzt, da die Englnder ihre Zustimmung dazu gaben, da Frankreich um einen

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    Waffenstillstand bat, eine Tatsache, die Reynaud vor seinen Ministern verheimlichte.Als die franzsische Militrlage hoffnungslos wurde, stand Marschall Ptain zu seinem Land,anstatt in der Stunde der Gefahr und der Not wegzulaufen. Er war nicht eine jener .Ratten., diedas sinkende Schiff verlieen, um ins Ausland zu fliehen, dort ein gutes Leben zu fhren undErgsse gegen den Mann zu richten, der nicht vor der Aufgabe zurckschreckte, Frankreichdurch die grten Prfungen und Sorgen seiner Geschichte zu fhren, seit Julius Csar im Mrz 58

    v. Chr. Gallien betrat. Als Admiral William D. Leally nach seiner Ttigkeit als amerikanischerBotschafter bei der Vichy-Regierung im Sommer 1942 nach den USA zurckkehrte, gab er folgendeErklrung ab:Meine Beziehungen zu Marschall Ptain, der bei mir ein hohes Ansehen geniet, waren eng,herzlich, und den Interessen seines Volkes dienlich. Er steht unter stndigem harten Druck

    seitens der Besetzer, was es fr ihn uerst schwierig macht, viel von dem zu erreichen, was erzur Erleichterung Frankreichs tun mchte.Am 22. Juni 1945 schrieb Admiral Leally folgenden Brief an Marschall Ptain, und der Brief wurde

    beim Verfahren gegen den Marschall als berzeugender Beweis dafr vorgelegt, da Ptain niemalsfr eine Kollaboration mit den Nationalsozialisten war:Ich schtze Ihre persnliche Freundschaft und Ihren Einsatz fr das Wohl des franzsischen

    Volkes sehr hoch ein. Sie haben mir oft Ihre leidenschaftliche Hoffnung geuert, da die NS- Invasoren vernichtet wrden. Whrend dieser Zeit (1941-1942) unternahmen Sie auf meineBitte hin Schritte entgegen den Wnschen der Achse und zugunsten der alliierten Sache. JedesMal, wenn Sie meinen Empfehlungen, sich den Achsenmchten zu widersetzen und deren

    Forderungen zu verweigern, nicht folgten, legten Sie mir den Grund dafr dar, nmlich daein entsprechendes Handeln eine zustzliche Unterdrckung Ihres Volkes durch die Besetzer

    zur Folge htte. Ich hatte damals wie heute die berzeugung, da Ihre Hauptsorge dasWohl und der Schutz des schutzlosen franzsischen Volkes war. Der Gedanke, da Sie irgend einanderes Interesse htten, war mir unvorstellbar.Das ist die Beurteilung eines groen und rechtschaffenden amerikanischen Patrioten, einesMannes, dessen Fhigkeit und Scharfsinn Prsident Roosevelt so sehr vertraute, da er ihn

    praktisch mit der Fhrung der amerikanischen Kriegsanstrengungen betraute. Die durch Prof.Louis Rougier zwischen der Churchill-Regierung und Vichy ausgehandelte bereinkunft, die am28.Oktober 1940 unterschrieben und im folgenden Monat von beiden Regierungen ratifiziertwurde, ist ein ausreichender und berzeugender Beweis dafr, da sich Churchill und seineVerbndeten sicher waren, da Ptains Sympathie und Politik vollstndig auf Seiten Frankreichsund der Alliierten waren.Die - wenngleich negative - Wrdigung der Nationalsozialisten bezglich Ptains mutigerVerteidigung der franzsischen Interessen whrend der NS-Herrschaft kommt am besten durcheinen heftigen Brief von Ribbentrops vom 29. November 1943 an Ptain zum Ausdruck, in demvon Ribbentrop Ptain in bezug auf die Vichy-Regierung wegen des stndigen Kampfes und

    dauernden Widerstands gegen die NS-Politik kritisierte. Beim Gerichtsverfahren kam heraus,da von Ribbentrop Ptain als alter Immer-Nein bezeichnet hatte, aufgrund seinesunberwindlichen Willens, sich der Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zu widersetzen.Man kann Ptain als Staatschef von Vichy nur dann fair und vernnftig beurteilen, wenn man seineHandlungsweise vor dem historischen Hintergrund betrachtet. Mehr als jeder andere Franzose hattePtain vergeblich versucht, Frankreich in die Lage zu versetzen, dem deutschen Militrangriffwiderstehen zu knnen. Als sich dies im Juni 1940 als unmglich erwies, tat Ptain, was jedergroe franzsische Fhrer, der kein Verrter, Feigling oder Handlanger war, getan htte:nmlich zu seinem Land zu stehen und fr dieses zu erreichen, was unter dem Stiefel desEroberers mglich war. In dieser Lage bedurfte Frankreich wie nie der Dienste eines tapferenPatrioten, der willens war, in der Stunde der grten Not bei seinem Land auszuharren.

    Das Urteil der Geschichte wird vielleicht sein, da kein anderer mehr als Marschall Ptain htteerreichen knnen, als es darum ging, die Nationalsozialisten hinzuhalten und unter derVichy-Regierung fr sein Volk die bestmglichen Bedingungen zu erlangen. Wenn er von den

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    Deutschen gezwungen wurde, Beamte bei sich zu haben, deren Motive und politischeZielsetzungen fragwrdig waren, konnte er nichts dagegen tun. Im November 1940 sagte Ptain zuProf. Louis Rougier: [Pierre] Laval ist der Mann, den ich am meisten auf der Weltverabscheue, aber die politische Lage und der deutsche Druck zwangen den Marschall, Lavaleinzusetzen. Es ist wenig verstanden worden, in welch hohem Grad die Existenz des Vichy-Regimes und die Politik Marschall Ptains fr Frankreich und die Alliierten von Nutzen war. Er-

    stens hinderte der Waffenstillstand und die Bildung der Vichy-Regierung die Deutschen daran, ganzFrankreich zu besetzen.

    Dr. Mntrel war sowohl Marschall Ptains Arzt, als auch Leiter seines Privatsekretariats. Hier sehen wirden Marschall auf seinem tglichen Spaziergang mit Mntrel in Vichy. Entgegen einem Gercht, da

    Ptain, der Nierenbeschwerden hatte, Drogen nehme, gab ihm Mntrel nur Sauerstoff. Zuvor war MntrelsVater Arzt des Marschalls gewesen. Nach dem fehlgeschlagenen Attentatsversuch auf Adolf Hitler wollte

    Ptain dem deutschen Kanzler seine Glckwnsche senden: Das ist nur elementare Hflichkeit von einemStaatsoberhaupt zum anderen. Aber Mntrel protestierte emprt: Nein, das franzsische Volk wrdedas nie verstehen.

    Wenn die Nationalsozialisten auch das von der Vichy-Regierung kontrollierte Gebiet besetzthtten, htten sie mehr Waren, Nahrungsmittel, Militrbasen und Leute Deutschland zugutekommen lassen knnen, als es so der Fall war. Das war ein erster groer Vorteil fr Frankreich unddie Alliierten. Ptain vereitelte Lavals Plan, Frankreich in einen Krieg mit England zuverwickeln, indem er die franzsische Flotte zur Eroberung Brazzavilles schickte. Ptainschickte General Weygand nach Nordafrika, um dies fest gegen italienischen und deutschen Druckzu halten, was ihm gelang. Weygand widersetzte sich den Forderungen sowohl der Italiener wieauch Rommels. Er hielt die Eingeborenen unter Kontrolle und organisierte das Rckgrat fr eineArmee. Diese Vichy-Politik in Nordafrika, die von Weygands Nachfolger fortgefhrt wurde, retteteEngland das Mittelmeer. Churchill gab zu, wenn die franzsischen Hfen in Afrika den Deut-

    schen in die Hnde gefallen wren, dann htten die Briten das ganze Mittelmeerbecken aufgebenmssen. Auerdem erleichterte die franzsische Afrikapolitik der Vichy-Regierung die Landungder amerikanischen Truppen im November 1942 in Italien. Es ist daher nicht mglich zu sagen, wieviel lnger der europische Teil des Krieges ohne die Vichy-Regierung und Ptains Politik htte

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    dauern knnen. Was sein eigenes Volk anging, so bewahrte Ptain es nicht nur vor einer direktendeutschen Unterdrckung, sondern war durch Prof. Rougier in der Lage, auf Churchill einzuwir-ken, die Blockade gegen Vichy in gewissem Umfang aufzuheben, und somit fr die leidendeBevlkerung mehr Nahrung zu bekommen. Schlielich bewirkten Ptains Reformen undadministrativen Bemhungen die bestmgliche Nutzung von Nahrung und Waren fr die Franzosenim Vichy-Gebiet. Es war fr die prominenten und wortreichen franzsischen Exilanten einfach, in

    einem luxurisen Londoner Hotel oder in einem Penthouse in der New Yorker City zu sitzen undden Marschall zu kritisieren, weil er nicht Hitler ins Gesicht spuckte. Aber Ptains Kritikerwaren zuerst darauf bedacht, da sie auerhalb der Reichweite aller deutschen Kanonenund Gauleiter in Sicherheit waren. Wenn wir zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichenIdealen Marschall Ptains kommen, sind die Tatsachen klar, wenn auch absolut nicht einfach.Ptain ist beschuldigt worden, ein Monarchist oder ein Faschist usw. zu sein. Seine Ideale vom

    perfekten Staat lassen sich aber nicht in das Raster einer bestimmten politischen Richtungpressen. Der Kern von Ptains politischer Ideologie ist ein sentimentaler katholischerNationalismus, der fr ihn durch Jeanne d.Arc symbolisiert wird. Ihr Name und ihre Taten tauchenin seinen Reden ber Frankreich in dessen jngster Stunde der Gefahr immer wieder auf. Jeanned.Arc ist die stndige Mahnung, da sich Frankreich aus dem Abgrund erheben und alle

    Schwierigkeiten und scheinbar unbezwingbaren Hindernisse berwinden kann. Aber der fr vielePatrioten und engagierte Kirchenleute typische Fanatismus wurde bei Ptain durch seine Bewun-derung fr die Toleranz und Weltgewandtheit seines franzsischen Lieblingsverfassers Michel deMontaigne gedmpft. Der politische Hauptmentor Marschall Ptains war Bischof Bossuet, dergroe franzsische Verfechter des Gottesgnadentums. Aber Ptain war Realist genug um zuwissen, da die ra der Monarchie der Vergangenheit angehrt. Er war kein Royalist; von Bossuethat er nur die Idee des autoritren Staates bernommen, in dem der Fhrer nicht so sehr demVolk gegenber verantwortlich ist, sondern fr das Volk und dessen Wohlergehen. In der Frage, wasder Fhrer zugunsten seines Volkes tun sollte, sucht Ptain in der jngeren politischen undwirtschaftlichen Literatur Rat. Er ist sehr stark von dem franzsischen katholischen SozialreformerFrederic Le Play beeinflut worden, der die Wichtigkeit betonte, in Frankreich die patriarchalischeFamilie mit ihrer Ordnung und Fruchtbarkeit wiederzubeleben, sowie die grundlegende sozialeBedeutung der natrlichen geographischen Gliederung und die fundamentale Rolle der Landwirt-schaft fr eine gesunde Wirtschaft. Vom Fhrer des franzsischen katholischen Sozialismus GrafAlbert de Mur bernahm Ptain die Vorstellung, da der Staat eine umfassende Kontrolle berdas Wirtschaftsleben ausben mu. Aber die Art, wie diese Kontrolle sichergestellt unddurchgefhrt werden soll, hat Ptain von Frankreichs administrativen Syndikalismus eines EmileDurkheim und anderer bernommen. Der quasi-sozialistische Staat, den Ptain vor Augen hat,wirkt ber einen korporativen Aufbau. Das ist die einzige erkennbare hnlichkeit, die Ptains

    politische und wirtschaftliche Theorien mit dem Faschismus haben, aber der administrativeSyndikalismus kann augenscheinlich nicht mit Faschismus gleichgesetzt werden. Er knnte von

    den radikalsten Wirtschaftsreformern benutzt werden, und wurde so von niemandem anderem alsden revolutionren franzsischen Syndikalisten befrwortet. Ptain versuchte in seinen whrendder Vichy-Regierung vorgeschlagenen Reformen des politischen und wirtschaftlichenLebens Frankreichs die obigen Ideale folgerichtig und entschlossen umzusetzen. Worin dieseReformen bestanden - zumindest auf dem Papier - wurde von Paul Vaucher in seinem

    bemerkenswerten Artikel ber Die nationale Revolution in Frankreich im Mrz 1942 inPoliticalScience Quarterly gut beschrieben. Deutscher Widerstand und die Schwierigkeiten der Vichy-Zeit hinderten die meisten dieser Reformen, ber die Existenz auf dem Papier hinauszugehen, abersie zeigen deutlich genug die Ideen und politischen Ziele von Marschall Ptain als Staatsmannund Sozialreformer. Diese Vorstellungen zielen auf die Errichtung eines autoritren Staates, in dember Stnde der gehobenen Berufe und der Industrie ein ausgeklgeltes Programm fr eine

    durchorganisierte Gesellschaft verwirklicht werden sollte, das die Landwirtschaft, das Hand-werk und den Handel umfassen sollte, im Interesse eines blhenderen Frankreichs. Aber all daserforderte als Grundlage eine Wiederbelebung der franzsischen Familie, die die Geburtenrate

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    erhhen und den Kindern patriotischen Eifer einflen sollte. Jeder, der meinen geistigen und politischen Standort kennt, wird sofort feststellen, da eine militrische Laufbahn, Eiferfr katholischen Autorittsglauben, intensiver Nationalismus und dergleichen das letzte ist, zudem ich mich persnlich hingezogen fhle. Da ich aber, wie Ptain, Montaigne bewundere, kannich einen Ehrenmann achten, der von Auffassungen berzeugt ist, die von den meinen abweichen.Meiner Meinung nach gab es in der ganzen Geschichte Frankreichs keine noblere Persnlichkeit als

    Henri Philippe Ptain, und ich glaube, da er von Verfassern schlecht gemacht und von Politikernangegriffen wird, die weder durch einen rechtschaffenen Charakter noch durch wirklicheOpferbereitschaft fr Frankreich qualifiziert sind, dem Marschall die Stiefel zu putzen. Ich teile diemeisten der politischen Ansichten seiner heutigen Angreifer, aber ich kann ihre Lgen nichtleiden. Und ich glaube darber hinaus, da ihre Lgen ihre vernnftigen politischen undwirtschaftlichen Zielsetzungen vergiften und gefhrden und ihr Verdienst schmlern, Frankreich zurehabilitieren. Man kann nichts Passenderes finden, um diese kurze bersicht ber PtainsLaufbahn und Ideen abzurunden, als die bestimmte und klar umrissene Wrdigung durch Col.Charles Sweeny in seinem wichtigen Buch Moment of Truth ber den Platz, den der Marschall inder jngsten Geschichte einnimmt:Bevor wir den franzsischen Schauplatz verlassen, neigen wir uns voller Achtung vor dem alten

    Marschall in seinem Leid. Trotz aller Verleumdungen und Beschimpfungen hat er uns zwei Jahrelang gut gedient. Wenn wir jetzt in Nordafrika sind, wenn sich in der ganzen Welt Franzosenum uns sammeln, verdanken wir es ihm, seinem Mut, seiner Hartnckigkeit, seinem

    Heroismus. [.] Als die Katastrophe kam, verlieen die Politiker, die Profitmacher, die Feiglinge und die Schwchlinge das Schiffswrack wie ein Haufen dreckiger Ratten. Vom sicheren Hafen der Vereinigten Staaten oder Englands aus spuckten sie dann ihreGehssigkeit gleichermaen auf Kapitn, Mannschaft oder Passagiere des Hinterdecks, die aufdem Schiff geblieben waren und weiterhin versuchten, es sicher in den Hafen zu bringen. Wennder Sieg errungen ist, wenn wir unsere Fahnen auf den Ruinen von Berlin aufgepflanzthaben, sollten wir des ersten Baumeisters unseres Sieges, Henri Philippe Ptain, dem Marschallvon Frankreich gedenken.Meiner Meinung nach gab es in Frankreich seit den Tagen von Oberst Henry und MajorEsterhazy, den Hauptschuldigen der Dreyfu-Affaire, keine verantwortungslosere Person desffentlichen Lebens, als die Anklger Ptains. Und ich zweifle daran, da es in der Geschichte seitder Zeit, da Pontius Pilatus Jesus Christus der Kreuzigung bergab, ein abstoenderes Paradoxongab, als die Farce Charles de Gaulles, der aus Frankreich geflohen war, als das Land in Gefahr war,und der dann das Todesurteil des Mannes umwandelte, der bei vier aufeinanderfolgendenAnlssen "der Retter Frankreichs" gewesen war.

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