Barrieren auflösen und Teilhabe gestalten:

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Barrieren auflösen und Teilhabe gestalten: Differenz, Antidiskriminierung und Inklusion als Entwicklungsauftrag Vortrag auf dem Symposium „Vielfalt leben - Zukunft gestalten. Interkulturalität, Diversität, Antidiskriminierung“, veranstaltet vom Pädagogischen Institut München, am 26./27.02.2013 in München Prof. Dr. Mechtild Gomolla

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Barrieren auflösen und Teilhabe gestalten:

Differenz, Antidiskriminierung und Inklusion als

EntwicklungsauftragVortrag auf dem Symposium „Vielfalt leben - Zukunft gestalten.

Interkulturalität, Diversität, Antidiskriminierung“, veranstaltet vom Pädagogischen Institut München,

am 26./27.02.2013 in München

Prof. Dr. Mechtild GomollaHelmut Schmidt-Universität Hamburg

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Neue Leitbegriffe im Feld von Migration und Bildung:

• Interkulturelle Öffnung

• Diversity Education/ Management

• Inklusion

• Antidiskriminierung …26. Februar 2013 2

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Konturen eines neuen Paradigmas:

1. Vielfalt, Veränderlichkeit und Interaktion von Differenzmerkmalen

2. Verbindung demokratischer Bildung mit Maßnahmen gegen Bildungsungleichheit

3. Mainstreaming-Strategien

4. Organisations-/Qualitätsentwicklung als Rahmen für Praxisentwicklung

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Engführungen vorherrschender Bildungs-konzepte für die Migrationsgesellschaft:

• ‚Ausländerpädagogik‘– kompensatorische Maßnahmen– um regulären Unterricht und

Schulorganisation gelagerte ad hoc-Maßnahmen mit additivem Charakter

• Interkulturelle Bildung– primär Erweiterung der Lehrpläne um Aspekte

der Differenz– regulärer Unterricht und Organisationen

bleiben weitgehend ausgeblendet

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Gliederung:

1. Einführung

2. Institutionelle Diskriminierung2.1 Was ist institutionelle Diskriminierung2.2 Interventionspunkte

3. Die Gerechtigkeitstheorie Nancy Frasers3.1 Gerechtigkeit als dreidimensionales Konzept3.2 Ein nicht-identifizierendes Konzept von Anerkennung

4. Migrationspädagogische Strategien zwischen Affirmation und Transformation

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Institutionelle Diskriminierung

Ungleichheitseffekte werden – ohne von unmittelbar diskriminierenden Absichten und Einstellungen der Akteure auszugehen – mit institutionellen Handlungskontexten in Beziehung gesetzt:

rechtliche und politische Vorgaben organisatorische Strukturen, Programme, Routinen, institutionelle Wissenshaushalte

(vgl. Feagin/Feagin 1986; Gomolla/Radtke 2002/2007; Hormel/Scherr 2004; Gomolla 2005)

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Institutionelle Diskriminierung

• Direkte (unmittelbare) Diskriminierung– hoch formalisierte Praktiken (z.B. per Gesetz)– informelle Praktiken und Routinen in

Organisationen• Indirekte (mittelbare) Diskriminierung

– benachteiligende Wirkungen durch das gesamte Setting, die bestimmte Gruppen überproportional treffen

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Antidiskriminierungsrichtlinien der EU/ Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz BRD

mittelbare Diskriminierung:„wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können“

(EU 2000a, Art. 2, Abs. 2 a, b;vgl. entsprechenden Passus im AGG § 3, Abschnitt 2)

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Institutionelle Diskriminierungresultiert aus Zusammenwirken von• rechtlichen und politischen Vorgaben (z.B. Einwander-

ungs- und Aufenthaltsgesetze, Bildungsrecht)• Organisationsstrukturen und -kulturen (z.B. gegliedertes

Schulsystem, lokales Bildungsangebot, Organisations-strukturen und -kulturen einzelner Schulen)

• Professionskulturen / pädagogischer Common Sense (z.B. Strategien des ‚Übersehens‘, Wissens- und Deutungshaushalte)

• Wertorientierungen im breiteren sozio-kulturellen Kontext, die auf die Praxis in Organisationen normierend einwirken (z.B. stereotypisierende Diskurse über ‚Migranten‘)

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Interventionspunkte gegen institutionelle Diskriminierung: Übernahme politischer Verantwortung, klarer Auftrag Kohärente Strategien Mainstreaming-Ansatz Komplexe Strategien der

Organisationsentwicklung Institutionelle Stützsysteme Längerfristige Perspektiven

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Komplexe Strategie der Organisationsentwicklung:Anpassung/Adaption von Arbeitsstrukturen,

pädagogischen Inhalten und Prozessen an Heterogenität

‚Organisationales Lernen‘: Befähigung von Personen und Organisationen, eigene Kontexte auf Barrieren für bestimmte Gruppen zu untersuchen und Veränderungen zu initiieren:„ihre Deutungen der bestehenden und der wünschbaren Situation explizit machen und untereinander austauschen … Vereinbarungen bzgl. dieser Situationsdeutungen und der erfor-derlichen Maßnahmen treffen“ (Heller u.a. 2000, 13)

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Gelingensbedingungen für Organisationsentwicklung:

Vorstrukturierte Programme Einbezug externer Expertise (Beratung,

Wissenschaft) Verbindung von Fortbildungen mit

Praxisentwicklung Spezifische Fortbildungen für unterschiedliche

Akteursgruppen Kooperation mit Vielzahl von Akteuren dialogische partizipations- und konfliktorientierte

Arbeitsweisen Neugierde auf ungewohnte Sichtweise und

Experimentieren Kultur des ‘Fehlermachens’ Sorgfältiges Auswerten

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Im 20. Jh. vorherrschende Modelle sozialer Gerechtigkeit:

Verteilungsgerechtigkeit (distributional) Umverteilung sozialer Güter

Anerkennungsgerechtigkeit (relational) soziale Anerkennung

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Übergreifende Definition von Gerechtigkeit:

gleichberechtigte Teilhabe„Nach dieser Norm erfordert die Gerechtigkeit gesellschaftliche Vorkehr-ungen, die allen (erwachsenen) Gesell-schaftsmitgliedern erlauben, miteinander als Ebenbürtige zu verkehren.“ (Fraser 2003, 54f.)

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Bedingungen gleichberechtigter Teilhabe:

• Objektiv: Verteilung materieller Güter, die Unabhängigkeit und Mitsprache der Gesellschaftsmit-glieder sicher stellt

• Intersubjektiv: Institutionalisierte kulturelle Wertmuster, die allen Partizipierenden gegenüber den gleichen Respekt zum Ausdruck bringen und für jeden die Möglichkeit bieten, soziale Wertschätzung zu erlangen

• Politisch: Festlegung von Grenzen politischer Gemeinwesen und Entscheidungsregeln, die sicher stellen, dass die Norm der partizipatorischen Parität dialogisch und diskursiv angewandt werden kann

(vgl. Fraser 2008, 60)

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Ein nicht-identifizierendes Konzept von Anerkennung

Fokus: Wirkungen institutionalisierter Normen auf die Fähigkeit zur Interaktion von Angehörigen unterschiedlicher Gruppen

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Zwei Strategien zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit:

affirmative Strategien korregieren unfaire Wirkungen gesellschaftlicher Strukturen, ohne die ursächlichen sozialen Strukturen anzugreifen

transformative Strategien beseitigen unfaire Wirkungen durch Restrukturierung des zugrunde liegenden strukturellen Rahmens

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Bildungspolitische und pädagogische Antworten auf Migration in Deutschland

Affirmation Transformation

Verteilungs-gerechtigkeit

spezielle kompen-satorische Maßnahmen für Kinder aus Einwanderer-/ armen Familien(„Ausländerpädagogik“)

Ausbau des AngebotsAbschaffung segregativer Schulstrukturen(Gesamtschule, Inklusion)

Anerkennung Vereinfachende, auf Dichotomien basierende interkulturelle/ antirassistische Bildungskonzepte

Dekonstruktion binärer Unterscheidungen

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Vor- und Nachteile affirmativer und transformativer Gerechtigkeitspolitiken

Affirmation TransformationVerteilungs-gerechtigkeit

Nachteile v.a.:-Ungleichheit wird nicht abgeschafft-Rückfall bzgl. Anerkennung

Vorteile v.a.:-durch Restrukturierung allgemeiner Bedingungen Minderung von Ungleich-heit, ohne stigmatisierte Gruppen zu schaffen-solidaristisch

Anerkennung Nachteile v.a.: -Essentialisierung und Verfestigung kollek-tiver Identitäten-Separatismus

Vorteile v.a.:-Aufbrechen herrschender Dichotomien, dezentrierte neue Gruppierungen-Interaktion über Differenzen hinweg

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Mittelwege zwischen Affirmation und Transformation:

Integration von Aspekten sprachlicher und soziokultureller Heterogenität und Zielen, Disparitäten in Bildungsresultaten abzubauen, in reguläre Schulentwicklung

Entwicklung, Lernen, Leistung von Kindern nicht mehr an homogenen Normen messen, sondern Raum für vielfältige Differenzen als Ressource von Interaktion und Lernerfahrungen eröffnen

Konkretes Beispiel:- Schulentwicklungsprogramm „Qualität in multikulturellen Schulen “ im Kanton Zürich/CH

Konkretes Beispiel:- Vorurteilsbewusste Bildung / Berliner Projekt Kinderwelten

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„Wir sind ja häufig noch defizitorientiert und wollen aber davon weg. Wir wollen wirklich die Stärken der Kinder sehen. Und, das ist eben eine Chance für das ganze Team, da kann man sich dann ganz anders auseinandersetzen. Wir erhoffen uns eigentlich, dass wir jedes einzelne Kind noch ein bisschen anders sehen und auch mit Vorurteilen ganz anders umgehen.Nachdem wir das Material für „Kinderwelten“ gelesen haben, da war uns allen bewusst, wie unbedacht wir mit unseren Vorurteilen zum Teil umgehen. Und wie wir das auf die Kinder übertragen, einfach so als Vorbild. Nicht dass wir es bewusst machen würden. Und das fanden wir schon interessant, da auch genauer hinzugucken, an uns zu arbeiten und das eben mit den Kindern gemeinsam auch zu machen.“

Marita Jansen, Leiterin einer Kindertageseinrichtung(aus: Gomolla 2007, S. 25)

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!