Bartels Et Al Nickern-Teil1 AFD 45 2003

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Arbeits- und Forschungsberichte zur SÄCHSISCHEN BODENDENKMALPFLEGE LANDESAMT FÜR ARCHÄOLOGIE · DRESDEN 2003 Band 45 · 2003

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Arbeits- und Forschungsberichte zurSÄCHSISCHEN BODENDENKMALPFLEGE

LANDESAMT FÜR ARCHÄOLOGIE · DRESDEN 2003

Band 45 · 2003

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Inhaltsverzeichnis

J. Oexle (Dresden), Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Bibliographie der Schriften von Reinhard Spehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

J. Schäfer (Berlin), T. Laurat (Jena) und J.F. Kegler (Köln), Bericht zu den Ausgrabungenam altsteinzeitlichen Fundplatz Markkleeberg 1999 bis 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

E. Miersch und A. Kühl (Freiberg), Geologisch-sedimentologische Untersuchungenam archäologischen Grabungs- und Fundplatz Markkleeberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

C. Tinapp (Leipzig), Aktivitäts- und Stabilitätsphasen während des Holozäns im Einzugsgebietdes unteren Weiße-Elster-Tales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

R. Bartels, W. Brestrich, P. de Vries und H. Stäuble (Dresden), Ein neolithisches Siedlungsareal mit Kreisgrabenanlagen bei Dresden-Nickern. Eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

E.M. Wesely-Arents (Göttingen), Das Gräberfeld der Lausitzer Kultur bei Bucze(Fundortbezeichnung Klein-Priebus) an der Neiße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

R. v. Rauchhaupt (Markkleeberg), Die eisenzeitliche Siedlung vom Windmühlenberg bei Nitzschka . . . . . . 197

A. Schmid-Hecklau (Leipzig), Archäologische Studien zu den Kontakten zwischen dem Markengebiet und Böhmen im 10. und 11. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

J. v. Richthofen (Görlitz), Die Landeskrone bei Görlitz – eine bedeutende slawische Befestigungin der östlichen Oberlausitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

V. Geupel (Dresden), Die Burgruine Lauterstein im Erzgebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

D. Scheidemantel (Dresden), Zur wechselvollen Geschichte des Leipziger Thomaskirchhofes . . . . . . . . . . . 341

S. Geck (Nossen), Zwischen Klostermauer und Klausur.Neue Erkenntnisse zur Bebauung von Altzella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

M. Strobel (Dresden), Hans Reinerth und Gustav Riek – Modernitätsflüchtlinge in einerungewissen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

Kleine Mitteilungen:U. Ickerodt und T. Schunke (Halle/Saale), Eine spätbronze- bis früheisenzeitliche Fundstellebei Haubitz, Lkr. Leipziger Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463K. Balfanz (Halle/Saale) und I. Kraft (Dresden), Die Ausgrabungen am Delitzscher Markt . . . . . . . . . . . . . 466R. Kluttig-Altmann (Leipzig) und M. Kügler (Görlitz), Abschied von Gouda – Sachsens Beitrag zur Emanzipation der deutschen Tonpfeifenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

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977 Sächs. Bodendenkmalpflege

1. Einführung in das Arbeitsgebiet

1.1. Stand der Feldforschung

Als altneolithischer Siedlungsraum ist der Dresdner Elb-talkessel seit langem in der Diskussion, zumal angesichtsseiner immer wieder postulierten Verbindungsrolle zwi-schen den archäologischen Kulturlandschaften Böhmensund des Mittelelbe-Saale-Gebietes. Vornehmlich an denmit Löss, respektive Lössderivaten bedeckten südwest-lichen Elbtalhängen im mittleren, buchtartig aufgewei-teten Abschnitt der Elbtalwanne gelang der Nachweis zahl-reicher linien- bis stichbandkeramischer Siedlungsplätze.Im Gegensatz zu den rechtselbischen Steilhängen sind dortaußer dem Lösssubstrat auch die morphologischen Gege-benheiten für eine frühneolithische Aufsiedlung günsti-ger: die von der Elbniederterrasse um 110 m ü.NN bis aufrund 300 m ü.NN hinaufführenden Hänge steigen sanfteran und werden insbesondere von zahlreichen zur Elbe ent-wässernden Bachläufen durchzogen. Diese perennieren-den Fließgewässer bilden gleichsam das Rückgrat des zona-len bandkeramischen Siedelmusters, wie es auch aus ande-ren Regionen hinlänglich bekannt ist. Einer dieser Sied-lungskorridore erstreckt sich entlang des Geberbaches inden Gemarkungen Dresden-Nickern und Kauscha.

Die archäologischen Beobachtungen in Nickern/Kau-scha gehen im Wesentlichen bis in die 1930er Jahre zurückund kulminierten in den vergangenen zehn Jahren in über20 Rettungsgrabungen (Abb. 1). Bis zu Beginn der 90erJahre des vergangenen Jahrhunderts waren es eher klein-flächige Untersuchungen im Rahmen von Schachtungs-arbeiten, Hausbauten etc. Erstmals gelang es 1958/59 W.Baumann, eine etwas größere zusammenhängende Flächeplanmäßig zu graben; neben stichbandkeramischen Sied-lungsbefunden wurden fünf Körpergräber der jüngerenLinienbandkeramik aufgedeckt1. In den Jahren 1961/62

1. Einführung in das Arbeitsgebiet (W. Brestrich)1.1. Stand der Feldforschung1.2. Das Geberbacheinzugsgebiet als bandkerami-

scher Siedlungsraum: Morphologie, Gewässer,Boden

1.3. Die räumliche Abgrenzung des bandkeramischenSiedlungsraumes

1.4. Einige Bemerkungen zum Straßenbauprojekt(H. Stäuble)

2. Die Grabungsflächen entlang des Geberbaches2.1. Die Siedlung in NIE-07 (H. Stäuble)2.2. Die Grabungsfläche DD-02, Fläche H

(W. Brestrich, H. Stäuble)3. Die Grabungsflächen DD-23, NIE-05; DD-49,

NIE-06 (W. Brestrich)3.1. Die Ausgrabung NIE-053.2. Die Ausgrabung DD-234. Die Doppelkreisgrabenanlage DD-98

(W. Brestrich)4.1. Topographie und Bodenschichtung4.2. Form und Maße der Anlage im Planum4.3. Grabenquerschnitte und Verfüllung4.4. Zum Verhältnis von Kreisgraben und Siedlung4.5. Fundmaterial und Zeitstellung4.6. Einordnung in den Kontext mitteleuropäischer

Kreisgrabenanlagen5. Das bandkeramische Gräberfeld in NIE-04

(P. de Vries)5.1. Zwei weitere Gräber in NIE-06 (R. Bartels)6. Die vierfache Kreisgrabenanlage in NIE-09

(H. Stäuble)6.1. Datierung der vierfachen Kreisgrabenanlage6.2. Größe und Form im Planum6.3. Profilform und -tiefe 6.4. Volumenberechnung und Bau 7. Kreisgrabenanlagen im Überblick (H. Stäuble)7.1. Weitere Kreisgrabenanlagen aus Sachsen7.2. Eine neue Kartierung des alten Phänomens7.3. Orientierung der Zugänge7.4. Herstellung der Gräben, Wälle, Palisaden7.5. Das Ende der Grabenanlagen7.6. Mögliche Funktionen

Ein neolithisches Siedlungsareal mit Kreisgrabenanlagen bei Dresden-Nickern. Eine Übersicht

Von Rainer Bartels, Wolfgang Brestrich, Patrice de Vries und Harald Stäuble

1 W. Baumann, Körpergräber und Siedlung der Bandkeramikin Dresden-Nickern. Arbeits- u. Forschber. sächs. Bodendenk-malpfl. 7, 1960, 95–138. – Die seinerzeit von Baumann nichtgeöffneten Zwischenflächen konnten im Jahre 2002 im Zuge des Autobahnzubringerbaus archäologisch untersucht werden(NIE-04), vgl. Kap. 5.

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setzten sich die Ausgrabungen, gleichfalls unter der Leitungvon W. Baumann, auf 2000 m2 innerhalb des bandkera-mischen Siedlungsplatzes etwa 100 m hangabwärts fort(DD-49). Jetzt waren deutlichere Siedlungsstrukturen mitmehreren Hausgrundrissen erkennbar; leider wurden nurTeilaspekte dieser Grabungen in Vorberichten publiziert2.Ein weiterer punktueller Aufschluss hangaufwärts, 70 mwestlich der Grabungsstelle von 1958/59 erfolgte 1963;Baumanns Interpretation zufolge handelt es sich um einGrubenhaus von 4,4 x 2,36 m Fläche, das er in die jüngereStichbandkeramik datiert3. Nach den Erkenntnissen der60er Jahre schien damit auch die westliche Peripherie derbandkeramischen Siedlungszone erreicht. Dass diese je-doch um mehrere hundert Meter weiter nach Westenreicht, erwiesen baubegleitende Beobachtungen 1976 und1978 in zwei Leitungsgräben, die von Nickern hangaufwärtsnach Kauscha gezogen wurden. In unregelmäßigen Abstän-den fanden sich immer wieder bandkeramische Gruben; amSüdwestende der Leitungstrasse von 1976 wurden beiflächenhaften Planierungen für Hochwasserbehälter ver-mutlich zahlreiche Befunde undokumentiert vernichtet.Die 1980er Jahre erbrachten keine weiteren Fundmeldun-gen. Großflächige archäologische Untersuchungen setz-ten dann 1993 innerhalb des geplanten GewerbegebietesNickern ein (DD-02). Unter Ausklammerung zahlreicherFehlstellen (Lehmgruben) verblieben acht archäologischrelevante Areale (Flächen A–H) von 20 ha Gesamtfläche;mit wechselnden zeitlichen Schwerpunkten erschloss sichso ein Querschnitt durch die Vorgeschichte der Elbtal-weitung vom Frühneolithikum bis in slawische Zeit4.

Einen vorläufigen Schlussstrich unter die großflächi-gen Ausgrabungen zog die komplette Untersuchung einerZubringertrasse (S 191) zum geplanten Neubau der BAB17, Dresden-Prag, die vom Frühjahr 2002 bis zum Früh-jahr 2003 durchgeführt wurde. Mit ihr gelang ein mehrereisolierte Grabungsflächen der vergangenen Jahrzehnte ver-bindendes Transsekt durch eine neolithische Siedlungs-landschaft. Dresden-Nickern weist damit im oberen Elb-tal die höchste archäologische Aufschlussdichte inner-halb eines bandkeramischen Siedelraumes auf und bietet die besten Voraussetzungen für eine Mikroregionanalyse5.

1.2. Das Geberbacheinzugsgebiet als bandkera-mischer Siedlungsraum: Morphologie, Gewässer,Boden

Regionalgeographisch ist der hier in Rede stehende RaumTeil eines Richtung Ostnordost einfallenden unteren Elb-talhanges, der zunehmend abflachend Richtung Elbnieder-terrasse ausläuft. Die bandkeramische Siedelzone umfasstin etwa die Höhenmarge zwischen 180 und 140 m ü.NN.

Typisch, wie für fast alle bandkeramischen Siedlungsplätzeder Elbtalweitung, ist eine relative Elbferne. Sie beträgt fürNickern rund 5 km, verkürzt sich jedoch bei einem Bezugauf die alte holozäne Elbschleife bei Dresden-Dobritz aufetwa 3 km.

Die rezente Geländemorphologie ist im Detail durchwechselnde Hangneigungen, kuppenartige Situationensowie durch unterschiedlich tief eingeschnittene Trocken-tälchen gegliedert. Die urbane Überprägung der Regionverschleiert in zunehmendem Maße dieses Bild, das beieinem Blick auf das Sächsische Meilenblatt, den Land-schaftszustand des späten 18. Jahrhunderts wiedergebend,jedoch plastisch vor Augen tritt (Abb. 2). DominantesStrukturelement ist das Tal des Geberbaches, der, wie diemeisten linkselbischen Gewässer, mit seinem Oberlauf tiefeinschneidet, auf der Höhe des mittelalterlichen Ortskernsvon Nickern allmählich sein Engtal verlässt und sich vonda ab durch den abflachenden Elbtalhang Richtung Nie-derterrasse windet. Dies hat zur Konsequenz, dass dasräumliche Zueinander von bandkeramischer Siedlungs-zone und Geberbachgrund im westlichen, hangaufwär-tigen Abschnitt durch einen Steilhang geprägt wird, wäh-rend hingegen im hangabwärtigen, östlichen Teil eine wei-test gehende Höhennivellierung eintritt (Abb. 1). DerAuenbezug ist damit in Nuancen verschieden.

Das Basisrelief der Region wird durch den im Unter-grund anstehenden Pläner (Oberkreide) geprägt, den unter-schiedlich mächtige, weichselkaltzeitliche Lösse/Lösslehmeüberdecken; das Geberbachtal ist mit Auelehm und Kies, dieTrockentälchen sind z.T. mit umgelagertem Löss verfüllt6.

2 W. Baumann, Zwei bandkeramische Steingerätedepots vonDresden-Nickern. Ausgr. u. Funde 7, 1962, 69–74; ders., BemalteGefäßscherben der Bandkeramik aus Dresden-Nickern. Ausgr.u. Funde 10, 1965, 66–67. – Zu botanischen Aspekten: W. Bau-mann/J. Schultze-Motel, Neolithische Kulturpflanzenreste ausSachsen. Arbeits- u. Forschber. sächs. Bodendenkmalpfl. 18,1968, 9–28. – Nachweis von Emmer und Erbsen (Pisum sativumL), darunter auch vier Wilderbsen (Pisum elatius Steven).

3 W. Baumann, Ein stichbandkeramisches Grubenhaus vonDresden-Nickern. Ausgr. u. Funde 9, 1964, 66–69; die Anspra-che als Grubenhaus sollte kritisch überprüft werden.

4 S. Kurz, Archäologische Untersuchungen im GewerbegebietDresden-Nickern 1 – eine Bestandsübersicht. Arch. aktuell Frei-staat Sachsen 2, 1994, 23–30; U. Kreher, Ich sehe was, was Dunicht siehst! – Untersuchung von Siedlungsstrukturen in Dresden-Nickern mit physikalisch-chemischen Methoden. Ebd.31–38.

5 Zu allgemeinen Aspekten des archäologischen Raumes „Obe-res Elbtal“ vgl. W. Brestrich, Gedanken zur archäologischen Kulturlandschaft des oberen Elbtals. In H. Küster/A. Lang/P. Schauer (Hrsg.), Archäologische Forschungen in urgeschicht-lichen Siedlungslandschaften. Festschrift für Georg Kossack zum75. Geburtstag (Regensburg 1998) 67–90.

6 Vgl. Geologische Karte des Freistaates Sachsen 1 : 25 000, Bl. 5048 Kreischa (Freiberg 1999) und Bl. 4948 Dresden (Frei-berg 2001).

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Abb. 2. Ausschnitt aus dem Sächsischen Meilenblatt Nr. 283 (Berliner Ausgabe) mit schematischer Darstellung des bandkeramischenSiedlungsraumes. M. ca. 1:15 000 (Sächsisches Hauptstaatsarchiv).

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Die Entkalkung des Lösses ist im gesamten NickernerRaum stark fortgeschritten, die Entkalkungsgrenze liegtgemäß wiederholter Beobachtung 1–2 m unterhalb derOberkante des B-Horizontes7.

Gezielte Untersuchungen zum Paläorelief und zurBodenentwicklung erfolgten bislang nur vereinzelt8. InUmrissen zeichnet sich ein mosaikhaftes Bild von Erosionund kolluvialer Akkumulation ab, wobei vielfach erosiveErscheinungen dominieren. Dies hat zur Folge, dass Resteeines fossilen A-Horizontes meist nur noch punktuellüberliefert sind, sehr häufig das Terrain aber bis zum B-Horizont gekappt war. Neolithische Besiedlungsober-flächen sind nirgends mehr vorhanden. Die ursprünglichim gesamten Gebiet der linkselbischen Lösshänge vor-auszusetzenden Schwarzerden erhielten sich pedogene-tisch betrachtet in unterschiedlichen Zuständen, von ver-braunter Schwarzerde über Parabraunerde bis hin zurextrem lessivierter Fahlerde9. Ein 2002 untersuchter Auf-schluss (GOP-06) innerhalb eines zugeflossenen Trocken-tälchens außerhalb des eigentlichen bandkeramischen Sied-lungsareals erbrachte z.B. den Nachweis einer reliktischenSchwarzerde (Abb. 3), deren Degradierung noch nicht soweit fortgeschritten war wie die der Parabraunerde, die ander einige hundert Meter hangabwärts gelegenen Peri-pherie des Siedlungsareals (GOP-03) festgestellt wurde.Die Erhaltung solcher reliktischer Schwarzerdehorizontevon bis zu 40 cm Mächtigkeit ist meist an eine kolluvialeÜberdeckung gekoppelt. Abgesicherte Erklärung für dieunterschiedlichen pedogenetischen Erhaltungszuständestehen derzeit nicht zur Verfügung.

Von den für den bandkeramischen Standort wichtigenGeofaktoren konnten somit bislang nur die Grundzügeder Morphologie sowie der Bodenbildung in Ansätzenerforscht werden, zu Auen- und Fließgewässerentwick-

lung, Vegetation und Mikroklima fehlen nach wie vorgrundlegende Daten. Deutlich wird auf jeden Fall das Ausmaß landschaftlicher Umgestaltung im Verlaufe desHolozäns, das quellenkritisch bei der Analyse der archäo-logischen Quellen mitberücksichtigt werden muss.

1.3. Die räumliche Abgrenzung des bandkera-mischen Siedlungsraumes

Durch die Vielzahl archäologischer Aufschlüsse entlangdes Geberbachtales kann für die Elbtalweitung erstmalsder Versuch gewagt werden, die Flächenhaftigkeit einesbandkeramischen Siedlungsplatzes verlässlicher zu be-stimmen (Abb. 1; Beilage 2). Natürlich verkörpert der soermittelte „Umriss“ nur das Endresultat eines Jahrhun-derte währenden Prozesses, der, soweit beim Fehlen einer

Abb. 3. Ausschnitt eines geolo-gischen Profils durch ein verfüll-tes Trockentälchen außerhalbdes eigentlichen bandkerami-schen Siedlungsareals (GOP-06)mit Nachweis einer reliktischenSchwarzerde.

7 Daraus resultiert eine durchweg schlechte Knochenerhaltungmit stark eingeschränkten Aussagemöglichkeiten hinsichtlichViehwirtschaft und Jagd. Andere bandkeramische Siedlungs-plätze der Elbtalweitung bieten diesbezüglich bessere Voraus-setzungen, vgl. R. Elburg, Man-animal relationships in the EarlyNeolithic of Dresden (Saxony, Germany). In: J. W. F. Reumer/J. De Vos (Hrsg.), Elephants have a snorkel! Papers in Honourof Paul Y. Sondaar. Deinsea 7, 1999, 169–186.

8 Differenzierte bodenkundliche Untersuchungen wurdenbereits in den 60er Jahren in Dresden-Prohlis durchgeführt, lei-der ohne in den folgenden Jahrzehnten eine systematische Fort-setzung zu erfahren: W. Baumann/P. Czerney/H. J. Fiedler,Archäologische und bodenkundliche Untersuchungen an einembandkeramischen Siedlungsprofil in Dresden-Prohlis. Arbeits- u.Forschber. sächs. Bodendenkmalpfl. 13, 1964, 7–50. – Umfas-sende sedimentologisch/pedologische Auenuntersuchungenkonnten bislang nicht durchgeführt werden.

9 Geologische Karte des Freistaates Sachsen M. 1 : 25000, Erläu-terungen zu Blatt 4948 Dresden (Freiberg 2001) 132; K. Manns-feld/H. Richter (Hrsg.), Naturräume in Sachsen (Trier 1995) 73ff.

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abgesicherten Chronologie für das Früh-/Mittelneolithi-kum erkennbar, die Zeitspanne von der älteren/mittlerenBandkeramik bis zur Stichbandkeramik umfasst. Derdiachrone Aspekt eines solchen Gebildes, die Dynamikdes Siedelgeschehens, wird eines der Kernthemen zukünf-tiger Forschung sein.

Die südliche bis südöstliche Grenze bestimmt imWesentlichen der Verlauf des Geberbachgrundes. Östlichdes gegen Nordosten einschwenkenden Geberbachesließen sich auf der 6 ha umfassenden Grabungsfläche Ader Grabung DD-02 (Gewerbegebiet Nickern) keinerleibandkeramische Befunde nachweisen. Aus dem unmittel-bar südwestlich anschließenden Bereich gibt es bislangkeine Aufschlüsse, erst die südlich davon gelegene, als„Trutzsch“ bezeichnete Erhebung wurde in den Jahren1995–1996 mit Baggerschurfen umfassend prospektiert(Kasernengelände Nickern, DD-28). Die durch langemilitärische Nutzung des Terrains verursachte tief grei-fende Umgestaltung vereitelt allerdings eine verlässlichearchäologische Beurteilung. So ließen sich auch die weni-gen 1939 beim Bau militärischer Anlagen in der Nordwest-ecke des Kasernengeländes gemachten bandkeramischenBefunde nicht mehr verifizieren. Mehrere kleine, nördlichdavon in der Ortslage Nickern südlich des Geberbachesangelegte Schurfe (im Zuge der Errichtung von Einfami-lienhäusern) erbrachten ebenfalls keine bandkeramischenNachweise, trotz weitgehend ungestörten Terrains. DemGeberbach aufwärts folgend fehlen auf dem rasch anstei-genden Hang südwestlich der Nickerner Ortskerns bisdato archäologisch aussagekräftige Aufschlüsse.

Die wenigen bandkeramischen Belege südlich desGeberbaches entziehen sich hinsichtlich Art, Umfang undBezug zum Siedlungsareal jenseits des Geberbaches einst-weilen einer stringenten Beurteilung. Diese Aussage führtwieder zurück auf die nördliche Bachseite. Wie bereitserwähnt, bildet sein Verlauf die südöstliche Siedlungs-arealgrenze. Deren weitere Festlegung im Osten bis Nord-osten ist, bedingt durch zwei alte Lehmgruben, nur mitetwas größerer Toleranz möglich. Zwar finden sich in den Ortsakten sporadisch Hinweise auf bandkeramischeFunde, die beim Lehmabbau beobachtet wurden; es istdaraus jedoch kein konsistentes Bild zu gewinnen. Sicherist nur, dass die nordöstlich anschließenden Grabungs-flächen B und E der Grabung DD-02 (GewerbegebietNickern) keinerlei bandkeramische Befunde erbrachten.Da andererseits, zwar merklich ausdünnend, die stich-bandkeramischen Befunde auf der Grabungsfläche H süd-lich bis an eine der Lehmgruben heranreichen, muss dieGrenzzone in deren Bereich angenommen werden.

Die nördliche Peripherie lässt sich anhand etlicherNegativprospektionen entlang der Langobardenstraße(Einfamilienhausbauten der vergangenen zehn Jahre),

zumal in deren nördlichem Abschnitt, sowie über das nurnoch sehr sporadische Vorkommen bandkeramischer Gru-ben im nördlichen Abschnitt der Grabung DD-98 ermit-teln. Von hier bis zu den sich dann erst wieder in 500 mwestlicher Distanz hangaufwärts anschließenden Gra-bungsflächen in Kauscha beruht die „Grenzziehung“ der-weil noch auf Interpolation. Die Grabungsareale in Kau-scha, allen voran die 3 ha umfassende Fläche der GrabungGOP-03, weisen mit aller Deutlichkeit die nördliche Peri-pherie nach. Entsprechendes gilt für den westlichen Grenz-bereich (die Grabungsfläche GOP-03 ist in den nördli-chen sowie westlichen Abschnitten vollkommen befund-frei). Südlich davon liegen die oben erwähnten, 1976 beiflächenhaften Planierungen gemachten Beobachtungenbandkeramischer Befunde vor. Hier bleibt die westlicheGrenze vage.

Resümierend ergibt sich aus den dargelegten Beobach-tungen ein bandkeramischer Siedlungsraum um die 40 haFläche und einer am Geberbach orientierten Längenaus-dehnung von etwa 1,4 km. Intern ist er vielfältig differen-ziert, Bereiche sehr hoher Befunddichte stehen solchenmit wesentlich lockerem Befundbild gegenüber. So scheintmit den Grabungsflächen NIE-09 und NIE-10 ein west-licher Peripherbereich vorzuliegen, eine dichtere band-keramische Befundlage ist erst wieder in 270 m westlicherDistanz in Kauscha nachweisbar. Beobachtungen inner-halb zweier diese Distanz überbrückender Leitungsgrä-ben von Nickern nach Kauscha (1976, 1978) ergaben je-doch sporadisch über die gesamte Länge immer wiederNachweise bandkeramischer Gruben. Ob der umrisseneSiedlungsraum eventuell in zwei eigenständige, sich nurlocker berührende Bereiche aufzugliedern ist, muss einst-weilen offen bleiben. Ist damit zunächst das Areal be-stimmt, in dem sich anhand konkreter Befunde band-keramische Siedlungsaktivitäten nachweisen lassen, sobleibt eine auch nur vage Bestimmung von Wirtschafts-flächen und sonstigen Nutzungszonen derzeit unmöglich.

1.4. Einige Bemerkungen zum Straßenbauprojekt

Obwohl man sich bei der neu geplanten Autobahn vonDresden nach Prag (BAB 17) für die stadtnahe Varianteentschlossen hat, verläuft sie außerhalb, am Rande desDresdner Elbtals, im gehörigen Abstand zu den bislangdort bekannten Siedlungsschwerpunkten. Die im Vorfeldder Bauarbeiten für dieses große Straßenbauprojekt ent-deckten zahlreichen vor- und frühgeschichtlichen Spurenänderten zwar das Siedlungsbild, das man vom UmlandDresdens kannte, bestätigten jedoch zumindest für dasFrühneolithikum im mitteldeutschen Sinne, d. h. für dieLinien- und Stichbandkeramik, das bisher bekannte Sied-

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lungsmuster. Eine Aufsiedlung der Oberläufe der ins Elb-tal entwässernden Gewässer, in Lagen über 200 m ü.NN – in dem Gebiet, durch das die neue Autobahn führt – isthauptsächlich erst ab dem Ende der Bronzezeit erfolgt.Doch zusammen mit der Autobahn wurden auch Verbin-dungsstraßen in die Stadt neu geplant, ob es sich um voll-ständige Neubauten, um deutliche Verbreiterungen oderum eine Kombination davon handelte.

Eine davon war eine Staatsstraße (S 191), die südlichvom ausgewählten Bildausschnitt in Kauscha (Abb. 1) vonder Autobahn abgeht, um dann im großen Bogen nord-östlich daran vorbeizuführen, am westlichen Ende vonNickern unter die Fritz-Meinhardt-Straße gelegt wird, umdann südlich parallel dazu im Tiefschnitt mitten durch diebestehende Siedlung gebaut zu werden (vgl. Abb. 16).Nachdem sie unter der sie querenden Altnickerner Str.verläuft, schließt sie östlich des Geberbaches, den sie über-brückt, an das bestehende und schon untersuchte Straßen-netz (vgl. Kap. 2,2; Abb. 2). Der Tiefe dieses Einschnittesist geschuldet, dass die Trasse breit und der Flächenbedarfsomit überdurchschnittlich groß war. Andererseits istdadurch, dass die Trasse über einige Altgrabungen undauch eine neuere Grabung aus dem Jahr 1995 führte, keinedurchgehende Trassengrabung möglich bzw. notwendiggewesen, sondern es wurden die bestehenden Lückendurch einzelne neue Grabungsflächen auf einer Streckevon über 500 m Länge vervollständigt. Vom Geberbachaufwärts nach Westen handelt es sich um NIE-07, NIE-06,NIE-05, NIE-04, NIE-09 und NIE-10 (Abb. 1).

Die Ausgrabungen im Vorfeld der Zubringerstraße S 191 haben abschnittsweise ab Frühjahr 2002, einem Jahrvor dem geplanten Beginn der tatsächlichen Straßenbau-arbeiten, begonnen. Dabei richtete sich der konkrete Gra-bungsbeginn der einzelnen Flächen und zum Teil auch dieGrabungsdauer nach der Verfügbarkeit der einzelnenGrundstücke sowie sonstigen Arbeiten und Terminen, diedurch den kompletten Tiefbau einer Straße durch einenbestehenden Stadtteil mit stets zu funktionierender Infra-struktur und Verkehrsführung bedingt sind.

2. Die Grabungsflächen entlang des Geberbaches

2.1. Die Siedlung in NIE-07

Das unter dem Aktivitätskürzel NIE-07 zusammenge-fasste Grabungsareal erstreckt sich vom Geberbach imOsten bis zur Kreuzung Fritz-Meinhardt-Straße und Alt-nickerner-Straße im Westen auf rund 350 m Länge miteinem Höhenunterschied von fast 9 m (Abb. 1). Aufgrundeines nördlich davon geplanten Regenrückhaltebeckens

erhöhte sich die Breite des zu untersuchenden Streifenswesentlich, so dass die Grabungen an die nördlich gele-gene Fläche H der 1993 untersuchten Grabung DD-02anschließen konnten (s.u. Kap. 2.2.).

Die Ausgrabungen der aus technischen Gründen inzahlreiche horizontale Streifen aufgeteilten Gesamtflächevon 2,4 ha erfolgten zwischen dem 15. 4. 2002 und dem30. 4. 200310. Aufgrund der Verteilung der insgesamt an-nähernd 2000 Befunde kann man zwei Bereiche trennen,die sich in der Anzahl und Befundart deutlich unterschei-den (Beilage 2). Der östliche, untere Teil der Grabungs-fläche erstreckt sich vom Geberbach im Osten bei 144,6 mü.NN maximal 150 m westlich, etwa bis zu dem bogen-förmig von Nordost nach Südost verlaufenden Graben.Der größte Anteil der über den Befundinhalt typologischbestimmbaren Gruben sind der slawischen Zeit, etwa umdas 8.–10. Jahrhundert, zuzuweisen. Der Graben ist aller-dings schwer zu datieren, auch wenn einige darin liegendeScherben stichbandkeramisch sind. Er scheint entwederdie slawische Siedlung etwas weiträumig zu umfassen oderer könnte – falls tatsächlich neolithisch – das hangaufwärtsgelegene, hauptsächlich linien- und stichbandkeramischeSiedlungsareal vom Geberbach und dessen Flutzone ab-grenzen.

Die meisten der rechteckig-länglichen Gruben und dierelativ geringe Anzahl von Pfostengruben, die jedoch kei-nen erkennbaren Zusammenhang bilden, wurden in röt-liche Hochflutsedimente eingegraben, die im unterenHangbereich eine Mächtigkeit von bis zu 3 m aufwiesen11.Deren auffällige Färbung liegt in den weiter talaufwärtsgelegenen Sedimenten des Rotliegenden begründet. DieAuensedimente, darunter auch verschiedene Feinkieslagen,decken eine fossile Schwarzerde ab, die den neolithischenSiedlungsgrund bildet und sich aus dem anliegenden gelb-braunen Lösslehm entwickelt hat (Abb. 4). Nach Westenhin streicht das oberste Paket rötlichen Auenlehmsedi-ments, in das die slawischen Befunde eingegraben waren,etwa 80 m von der östlichen Grabungsgrenze entfernt ineiner Höhe von 145,8m ü.NN aus, was die maximale Hoch-wasserlinie des Geberbaches markiert.

Im höher gelegenen Bereich, westlich davon, lässt sichunschwer eine mehrphasige bandkeramische Siedlungerkennen. Die in ein bis drei Reihen gelegenen, sich zwei

10 Gedankt sei hier H. Schubert M. A, dem örtlichen Gra-bungsleiter, sowie der gesamten Grabungsmannschaft für dieLeistungen, die sie fast stets unter Zeitdruck und mit nicht immergünstigen Witterungsbedingungen über ein ganzes Jahr durch-gehend geleistet haben. 11 Die Angaben stammen aus dem Bericht einer geomorpho-logischen Untersuchung durch C. Tinapp, der ein etwa 35 m lan-ges West-Ost-Geoprofil durch den Rand des Geberbachtalesanlegte.

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Abb. 4. NIE-07. Geoprofil, Meter 24–30. Abb. 5. NIE-07. Depot mit Steingeräten.

bis dreifach überschneidenden Häuser ordnen sich in denwohlbekannten Kanon der Linien- und Stichbandkera-mik gut ein. Es können etwa 20 Grundrisse erkannt wer-den, die eine stark unterschiedliche Erhaltung aufweisen.Zudem sind fast alle bekannten Typen nachweisbar, es gibtsolche mit einfachen und mit doppelten Wandpfosten, mitparallel verlaufenden, aber auch eindeutig gebogenen bisschiffsförmigen Wänden, mit langen, aber auch mit kur-zen Nordwestteilen, die durch Wandgräben gebildet wer-den oder auch nicht. Manche Häuser weisen noch die deutliche Dreiteilung auf, andere haben diese in Nord-Süd-Richtung verlaufende Einteilung völlig oder fast völ-lig verloren. Eine typo-chronologische Bestimmung ledig-lich aufgrund der Bautypen ist durchaus nicht immer eindeutig. Andererseits wird es gerade in den dichter besiedelten Abschnitten schwierig werden, die Längsgru-ben – so sie überhaupt vorhanden oder eindeutig sind –einem Hausgrundriss zuzuschreiben und die Gebäudeüber die Funde aus den hausbegleitenden Gruben zuzu-ordnen. Insgesamt besticht die sehr einheitliche Nord-Süd-Orientierung der Häuser, wie sie im Dresdner Elbtalüblich ist, sich jedoch gerade dadurch von den meistenSiedlungen im restlichen Verbreitungsgebiet der Band-keramik unterscheidet.

Interessant ist noch, dass im Grabungsplan einige „Pali-sadenabschnitte“ zu erkennen sind, die aus einfachen oderdoppelten Pfostenreihen bestehen. Eine bis zwei davonsind eindeutig als Pfostensetzung einer Umhegung zuerkennen, die direkt auf ein Haus Bezug nimmt. Dieseschon seit der ältesten Bandkeramik bekannten Zäune amHaus kommen gerade während der Stichbandkeramikgehäufter vor12. Aus dem reichhaltigen Fundmaterial derbandkeramischen Siedlung soll hier lediglich auf einenBefund hingewiesen werden, der besonderes hervorragt13.Inmitten der Siedlung, in einer nur schwach erkennba-ren runden Grube von nur etwa 0,3 m im Durchmesser

wurde ein Steinbeildepot entdeckt. Von den acht Objek-ten (Abb. 5) gehören zwei zu einem alt gebrochenen Dech-sel und eines war ein leicht angeschliffenes Steinfragment,das nur an die Form eines Dechsels erinnert. Danebenwurden drei weitere, leicht beschädigte Dechsel und einekleine Flachhacke gefunden. Beim letzten Objekt handeltes sich um ein Halbfabrikat, das nur eine bearbeiteteSchmalseite aufwies. Auf etwa zwei Drittel des etwa 2 cmhohen, flachen Steins zeigten sich auf der gesamten Längelang gezogene parallele Linien, die eindeutig auf Sägespu-ren hinweisen. Das Rohmaterial, Gneis und Diabas, istlokaler Provenienz und wurde wahrscheinlich aus demwenige Kilometer entfernten Plauenschen Grund geholt.Im Befund fehlten weitere Funde und auch die Zugehörig-keit zu einem Haus oder einer bestimmten Siedlungsphaseinnerhalb der dicht besiedelten Fläche ist zur Zeit nichtnachvollziehbar. Zusammen mit den bei den Grabungenvon Baumann im Jahr 196114 in nur etwa 150 m Entfer-nung weiter westlich gefundenen zwei bandkeramischenDepots mit drei bzw. acht Steingeräten ergibt sich eineerstaunliche Häufung dieser ansonsten seltenen Befunde.

12 Zusammenstellung zuletzt bei K. Riedhammer, Ein neuermittelneolithischer Hausgrundriss mit Zaun aus Niederbayern.In: J. Eckert/U. Eisenhauer/A. Zimmermann (Hrsg.), Archäo-logische Perspektiven. Analysen und Interpretationen im Wan-del. Festschrift für Jens Lüning zum 65. Geburtstag (Rahden2003) 471–488. Belege für eine ältestbandkeramische „Garten-umfassung“ sind in Mintraching, Lkr. Regensburg gefunden wor-den: H. Stäuble, Häuser und absolute Datierung der ÄltestenBandkeramik. Ungedr. Diss. Univ. Frankfurt/Main (Frankfurt1994).13 Das Fundmaterial ist zur Zeit noch in Bearbeitung, eine nachBefunden getrennte Durchsicht des keramischen Fundinventarswie auch der Steinartefakte ist noch nicht erfolgt. Im Allgemei-nen kann man somit bislang lediglich sagen, dass neben den sla-wischen Funden, nur linien- und stichbandbandkeramisch ver-zierte Tonware zutage kam.14 Baumann (Anm. 2, 1962) 69–74.

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Von generellem Interesse, sowohl was die Siedlungs-abfolge als auch was die Siedlungsstruktur betrifft, ist dasräumliche Verhältnis zwischen den Hausgrundrissen undden zahlreichen unterschiedlichen Grabenwerken, die nichtalle mit Bestimmtheit datiert werden können, auch wenndarin einzelne stichbandkeramische Scherben gefundenwurden. Im östlichen Drittel der Fläche konnte ein vonNordosten bogenförmig nach Südosten verlaufender, rela-tiv schmaler Graben, der aus mehreren Abschnitten gebil-det wird, über eine Strecke von etwa 90 m verfolgt werden(s. o.). Etwa in der Mitte trifft er auf einen weiteren, deut-lich schmaleren Graben, der ebenfalls bogenförmig, jedochvon Südwesten nach Südosten noch über 160 m lang war.Letzterer umfasst im weiten Bogen jene drei in einer Reihestehenden Häuser, die aufgrund typologischer Kriteriender Stichbandkeramik zuzuweisen sind und von einer dop-pelten Grabenanlage überlagert werden.

Während vom inneren, in der Regel 1,5–2,5 m breitenGraben vier bis fünf mehr oder weniger deutlich getrenn-te Abschnitte mit einer Länge von insgesamt 125 m (inkl.den „Torsituationen“) vorhanden sind, wobei die zwei östlichen recht deutlich aus der Flucht liegen, verschwin-det der äußere Graben nach Osten hin gänzlich (dreiAbschnitte mit zusammen 80 m). Freilich wird man zurZeit keine Klarheit über die Gleichzeitigkeit der beidenGräben dieser Anlage und auch nicht jene der schräg dazuverlaufenden Innenpalisade erlangen können. Auch derVersuch einer feinchronologischen Analyse des recht spär-lichen Fundmaterials aus den Grabenverfüllungen werdendas Problem diesbezüglich nicht lösen. Insoweit ist eineeindeutige Entscheidung darüber, ob es sich um eine dop-pelte Grabenanlage handelt oder um eine doppelte Kreis-grabenanlage als Terminus für den speziellen stichbandkera-mischen Typ, der ansonsten auch Rondell genannt wird,nicht mit letzter Sicherheit möglich. Dennoch sprechendie meisten Argumente, sowohl die Funde als auch diestratigraphischen Überlagerungen, eher dafür als dagegen.

Versucht man eine Rekonstruktion der doppelten Kreis-grabenanlage aufgrund der aufgedeckten Segmente, soreicht man weit über den Geberbach hinaus. Durch diemittlerweile zahlreichen Vergleichsbefunde, die eindeutigerkennen lassen, dass auch Kreisgrabenanlagen bei wei-tem nicht so regelmäßig gebaut wurden, wie es zunächstden Anschein hat (s. u. DD-02, aber auch NIE-09), wirdman sich die Gräben nicht kreisrund sondern eher als Viereck mit abgerundeten Seiten vorstellen müssen.

So lässt sich beispielsweise die dreifache Kreisgraben-anlage aus Zwenkau mit einem größten Durchmesser von ca. 130 m, deren Gräben jeweils an den Nordwest-Südost-Südwest-Nordost-Öffnungen abknicken15, fastdeckungsgleich auf die doppelte aus NIE-07 legen. Damitwürde sie in etwa die Fläche, die von der dort vorhande-

nen Geberbachschleife umfasst wird, ausfüllen. Demnachwürden die Grabungsflächen von DD-41 und NIE-03(Abb. 1) wahrscheinlich sogar innerhalb der Grabenanlageliegen oder verfehlen diese nur knapp. Dort konnte mannicht erkennen, dass man sich inmitten der bandkerami-schen Siedlung befand.

Die angeschnittene Grabenanlage unterstreicht damitnoch deutlicher als die fragmentarischen Hausgrundrisse,dass mit der Grabungsfläche NIE-07 der nördliche Randeines bandkeramischen Siedelgebietes eher nur tangiertwurde. Ein Großteil der Siedlungsfläche, ob mit oder ohneweitere Hausbebauung, kann sich noch fast 200 m südlichbis hin zum Geberbach erstreckt haben.

2.2. Die Grabungsfläche DD-02, Fläche H

Die im Abstand von wenigen hundert Metern beieinan-der liegenden Kreisgrabenanlagen verleihen dem Nicker-ner Siedlungsareal ein charakteristisches Profil und setzenes von den übrigen bandkeramischen Plätzen der Elbtal-weitung ab. Sollte dieses Phänomen nicht nur aus derbesonders hohen Aufschlussdichte in Nickern resultieren,wird man erwägen dürfen, ob damit nicht eine spezielleFunktion des Siedlungsplatzes einhergeht.

Im Winter 1993/94 wurde das erste dieser Grabenwerkeim Zuge der archäologischen Untersuchung des Gewer-begebietes Nickern auf Fläche H freigelegt16 (Beilage 2).Bauseitig bedingt konnte dies damals nur zu drei Viertelngeschehen. Der verbleibende südliche Teil stand somit fürweitere Ausgrabungen zur Verfügung, die im Rahmen derarchäologischen Voruntersuchung des Autobahnzubrin-gers Nickern 2002 bis 2003 realisiert wurden. Aus Zeit-gründen musste man sich 1993/94 im Wesentlichen mit 16 Baggerquerschnitten zur Klärung der Grabenprofilebegnügen.

Das Rondell liegt peripher zur eigentlichen bandkera-mischen Siedlungszone, welche auf den südlich vorbei-fließenden Geberbach hin orientiert ist (NIE-07). Esbesteht aus einem einfachen Ringgraben, der eine leichtunregelmäßige Kreisform beschreibt. Drei Zugänge imNordwesten, Nordosten sowie Süden werden durch einAusbiegen des Hauptgrabens geformt, wodurch gra-benflankierte Erdbrücken von etwa 10 m Länge und1,5–5,4 m lichter Weite entstehen. Der Nordwestzugang ist durch eine Grubenüberlagerung zwar stark gestört,wird jedoch dem Befund nach den beiden anderen Durch-

15 H. Stäuble, Von der Linie zur Fläche. Archäologische Groß-projekte im Südraum Leipzigs. In: Vorträge 17. Niederbayer.Archäologentag (Rahden 1999) 149–190.16 Kurz (Anm. 4) 23 ff.

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lässen ähnlich zu rekonstruieren sein. Den Südgraben desNordostzugangs unterbricht kurz vor Anbindung an den Hauptring eine 0,5 m breite Lössbrücke.

Der Außendurchmesser der Anlage pendelt zwischen 50 und 55 m, die Grabenbreite zwischen 1,7 m und 3,6 m,im Bereich der Zugänge ist sie stellenweise bis auf 1,2 mreduziert. Der Graben ist als Spitzgraben ausgeprägt; dieerhaltene Tiefe unter Baggerplanum schwankt zwischen1,14 m und 1,7 m, ohne einen bestimmten Trend erken-nen zu geben. Als Grundmuster der Grabenverfüllunggilt: unten hell-dunkel gebändert mit höherem Lössanteil,nach oben zunehmend homogener und dunkler.

Die Innenseite des Kreisgrabens begleiten drei mehroder weniger konzentrische (Palisaden-)Gräbchen. Diesesind sowohl im Verlauf als auch in ihrer Dreierstaffe-lung nur diskontinuierlich bezeugt; eine zweifelsfreieKlärung, inwiefern dieser Befund erosionsbedingt oderauthentisch ist, bleibt einstweilen offen. Als erhalteneGräbchenbreite auf Baggerplanumsniveau sind 20–30cm anzugeben. Verlauf und gegenseitiger Abstand derGräbchen schwanken abschnittsweise bis zu 1 m, dieDistanz von Außengräbchen und Kreisgrabenring biszu 3 m. Standspuren von Hölzern waren in den ange-legten Längsprofilen (max. Befundtiefe bis 20 cm) nichtzweifelsfrei auszumachen, werden jedoch vermutet. DasAußengräbchen setzt auf Höhe des Nordost- und Süd-zugangs nicht aus, so dass hier vermutlich kein direkterWeg ins Innere des Grabenwerks führte. Ein solcherGedanke geht von einer gewissen zeitlichen Kongruenzder Strukturen aus, die allerdings nicht beweisbar ist.Lediglich die generelle Bezugnahme von Graben undGräbchen wird über die gleichlaufende Formunregel-mäßigkeit des schwächer gekrümmten Südost-Sektorsangezeigt. Eine an einen Versatz von 1,9 m gekoppelteUnterbrechung des Außengräbchens assoziiert 9 m süd-lich des Nordostzugangs einen Durchlass. Leider ließensich in diesem Abschnitt das mittlere und innere Gräb-chen nicht verfolgen. Die Situation für den Nordwest-zugang bleibt unklar.

Der Ringgraben umschließt eine Innenfläche von 1733 m2, der innerste Gräbchenring bei einem näherungs-weise rekonstruierten Verlauf etwa 965 m2. Im Innenraumder Anlage wurden nur relativ wenige Gruben- und Pfo-stenbefunde festgestellt. Ihr zeitlich/strukturelles Ver-hältnis zur Kreisgrabenanlage wird soweit wie möglich zuklären sein. Dies gilt auch für die bandkeramischenBefunde im äußeren Umfeld der Anlage. Im Falle derNordwestzugangssituation ist die relative Befundabfolgebedingt klar: Der nördliche zu einer Torwange ausbie-gende Graben schneidet in die Grubenverfüllung ein; dasvermutete südlich Pendant ließ sich allerdings nicht zwei-felsfrei beobachten.

Aus dem Füllsediment des Kreisgrabens liegt insgesamtwenig Fundmaterial (Keramik, Silex, Mahl- und Schleif-steinfragmente) vor, was sicherlich auch den reduzier-ten Aufschlüssen sowie der Grabungstechnik der Jahre1993/94 geschuldet ist. Diagnostische Scherben gehörenausschließlich zur Stichbandkeramik, was im übrigenebenso für die Keramik aus der Grube beim nordwestli-chen Zugang der Anlage gilt. Die torgassenartige Zugangs-gestaltung der Nickerner Anlage findet vor allem bei denslowakischen Kreisgräben Bučany, Svodin und Ružindol-Borová ansprechende Parallelen17. Große Ähnlichkeit imGrundriss zeigt auch das Monument von Goseck (Sachsen-Anhalt)18.

Im Jahre 2003 konnte die Freilegung der Kreisgraben-anlage durch die Ausgrabung der dritten, südlichen Tor-situation komplettiert werden. Der Zugang wird durchzwei ausladende, etwas schmalere Grabenabschnitte(1,25–1,5 m breit) als der Kreisgraben selbst gebildet. ZurInnenfläche hin beträgt die Breite der ca. 10 m langenErdbrücke rund 1,7 m, nach außen hin öffnet sie sich auf2,7 m. Der Durchgang ist zudem leicht schräg zumRadius der Kreisgrabenanlage, der die innere Graben-unterbrechung bei 266° trifft (gemessen von Ost gegenden Uhrzeigersinn). Das bedeutet, dass der Zugang nichtauf das Zentrum der Anlage gerichtet war. Mehrere nurnoch flach erhaltene schmale Gräbchen im Innenraumweisen auf drei konzentrische Palisadenfragmente hin,von denen die äußere zumindest bis zur Hälfte desZugangs verläuft.

Bei den vollständig in Plana gegrabenen zwei Abschnit-ten (ohne die Torzangen ca. 40 m lang) wurden 15 Quer-profile angelegt, in denen die typischen Spitzgräben doku-mentiert sind. Mit 1,2–1,8 m schwankt deren Tiefe jedochbeträchtlich. Entsprechend unterscheidet sich auch dieBreite des westlichen (ca. 2,5 m) und des östlichen Gra-benabschnittes (ca. 3,7 m) voneinander. Der Grund hier-für ist nicht erkannt, mit Sicherheit liegt das jedoch nichtan unterschiedlichen Erhaltungsbedingungen, da das Gra-bungsplanum gleichzeitig und auf die gleiche Tiefe abge-zogen wurde. Ansonsten weisen die Profile das üblicheBild auf, eine fein geschichtete, wechselnde Sedimentab-folge von Lössmaterial und humosen Anteilen im unte-ren bis mittleren Bereich und ein homogen humoses Paketim oberen Drittel. Die Funde sind noch nicht ausgewer-tet, sie bestätigen jedoch eine Datierung der Auffüllphasein die Stichbandkeramik. Das stratigraphische Verhältniseiner Reihe von Gruben, die den Graben sowohl in sei-

17 G. Trnka, Studien zu mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen(Wien 1991) 278 ff. Abb. 110; 288 ff. Abb. 116; V. Němejcová-Pavúková, Kreisgrabenanlage der Lengyel-Kultur in Ružindol-Borová (Bratislava 1997) 12 Abb. 2; 17 Abb. 6.18 Grabungsbericht im Internet: www.praehist.uni-halle.de.

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3. Die Grabungsflächen DD-23, NIE-05,DD-49, NIE-06

Mit über 2000 bandkeramischen Befunden auf 6700 m2

Gesamtfläche geben diese vier unmittelbar von West nachOst aufeinander folgenden Grabungsfenster Einblick ineinen Bereich des Siedlungsplatzes mit der bis dato höch-sten Befundfrequenz (Beilage 2; Abb. 6). Die vorauszu-setzende ursprüngliche Schwarzerdeüberdeckung fiel weit-gehend der Erosion zum Opfer, eine Kappung des Ter-rains bis in den Übergang zum Bht-Horizont bewirkend.Wie viel archäologische Substanz dadurch vernichtetwurde, wie verzerrt das überlieferte Befundbild ist, ent-zieht sich konkreter Bilanzierung.

Erst auf der Grundlage einer phaseologischen Auf-schlüsselung wird eine nähere Beurteilung der Siedelpro-zesse, die zu jener starken Befundverdichtung mit zahl-reichen Überlagerungen führten, möglich sein. Zeitlichscheint sich der Rahmen, eingedenk der bislang nur rudi-mentär ausgearbeiteten Chronologie, von der älteren/mitt-leren bis zur jüngsten Linienbandkeramik zu erstrecken;der stichbandkeramische Zeithorizont ist ebenfalls, wennauch mit geringeren Anteilen, vertreten.

Mindestens 17 Hausgrundrisse unterschiedlicher Gestaltlassen sich einstweilen herausfiltern; alle sind mit nur sehrgeringen Abweichungen nord-süd-orientiert, werden abermeist nicht zur Gänze über die geöffneten Grabungs-flächen erfasst. Die Zwischenabstände pendeln zwischenwenigen und 20 m. Überschneidungen von Grundrissensind wiederholt zu konstatieren, so z.B. in der Südosteckeder Fläche NIE-06 eine Dreifachüberlagerung. An der-artige Situationen knüpft die Fragen nach der Existenzvon über bestimmte Zeiträume hinweg konstanten Hof-plätzen an.

Ein abweichendes Bild zeichnet die GrabungsflächeNIE-05, weist sie im Wesentlichen doch eine sich zu einemausgedehnten Komplex zusammenfügende Grubenagglo-meration auf, wie sie so umfänglich ansonsten nirgendsbeobachtet wurde. Von einem solchen prägnanten Phä-nomen ausgehend bietet es sich an, den forschenden Blickauf spezielle Aktivitätsbereiche innerhalb des Siedlungs-areals zu richten. Aspekthafte Ausführungen sind beimaktuellen Aufarbeitungsstand am ehesten für die Gra-bungen NIE-05 und DD-23 möglich19.

3.1. Die Ausgrabung NIE-05

Mit der etwa 800 m2 umfassenden Fläche NIE-05 (2002/2003) existiert ein Bindeglied zwischen den GrabungenDD-49 (W. Baumann, 1961/62) und DD-23 (1995), dasihre nahtlose Verknüpfung ermöglicht. Im obersten Pla-num wurde die Fläche von einer homogenen, schwarzenVerfärbung von etwa 250 m2 Ausmaß dominiert, isolierteBefunde traten demgegenüber merklich zurück. Lediglichin den Randbereichen konnten zwei sich in den benach-barten Grabungsflächen DD-23 und DD-49 fortsetzendeHausgrundrisse teilergänzt werden. Als neue Struktur ließsich an der östlichen Peripherie über eine regelmäßige Disposition von (Joch-)Pfosten das Kerngerüst eines wei-teren Gebäudes rekonstruieren.

Der außergewöhnlichen Befundlage Rechnung tragend,wurde versucht, mittels Viertelquadratmeterraster und 10-cm-Abhüben der internen Struktur jener zunächst un-differenzierbar erscheinenden großflächigen Verfärbungauf die Spur zu kommen. In randlichen Bereichen dürftees sich nach augenblicklicher Kenntnislage teilweise umReste eines fossilen Oberbodens (reliktische Schwarzerde)in situ handeln, zum Inneren hin dagegen um eine Viel-zahl agglutinierender Eingrabungen wechselnder Tiefe,deren Füllsediment aufgrund des reinen Erscheinungsbil-des umgelagerte Schwarzerdekomponten enthält, mithinfarblich nicht unterscheidbar ist. Erst zögerlich erfolgtemit fortschreitendem Abbau eine Auflösung in Teilgruben,1,7 m unter Baggerplanum wurde die tiefste Befundsohleerreicht. Es gelang insgesamt 90 kg Fundmaterial in 726Einheiten zu bergen, womit die Voraussetzungen für einedifferenzierte Fundverteilungsanalyse erfüllt sein dürften.Bereits beim derzeitigen Auswertungsstand zeichnen sichdurch Konzentrationen einzelner Fundgattungen Unter-schiede zwischen den Teilgruben ab. Auffällig ist ein ver-gleichsweise hoher Anteil stichbandkeramischen Materials.

Der Versuch einer zumindest ansatzweisen Klärung desdiachronen Aspekts jenes Grubengebildes sowie der ver-mutlich komplexen Verfüllmechanismen kann – zusammenmit der Analyse des archäologischen Fundgutes – sinnvollerst auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Untersu-chungen angegangen werden, für die eine Vielzahl vonProben vorliegen (pedologisch/sedimentologische Pro-ben, Bodendünnschliffe, Phosphatbeprobung, Botanik).

nem Kreisgrabenverlauf als auch in der Torsituation tan-gieren, ist noch nicht eindeutig geklärt, ebenso wenig, wiedie Datierung dieser Befunde erfolgt ist. Insgesamt hat die Vervollständigung des Gesamtplanes vor allem deut-lich zeigen können, dass die Anlage unregelmäßiger war,als zunächst vermutet.

19 Den Grabungsleitern R. Elburg (DD-23) und A. Kinne (NIE-05) möchte ich an dieser Stelle für die geleistete Zuarbeit zu die-sem Artikel sowie für ihre stets kritische und fruchtbare Dis-kussionsbereitschaft ganz herzlich danken.20 Vgl. J. Lüning, Wohin mit der Bandkeramik? – Programma-tische Bemerkungen zu einem allgemeinen Problem am BeispielHessens. In: C. Becker u.a. (Hrsg.), Xpovos. Beiträge zur prähis-torischen Archäologie zwischen Nord- und Südosteuropa. Fest-schrift für Bernhard Hänsel (Espelkamp 1997) 36 f.

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Abb. 6. Übersichtsplan DD-23, NIE-05, DD-49, NIE 06.Hausgrundrisse und Zäune sind hervorgehoben, Störungensind grau hinterlegt, die besprochenen Befunde sind markiert.

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Es wird sich dann weisen, inwieweit auch der Primärzweckeines solchen bandkeramischen Grubenkomplexes be-gründetermaßen ermittelbar ist20. Eng verwoben damitsind auch Fragen funktionaler Siedlungsdifferenzierung.

3.2. Die Ausgrabung DD-23

Über 900 Befunde verteilen sich in wechselnden Dichte-zonen auf rund 2500 m2 Fläche. Ihr zeitlicher Schwerpunktliegt nach derzeitiger Kenntnis innerhalb der jüngeren/jüngsten Linienbandkeramik. Siedlungsbereiche mit inten-siven anthropogenen Bodeneingriffen, die nur wenig ge-wachsenen Lösslehm übrig ließen, wechseln mit geringerbeanspruchten Zonen. In letzteren wurden überwiegendPfostengruben beobachtet, die rund 60 % der Gesamtbe-fundzahl ausmachen. Aus dieser Fülle lassen sich derzeitfünf Gebäudegrundrisse herausarbeiten, mit einer ehemalsvorhandenen höheren Anzahl darf wohl gerechnet wer-den. Ob es sich bei den Flächen mit geringer Bodenein-griffintensität um tatsächliche Freizonen, welcher Funk-tion auch immer, oder um einstige Hausstandorte handelt,bleibt soweit wie möglich zu ermitteln.

Für eine interne Strukturierung des Siedlungsaus-schnittes lassen sich neben den Hausgrundrissen als Zäuneinterpretierte Pfostengrubenreihen (z. B. zwischen Haus2 und 3) sowie diverse Gräbchenstrukturen heranziehen.Lineare Gräbchen- und Grabenstrukturen, ohne konstruk-tiven Zusammenhang mit Gebäuden, scheinen im Vergleichzu anderen bandkeramischen Plätzen der Elbtalweitungeine Besonderheit des Nickerner Siedlungsraumes zu sein.Im mittleren Bereich der Grabungsfläche ist eine gewisseKonzentration solcher Gräbchensegmente konstatierbar,ein evidentes raumgliederndes Muster vermag allerdingsnicht erkannt zu werden. Ganz im Süden des Grabungs-ausschnittes verlaufen zwei annähernd parallele Gräbenvon bis zu 1,8 m erhaltener Breite und stellenweise über 0,5 m Tiefe. In deren Zwischenraum ließ sich über 6 mLänge ein gleichsinnig orientiertes Gräbchen mit Pfosten-standspuren verfolgen (Palisaden-/Zaunkonstruktion?).Unter Berücksichtigung der topographischen Randposi-tion nahe des Hangabfalls zur Geberbachaue erscheint esverlockend, die beschriebenen Befunde als eine konstruk-tiv aufeinander bezogene Siedlungsbegrenzung zu interpre-tieren. Die Kleinflächigkeit des ergrabenen Ausschnitts so-wie die starken Störungen in jenem Bereich mahnen jedochzur Vorsicht. Am ehesten vergleichbar sind ähnliche Struk-turen auf der Grabungsfläche NIE-07, die hier erheblichweiträumiger aufgedeckt werden konnten (vgl. Kap. 2.1).

Von den Grubenbefunden sollen drei aus dem Rahmendes Gängigen fallende Objekte kurz charakterisiert wer-den: Komplex 524 stellt sich im Planum als stark abge-

rundet rechteckige, ost-west-orientierte Grube von etwa5 m2 Fläche dar; ringsum wird sie, außer auf der West-seite, von sieben Pfostengruben gesäumt (Abb. 7). DasProfil zeigt annähernd senkrechte Wandungen mit ebenerSohle und einer Erhaltungstiefe von gut 1,3 m unter Pla-num. Aus der Pfostendisposition ließe sich auf eine ArtÜberdachung dieser vermutlichen Speichergrube schließen.Die auf botanische Makroreste untersuchten Sediment-proben erbrachten leider kein für die Funktionsbestim-mung klärendes Ergebnis. Angesichts der wenigen Fund-einschlüsse mangelt es auch an einer differenzierten Datie-rung. Vergleichbare Strukturen sind gelegentlich aus ande-ren frühneolithischen Siedlungen, z.B. Köln-Lindenthal,bekannt21.

Eine 2,5 m tief erhaltene Grube (571) mit senkrechtenWänden gehört zu den bislang tiefsten bandkeramischenBefunden der Elbtalweitung. Auf der Sohle konnte eineleichte Brandrötung festgestellt werden. Das Füllsedimenterschien wenig strukturiert und enthielt eine nur geringeFundanzahl, die diesen Befund immerhin in einen jünge-ren Abschnitt der Linienbandkeramik datiert. Was diePrimärfunktion dieser sorgfältig angelegten Eingrabunganbelangt, so dürfte wiederum ein Zusammenhang mitVorratswirtschaft ins Auge gefasst werden. Für eine zwi-schenzeitlich erwogene Brunnenfunktion ließen sich kei-nerlei Indizien am Befund selbst gewinnen. Die botani-sche Untersuchung blieb abermals negativ.

Von nicht unerheblichem Wert für die Entwicklungeiner siedlungsinternen Chronologie ist die äußerst fund-reiche Grube 3 mit insgesamt sieben, zu drei Sediment-paketen zusammengefassten Verfüllschichten. Das untere

Abb. 7. DD-23. Grube 524 mit begleitender Pfostensetzung.

21 G. Bernhard, Die linearbandkeramische Siedlung von Köln-Lindenthal. Eine Neubearbeitung. Kölner Jahrb. Vor- u. Früh-gesch. 18/19, 1986, 97–106 mit weiteren Literaturverweisen zudieser Befundart.

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Füllpaket enthielt Keramikmaterial der späten Linien-bandkeramik, aus den oberen Schichten wurde ein reichesstichbandkeramisches Ensemble geborgen. Stehen die Gru-ben 524 und 571 in keinerlei erkennbarem Kontext mitevidenten Gebäudestrukturen, so handelt es sich beiBefund 3 wohl um die „Nordostgrube“ von Haus 1, dasleider nur mit seinem Nordabschluss erfasst wurde.

Im Gegensatz etwa zu den bandkeramischen Sied-lungsräumen in Dresden-Mockritz und zu allererst Dres-den-Cotta mindert die intensive Bodenentkalkung inNickern die Erhaltung organischen Materials immens. Dasbesonders in Cotta nicht seltene Phänomen der Sied-lungsbestattung erscheint, sofern es denn auch für Nickernvorausgesetzt werden darf, überlieferungsbedingt nur aus-nahmsweise (vgl. Kap. 5.1. zu zwei Körperbestattungenin NIE-06). In der reichlich Keramik enthaltenen Verfül-lung der unregelmäßigen Grube 87 gelang es, über einenLeichenschatten die Bestattung eines etwa 9–12-jährigenKindes nachzuweisen. Der Schatten war leider nur imSchädelbereich deutlich ausgeprägt. Soweit erkennbar, lagder Leichnam auf der rechten Körperseite mit dem Kopfim Süden, Blick gegen Osten. Über die exakte Lage derunteren Extremitäten ließ sich keine Aussage mehr treffen.Vor der Brust befand sich ein fast komplettes Gefäß. Orien-tierung und Blickrichtung unterscheiden sich damit klarvon der üblichen Totenbettung auf dem benachbarten kleinen Gräberfeld NIE-04 (vgl. Kap. 5).

Aus dem reichhaltigen Fundmaterial seien abschließendlediglich einige Gesteine herausgegriffen, die auf überre-gionale Zusammenhänge verweisen22. Neben vereinzeltenExotika wie Obsidian23 und bayrischem Plattenhornstein24,ließ sich eine große Zahl nordböhmischer Quarzite25 nach-weisen. Vertreten sind Rohmaterialien vom Typ Skršin,dieser findet sich des öfteren auch in benachbarten band-keramischen Siedlungen, sowie speziell vom Typ Tušimiče;einzelne Stücke entstammen ferner den Lagerstätten umBečov. Tušimiče- und Bečov-Quarzite sind in anderenSiedlungen der Elbtalweitung bislang nur selten belegt,die relative Häufung in Nickern fällt auf.

Gerade die Quarzite weisen auf die Einbindung desNickerner Siedlungsplatzes in weiträumigere Verteiler-netze hin. Die raren Obsidian- und Plattenhornsteinfundesind vielleicht eher akzessorisch über bestehende Kom-munikationszusammenhänge hierher gelangt.

Bislang unbekannt sind hingegen die Lagerstätten sowiedie genaue Herkunft der überwiegend grünlichen, z.T. ge-schieferten Rohmaterialien, aus denen man die geschliffenenSteingeräte (Dechsel/Beile/Äxte) fertigte. Unter Berück-sichtigung der Kollektionen der Grabungen NIE-05, DD-49, NIE-06 sticht der Nickerner Siedlungsplatz auch in die-ser Hinsicht durch eine hohe Reichhaltigkeit hervor. Drei-mal erfolgte zudem die spezielle Niederlegung in Depots26.

Lässt sich nun aus den Ausführungen zu Gesteins-materialien irgendeine Sonderstellung der Nickerner Sied-lung im Sinne einer Siedlungshierarchisierung ableiten?Nur zu leicht ist man versucht, mit zusätzlichem Blick aufextreme Befunddichten und die räumliche Konzentrationmehrerer Kreisgrabenanlagen, eine „zentralörtliche“ Funk-tion – was immer das auch heißen mag – zu unterstellen27.Um diese Frage gewinnbringend diskutieren zu können,ist jedoch erst einmal eine klare Begriffsbildung sowie eineumfassende Auswertung zwingend erforderlich, fernereine vergleichende Einordnung Nickerns in den Kontextbenachbarter Siedlungsplätze der Bandkeramik.

4. Die Doppelkreisgrabenanlage in DD-98

Nur 260 m westlich der einringigen Grabenanlage DD-02/NIE-07 kam 1999/2000 bei der archäologischen Vorunter-suchung eines 5000 m2 umfassenden Wohngebietes einweiteres, diesmal doppeltes Kreisgrabensystem zum Vor-schein28. Umfang und Disposition der Grabungsflächenwaren bauseitig vorgegeben (Baufelder, Erschließungs-straßen), was demzufolge nicht immer dem archäologischWünschenswerten entsprach und mitunter die Aussage-kraft einschränkt.

Wie in DD-02 liegt auch dieses Grabenwerk im Bereichder nördlichen Grenzzone des Nickerner Siedlungsplatzes(Abb. 1). Innerhalb des nordwest-südost-orientierten

22 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf Forschungs-ergebnissen von R. Elburg, der mir diese in überaus großzügigerWeise zugänglich machte.23 M. Elburg/R. Elburg/A. Greig, Obsidian in Sachsen und die Verwendung von ICP-MS zur Herkunftsbestimmung vonRohmaterialien. Arbeits- u. Forschber. sächs. Bodendenkmal-pfl. 44, 2002, 391–397.24 R. Elburg/P. van der Kroft, Import trotz Überfluss – Bayeri-sche Plattenhornsteine in Sachsen. Arbeits- u. Forschber. sächs.Bodendenkmalpfl. 43, 2001, 286–287.25 M. Malkovský/S. Vencl, Quartzites of north-west Bohemiaas stone age raw materials: environs of the towns of Most andKadań, Czech Republic. Památky Arch. 86, 1995, 5–37.26 W. Baumann, Zwei bandkeramische Steingerätedepots vonDresden-Nickern. Ausgr. u. Funde 7, 1962, 69–74; vgl. auch Kap. 2.1 mit einem dritten Beleg.27 Vgl. dazu jüngst: S. Schade-Lindig/A. Schmitt, Außerge-wöhnliche Funde aus der bandkeramischen Siedlung Bad Nau-heim-Nieder-Mörlen, „Auf dem Hempler“ (Wetterauskreis):Spinnwirtel und Webgewichte. Germania 81, 2003, 1–24 bes.20 ff.; J. Kneipp, Bandkeramische Zentralplätze und ihre kul-tisch-religiöse Funktion. In: S. Hansen/V. Pingel (Hrsg.), Archäo-logie in Hessen. Neue Funde und Befunde. Festschrift für F.-R.Herrmann zum 65. Geburtstag (Rahden 2001) 33–41.28 Die örtliche Grabungsleitung lag in den Händen von B. Ra-sink M.A. Ihm sowie der gesamten Grabungsmannschaft seifür den geleisteten Einsatz unter zeitweise extremen winter-lichen Bedingungen herzlich gedankt. – Ein ausführlichererVorbericht durch W. Brestrich befindet sich in Vorbereitung.

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N

0 20 m

Untersuchungsareals nimmt die ohnehin geringe Befund-frequenz gen Norden nochmals merklich ab (Abb. 8). DasBild bestimmen isolierte Gruben oder kleine Grubenkom-plexe, im südlichen Viertel hingegen die beiden von einemZugang unterbrochenen Ringe des Kreisgrabens. Hoch-gerechnet konnten von diesem etwa 13 % freigelegt wer-den, der Rest verläuft außerhalb des Baugebietes. Für eine

Abb. 8. DD-98. Befundübersichtsplan.

invasive Untersuchung stand ein noch geringerer Anteilzur Verfügung, da die Gebäude des südlichen Baufeldesohne Keller projektiert waren. Es wurde daher zusammenmit dem Bauträger eine archäologieschonende Planungs-variante erarbeitet, die die dort befindliche „Torsituation“unversehrt unter einer wieder aufgefüllten, mehrere Dezi-meter starken Schutzschicht erhält. Darauf werden die bis-lang noch nicht realisierten Häuser errichtet. Insgesamtbeträgt die Länge der ausgegrabenen Segmente beider Gräben 23 m (Außengraben 17 m, Innengraben 5,50 m).

4.1. Topographie und Bodenschichtung

Die Lage des Kreisgrabens bestimmt ein flach RichtungOstnordost ausstreichender Elbtalhang, 300 m nördlichdes in diesem Abschnitt deutlich eingeschnittenen Geber-grundes (Abb. 1). Die mittlere Höhe des Terrains liegt bei159 m ü.NN, mit nur sehr schwachem Gefälle auf der vonder Anlage eingenommenen Fläche. Sie überdeckte einnoch maximal 30 cm mächtiger Rest eines fossilen Ah-Horizontes (degradierte Schwarzerde). Das Substrat bil-det Löss bzw. Lösslehm, die Entkalkungsgrenze taucht inTiefen bis zu 2 m ab. Auf der gesamten Grabungsflächebesteht das Hangende aus einem im Mittel 20 cm starkenkolluvialen Horizont.

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4.2. Form und Maße der Anlage im Planum

Die maschinelle Erstellung eines archäologischen Planumserfolgte im Trennbereich des fAh-Bht-Horizontes. Dortlassen sich Kontur und Maße der Doppelgrabenanlage imfreigelegten Ausschnitt wie folgt beschreiben (Abb. 8; Bei-lage 2): Beide in etwa konzentrische Grabenringe besitzeneine unregelmäßige Gestalt, die nach Ausweis der Profil-schnitte sowohl konstruktiv als auch erosiv bedingt seinkann. Die Grabenbreiten schwanken beträchtlich, bis zu3 m (Außengraben 2–3,7 m; Innengraben 2,4–5,83 m), wasnur sehr beschränkt auf das leicht variierende Höhenniveaudes Baggerplanums zurückzuführen ist. Ebenso fluktuiertder Abstand von innerem und äußerem Ring (6,6–7,7 m).Im Westnordwesten unterbricht den Grabenverlauf einesich nach außen von 2,3 m auf 4,7 m weitende Erdbrücke,die von 1 m breiten, beide Grabenringe verbindenden Gräb-chen gesäumt wird. Es bildet sich so eine Art Torgasse.Deren konstruktive Verknüpfung mit der leidlich in derMittelachse verlaufenden Pfostenspurreihe bleibt hypothe-tisch. Das gilt auch für eine andere mögliche Interpretation,nämlich die Verbindung der Pfostenreihe mit südlich davonbefindlichen Spuren zu einem Gebäudegrundriss, der sichin Überlagerung mit der Grabenanlage befände.

Im ansatzweise aufgedeckten Innenraum begleiten zweimaximal 37 cm breite und bis zu 20 cm tief erhaltene (Pali-saden-)Gräbchen den Grabenring. Die Distanz des äuße-ren Gräbchens zu diesem pendelt zwischen 1,4 und 3,5 m.Der Gräbchenverlauf kann bedingt durch einen ungeöff-neten Abschnitt zwischen zwei Baufeldern leider nichtkontinuierlich verfolgt werden. Denn gerade hier ist einemerkliche Verschiebung zwischen den beiden freigelegtenAbschnitten des Gräbchens zu beobachten. Entwederbesitzt dieses einen „schlängelnden“ Verlauf, oder es gibteinen echten Versatz, der eine Durchlasssituation erwä-gen ließe, wie sie analog beim Nordostzugang der AnlageDD-02/NIE-07 vermutet wurde. Das innere Palisaden-gräbchen war entgegen dem äußeren nur auf sehr kurzerStrecke verfolgbar, ansonsten entweder ganz in der über-deckenden reliktischen Schwarzerde (fAh-Horizont) auf-genommen und damit nicht erkennbar, oder tatsächlichvon unterbrochenem Verlauf. Eine begründete Entschei-dung vermag wie bei der vergleichbaren Situation auf der Innenfläche des Grabenswerks DD-02/NIE-07 nichtgetroffen zu werden. Spuren konstruktiver Elemente (Pfo-sten, Spaltbohlen o. ä.) ließen sich in den Gräbchenprofi-len nicht ausmachen.

Aus den aufgedeckten Abschnitten des Grabenwerkssind seine Gesamtmaße näherungsweise abzuleiten:• Außendurchmesser: ca. 88 m• Innendurchmesser, bezogen auf inneren Grabenring:

ca. 62 m

• Innenfläche, bezogen auf inneren Grabenring: ca. 3000 m2

• Innenfläche, bezogen auf innerstes Palisadengräbchen:ca. 2000 m2

Die Anlage ist damit bezogen auf den äußeren Durch-messer rund ein Drittel größer als das einfache RingsystemDD-02/NIE-07, bezogen auf die Innenfläche sogar dop-pelt so groß.

4.3. Grabenquerschnitte und Verfüllung

In den zahlreichen Querprofilen stellen sich beide Gra-benringe als Spitzgräben dar (Abb. 9; 10). Die im basalenBereich steilen Grabenflanken flachen meist diskontinu-ierlich zur Mündung hin ab. Die Grabenwände sind viel-fach leicht konvex geschwungen. Jeder Querschnitt besitztbei gleichem Grundduktus Nuancen des Verlaufs, welchezusätzlich durch Asymmetrien und Stufungen betont wer-den können. Der Innen- ist vom Außengraben durch eineetwas strengere Geometrie und ausgeprägtere Kontur-regelmäßigkeit unterschieden. Damit einher geht einegrößere Tiefe und Tiefenstetigkeit (1,83–1,94 m; Außen-graben 1,32–1,76 m). Gleichfalls zeigen diese Werte dieHöhenschwankungen des Sohlenverlaufs, vornehmlichdes Außengrabens. Natürlich beziehen sich alle getroffe-nen Feststellungen einstweilen nur auf die kurzen gegra-benen Abschnitte, eine Übertragung auf die Gesamtan-lage ist unstatthaft.

Die überlieferte Hohlform der Gräben mit ihrer invielen Details variablen Gestalt ist sicherlich zu gutenTeilen konstruktionsbedingt, ob intentionell durch dieErbauer geschaffen oder unbewusst, etwa durch die ange-wandte Arbeitstechnik verursacht, muss vorerst dahinge-stellt bleiben. Hiervon mittels verlässlicher Kriteriensekundäre erosive Formveränderungen abzugrenzen,bleibt ein oftmals schwieriges Unterfangen. Der Gedanke,anhand eng übereinstimmender Merkmale Grabenseg-mente im Sinne von „Baulosen“ zusammenzuschließen,ist zwar verlockend, jedoch bei gegebener Datengrund-lage in Verbindung mit den viel zu kleinen Grabungsaus-schnitten kaum tragfähig. Daran knüpfen auch Überle-gungen zur Art und Weise der Errichtung der Anlage an:sukzessive oder in einem Zuge? Eine mögliche relativeAbfolge der Bauglieder – Außen- und Innengraben,Zugangsgräbchen, (Palisaden)gräbchen – lässt sich ausder gegebenen Befundlage über eindeutige stratigrafischeVerhältnisse nicht ermitteln. Genauso offen bleibt dieFrage, ob die Anlage, wie sie dem heutigen Betrachter ent-gegentritt, einer vorgegebenen Gesamtkonzeption ent-springt oder einem eher „unplanmäßigen“ Aneinander-fügen von Baugliedern.

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1138 Sächs. Bodendenkmalpflege

Abb. 9. DD-98. Profilschnittdurch den Außengraben.

Abb. 10. DD-98. Profilschnitt durch den Innengraben.

Art und Struktur des Füllsediments gleichen sich in bei-den Gräben in den Grundzügen: im oberen Drittel homo-gen, dunkel, in den unteren Zweidritteln Wechsellagerungvon dunklen und hellen Sedimentbändern variierenderMächtigkeit. Der Sedimentationsprozess ist zu Beginnfolglich durch höhere Lössanteile (helle Bänder) gekenn-zeichnet, während im Verlauf die dunklere, humose Kom-ponente zunimmt. Jenseits dieses Trends zeichnet sich dieVerfüllung des Innengrabens durch einen höheren und feineren Grad an Differenziertheit sowie einen schärferenHell-Dunkel-Kontrast aus, während die des Außengra-bens verwaschener und stärker homogenisiert erscheint.Betont wird dieser Gegensatz noch durch sehr feine, hell-graue Schluffbändchen im Sohlbereich des Innengrabens,wie sie im Außengraben nirgends zu beobachten waren.Man wird sie als Zeugnisse kurzer Einschwemmereignisse(Starkregen etc.) interpretieren dürfen29.

Eine weitere Eigenart des Innengrabens besteht in einerErneuerungsphase, welche sich als leicht versetzte Gra-benspitze einige Dezimeter oberhalb der ersten Graben-sohle zu erkennen gibt. Gesicherte Erklärungen der wirk-samen Sedimentationsprozesse, die zu den skizzierten, inDetails abweichenden Verfüllungen führten, bedürfen sedimentologisch/bodenkundlicher Analysen, für die aus-reichend Probenmaterial entnommen wurde30.

4.4. Zum Verhältnis von Kreisgraben und Siedlung

Die angedeuteten Unregelmäßigkeiten der beiden Gra-benringe sind zu nicht unerheblichen Teilen auch ihrerLage an der Peripherie eines bandkeramischen Siedlungs-areals geschuldet, durch die es mehr oder weniger zwangs-läufig zu Über- respektive Anlagerungen archäologischerStrukturen kam. So „verschwimmt“ stellenweise der ur-sprüngliche Umriss der Kreisgräben und erhält etliche„Protuberanzen“. Es ist allerdings nicht mit wünschens-werter Verlässlichkeit zu klären, ob es sich dabei um eigen-ständige Siedlungsbefunde oder vielleicht doch in funk-tionalem Kontext mit der Anlage stehende Strukturen handelt. Soweit über Profilschnitte erschlossen, gelang es

29 Vgl. dazu J. Petrasch, Mittelneolithische Kreisgrabenanlagenin Mitteleuropa. Ber. RGK 71, 1990, 457.30 z.B. S. Verginis, Sedimentologische Untersuchungsmetho-den und deren Anwendung und Auswertung am Beispielzweier Profile von Kamegg, NÖ. Arch. Austriaca 70, 1986,103–111; S. Verginis/E. Grubner, Sedimentologisch-boden-kundliche Untersuchungen in Strögen, Niederösterreich. Arch.Austriaca 79, 1995, 169–178; lediglich auf makroskopischer Basis fußende Sedimentansprachen führen letztlich zu keinersubstantiellen Erklärung der beteiligten Prozesse.

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in keinem Fall, eine gesicherte stratigrafische Abfolge zwi-schen Anlagerungen und Gräben zu ermitteln. Auch dieHinzunahme der jeweiligen Fundinventare (soweit Kera-mik vorhanden, durchweg mit Stichbanddekor) führt zukeiner präziseren Eingrenzung des zeitlichen Verhältnis-ses. Überlagert die Kreisgrabenanlage nun einen aufgelas-senen Siedlungsbereich oder kam es während oder nachder Nutzungszeit des Rondells zu weiteren Siedelakti-vitäten? Der ansatzweise aufgedeckte bandkeramischeHausgrundriss auf der Innenfläche, nahe des Innengra-bens, kann nicht gleichzeitig mit diesem bestanden haben.Dass er über den Innengraben, nach dessen Funktions-verlust und Verfüllung, hinweg errichtet wurde, ist wohlunwahrscheinlicher als der umgekehrte Fall. So scheint es derzeit plausibel, von einer Abfolge Siedlung – Kreis-graben auszugehen.

4.5. Fundmaterial und Zeitstellung

Aus den gegrabenen Segmenten liegen knapp 1600 Fund-objekte vor, in erster Linie Keramik, in quantitativer Staf-felung gefolgt von Silices, Mahl- und Schleifsteinen, Werk-zeugen aus geschliffenem Stein sowie in sehr geringemUmfang Rotlehmbröckchen, kleinteiligen Knochenres-ten und Rötel. Die Keramik zeichnet ein hoher Fragmen-tierungsgrad und eine intensive Oberflächenkorrosion aus, die vielfach die vorhandene Verzierung unkenntlichmachte. Alle Fundgattungen besitzen ein ähnliches verti-kales Verteilungsmuster, unabhängig vom Grabenring bzw.Grabensegment: Über 90 % entstammen dem oberen,mehr oder weniger homogenen Füllsediment. Beträcht-liche Differenzen offenbart hingegen ihre horizontaleStreuung. So entfallen auf den Innengraben nur etwa 10 %der Fundmenge, der Außengraben zeigt drastische Staf-felungen. Sicherlich spielen die unterschiedlichen Längender untersuchten Grabenstücke und damit abweichendeFüllvolumina eine Rolle, alles in allem sind solche Diffe-renzen jedoch für eine alleinige Erklärung des Tatbestan-des viel zu gering. Hier müssen vertiefende Untersuchun-gen ansetzten, deren zentrales Thema das Zustandekom-men der Grabenverfüllung ist, nicht zuletzt unter demAspekt der zeitlichen Dimension. Ist ein funktionalerZusammenhang mit dem Kreisgrabensystem anzunehmenoder handelt es sich um umgelagertes Fundgut, das dem der Anlage vorangehenden Siedlungsprozess entstammt?

Eng mit diesem Fragenkreis verwoben ist natürlich dieFrage der Datierung der Anlage, und zwar ihrer Entste-hung, Nutzungszeit und Aufgabe. Die Grabenfüllungenenthalten ausnahmslos Keramik mit Stichbanddekor, auchdie Sohlbereiche. Im Außengraben überwiegt eine rechtgrobe Stichtechnik, die in Anlehnung an die chronologi-

sche Konzeption von M. Zápotocká als Indiz für einenjüngeren Ansatz im Rahmen der StichbandkeramischenKultur gelten soll31. Aber dies bleibt eingehend zu prüfen.Das Keramikspektrum des Innengrabens ist zu eng fürentsprechende Vermutungen. Vorerst ist damit zunächsteine grobe Zeitrichtung abgesteckt. Organisches Material(Holzkohle, Knochen) für 14C-Messungen steht mangelsFundmasse leider nicht zur Verfügung.

4.6. Einordnung in den Kontext mittel-europäischer Kreisgrabenanlagen

Unter Betrachtung der Grundrissform mit der charak-teristischen Ausprägung einer Torgasse durch Verbin-dungsgräben zwischen Außen- und Innenring lassen sichvergleichbare Konstruktionen in Bayern, Böhmen undNiederösterreich finden. Zu nennen sind die Anlagen von Kleinrötz (NÖ), Pranhartsberg 2 (NÖ), Ramsdorf(Bayern), Schmiedorf 1 (Bayern), Künzing-Unternberg(Bayern) und Lochenice (Böhmen)32. In Sachsen selbst zei-gen die (stich)bandkeramischen Grabenwerke von Eythra,Lkr. Leipziger Land und Kyhna, Lkr. Delitzsch ähnlicheZugangslösungen33. Offensichtlich handelt es hierbei umeinen überregional wirksamen Grundrissaspekt.

5. Das bandkeramische Gräberfeld in NIE-04

Im Garten der Häuser 63 und 65 in der Fritz-Meinhardt-Straße wurden bei den 2002 durchgeführten Grabungen imVorfeld der Zubringerstraße S 191 18 Körpergräber unddrei Brandgräber ausgegraben und dokumentiert. Mit denfünf Körpergräbern, die bereits 1958/59 ausgegraben wur-den34, umfasst das Nickerner Gräberfeld nun 26 Bestattun-gen (Abb. 11). Die Gräber scheinen in zwei räumlichgetrennte Gruppen unterteilt zu sein, was eventuell durcheine Dokumentationslücke erklärt werden kann35. Inner-halb dieser Einheiten zeichnen sich schemenhaft kleinereGrabgruppen von bis zu sechs Gräbern ab. Da die maxi-

31 M. Zápotocká, Die Stichbandkeramik in Böhmen und in Mit-teleuropa. In: Die Anfänge des Neolithikums vom Orient bisNordeuropa (Köln, Wien 1970) 1–66; 6 f. 24 f.32 Trnka (Anm. 17) 102–104 Abb. 43; 122–123 Abb. 57; 274f.

Abb. 128; 275–277 Abb. 109; 270–272 Abb. 107; 284f. Abb. 113.33 Vgl. Kap. 7 sowie H. Stäuble, From the air and on theground: two aspects of the same archaeology? Round and lin-ear ditch systems in North-West Saxony. Arch. Rozhledy 54,2002, 304 ff. Abb. 3.34 Baumann (Anm. 1) 95 ff.35 Die Baugrube vom westlichen Haus sowie die Fläche derein paar Jahre später angebauten Garagen mit Einfahrt konntennicht vollständig archäologisch untersucht werden.