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Seminararbeit Basel II und Solvency II 105.135 Seminar aus Finanz- und Versicherungsmathematik 11. Jänner 2012 David Hinterkörner e0855468

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Seminararbeit

Basel II und Solvency II105.135 Seminar aus

Finanz- und Versicherungsmathematik

11. Jänner 2012

David Hinterkörner e0855468

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Inhaltsverzeichnis1 Einleitung..........................................................................................................................................32 Basel II..............................................................................................................................................4

2.1 Einleitung.................................................................................................................................42.2 Risiken des Bankgeschäftes.....................................................................................................4

2.2.1 Kreditrisiken....................................................................................................................42.2.2 Marktpreisrisiken............................................................................................................42.2.3 Operationelle Risiken......................................................................................................5

2.3 Aufbau – das 3-Säulen-Modell................................................................................................52.4 Säule I – Mindestkapitalanforderungen...................................................................................5

2.4.1 Kreditausfallrisiken.........................................................................................................62.4.2 Operationelle Risiken......................................................................................................82.4.3 Marktrisiken....................................................................................................................9

2.5 Säule II – Bankaufsichtlicher Überprüfungsprozess..............................................................102.6 Säule III – Erweiterte Offenlegung (Marktdisziplin).............................................................112.7 Umsetzung.............................................................................................................................112.8 Veränderungen mit Basel III..................................................................................................11

2.8.1 Änderungen der Vorschriften in Bezug auf das Kapital................................................122.8.2 Liquiditätsvorschriften..................................................................................................122.8.3 Übergangsphase............................................................................................................13

3 Solvency II......................................................................................................................................143.1 Einleitung...............................................................................................................................143.2 Risiken im Versicherungsgeschäft.........................................................................................14

3.2.1 Versicherungstechnische Risiken..................................................................................143.2.2 Kapitalanlagerisiken......................................................................................................153.2.3 Asset-Liability-Mismatching.........................................................................................15

3.3 Aufbau....................................................................................................................................153.4 Säule I – Kapitalanforderungen.............................................................................................16

3.4.1 Solvenzbilanz................................................................................................................163.4.2 Das Standardmodell......................................................................................................19

3.5 Säule II – Governance-System...............................................................................................233.6 Säule III – Offenlegungspflichten .........................................................................................24

3.6.1 Berichte an die Öffentlichkeit.......................................................................................243.6.2 Berichte an die Aufsichtsbehörden................................................................................25

3.7 Umsetzung.............................................................................................................................254 Literatur..........................................................................................................................................26

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1 EinleitungZiele der Einführung neuer Aufsichtsmodelle in der Finanzbranche sind die Stärkung der Stabilität der Finanzsysteme und der bessere Schutz des Kunden. Hierbei wird an mehreren Stellen angesetzt die in der Seminararbeit genau geschrieben sind.

BegriffsdefinitionenSolvabilität: Die Ausstattung mit Eigenmitteln.

Basler Ausschuss: Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wurde 1974 von den Zentralbanken und Bankaufsichtsbehörden der G10-Staaten gegründet. Er hat seinen Sitz in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel.

CEIOPS (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors): CEIOPS bestand aus den Versicherungs- und Pensionsfondsaufsehern innerhalb der Europäischen Union. Andere Aufsichtsbehörden des EWR waren als Beobachter vertreten. Ziel war die Reform des europäischen Versicherungsrechts.

EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority): Die Europäische Versicherungs- und Betriebspensionsbehörde (EIOPA) wurde am 1.1.2011 als Nachfolgeorganisation des CEIOPS gegründet und ist Teil des Europäischen Systems der Finanzmarktaufsicht.

IFRS (International Financial Reporting Standards): Die IFRS sind internationale Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen und dienen der Aufstellung international vergleichbarer Jahres- und Konzernabschlüsse.

VaR (Value-at-Risk): VaR bezeichnet ein Risikomaß, das angibt, welchen Wert der Verlust einer bestimmten Risikoposition mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit und in einem gegebenen Zeithorizont nicht überschreitet.Bsp.: Ein VaR von 10 Mio. Euro, Haltedauer 1 Tag und Konfidenzniveau 97,5 % bedeutet, dass der potenzielle Verlust von einem Tag auf dem nächsten mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,5 % den Betrag von 10 Mio. Euro nicht überschreitet.

Nachrangige Verbindlichkeiten: Nachrangige Verbindlichkeiten werden im Konkursfall erst dann zurückerstattet, wenn die Forderungen aller nicht nachrangiger Gläubiger getilgt worden sind. Darunter fällt also nicht nur Fremdkapital, sondern auch Eigenkapital, da sie zur Haftung bzw. Verlustabdeckung herangezogen werden.

Kapitaladäquanz: Angemessenheit der Eigenmittelausstattung der Bank in Bezug auf desen Risikoprofil.

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2 Basel II2.1 EinleitungBasel II bezeichnet die Gesamtheit aller Eigenkapitalvorschriften, Überprüfungsvorschriften und Offenlegungspflichten von Banken. Eigenkapital wird benötigt, um Verluste abzufedern und die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten.

Nachdem in den 90er-Jahren die Eigenkapitalquote der Banken auf ein sehr niedriges Niveau gefallen und damit das Risiko von Insolvenzen gestiegen war, wurde erstmals beschlossen, dass es strengere Vorschriften für Banken geben muss. Ausgelöst wurde die Besorgnis vor allem auch aufgrund des Zusammenbruchs der Herstatt-Bank.

Die Regelungen wurden vom Basler Ausschuss ausgearbeitet und unter dem Namen Basel I pupliziert. Diese Vereinbarungen werden von der jeweiligen Bankenaufsicht kontrolliert und sind derzeit in über 100 Ländern gültig.

Auch Basel II soll ein international gültiger Standard werden und wurde von den USA angeregt und initiiert. Allerdings wurden die Regelungen nicht mit dem gleichen Nachdruck wie in Europa umgesetzt.

2.2 Risiken des Bankgeschäftes

2.2.1 KreditrisikenDas Kreditrisiko ist das Risiko, dass ein Kreditnehmer einen Kredit nicht mehr vollständig und zeitgerecht bzw. nicht vertragsgemäß zurückzahlen will oder kann. Es ergibt sich also aufgrund des Ausfalls des Geschäftspartners ein Verlust des überlassenen Kapitals einschließlich anteiliger Zinsen. Im weiteren Sinn kann man die Verschlechterung der Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers als Kreditrisiko ansehen.

Im Bankensektor ist das Kreditrisiko oder auch Kreditausfallrisiko das bedeutendste. Der Haupt-grund für Insolvenzen in der Geschichte des Bankenwesens waren sich häufende Kreditverluste.

2.2.2 MarktpreisrisikenMarktpreisrisiken beschreiben die Gefahr von finanziellem Verlust durch ungünstige Entwicklung der Marktpreise (z.B.: Aktienkurse, Rohstoffkurse, Zinsen oder Wechselkurse).

Es kann noch zwischen allgemeinem und besonderem Risiko unterschieden werden. Als allgemeines Marktrisiko sieht man das Risiko von Verlust durch die Bewegung des gesamten Marktes. Parameter hierfür wären zum Beispiel die Leitindizes wie der DAX, ATX oder Dow Jones. Das besondere Marktpreisrisiko rührt von Änderungen einzelner Marktpreise unabhängig von der allgemeinen Marktbewegung.

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2.2.3 Operationelle RisikenBeim operationellen Risiko handelt es sich um die Gefahr von Verlusten, die als Folge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder als Folge externer Ereignisse eintreten. Beispiele hierfür sind mangelhafte interne Kontrollen, Fehler aufgrund menschlichen Versagens, Betrugsdelikte, Brände oder andere Katastrophen. Auch Rechtsrisiken werden dem operationellen Risiko zugeordnet.

2.3 Aufbau – das 3-Säulen-ModellZusätzlich zu der bereits in Basel I existierenden Säule I kommen bei Basel II noch zwei weitere hinzu.

• Säule I: Mindestkapitalanforderungen• Säule II: Bankenaufsichtlicher Überprüfungsprozess• Säule III: Marktdisziplin und erweiterte Offenlegungspflicht

Die drei Säulen stehen gleichberechtigt nebeneinander und sollen sich gegenseitig ergänzen.

2.4 Säule I – MindestkapitalanforderungenEinen zentralen Aspekt der gegenüber Basel I erneuerten Mindestkapitalanforderungen stellt die bessere Differenzierung der Risiken dar. Die bisherigen Anforderungen verleiteten die Banken,

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risikolosere Posten abzustoßen, da sie mit genausoviel Eigenmittel zu unterlegen waren wie risikoreichere und damit lukrativere Geschäfte.

Des Weiteren wird grundlegend zwischen drei Arten von Risiken unterschieden: Kreditausfallrisiken, Marktpreisrisiken und operationelle Risiken.

2.4.1 KreditausfallrisikenDie Eigenmittelerfordernis berechnet sich gemäß den Mindesteigenmittelanforderungen für Kreditrisiken. Banken können sich zwischen drei Ansätzen zur Risikogewichtung entscheiden. Dabei wird das Risiko entweder durch externe oder interne Ratings bestimmt.

StandardansatzDer Standardansatz zielt auf kleinere und mittlere Kreditinstitute mit weniger ausgeprägtem Risikomanagement ab. Das Risiko muss nicht selbst bewertet werden, sondern basiert primär auf externen, fest vorgegebenen Risikoeinstufungen. Diese Risikoeinstufungen erfolgen durch anerkannte Ratingagenturen (z.B.: Moody, Fitch, Standard & Poor). Ob eine Ratingagentur anerkannt wird, obliegt den nationalen Aufsichtsbehörden.

Die erforderliche Eigenkapitalunterlegung (EKU) für ein Kreditgeschäft (KG) berechnet sich nach folgender Formel:

Erforderliche EKU für ein KG=Forderungssumme∗Risikogewicht∗Eigenkapitalquote

Die Summe aller einzelner Kreditgeschäfte bildet die erforderliche Eigenkapitalunterlegung. Die Eigenkapitalquote betragt nach Basel II mindestens acht Prozent.

Das Risikogewicht bezieht sich auf den Forderungstyp.

Forderungstyp RisikogewichtStaaten In Abhängigkeit des Ratings durch externe

Agentur:

0 %, 20 %, 50 %, 100 % oder 150 %

Öffentliche StellenMultilaterale EntwicklungsbankenBankenWertpapierhäuserUnternehmenRetail 75,00 %Besicherung durch Wohnimmobilien 35,00 %Besicherung durch gewerbliche Immobilien 100,00 %

Bei Forderungen an Banken besteht ein Wahlrecht, ob sich das Rating auf die Bonität des Staates, in dem die Bank ihren Sitz hat (Option 1), oder auf die Bonität der Bank (Option 2) bezieht. Bei Option 1 wird immer das um eine Stufe höhere Risikogewicht gewählt. Allerdings wird für Banken in einem Staat mit einem Rating von BB+ bis B- und für Banken in einem Staat ohne Rating das Risikogewicht auf maximal 100 % begrenzt.

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Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen unter 1 Mio. € können im Retailgeschäft zusammengefasst werden. In diesem Mengengeschäft gibt es verringerte Eigenkapitalanforderungen wegen der besseren Risikostreuung.

Auswahl an Risikogewichten (in Prozent) bezüglich Ratings

Ratings Staaten Banken (Option 1) Banken (Option 2)AAA bis AA- 0,00 % 20,00 % 20,00 %A+ bis A- 20,00 % 50,00 % 50,00 %BBB+ bis BBB- 50,00 % 100,00 % 50,00 %BB+ bis B- 100,00 % 100,00 % 100,00 %Unter B- 150,00 % 150,00 % 150,00 %Ohne Rating 100,00 % 100,00 % 50,00 %

Beispiel: Kreditforderung an Bank A mit Rating AA-: 20 Mio. €Kreditforderung an Bank B mit Rating BB+: 10 Mio. €Kreditforderung an Staat A mit Rating AAA: 50 Mio. €Kreditforderung im Retailgeschäft: 5 Mio. €

Erforderliche EKU für Bank A=20000 000€∗0.20∗0.08=320 000€Erforderliche EKU für Bank B=10000 000 €∗1.00∗0.08=800 000 €Erforderliche EKU für Staat A=50 000 000 €∗0.00∗0.08=0 €Erforderliche EKU für Retail=5000 000 €∗0.75∗0.08=300 000 €

Erforderliche Eigenkapitalunterlegung=320 000 €+800 000 €+0€ +300 000 € =1420 000 €

IRB-Ansätze – Internal Rating Based ApproachWeitere Möglichkeiten, die Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken zu berechnen, stellen die IRB-Ansätze dar. Hierbei haben die Banken die Möglichkeit, auf internen Ratings basierende Verfahren zu verwenden. Diese Prozesse müssen jedoch strengeren Anforderungen gerecht werden und werden daher ständig auf ihre Angemessenheit kontrolliert. Diese risikosensitiveren Messmethoden können aber den Vorteil bringen, die Eigenkapitalanforderungen zu verringern. Allerdings sind sie auch komplexer und es werden mehr Ressourcen benötigt.

Bei den IRB-Ansätzen wird noch zwischen dem Basisansatz (Foundation Approach) und dem fortgeschrittenen Ansatz (Advanced Approach) unterschieden.

Die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung erfolgt analog zu der Berechnung in der Standardmethode. Die risikogewichteten Aktiva werden mit der Mindesteigenkapitalquote multipliziert. Jedoch werden diese Aktiva nun anders berechnet.

Zuerst muss man diese sieben Forderungsklassen zuordnen: Forderung an Staaten, an Banken, an Unternehmen, an Privatkunden, Beteiligungspositionen, verbriefte Forderungen und sonstige Aktivposten. Da in jeder Klasse die Risiken unterschiedlich zu bewerten sind, wird jeweils eine

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Risikogewichtungsfunktion zugeordnet.

Danach müssen die Risikokomponenten eines Kredits bestimmt werden. Diese sind:• Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of default, PD)

Die Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits.• Verlustquote bei Ausfall (Loss-given-default, LGD)

Die Verlustquote pro Einheit des Kredits im Fall des Ausfalls.• Restlaufzeit (Effective Maturity, M)

Die effektive Restlaufzeit des Kredits.• Ausstehende Forderung zum Ausfallzeitpunkt (Exposure at default, EAD)

Der Kreditbetrag zum Zeitpunkt des Ausfalls.

Die Risikoparameter werden in die Risikogewichtungsfunktion eingesetzt und legen damit die Eigenkapitalunterlegung fest. Die folgende Formel zeigt, wie so eine Risikogewichtungsfunktion aussehen könnte:

Eigenkapitalunterlegung=EAD∗RisikogewichtRisikogewicht=LGD∗PD∗M

Im IRB-Basisansatz werden lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit und in einzelnen Fällen die Restlaufzeit bestimmt. Die weiteren Parameter werden durch das Regelwerk von Basel II bestimmt (LGD 45 % für vorrangige Kredite und 75 % für nachrangige Kredite, Restlaufzeit 2,5 Jahre).

Im fortgeschrittenen Ansatz werden alle vier Risikokomponenten vom Kreditgeber intern geschätzt. Diese Schätzungen müssen konservativ und langfristig orientiert sein. Es können allerdings auch Sicherheiten in die Berechnung des LGD miteingebracht werden. Des Weiteren müssen die Methoden und Datenbasen den Anforderungen der zuständigen Aufsichtsbehörde genügen.

Da beide Methoden einen hohen Aufwand für die Bank darstellen, wird diese abwägen, ob der Einsatz dieser Verfahren die Eigenkapitalanforderungen senkt und damit einen Vorteil bringt.

2.4.2 Operationelle RisikenDie operationellen Risiken beschreiben die direkten oder indirekten Verluste, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder externen Ereignissen entstehen.

Ansätze für die Messung der operationellen Risiken sind der Basisindikatoransatz, der Standardansatz, der alternative Standardansatz und der fortgeschrittene Messansatz.

Der Basisindikatoransatz ist die einfachste Methode, um die Höhe der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung zu berechnen. Als Risikoindikator wird das Betriebsergebnis der Bank herangezogen. Es sind 15 % der durchschnittlichen Bruttoerträge der vergangenen drei Jahre zu unterlegen.

Eigenkapitalunterlegung=0.15∗13∗(BE1+BE 2+BE 3)

BE1, BE2, BE3: Bruttoerträge der letzten drei Jahre

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Im Standardansatz werden die Bruttoerträge nach Geschäftstätigkeit acht vorgegebenen Geschäftsfeldern zugeteilt. Für jedes der drei letzten Jahre wird ein Teilanrechnungsbetrag berechnet, wobei die Geschäftsfelder unterschiedlich gewichtet sind. Der Gewichtungsfaktor wird auch Betafaktor genannt. Der Mittelwert aus diesen Beträgen ist dann die Eigenkapitalunterlegung. Ist ein Teilanrechnungsbetrag negativ, so wird er auf 0 gesetzt.

T 1,2 ,3=max {∑j=1

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β∗G j ,0} Eigenkapitalunterlegung=13∗(T 1+T 2+T 3)

β: BetafaktorGj: Bruttoertrag im jeweiligen GeschäftsfeldT1,T2,T3: Teilanrechnungsbeträge der letzten drei Jahre

Geschäftsfeld BetafaktorUnternehmensfinanzierung und -beratung 18,00 %Handel 18,00 %Zahlungsverkehr und Zahlungsabwicklung 18,00 %Depot- und Treuhandgeschäft 15,00 %Firmenkundengeschäft 15,00 %Privatkundengeschäft 12,00 %Vermögensverwaltung 12,00 %Wertpapierprovisionsgeschäft 12,00 %

Beim alternativen Standardansatz kann man in den Geschäftsfeldern Firmenkundengeschäft und Privatkundengeschäft anstatt der Bruttoerträge auch das Kreditvolumen als Indikator heranziehen. Dieses wird mit dem Faktor 3,5 % gewichtet.

Die fortgeschrittenen Messansätze (Advanced Measurement Approach, AMA) sind bankspezifisch und müssen von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, nur einen Teil der Geschäftsfelder mit dem fortgeschrittenen Messansatz zu berechnen und für die anderen den Standardansatz zu verwenden. Ein Vorteil ist, dass bei diesem Ansatz die Anerkennung von Versicherungen zur Minderung des operationellen Risikos zugelassen ist. Der Aufwand zur Berechnung ist hier klarerweise am größten.

2.4.3 MarktrisikenIn der ersten Säule ist die Eigenkapitalunterlegung von Marktpreisrisiken für die Risiken aus Änderungen von Aktienkursen, Zinssätzen, Wechselkursen, Goldpreis sowie Waren bzw. Rohstoffpreisen und den damit verbundenen sonstigen Risiken vorgesehen. Diese Risiken sind alle im Bereich des Handelsbuches, welches des Portfolio der Finanzinstrumente kurzer Laufzeit enthält, angesiedelt.

Für die Risiken des Bankbuches (alle, die nicht im Handelsbuch sind) oder auch Anlagenbuch genannt, ist keine Eigenmittelunterlegung vorgesehen, obwohl der Baseler Ausschuss festgestellt

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hat, dass das Zinsänderungsrisiko im Anlagenbuch ein potenziell bedeutendes Risiko darstellt, das mit Kapital unterlegt werden sollte. Da es international jedoch sehr unterschiedliche Formen der Zinsänderungsrisiken und deren Messung gibt, werden diese in Säule II behandelt.

Zur Beurteilung der Marktpreisrisiken kann man zwischen dem Standardansatz oder internen Modellen, die oft auf Value-at-Risk-Berechnungen zurückgreifen, wählen.

2.5 Säule II – Bankaufsichtlicher ÜberprüfungsprozessDas wesentliche Ziel der zweiten Säule ist die Ermutigung der Banken, ihre internen Verfahren zur Beurteilung institutsspezifischer Risikosituationen sowie einer angemessenen Kapitalaustattung permanent zu verbessern. Weiters sollen die Methoden des Risikomanagements ständig angepasst bzw. weiterentwickelt und der Dialog zwischen Aufsicht und Geschäftsleitung der Banken verbessert werden. Dadurch soll es zu einer weiteren Verbesserung des Risikomanagements, aber auch der Kontrollsysteme kommen.

Auf folgenden vier Prinzipien basiert der aufsichtsrechtliche Überprüfungsprozess:

• Bankinterner Prozess zur Sicherstellung der KapitaladäquanzJede Bank soll über Verfahren zur Beurteilung ihrer Eigenkapitalanforderungen bezüglich ihres Risikoprofils und über eine langfristige Strategie zum Erhalt ihres Eigenkapitalniveaus verfügen. Insbesondere gehören dazu die angemessene Identifizierung und Messung aller Risiken und die Anwendung und Weiterentwicklung geeigneter Risikomanagementsysteme. Vor allem müssen auch die Risiken berücksichtigt werden, die nicht in Säule I berücksichtigt werden.

• Der aufsichtliche ÜberprüfungsprozessAufsichtsbehörden sollen die zur Anwendung kommenden bankinternen Methoden zur Bewertung der angemessenen Eigenkapitalausstattung prüfen und bewerten. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass Banken die aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen überwachen und ihre Einhaltung sicherstellen. Falls die Aufsicht mit dem Ergebnis dieser Verfahren nicht zufrieden ist, soll diese angemessene rechtliche Maßnahmen ergreifen.

• Aufsichtsbehördliche MaßnahmenAufsichtsbehörden können von den Banken annehmen, dass sie mit einer höheren Eigen-kapitalausstattung als der aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Mindestkapitalausstattung handeln, und haben gegebenenfalls die Möglichkeit, eine höhere Mindestkapitalausstattung zu verlangen.

• Aufsichtsrechtliche InterventionAufsichtsbehörden sollen frühzeitig eingreifen, um zu unterbinden, dass das Eigenkapital unter die Mindestkapitalausstattung fällt.

Weiters enthält Säule II Empfehlungen zum Risikomanagement und zur aufsichtsrechtlichen Transparenz und Verantwortlichkeit. Es entstehen keine expliziten Eigenkapitalanforderungen durch diese Säule, jedoch werden entsprechende Vorschriften durch die Aufsichtsbehörden formuliert.

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2.6 Säule III – Erweiterte Offenlegung (Marktdisziplin)Ziel der dritten Säule ist die Stärkung der Marktdisziplin. Durch erweiterte und präzisere Offenlegungsvorschriften wird dafür gesorgt, dass mehr und zeitgerechtere Informationen über die Risikostrategien der Banken in den Markt gelangen. Es wird erwartet, dass gut informierte Marktteilnehmer ihre wirtschaftlichen Entscheidungen nicht nur bezüglich Rentabilität treffen, sondern eine gute Geschäftsführung, gutes Risikomanagement oder breit gestreute Risiken honorieren. Kreditinstitute mit risikofreudigem Verhalten werden so durch den Markt diszipliniert.

Die Offenlegungsvorschriften beziehen sich auf folgende Gebiete:• Anwendungsbereich der Eigenkapitalvorschriften (Konsolidierungsniveau)• Kapitalstruktur• Kapitaladäquanz• Kreditrisiko• Beteiligungen• Marktrisiko• Operationelles Risiko• Zinsrisiko im Bankbuch• Kreditrisikomindernde Techniken• Verbriefungen• Auf internen Ratings basierende Ansätze (IRB)

2.7 UmsetzungIm Jahre 1988 wurde vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ein Regelwerk von Eigenmittelvorschriften (Basel I) erlassen.

Diese Regelungen wurden überarbeitet und im Juni 2004 der sogenannte Basel II-Akkord veröffentlicht. Um die Auswirkungen von Basel II abschätzen zu können, wurden QIS (Quantitative Impact Study)-Studien durchgeführt.

Im Juni 2006 hat die Europäische Kommission die beiden EU-Richtlinien RL 2006/48/EG und RL 2006/49/EG veröffentlicht. Diese setzten die neuen Eigenmittelbestimmungen in Europäisches Recht um. Nach der Umsetzung der Mitgliedsstaaten in nationales Recht fanden die Bestimmungen erstmals 2007 EU-weit Anwendung.

In Österreich erfolgte die Umsetzung durch Änderungen im Aufsichtsgesetz, im Bankwesengesetz sowie durch zwei Verordnungen der Finanzmarktaufsicht. Sie traten überwiegend mit 1. Jänner 2007 in Kraft.

2.8 Veränderungen mit Basel IIIInfolge der Finanz- bzw. Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 2007 und aufgrund der mit Basel II gesammelten Erfahrung wurde Basel III entwickelt. Da das Modell und die vorgeschriebenen Methoden kaum verändert wurden, ist Basel III nur eine Weiterentwicklung von Basel II, das grundsätzlich gültig bleibt. Die neuen Regelungen beziehen sich hauptsächlich auf die Eigenkapitalbasis und die erforderlichen Mindestquoten (Liquiditätsvorschriften).

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2.8.1 Änderungen der Vorschriften in Bezug auf das KapitalErhöhung der Qualität, Konsistenz und Transparenz der EigenkapitalbasisDa das Bankensystem zu wenig qualitativ hochwertiges Eigenkapital besessen hat, wird verstärkt auf das Kernkapital fokussiert.

Verbesserung der RisikodeckungEinige Maßnahmen sind:

• Erhöhung der Kapitalanforderungen für Kredit- und Marktrisiken• Erhöhte Standards für den bankenaufsichtlichen Überprüfungsprozess• Erhöhte Standards für die Offenlegung• Reduktion der Abstützung auf externe Ratings• Erhöhung der Kapitalanforderungen für Gegenparteienexposures

Einführung einer Verschuldungsgrenze (Leverage-Ratio)Die Verschuldungsgrenze stellt die Bilanzsumme ins Verhältnis zum Eigenkapital dar.

Reduktion von Prozyklität und Stärkung von antizyklischen PuffernDie Puffer sollen helfen, erwartete wie unerwartete Verluste besser abzufangen. Es handelt sich hierbei um "weiche" Kapitalanforderungen. Falls die Pufferanforderungen nicht erfüllt werden, verliert die Bank nicht ihre Lizenz, sie ist aber hinsichtlich ihrer Gewinnverwendung eingeschränkt. Es müssen Teile oder auch der volle Gewinn einbehalten werden, bis der Puffer wieder gefüllt ist.

Systemische Risiken und gegenseitige GeschäftsbeziehungenDie "übermäßige Vernetzung" der Banken hat in der Finanzkrise große Probleme bereitet. Daher werden vom Basler Ausschuss Maßnahmen und Vorschriften ausgearbeitet, die diese stark ausgeprägten Geschäftsbeziehungen reduzieren sollen.

2.8.2 LiquiditätsvorschriftenVor allem im Zuge der Finanzkrise hat sich herausgestellt, dass eine adäquate Liquiditätssituation maßgeblich für das Funktionieren der Märkte und des Bankensektors ist. Die verschlechterte Marktsituation brachte vielen Banken schnell einen Liquiditätsengpass und Zentralbanken rund um den Globus mussten liquiditätszuführende Maßnahmen ergreifen. Daher erstellte der Basler Ausschuss grundlegende Prinzipien für das Liquiditätsmanagement und dessen Überwachung.

Des Weiteren wurden zwei quantitative Mindeststandards mit verschiedenen Risikohorizonten präsentiert:

• Liquidity Coverage Ratio (LRC)Der LCR soll gewährleisten, dass genügend Liquidität bezüglich eines vordefinierten Stressszenarios vorhanden ist, um Barabflüsse einen Monat lang kompensieren zu können. Dazu müssen Banken liquide sein und frei verfügbare Anlagen hoher Qualität haben, die sie auch in Krisenzeiten veräußern können.

• Net Stable Funding Ratio (NSFR)Der NSFR soll sicherstellen, dass Banken, in Abhängigkeit des Fälligkeitsprofils ihrer Verbindlichkeiten, über ausreichend langfristige Finanzierungsquellen verfügen. Es soll verhindert werden, dass sich Banken zu stark auf kurzfristige Finanzierungsquellen verlassen.

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2.8.3 ÜbergangsphaseUm die Kreditvergabe an die Wirtschaft nicht zu gefährden, werden die Reformen schrittweise umgesetzt. Den Banken soll die Möglichkeit gegeben werden, durch jährlich einbehaltene Gewinne und Kapitalerhöhungen die neuen Standards zu erfüllen.

Voraussichtlich sieht die Übergangsphase wie folgt aus:

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 01.01.2019

Verschuldungsgrenze Überwachungs-phase

Parallelbetrieb Über-nahme

Mindestkernkapitalrate 3,50 % 4,00 % 4,50 % 4,50 % 4,50 % 4,50 % 4,50 %

Kapitalerhaltungspuffer 0,625 % 1,25 % 1,875 % 2,50 %

Minimum Kernkapital plus Kapitalerhaltungspuffer

3,50 % 4,00 % 4,50 % 5,125 % 5,75 % 6,375 % 7,00 %

Stufenweiser Aufbau der Abzüge vom Kernkapital Tier 1

20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 100 %

Minimum gesamtes Tier 1-Kapital 4,50 % 5,50 % 6,00 % 6,00 % 6,00 % 6,00 % 6,00 %

Minimum Gesamtkapital Tier 1+2 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 %

Minimum Gesamtkapital plus Kapitalerhaltungspuffer

8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,625 % 9,25 % 9,875 % 10,50 %

Kapitalinstrumente, die nicht mehr als Tier 1 oder Tier 2 anerkannt werden

Stufenweiser Abbau über einen 10-Jahres Horizont

Antizyklischer Kapitalpuffer (individuelle Festlegung durch nationale Aufsichtsbehörden)

0 % - 0,625 %

0 %- 1,25 %

0 % - 1,875 %

0 % - 2,5 %

Liquidity Coverage Ratio Beobachtungsphase Mindeststandard

Net Stable Funding Ratio Beobachtungsphase Mindeststandard

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3 Solvency II3.1 EinleitungBereits 1995 wurde auf europäischer Ebene eine Untersuchung durchgeführt, die zu dem Schluss gekommen ist, dass zur Erfassung aller Risiken eines Versicherungsunternehmens die gegenwärtigen Eigenmittelvorschriften nicht ausreichend sind.

In einem ersten Schritt wurden die notwendigsten Änderungen in den bestehenden Richtlinien vorgenommen (Solvency I).

Zur grundlegenden Reformierung des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa hat die EU-Kommission im Jahre 1999 das Projekt Solvency II ins Leben gerufen. Ziel war es, ein risikosensitiveres Modell für ganz Europa zu erarbeiten. Alle darauf abzielenden Bemühungen wurden unter diesem Begriff zusammengefasst.

Zur Vorbereitung auf die Verwendung der Modelle und Methoden von Solvency II wurden in den letzten Jahren quantitative Auswirkungsstudien (Quantitative Impact Studies, QIS) in ganz Europa durchgeführt. Die letzte war QIS 5 im Jahr 2010, die die Auswirkungen der neuen Regeln ein letztes Mal vor der Umsetzung von Solvency II analysieren sollte.

Die Umsetzung von Solvency II stellt einen Prozess dar, der 2009 mit der Verabschiedung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend der Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit seinen vorläufigen Abschluss fand. Diese Richtlinie gibt den regulatorischen Rahmen für die detaillierte Umsetzung und Implementierung in nationales Recht vor.

3.2 Risiken im VersicherungsgeschäftDie Absicherung von Risiken stellt im Versicherungswesen das Kerngeschäft dar. Gegen eine Prämie übernimmt ein Versicherungsunternehmen den Kostenaufwand, der durch ein unvorhersehbares, zufälliges Ereignis entstehen kann.

Das Risikoprofil ist im Versicherungsgeschäft vielschichtig. Es beinhaltet versicherungstechnische Risiken, Kapitalanlagerisiken, operative Risiken, Asset-Liability-Mismatching, betriebswirt-schaftliche Risiken und noch viele mehr.

3.2.1 Versicherungstechnische RisikenUnter versicherungstechnischem Risiko versteht man die Gefahr, dass die Höhe der Kosten aller Versicherungsleistungen die zur Verfügung stehende Summe aus Prämienerlösen, Erlösen aus Kapitalanlagen und Sicherheitskapital übersteigt.

Die Prämieneinnahmen und versicherungstechnischen Rückstellungen müssen zu jedem Zeitpunkt in einer Höhe vorliegen, so dass alle künftigen Schäden beglichen werden können.

Eine feinere Aufteilung dieser Risiken ist das• Änderungsrisiko: Die Veränderung der kalkulatorischen Rahmenbedingungen,

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• Irrtumsrisiko: Die Verwendung unzureichender oder ungeeigneter Kalkulationsgrundlagen,• Zufallsrisiko: Die unerwartete Häufung von Schäden.

3.2.2 KapitalanlagerisikenDie zur Deckung von vertraglich zugesagten Leistungen verwendeten Kapitalanlagen bergen Risiken wie Adressenrisiko, Marktänderungsrisiko, Zinsrisiko, Währungsrisiko und Konzentrationsrisiko. Diese Risiken sind vergleichbar mit den Marktpreisrisiken in der Bankenbranche.

3.2.3 Asset-Liability-MismatchingUnter dem Risiko aus dem Asset-Liability-Mismatch versteht man die fehlende betragsmäßige oder zeitliche Übereinstimmung der versicherungstechnischen Verpflichtungen mit den zu deren Deckung dienenden Aktivposten. Eine mangelnde Abstimmung zwischen den Aktiv- und den Passivposten kann zu Solvenzproblemen führen. Daher existiert das Asset-Liability-Management, dessen Aufgabe die Abstimmung zwischen den Zahlungströmen aus Kapitalanlagen und den fällig werdenden versicherungsvertraglichen Leistungen ist.

3.3 AufbauÄhnlich wie in Basel II gliedert sich der Aufbau von Solvency II in drei Säulen. Diese sich gegenseitig ergänzenden Säulen bilden die Grundlage des Aufsichtssystems und sollen das internationale Versicherungssystem besser absichern.

• Säule I beschreibt dabei die aufsichtsrechtlichen Vorschriften und Maßnahmen zur Eigenkapitalunterlegung

• Säule II beschreibt die qualitativen Elemente der Aufsicht• Säule III beschreibt die Offenlegungspflichten eines Versicherungsunternehmens

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3.4 Säule I – KapitalanforderungenDie erste Säule umfasst die Anforderungen an die Bewertung aller relevanten Risiken des Unternehmens zur Bestimmung der Mindestkapitalanforderungen (Minimum Capital Requirement, MCR) und Solvenzkapitalanforderungen (Solvency Capital Requirement, SCR).

Das MCR beschreibt die Höhe des Kapitals, dessen Unterschreitung ein nicht annehmbares Risiko für die Versicherungsnehmer darstellt. Es sollte eine einfach zu berechnende, robuste und objektive Größe sein. Falls die Mindestkapitalanforderungen unterschritten werden, sollen gravierende aufsichtsrechtliche Maßnahmen ausgelöst werden.

Das SCR ist die Höhe des Eigenkapitals, bei dem auch erhebliche unvorhergesehene Verluste noch aufgefangen werden können und somit die ständige Zahlungsfähigkeit des Versicherungs-unternehmens garantiert wird. Es soll den Betrag widerspiegeln, der nötig ist, um alle Verpflichtungen über einen bestimmten Zeithorizont mit einem definierten Konfidenzniveau zu erfüllen.

Falls das SCR unterschritten wird, steht der zuständigen Aufsichtsbehörde ein abgestufter Maßnahmenkatalog zur Verfügung.

Die Berechnung der Kapitalanforderungen kann entweder anhand eines in Solvency II definierten Standardmodells geschehen oder durch ein vom Versicherungsunternehmen selbst entwickeltes internes Modell. Ein internes Modell muss von der Aufsicht geprüft und genehmigt werden. Es soll in beiden Fällen eine möglichst marktgerechte Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten erfolgen. Ein Anreiz für die Verwendung von risikosensitiveren, aber auch aufwendigeren, internen Modellen ist ein geringerer SCR.

3.4.1 SolvenzbilanzUm Verluste aus übernommenen Risiken zu bezahlen, ohne das irgendwelche Ansprüche gegenüber

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Versicherungsnehmer oder anderen Begünstigten beeinträchtigt werden, sollen Versicherungs-unternehmen über genügend Eigenmittel verfügen.

Im Mittelpunkt bei der Ermittlung der Eigenmittel steht die Solvenzbilanz, die eine vollständige marktnahe Bewertung der Bilanzaktiva und -passiva darstellt. Primär müssen die Vermögenswerte, die Verbindlichkeiten und die versicherungstechnischen Rückstellungen bewertet werden. Die Bonität des Versicherungsunternehmens ist nicht zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Eigenmittel beruht auf einem Marktwertkonzept und es erfolgt ein Übergang von statutorischen Bilanzzahlen zu einer aktuellen Marktbewertung, ähnlich wie es die International Financial Reporting Standards (IFRS) vorsehen.

Die marktnahe Bewertung für Verbindlichkeiten und Vermögenswerte, für die am Markt Preise ausreichender Qualität vorhanden sind, stellt kein Problem dar. Herausforderungen gibt es bei Kapitalmarktinstrumenten, für die kein Markt existiert, z.B. Schuldscheindarlehen oder Immobilien, die nicht einfach einer solchen Bewertung zuzuführen sind. Bei der Bewertung solcher Instrumente wird wiederholt auf die IFRS und die dort beschriebenen Methoden verwiesen.

Hinsichtlich der Bewertung von versicherungstechnischen Rückstellungen existieren seitens der IFRS noch keine konkreten Vorgaben, sodass umfangreiche eigenständige Vorschriften erarbeitet wurden. Grundsätzlich gilt, dass Beträge anzusetzen sind, die bei einer Übertragung an ein anderes Versicherungsunternehmen zu marktkonsistenten Preisen entstehen würden. Falls die Bewertung nicht über eine Nachbildung der Verpflichtung durch am Markt gehandelte Finanzinstrumente (Marktwert Rückstellungen) erfolgen kann, wird nach folgendem Schema bewertet:

• Zuerst muss der beste Schätzwert (Best Estimate) für die Verpflichtungen ermittelt werden. Dieser entspricht dem Barwert des wahrscheinlichkeitsgewichteten Durchschnitts zukünftiger Zahlungsströme.

• Zu diesem Wert wird eine Risikomarge addiert, über welche die Kapitalkosten für die zur

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Übernahme der Verpflichtung notwendigen Eigenmittel addiert werden.

Bei der Ermittlung der zukünftigen Zahlungsströme (Versicherungsprämien, Versicherungsleistung, mit Versicherungsverpflichtungen verbunder Aufwand) müssen aktuarielle bzw. statistische Methoden zum Einsatz kommen und alle Unsicherheiten, wie die zu erbringende Leistung, Häufigkeit und Höhe der Schäden, Entwicklung der Kapitalmärkte, Verhalten der Versicherungsnehmer bei der Ausübung von Optionen in ihren Policen, berücksichtigt werden.

In QIS 5 werden einige Methoden zur Ermittlung der besten Schätzung vorgestellt. Die Versicherungsunternehmen müssen die Eignung der Methoden für ihren Anwendungsfall nachweisen können.

Methodik BeschreibungAnalytische Techniken Nutzung von geschlossenen Formeln zur

Ermittlung des besten Schätzwerts bzw. eines seiner Bestandteile.

Simulation Berechnung des Erwartungswerts erfolgt durch Auswertung einer Menge von repräsentativen Szenarios, die, entsprechend der zugrunde liegenden Verteilung, generiert werden.

Deterministische Methoden Ähnlich der analytischen Techniken, mit der Einschränkung, dass die Unsicherheiten nicht oder nur eingeschränkt berücksichtigt werden.

Die zugrunde liegenden Daten müssen möglichst realistisch sein und dürfen z.B. keinen Sicherheitszuschlag enthalten, da dieser nach der Berechnung sowieso mit der Risikomarge hinzu-kommt. Die eigentliche Barwertermittlung muss dann den versicherungsmathematischen Rechnungsgrundlagen entsprechen.

Im zweiten Schritt wird die Risikomarge auf Ebene des gesamten Versicherungsportfolios berechnet. Die konkrete Formel lautet:

Risikomarge=Kapitalkostensatz∗∑t>0

EM ( t)∗DF (T )

EM(t) ... die im Jahr t benötigten EigenmittelDF(t) ... der dazugehörige Diskontfaktor

Der Kapitalkostensatz wird voraussichtlich 6 % betragen und t läuft bis zum Auslaufen des Bestandes.

Angesichts der Komplexität der Methodik gibt es zahlreiche Anforderungen an die Qualität der Berechnung des besten Schätzwertes und der versicherungstechnischen Rückstellungen, aber auch Vorschriften, die die Berechnung vereinfachen sollen.

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3.4.2 Das StandardmodellEs steht Versicherungsunternehmen grundsätzlich frei ob sie das Standardmodell oder interne Modelle wählen. Es ist allerdings eine mehrjährige Übergangsfrist zu erwarten, in der alle, auch Versicherungsunternehmen, die interne Modelle zur Berechnung verwenden, das Standardmodell verwenden müssen, um die erforderliche Vergleichbarkeit der Unternehmen am Markt zu gewährleisten.

Kernaufgabe des Standardmodells ist, die Solvenzsituation angemessen abzubilden.

Das Standardmodell teilt sich grob in die Bereiche• Bestimmung und Klassifizierung der Eigenmittel• Bestimmung SCR und MCR

Bestimmung und Klassifizierung der EigenmittelNach Solvency II setzen sich die Eigenmittel aus Basiseigenmitteln (Basic own Funds) und ergänzenden Eigenmitteln (Ancillary own Funds) zusammen.

Die Basiseigenmittel sind die Summe des Überschusses aus Vermögenswerten über die Verbindlichkeiten und der nachrangigen Verbindlichkeiten. Eigene Aktien sind von den berechneten Basiseigenmitteln abzuziehen. Deswegen ist es nicht dasselbe wie das Kernkapital, es gibt allerdings viele Übereinstimmungen.

Ergänzende Eigenmittel sind Vermögenswerte, die zur Absicherung von Verlustrisiken dienen, sowie Eigenmittel außerhalb der Solvenzbilanz. Die Bestandteile sind insbesondere nicht eingezahltes Grundkapital und Garantien, Kreditbriefe, hybride Finanzinstrumente und alle sonstigen rechtsverbindlichen Verpflichtungen, die Versicherungsunternehmen erhalten haben. Die Beträge der ergänzenden Eigenmittel und die Methode zur Bestimmung sind von der Aufsicht zu genehmigen.

Die Eigenmittel werden anhand von Merkmalen in drei Qualitätsklassen eingeteilt. Diese werden als Tier 1, Tier 2 und Tier 3 bezeichnet. Die sechs elementaren Kriterien für die Klassifizierung sind:

1. Ständige Verfügbarkeit2. Nachrangigkeit des kompletten Betrages im Falle einer Liquidation3. Verlustausgleichsfähigkeit (ausreichende Laufzeit)4. Keine Rückzahlungsanreize5. Keine obligatorischen finanziellen festen Kosten 6. Frei von sonstigen Belastungen

Auf Basis dieser Kriterien ergibt sich folgende Einstufung:• Tier 1: Basiseigenmittel

Diese Gruppe beinhaltet ausschließlich Basiseigenmittel, die alle Merkmale erfüllen• Tier 2: Basiseigenmittel und ergänzende Eigenmittel

Hier sind die Basiseigenmittel enthalten, die die ständige Verfügbarkeit nicht erfüllen, und die ergänzenden Eigenmittel, die alle Merkmale erfüllen

• Tier 3: Basiseigenmittel und ergänzende EigenmittelAlle restlichen Basiseigenmittel und ergänzende Eigenmittel

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Einige Vermögenspositionen werden ungeachtet der Kriterien fix zu Tiers zugeordnet. Beispiele hierfür sind die freien Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (Tier 1) oder Kreditbriefe sowie Garantien, die von unabhängigen Treuhändern bereitgestellt werden (Tier 2).

Nachrangige Verbindlichkeiten können in Solvency II auch als Basiseigenmittel und ergänzende Eigenmittel angeführt werden. Die Klassifizierung sieht folgendermaßen aus:

Tier 1 Tier 2 Tier 3Mindestens 10 Jahre Laufzeit Mindestens 5 Jahre Laufzeit Mindestens 3 Jahre LaufzeitAussetzung von Rückzahlung und Zinszahlung bei einem Bruch der SolvenzanforderungenDas Instrument muss Verlustausgleichsfähigkeit im laufenden Geschäft sein.

Erhöhung der Zinszahlung frühestens nach 5 Jahren

Bestimmung der SolvenzkapitalanforderungDas von den SCR bestimmte Kapitalniveau ist so gewählt, dass das Versicherungsunternehmen nur alle 200 Jahre durch unerwartete Verluste ausfallen könnte. Das entspricht einem Value-at-Risk (VaR) zu einem Konfidenzniveau von 99,5 % in einem Betrachtungszeitraum von einem Jahr.

In die Ermittlung von SCR geht nicht nur das zum Stichtag bestehende Geschäft, sondern auch das zu erwartende Neugeschäft ein. In der Schadenversicherung, wo die meisten Policen auf ein Jahr abgeschlossen werden, würde sonst eine sichtbare Risikounterschätzung erfolgen. Wobei hingegen für das Risiko aus Lebens- und Krankenversicherungen in der Standardformel auf das Einbeziehen des Neugeschäfts bewusst verzichtet wurde, da dort die Laufzeiten und die damit verbundenen Risiken besser zu beurteilen sind.

Auch wenn die Berechnung des SCR nur jährlich zu erfolgen hat, muss kontinuierlich gewährleistet werden, dass genügend Eigenmittel (bezüglich des zuletzt genannten SCR) vorhanden sind. Falls sich das Risikoprofil deutlich ändert, muss der SCR unverzüglich neu berechnet werden.

Der SCR deckt die folgenden Risiken, die sich in weitere Teilrisiken aufgliedern, ab:

Risiko BeschreibungVersicherungstechnisches Risiko Lebensversicherung

Versichungstechnische Risiken aus dem Lebensversicherungsgeschäft, z.B. Sterblichkeits- bzw. Langlebigkeitsrisiko, aber auch Storno- und Katastrophenrisiko

Versicherungstechnisches Risiko Krankenversicherung

Ähnlich der Risiken in der Lebensversicherung, hinzu kommen Risiken wie stark steigende Behandlungskosten oder wachsende Morbidität

Versicherungstechnisches Risiko Nicht-Leben-versicherung

Hier wird unterschieden• Prämienrisiko: Risiko unerwartet hoher

Schäden aus bestehenden Verträgen• Reserverisiko: Risiko unzureichender

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RückstellungenGegenparteiausfallrisiko Bezeichnet entweder das Risiko, dass ein

Sicherungsnehmer ausfällt (z.B. Rückversicherer), oder dass ein Schuldner ausfällt (z.B. Hypothek an Versicherungsnehmer)

Marktrisiko Zinsänderungs-, Aktienkurs- und Wechselrisiken, Risiken aus der Veränderung von Immobilienpreisen, Ausfälle von Emittenten von Kapitalanlagen, Konzentrationsrisiko (hohe Konzentration einzelner Emittenten)

Operationelles Risiko Risiko, das sich aus unangemessenen bzw. versagenden Prozessen und Systemen sowie dem Fehlverhalten von Mitarbeitern oder durch externe Ereignisse ergibt.

Für die Ermittlung der Solvenzkapitalanforderungen wird ein mehrstufiges Verfahren angewendet. Dieses lässt sich als Baumstruktur mit Ästen unterschiedlicher Tiefe darstellen. Jeder Endpunkt eines Astes repräsentiert ein spezielles Risiko. Die erste Unterteilung erfolgt in drei Größen:

• Basissolvenzanforderung• Kapitalanforderung für das operationelle Risiko• Anpassung an die Verlustausgleichsfähigkeit der versicherungstechnischen Rückstellungen

und der latenten Steuern

Die Kapitalanforderungen aus den Modulen für die einzelnen Teilrisiken werden abhängig vom Modul mit verschiedenen Methoden berechnet. Bei der Zusammenführung dieser Kapitalanforderungen wird angenommen, dass sie sich wie korrelierte normalverteilte Zufallszahlen

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verhalten. Daraus ergibt sich folgende Formel:

SCRKnoten=√∑i , jSCRi∗SCR j∗ρij

SCRi und SCRj: Teilrisken von SCRKnoten

Die Summe läuft dabei über die Kapitalanforderungen von den Teilrisiken, die mit einem durch Solvency II vorgegebenen Korrelationsfaktor ρij multipliziert werden.

Die Kapitalanforderungen können durch Rückversicherung oder andere risikomindernde Techniken gesenkt werden. Dabei entsteht allerdings ein Gegenparteiausfallsrisiko.

In der Lebens- und Krankenversicherung hat man die Möglichkeit, auf Verluste mit einer Verringerung der Überschussbeteiligung zu reagieren. Diese risikomindernde Wirkung wird bei der Berechnung des SCR berücksichtigt.

Die Bedeckung des SCR hat mit Tier 1-, Tier 2- und Tier-3-Kapital zu erfolgen. Der Anteil der nachrangigen Verbindlichkeiten im Tier 1 darf 20 % nicht übersteigen.

Bestimmung der MindestkapitalanforderungenUnterschreitet ein Versicherungsunternehmen die Solvenzkapitalanforderungen, so wird davon ausgegangen, dass es in der Lage ist Maßnahmen einzuleiten, um wieder über den SCR zu gelangen. Werden hingegen die MCR unterschritten, so greift die Aufsicht in die Unternehmens-steuerung ein.

Die Höhe der Mindestkapitalanforderungen basiert auf folgender hierachischen Ordnung• Absolutbetrag als Untergrenze

2,2 Mio. Euro bzw. 3,2 Mio. Euro je nach Art des Versicherungsunternehmens• Unter- und Obergrenze in Relation zum SCR

Der Korridor beträgt voraussichtlich 25 %-45 % des SCR• Berechnung

Die Berechnung an sich ist um einiges leichter als beim SCR. Es ist ein linearer, faktorbasierter Ansatz vorgesehen. Die versicherungstechnischen Rückstellungen, verbuchte Prämien und Verwaltungsaufwendungen sind solche Faktoren. Der MCR wird für die verschiedenen Sparten bzw. Produktarten berechnet und zum Gesamt-MCR addiert.

Das MCR muss mit Basiseigenmitteln bedeckt werden, wobei mindestens 50 % davon Tier 1 zugeordnet sein müssen.

Vergleich bzw. Abgrenzung SCR und MCR

Anforderung SCR MCRZur Bedeckung einsetzbare Eigenmittel

Anrechnungsfähige Eigenmittel Anrechnungsfähige Basiseigenmittel

VaR – Konfidenzniveau 99,50 % 85,00 %Risikohorizont 1 Jahr

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Berechnungsfrequenz Jährlich VierteljährlichBerechnung Standardformel oder Internes

ModellVereinfachtes Verfahren

Folgen einer Nichteinhaltung • Veröffentlichung des Vorfalls und der Gründe

• Vorlage Sanierungsplan bei der Aufsicht innerhalb von zwei Monaten

• Rückführung sollte innerhalb von sechs Monaten erfolgen

• Veröffentlichung des Vorfalls und der Gründe

• Vorlage Finanzierungsplan bei der Aufsicht innerhalb von einem Monat

• Rückführung sollte innerhalb von drei Monaten erfolgen

• Entzug der Zulassung als letzte Konsequenz

3.5 Säule II – Governance-SystemDa Mindestanforderungen an das Solvenzkapital alleine nicht reichen, um die dauerhaften Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer sicherzustellen, müssen Maßnahmen gesetzt werden, die gewährleisten, dass Risiken angemessen gesteuert werden und die Qualität der Prozesse und Verfahren überwacht wird.

Diese Vorschriften werden in der zweiten Säule definiert und die Überprüfung der Einhaltung unterliegt der national zuständigen Behörde. Die Vorschriften beinhalten auch einige Anforderungen an das Governance-Management.

Genau betrachtet umfassen die Aufgaben des Governance-Systems:

• Allgemeine Governance-Anforderungen◦ Transparente Organisationsstruktur

Tätigkeiten sind eindeutig Personen oder Organisationseinheiten zugeteilt◦ Schriftliche Leitlinien für Risikomanagement, interne Kontrollen, interne Revision,

ggf. Outsourcing◦ Vorhandensein von Notfallplänen

• Anforderungen an die fachliche Qualifikation• Zuverlässigkeitsnachweis

◦ Regelt die gegenseitige Anerkennung amtlicher Zuverlässigkeitsnachweise• Risikomanagement

◦ Risikomanagementsystem, das die dauerhafte Überwachung und Steuerung der Risiken ermöglicht

◦ Risiken, die nicht oder nur eingeschränkt von den Solvenzkapitalanforderungen abgedeckt werden, sind miteinzubeziehen

• Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung◦ Soll unter anderem die kontinuierliche Einhaltung des SCR sicherstellen◦ Integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie, die ständig bei Geschäftsentscheidungen

genutzt wird

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• Interne Kontrolle◦ Internes Kontrollsystem, das zumindest Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren

abdecken muss• Interne Revision• Versichungsmathematische Funktion

◦ Verantwortlich für die Koordinierung der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen und der dabei notwendigen Qualitätssicherung

• Outsourcing◦ Vorschriften für die Nutzung von Outsourcing

3.6 Säule III – Offenlegungspflichten Durch in der dritten Säule festgelegten erhöhten Publizitätsanforderungen wird die Markt-transparenz und damit die Marktdisziplin gestärkt.

Es wird dasselbe Ziel wie in der Säule III von Basel II verfolgt. Dadurch, dass man den Marktteilnehmern einen Einblick in die Solvenzlage eines Versicherungsunternehmens ermöglicht, sollen eine risikobewusste Unternehmensführung und ein wirksames Risikomanagement honoriert werden.

Die Europäische Kommission hat sich auch stark an den Vorgaben aus Basel II orientiert, berücksichtigt aber die Tatsache, dass im Versicherungssektor nicht ganz so starke Abhängigkeiten existieren wie in der Bankenbranche.

Es wird zwischen zwei Offenlegungspflichten unterschieden. Zum einen Informationen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, und zum anderen Informationen, die nur die zuständige Versicherungsaufsicht erhält. Für beide ist ein jährlicher Bericht zu erstellen, der prinzipiell der gleichen Grundstruktur folgen soll. An die Aufsicht sind auch während des Jahres gewisse Meldeformulare zu übermitteln.

3.6.1 Berichte an die ÖffentlichkeitZentrales Element ist der Bericht über die Solvabilität und die Finanzlage (Solvency and Financial Condition Report, SFCR). Dieser muss u.a Informationen zu folgenden Sachverhalten beinhalten:

• Beträge der SCR und MCR sowie Betrag und Qualität der Eigenmittel• Auskunft über die Nichteinhaltung der SCR bzw. MCR im Berichtszeitraum• Zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten angewandte Methoden• Risikosituation aufgeschlüsselt nach Risikokategorie• Beschreibung des Governance-Systems

Ebenfalls Teil des Berichts müssen die Analyse der wichtigsten Veränderungen zum Vorjahres-zeitraum und eine Erläuterung der Differenzen zum Jahresabschluss sein.

Die Veröffentlichung erfolgt voraussichtlich über die Website des Unternehmen und muss dort 14 Wochen nach Ende des Geschäftsjahres verfügbar sein.

Der Report muss vor der Publikation vom Verwaltungs-, Management- bzw. Aufsichtsorgan des Versicherungsunternehmens genehmigt werden.

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Bei wichtigen Ereignissen, die wesentliche Auswirkungen auf die Risikosituation haben, besteht die Pflicht, weitere Informationen zu veröffentlichen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der SCR unterschritten wird.

Diese Berichte und die damit verbundenen sehr detaillierten und zeitnahen Informationen über die Risikosituation werden die Wettbewerbssituation dieses Unternehmens beeinträchtigen. Es wird eine Marktdisziplin auf das Versicherungsunternehmen ausgeübt.

3.6.2 Berichte an die AufsichtsbehördenZentraler Punkt ist die regelmäßige Berichterstattung an die Aufsicht. Die Struktur der Berichte ähnelt der des SFCR mit jedoch weitergehenden Informationspflichten. Es wird voraussichtlich zwei Berichte geben:

• Report to Supervisors (RTS)Dieser Bericht wird von der Art her mit dem SFCR vergleichbar sein, jedoch noch einige zusätzliche Informationen, wie z.B. Planwerte für SCR und MCR, enthalten. Er ist jährlich zu erstellen, wobei nur alle fünf Jahre ein Report im vollen Umfang abzugeben ist. 14 Wochen nach dem Ende des Geschäftsjahres muss er verfügbar sein.

• Quantitative Reporting Templates (QRT)Dieser Report enthält quantitative Daten und ist für jedes Quartal zu erstellen. Er muss drei Wochen nach Quartalsende fertig sein. Der letzte Bericht ist Teil des RTS.

Alle Berichtspflichten sind Teil des aufsichtlichen Überprüfungsverfahren. Der RTS und der QRT stellen dabei die zentralen Überwachungsinstrumente für die Versicherungsaufsicht dar.

3.7 UmsetzungDie Umsetzung auf EU-Ebene wurde in zwei Phasen unterteilt. Die erste Phase, in der die Rahmenbedingungen formuliert wurden, wurde im Mai 2003 abgeschlossen. In der zweiten Phase wurden von CEIOPS- bzw. EIOPA-Arbeitsgruppen technische Details erarbeitet, während die EU-Kommission die Rahmenrichtlinien ausarbeitete und sich mit dem inhaltlichen Umfang beschäftigte.

Ein wesentliches Element im Rahmen des Solvency II Prozesses ist die Durchführung von Quantitative Impact Studies (QIS). Diese Feldstudien dienen zur Abschätzung der Auswirkungen von Solvency II und werden auch dementsprechend ernst genommen. Die Erfahrungen aus diesen Studien werden nach deren Auswertung in die Vorschriften von Solvency II eingebaut.

Am 10. November 2009 wurde die endgültige Fassung der Solvency-II-Rahmenrichtlinie vom Rat der Europäischen Union verabschiedet.

Die Umsetzung in nationales Recht sollte ursprünglich bis zum 31. Oktober 2012 erfolgen. Um zu vermeiden, dass die Rechtsänderungen innerhalb des Geschäftsjahres eintreten, ist der Zeitpunkt auf dem 31. Dezember 2012 verschoben worden. Die Richtlinien von Solvency II sollen also am 1. Jänner 2013 in Kraft treten.

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4 Literatur[1] Benenmann, C.; Oehlenberg, L.; Stahl, G.: Handbuch Solvency II., Schäffer-Poeschel

[2] Follmann, D.: Basel II und Solvency II, Verlag Dr. Müller

[3] Heep-Altiner, M.; Kaya, H.; Krenzlin, B.; Welter, D.: Interne Modelle nach Solvency II, Verlag Versicherungswirtschaft

[4] Altenähr, V.: Personenversicherung kompakt, Verlag Versicherungswirtschaft

[5] Wikipedia – Freie Enzyklopädie: http://de.wikipedia.org

[6] Österreichische Finanzmarktaufsicht: http://www.fma.gv.at

[7] Deutsche Bundesbank: http://www.bundesbank.de

[8] Österreichische Nationalbank: http://www.oenb.at

[9] Europäische Kommission: http://ec.europa.eu

[10] Baseler Ausschuss: http://www.bis.org

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