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SuchtvorbeugungSuchtvorbeugung

BasiswissenSucht undSuchtprävention

Inhaltsverzeichnis

1 Vorbeugung von Abhängigkeitserkrankungen 5

1.1 Strategien zur Vorbeugung in der Vergangenheit 51.2 Neuere Entwicklungen 6

2 Grundsätze der Präventionvon Abhängigkeitserkrankungen 6

3 Ziele der Vorbeugungvon Abhängigkeitserkrankungen 7

4 Theorien der Präventionvon Abhängigkeitserkrankungen 10

4.1 Risiko- und Schutzfaktorenmodell und die Resilienzperspektive 104.2 Konzept des sozialen Lernens 124.3 Konzept der Lebenskompetenzentwicklung 124.4 Weitere Theorien 14

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5 Effektivität und Wirksamkeitvon suchtvorbeugenden Maßnahmen 15

5.1 Grundlegende Ergebnisse 165.2 Ergebnisse zum Bereich Schule 175.3 Ergebnisse zum Bereich Familie 185.4 Ergebnisse zum Bereich Jugend 185.5 Ergebnisse zum Bereich Gemeinde 195.6 Ergebnisse zum Bereich Betriebe 195.7 Ergebnisse zum Bereich Migration 20

6 Quellenverzeichnis 21

6.1 Literatur 216.2 Internetquellen 22

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In diesem Kapitel wird auf die Vorbeu-

gung von Abhängigkeitserkrankungen

eingegangen. Definitionen zu Prävention

und Vorbeugung wurden schon im Teil

„Grundlagen“ des Basisskriptums

dargestellt.

Nun geht es darum zu erläutern, welche

Zielsetzungen in der Vorbeugung verfolgt

werden, welche theoretischen Konzepte

herangezogen werden und wo in der

Praxis angesetzt werden kann, um eine

sinnvolle und wirksame Vorbeugung zu

gewährleisten. Auch wird darauf einge-

gangen, welche Maßnahmen dezidiert

nicht zur Anwendung kommen dürfen.

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1 Vorbeugung von Abhängigkeitserkrankungen

Klar ist, dass Suchtvorbeugung alle Menschen angeht. Die Prävention von Abhängigkeits-erkrankungen ist keine Angelegenheit, die nur an ExpertInnen ausgelagert werden kann.Erst im Zusammenwirken aller Menschen mit den ihnen jeweils zur Verfügung stehendenMitteln kann bestmöglich zur Vorbeugung beigetragen werden.

1.1 Strategien zur Vorbeugung in der Vergangenheit

In der Geschichte der „Prävention“ von Suchterkrankungen hat es schon viele unterschied-liche Ansätze gegeben. Dabei müssen die damaligen Zielsetzungen jeweils näher erörtertwerden, denn die Verhinderung von Krankheiten im heutigen Sinne war in der Zeit vonder Antike bis zur Neuzeit kaum Thema. Alleine die Begriffe Gesundheit und Krankheit un-terlagen einem starken Wandel und waren zu dem nicht unbedingt Ausgangspunkt der Re-glementierung von Substanzen. Im Zusammenhang mit Alkohol und Tabak ging es oftmalsum Privilegien von Schichten und Ständen oder auch des Klerus und auch um die Wahrungwirtschaftlicher und politischer Interessen. Magische Sichtweisen von Krankheit und Heilungbzw. „HeilerInnen“ trugen das ihre zu diversen „Präventionsmaßnahmen“ bei (vgl. Hafen,2001, S. 56f).

Vorbeugung wurde lange gleichgesetzt mit Abschreckung und Verboten„Im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts z.B. schien der demonstrative, ja gar konspirativeGenuss von Kaffee, Tee, Tabak und andern Gütern, die im Rahmen der kolonialen Expansionauf den alten Kontinent gelangten, für die kulturelle und politische Elite eine solche Gefahrdarzustellen, dass mit vielfältigen Verboten versucht wurde, diesem unbotmäßigen Tun Ein-halt zu gebieten – natürlich immer mit dem Hinweis auf eine vermeintliche oder reelleSchädlichkeit der verbotenen Substanz.“ (Hafen, 1995, S. 3)

Erste Konzepte betreffend Abhängigkeitserkrankungen entstanden im 19. Jahrhundert, An-fang des 20. Jahrhunderts folgte die Abstinenzbewegung. Bis in die 80er Jahre des 20. Jahr-hunderts wurde in der Vorbeugung vorwiegend mit Abschreckungsmethoden – verbundenmit starken moralischen Botschaften und Abstinenzorientierung - gearbeitet. Heute ist klar,dass diese Strategie nicht allein erfolgreich sein kann. Naheliegend ist, dass von den be-troffenen Zielgruppen die Glaubwürdigkeit der ExpertInnen sofort in Frage gestellt wird.Folglich hieß die Devise Informationsvermittlung bzw. Aufklärung. Vorbeugung bestehtaber nicht aus reiner Informationsvermittlung, da Suchtmittelkonsum bzw. Verhaltensab-hängigkeiten nur zu einem Teil auf Unwissenheit zurückzuführen sind. In diesem Zusam-menhang soll auf das Thema Rauchen verwiesen werden. Dass das Rauchen von Zigarettenschädlich ist, ist allgemein bekannt, trotzdem sind die Konsumzahlen erheblich. In der Ur-sachenforschung konnten vielfältige Motivationen zum Rauchen ermittelt werden (Status-wechsel vom Kind zum Jugendlichen bzw. Erwachsenen, Gewichtskontrolle, Stressregulationetc.). Die Informationsvermittlung bedient diese Motive nur zu einem Teil, folglich benötigtwirksame Suchtprävention in jedem Fall zusätzliche Elemente.

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1.2 Neuere Entwicklungen

Heute wird die Realität umfassend und komplex wahrgenommen. Damit sich Menschen fürgesundheitsförderndes Verhalten entscheiden, braucht es mehr als Information und Verbote.Moderne Konzepte der Suchtvorbeugung sind ursachen- und zielgruppenorientiert aufge-baut, arbeiten mit dem erweiterten Suchtbegriff und definieren die unterschiedlichen Formenvon Abhängigkeiten als Krankheit. Maßnahmen auf struktureller Ebene sind höchst bedeut-sam und werden durch den personenorientierten Ansatz vervollständigt.

Ebenso wird das Gebot der Abstinenz bereits lange hinterfragt. Im Zusammenhang mit le-galen Suchtmitteln steht die Vermittlung von Kompetenz zum Umgang mit der Substanz(z.B. Alkohol) bei Jugendlichen und Erwachsenen stark im Vordergrund. Auf Seite der ille-galisierten Suchtmittel war die Abstinenzorientierung wesentlich länger unangetastet. Ex-pertInnen fordern jedoch auch bezüglich dieser Substanzen einen fundiert begründetenParadigmenwechsel für spezielle Bereiche (z.B. in der Arbeit mit Menschen mit Abhängig-keitserkrankungen), welcher die Förderung von Risikokompetenz bzw. Kompetenz im Um-gang mit derartigen Suchtmitteln neben anderen Zielsetzungen ebenso ermöglicht.

2 Grundsätze der Präventionvon Abhängigkeitserkrankungen

Diverse Ansätze zur Suchtvorbeugung mit deren zugrundeliegenden Theorien wurden imRahmen von Forschungsarbeiten aufgegriffen und evaluiert. Es kann eine Reihe von Aspekten genannt werden, welche die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit vorbeugender Maßnahmen besonders unterstützt und unerwünschte Effekte weitgehend hintan hält.In Anlehnung an die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA, 2004,S. 60) zählen dazu:

• Theoretische und methodische Fundierung• Integration personeller und struktureller Ansätze, das heißt mehrdimensionale Inter -ventionen, die sowohl spezifische Personen(-gruppen) zu einem verantwortungsvollenUmgang mit psychoaktiven Substanzen befähigen als auch suchtvorbeugende Verhält-nisse schaffen

• Kontinuität der Maßnahmen• Interaktion mit der Zielgruppe• Berücksichtigung der Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen• Integration kognitiver, affektiver, verhaltens- und verhältnisbezogener Methoden• Lebenskompetenzförderung, Ressourcenstärkung und Widerstandsbefähigung• Minderung von Risikofaktoren• alters- und zielgruppenspezifische Thematisierung legaler und illegaler Substanzensowie stoffungebundenen Missbrauchs- und Abhängigkeitsverhaltens

• suchtmittelspezifische und suchtmittelunspezifische Fragestellungen• Förderung der Konsum- und Risikokompetenz

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3 Ziele der Vorbeugungvon Abhängigkeitserkrankungen

Ziel suchtvorbeugender Maßnahmen ist es, Menschen zu einem eigenverantwortlichen, ge-setzeskonformen, sozialverträglichen und situationsangemessenen Umgang mit psychoak-tiven Substanzen und mit Verhaltensweisen, welche ebenso zu einer Abhängigkeit führenkönnen, zu befähigen. Dabei geht es zum einen darum, Risikofaktoren zu vermindern, dieden Missbrauch und die Entwicklung von Sucht begünstigen. Zum anderen zielt Suchtvor-beugung darauf ab, gesellschaftliche und psychosoziale Schutzfaktoren zu fördern, die esMenschen ermöglichen, verantwortungsvoll mit psychoaktiven Substanzen umzugehen.

Aus der Perspektive von strukturellem und personenorientiertem Ansatz lässt sich das Zielder Änderung der Verhältnisse (Reduktion des Angebots und der Verfügbarkeit von psy-choaktiven Substanzen, Schutzbestimmungen, Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebens-welten etc.) und das Einwirken auf das Verhalten von Individuen und Gruppen ableiten.Die Verbindung von verhaltens- und verhältnisbezogenen Zielen hat sich als besonders Er-folg versprechend erwiesen, um den Einstieg in den Substanzgebrauch zu verhindern bzw.hinauszuzögern und frühzeitig riskante Konsummuster zu reduzieren.

Legt man den Fokus auf unterschiedliche Konsumgewohnheiten bzw. Zielgruppen, so lassensich folgende Zielsetzungen formulieren:

• Nicht und mäßig konsumierende Menschen bedürfen anderer Zielsetzungen (z.B. allge-meines Gesundheitsbewusstsein fördern, Einstieg in den Erstkonsum hinauszögern) alsbereits

• regelmäßig oder riskant konsumierende Personen (z.B. riskante Verhaltensweisen redu-zieren, Hilfsangebote frühzeitig wahrnehmen) oder als die

• Gesamtbevölkerung (Sensibilisierung für die individuellen und gesellschaftlichen Folgendes Substanzkonsums, Information über die gesundheitlichen Folgen des Substanzkon-sums, Information über Hilfs- und Beratungsangebote etc.). (Bundeszentrale für gesund-heitliche Aufklärung BZgA, 2004, S. 58ff)

Ausgehend vom Trias-Modell (siehe Basiswissen-Teil: Grundlagen), welches Ebenen der Ursachen für die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung darstellt, können den unter-schiedlichen Ebenen (Persönlichkeit, Suchtmittel bzw. substanzungebundenes Abhängig-keitsverhalten und soziales Umfeld bzw. Gesellschaft) entsprechende Maßnahmen im Sinneder Vorbeugung zugeordnet werden:

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• Auf der Ebene des Individuums: Förderung der Problemlösungs- und Konfliktlösungs-möglichkeiten; Erhöhung der Frustrationstoleranz; Umgang mit Emotionen und Gefühlen,sowie deren Ausdruck; Widerstandsfähigkeit gegen Gruppendruck; Erkennen der eigenenGrenzen und Bedürfnisse; Erweiterung des Gestaltungsrahmens des eigenen Lebens; Erhöhung der Beziehungsfähigkeit; Informationen über Substanzen, deren Wirkungs-weisen und möglichen Folgen, sowie über substanzungebundene Verhaltensabhängig-keiten; Reflexion des eigenen Umgangs mit der Substanz/dem Verhalten undBeschäftigung mit Alternativmöglichkeiten; Erhöhung der Genussfähigkeit im Umgangmit Substanzen; Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen bezüglich Konsum vonpsychoaktiven Substanzen in Schule, Arbeit und Freizeit; usw.

• Auf der Ebene der psychoaktiven Substanz bzw. des Verhaltens: Verfügbarkeit vonSubstanzen; Preis; Konzentration; Reinheit/Qualität; konsumfördernde bzw. abhängig-keitsfördernde Zusatzstoffe; usw.

• Auf der Ebene des sozialen Umfeldes: Schulung und Fortbildung von MultiplikatorInnenzur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen betreffend Abhängigkeitserkrankungen inSchulen, Kindergärten, Jugendeinrichtungen, Gemeinden, Vereinen und Betrieben; Un-terstützung bei der Schaffung eines Umfeldes, das die persönliche Entwicklung fördert;Ausbau der alternativen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten; Aufbau eines HelferInnen-netzwerkes für Anlassfälle; Fortbildungen und Seminare für Eltern zur Unterstützungeiner stärkenden Erziehung gegen Abhängigkeitserkrankungen; usw.

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ung Abb. 1:

In Anlehnung anTrias-Konzept vonKielholz und Ladewig,1973

SUBSTANZ

INDIVIDUUM

ABHÄNGIGKEIT

UMFELD• Alter• Geschlecht• Konstitution• Frühkindliche Erfahrungen• Persönlichkeit• Aktuelle Befindlichkeit• Zukunftsperspektiven

• Gesetze• Gesellschaft• Normen• Wirtschaftslage• soziales Umfeld• Familien• Freunde• Schule und Beruf

• Suchtpotential• Wirkung• Dosis• Konsumform• Verfügbarkeit• Image

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• Erweiterung: Auf der Ebene der Gesellschaft: Informationsvermittlung gegenüber derÖffentlichkeit bezüglich Abhängigkeitserkrankung, Entstehung und Auswirkungen; In-halte und Möglichkeiten der Prävention von Abhängigkeitserkrankungen vermitteln;krankmachende Strukturen in der Gesellschaft abbauen, sowie gesundheitsförderndeStrukturen schaffen und ausbauen in allen Bereichen, in denen Menschen wohnen, lebenund arbeiten; usw.

Für das Setting Schule haben Reiner Hanewinkel und Gudrun Wiborg (2003, S. 185) diefolgenden Hauptkomponenten, welche in der Suchtvorbeugung zum Einsatz kommen kön-nen zusammengefasst und in sieben Bereiche eingeteilt:

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Inhaltliche Komponente:• Kommunikationsfertigkeiten• Selbstbehauptung• soziale Fertigkeiten (Freundschaften schließen etc.)• Problemlösefertigkeiten• Bewältigungsfertigkeiten• Zielfindung• Alternativen suchen

• Selbstwertgefühl• Selbstwahrnehmung• Einstellungen, Werte und Überzeugungen

• Standfestigkeit in Situationen mit sozialem Druckzum Drogenkonsum

• Selbstverpflichtung zur Abstinenz• kognitivbehaviorale Fertigkeiten• Unterstützung durch und Zusammenarbeit mit Ju-gendlichen, die keine Drogen nehmen

• über Langzeiteffekte von Drogen• über Kurzzeiteffekte von Drogen• Medien- und soziale Einflüsse• aktueller Drogenkonsum von Gleichaltrigen(normative Erziehung)

• sich selbst in solchen Situationen schützen• Peers in solchen Situationen schützen• verantwortlich handeln: z.B. nicht betrunken fahren

• bezahlte Aktivitäten und Jobs• organisierte Sportveranstaltungen• organisierte kulturelle Aktivitäten• drogenfreie Freizeitaktivitäten• freiwillige Gemeindearbeit

Bereich:allgemeine Fertigkeiten

affektive Erziehung

Standfestigkeit

Wissensvermittlung

Selbstschutz in Situatio-nen, in denen Drogenkonsumiert werden

außercurriculareAktivitäten

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4 Theorien der Präventionvon Abhängigkeitserkrankungen

Die sinnvolle Verschränkung und Wechselwirkung von Theorie und Praxis bewirkt auch inder Suchtvorbeugung eine ständige Weiterentwicklung. Eindimensionale Konzepte habenzugunsten mehrdimensionaler Konzepte an Relevanz verloren. Es haben sich ausgewähltetheoretische Ansätze als in besonderem Maße für die Suchtvorbeugung relevant und wir-kungsvoll erwiesen. In Anlehnung an die Expertise zur Prävention des Substanzmissbrau-ches (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA, 2006, S. 18ff) werden folgendegrundlegende Theorien für die suchtpräventive Arbeit dargestellt:

4.1 Risiko- und Schutzfaktorenmodellund die Resilienzperspektive

Risiko- und Schutzfaktoren sind Einflussgrößen des Substanzkonsums. Risikofaktoren gehenmit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Substanzkonsums einher. Liegen Risikofaktorenvor, so bedeutet das gleichzeitige Vorhandensein von Schutzfaktoren eine niedrigere Wahr-scheinlichkeit des Substanzkonsums. Beispielsweise könnte die Wirkung des Risikofaktors„Scheidung der Eltern“ auf den späteren Substanzkonsum durch den Schutzfaktor „gutergeschwisterlicher Zusammenhalt“ abgemildert werden.

Selbiges gilt für substanzungebundenes Abhängigkeitsverhalten.

Individuelle Perspektive: Was nun tatsächlich als Schutzfaktor empfunden wird und wasim Sinne eines Risikofaktors zu verbuchen ist, obliegt der individuellen Zuordnung der Fak-toren. Beispielsweise ist es naheliegend, dass für Kinder die Scheidung der Eltern als Risi-kofaktor verbucht wird. Ebenso ist es möglich, dass ein Kind die über Jahre andauerndenelterlichen Konflikte und die damit einhergehenden Unsicherheiten als massive Belastungwahrnimmt. Daher kann die Schaffung klarer Verhältnisse im Sinne einer geglückten Schei-dung somit auch ein Schutzfaktor sein. Insofern ist jeder Faktor der individuellen Überprü-fung zu unterziehen.

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ung Inhaltliche Komponente

• Belohnung und Verstärkung• Üben/Erlernen von selbstkontrolliertem Verhalten inBezug auf Suchtmittel

• Einbeziehung der Eltern• Beratung durch Peers• Einbeziehung von Peers• Training von Peers• Eltern-, Gemeinde- oder Medienkomponenten• gemeindeweite Koordination und Beteiligung

Bereichweitere

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Maßnahmen, welche auf dem Schutz- und Risikofaktorenmodell aufbauen, versuchen alsoRisikofaktoren zu reduzieren und Schutzfaktoren auszubauen. Die Schutzfaktoren (beispiel-hafte Nennung) lassen sich dabei in drei Kategorien gliedern:

(1) Personale Schutzfaktoren• Beziehungs- und Konfliktfähigkeit (Kommunikationsfähigkeiten) • Realistische Selbsteinschätzung • Hohe Eigenaktivität: Alltag gestalten können, sich selbst beschäftigen können • Ausreichende Selbstachtung: positives Selbstwertgefühl, sich so annehmen, wie man ist• Vertrauen in die Selbstwirksamkeit: die Überzeugung wichtige Ereignisse selbst beein-flussen zu können, sich kompetent zu fühlen, "Ich werde schon fertig mit den Problemen"

• Bewältigungsstile ("Coping"): Ein aktiver Problembewältigungsstil – im Gegensatz zurProblemvermeidung – gilt für die Entwicklung im Jugendalter als bedeutsam. Insbeson-dere ist ein Bewältigungsstil von Bedeutung, der bei der Lösung von Problemen auf so-ziale Ressourcen zurückgreift

• Erfahrung in der Bewältigung von Problemlagen • Hoffnungsbereitschaft, Zuversicht: durchgängige und Misserfolge überdauernde Lebens-einstellung

• Risikobewusstsein/Risikokompetenz/Mündigkeit: Bescheid wissen über mögliche Risiken• Selbstständige Urteilsbildung: Widerstand gegen Verführung, Kritikfähigkeit • Kohärenzsinn: Gefühl des Verankertseins. Personen mit hohem Kohärenzsinn sind in derLage, ihrem Leben und dem eigenen Handeln einen Sinn zu geben, die Welt als verstehbarzu begreifen, und sie haben das Gefühl, Lebensaufgaben bewältigen zu können.

• Genuss- und Erlebnisfähigkeit • Kognitive Fähigkeiten: Sie sind die Basis, auf der Jugendliche Konflikte und Problemebewältigen; zum Beispiel analytisches und differenziertes Denken, Sprachvermögen, Entscheidungsfähigkeit, usw.

(2) Familiäre und (3) soziale Schutzfaktoren• Strukturelle Familienmerkmale: sozioökonomischer Status, regelmäßige Abläufe, Rituale• Gutes Verhältnis zu den Eltern: Vertrauen und Unterstützung in schwierigen Situationen• Sozial-emotional günstiges Erziehungsklima, feste emotionale Bezugspersonen• Autoritative und positive Erziehung• Positive Geschwisterbeziehung• Gutes soziales Netz, stabilisierende Freundschaftsbeziehungen: Vertrauen, Unterstützungund Deutungshilfe im Alltag

• Erwachsene als Rollenmodelle und Beziehungen zu Erwachsenen• Förderliches Klima in der Schule, am Arbeitsplatz: Überschaubare Unterrichtsstruktur,angemessene Anforderungen, förderliche schulische Umwelt

• Zugang zu Information und Bildung• befriedigende Entwicklungsperspektiven u.a.m.

Die Resilienzperspektive ist dem Modell der Risiko- und Schutzfaktoren sehr verwandt, hataber ihren Fokus auf stark gefährdeten Personen. Das Konstrukt Resilienz beschreibt dieProzesse, durch die sich ein Individuum, eine Familie oder eine Community angesichts vonstarker Beeinträchtigung oder Risiko dennoch gut adaptieren oder funktionieren kann. Das

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Thema Resilienz erlangte besondere Bedeutung im Zusammenhang mit Überlebenden ausKonzentrationslagern. Im Kontext von Abhängigkeitserkrankungen ist beispielsweise dieGruppe der Kinder von suchtbelasteten Familien anzuführen. Neben jenen Kindern, welcheaufgrund der widrigen Umstände (vielfältige Risikofaktoren) selbst in der Folge problema-tisches Verhalten oder Abhängigkeitserkrankungen aufweisen, kommt es bei einem Teil derKinder zur gesunden Entwicklung.

4.2 Konzept des sozialen Lernens

Dieser Ansatz von Bandura (Bandura zit. nach Künzel-Böhmer, Bühringer & Janik-Konecny,1993, S. 31ff) wurde im Rahmen von Forschungen zum Modelllernen im Zuge der sozial-kognitiven Lerntheorie entwickelt. Bandura geht dabei vom Interaktionismus aus, sieht alsodas menschliche Verhalten durch die Interaktion von Situation (äußeren Reizen) und Personbestimmt. Die Theorie ist vor allem für die personale Kommunikation in der direkten Inter-aktion mit anderen Personen entwickelt worden. Soziales Lernen bezeichnet den Prozess,bei dem Verhaltensformen aus positiven und negativen Konsequenzen resultieren, die aufein bestimmtes Verhalten folgen. Weiters werden Verhaltensweisen von Rollenvorbildernübernommen, wenn eine positive Bewertung deren Verhaltens beobachtet wird. Eine wich-tige Rolle spielt dabei die Umgebung als Quelle von Reizen, Belohnungen und Bestrafungen.Das Konzept stammt ursprünglich aus der Lernpsychologie und wurde in etwas abgewan-delter Form auch von der Sozialpädagogik aufgegriffen und für die Prävention von Ab-hängigkeitserkrankungen adaptiert. Grundlegende Idee der Präventionstheorie ist es,sozialen Einfluss zu erkennen und angemessene Strategien zu entwickeln, mit denen mandieser Beeinflussung begegnen kann. Das Konzept des sozialen Lernens ist situationsorien-tiert und eine auf das Konsumverhalten zugeschnittene Interventionsstrategie, die vor allemexterne Einflussfaktoren in den Mittelpunkt stellt.

4.3 Konzept der Lebenskompetenzentwicklung(„Life skills approach“)

Lebenskompetent ist, wer• sich selbst kennt und mag, • empathisch ist,• kritisch und kreativ denkt,• kommunizieren und Beziehungen führen kann,• durchdachte Entscheidungen trifft,• erfolgreich Probleme löst• und Gefühle und Stress bewältigen kann. (World Health Organization zit. nach Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA, 2005, S. 16).

Die Förderung der Lebenskompetenzen („Life skills“) ist ein zentrales Konzept in der Vor-beugung von Abhängigkeitserkrankungen. Dieser Ansatz, 1988 von Gilbert Botvin in denUSA in erster Linie zur Prävention des Tabakkonsums entwickelt und in der Expertise zurPrimärprävention des Substanzmissbrauchs (Künzel-Böhmer et al., 1993, 32ff) beschrieben,

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zielt auf den generellen Ausbau sozialer Kompetenzen und die Entwicklung allgemeinerCoping-Strategien ab. Diese Strategien und Kompetenzen sollen dem Entstehen einer Ab-hängigkeitserkrankung oder anderen negativen Entwicklungsprozessen entgegenwirken.Die Ziele des Konzeptes sind Widerstand gegen soziale Einflüsse durch gezieltes Trainingund Informationen, Ausbau grundlegender personeller Bewältigungsfertigkeiten und dieVermittlung wesentlicher sozialer Kompetenzen.

Zu diesen Fähigkeiten und Fertigkeiten zählen (vgl. Kanton Aargau, 2012, S. 22 ff.):

Selbstwahrnehmung• verschiedene Ebenen der Wahrnehmung• Wahrnehmungen zueinander in Bezug setzten• Selbst- und Fremdwahrnehmung und Bezugsetzung zueinander• sich selbst als eigenständige Person wahrnehmen

Empathie• Gefühle und Bedürfnisse bei anderen wahrnehmen und angemessen darauf reagieren• verschiedene Perspektiven einnehmen• eigene und fremde Perspektiven in Beziehung setzten

Kreatives Denken• auf das Vermögen der eigenen Phantasie vertrauen• Möglichkeiten zum Umgang mit Situationen/Problemen analysieren• Möglichkeiten/Ideen reflektieren und weiterentwickeln

Kritisches Denken• ausgewählte Informationen sammeln, ordnen, gewichten, vernetzen• verschiedene Perspektiven/Interessen differenzieren und benennen• eigene Standpunkte finden, begründen und reflektieren

Entscheidungen treffen• anstehende Entscheidungen erkennen• Anspannung und Unsicherheiten in unbestimmten Situationen aushalten• Basis für Entscheidungen schaffen (Informationen, Kriterien, Möglichkeiten,Konsequenzen, etc.)

• Handlungsmöglichkeiten entwickeln und abwiegen• Entscheidungen begründen und reflektieren

Problemlösefertigkeit• Probleme wahrnehmen und benennen• Ursachen und Folgen von Problemen differenzieren und benennen• eigene Anteile erkennen• Problemlösestrategien entwickeln, kennen und anwenden

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Effektive Kommunikationsfertigkeit• Kommunikationsregeln kennen und anwenden• Feedbackregeln kennen und anwenden• eigene Anliegen angemessen zum Ausdruck bringen• aktiv zuhören• Schwierigkeiten des gegenseitigen Verstehens kennen und berücksichtigen• nonverbale Kommunikation verstehen und berücksichtigen• Kommunikation dem Kontext anpassen• Kommunikationsverhalten reflektieren

Interpersonale Beziehungsfertigkeit• auf andere zugehen und Kontakt aufnehmen• mit anderen zusammenarbeiten• eigene und fremde Ansprüche wahrnehmen und verhandeln• mit Ambivalenzen in Beziehungen umgehen• Unterschiedlichkeit verschiedener Beziehungen wahrnehmen, unterschiedliche Beziehungen gestalten

• soziale Unterstützung geben und beanspruchen• Konflikte lösen

Gefühlsbewältigung• Gefühle erkennen und benennen• eigene Gefühle wahrnehmen• Erlebnisse und Gefühle in Beziehung setzen• Gefühle und resultierende Handlungsimpulse erkennen (Impulskontrolle)• Strategien im Umgang mit belastenden Gefühlen entwickeln, kennen und anwenden

Stressbewältigung• Wahrnehmung von Spannungszuständen• Ursachen und Folgen von Spannungszuständen wahrnehmen und benennen• Möglichkeiten zum Umgang mit Spannungszuständen entwickeln, kennen und anwenden• Hilfe in Anspruch nehmen

Theoretisch basiert dieses Konzept auch auf der Theorie des sozialen Lernens, sowie auf derTheorie des Problemverhaltens wie von Richard Jessor und Shirley L. Jessor (1977) beschrie-ben, und ist inhaltlich verwandt mit dem Konzept der „affektiven Erziehung“. Allerdingszielt die Lebenskompetenzentwicklung vorrangig auf Veränderungen der Verhaltensebeneab, wobei auch verhaltenstherapeutische Methoden zur Anwendung kommen.

4.4 Weitere Theorien

In Ergänzung zu den genannten Ansätzen könnten noch spezielle Theorien für familiäreInterventionen angeführt werden (Theorie der sozialen Kontrolle, Theorie der sozialen Ent-wicklung, Sozialökologisches Modell). Die wesentlichen Inhalte bzw. Aspekte dieser Theorien

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werden jedoch bereits bei den genannten Theorien aufgegriffen, weswegen eine weitereDarstellung unterlassen wird. Die Theorie des antisozialen Verhaltens und geschlechtsbe-zogene theoretische Perspektiven können für spezielles, zielgruppenspezifisches Vorgehenherangezogen werden.

Im Bereich der Theorien für massenmediale Interventionen sind die folgenden Theorien vonBedeutung: Agenda Setting und Elaboration Likelihood Model.

Als Theorien für Gemeinwesen bezogene Interventionen können die „Theorie der Ökologieder Entwicklung“ und die „Community capacity Theorie“ genannt werden. Und schließlich:Straftheorien und die „Theorie der ökonomischen Perspektive“ gelten als theoretischer Hin-tergrund für gesetzliche Maßnahmen.

5 Effektivität und Wirksamkeitvon suchtvorbeugenden Maßnahmen

Die Messung der Effektivität von Maßnahmen zur Suchtvorbeugung ist ein sehr schwierigesUnterfangen, seit rund 30 Jahren werden Studien zur Wirksamkeit derartiger Maßnahmenangestellt. Unter Beobachtung stehen dabei Effekte auf den Ebenen Wissen, Einstellung undVerhalten. Grundlegende Ziele der vorbeugenden Maßnahmen sind (in gewissen Bereichen)die Verhinderung, die Verzögerung bzw. die Reduktion des Substanzkonsums bzw. der sub-stanzunabhängigen Verhaltensweise. Aufgrund der multifaktoriellen Ursachen der Entste-hung von Abhängigkeitserkrankungen ist es höchst schwierig, die Effekte der Maßnahmevon jenen, welche aus dem sozialen Umfeld, der Substanz/Verhaltensweise oder von derGesellschaft her rühren, zu differenzieren bzw. zu isolieren. Die klinische Untersuchungunter beinahe „sterilen“ Verhältnissen (ohne andere Einflüsse als jene seitens der zu unter-suchenden Intervention) ist im Suchtbereich nicht realisierbar.

Dennoch bieten die Studien wertvolle Erkenntnisse und geben Hinweise auf wirksame Strategien, welche in der Folge zusammengefasst dargestellt werden (vgl. Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung BZgA, 2006, S. 44ff):

Effektive Maßnahmen zeichnen sich aus durch • Berücksichtigung der Theorien zur Suchtprävention• interaktive Methoden• möglichst umfassende Maßnahmen (Kinder, Jugendliche, PädagogInnen, Eltern etc.)• Arbeit mit kleineren Gruppen• über lange Lebensspannen hinweg andauernde Maßnahmen• bestärkende, empathische Haltung• die Förderung einer positiven Eltern-Kind-Beziehung• das Training des Einsatzes von sozialer Verstärkung und konstruktiven Disziplinierungs-maßnahmen

• Ansätze, welche in möglichst jungen Jahren der Kinder beginnen• Berücksichtigung des Entwicklungsstandes der Kinder

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• Berücksichtigung möglichst vieler Risiko- und Schutzfaktoren• Realistische und glaubwürdige Darstellung von Inhalten

Eine weitere Zusammenfassung der Ergebnisse aus mehreren Metaanalysen stammt vonFranz Gschwandtner, Richard Paulik, Seifried Seyer und Rainer Schmidbauer (zit. nach Bun-desministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, 2011, S. 332-335). Die in der Folge dar-gestellten Merkmale wirksamer Präventionsmaßnahmen wurden nach unterschiedlichenSettings bzw. Zielgruppen zusammengestellt.

5.1 Grundlegende Ergebnisse

1. Prävention muss in ein breiter angelegtes Konzept der Gesundheitsförderung integriertsein und die sozialen und strukturellen Rahmenbedingungen der Intervention berück-sichtigen, sie darf sich nicht auf sucht- bzw. drogenspezifische Komponenten beschrän-ken, sondern muss vor allem die Stärkung und Förderung personaler und sozialerRessourcen zum Ziel haben. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Konzept der Lebens-kompetenzen (wie z.B. Selbstkonzept und Selbstwert, Wahrnehmung und Gefühle, Co-pingstrategien, Kompetenz zur Lösung von Problemen und Treffen von Entscheidungen,soziale und kommunikative Fähigkeiten, Standfestigkeit und Kompetenz zur Einschät-zung von psychoaktiven Substanzen und ihren potentiellen Wirkungen). Idealerweisewerden Lebenskompetenz-Programme durch Elemente des Sozialen-Einfluss-Modellsergänzt.

2. Präventionsprogramme dürfen nicht als punktuelle Aktionen angelegt sein, vielmehrsollten sie frühzeitig einsetzen (im frühen Kindesalter) und langfristig bzw. kontinuierlichsein – schulische Programme sollen sich z.B. über mehrere Jahre erstrecken - und alleLebensphasen einbeziehen. Die inhaltliche und didaktische Gestaltung der Programmeist alters-, konsum- und entwicklungsspezifisch auszurichten.

3. Prävention ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft (Gemeinschaftsaufgabe aller) undmuss eingebettet sein in ein übergreifendes psychosoziales, kulturelles, ökologisches,ökonomisches und politisches Netz.

4. Prävention steht im Spannungsfeld miteinander konkurrierender Interessen, Werte, Nor-men und Prioritäten; sie muss damit leben, dass sich nie alle Widersprüche auflösen las-sen.

5. Eine zielgerichtete und die verfügbaren Mittel effizient einsetzende Präventionspolitiksollte so ausgerichtet sein, dass die intensivsten Maßnahmen bei denjenigen Kindernund Jugendlichen ansetzen, welche am stärksten belastet sind. Universelle, selektive undindizierte Präventionsmaßnahmen sollten möglichst gut aufeinander abgestimmt sein.

6. Die Aktivitäten sollten zielgruppenspezifisch sein (nach Alter, Geschlecht, ethnischerHintergrund, usw.) und sie müssen einen hinreichenden Differenzierungsgrad aufweisen.

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7. Die Aktivitäten haben das Risiko- und Schutzfaktorenmodell – Minimierung der Risikofaktoren und Maximierung der Schutzfaktoren – zu berücksichtigen.

8. Im Idealfall haben die Aktivitäten nicht nur die Veränderung individueller Einstellungenund Verhaltensweisen im Sinne der Verhaltensprävention zum Ziel, sondern adaptierenauch die relevanten Rahmenbedingungen im Sinne der Verhältnisprävention. GezielteMaßnahmen der Suchtprävention (und auch der Gewaltprävention) entfalten dann ihrebeste Wirkung, wenn gleichzeitig Anstrengungen zur Verbesserung der allgemeinenRahmen- und Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen unternommen werden.

9. Der Peer-Gruppen-Einfluss („Peer“ als Wort bedeutet hierbei „Gleichsein“ bzw. „von glei-chem Rang sein“) hat eine große Bedeutung für präventive Maßnahmen. Peer-Education,verstanden als Teil eines umfassenden Prozesses der Sozialisation junger Menschen ineine durch soziale, ökonomische und kulturelle Verhältnisse ausgeformte Gesellschaft,beinhaltet Bildungs- sowie Erziehungsaspekte gleichermaßen. Peer Education spezifiziertsich gegenüber sonstigen in einer Gesellschaft existierenden Bildungs- und Erziehungs-angeboten dadurch, dass hier Bildungs- und Erziehungsprozesse von gleichaltrigen Jugendlichen für gleichaltrige Jugendliche initiiert und getragen werden. Es zeigt sichkonsistent, dass altersgleiche Personen aus der nahen Bezugsgruppe – sog. Peers – präventive Maßnahmen am besten durchführen können. Im schulischen Kontext istdabei eine Kombination mit LehrerInnen in der Regel hilfreich. LehrerInnen können nurdann kompetent unterstützen, wenn sie fundiert einschlägig ausgebildet, in ihrer päda-gogischen Kompetenz für präventive Maßnahmen selektiert und in der Durchführunglaufend super vidiert werden.

10. Besonders bei Kampagnen, die an Kinder und Jugendliche gerichtet sind, ist es wichtig,die Aufmerksamkeit der Angesprochenen auf sofortige, sehr wahrscheinliche Konse-quenzen des Verhaltens zu richten.

11. Höchst vorsichtig muss mit dem Einsatz von angsterzeugenden Botschaften und Ab-schreckung umgegangen werden.

5.2 Ergebnisse zum Bereich Schule

1. Präventionsaktivitäten (speziell im schulischen Bereich) müssen didaktisch über die kognitive Ebene der Wissensvermittlung hinausgehen. Sie müssen insbesondere inter-aktiv gestaltet sein.

2. Substanzspezifische Programme (z.B. zu Alkohol) sollten erst ab 13 Jahren durchgeführtwerden.

3. Wenn LehrerInnen Programmdurchführende sind, sind folgende Elemente zentral: dieLehrerInnen müssen motiviert und gut geschult (adäquate Aus- und Weiterbildung;Booster-Trainings usw.) sein.

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4. Die Effekte sind dann nachhaltiger, wenn Prävention in der Schule kontinuierlich durch-geführt wird, der Großteil des Kollegiums einbezogen ist und die Maßnahmen strukturellverankert sind.

5. Präventionsprogramme müssen gut strukturiert sein und jedenfalls reflektiert werden.Es bedarf einer Infrastruktur und Abstimmung der Akteure.

6. Prävention ist dann besonders wirkungsvoll, wenn sie in den Lebenswelt-Zusammen-hang der SchülerInnen eingebettet ist und deren Interessen aufgreift. Für Schule be-gründet dies die Notwendigkeit der Einbindung der außerschulischen Umwelt und dieVernetzung mit PartnerInnen sowie einer SchülerInnenorientierung des Unterrichts mitgeeigneten Lernformen wie z.B. offener Unterricht und Projektlernen.

5.3 Ergebnisse zum Bereich Familie

1. Die Familie ist der erste und für lange Jahre wichtigste Interventionsort für vorbeugendeMaßnahmen. Prävention braucht dabei nicht nur Kompetenz bei den Eltern, sondernauch Zeit, Ruhe, ökonomische und soziale Sicherheit als grundlegende Rahmenbedin-gungen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei das Erreichen von Vätern, in ge-ringem Maße integrierter und fremdsprachiger Eltern bzw. der Eltern vonverhaltensauffälligen Kindern dar.

2. Als Maßnahmen mit sehr hoher Wirksamkeit zeigen sich Frühförderungsprogramme fürKinder aus Hoch-Risiko-Familien – insbesondere auch Familien mit Migrationshinter-grund (beginnend mit der Schwangerschaft bis zum Eintritt in die Schule), die sich amamerikanischen Konzept der Frühförderung (Nurse-Family-Partnership-Programm, vonDavid Olds - Professor an der Universität von Colorado) orientieren.

5.4 Ergebnisse zum Bereich Jugend

• Offene Jugendarbeit: Es konnten keine Studien gefunden werden, die sich auf wissen-schaftlicher Basis mit der präventiven Wirkung der Offenen Jugendarbeit befassen. EineAnalyse der Überschneidungen von sucht- bzw. gewaltpräventiven Ansätzen mit Kon-zepten der Offenen Jugendarbeit macht jedoch deutlich, dass die Offene Jugendarbeitdurchaus präventive Wirkung erzielen kann bzw. präventive Potentiale beinhaltet. Aberauch, dass sie als Angebot für Jugendliche eine grundlegend gesundheitsförderliche undstärkende Struktur darstellt. Dazu lassen sich insbesondere die folgenden Empfehlungenableiten: 1. Im Kontakt und der Arbeit mit den Jugendlichen sind die spezifischen Hal-tungen und die sozio-kulturelle Animation gezielt einzusetzen bzw. auszubauen. 2. DieQualifikation von MitarbeiterInnen ist durch präventive Fortbildungsangebote zu fördern.3. Im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit wird angeregt, die gesundheitsfördernde bzw.stärkende Struktur der Offenen Jugendarbeit bewusst nach Außen zu tragen. 4. Kommu-

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nale, regionale und bundesweite Vernetzungsarbeit sollte forciert werden. 5. Die Zusam-menarbeit zwischen der Offenen Jugendarbeit und den professionellen Präventionsstellensollte vorangetrieben werden.

• Rahmenbedingungen: Im Zusammenhang mit Präventionsmaßnahmen ist besonderesAugenmerk auf die makrostrukturellen Rahmenbedingungen der Lebenssituation vonJugendlichen (wie z.B. Verbesserung der Lebensperspektiven und –chancen von Jugend-lichen) zu legen.

5.5 Ergebnisse zum Bereich Gemeinde

1. Im Bereich der kommunalen Prävention sind folgende Schritte zu berücksichtigen:• ein gemeinsames Vorgehen entwickeln, bei dem alle relevanten Gruppen des Gemein-wesens eingebunden sind,

• die Risiko- und Schutzfaktoren identifizieren, welche im Wirkungsgebiet die Entwick-lung von Kindern und Jugendlichen besonders stark beeinflussen,

• sich besonders jenen Faktoren widmen, wo der größte Handlungsbedarf besteht,• auf der Basis einer Ressourcenanalyse die Lücken im bestehenden Angebot von Präventionsmaßnahmen identifizieren,

• ein Konzept entwickeln, das evidenzbasierte Programme den lokalen Bedürfnissen angepasst umsetzt,

• die Maßnahmen in guter Qualität umsetzen, • die ausgelösten Wirkungen beobachten und evaluieren.

2. Die Effekte von schulischen Präventionsprogrammen werden durch die Erweiterung mitkommunalen Aktivitäten, wie z.B. Familieninterventionen, Massenkommunikation undEinrichtung einer Steuerungsgruppe (welche, die wichtigen AkteurInnen in der Gemeindeumfasst) verstärkt.

5.6 Ergebnisse zum Bereich Betriebe

Prävention wird standardmäßig als Element des modernen Personal- und Gesundheitsma-nagements strukturell verankert. Dies beinhaltet in der Regel vor allem folgende Punkte:

1. Umsetzung unterschiedlicher primärpräventiver Angebote wie z.B. Aufklärungs -maßnahmen, Veränderung der betrieblichen Konsumkultur, Reduzierung psychischerBelastungen, usw.;

2. definierte Interventionen bei Auffälligkeiten und Qualifizierung der Führungskräfte; 3. Schaffung von Beratungsangeboten für Betroffene; 4. Bildung einer betrieblichen Steuerungsgruppe zur konzeptionellen Gestaltung und prak-

tischen Umsetzung; 5. Koordination der Aktivitäten durch eine/n Verantwortliche/n.

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5.7 Ergebnisse zum Bereich Migration

Die bisherigen Ansätze bei Jugendlichen mit Migrationserfahrung betonen durchgängig,dass erfolgreiche Prävention zwei Voraussetzungen hat:

1. Erstens bedarf es auf Seiten der Durchführenden einer interkulturellen Kompetenz und 2. zweitens ist eine intensive Zusammenarbeit mit dem Elternhaus notwendig, da bei den

meisten MigrantInnenengruppen die Familie von besonderer Bedeutung ist.

Wirkungsvolle suchtpräventive Maßnahmen erfordern ein wissenschaftlich fundiertes Konzept. Suchtvorbeugung soll langfristig angelegt sein und alle Zielgruppen eines Systemsumfassen. Hervorzuheben ist, dass es neben verhaltenspräventiven Maßnahmen immer auchum die im Sinne der Suchtprävention förderlichen Ausrichtung der Verhältnisse geht. DieSchaffung und der Ausbau von Regelungen und Strukturen, welche eine gesunde Entwick-lung und ein rasches, zielführendes Handeln im Anlassfall gewährleisten, sind von enormerBedeutung.

In den letzten Jahrzehnten wurde wertvolle Forschungsarbeit geleistet, um der Relevanzvon Theorien, Methoden und Ansätzen weiter auf den Grund zu gehen. Nach wie vor bestehterheblicher Bedarf bei der differenzierten Erforschung zielführender Strategien.

Diversität in der SuchtvorbeugungZeitgemäße Suchtvorbeugung zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie Fragen von sozialerund kultureller Herkunft, Geschlecht, Alter und anderen Facetten gesellschaftlicher Diversitätberücksichtigt. In der Fachstelle für Suchtprävention NÖ wird durch ein differenziertes Angebot und kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Maßnahmen gewährleistet,dass Suchtvorbeugung so vielfältig ist wie die Zielgruppen, die es zu erreichen gilt.

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6 Quellenverzeichnis

6.1 Literatur

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA. (Hrsg.). (2004). Forschung undPraxis der Gesundheitsförderung. Band 24. Suchtprävention in der BundesrepublikDeutschland. Grundlagen und Konzeption. Köln: BZgA.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA. (Hrsg.). (2006). Forschung undPraxis der Gesundheitsförderung. Band 29. Expertise zur Prävention des Substanz -missbrauchs. Köln: BZgA.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA. (Hrsg.). (2005). Gesundheits -förderung Konkret. Band 6. Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenz-programmein Deutschland – Grundlagen und kommentierte Übersicht. Köln: BZgA.

Bühler, Anneke & Kröger, Christoph. (2006). Expertise zur Prävention des Substanz -missbrauchs. Köln: BZgA.

Gschwandtner, Franz, Paulik, Richard, Seyer, Seifried & Schmidbauer, Rainer. (2011). Präventionsforschung. In Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend.6. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich. Wien: Eigenverlag.

Hanewinkel, Reiner & Wiborg, Gudrun. (2003). Effektivität verhaltenspräventiver Interventionen zur Suchtvorbeugung. In Suchttherapie 2003(4). Stuttgart:Georg Thieme Verlag.

Hawkins, J. David, Oesterle, Sabrina, Brown, Eric C., Arthur, Michael W., Abbott,Robert D., Fagan, Abigail A., Catalano, Richard F. (2009). Results of a type 2 translationalresearch trial to prevent adolescent drug use and delinquency – a test of communitiesthat care. In Arch pediatr adolesc med/vol 163 (no. 9).

Jessor, Richard, Jessor, Shirley L. (1977) Ein sozialpsychologisches Modell desDrogen konsums – A socio-psychological model of drug consumption. New York:Academic Press.

Kielholz, Paul & Ladewig, Dieter. (1973). Die Abhängigkeit von Drogen. München:Deutscher Taschenbuch Verlag.

Kleiber, Dieter & Pforr, Peter. (1996). Peer involvement. Ein Ansatz zur Präventionund Gesundheitsförderung von Jugendlichen für Jugendliche. Köln.

Künzel-Böhmer, Jutta, Bühringer, Gerhard & Janik-Konecny, Theresa. (1993).Expertise zur Primärprävention des Substanzmissbrauchs. Baden-Baden: Nomos.

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Wienemann, Elisabeth & Schumann, Günter. (2006). Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen(Hrsg.: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen), Hamm: Eigenverlag. Deutsche Hauptstellefür Suchtfragen

6.2 Internetquellen

Hafen, Martin. (2001). Präventionsgeschichte – Teil 2: die Karriere des Suchtbegriffs unddie Entstehungsphase der „modernen“ Prävention. SuchtMagazin. 27(3), 56-60.Zugriff am 10.9.2012. Verfügbar unter: http://www.fen.ch/texte/mh_sm_01-3.pdf

Hafen, Martin. (1995) Suchtprävention - der lange Weg von der Symptom- zur Ursachenbekämpfung. Fachzeitschrift Soziale Arbeit 19, 3-9. Zugriff am 10.9.2012.Verfügbar unter: http://www.fen.ch/texte/mh_geschichte.htm

Kanton Aargau. (2012). Lebenskompetenz entwickeln. „gsund und zwäg i de Schuel“. Zugriff am 20.02.2014. Verfügbar unter: http://www.gesundeschule-ag.ch/myUploadData/files/Arbeitsinstrument_Lebenskompetenz.pdf

World Health Organization. (1994). Life Skills Education for Children and Adolescencein Schools. Introduction and Guidelines to Facilitate the Development an Implementationof Life Skills Programmes. Zugriff am 10.9.2012.Verfügbar unter: whqlibdoc.who.int/hq/1994/WHO_MNH_PSF_93.7A_Rev.2.pdf

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ungNotizen

Herausgegeben von:Fachstelle für Suchtprävention NÖBrunngasse 83100 St. Pölten

1. Auflage: 2014