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BAURECHT AKTUEll DAS MAGAZIN DES NETZWERKS BAUANWÄLTE AUSGABE 1 | 2012 Der Sachverständige als Richter im Bauprozess? von RA Dr. Andreas Koenen Das Thema des Arbeitskreises VI (die Bedeutung des Sachverständigen) hat es in sich, auch im Hinblick auf die Reformbedürftigkeit des staatlichen Bauprozesses. Seite 14 Reform des Bauvertragsrechts von RA Michael Schorn Der Arbeitskreis I des Deutschen Baugerichtstages setzt die Diskussion darüber fort, ob und inwieweit ein eigenständiges Bauvertragsrecht zur Lösung der bestehenden Probleme im Bereich des Bau- und Werkvertrags- rechts geeignet ist. Seite 6 Die Folgen von „Stuttgart 21“ von RAe Dr. Walter Müller und Thorsten Scheuren Anlässlich der auch rechtlich ge- führten Auseinandersetzungen zum Umbau des Kopfbahnhofs stellt der Arbeitskreis VIII des Deutschen Bau- gerichtstages das bestehende Pla- nungsrecht bezüglich seiner Infor- mations- und Befriedungfunktion auf den Prüfstand. Seite 19 Der staatliche Bauprozess – ein Sanierungsfall? Ausblick auf den 4. Baugerichtstag (Mai 2012)

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BAURECHT AKTUEllD A S M A G A Z I N D E S N E T Z W E R K S B A U A N WÄ LT E

AUSGABE1 | 2012

Der Sachverständige als Richter im Bauprozess?von RA Dr. Andreas Koenen

DasThemadesArbeitskreisesVI(die

BedeutungdesSachverständigen)hat

esinsich,auchimHinblickaufdie

Reformbedürftigkeitdesstaatlichen

Bauprozesses.Seite 14

Reform des Bauvertragsrechtsvon RA Michael Schorn

DerArbeitskreisIdesDeutschen

BaugerichtstagessetztdieDiskussion

darüberfort,obundinwieweitein

eigenständigesBauvertragsrechtzur

LösungderbestehendenProblemeim

BereichdesBau-undWerkvertrags-

rechtsgeeignetist.Seite 6

Die Folgen von „Stuttgart 21“von RAe Dr. Walter Müller und Thorsten Scheuren

Anlässlichderauchrechtlichge-

führtenAuseinandersetzungenzum

UmbaudesKopfbahnhofsstelltderArbeitskreisVIIIdesDeutschenBau-gerichtstagesdasbestehendePla-nungsrechtbezüglichseinerInfor-mations-undBefriedungfunktion

aufdenPrüfstand.Seite 19

DerstaatlicheBauprozess–

einSanierungsfall?Ausblick auf den 4. Baugerichtstag (Mai 2012)

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6Die Reform des Bauvertragsrechts EineLösungfürdieProblemeimBau-und

Werkvertragsrecht?

RAMichaelSchorn,Busse&Miessen,

Bonn/Berlin/Leipzig 8 Nachträge und deren Bezahlung nach der VOB/B EinDauerbrenneraufdemBaugerichtstag

Prof.Dr.HansGanten,Bremen

10Mehr Effizienz und Rechts sicherheit BrauchenwirbeiVergabenveränderteRegeln?

RAOlafJaeger,GESSNERRechtsanwälte,Saarbrücken

12Eine Frage der Definition WasistdergeschuldeteWerkerfolgdesPlaners?

RAKarstenMeurer,MeurerRechtsanwälte,Stuttgart

RAH.HenningIrmler,Irmler&Collegen,Schwerin

14Der staatliche Bauprozess – ein Sanierungsfall? DieBedeutungdesgerichtlichenSachverständigen

alsDiskussionsgegenstand

RADr.AndreasKoenen,KOENENRECHTSANWÄLTE,

Essen/Hannover/Münster/Bielefeld

19 Planungsrecht auf dem Prüfstand Informations-undBefriedungfunktionversus

Planungs-undInvestitionssicherheit

RAeDr.WalterMüllerundThorstenScheuren,

AnwaltsozietätLeinen&Derichs

21 Absicherung der Baurisiken Brauchenwireineumfassendebauwerksbezogene

Versicherung?

RAProf.R.Jochem,RJAnwälte,Wiesbaden

23 NetzwerkBauanwälte–dieMitgliedskanzleien

Impressum

Arbeitskreis I – BauvertragsrechtReformdesBauvertragsrechts–StandderÜberlegungenundWeiterentwicklungderbishererarbeitetenRegelungsvorschläge.

Arbeitskreis II – VergaberechtEffizienzundRechtssicherheitbeiVergaben–BrauchenwirveränderteRegeln?

Arbeitskreis IV – Architekten- und IngenieurrechtEmpfehlensichgesetzlicheRegelungenfürdasArchitektenvertragsrecht?

Arbeitskreis VI – SachverständigenrechtBedarfesimBaurechtgesetzlicher(Neu-)Rege-lungenbetreffenddieVerwendungvonGerichts-und/oderPrivatgutachten?

Arbeitskreis VIII – Öffentliches RechtStuttgart21:EmpfehlensichÄnderungendesBau-,Fachplanungs-undImmissions-schutzrechts?

Arbeitskreis IX – BauversicherungsrechtGanzheitlicheAnsätzederVersicherungs-wirtschaft(z.B.Multi-Risk-Versicherungen)zurVermeidungvonBaustreitigkeitenundbesserenKonfliktlösung?

Die Arbeitskreise und ihre Themen beim 4. Deutschen Baugerichtstag in Hamm/Westf. vom 11. bis 12. Mai 2012:

AusführlicheInfosaufwww.baugerichtstag.de

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Liebe Leserinnen und Leser,

inKürzefindetsichdieBaurechtsweltinHamm/Westf.zueinemzweitägigenKon-gressein,umüberaktuellebaurechts-politischeThemenzudiskutieren,Reso-lutionenzuerarbeitenunddierecht-lichenRahmenbedingungenfürdasBauenzuverbessern.DieThesenwerdendannnebstBegründungvomPräsidiumdesDeutschenBaugerichtstagsandieverantwortlichenMinisterienweiterge-leitet.AufdieseWeisehatsichderDeut-scheBaugerichtstag(DBGT),deram11.und12.Mai2012zumviertenMalstatt-findenwird,zumSprachrohrderBauju-risten(Justiz,Verwaltung,WissenschaftundAnwaltschaft)entwickelt.

BesonderesGewichterhältderBauge-richtstagdurchdieUnterstützungmaß-geblicherBaurechtsvereinigungen.Hier-zugehörendieDeutscheGesellschaftfürBaurechte.V.,dieARGEBaurechtimDeutschenAnwaltsverein,dasInstitutfürBaurechtFreiburgi.Br.e.V.,dieArchi-tekten-undIngenieurkammern,Bauin-dustrieverbändeundauchdasNetzwerkBauanwältealsderzeiteinzigerbundes-weiterVerbandaufBaurechtspezialisier-terAnwaltskanzleien,dasdenBauge-richtstagvonBeginnan(2006)unter-stützthat.

InitiatorundPräsidentdesDeutschenBaugerichtstagesistProf.Dr.RolfKniff-ka,VorsitzenderRichteramBausenatdesBundesgerichtshofs.IndenletztensechsJahrenhaterrechtspolitischvielbewegt,vorallemdadurch,dassderDeutscheBaugerichtstagindervomBundesjustizministerium(BMJ)einberu-fenenBund-Länder-Arbeitsgruppever-tretenist,indemdieResolutionendesBaugerichtstagesintensivdiskutiertwerden.ÜberderenErgebnissewerdendieMinisterialdirigentenKarl-HeinzOehlervomBundesjustizministeriumundDr.RüdigerKratzenbergvomBun-desministeriumfürVerkehr,Bau-undStadtentwicklungbeimBaugerichtstagberichten.

DassderEinflussderBaujuristenaufdiepolitischeWillensbildungausgerech-netvonderwestfälischenStadtHammausgeht,istkeinZufall,undnichtnurdeshalb,weilhierdieberuflichenWur-zelnvonProf.Dr.Kniffkaliegen,derzwischen1991und1998RichteramOLGHammwar.DieWahldesTagungs-orteshatvorallemsachlicheGründe.DennHammistSitzdes–mit33Zivil-senatenundmehrals200Richtern–größtendeutschenOberlandesgerichts(imGerichtsbezirkmit21.600km2lebenmehralsneunMillionenMenschen)unddamitalsVeranstaltungsortfüreinen„Bau-Gerichtstag“bestensgeeignet.

DennwährenddieKaiserstadtGoslar,VeranstaltungsortdesVerkehrsgerichts-tags,anihreTraditionvonReichstagen,SynodenundHoftagenanknüpft,kanndieimJahre1226gegründeteStadtamOstranddesRuhrgebietsaufeinefast800-jährigeTraditionalsStadtbedeuten-derGerichtsbarkeitverweisen.WährenddesMittelalterswarHammSitzderGra-fenvonderMarkundhanseatischePrin-zipalstadtfürdiemärkischenStädte.SiegehörtedamitnebenMünster,DortmundundSoest,inderenMittesieliegt,zu

denbedeutenderenStädtenWestfalens.SeitseinerGründungdienteHammalsVerwaltungs-undGerichtssitzderGraf-schaftMark.Sogabesim13.Jahrhun-dertvordenTorenderStadtauchschonzweiFemegerichte,dieihrerichterlicheGewaltinFormderBannleihevomKönigbzw.KaiserableitetenundtodeswürdigeVerbrechenverfolgten.Anfangdes14.JahrhundertsverfügteHammbereitsüberein–damals„Appellationsgericht“genanntes–BerufungsgerichtmiteinemhervorragendemRuf.1

MitderWahldesAustragungsorteshabendieInitiatorendesBaugerichtsta-ges,derteilweiseauchindemimposan-tenGebäudedesOLGHamms(vgl.BildSeite4)stattfindet,zugleichdeutlichgemacht,dassdieVerwendungdesBe-griffs„Gerichtstag“mehralseinereineKonventionist.WährendmanbeidenKongressenandererFachrichtungendurchausdieFragestellenkann,warumsichdiese„Gerichtstage“nennen,lassendieVeranstalterdesBaugerichtstages(mehrereVorstandsmitgliedersindRich-terinBausenaten:Prof.Dr.RolfKniffka,Prof.StefanLeupertzundGüntherJansen)anderBerechtigungdieserBezeichnungkeinenZweifelaufkommen.UnterstütztwerdensiedabeivondenArbeitskreis-leitern,ReferentenundaktivenTeilneh-mernderBaugerichtstage,unterdenenebenfallszahlreicheRichtersind.

DerEinflussderJustizaufdenBauge-richtstagistkaumzuüberschätzen.SowirdmancheDiskussion,insbesondereimArbeitskreisVI(Sachverständigen-recht),überweiteStreckenhinwegvonMitgliederndesVII.ZivilsenatsdesBun-desgerichtshofsdominiert.DieimVer-gleichzuanderenGerichtstagenhoheBedeutungderJustizbeschränktsichbeimBaugerichtstagallerdingsnichtaufdiekonstruktivenBeiträgeihrerheraus-ragendenVertreter.AuchthematischstehenklassischeFragenderGerichts-

Dr. Andreas Koenen Geschäftsführer Netzwerk Bauanwälte

Editorial

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Das OLG Hamm, das größte deutsche Oberlandesgericht. In seinem Gerichtsbezirk leben mehr als 9 Mio. Menschen.

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1Vgl.hierzuLudolfKewer,Westfalenspiegel,Februar1976,S.26f.InseinemLobgedichtaufdieStadtHammschreibtdesDichterMurme-liusimJahr1507:„WeisheitsvollmithoherVernunftnachderBilligkeitRegeln,sprichthierRechteinberühmterSenatzumHeiledesVolkes,unparteiischundnimmergelenktvomeignenInteresse.“

2MitdenunterdemBegriff„Parallel-Justiz“zu-sammengefasstenAlternativenzumstaatlichenBauprozesssindvorallemSchiedsgerichteundAdjudikationsverfahrengemeint,dieGe-genstanddes3.Baugerichtstages2010waren,sowieimweiterenSinneMediationenundSchlichtungen,wenngleichdarinkeineEnt-scheidungengetroffenwerden.

3Quack,ZfBR2010,211.4Schröder,DiestatistischeRealitätdesBaupro-zesses,NZBau2008,S.1ff.

praxis,insbesonderediedesZivilprozess-rechts,imFokusderBaugerichtstage,obwohlodervielleichtauchweilsichindenletztenJahrenimBaurecht–wieinkeinemanderenRechtsgebiet–einePar-allel-Justiz2außerhalbjeglicherstaat-licherEinflussnahmeentwickelthat.

HintergrunddieserEntwicklungist,dassderstaatlicheBauprozessschonseitlängererZeitsubstantiellerKritikausge-setztist.SostelltkeingeringereralsProf.FriedrichQuack,vormalsRichteramBausenatdesBundesgerichtshofs,fest,dassderstaatlicheBauprozessinDeutsch-landbeidenjuristischenBaufachleutenkeine„gutePresse“habe.Denner„…giltalsunzweckmäßig,ungerecht,alsfach-lichverfehlt,alszuumständlichundzuteuer.Kurzgesagt,manrätvonihmab.“3

Woraufistdieszurückzuführen?NurwenndiestaatlicheJustizdieseFrageklärt,wirdsieinderLagesein,diesenBedeutungsverlustaufzuhalten.InsofernwirdsichdieJustizverwaltungmitdieserFragebeschäftigenmüssen,willsieauchzukünftigBestandteilderzwischenzeit-lichvonBaufachverbändenentwickelten„Streitlösungspyramide“imBaubereichbleiben.DerVertrauensverlustderPar-teienindieStreitlösungskompetenzstaatlicherGerichteistvorallemaufdieDauerstaatlicherBauprozessezurückzu-führen,weshalbvieleStreitigkeiteninFachkreisenzwischenzeitlichals„nichtjustiziabel“angesehenundanderweitig,außerhalbstaatlicherGewalt,entschie-denwerden.JemehrjedochdieRecht-sprechungdieMöglichkeitzurRechts-fortbildungverliert,destogrößerdürftedieBedeutungdesBaugerichtstageswer-den,derdieentstehendenLückenfüllenkönnte.DiedamitverbundenenFragenderLegitimationsindbislangallerdingsebensowenigthematisiertwordenwiedienachdenkonkretenUrsachendesBedeutungsverlustsstaatlicherGerichts-barkeitimBaubereich.

Zudenwenigen,diesichmitdiesemThemabeschäftigthaben,gehörtProf.Dr.RainerSchröder,InhaberdesLehrstuhls

fürBürgerlichesRecht,privatesBau-undImmobilienrechtanderHumboldt-UniversitätzuBerlin.SeinerAnsichtnachistdieDauerstaatlicherBauprozes-sevorallemaufdietechnischePrägungvonBauprozessenzurückzuführen.4

DieseerschwereeineselbständigeSachverhaltserfassungdurchdie–inderRegelnichtspezialisierten–Richter.NichtdieGerichtesindlangsam,soSchröder,sonderndietechnischeNaturderStreitigkeitenmachedieEntschei-dungeninderRegelabhängigvonEin-schätzungeneinesSachverständigen,diedenBauprozessinderRegelerheb-lichindieLängeziehen.

Insofernistesauchnurfolgerichtig,wennsichderBaugerichtstag2012mitdemBeweisrecht im Bauprozessbeschäf-tigt,einem„DauerbrennervongroßerpraktischerBedeutung“,wieesinderAnkündigungimoffiziellenFlyerdesBaugerichtstagesheißt(vgl.hierzudenBeitragvonKoenen,S.14).HinterdemwenigspektakulärwirkendenThemadesdasBauprozessrechtbetreffendenArbeits-kreises–„BedarfesimBaurechtgesetz-licher(Neu-)RegelungenbetreffenddieVerwendungvonGerichts-und/oderPri-vatgutachten?“–könntesichsomitnichtwenigeralseinSanierungskonzeptfürdenstaatlichenBauprozessverbergen.

DarüberhinauswirdesbeimBauge-richtstag2012schwerpunktmäßigummateriellesRechtgehen,vorallemumdieaktuellenÜberlegungenimBundes-justizministeriumzueinerReform des Werkvertragsrechts,diebereitsGegen-standdesletztenBaugerichtstagesimJahre2010waren.HintergrunddieserDiskussionistdieKoalitionsvereinba-rungderschwarz-gelbenBundesregie-rung,nachderdasBauvertragsrecht(vgl.hierzudieBeiträgevonSchorn,S.6undGanten,S.8)unddasVertrags- und Honorarrecht der Architekten und Ingeni-eure(vgl.hierzuBeitragvonIrmler/Meu-rer,S.12)aufdemPrüfstandstehensol-len.DarüberhinaussolldieFragedisku-tiertwerden,obdieGesetzgebungauf

dieTendenzeninderVergabepraxisre-agierensollte,diedenWettbewerbsge-dankenzugunstendesWirtschaftlich-keitsgebotszurückdrängen(vgl.BeitragvonJaeger,S.10).

DieDiskussioninderArbeitsgruppeÖffentliches Baurecht wirdvonderDebatteumeineBürgerbeteiligungbeiGroßbau-vorhabenbeherrschtwerden(vgl.hierzudenBeitragvonMüller/Scheuren,S.19).DerArbeitskreisBauversicherungsrecht,derindiesemJahrerstmalstagt,wirdsichmitderRollebeschäftigen,dieVer-sicherungenbeiderKonfliktlösungundVermeidungvonBaustreitigkeitenspie-lenkönnen(vgl.hierzudenBeitragvonJochem,S.21).

DerBaugerichtstaghatsichalso–alleindurchdieVielzahlderThemenundThesen–wiedereinmalvielvorge-nommen.DieVeranstalterwerdendes-halbaufeinezielorientierteDiskussionachtenmüssen.DennderBaugerichtstagbrauchtklareErgebnisse.DieStimmedesunterdemDachdesDeutschenBau-gerichtstagesversammeltenSachver-standessolltenämlichnichtnurinBerlin,sonderninganzDeutschland,beiallenamBauBeteiligtenankommen.

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ARBEITSKREIS

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Der Arbeitskreis I des Deutschen Baugerichtstages setzt die Diskussion darüber fort, ob und inwieweit ein eigenständiges Bauvertragsrecht zur Lösung der bestehenden Probleme im Bereich des Bau- und Werkver-tragsrechts geeignet ist.

DerhierdargestellteTeil1desArbeits-kreisesIdesDeutschenBaugerichtstagesbetrifftdieThemen„GeschuldeteLeis-tungundMangelbegriff“,„Prüf-undHinweispflicht“und„Baubeschreibungs-pflicht“.

Geschuldete Leistung und Mangelbegriff

Der3.Baugerichtstaghatteempfohlen,RegelungenmitfolgendemInhaltindasGesetzaufzunehmen:

Der Unternehmer schuldet die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit und die Herstellung eines funktionstaugli-chen Werks. Dies gilt auch bei Verträgen, denen eine (detaillierte) Leistungsbeschrei-bung des Bestellers zugrunde liegt. § 633 Abs. 2 BGB soll entsprechend redaktionell angepasst werden.

HintergrunddieserEmpfehlungistderfunktionaleHerstellungsbegriff.Demliegen–auchnachderBegründungderEmpfehlungdes3.Baugerichtstages–folgendeÜberlegungenzugrunde:

DieMangelhaftungdesUnterneh-mersbesteht,wennderwerkvertragli-cheErfolgverfehltwurde.Dieserwerk-vertraglicheErfolgliegtinderHerstel-lungdesversprochenen(Bau-)Werkes(§631Abs.1BGB).Ausdemjeweiligenzu-grundeliegendenVertragergibtsich,wasalswerkvertraglicherErfolgge-schuldetist.DieFrage,wieweitdieEr-folgsverpflichtungdesUnternehmersgeht,istallerdingsnachdergesetzli-chenRegelungoffen.NachderRecht-sprechungdesBundesgerichtshofesist

derMaßstabhierfürundfürdieMan-gelfreiheitdesWerkesdesUnterneh-mersdieunterBerücksichtigungdervertraglichenAbredenberechtigteFunktionalitätserwartungdesBestel-lers.DerUnternehmermuss(esseidenn,eswäreAnderweitigesvertraglichgeregelt)alleLeistungenerbringen,diezurHerstellungeinesfunktionstaugli-chenWerkeserforderlichsind.

DiederzeitigengesetzlichenRegelun-gendesWerkvertragsrechtsspiegelnaberdenfunktionalenHerstellungsbegriffnurunzureichendwider.AusdemRege-lungszusammenhangder§§633Abs.2Satz1undSatz2BGBkonntederSchlussgezogenwerden,diefunktions-untauglicheWerkleistungkönneden-nochmangelfreisein,wennnämlichderUnternehmerdievomBestellererstellteLeistungsbeschreibungabgear-beitetundalledarinenthaltenenBe-schaffenheitsvereinbarungenbeanstan-dungsfreiumgesetzthat.NachdenEmp-fehlungendes3.BaugerichtstagessolltendieUnzulänglichkeitenderder-zeitgeltendengesetzlichenDefinitiondesMangelbegriffsdurcheineredaktio-nelleÜberarbeitungdes§633Abs.2BGBdahingehendkorrigiertwerden,dassdiedorttatbestandlichgenanntenVoraussetzungenkumulativ,alsoneben-einander,erfülltseinmüssen,umdieMangelfreiheitdesWerkesfeststellenzukönnen.Insoweitwurdevorgeschlagen,denWortlautdes§633BGBentspre-chendanzupassen.

NochimJahre2010,demJahrdes3.Baugerichtstages,wurdeentsprechenddenVorgabenderKoalitionsvereinba-rungderRegierungsparteiendurchdasBundesministeriumderJustizeineAr-beitsgruppegebildet,inderdiewich-tigstendermitFragendesBausunddesBauvertragsrechtsbefasstenGruppenvertretensind.GegenstandderArbeits-

gruppeistdiePrüfung,obundinwie-weiteineigenständigesBauvertrags-rechtsinnvollist.DieArbeitsgruppelegtihrenÜberlegungenzurAusgestal-tungeineseigenständigenBauvertrags-rechtsdenfunktionalenHerstellungs-undMangelbegriffzugrunde,dervom3.Baugerichtstagempfohlenwurde.

Aufdemnunmehrstattfindenden4.BaugerichtstagwirdinsoferndieserGe-sichtspunktzunächstnichtweiterdis-kutiert.

Prüf- und Hinweispflicht

WenneinMangelaufverbindlicheVor-gabendesBestellersodervondiesemge-lieferteStoffeoderBauteileoderVorleis-tungenandererUnternehmerzurückzu-führenistundderUnternehmerseinerPrüfungs-undHinweispflichtnachge-kommenist,sollnachderRechtspre-chungdesBundesgerichtshofsderUn-ternehmernichtfürdenMangelseinesWerkesverantwortlichsein.DieserRechtsgedanke,derden§§4Abs.3,13Abs.3VOB/Bentnommenwurde,giltnachTreuundGlauben–§242BGB–auchfürdenBGB-Bauvertrag.

Der3.Baugerichtstaghatteinsoweitempfohlen,RegelungenmitfolgendemInhaltindasGesetzaufzunehmen:

Diebisherin§§4Abs.3,13Abs.3VOB/BverankertenundvonderRecht-sprechungauchaufdenBGB-BauvertragangewendetenRegelungenzurPrüfungs-undHinweisobliegenheitdesUnterneh-merssollensinngemäßindasGesetzübernommenwerden.

DievomBundesministeriumderJus-tizeingesetzteArbeitsgruppeteiltdieAuffassung,dasseseinergesetzlichenRegelungderPrüf-undHinweispflichtdesUnternehmersbedarf.Unklaristal-lerdingsbislangnochdienähereAusge-staltungeinersolchenRegelung.

Die Reform des Bauvertragsrechts EineLösungfürdieProblemeimBau-undWerkvertragsrecht?

vonRAMichaelSchorn,Busse&Miessen,Bonn/Berlin/Leipzig

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a) Rechtsfolgen der Erfüllung bzw. Nicht-erfüllung des gebotenen HinweisesDiesewerdenimRahmenderArbeits-gruppederzeitdiskutiert.

ImThesenpapierdesArbeitskreisesIdesDeutschenBaugerichtstageshatderArbeitskreisImitseinerEmpfehlungeinegesetzlicheRegelungnachdemVor-bilddes§13Abs.3VOB/BundinsoweitdieEinführungeinesEnthaftungstatbe-standesbefürwortet.DerUnternehmersollvonderMangelhaftungfreiwerden,wennerdieerforderlichenBedenken-hinweiseerteilt.Gleichessollgelten,wennernachgebotenerPrüfungkeineBedenkenhabenmuss.

DiesistnachAuffassungdesArbeits-kreisesIdesDeutschenBaugerichtsta-gesauchgerechtfertigt,weildiezuPrü-fungundHinweisAnlassgebendenVor-gabenundVorleistungenausderRisikosphäredesBestellersstammen.Sindsieunvollständigoderfehlerhaft,trägtderBestellerdeshalbimErgebnisdesRisikoeinerdurchihreUmsetzungbedingtenVerfehlungdesfunktionalenWerkerfolges,wennderUnternehmerdieUnzulänglichkeitenderLeistungs-vorgabennichterkennenkonnteodertrotzBedenkenhinweisangewiesenwird,dieBauleistungwievorgegebenauszuführen.

SoweitderArbeitskreisIdesDeut-schenBaugerichtstagessichfürdieseRechtsfolgeentschiedenhatunddieseempfohlenhat,bestehtanlässlichdes4.BaugerichtstagesauchkeinBedarffürweitereRegelungsvorschläge.

b) Rechtsfolgen, wenn der Besteller auf den Bedenkenhinweis des Unterneh-mers nicht oder nicht in der erforderli-chen Weise reagiertIndervomBundesministeriumderJus-tizeingesetztenArbeitsgruppewirddis-kutiert,dassdieRechtsfolgefürdenFall,dassderBestelleraufdenBeden-kenhinweisdesUnternehmersnichtodernichtindererforderlichenWeisereagiert,entwederderVerlustdesRüge-rechtsistoderaberdieAnpassungdesVertragesdurchstillschweigendeAn-nahmedesAlternativvorschlagesdesUnternehmersoderabereinLeistungs-

verweigerungsrechtdesUnternehmers.DerArbeitskreisIdesDeutschenBau-

gerichtstageshatdieProblematikeinesVerstoßesdesBestellersgegenseineMit-wirkungsobliegenheiterkannt.Eswur-dehierzudieAuffassungvertreten,dassdieErarbeitunggeeigneterrechtlicherKriterienfürdierechtlicheBeurteilungderartigerProblemkonstellationenderRechtswissenschaftundderRechtspre-chungüberlassenbleibensollundinso-weitkeinBedarffürbesonderegesetzli-cheRegelungengesehenwird.Insoweitsollauchanlässlichdes4.Baugerichtsta-geskeineweitereEmpfehlungerfolgen.

c) Form des BedenkenhinweisesUnklaristbislangauch,inwelcherFormBedenkenhinweisedurchdenUn-ternehmerzuerteilensind.Eswäremöglich,dassBedenkenhinweiseform-loszuerteilensind.Eswäremöglich,dassfüreinenBedenkenhinweisSchrift-form(§126BGB)erforderlichistundeswäremöglich,dassfüreinenBedenken-hinweisnurdieTextform(§126bBGB)erforderlichist.

IndervomBundesministeriumderJustizeingesetztenArbeitsgruppeistmanwohlmehrheitlich,insbesondereaus„erzieherischenGründen“undauchimInteressederBeweissicherheit,derAuffassung,dassSchrift-bzw.TextformfürdenBedenkenhinweisgesetzlichvorzuschreibenist.

Nichteinigistmansichdahinge-hend,obeinegesetzlichvorzuschreiben-deFormabbedungenwerdenkann.

DerArbeitskreisIdesDeutschenBau-gerichtstageshatsichbislangnochnichtzuderFormdesBedenkenhinweisesge-äußert.ImRahmendesArbeitskreisesIdesDeutschenBaugerichtstagessolldie-serGesichtspunktdiskutiertwerdenundhinsichtlichdesFormerfordernisseseinegesonderteEmpfehlungandenGe-setzgeberformuliertwerden.

Hierbeiwirdauchdiskutiertwerden,obzwischenVerbraucherverträgenundVerträgenzwischenUnternehmernun-terschiedenwerdenmuss,etwadahin-gehend,dassbeiVerbraucherverträgen(wegenderSchutzbedürftigkeitderVer-braucher)dieEinhaltungderForm

zwingendseinsoll,beiVerträgenzwi-schenUnternehmerndieFormjedochabbedungenwerdenkann.

Baubeschreibungspflicht

IndervomBundesministeriumderJus-tizeingesetztenArbeitsgruppeistdie„allgemeineBaubeschreibungspflicht“diskutiertworden,jedocheinesolcheVerpflichtungbeiVerträgenzwischenUnternehmernverworfenworden,weildieEinführungsinnvollergesetzlicherVorschriftenzueinerallgemeinenBau-beschreibungspflichtnichtmachbarist.Feststeht,dassdieEinführungsinnvol-lergesetzlicherVorschriftenzueinerallgemeinenBaubeschreibungspflichtkaummachbarseinwird.

DerArbeitskreisIdesDeutschenBau-gerichtstagessiehthierinsofernauchkeinenAnlassfürweitereEmpfehlun-genindiesemPunkt.

AnderessollabergeltenfüreineBau-beschreibungbeiBauverträgenmitVer-brauchern.

Insofernwirdaufdem4.Baugerichts-tagdieFragediskutiert,obessinnvollist,gesetzlicheVorgabenfürdenInhaltderLeistungsbeschreibungbeiBauver-trägenmitVerbraucherneinzuführen.DiskutiertwerdensollindiesemZusam-menhangundggf.eineEmpfehlungausgesprochenwerden,obundwennja,mitwelchemZiel,sichderGesetzgebergrundsätzlichmitderSchaffungvonge-setzlichenVorgabenfürdenInhaltvonLeistungsbeschreibungenbeiBauverträ-genmitVerbrauchernbefassensoll.

DerArbeitskreisIdesDeutschenBau-gerichtstageswirdsichinFormeinerPodiumsveranstaltungmitdenvorste-hendaufgeführtenBeratungeninderArbeitsgruppe BauvertragsrechtdesBundes-ministeriumsderJustizbefassenundunterBerücksichtigungvorstehenderAusführungendiesemitdemZielerör-tern,zudenentsprechendenEmpfeh-lungen–soweitnotwendig–Ände-rungs-bzw.Ergänzungsvorschlägezuformulieren.

RA Michael Schorn ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und und Baurechtsspezialist (im Sinne des Netzwerks Bauanwälte).

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ARBEITSKREIS

B A U V E R T R A G S R ECH

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Sie gehört zu den ältesten, gleichzei-tig schwierigsten und offenbar nicht verbindlich lösbaren Fragen des Bau-vertragsrechts: Sind „Zusatzarbei-ten“ eines Unternehmens wirklich „Zusatzarbeiten“ oder doch lediglich vereinbarte Vertragsleistungen? Wie werden – wenn es sich darum han-delt – zusätzliche Leistungen vergü-tet? Muss der Unternehmer einen schlecht kalkulierten (deshalb „schlechten“) Preis auch für umfang-reiche Nachträge zugrunde legen? Hat er „Glück gehabt“, wenn eine Po-sition günstig kalkuliert war und sich genau an dieser Stelle eine er-hebliche Massenerweiterung ergibt?

DieseFragenbeschäftigenzzt.wiederdieRechtspolitik–dasBundesministeri-umfürJustiz(BMJ),dasaneinerweite-ren(nunaber„gründlichen“!)ReformdesWerkvertragsrechtesarbeitetundden4.DeutschenBaugerichtstagimMai2012inHamm.BeiderBundesregie-rung(BMJ)isteine„ArbeitsgruppeBau-vertragsrecht“gebildet,andernebenMinisterialenundderWissenschaftauchBaurechtlicherausderPraxisbe-teiligtsind;ebensovereintderDeutscheBaugerichtstagdasgesamteSpektrumderBaurechtsinteressen.TrotzdemzeichnetsichnocheindornigerWegab,bisdie„idealeLösung“zudenobigenFragengefundenist.Warumistdassoschwer?

DasGeheimnisliegtwohldarin,dassesbeiderNachtragsproblematiknichtnurumjuristischeDogmatikgeht,inderderKompassdesGesetzesund/odertheoretischeRechtsgrundlagendenWegweisen,sonderndass(auch)hierschlichtInteressenaufeinanderstoßen,fürdieeskeine„absolutrichtige“Lö-sunggibtundgebenkann.Richtig(=„gerecht“)istauchhierinersterLinie

derAusgleichvonInteressen,derinVer-handlungengefundenwird.Aberwie,wennsolche„Verhandlungen“garnichtstattfinden,weilihreErgebnissebereitsdurchvertraglicheAGBvorweggenom-mensind?ZusolchenAGBgehörtauchdieVOB/B.DannmüssensichdieVerfas-serderAGBentscheiden,welchenInter-essensieVorranggeben.TrotzdembleibtesabernatürlichdasZielvonVerträgen,einenangemessenenAusgleichder„geg-nerischenPositionen“aufallenSeitenzufinden.Aberwasist„angemessen“?Darü-beristindenvergangenenJahreneineFüllevonLiteraturentstanden.DerMei-nungsstandimSchrifttumistdortnach-zulesen.

Thesen zur Diskussion

DieErörterungenaufdemDeutschenBaugerichtstagwerdendieFrontenzwi-schendenverschiedenenInteressenwie-derdeutlichmachen.ZurVorbereitungdieserDiskussionsindim„ArbeitskreisI–Bauvertragsrecht“Thesenvorbereitetworden,diederRichteramBGH,StefanLeupertz,alsGrundlagederGesprächeerläuterthat.DieseHinweisesollenhierkurzbeschriebenwerden:

Zunächst geht es um die Frage, wann überhaupt vergütungspflichtige Nach-träge vorliegen.Dasistselbstverständ-lichimKerneineVertragsfrage,dieab-schließenddeshalbimmernur„amFall“gelöstwerdenkann.TrotzdemgibtesGrundsätzederAuslegungunddesVer-tragsverständnisses,wenn(wiemeist)ge-nauereRegelungenüberdieRisikovertei-lungimVertragfehlen.DieThesendesDeutschenBaugerichtstageswollenda-fürAkzentesetzen.

FürdieFrage,ob„Zusatzleistungen“nachtragswürdigsindodernicht,stelltdieentsprechendeThesezumDeutschenBaugerichtstagaufdiePlanungsverant-

Nachträge und deren Bezahlung nach der VOB/B

EinDauerbrenneraufdemBaugerichtstag

vonProf.Dr.HansGanten,Bremen

wortungdesAuftraggebersalsbesonde-remKriteriumauchfürdieLösungvonNachtragsrisikenab.Derzugrundelie-gendeGedankelässtsich(verkürzt)etwaauffolgendeFormelbringen:Werplant,übersiehtauch(odermussüberse-hen),welcheunternehmerischenLeis-tungenzurAusführungdesBauwerkes,d.h.zurabnahmefähigenFertigstellungeinerfunktionsgerechtenLeistung,er-forderlichsind.DerUnternehmerdarfentsprechenddavonausgehen,dassdiePlanung(einschließlich„geplanter“LeistungsverzeichnisseundBaube-schreibungenpp.)allesErforderlicheenthält,waserindieKalkulationseinerVergütungeinzurechnenhat.DasVer-trauendesUnternehmersdaraufsoll(besser)geschütztwerden.ErgebensichnachträglichÄnderungen,dieplane-risch(s.o.)nichtvorgegebenwaren,sinddieseLeistungenimZweifel„nachtrags-fähig“,d.h.siemüssenbezahltwerden.

DieserStandpunktlässtsichvertre-ten.ArchitektenundProjektsteuererwerdenabereinwenden,dassinderPra-xis„nichtallesgeplantunddargestellt“werdenkannunddieTheseausderVor-bereitungdesBaugerichtstagesdazuführenkönnte,dassAuftragnehmer„nurnachLückeninderPlanungsu-chenwerden“,umdarausAnsprücheaufZusatzvergütungenabzuleiten.Die(tendenziellauchgewollte)BelastungderAuftraggeberseiteindieserThesekannundwirddanngleichzeitigdazuführen,dassdasRisikoderAuftragneh-mer,nicht„geplante“,aberdochnot-wendigeBestandteileeinesgebautenProjektesnichtzukalkulieren,gemin-dertwird.DieVerletzungvonHinweis-pflichtendesAuftragnehmersetwanach§4Abs.2Nr.4,ggf.auchnach§4Abs.3VOB/B,wirddannineinemdeut-lichmilderenLichterscheinen.Darauskönnen(undwerdenwohl)sichauchzu-

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sätzlicheRegressrisikenfürdenplanen-denArchitektenundProjektsteuererer-geben.

Die weitere Frage ist dann, wie Nachtragsleistungen vergütet werden.Unternehmerkönnendaraninteressiertsein,dassdieVertragspreisefortge-schriebenwerden,ihrInteressewirdabernachlassen,wenndanachstetsauch„einschlechterPreiseinschlech-terPreisbleibt“.DieDiskussionüberdie„FortschreibungvonVertragspreisen“hatinzwischenumfangreicheLiteraturhervorgebracht.Oberhauser(BauR2011,1547f.)undFranz(BauR2012,380f.)ha-beninlesenswertenAufsätzendazudieArgumenteherausgearbeitet,nachde-nennichtnuraufden„vereinbartenPreis“,sonderninwesentlichenFällenauchaufdietatsächlichenKostendesUnternehmensundeinenimErgebnis„angemessenen“Preisabzustellenist.Ei-nenanderenWeggehtimPrinzipSchottkeinseinemmehrbaubetrieblichorientiertenAufsatzinBauR2011,1881f.:Ergehtdavonaus,dassauchbeiNach-trägengrundsätzlichnurdieFortfüh-rungderVertragsgrundlagenzueinem„richtigenPreis“führenwerde.

DerDeutscheBaugerichtstagistinderVorbereitungzudieserFrageunent-schiedengeblieben.SeineThesenent-haltenzweiVarianten:(1)Bei:Nachträ-genausvertraglich„erforderlichen“Leistungen(vgl.§1Abs.4,Satz1VOB/B)seiaufdasVertragsniveauabstellen,et-wasandersjedochbei„zusätzlichgefor-dertenLeistungen“;beiihnensollstär-kerauchdieweitereEntwicklungderPreisebiszumZeitpunktderÄnde-rungsanordnungenberücksichtigtwer-den.–(2)Die„VarianteII“stelltimAus-gangspunktgenerellaufdenVertrags-preisab,willaberUnbilligkeitendarausggf.durcheineBerücksichtigungbeson-derenAufwandesdesAuftragnehmers

aufgrundderverändertenVertragslageausgleichen.DieVarianteIImöchtezueinerstärkerenBeachtungdesFaktors„üblicherMarktpreis“kommen.Einzel-heitendazukönnenhiernichtausge-führtwerden.

AuchindieserDiskussionwirdesda-rumgehen,eingegangeneVertragsrisi-kenzubewertenundzuzuordnen,ggf.nachträglichauszugleichen.Eine„gene-rellrichtigeLösung“gibtesauchhiernicht,weilletztlichderEinzelvertragmaßgeblichist(sozutreffendAlthausinBauR2012,359f.,derauchzutref-fenddaraufhinweist,dasshierimKernrechtlicheundnichtbaubetrieblicheFragenzulösenseien).–DerinallerRe-gelauch(mehroderminder)spekulati-veCharaktervonBauverträgenwirdsichwederdurchAGBnochgargesetz-lichinallseitsgerechteLösungenauflö-senlassen.Dasbedeutetaberauch,dassnichtjedeinderVertragsentwicklungeintretendeFolgevonRisikoübernah-menausgeglichenwerdenkannundmuss.Vorallemwirdesdeshalbfürpra-xisnaheLösungen(wohl)darumgehen,„nichthinnehmbare“WirkungenvonRisikoplanungeneinerseitsundRisiko-kalkulationenandererseitsabzumil-dern.AberauchdannbleibtdieFrage:Wasist„nichthinnehmbar“.KniffkahatinBauR2012,S.411f.sehrdeutlichdaraufhingewiesen,dassdieVOB/Bselbstdazu(leider)bisherkeinebefrie-digendenLösungenbereithält.

Weitere Problemfelder

Der4.BaugerichtstagerörtertimKon-textderVergütungsfragenauchweitereProblemfelder,fürderenausführlichereDarstellunghierderPlatzfehlt.Sogehteseinmalumdas„Anordnungsrecht“desAuftraggebersgem.§1Abs.3und4VOB/B.Zumanderenwirdüberdiesog.

„Bauverfügung“diskutiertwerden,durchdieineinemgerichtlichen„Schnellverfahren“sehrzeitnahgeprüftundentschiedenwerdenkann,obNach-trägeüberhauptundggf.inwelcherHöheberechtigtsind.Zudieserletztge-nanntenProblematiksindallerdingsnochsehrvieleFragenoffen.

Fazit: AufdieDiskussionaufdemDeut-schenBaugerichtstagdarfmansehrge-spanntsein.SieistnichtnurAnregungfürdenGesetzgeber,sondernvielfältigauchfürdiebaurechtlicheBeratungs-praxis.„GerechteLösungen“ergebensichvorallemimDiskurs.DerBauge-richtstagistdazueinhoffnungsvollesForum.

Prof. Dr. Hans Ganten ist Fachanwalt für Bau- und

Architektenrecht.

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Vergaberecht ist das Beschaffungs-recht der öffentlichen Hand. Es un-terliegt sehr formellen Kriterien, die häufig von Auftraggeber und Auf-tragnehmer gleichermaßen als hin-derlicher Zwang gesehen werden.

ZumTeildurchauszuRecht,zumTeilnutztaberauchderöffentlicheAuftrag-geberbereitsjetztbestehendeSpielräumenichtodernichtausreichend.AllerdingsmussdasVergaberechtauchimmersogestaltetsein,dassesvonNicht-Juristenverstandenundangewendetwerdenkann.Daheristesdurchaussinnvoll,sichzufragen,obnichtÄnderungennotwendigsind,damitsowohlbeiderGestaltungvonAusschreibungen,wieauchbeiWertungskriterienhäufigerdieBetonungaufeinewirtschaftliche Lö-sung derBauaufgabegelegtwerdenkann.

DenndasVergaberechtistzugleichauchBestandteildesWettbewerbrechts;essollalleninteressiertenundgeeignetenBieterndiegleichenChanceneinräumen.DieswirdanhandsehrformalerKriteri-engeprüft.HierbestehenhäufigkeineWertungsspielräume,sodassjuristischallesnachprüfbarist.AnderssiehtesmitderWirtschaftlichkeitaus.HierhatderAuftraggeberBeurteilungsspielräu-me,dieerjedochhäufignichtnutzt.DiesgeschiehtzumTeilausderSorgeheraus,erwürdesichhierangreifbarmachen.GenaudasGegenteilistjedochderFall.DennwoBeurteilungsspielräu-mebestehen,greifenJuristen(hierdieMitgliederderVergabekammernoderdieRichterderVergabesenate)nursehrzurückhaltendein.Dennochwirdemp-fohlen,dieVOB/Azuändern,damitderöffentlicheAuftraggebervonMöglich-

keiten,besonderswirtschaftlicheAnge-botezuerhalten,nochmehrGebrauchmacht.

EinInstrumentariumdazusindsogenannteNebenangebote. Hierbeihan-deltessichumAbweichungenvomLeistungsverzeichnis,welchesderAuf-traggebervorgibt(sogenannterAmts-entwurf),undmitdenendieBietereigeneErfahrungenundIdeenindenWettbewerbeinbringenkönnen,umz.B.durchtechnischeInnovationener-heblicheEinsparungenundRationali-sierungseffekteherbeizuführen.InderPraxisbestehthiereinegroßeRechtsun-sicherheit,weildieMindestanforderun-gen,welcheNebenangeboteerfüllenmüssen,zwingendvomöffentlichenAuftraggebervorgegebenwerdenmüs-sen.HierzugibteszwarmittlerweileimVergabehandbuchdesBundes(VHB)ein

Effizienz und Rechtssicherheit bei Vergaben BrauchenwirveränderteRegeln?

vonRAOlafJaeger,GESSNERRechtsanwälte,SaarbrückenARBEITSKREIS

V E R G A B E R E C HTIIPrimat der Wirtschaftlichkeit: Einfallstor einer Rückkehr zur Auftragsvergabe nach Gutsherrenart?

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Formular,dieseswirdjedochnurseltenundnochseltenerrichtigausgefüllt.Al-lerdingswirdesalsschwierigbisun-möglichangesehen,aufgrundderViel-gestaltigkeitderverschiedenenVergaben,hiereineabstrakteneueRege-lungeinzuführen,umdieAnwendungzuerleichtern.Vereinfachungsmöglich-keitenwerdenjedochgesehendarin,dassnichtmehrzwingendvomöffentli-chenAuftraggeberausdrücklichNeben-angebotezugelassenwerdenmüssen,sondernsiesollenimmerzulässigsein;fernersollteauchklargestelltwerden,dassNebenangeboteunabhängigvomZuschlagskriteriumimmerzulässigsind,alsoauchwennderPreisalleinedasZuschlagskriteriumdarstellt,undnichtnurdann,wennauchandereWirtschaftlichkeitskriterienmaßgeb-lichsind.DennhierbestehtderzeiteineMeinungsverschiedenheitzwischenver-schiedenenGerichten.Fernerwirdvor-geschlagen,denöffentlichenAuftragge-berdazuzuermutigen,häufigermittels(teil-)funktionalerAusschreibungvorzu-gehen,dahierdurchdieSpielräumefürNebenangeboteerweitertwerden.

BereitsaufgrundderletztenÄnde-rungdesVergaberechtsistesmöglich,Erklärungen und Nachweise nachzu-fordern,wenndiesenichtschonbeiAn-gebotsabgabebeigelegenhaben.DennfrühermusstenzahlreicheAngeboteal-leinedeshalbausgeschlossenwerden,weilaufgrunddesZeitdrucksbeiErstel-lungeinesAngebotesdieeineoderande-reUnterlagevergessenwurde.Auchhierwirdvorgeschlagen,dieAnwendungnochmalszuerleichternundzuerwei-tern.

AusdrücklichkeinÄnderungsbedarfwirdgesehenbeiderletztenÄnderungdesVergaberechtszurStärkungderIn-teressenkleinererundmittelständi-scherBieterunternehmen.Insoweitwar

derVorrangvonTeil-undFachlosverga-bennochmalsgestärktworden,umGe-samtvergabenaneinenGeneralunter-nehmerzureduzieren.GleichwohllässthierdiejetzigeRegelungnachAuffas-sungderimArbeitskreisvorgelegtenThesengenügendWertungsspielraums,umjenachFallgestaltungzugerechtenLösungenzugelangen.

AuchunterhalbderSchwellenwerte(ab5Millionen€musseuropaweiteinBauauftragausgeschriebenwerden)wer-denErleichterungenvorgeschlagen.SogabesbereitsimRahmendessoge-nanntenKonjunkturpaketsIIErleichte-rungen,imWegefreihändigerVergabeoderdurchbeschränkteAusschreibungAufträgevergebenzukönnen.ImZugederletztenÄnderungdesVergaberechtswurdendannjenachGewerkunter-schiedlicheSchwellenwerteeingeführt(50.000ifürAusbaugewerke,Land-schaftsbauundStraßenausstattung,150.000ifürTief-,Verkehrswege-undIngenieurbau,100.000ifüralleübrigenGewerke),biszudenenbeschränkteAus-schreibungerfolgenkann.Nunmehrwirdvorgeschlagen,gewerkeunabhän-gigbis150.000idemAuftraggeberdieVerfahrensartvölligfreizustellen,alsoauchfreihändigeVergabe.

Fazit: InsgesamtzeigtsichimArbeits-kreisVergaberecht,dassnichtmehrwiebisherganzgrundsätzlicheunterschied-licheThesenundInteressenaufeinan-derprallen(frühergingeszumBeispieldarum,obauchunterhalbderSchwel-lenwerteeinspezifischerRechtsschutzdurchdenGesetzgebernormiertwerdensoll;mittlerweilehathierdiePraxisvollendeteTatsachengeschaffen,daespraktischüberallvordenLandgerichtenentsprechendenEil-Rechtsschutzgibt),sonderndassein„Fine-tunig“vorge-nommenwird,wonachbereitsbeste-

hendeRegelungennurnochleichtabge-ändertundmodifiziertwerden.Diesbe-legt,dassdasVergaberecht,welchessichinseinemmodernenGeprägemittler-weileim13.Anwendungsjahrebefindet,allgemeinakzeptiertwirdmitallensei-nenStärkenundSchwächen,dassnichtimmerwiederdasRadneuerfundenwerdensoll,dassinsgesamtZurückhal-tunggeübtwirdindervölligenUmge-staltungbestehenderbekannterundbe-währterRegelungen,dassaberdurch-ausdereineoderanderePunktnocheinwenigverbessertwerdenkönnteinderHoffnung,dassdiePraxisdannzunochbesserenErgebnissenimWettbewerbunterBerücksichtigungderKreativitätderBieterundohneallzuformelleFes-selngelangt.Allerdingsisthierausmei-nerSichtauchVorsichtgeboten,dennerstdurchdieformellenKriterienkonn-teeineffektiverRechtsschutzerreichtwerden,konntensichBietergegendieWillkürderöffentlichenHanddurch-setzen,ließsichdaseineoderandereMaleineGefälligkeitsvergabeverhin-dern.DaheristdieserArbeitskreismitSorgfaltzubeobachten,umzuverhin-dern,dassunterdemPrimatderWirt-schaftlichkeitundderErleichterungfreihändigerVergabewiederdiealte„Gutsherrenart“Einzugfindet.

RA Olaf Jaeger ist Fachanwalt für Bau- und Archi-

tektenrecht und Spezialist für Vergaberecht (im

Sinne des Netzwerks Bauanwälte).

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ARBEITSKREIS

IV

A

R C H I T E K T E N R ECH

T

Wer als Architekt oder Planer tätig wird, hat es aus rechtlicher und werkvertraglicher Sicht nicht leicht. Planer müssen nachweisen, dass Sie einen unbedingten Auftrag erhalten haben, wofür Sie die Beweislast haben. Wenn Ihnen dieser Nachweis gelingt, sind sie im Rahmen der werkvertrag-lichen Haftung dazu ver pflich tet den dem Bauherrn versprochenen Erfolg zu planen und umsetzen zu lassen.

WasaberderversprocheneErfolgimRahmeneinesPlanungsvertragesist,wannerdefiniertundeingehaltenist,obderBauherreinWeisungsrechthat,wannderVertragvomPlanerundvom

Bauherrngekündigtwerdenkann,wel-cheTätigkeitenderPlanererbringenmuss,umeinvollesHonorarzuerhal-ten,alldiessindFragen,dieoftschlechtodergarunzufriedenimGesetzgeregeltsind.

DeswegenhatessichderBaugerichts-taginHamminZusammenarbeitmitdemBundesministeriumderJustiz,zurAufgabegemacht,eineigenesWerkver-tragsrechtfürPlanungsleistungenzuschaffen.DieerstenErgebnissederein-zelnenArbeitsgruppenIbisIVliegenzwischenzeitlichvor.

DerArbeitskreisIV(Architekten-undIngenieurrecht)wirdaufdem4.Bauge-richtstagam11.Mai2012u.a.eingehend

darüberberaten,wiederWerkerfolgdesPlanungsvertragesdefiniertwerdenkann.HierbeiwerdenausSichtdesArbeitskrei-sesvorallenDingendiebesonderenSchwierigkeitendesPlanersbiszumEr-haltdesAuftrages,aberauchbeiderDefinitiondesgeschuldetenPlanerfolgeszuberücksichtigen.Konkretwirdinso-weiteinLösungsvorschlagderHerrenProfDr.BerndDammert(Leipzig)undProf.Dr.WolfgangVoit(Marburg)zurDiskussiongestellt.BeidesindMitglie-derderUnterarbeitsgruppebeimBundes-justizministerium,welchedieAnregun-gendes3.Baugerichtstagesaufgenom-menundweitereVorgabenkonkretisierthat.DieserLösungsvorschlagbestehtin-

Eine Frage der Definition WasistdergeschuldeteWerkerfolgdesPlaners?

vonRAKarstenMeurer,MeurerRechtsanwälte,StuttgartundRAH.HenningIrmler,Irmler&Collegen,Schwerin

Die Baustellen des Architekten: Wozu ist er verpflichtet?

B A U R E C H T A K T U E L L 1 / 2 0 1 2 1 3

soweitdarin,durchEinfügungeinesneuen§631aBGBdenParteien,insbe-sonderedemAuftraggeber,„erleichterte“KündigungsmöglichkeitendesVertrageszuverschaffen,wennsiesichüberdenkonkretgeschuldetenPlanungserfolgnichtverständigenkönnen.Faktischbe-deutetdies,dasssichderPlanungsver-tragunddergeschuldeteErfolgsichauseinerKonzeptionsphase/PlanungsphaseundeinerAusführungsphasezusam-mensetzen.HierdurchsollenvorallenDingendieParteienangehaltenwerden,sichbereitsfrühzeitigaufdiePlanungs-zielezuverständigenunddiezudiesemZweckdurchzuführendenPlanungs-undLeistungsschrittezudefinieren

InderPlanungsphasesollen–vorbe-haltlichanderweitigerVereinbarungen–diezwischenAufraggeberundPlanervereinbartenPlanungszieleundPlanungs-grundlagensoweitentwickeltwerden,dasssieumgesetztwerdenkönnenoderandersformuliertineinegenehmigungs-fähigeundausführungsreifePlanung,umgesetztwerden.ZurUmsetzungderPlanungsvorgabengehörtdannauchdasErstellenderLeistungsverzeichnisseundwohlauchdasMitwirkenbeidenVergaben.

DadieBestimmungdesgeschuldetenPlanungserfolgeswiediePlanungselbsteinendynamischenProzessdarstelltundbeiAuftragserteilunghäufignichtfest-stehtbzw.nochgarnichtfeststehenkann,ist–nur–fürdieseFällevorgesehen,dassderPlanerzunächstdieZieleundGrund-lagedergeschuldetenPlanung(Konzep-tionsphase)nachdenVorgabendesAuf-traggebers,natürlichunterBeachtungdesöffentlichenBaurechts,zuerstellenhatunddenAuftraggebernachderenÜbergabezurZustimmungauffordernmuss.DiesehatderAuftraggeberinner-halbeinerangemessenenFristzuertei-len.ErteilterdieZustimmungzuden

Planungsleistungennicht,dannkannderPlanerdenVertragkündigenundje-denfallsdiebisdahinerbrachtenLeis-tungennach§645Abs.1Satz3BGBab-rechnen.ObweitergehendeinAnspruchaufdievereinbarteVergütungabzüglichersparterAufwendungen(wienach§649BGB)besteht,istoffen.

MiteinerErgänzungdes§649BGBumweitereAbsätzesollzudemdemBestellereinKündigungsrechtfürdieDauervon14TagennachVorlagederPlanunterla-gendurchdenPlanergegebenwerden,wennihmdiePlanung–auswelchemGrundauchimmer–nichtgefällt.UmihmdieseKündigungzuerleichternsollderBestellerindiesemFallauchnichtdievolleVergütungsondernlediglich–alsgesetzlichenSonderfall–nurdiebiszurKündigungerbrachtenPlanungsleis-tungenvergütenmüssen.InderAusfüh-rungs-/UmsetzungsphasesolldanndieUmsetzungdervomPlanermangelfreiundunterBeachtungdesöffentlichenBaurechtserstellteundvomAuftragge-bergenehmigtePlanungnebstAusschrei-bungüberwachtwerden.

ImErgebniswürdedieserLösungsvor-schlagdazuführen,dassderAuftragge-berfürdenFall,dassdieParteienzukeinereinvernehmlichenBestimmungdesvomArchitektengeschuldetenLeis-tungserfolggelangenundeinederPar-teiendeshalbdenVertragkündigt,je-denfallsdieVergütungfürdievomArchitektenbisdahinerbrachtenLeis-tungenzuzahlenhat.

Fazit: NurinTeilenneuindiesemGe-setzesentwurfdes§631aBGBEund§649BGBistderwerkvertraglicheEr-folgdesPlanungs-undÜberwachungs-vertragesgefasstworden.AuchdurchdieseDefinitionenwirdsichnachersterEinschätzungweniganderumfangrei-chenHaftungdesArchitektenimBe-reichAusführungdesBauwerksändern.

VerbessertwirddieSituationdesPla-nersaberimBereichderHaftungfürPlanungsleistungen,dadurchdasderAuf-tragnehmeraufeinerDefinitiondeswerkvertraglichenErfolgesdurchdenBestellerbestehenkannundsomitdenMaßstabfürdiewerkvertraglicheBe-wertungderMangelfreiheitderspäterzuerbringendenPlanungsleistungendefiniert.Planerwerdengutberatensein,hieraufzubestehen.DurchdieAusbildungdesKündigungsrechtesfürbeideParteienmussaberauchderBau-herrnichtbefürchten,übervorteiltzuwerden.ImGegenteilt,gefälltihmdiePlanungnichtoderistereinfachnochnichtentschlossen,kannersicherheits-halberdenPlanungsauftragbeendenunddemPlanerdieerbrachtenPlanungs-leistungenbezahlen.EinenNachteilhatderBestellerindiesemFallerstdann,wennderPlanereinspäteres–selbstän-diges–VertragsangebotfürdieFortfüh-rungderPlanungnichtannimmt,wasallerdingsehereintheoretischerFallseindürfte.

GleichwohlwirftdieserEntwurfvieleFragenauf.SollderBauherrwirklicheinKündigungsrechterhaltenundistdiessachgerecht?ErscheintessinnvolldemUnternehmereinsolcheszuzubilli-gen?KannmandenwerkvertraglichenErfolgbereitszumZeitpunktderKosten-schätzungausreichenddefinieren?IstdasZwei-Phasenmodellsinnvoll?WoistdieSchnittstelle?WiekorrespondiertdiesmitderHOAI?Etc.…

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Der staatliche Bauprozess – ein Sanierungsfall?DieBedeutungdesgerichtlichenSachverständigenalsDiskussionsgegenstand

vonRADr.AndreasKoenen,KOENENRECHTSANWÄLTE,Essen/Hannover/Münster/Bielefeld

Das diesjährige Thema des Arbeits-kreises VI geht über das diesem zu-geordnete Sach ver ständigen recht weit hinaus. Der Formulierung des Themas ist dies nicht zu entnehmen: „Bedarf es im Baurecht gesetzlicher (Neu-)Regelungen betreffend die Ver-wendung von Gerichts- und/oder Pri-vatgutachten?“, so der unspektaku-läre Arbeitstitel. Das Thema hat es jedoch in sich, auch im Hinblick auf die Zukunft des staatlichen Baupro-zesses.

Das„RingenumdieSache“,soeinederThesenzum4.Baugerichtstag2012,solleimBauprozesszwischenallenineinemGerichtsverfahrentätigenSachverstän-digen„ohneHierarchisierungderAkteu-

reundderSachbeiträge“möglich,zuläs-sigundgesetzlichvorgeschriebensein.DennhierkommeesaufInhalteundnichtaufdie„formalenHierarchien,Zu-ordnungenbzw.Auftragsverhältnisse“an.DieimRahmeneinesGerichtsver-fahrensbeauftragtenPrivatgutachtersolltendeshalbgleichesGehörfindenunddiegleiche„Würdigung“erfahrenwievomGerichtbestellteSachverständi-ge,jedenfallsdann,wenndiePrivatgut-achterdiegleicheQualifikationaufwei-senunddieseebenfallsöffentlichbe-stelltundvereidigtsind.

DieseThesenstammenvonProf.Dr.-Ing.RolfKatzenbach(These1aund1b),DirektordesInstitutsundderVersuchs-anstaltfürGeotechnikderTechnischenUniversitätDarmstadt.1Beieinemsol-chen„WettstreitderEdlen“,Katzenbach

meinthierdievomGerichtundvondenParteienbeauftragtenGutachter,würdedieseralsöffentlichbestellterundverei-digterSachverständigeralsoselbstdazugehören.

DerdabeivonihminThese1b)ver-wendeteBegriffdes„WettstreitsderEd-len“hateinedoppelteZielrichtung:Zumeinensolldamitvordergründigerreichtwerden,dassauchPrivatgutachterimBauprozessGehörfinden.ZumanderenlässtdieserBegriffRückschlüsseaufdasRollenverständnisvonGerichtundSach-verständigenzu,daszwarnichtderRechtslage,aberderRechtswirklichkeitentspricht.Gelingtesnicht,dieseWirk-lichkeitindenGriffzubekommen,wirdsichderBedeutungsverlustdesstaat-lichenBauprozessesallerVoraussichtnachnochweiterverstärken.

ARBEITSKREIS

VISA

C H V E R S T ä N D I G E NR

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Der staatliche Bauprozess – ein Sanierungsfall?DieBedeutungdesgerichtlichenSachverständigenalsDiskussionsgegenstand

vonRADr.AndreasKoenen,KOENENRECHTSANWÄLTE,Essen/Hannover/Münster/Bielefeld

Die Bedeutung des Privatgutachtens im Bauprozess

VorrangigsinddieThesenvonProf.Dr.KatzenbachaufdieStärkungdesPrivat-gutachtensimBauprozessgerichtet.NebendenThesen1a)und1b)giltdiesauchfürdieThese2a),wonachdas„Fra-ge-/Disputationsrecht“dervondenParteienbeauftragtenPrivatgutachtergesetzlichverankertwerdensollundnichtim„individuellen–zufälligen–ErmessendesGerichts“liegendürfe.

ZwarsindPrivatgutachtendenge-richtlicheingeholtenSachverständigen-gutachtenrechtlichnachwievornichtgleichgestellt.WerdenPrivatgutachtenund/oderPrivatgutachtervondenPar-teienjedochinkonsequenterUmset-zungderindenvergangenenJahrener-gangenenRechtsprechungimBaupro-zesseingesetzt,kannderenBedeutungdieeinesgerichtlichbeauftragtenSach-verständigenimErgebnissogarüber-steigen.

EinineinenBauprozesseingeführtesPrivatgutachtenstelltnachheutigerRechtslagequalifiziertenParteivortragdar.DarausziehenmanchedenSchluss,PrivatgutachtenhättenimBauprozesseinegeringeodersogarüberhauptkeineBedeutung.Diesistjedochnichtrichtig.Richtigistvielmehr,dassdasPrivatgut-achten–andersalsdievomGerichtein-geholtenSachverständigengutachten–lediglichkeinBeweismittelimSinnederZivilprozessordnung(ZPO)ist.Davonzutrennenistjedochdessentatsächli-cheBedeutungbzw.dessenEinflussaufdasErgebniseinesSachverständigengut-achtens,wasvielfachunterschätztwird.2DieFeststellungeneinesSachverständi-genbzw.dierichterlicheEntscheidungkönnendieParteiendurchBeauftragungeinesPrivatgutachtensbzw.Privatgut-achtersauffolgendeWeisebeeinflussen:

a) Das Gericht hält ein Privatgut-achten für ausreichend:EinemPrivat-gutachtenkanneineeinemBeweismittelvergleichbareWirkungzukommen,wenndasGerichtimRahmenderfreienBe-weiswürdigungdasPrivatgutachtenfürausreichendhält,d.h.dieBeweisfragealszuverlässigbeantworteteinstuft.Diessetztallerdingsvoraus,dassdasGerichteigeneSachkundebesitztundoffenlegt,warumesdiestreitigenFragenselbstbeurteilenkann.IneinemsolchenFallmüsstedanndieGegenseiteentschei-den,obdiesedenGegenbeweisinFormeinesgerichtlichenSachverständigen-gutachtensanbietet.InderBaurecht-spraxismachendieGerichtevondieserMöglichkeitallerdingsnurseltenGe-brauch.

b) Privatgutachterliche Stellungnah-me zu einem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten:Sehrvielpraxisrelevanterundebenfallsvonerheb-licherBedeutungistdieprivatgutachter-licheStellungnahmezueinemgericht-licheingeholtenSachverständigengut-achten.LegtdieParteieinesRechtsstreitszurUntermauerungihrerStellungnah-meeinsolchesPrivatgutachtenvor,musssichdasGerichtmitdiesemauseinan-dersetzenunddenSachverhaltweiteraufklären.DieVerpflichtungdesGerichtsgehtsoweit,dasseseinenVerfahrens-fehlerdarstellenwürde,wenndasGe-richtnichtmitteilenwürde,warumesdieAusführungendesgerichtlichbe-stelltenSachverständigendemPrivat-gutachtenvorziehtoderüberzeugenderfindet.KanndasGerichtwederdemeinennochdemanderenGutachtensachlichfolgen,mussesvonAmtswegeneinwei-teresSachverständigengutachteneinho-len.

c) Der Privatgutachter als sachver-ständiger Zeuge:DerInhalteinesPri-vatgutachtenskanneinenRechtsstreit

auchüberdieVernehmungdesPrivat-gutachtersalssachverständigenZeugenmaßgeblichbeeinflussen,wenndiesereinenvonihmfestgestelltenZustandbeispielsweiseüberMängelvorderenBeseitigungbekundet.AufdieseWeisefindetderInhalteinesPrivatgutachtensauchalsförmlichesBeweismittelimSinnederZPOEingangindieEntschei-dung.DasBeweisangeboteinerPartei,einenPrivatgutachteralssachverständi-genZeugenzuvernehmen,darfdasGe-richtnurinseltenenAusnahmefällenablehnen.

d) Mutation des Privatgutachters zum gerichtlich bestellten Sachverständigen:DeralssachverständigerZeugegehörtePrivatgutachterkannimProzesssogarzumgerichtlichenSachverständigenauf-steigen,wennihndasGericht–überver-gangeneTatsachenundZuständehinaus–auchzuFragenvernimmt,dieaneinenSachverständigenzurichtenwären,denPrivatgutachteralsoinseinerFunktionalsGutachterbzw.Sachverständigeran-hört.IndiesemFalldarfsichdasGe-richtnichtmehrüberdessenAussagenhinwegsetzen.

Die faktische Übermacht des gerichtlich bestellten Sachverständigen

InsofernsindBedeutungundEinflusseinesPrivatgutachtersimstaatlichenBauprozessnachgeltendemRechtdeut-lichgrößer,alsmandiesnachdenThe-senvonProf.Dr.-Ing.Katzenbachvermu-tenwürde.GleichwohlbleibtinderBau-rechtswirklichkeiteinUngleichgewichtzwischendemEinflusseinesgerichtlichbestelltenSachverständigenunddemei-nesPrivatgutachters.InsoweitistderAnsatzKatzenbachzutreffend.AllerdingsliegtderHebelnichtineinerÄnderungdesgeltendenRechts,sondernvielmehrineinerAnpassungderRechtswirklich-

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keitandasgeltendeRecht.Diesistder–imErgebniszutreffende–AnsatzvonDr.KatrinMeins,derzweitenReferentinderArbeitsgruppeVI.

Dr.MeinsverweistindiesemZusam-menhangaufeineimJahre1982veröf-fentlichteUntersuchung,wonachRichterinbeinahe95%derFälledenvonihneneingeholtenGutachtenfolgen.3BeiLichtbetrachtetentpuppesichdieserichter-liche„Überzeugung“vonderRichtigkeitdeserhaltenengerichtlichenGutachtensjedoch,sodieVorsitzendeRichterinamKielerLandgericht,„allenfallsalsdie(laienhafte)Vorstellungvoneinergewis-senSchlüssigkeitderproduziertenfach-lichenÄußerungdesSachverständigen“.DiepraktischenFolgendieserrichterli-chenVermutungindieRichtigkeitdesgerichtlicheingeholtenGutachtenskön-neaufdieQuack’scheFormelgebrachtwerden:„VerloreneGutachtensind…verloreneProzesse.“4

DieserEinflussdesSachverständigen

aufdasErgebniseinesBauprozesses,derinsoweittatsächlichweitüberdeneinesPrivatgutachtershinausgeht,istjedochkeineFragederrechtlichenAusgestal-tunginderZivilprozessordnung,sonderneineFragederRechtswirklichkeitjen-seitsderRechtslage,zumaldieRecht-sprechungdenEinflussdesPrivatgut-achtersaufdieEntscheidungsbildungimWegederrichterlichenRechtsfortbil-dungindenvergangenenJahrendeut-lichgestärkthat.

Der–nachderRechtslage–beschränk-teEinflussdesSachverständigen,derle-diglich„Gehilfe“5desRichtersseinsoll,giltjedochwohlnurnochfürdenZivil-prozess,wiemandenAusführungenvonDr.Meinsentnehmenkann.DenndanachsolldieStrafjustizvordenSachverstän-digenbzw.derenGutachtenbereits„ka-pituliert“haben.FürStrafsachenhabederBGHnämlichschoneingeräumt,dasssicheinRichtereinemGutachteneinfachanschließendürfe,auchdann,wenner

diesesgarnichtverstandenhabe.Inso-fernstellesichdieFrage,soDr.Meins,obdergegenwärtigeZivilprozessMöglich-keiteneröffnet,„sichgegendiese‚Über-macht‘dergerichtlichenSachverständi-genzuwehren?“

BeidiesemBaugerichtstagwirdesalsoumdie„Übermacht“desgerichtlichenSachverständigenunddenUmgangmitderTatsachegehen,dassderSachver-ständigezwischenzeitlichzur„Schlüs-selfigur“6desBauprozessesgewordenist.7EinaktuellesundheiklesThemazugleich.NachgeltendemZivilprozess-rechthatderSachverständigelediglichdieAufgabe,demGerichtbzw.demRichterdasfürdieEntscheidungerfor-derlicheFachwissenzurBeurteilungvonTatsachensowiedasWissenz.B.umbranchenspezifischeHandelsbräuche8

odersonstigeinbestimmtenVerkehrs-kreisenbestehendeÜblichkeiten9zuvermittelnundggf.zuerläutern.Inso-fernistdieAufgabedesSachverständigen

Wessen Handschrift trägt das Urteil? Die des Richters oder die des gerichtlichen Sachverständigen?

B A U R E C H T A K T U E L L 1 / 2 0 1 2 17

daraufbeschränkt,dassachunkundigeGerichtbeiderFeststellungundBeur-teilungvonTatsachenmitseinerSach-kundezuunterstützen.NurinsoweithatderSachverständigedasGerichtbeidervonihmzutreffendenEntschei-dungzuunterstützen.

EntgegenderEntwicklungimStraf-rechtistderRichterimZivilprozessalsonachwievorzueinemeigenenUrteil,auchinschwierigenFachfragen,ver-pflichtet.10SelbstbeischwierigenFragenmussderRichterdieEntscheidungselbsterarbeitenundihreBegründungselbstdurchdenken,soderVII.ZivilsenatdesBGHineinerEntscheidungvom09.02.1995.DerRichterdarfsichdabeivomSachverständigenlediglichhelfenlassen.„JewenigersichderRichteraufdieblo-ßeAutoritätdesSachverständigenver-lässt“,sodie–auchheutenochgültige–ErkenntnisdesBundesgerichtshofsausdemJahre1955,„jemehrerdenSach-verständigennötigt,ihn–denRichter–überallgemeineErfahrungenzubeleh-renundmitmöglichstgemeinverständ-lichenGründenzuüberzeugen,destovollkommenererfüllenbeideihrever-fahrensrechtlicherAufgabe“.11

Lässt sich der Bedeutungsverlust staatlicher Bauprozesse aufhalten?

Einsachgerechter,d.h.vorallemzielge-richteterEinsatzdesSachverständigenhätteauchAuswirkungenaufdieAkzep-tanzdesstaatlichenBauprozesses,derindenvergangenenJahrenbeidenamBauBeteiligtenimmermehrinVerrufgeratenist.SowirdnacheinerimJahre2005veröffentlichten(nichtrepräsenta-tiven)UmfrageunterdenamBauBetei-ligtendergerichtlicheStreitentscheidalsdasamwenigstenhilfreicheMittelzurStreitbeilegungangesehen.12

ObdieseEntwicklungdurcheineÄn-derungderZPOaufgehaltenwerdenkann,mussbezweifeltwerden,zumaldiediesbezüglichenReformbestrebun-genvergangenerLegislaturperiodenausnahmslosgescheitertsind.Reform-bestrebungenzurSanierungdesstaatli-chenBauprozessessolltendeshalbvor-rangiganderRechtswirklichkeitanset-zen,dadieZivilprozessordnungallewesentlichenInstrumenteenthält,umeinenBauprozesseffektivundökono-mischzuführenunddiesenzeitnahbe-endenzukönnen.

IndiesemZusammenhangdarfderGesichtspunktderrichterlichenRechts-fortbildungnichtunberücksichtigtblei-ben.IndenvergangenenJahrzehntenhatinsbesonderederBundesgerichtshofhiervonregenGebrauchgemacht.Inso-fernhättederweitereAusbauder„Par-allel-Justiz“13nichtnurAuswirkungenaufdasWissenumdas,wasamBau„Recht“ist,sondernauchaufdiegesetz-licheRegelungsdichte.IndenBereichen,indenendieRechtsprechungkeineMög-lichkeitmehrhätte,imWegerichterli-cherRechtsfortbildungeinzugreifen,würdederRufnachdemGesetzgeberunweigerlichzunehmen.

UmsoerstaunlicheristindiesemZu-sammenhang,dassderBedeutungsver-luststaatlicherJustiznichtnurvonderParallel-Justizgefördertwird,sondernauchvonderstaatlichenJustizselbst.DenndiesearbeitetselbstseitlangerZeitdaran,dassdiestaatlicheJustizeineihrerFunktionen,dieRechtsfortbildung,nurnocheingeschränktwahrnehmenkann.ZwarhatderGesetzgeberdurchdieÄn-derungdesRevisionsrechtsbereitseineSteilvorlagegeliefert.InvielenFällenfragtmansichaber,warumdieOberge-richteRevisionennichtzulassen,umaufdieseWeisedemBundesgerichtshof

dieMöglichkeitzurRechtsfortbildungunddamitauchzurStärkungdesstaat-lichenBauprozesseszugeben.AufdieseWeisekönntederBundesgerichtshofbei-spielsweisediederzeitnochungeklärte,fürdenBauprozessjedochenormwich-tigeFrageaufgreifen,obEinwendungengegeneinSachverständigengutachtennachBeendigungeinesselbständigenBeweisverfahrensimHauptsacheprozessnochmöglichoderobdieseindiesemFallpräkludiertsind.14

SolangedieseFragenichtgeklärtist,werdendieanwaltlichenVertreterderParteiengehaltensein,zujederStel-lungnahmeeinesgerichtlichenSachver-ständigen,unabhängigvonderrechtli-chenRelevanzdieserFeststellung,Ein-wendungengeltendzumachen.DiedaraufhineingeholtenErgänzungsgut-achten,dieinvielenFällennurnutzlosundteuersind,verzögerndenRechts-streitohnejedeNot.DieFeststellungeneinesSachverständigensindnämlichhäufigfürdenRechtsstreitgarnichtvonBedeutung.ErörterungenderPartei-enunddesSachverständigensindsomitentbehrlich.GleichwohlwerdeninderBauprozesspraxisimmerwiederGutach-tenauchzuunerheblichenTatsacheneingeholt.

WürdederstaatlicheBauprozessdie-sesProblemindenGriffbekommen,wäreschonvielgewonnen.Demstehtviel-fachjedochdiesystembedingteArbeits-weisevielerjungerRichterundSpruch-körperentgegen.WährendfrüherTheo-rieundPraxisderRelationstechnikalsmaßgeblichejuristischeArbeitsmetho-dezurErfassung,OrdnungundBeurtei-lungkomplexerzivilrechtlicherStreit-stoffe(wiediesbeimBauprozessderFallist)nochzentralerGegenstandderRefe-rendarausbildungwar,hatsichdiesimZeichenderaufdenAnwaltsberufkon-

18 B A U R E C H T A K T U E L L 1 / 2 0 1 2

zentriertenJuristenausbildunggrundle-gendgeändert.ZwischenzeitlichwirddieseMethode,mitderunstreitigevonstreitigen–undgegebenenfallsbeweis-erheblichen–TatsachengetrenntunddieAnknüpfungstatsachenherausgear-beitetwerden,diederSachverständigezurErstellungseinesGutachtensbenö-tigt,kaumnocheingeübt.DabeigiltsieunterRichternnachwievoralswich-tigsteMöglichkeit,ArtundUmfangei-nerdurchzuführendenBeweisaufnah-mezuklärenundaufdieseWeiseeinenProzessschnellstmöglichundzugleichkostengünstigeinerEntscheidungzuzu-führen.WirdaufdieseVorarbeitvorBe-auftragungeinesSachverständigenver-zichtet,gerätderRechtsstreitineineSchieflage,fürderenAusgleichsichdannvieleSachverständigezuständigfühlen.

Fazit: VordiesemHintergrundwirdmanwohlkonstatierenmüssen,dassesdieJustizverwaltungzueinemnichtun-erheblichenTeilselbstinderHandhat,dieKrisedesstaatlichenBauprozessesindenGriffzubekommen,undzwarauchohneÄnderungdesgeltendenRechts.InderArbeitsgruppeVIwirdesinHamminsofernauchdarumgehenmüssen,obeseherdieaufeineVeränderungdesgel-tendenBeweisrechtsgerichtetenThesensind,diedenstetenBedeutungsverluststaatlicherJustiz(vgl.Editorial)aufhal-tenkönnen,oderesvielmehraufeineAnpassungderRechtswirklichkeitandasgeltendeRechtankommt.

1Prof.Dr.Ing.RolfKatzenbachistMitherausge-berdesBeck’schenVOB/C-Kommentars,Mithe-rausgeberderFachzeitschriftBauingenieur,VorsitzenderderPrüfungskommissionzurfachlichenAnerkennungderPrüfsachverstän-digenfürErd-undGrundbaunachBauord-nungsrecht,Bundesingenieurkammer,Berlin.

2ZurBedeutungdesPrivatgutachtenssowiezuseinenEinsatzmöglichkeitenausanwaltlicherSichtvgl.Koenen,DerSachverständigenbe-weisimBauprozess.BeweisführungundPro-zesstaktik,WernerVerlag2012.

3Pieper/Breunung/Stahlmann,SachverständigeimZivilprozess–TheorieundDogmatikdesSachverständigenbeweises,1982.

4Quack,BauR1993,161.Prof.Quackwarehe-malsRichteramBausenatdesBGH.

5Vgl.BVerfGvom05.05.1987,NJW1987,2500(„Helfer“)sowieKoenen,FN2.

6Werner/Pastor,DerBauprozess,13.Aufl.2011,Rn.3106.

7DabeibleibtdertatsächlicheEinflussdesge-richtlichbestelltenSachverständigenhäufigunbemerkt.DieWahrnehmungwürdenäm-lichvoraussetzen,dassdie–überdieeigentli-chenFeststellungenhinausgehenden–Ele-mentebzw.EinflussfaktoreneinesSachverständigengutachtensalssolcheer-kanntwerden.DiesistvielfachjedochnichtderFall,weshalbmanindiesemZusammen-hangvondemSachverständigengutachtenals„trojanischesPferd“desBauprozessesspre-chenkann(hierzuundwiemandiesausan-waltlicherSichtverhindernkann,vgl.Koe-nen,FN2.

8BGHvom17.06.2000,BauR2004,1438.9BGHvom09.02.1995–VIIZR143/93;BauR1995,538.

10Ebd.11BGH,Urteilvom26.04.1955,NJW1955,1642

=BGHSt8,113;dieswerdesowohlvonGerich-tenwieauchbesondersvonSachverständigenleider„oftverkannt“,soderBGHindieserEntscheidung.

12Vgl.Haghsheno/Kaben,in:Kapellmann/Vy-gen(Hrsg.),JahrbuchBaurecht2005,S.265ff.;zumBedeutungsverlustdesstaatlichenBauprozessesvgl.auchQuack,ZfBR2010,211sowiedasEditorial,S.1ff.

13ZumBegriffvgl.dasEditorial.14Vgl.hierzuKoenen,FN2,RN700ff.

RA Dr. Andreas Koenen ist Fachanwalt für Bau-

und Architektenrecht und Baurechtsspezialist (im

Sinne des Netzwerks Bauanwälte).

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Wie wohl kaum ein anderes Großbau-vorhaben der jüngeren Vergangen-heit hat sich „Stuttgart 21“ in das kollektive Gedächtnis der Öffentlich-keit eingebrannt.

DerUmbaudesvonPaulBonatzentwor-fenenStuttgarterKopfbahnhofsineinenDurchgangsbahnhofsowiederAusbauderICE-StreckeUlm-WendlingenhatsichnichtzuletztfürdieBewohnerderLan-deshauptstadtalswahreZerreißprobeerwiesen.UnnachgiebigstandensichGegnerundBefürworterdesProjektesmonatelanggegenüber.Seinenvorläufi-genHöhepunktfanddasVerfahrendurchdieEinschaltungHeinerGeißlers,der,vonderbaden-württembergischenLan-desregierungvorgeschlagenundvonallenFraktionenbestätigt,alsSchlich-terdiegeradezuverfeindetenLageraneinenTischbringenundeinSchlich-tungsverfahrenmoderierensollte.

MitBlickaufdieseinerzeitanstehen-denLandtagswahlenmochtedieseWen-dungpolitischverständlichsein–ausrechtlichenGründenallerdingskamsienichtnurüberraschend,sondernstellteeinenganzundgarunjuristischenVor-gangdar,dessenLegitimitätdurchausbezweifeltwerdenkonnte.DiesesMankovorAugen,enthieltderSchiedsspruchGeißlersdennauchdenHinweis,esseiklargewesen,dassausdemVerfahren„keinerechtlicheBindungentstehenkonnte,wohlabereinepsychologischeundpolitischeWirkungdieFolgewar“.EtwasweiterimTextheißtes,dieSchlich-tungseiein„neuesProjektunmittelba-rerDemokratiemitgroßerTransparenz“.

Mit nüchternem Blick

Den–auchrechtlichgeführten–Kampfum„Stuttgart21“einerseitssowiedieAuseinandersetzungumdasDrehkreuz

„FrankfurtAirport“andererseitshatderArbeitskreis(AK)VII–ÖffentlichesBau-recht–desDeutschenBaugerichtstageszumAnlassgenommen,dasbestehendePlanungsrechtdahingehendaufdenPrüfstandzustellen,obesseinerInfor-mations-undBefriedungfunktioneben-sogerechtwird–werdenkann–,wieesandererseitsPlanungs-undInvestitions-sicherheitfürdiezeitnaheUmsetzungderProjekteaufseitenderVorhabenträ-gerschaffenmuss.

DieReferentendesAKVIIhabensichvonderHitzigkeit,mitderdieeingangsgenanntenAuseinandersetzungenge-führtwurden,glücklicherweisenichtvereinnahmenlassen,sonderneinennüchternenBlickaufdieplanungsrecht-licheFaktenlagegeworfen.Danachver-dientzwarnichtAllesdasPrädikat„gutundbürgerfreundlich“,dochwarnendieVerfasserübereinstimmendvoreinerArtGeneralabrechnung,wonachalleinedasVerfahrensrechtfürdiemangelndeAkzeptanzvonGroßprojektenverant-wortlichzumachensei.UmgekehrtdürfeeinmodernesundbürgerfreundlichesPlanungsrechtdieErfahrungenderjüngstenZeitnichtvollkommenunbe-rücksichtigtlassen,sondernbedürfehierunddaderFortenwicklung,wobeidiebeiallenAutorenzufindendenSchlag-wortesolauten:–frühzeitigeInformationundBügerbe-teiligung,

–VorhaltenvonPlanungsalternativen,–Mitgestaltung–TransparenzundEhrlichkeit–Mediation

ImEinzelnenwirdfolgendeszurDiskus-siongestellt:AlleReferentenforderneineErgänzungderbestehendenMög-lichkeitenderBürgerbeteiligung,wo-beidiesenichtnurihremUmfangnachausgeweitet,sonderndiebetroffenen

BürgerauchsehrvielfrüherindenPla-nunsprozesseinbezogenwerdensollen.Eswirdbemängelt,dassVorhabenträger–seiensienunöffentlicheroderprivaterNatur–dieÖffentlickeiterstzueinemZeitpunktüberihrProjektinformieren,daihreinterneVorauswahllängstgetrof-fensei,sodassdieÖffentlichkeitunddiebetroffenenKommunendenEindruckgewinnenmüssten,dassesalleinumdieDurchsetzunggleichsamalternativ-loserVorhabengehe.

DieAutorenregenan,denPlanungs-trägerzuverpflichten,transparentundergebnisoffenindiePhasederBürger-beteiligungzugehen,ehrlichüberdievoraussichtlichenAuswirkungenunddiedamitverbundenenKostenzuinfor-mierenund–vorallem–auchPla-nungsvarianten vorzustellen.

IndiesemmöglichstfrühenStadiumkommeesentscheidenddaraufan,dieKommunikationzwischendenVorha-benträgerneinerseitssowiedenGemein-denundBürgernandererseitszuverbes-sern.Obdiesgelingt,seiindeswenigereineFragederrechtlichenAusgestaltung,sondernhängemehrdavonab,obdieFinanzausstattungderKommuneneinesolchequalitativbessereInformationzu-lasse.Überwiegendwirddafürplädiert,dieAttraktivitätderBeteiligungs-undInformationsphasedadurchzuerhöhen,dasseszueinemechten„Zugehen“aufdieBetroffenenkomme,wozubeispielswei-seStadtteilbüroseingerichtetoderneueMedien(Internetforen,WorkshopsundPlanungswerkstätten)genutztwerdenkönnten.DemgegenüerkönnediebloßeVeröffentlichungderPlanunterlageninAmtsblätternoderderenEinsichtnahmeinderVerwaltungdemAnspruchakti-ver„Gestaltungsbürger“nichtgerechtwerden.

ZuRechtwarntallerdingsRichteramBundesverwaltungsgerichtDr.Gatzda-

Planungsrecht auf dem PrüfstandInformations-undBefriedungfunktionversusPlanungs-undInvestitionssicherheit

vonRAeDr.WalterMüllerundThorstenScheuren,AnwaltsozietätLeinen&Derichs,Köln/Berlin/Brüssel

ARBEITSKREIS

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F F E N T l I C H E S R

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vor,diefrühzeitigeBürgerbeteiligungalsAllheilmittelzurAkzeptanzerhö-hungzupreisen,denndiepraktischeErfahrunglehre,dassdasGefragtwer-denderBürgerumdesFragensWillenskeinenWertdarstelle–dievolleWuchtdesWiderstandesentwicklesichhäufigerst,wenndie–geradeauchbauliche–UmsetzungdesVorhabensbeginne.

Demsprichwörtlichen„Wutbürger“kommtesdennauchwenigeraufdieDiskussionundInformationan,viel-mehristihmdieganzePlanungzuwider–seiesnun,weilereineWertminderungseinesGrundbesitzesfürchtet,Umwelt-belangenichtausreichendberücksich-tigtsiehtoderschlichtdieKostenfürun-bezahlbarhält.

WenngleichvieleVerbesserungensichsomitauchohne(weitreichende)Ände-rungdesVerfahrensrechteserzielenlie-ßen,wirdvoneinemTeilderReferentendochangeregt,VerstößegegendasGebotderÖffentlichkeitsbeteiligungstärkerzusanktionieren.NachgeltenderRechts-lagebleibenNachlässigkeitenundMän-gelimRahmenderÖffentlichkeitsbetei-ligungvielfachunbeachtlich,denndemPlanfeststellungsrechtfehlteine§214Abs.2aNr.3BauGBvergleichbareRege-lung.Dassei,soeinTeilderAutoren,nichtmehrzeitgemäßundlassesichmitderAnspruch,dieBürgerbeteiligungzustärken,kauminEinklangbringen.

Schließlichseizuüberlegen,obdieÖffentlichkeitsbeteiligunginderbishe-rigenFormnichtzusehrdenZweck

einesvorgezogenenRechtsschutzesver-folge,währenddasVerfahrendieMitge-staltungaußerAchtlasse.Obsichdiesumsetzenlässt,ohnezugleichRechts-schutzmöglichkeiteneinzubüßen,er-scheintaberfraglich.

DieMöglichkeit,FormenderMediati-onindasVerfahreneinzubinden,wirdzwarvonmehrerenReferentenerwähnt,zugleichallerdingsdaraufhingewiesen,dassdieMediationschonheute(§4bBauGB)zulässigundmöglichist.Ent-scheidendseivielmehr,diebegleitendeMediationimZulassungsverfahrenzuverankern,wobeisieregelmäßigvorderZulassungsentscheidungbeendetseinmüsse.

DieAkzeptanzdesMediationsergeb-nissesdürftefreilichunterdessenUn-verbindlichkeitleiden,dieaberVoraus-setzungihrerZulässigkeitist,daeineirgendwiegearteteVerbindlichkeitaufeineunzulässigeVorwegbindungderPlanfeststellungsbehördehinausliefe.MithinkönntedasErgebnisderMediati-onnurüberdenZulassungsantragEin-gangindieEntscheidungfinden–indenübrigenFällenwärezuüberlegen,obzumindestihreBerücksichtigungfest-geschriebenwerdensollte.Zudemrelati-viertsichdieBedeutungderMediationdadurch,dassprivateVorhabenträgerausverfassungsrechtlichenGründennichtandasErgebnisgebundenwerdenkönnen.

EinenweiterenAspektbeleuchtetderAKVII,indemerzurDiskussionstellt,

welcheFolgenfürSchadenersatzundEntschädigungimRahmenstädtebau-licherVerträge„nachStuttgart21“zuerwartensind.NichtzuletztbirgtauchdievielfachgeforderteAusbreitungple-biszitärerElemente–genantwerdenVolksabstimmungundVolksentscheid–RisikenfürdieBeteiligten.Eswirdsichzeigen,obderAusstiegausProjekteninsolchenFällenetwamitdemWegfallderGeschäftsgrundlagebegründetwer-denkönnte.

Fazit: DasPlanungsrechtwirdvoraus-sichtlichAnleihenimBaugesetzbuchnehmenundeinmehrstufigesBürgerbe-teiligungsverfahrenetablieren.Invie-lenBereichenwidersprechendieRefe-rentenallerdingsdemRufnacheinerweiterenVerrechtlichung,sondernbe-lassenesmitderForderungnacheinerauskömmlichenFinanzausstattungvorallemderKommunen.EinehöhereAk-zeptanzderEntscheidungensetztechtePlanungsalternativenvoraus,womital-lerdings–auchdasgehörtzudergefor-dertenEhrlichkeit–deutlichhöhereKostenaufdieVorhabenträgerzukom-mendürften.Beialledemdarfschließ-lichderAspektderInvestitionssicher-heitnichtinVergessenheitgeraten.

RA Dr. Walter Müller ist Fachanwalt für Bau- und

Architektenrecht und Baurechtsspezialist (im Sinne

des Netzwerks Bauanwälte).

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ARBEITSKREIS

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V E R S I C H E R U N GSR

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fassendebauwerksbezogeneVersicherungistderOrdinariusProfessorDr.Voit,deranseinemLehrstuhlinMarburgaucheinenAusbildungsgangfüreineZusatz-qualifikationfürBauundArchitekten-rechtunterhält.

InseinemPlädoyerfüreinesolcheumfassendeVersicherungslösungzeigterauf,weshalbdiePrämieneinerum-fassendenVersicherungzumTeildurchdasEntfallenanderer,teilweisesichüber-lagernderSicherungengegenfinanziertwerdenkönnenundsichteilweiseauchAnwaltskostenerspartwerdenkönnen.DiesgiltnichtnurimVerhältnisdesBauherrenzuseinemGeneralsunterneh-mer,sondernauchimVerhältnisdesGeneralunternehmerszuseinenSubun-ternehmern.MitdemEntfallenderNot-wendigkeitvonBürgschaftenfürMän-gelansprüche,bedürfteeszudemauchkeinerweiterenAbsicherungenzuGuns-tenderbürgendenBanken(Kontenpfän-dungen,Geldhinterlegungetc.),wasdieKapitalbasisderUnternehmenstärkt.

RechtsanwaltWolfgangLemkeüber-nimmtdieGegenpositionundstelltdieNachteileeinersolchenbauwerksbezo-genenVersicherung(Multi-Risk-Versi-cherung)heraus.Erweistdaraufhin,dassDoppelversicherungennichtausgeschlos-sensind,dadieBeteiligtenbereitseigen-

ständigenVersicherungsschutzunter-halten.

EsentstehengegebenenfallsneueHaftungsgefahrenundInteressenkollisi-onen.DerVerstoßdesVersicherungsneh-mersgegenVerpflichtungenausdemVersicherungsvertrag(Obliegenheitsver-letzung),kannzumWegfalldesVersiche-rungsschutzesohneZutundesBetroffe-nenSchadensverursachersführen.

RechtsanwaltLemkesiehtdieWahr-scheinlichkeitdesEintrittsvonSchädenunddadurchdieInanspruchnahmenderVersicherungwachsen,daeineman-gelhafteBauausführungseltenist.

NebenderBesorgnisderEntstehungverhältnismäßighoherVersicherungs-prämienbeihohemSchadensbedarfwirdaußerdemdaraufhingewiesen,dassdieMöglichkeitdesVersicherersbeidenVer-ursachernRegresszunehmendenStreitnurinbegrenztemUmfangreduziert.

InsgesamtstehteineinteressanteDis-kussionunterLeitungvonRechtsanwaltKrause-AllensteinundseinemStellver-treter,demJustiziarderAIAAGUlrichLangenan.

Eshandeltsichdabeiumeinzukunfts-weisendesThema,dasmitNachdruckauchnachdem4.Baugerichtstagweiter-verfolgtwerdensollte.

DieTeilnahmeanderDiskussionistunbedingtempfehlenswert.

Das Bauversicherungsrecht führt in der baurechtlichen Diskussion eher ein Schattendasein. Dabei verdient es viel mehr Beachtung. Der 4. Bau-gerichtstag wendet sich mit seinem Arbeitskreis IX unter Leitung von Rechtsanwalt Dr. Krause-Allenstein einem wichtigen Thema zu.

Prof.Dr.Voit,UniMarburgstelltdieKern-thesemitderFrage:WarumbrauchenwireineumfassendebauwerksbezogeneVersicherung?DerAusgangspunktderDiskussionistdieFeststellung,dasszurAbsicherungderBaurisikenvondenamBauBeteiligtenbeachtlicheSummenanVersicherungsprämienundKostenfürGewährsleistungsbürgschaftenaufge-wendetwerdenmüssen,dieimwesentli-chenimErgebnisdasgleicheRisikoab-decken.

DiedadurchentstehendenKostenver-teuerndasBauen,dasieletztendlichaufdenBauherrnüberdiejeweiligenWerk-lohnforderungenabgewälztwerden.HinzukommtdasseinZugriffaufdieVersicherungsleistungzurAbdeckungderBauschädenindenmeistenFällenerstnachjahrelangergerichtlicherKlärungderVerantwortungfürdenBaumängelgelingt.ErstdannstehtderVersiche-rungsfallfürdieeinzelnenVersichertenderamBauBeteiligtenfest.

DerjahrelangeKlärungsprozessführtzuLiquiditätsproblemenderamBauBe-teiligten.OffenstehendeHonorar-undWerklohnforderungenwerdenihnenwegendesBestehensvonZurückbehal-tungsrechtenaufDauerdergerichtlichenKlärungvorenthalten.DieseLiquiditäts-engpässeführennichtseltenzuInsolven-zenderBeteiligten,diebeieinerumfas-sendenbauwerksbezogenenVersicherungvermeidbarwären.

Der4.Baugerichtstagstelltesichdie-serThematik.Befürworterfüreineum-

Absicherung der BaurisikenBrauchenwireineumfassendebauwerksbezogeneVersicherung?

vonRAProf.R.Jochem,RJAnwälte,Wiesbaden

RA Prof. R. Jochem ist Fachanwalt für Bau- und

Architektenrecht und Baurechtsspezialist (im Sinne

des Netzwerks Bauanwälte).

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Impressum

Herausgeber: Netzwerk Bauanwälte GbR II. Hagen 7, 45127 Essen, [email protected], www.nwba.de

Redaktion: Dr. Andreas Koenen, [email protected]

Layout und Satz: Thomas Schauder, [email protected]

Fotonachweis: Fotolia.com – Thomas Becker (Titel), Klaus-Peter Adler (S. 10), Chlorophylle (S. 12), Stefan Rajewski (S. 16), Olaf Wandruschka (S. 21), Photocase (S. 14)

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9 Meurer Rechtsanwälte, Stuttgart

Herdweg 24, 70174 Stuttgart, T 0711 505307-30 www.meurer-rechtsanwaelte.de

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Das 2003 gegründete „Netzwerk Bauanwälte“ ist ein Zusam-menschluss von Anwaltskanzleien, deren Arbeitsschwerpunkt im Baurecht liegt, im privaten Bau- und Architektenrecht, Ver-gaberecht und/oder im öffentlichen Baurecht.

Ziel der Netzwerkarbeit ist es, das Beratungsangebot der an-geschlossenen Kanzleien kontinuierlich auf sehr hohem Ni-veau zu halten und so für die Mandanten eine exzellente an-waltliche Leistung im Baurecht sicherzustellen.

Nach außen tritt das Netzwerk durch Veröffentlichungen her-vor, die auf gemeinsamer Diskussion beruhen und Einfluss auf die Rechtsentwicklung nehmen sollen. Hierzu gehört das vom NETZWERK herausgegebene, zwei Mal jährlich erscheinende Magazin BAURECHT AKTUELL. Darin äußern sich renommier-te Bauanwälte zu aktuellen Entwicklungen des Baurechts.

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im NETZWERK BAUANWÄLTE verschafft unseren

Mandanten einen Wettbewerbsvorteil, von dem diese

bei Projekten in ganz Deutschland profitieren.

Mehr über das Experten-Netzwerk erfahren Sie auf

www.netzwerk-bauanwaelte.de