Baurecht in der Praxis

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Wer baut, sollte Kurbos lesen Das bewährte Standardwerk beschreibt wichtige Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Thema Bau mit allen gesetzlichen Neuerungen und Änderungen. Dargestellt werden die Rechtsgrundlagen für das Zusammenwirken der Baustellenbeteiligten: die Dokumentationsverpflichtungen, die Prüf- und Warnpflicht, typische Bauvertragsklauseln sowie ÖNORM-Bestimmungen anhand praktischer Beipiele. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Mängel und Schäden und die neuen Gewährleistungs- und Produkthaftungsbestimmungen.

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Bau und Recht – Wie gewinne ich einen Bauprozess? –

Prüf- und Warnpflicht – Der Bauvertrag – ARGE-Verträge

und (persönliche) Haftungen

Teil I: Rechtsgrund-

lagen im Bau-

wesen

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1. Bau und Recht

Immer wieder hört man Klagen, als „Baumensch“ müsse man ein halber Juristsein, etliche Semester Jus studiert haben oder wenigstens seine Kinder etwasOrdentliches, Zukunftssicheres und Ertragreicheres als Technik (Jus nämlich)studieren lassen. Dass die Juristenkinder aus der gleichen Idee heraus Technikstudieren, ist nur ein schwacher Trost. Es ist aber schon etwas Wahres dran,dass Rechtsfragen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dies allerdings nichtnur im Bauwesen, sondern gesamtgesellschaftlich. Angeblich soll es ein Zeichenhochentwickelter Volkswirtschaften sein, dass Rechts- und Beratungsdiensteeinen immer höheren Anteil am Bruttonationalprodukt erlangen. Lassen Sie unsnach Ursachen suchen, um dann die Frage zu entscheiden, ob es sich bei derzunehmenden Bedeutung von Rechtsfragen nur um einen Modetrend handeltoder ob tatsächlich ein Wandel der Situation vorliegt.

1.1. Verrechtlichung des Bauwesens: Ursachen und Perspektiven

Immer mehr GesetzeEs kommen immer mehr Gesetze, Verordnungen und Normen heraus, di-ese Vorschriften werden immer länger und detaillierter und sind auf immermehr Sachverhalte anzuwenden. Hier kann eine Wechselwirkung vorliegen:Beispielsweise war häufig die Auslegung des Wortes „Sichtbeton“ umstrit-ten, daher wurde der Begriff „Sichtbeton“ durch eine Norm ersetzt. Jetztist viel an Klarheit geschaffen, an die Stelle des Wortes „Sichtbeton“ tritt einmehrseitiger Text. Damit sind zwar alle Kernfragen des Themas „Sichtbe-ton“ beantwortet, gleichzeitig aber entstehen in Randbereichen Ausle-gungsmöglichkeiten. Wollte man diese Auslegungsmöglichkeiten wiedermit neuen Normen regeln, so tritt der Effekt ein, dass man durch eine fort-schreitende Regelung vom Bereich der Schärfe wieder in einen Bereich zu-nehmender Unschärfe gelangt. Zahlreiche Gesetze, besonders wenn sie impolitischen Widerstreit ausgehandelt wurden, haben den Punkt größterKlarheit bereits in Richtung zunehmender Unschärfe überschritten.

„Aufrüstung“ der VertragspartnerDa und dort wurden Teilnehmer am Baugeschäft (AG und AN) beobachtet,die zunehmend Rat bei externen und internen Juristen einholen oder diesegar in die Organstellungen holen! Dies führt zu einem „Nachrüstungsbedarf“bei noch konventionell operierenden, technisch geführten Marktteilnehmern.Zufolge der Relativierung des Schwellenwertes gibt es nun spezifischen Ver-gaberechtsschutz ab dem nullten Euro, eine erhebliche Verbesserung!Auf Bauherrenseite (Bauträgerinstitutionen) findet eine Evolution dahinge-hend statt, dass der kaufmännisch und rechtlich erfolgreichere Bauherren-vertreter neue Aufträge erhält und so sein Betätigungsfeld stets vergrößert.

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Immer kompliziertere BauverträgeBauverträge, insbesondere die Vorbemerkungen werden immer länger undkomplizierter.Was soll auch anderes geschehen, wenn die Rechtslage, auf der sie basieren,immer vielfältiger wird, immer mehr technische Varianten und Finessen er-funden werden, um dieselbe Bauleistung herzustellen, immer weiter an dieGrenzen der Bauphysik herangerückt wird usw. Außerdem sind Bauverträgedas Ergebnis jahrelanger Erfahrung mit der Kreativität der Auftragnehmer.Aug um Aug, Zahn um Zahn, für jeden gelungenen Nachtrag einen Passusim Bauvertrag, der so etwas in Zukunft verhindert. Da viele von vielen ab-schreiben, verbreiten sich derartige, einmal erfundene Klauseln wieGrippeviren blitzartig über das ganze Land. Schließlich stehen 700 SeitenVorbemerkungen drei LV-Positionen gegenüber. Außerdem schlägt das sogenannte Parkinson’sche Gesetz grausam zu: Jeder, der Zeit hat, widmetsich der Erfindung neuer Vertragsklauseln, bis alle Zeit nur noch damit ver-braucht wird, Strategien und Gegenstrategien zu entwerfen.

Ausbreitung von EDV und ArbeitsvorbereitungDurch den Einsatz modernster Managementtechniken in Verbindung mitleistungsfähigen Computerprogrammen wird es möglich, die Baustelle im-mer besser zu steuern. Die Erfahrungen aus detaillierter Arbeitsvorberei-tung, Baustellenvoraus-, -mit- und -nachkalkulation ermöglichen es, dieKosten erwarteter Bauleistungen im Detail schärfer zu prognostizieren –und diese kostenbestimmenden Randumstände werden auch mehr undmehr berücksichtigt.Je detailschärfer, mit je größerem „Auflösungsgrad“ jedoch die Urkalkula-tion betrieben wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass, kommtes im Bauablauf zu Abweichungen von der Prognose, diese Abweichungenauch kostenwirksam und damit zum Anlass für Nachforderungen werden.War es früher möglich, da und dort einen „Polster“ in den Preis einzubauen,einige Prozent etwa für „Unvorhergesehenes“ zu kalkulieren, so hat das Zu-sammenwirken des scharfen Wettbewerbs mit den zunehmend verbes-serten baukaufmännischen Methoden hier auch die letzten Reserven abge-tragen.Paradoxerweise führt eine zunehmend genaue bautechnische Vorausschauauf den zu erwartenden Produktionsablauf auf der Baustelle und eine bau-kaufmännische Prognose der daraus entstehenden Kosten, die immer ex-akter immer mehr Randbedingungen berücksichtigt, tendenziell zu einemimmer größeren Konfliktpotential, wenn sich diese Erwartungen nicht rea-lisieren, und damit letztlich zu einem Steigen des Rechtsanteiles.

Baugrundknappheit und technischer FortschrittSo gut wie alle billigen, ebenen, sonnigen, zentrumsnahen Baugründe sind be-reits verbaut. Daher sinnt man ständig nach neuen Möglichkeiten, wie jene

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Grundstücke, die technisch früher nicht verbaut werden konnten, doch nochirgendwie bebaubar werden. Und man ist erfolgreich: Rutschhänge, ufernaheBereiche, Altlasten und Baulücken mit beiderseits mehrgeschossigen, denk-malgeschützten Nachbargebäuden werden ohne Wimpernzucken bebaut.Was früher als meisterhafte Ingenieurleistung bewundert wurde, wird heutezum lästigen Kostenfaktor einer Spezialgründungsmaßnahme degradiert.

Diffusion der VerantwortungDie Entscheidung wird häufig nicht mehr von einer Einzelperson, sondernvon Gruppen getroffen, wobei die Gruppenmitglieder meist unterschied-liche Interessen verfolgen.

Zunehmen von KontrolleinrichtungenIm Zeitalter des Rechnungshofs und der Interessengemeinschaften gibt eskaum noch einen „Bauherrn“ im klassischen Sinn, einen Entscheidungs-träger, der alleine im Vollbesitz der Entscheidungsmacht wäre, ohne sich ir-gendwo rechtfertigen zu müssen und einer Kontrolle unterworfen zu sein.Überdies prüfen Kontrollinstanzen wie Rechnungshof, Revisionsverbände,Aufsichtsräte usw. kurzfristig zu treffende Entscheidungen im Nachhineinmit oft erheblichem Aufwand nach, wobei als Prüfungsmaßstab der Vertrags-text und seine Auslegung durch Experten, die in Kenntnis des tatsächlichenBaustellenablaufes sind (hinterher ist man immer klüger), herangezogenwird. Bisweilen soll dies zu Entscheidungsschwäche und Absicherungsten-denzen geführt haben.

Siegeszug des VergaberechtsDurch Vergabekontrolleinrichtungen ist der Rechtsweg zum Auftrag garan-tiert, die Vergabekontrolle wird zur Fortsetzung des Wettbewerbs mitRechtsmitteln. Endlich sind die Juristen in der Vorhut mit dabei, wo es umdie Akquisition der Aufträge geht. Wenn man dann einen Auftrag „ersiegt“(nicht mehr wie früher erstanden) hat, ist es ganz praktisch, wenn man denJuristen, der die Sache schon von Anfang an kennt, gleich bei der Hand behält.Durch die zunehmende Internationalisierung bestehen immer weniger per-sönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten. Das geordnete, effektiveund verrechtlichte Ausschreibungswesen führt zu immer „zufälligeren“Kombinationen zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern.

Entwertung der Technik als WettbewerbsinstrumentZunächst wurde der Wettbewerb unter den Bauunternehmungen über diebessere Technik ausgetragen. Manche Technologie war nicht jedem Wett-bewerbsteilnehmer vertraut, da und dort gab es Patente oder anderes exklu-sives Know-how, von dem man noch Jahre zehren konnte.Meinen Seminarteilnehmern stellte ich an diesem Punkt häufig die Frage: „Waskann Ihre Firma, was keine andere Firma kann?“ Erhielt ich dann keine Ant-wort, fragte ich keck weiter: „Wozu gibt es dann Ihre Firma überhaupt noch?“

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Am Bau kochen alle mit Wasser. Was man im eigenen Unternehmen nichtherstellen kann (oder aus Kostengründen nicht will), wird in spezialisierteSubunternehmen ausgelagert. Selbst Grundbau-Spezialleistungen sindheute jederzeit überall verfügbar, wenn nur der Preis stimmt.Manchmal fühlt man sich an einen Wanderzirkus erinnert, mit dem Baulei-ter als Dompteur, der Subunternehmer aus allen Ländern koordinieren soll.Ohne Zweifel ist Bautechnik nach wie vor von zentraler Bedeutung. Dertechnische Fortschritt ist rasant und bewundernswert. Nur, er ist kaumnoch als Wettbewerbsinstrument geeignet, wenn er jedermann unter glei-chen Bedingungen zur Verfügung steht. Häufig müht sich der Techniker ta-gelang, um mit einer optimierten Arbeitsvorbereitung noch den letzten Vier-telprozentpunkt an Ertrag aus dem Vertragspreis zu quetschen. Dabei führtallein die sprachlich richtige Auslegung einer wesentlichen LV-Position(gefunden vielleicht nach wenigen Minuten des rechtlich richtigen Nach-denkens) zu beträchtlichen Nachforderungen, und die ganze Baustelle istgerettet.Erstklassige Bautechnik ist etwa vergleichbar mit der Kenntnis der Spielre-geln von Fußball: Wer sie nicht beherrscht, darf nicht mitspielen. Aber da-mit, dass man die Regeln kennt, gewinnt man noch kein Spiel. Unterstelltman, dass für die Unternehmungen weitgehend gleiche Marktzutritts-, Pro-duktions- und Kostenbedingungen gelten, so entscheidet über Gewinn oderVerlust weniger und weniger das technische Genie, sondern gute Kauf-mannschaft gepaart mit immer besserer Bewirtschaftung und detailschär-ferer Kenntnis und Auslegung des jeweiligen Bauvertrages. Je mehr die Be-herrschung der Bautechnik durch moderne Kommunikationsmittel allge-genwärtig und selbstverständlich wird, desto mehr gewinnt Recht an Bedeu-tung als neues Feld, auf dem der Kampf um den Ertrag einer Baustelle aus-getragen wird.

Generalunternehmertum versus SubunternehmerbewirtschaftungWar es vor Jahren noch üblich, dass ein Bauunternehmer wenigstens einenphysischen Beitrag zum Gelingen des Bauunternehmens leistete, der überdie Betonkosmetik im Gewährleistungsfall hinausging, so ermöglicht es diemoderne (Bau- und Kommunikations-)Technik, Bauvorhaben „aus demBüro“ abzuwickeln:Bei einem Stahlbetontragwerk ist es heute durchaus üblich, dass der Bau-oder Generalunternehmer gar keine eigenhändigen Leistungen mehr er-bringt: Der Aushub, die Schalung, die Bewehrung, der Beton, alles aus derHand von Subunternehmer-Fachleuten. Dass der Innenausbau seit eh undje anderen Gewerken zusteht, ist nicht einmal mehr erwähnenswert. Damitverändert sich die Aufgabenstellung, ja der Daseinszweck eines Bauunter-nehmers überhaupt: weg von den Niederungen der täglichen Ausführungirgendwelcher Bauleistungen hin zum technisch-kaufmännischrechtlichen

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Generalunternehmerbüro. Dabei schreitet der Spezialisierungsgrad immerso weit fort, wie dies kaufmännisch und rechtlich gerade noch vertretbar ist.In technischer Hinsicht steigt der Spezialisierungsgrad, weil damit Einspa-rungspotential verbunden ist. Das heißt, der, der die Leistung tatsächlichausführt, kostet immer weniger. Bei größeren Spitalsvorhaben beispielswei-se ist es durchaus möglich, die Niederspannungsinstallation, die Telefon-installation, die EDV-Installation, die Elektroinstallation, die Lichtwellen-leiterinstallation usw. auf Fachfirmen, womöglich noch gerätespezifisch zuverteilen. Solange, bis die Steckdose von jemand anderem montiert wird alsdas Kabel.

Technisch gibt es keine Grenze für diese Spezialisierung. Die Grenze wirdvielmehr durch die modernen Möglichkeiten der Bürokommunikation ge-zogen und dadurch, dass für jede Ebene weiterer Subunternehmertätigkeit

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eine zusätzliche Ebene von Verträgen, beispielsweise zwischen dem Subun-ternehmer und dem Subunternehmer zweiten, dritten, vierten Grades usw.,erforderlich wird.Bekanntlich verliert Information auf diesem Wege an Schärfe, sodass es

letztlich nur ungelöste rechtliche und Koordinationsprobleme sind, die die

Tiefe der Spezialisierung in Subunternehmergewerken beschränken.

Die Spezialisierungstiefe kann man als Gleichgewichtspunkt sehen. Die

Spezialisierung wird so weit vorangetrieben, bis die Mehrkosten wegen er-

höhter rechtlicher und kaufmännischer Bearbeitung und wegen Kommuni-

kationsproblemen höher sind als der Spezialisierungserlös. Mit anderen

Worten wächst ständig der Anteil des Overheads zu Lasten des produktiv

Arbeitenden. So ist beispielsweise der Fall einer Tunnelbaustelle bekannt,

bei der auf einen Mineur 1,8 Aufseher gekommen sind.

Geldknappheit

Auf beiden Seiten fehlt das Geld für Zugeständnisse, Bauherren, die ihren

letzten Euro verplant haben und Änderungen und Unwägbarkeiten im Bau-

geschehen ohne Reserven gegenüberstehen, treffen auf Baufirmen, denen

der Wettbewerb die Taschen längst geleert hat.

www: Weltweiter Wettbewerb

Durch die Ausbreitung des Internet wird der Wettbewerb intensiviert,

manchmal anders als gedacht, wenn etwa der Verbraucher mit dem Fernab-

satzgesetz ein grundloses Rücktrittsrecht erhält.

Bisweilen gelang es gerade im Bauwesen, aus Informationsvorsprüngen

technischer Art (der Kunde weiß nicht, wie eine Leistung effizient herge-

stellt wird) und aus besseren Informationen über Beschaffungspreise (für

Baumaterialien, Subunternehmerleistungen etc.) Preisvorteile zu ziehen,

man spricht hier oft von so genannten „betriebswirtschaftlichen Renten“.

Dies widerspricht dem theoretischen Konzept der Marktwirtschaft, wo alle

Anbieter und Nachfrager jederzeit vollständige Marktinformationen über

Preise, Angebote und Nachfragen aller anderen Marktteilnehmer haben.

Durch das Internet werden nun solche Informationsgefälle ausgeglichen,

man kann sich über die neuesten, wenigstens europaweit verfügbaren Tech-

nologien problemlos informieren, auch die Einholung effektiver Preisinfor-

mationen ist dank E-Mail kein Problem mehr

Zwar kann man Bauleistungen im Allgemeinen schlecht transportieren, dies gilt

aber nicht mehr für Informationen über Bauleistungen. Renten aus Informa-

tionsvorsprüngen verschwinden.

Die Marktteilnehmer durchlaufen einen Konzentrationsprozess, durch besse-re Logistik ist es heute möglich, Leistungen über immer weitere Distanzen anzu-bieten und auszuführen. Zudem kommt es zu einer Tendenz, Leistungspakete

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anzubieten, die dann im scharfen Wettbewerb über noch größere Distanzen han-delbar sind, wie beispielsweise Fertighäuser, Kläranlagen oder auch Kraftwerke inModulbauweise. Kostensenkungssysteme, die die gesamte Wertschöpfungsketteeinbinden, tun ein Übriges dazu, Handlungsspielräume zu vermindern.

Dadurch kommt es zu einem „Abschmelzen“ regional hoher Preisniveaus.Fatalerweise sinken die Gewinne dadurch überproportional, weil „Renten“, dieaus Informationsvorsprüngen gewonnen wurden, insoweit unmittelbar ertrags-wirksam waren, als ihnen keine direkten Aufwendungen gegenüberstanden.

Bei vollständiger Markttransparenz bleibt als sachliche Rechtfertigung füreinen höheren Preis nur eine tatsächlich andere Kostenstruktur, beispielsweisehöhere Transportkosten, übrig. In der Konsequenz konnte – auch aufgrund desVergaberechtes – beobachtet werden, dass Bauaufträge zwar nach wie vor in derMehrzahl von inländischen Anbietern erstanden werden, diese aber durch dieWirkung des Informationsaustausches zunehmend zur Aufgabe von informati-onsbedingten Renten gezwungen werden. Dies begünstigt den Konzentrati-onsprozess, weil Großunternehmen mit Filialstruktur (theoretisch) besser inder Lage sind, große Volumen bei niedriger Umsatzrentabilität zu bearbeiten.

Im Endeffekt arbeitet weiterhin der (gewohnte) lokale Anbieter, aber zumglobalen Tiefstpreis, wodurch der Umsatz gegen unendlich, der Gewinngegen null tendiert, wenn man nicht rechtzeitig die Kunst des selek-tiven Neinsagens zu ertraglosen Aufträgen erlernt.

Die Liste ließe sich noch um den einen oder anderen Punkt ergänzen, dieAntwort auf die eingangs gestellte Frage ist aber gefunden: Für die hier darge-stellten Tendenzen gibt es wenig Anzeichen (soll man von Hoffnung spre-chen?) der Umkehr, sodass insgesamt der Verrechtlichung des Bauwesens einsolider (gesamtgesellschaftlicher) Trend zugrunde liegt und sich daher die Be-fassung mit Rechtsfragen längerfristig lohnen wird.

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