Bayern Recherchehandbuch 2015

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IDEEN FÜR IHRE RECHERCHE #ECHTEINLADEND BAYERN. GANZ PERSÖNLICH.

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Für unser aktuelles #EchtEinladend-Recherche-Handbuch haben wir uns in ganz Bayern auf die Suche nach besonders spannenden Charakteren gemacht, die echt einladende Geschichten zu erzählen haben und mit ihren Worten und Werken inspirieren.

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IDEEN FÜR IHRE RECHERCHE

#ECHTEINLADENDBAYERN.

GANZ PERSÖNLICH.

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2 #EchtEinladend 3#EchtEinladend

EDITORIAL INHALT

SIE SUCHEN BESONDERE GESCHICHTEN UND

INTERESSANTE PERSÖNLICKEITEN?

IN BAYERN WERDEN SIE FÜNDIG!

#EchtEinladend – das Motto der diesjährigen Kampagne rückt die authen-

tische Gastfreundschaft der Bayern in den Mittelpunkt. Für unser aktuelles

#EchtEinladend-Recherche-Handbuch haben wir uns in ganz Bayern auf die

Suche nach besonders spannenden Charakteren gemacht, die echt einladende

Geschichten zu erzählen haben und mit ihren Worten und Werken inspirieren.

Lernen Sie den tätowierten Landwirt, der gleichzeitig Drechsler, Musiker und

Model ist, kennen. Schauen Sie dem Bierbrauer der ältesten Klosterbrauerei der

Welt über die Schulter oder begleiten Sie die Weindozentin Martha über ihre

Weinberge in Franken.

Unterstützung für Ihre Berichterstattung:

• Interviews mit den Protagonisten: auch ungekürzt, schriftlich oder als

Audiodatei.• Bildmaterial: Zu allen Protagonisten wurden zahlreiche unterschiedliche

Bilder gemacht, die wir Ihnen gerne für Ihre Veröffentlichung zukommen

lassen.• Persönliches Gespräch: Natürlich vermitteln wir Ihnen die Kontaktdaten der

porträtierten Persönlichkeiten.

• Recherchereise: Sie sind durch das Recherchehandbuch oder anderweitig

auf ein spannendes Thema gestoßen, das Sie gerne vor Ort in Bayern re-

cherchieren möchten? Rufen Sie uns an – gerne unterstützen wir Sie bei der

Planung und Durchführung Ihrer Recherchereise.

Schreiben Sie uns, was Sie für Ihren Bericht benötigen, an

[email protected] oder rufen Sie uns einfach an unter 089 212397 29.

Viel Freude beim Lesen

Ihr Presseteam der Bayern Tourismus Marketing GmbH

4-7 Model, Drechsler, Landwirt und Musiker

KULINARIK 8-13 Fränkischer

Lesegenuss14-17 Zu Besuch

in der ältes-ten Kloster-brauerei der Welt

18-21 Aus Laibes Kräften

22-23 So gut schmeckt Bayern

WANDERN & FAMILIE 24-29 Fernsehen auf Bayerisch30-33 Mit dem Ranger auf

Spurensuche34-35 Outdoorabenteuer in

Bayern

KUNST UND KULTUR 36-37 Die Kunst, Träume zu

verwirklichen38-39 Inspirierende Land-

schaften

40 Kontakte / Impressum

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MODEL, DRECHSLER, LANDWIRT UND MUSIKER:

FRANZ KEILHOFER–

SO FACETTENREICH WIE BAYERN

Kirsche, Zwetschge, Apfel, Nuss. Nein, das wird kein Obstsalat. Das sind einige Holz-

sorten, die Franz Keilhofer aus Bischofswie-sen in dünnwandige Schalen verwandelt. Die eleganten Werke entstehen auf seiner

Drechselbank. Preise haben sie auch schon gewonnen. Mit dem biederen, rustikalen

Landhausstil, mit dem man gemeinhin das Drechseln verbindet, haben sie aber nichts

zu tun. Auch die Schreibgeräte, Flaschen-öffner und anderen Alltagsgegenstände, die

unter den geschickten Händen des Drechs-lers entstehen sind formvollendete Kunst-

werke von zeitloser Schönheit.

5#EchtEinladend4 #EchtEinladend

Franz, du verbindest viele Berufe und Leiden-schaften, die konträr erscheinen. Das Leben auf dem Bauernhof, Drechseln, Tätowierun-gen, Musik, Modeln, um nur einige zu nennen. Was ist dir am wichtigsten? Das Drechseln. Das kann ich den ganzen Tag machen, ohne dass ich müde davon werde.

Du lebst bei deinen Eltern auf dem Bauernhof? Auf einem typischen Berchtesgadener Bauernhof, übrigens einem Bio-Bauernhof schon seit vielen Jahren.

Arbeitest du auf dem Bauernhof voll mit oder machst du nur Holz, damit du Material zum Drechseln bekommst? Die Stallarbeit machen mein Vater und meine Großmutter, bei allen anderen Arbeiten, wie der Heuernte, arbeite ich voll mit.

Wie bist du zum Drechseln gekommen? Eine ganz spontane Entscheidung. Ich habe meine Ersparnisse in eine Werkstattausstattung investiert und dann einfach angefangen. Es war Top oder Flop. Gott sei Dank hat es recht gut funktioniert.

Hast Du das vorher schon mal ausprobiert? Der Bruder von meinem Stiefopa war einer der letzten Filigrandrechsler in Berchtesgaden, von

dem habe ich gewusst, was Drechseln ist. Aber wie man das genau macht oder selber probiert – nein.

Tradition und Moderne sind für dich kein Widerspruch? Alles, was jetzt Tradition ist, war irgendwann mal modern. In der heutigen Zeit, denke ich, kann man diese Trennung gar nicht mehr so klar ziehen, weil es immer wieder Traditionen gibt, die modern werden.

Wie und wo verkaufst du deine gedrechselten Werke? Ich habe einen kleinen Laden. Außerdem verkau-fe ich an andere Wiederverkäufer. Zum Beispiel an das Kaufhaus Ludwig Beck in München, kleine Geschäfte oder an Online Shops.

Was liebst du an der Arbeit mit dem Holz? Das Schöne beim Arbeiten mit Holz ist, dass ich selber gestalten kann, wie beim Töpfern, nur umgekehrt. Ich habe ein großes Stück und trage so viel ab, bis nur noch das übrig bleibt, was übrig bleiben soll. Natürlich habe ich eine Vorstellung, was ich machen möchte. Wirklich gut kann man in dem Handwerk aber nur sein, wenn man sich dem Holz und seinen Eigenschaften unterwirft und hinhört, was es einem sagt.

Kannst du das näher beschreiben? Grundsätzlich muss man das Holz nach seinen Ei-genschaften bearbeiten. Ich kann nicht aus jedem Stück Holz eine dünne Schale machen und ich kann nicht jedem Holz jede Form geben. Es gibt Hölzer, die sich besser bearbeiten lassen. Aber vor allem ist es so, dass ich nicht wie ein Schreiner möglichst perfektes Holz haben möchte. Beson-ders Äste oder Verwachsungen sind interessant für einen Drechsler. Ich muss das Holz vorher zusägen und mir überlegen, wie positioniere ich eine Schale in so einem Baumstamm. Ich muss schauen, dass ich die Schönheit, die im Holz steckt, möglichst gut zur Geltung bringe.

Deine Holzfirma heißt Ginger Wood. Warum? Weil im englischsprachigen Raum die rothaarigen Kinder mit Sommersprossen den Spitznamen

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6 #EchtEinladend 7#EchtEinladend

KEILHOFER IST HIER GEBOREN UND AUFGEWACHSEN, VERWURZELT IN

EINER BAUERNFAMILIE, DIE SEIT GENERATIONEN IM BERCHTESGADE-

NER LAND ANSÄSSIG IST

„Ginger“ erhalten. Ich bin auch so ein Rotschopf und meine Freundin nennt mich manchmal so. Das ist ein Name, mit dem kann jeder etwas anfangen. Wenn ich mich Drechslerei Franz Keilhofer nenne, dann mag das bei uns passend sein, aber woanders kann keiner was damit anfangen. Nachdem ich international unterwegs bin, ist es wichtig, dass die Leute auch außerhalb Deutschlands den Namen verstehen.

Wie kommst du zu diesen Auslandsreisen durch deine Holzarbeiten? Es gibt eine unheimlich große Hobbydrechslerszene. Die Hersteller von Werkzeugen oder Maschinen wollen, dass bei ih-nen am Tag der offenen Tür oder bei Messen die Sachen präsen-tiert werden. Diese Firmen sind europa- und weltweit präsent. Die fliegen mich quasi ein, um zwei Tage mit ihren Maschinen zu arbeiten und den Leuten was zu zeigen. Die mögen gerne jemanden, der ein bisschen be-kannt ist in der Szene. Dadurch komme ich rum.

Deine Werke selbst sind quasi regional und saisonal. Du kennst die Bäume, du schnei-dest sie den Jahreszeiten entsprechend. Hast du für uns auch einen Tipp für ähnlich produzierte Nahrungsmittel aus deiner Heimat? Wir haben in Bischofswiesen einen schönen Bauernmarkt, wo es qualitativ hochwertige Lebensmittel gibt. Ich selbst kaufe, sofern möglich, alles von lokalen Erzeugern.

Du bist stark tätowiert. Wann hast du dir das erste Tattoo stechen lassen?Mit 20. Ich habe über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mein erstes Motiv verfolgt.

Mit den Tattoos ist es auch noch nicht zu Ende, oder? Alles außer das Gesicht soll irgendwann voll werden. Bei mir ist das ein gewisses Schönheits-ideal. Dem versuche ich Stück für Stück näherzukommen. Immer, wenn ich eine gute Idee habe, lasse ich mir was Neues machen. Hals und Hände sollen irgendwann auch tätowiert sein. Aber ob ich das mit 30 oder mit 50 mache, ist egal.

Du bist Sänger, bei der Band Astraea. Seit wann? Bands habe ich, seitdem ich 20, 21 bin. Die Besetzung hat sich im Lauf der Jahre jedoch nicht großartig geändert.

Bitte beschreibe den Stil. Hardcore Punk, eine Entwick-lung, die aus dem Punkrock ent-stand. Vom Sound her ein biss-chen aggressiver. Nicht, dass wir Musiker jetzt aggressiv sind, wir

sind alle sehr entspannt, aber die Musik kommt aus der Jugendbewegung. Wenn man jung ist, hat man oft seine Schwierigkeiten. Im Englischen sagt man „the pressure of being young“. Der Druck der Jugend gibt den Ansporn, sich gegen Sachen, die man nicht gut findet, aufzulehnen. Und da gibt es Sachen, die einen aggressiv und wütend machen. Das ist es, was diese Musik transportiert.

Was gefällt dir daran?Nah am Publikum sein, interagieren, etwas weitergeben, sowohl Musik als auch Text. Wir haben schon Konzerte gespielt, da haben wir auf demselben Fußboden gespielt, auf dem auch das Publikum stand. Andererseits hatten wir auch schon Konzerte mit großen Bühnen. Bei uns ist das schon ein sehr intensives Erlebnis. Es ist toll, wenn man die Themen, die einen beschäftigen, nach außen transportiert. Außerdem kann man alles andere vergessen auf so einem Konzert.

Wenn Besucher in deinem Alter nach Bayern kommen, kannst du ihnen Festivals empfeh-len, wo du selbst gerne hingehst? Es gibt ganz viele kleine Festivals mit ein paar hundert Leuten und die empfehle ich. Da muss man sich vorher ein bisschen umschauen, um

sie zu finden. Wo es auch noch selbst gemachtes Essen und ein paar nette Stände gibt. Zum Beispiel das Sonnenrot Festival in der Nähe von München.

Wo gehst du gern aus? Wenn wir weggehen, dann meis-tens auf Hardcore Musik Konzer-te. Zum Beispiel nach München ins „Feierwerk“ auf einem alten Industriegelände. Oder in Berch-tesgaden ins Kuckucksnest, das ist eine Kultkneipe, wo schon seit Ewigkeiten Musik gehört und gemacht wird.

Hast du eine Lieblingsbar oder Lieblingskneipe? In Piding gibt es eine ganz nette Kneipe, meine Weggeh-Heimat, das „Baamhakke“, ein Traditi-onslokal, wo alternative Musik gespielt wird.

Auf deinem Blog schreibst Du über Straight Edge. Ist das ein wichtiger Teil in deinem Leben? Ein sehr wichtiger Teil. Das hat mit der Musik zu tun. Straight Edge ist eine Gegenbewegung und bedeutet, ganz bewusst auf bewusstseinsverändernde Substanzen zu verzichten. Denn Anfang der 80er-Jahre haben sich ein paar Punkrocker gesagt,

wir wollten doch eigentlich was Positives machen, was bewegen. Das kann man nur, wenn man die Welt mit wachen Augen erlebt.

Und wie läuft es mit dem Modeln? Es ist cool, zu erleben, wie das alles abläuft. Doch das Modebusiness ist ein hartes Pflaster. Mit ein bisschen hinstellen und ein paar Fotos von sich machen lassen ist es nicht getan.

Wie lange hat es gedauert, bis dieser Bart gewachsen ist? 15 Monate.

Und nimmst du auch Bartöl?Ja, und für meinen bayerischen Schnurrbart neh-me ich richtige bayerische Bartwichse her, um den ordentlich nach oben zu zwirbeln.

Spielst du manchmal mit dem Gedanken, wegzuziehen und internationale Wege einzu-schlagen? Nicht ernsthaft. Denn wenn man auf einem Bau-ernhof aufwächst, dann ist man so verwurzelt mit der Gegend. Wir haben den Postkarten-Watzmann- Ausblick und einen wunderschönen Bauernhof. Ich habe Platz, um meine ganzen Sachen zu machen. Durchs Drechseln war ich viel in Europa unterwegs, in Belgien, in England, in Österreich. Ich komme rum, das reicht mir. Aber bleiben möchte ich hier in meiner bayerischen Heimat.

Was liebst du an deiner Heimat? Für mich ist es wichtig, dass ich mich frei bewe-gen kann. Ich kann in gewissen Grenzen alles machen, was ich möchte. Wir haben einerseits die Nähe zu München oder anderen größeren Städten. Andererseits sind wir total abgeschieden. Bei uns ist Bauernhof wirklich noch heile Welt und das weiß ich sehr zu schätzen. Außerdem arbeite ich mit Holz und das ist in unserer Region zur Genüge verfügbar.

Was ist dir wichtig? Nicht irgendeinem Klischee zu entsprechen. Wobei ich mit meinem Bart momentan natürlich allen Klischees entspreche. Wichtig ist es, mir selbst treu zu bleiben, einfach machen, was ich machen möchte, auch wenn das total gegensätz-liche Sachen sind. Kein Mensch soll sich nur auf eine Persönlichkeit beschränken lassen. Jeder ist viel mehr als nur Drechsler oder nur Sänger einer Band. Zum anderen ist für mich wichtig, dass ich keiner dieser Handwerkskünstler bin, die am Hungertuch nagen, sondern dass ich angemessen entlohnt werde.

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KULINARIK

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KULINARIK

DER WEIN IST DIE POESIE

DER ERDE(Zitat von Mario Soldati, 1906–1999, Schriftsteller und Regisseur)

Flaschenform, den bauchigen Bocksbeutel. Martha Gehring demonstriert, was bei den Pilgern ein Vorteil war: Der Bocksbeutel konn-te nicht davonrollen und war bei Mönchen einfacher unter der Kutte zu verstecken als eine gewöhnliche Flasche. Denn der Ursprung des Weinanbaus in Franken liegt in Klöstern. Der Bocksbeutel war ein Kennzeichen zur Unterscheidung von echtem fränkischen Wein zu billigen Fälschungen. Heute sei der Bocks-beutel, so Martha Gehring, immer noch ein weltweit geschätztes Qualitätsmerkmal.Ein Drittel der gesamten fränkischen Reb-flächen befindet sich zwischen Wipfeld und Sommerach an der Mainschleife. Die an den mäandernden Fluss geschmiegten Wein-berge verströmen eine stille, unspektaku-läre Schönheit, die Martha Gehrings Gäste augenblicklich verzaubert.

DIE MAINSCHLEIFE BEKAM IHREN NAMEN, WEIL SICH DER

FLUSS SEIT URZEITEN GE- SCHMEIDIG WIE EINE SCHLANGE

IN DEN FRUCHTBAREN BODEN GEGRABEN HAT.

So entstanden die steilen Hänge, die das Sonnenlicht „wie ein Hohlspiegel“ verstär-ken, erklärt Martha Gehring. Die Winzer und Obstbauern im Herzen Mainfrankens haben beim Wettergott einen Joker gezogen, lacht Martha. „So viele Sonnentage!“ Das ist der zweite Trumpf neben der idealen Bodenbe-schaffenheit. Die Gäste lieben es, im Herbst zu kommen. Dabei, so findet Martha Gehring, hat jede Jah-reszeit ihren Reiz. Im Frühling öffnen sich die Knospen der Obstbäume, im Sommer stehen die Reben im satten Grün und selbst der Win-ter verströmt eine eigenwillige Schönheit.

Zwischen der Wein- und der Edelbrandher-stellung sind gar nicht so viele Unterschie-de, lernen Martha Gehrings Teilnehmer. Heute ist es eine zwölfköpfige Gruppe, bestehend aus einer Familie mit vier er-wachsenen Söhnen und ihren Partnerinnen, die gemeinsam den 60. Geburtstag der Oma begehen. Beim Spaziergang entlang der Weinreben wird gleich sichtbar, was Martha Gehring verdeutlichen will: Am wichtigsten sei das Ausgangsprodukt, „das reife, son-nenverwöhnte Obst“. Und das wachse und gedeihe in ihrer Heimat an der Mainschleife prächtig. Obwohl die Gegend auch für ihre Obstbäu-me und den Spargel berühmt ist, steht doch das ganze Jahr über der Wein im Mittel-punkt. Seit Jahrtausenden siedeln hier Men-schen und beackern das fruchtbare Land. Über dieses gesegnete Land zieht Martha Gehring einen Bollerwagen. Weinflaschen in Kühltaschen wecken klirrend die Vorfreu-de bei den jungen wie auch älteren Famili-enmitgliedern. Denn bei Martha Gehrings Führung durch den Weinberg schenkt sie an den einzelnen Stationen die entspre-chenden Weine aus. Anschaulicher könnte die Spezialistin gar nicht erklären, dass die Böden hier einmalig sind.Urzeitliche Meeresablagerungen im Mu-schelkalk und Buntsandstein in Ufernähe sind vortreffliche Mineralien- und Wär-mespeicher. „Ist damit Terroir gemeint?“, fragt das Geburtstagskind. Martha Gehring erklärt ihr, dass mit dem Begriff „Terroir“ nicht nur der Boden allein gemeint sei, sondern das Zusammenspiel aller Kräfte, die auf den Wein wirken. Neben dem Boden auch das Klima, die Lage des Weinbergs, ja, selbst das Mikroklima. „Nicht zu vergessen, der Winzer und der Kellermeister selbst!“ Bekannt ist der Frankenwein für die typische

Die ausgebildete Gästeführerin und Weindozentin Martha Gehring ist in Fahr an der Mainschleife zu Hause. Sie bietet Führungen, Seminare und Verkostungen in ihrer Heimat an. Weine keltert ihr Mann Bernhard, Edelbrände destilliert sie selbst. Eine ihrer beliebtesten Führungen geht durch den Weinberg.

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KULINARIK

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Frau Gehring, Sie sind zer-tifizierte Gästeführerin und bieten Weinseminare und Weinproben an. Wie sind Sie dazu gekommen? Zur Ausbildung „Gästeführer Weinerlebnis Franken“ bin ich durch Zufall gekommen. Meine Nachbarin, auch eine Winzerin, brachte mich drauf, weil sie sich anmeldete und mich fragte, ob das nicht auch etwas für mich wäre. Nun mach ich es schon seit zwölf Jahren.

Von wo kommen Ihre Gäste? Das hat hier in der Region be-gonnen, dann kamen die Gäste aus ganz Deutschland und nun werden sie immer globaler. Zurzeit habe ich auch Gäste aus Hongkong, aus Schweden, aus Dänemark. Ich habe das Gefühl, die Welt schaut auf Franken und kommt gerne nach Franken.

Was möchten Sie den Gästen bezüglich des Weins vermitteln?Zum einen, dass sich in Fran-ken sehr viel bewegt hat in Sachen Wein. Franken ist ganz vorne dabei, was den Wein-geschmack und den Weinan- sowie -ausbau anbelangt. Wir sind eine spannende Region, die nach vorne blickt. Das Maindreieck steht für Weiß-wein. Wir sind sehr froh, dass der deutsche Weingenießer erkannt hat, auch in Deutsch-land gibt es großartigen Wein. Gerade von sehr engagierten Jungwinzern.

Warum ist die Mainschleife so berühmt?Ein Viertel des fränkischen Weinanbaus findet hier an der Mainschleife statt, das ist am Maindreieck. Dann gibt es noch das Mainviereck, ein Synonym für Rotwein. Ungefähr 5.000 Winzer bewirtschaften 6.100 Hektar und vermarkten 80 % ihrer Weine ab Hof im Umkreis von ungefähr 250 Kilometern. Wir sind sehr gut aufgestellt, was die Vermarktung anbelangt.

Martha Gehring ist im Dorf Fahr an der Mainschleife aufgewachsen, wo die heutige „Führung durch den Weinberg“ endet.

RUND 600 EINWOHNER BEWIRTSCHAFTEN HIER

CA. 120 HEKTAR OBSTFELDER UND CA. 90 HEKTAR WEIN.

Fahr ist ein Dorf wie viele Dörfer hier, allesamt anmutige Zeitzeugen aus vergan-genen Jahrhunderten. Mit spitzgiebeligen, schmucken Fachwerkhäusern zwischen Holunderbüschen eng aneinandergeduckt, geräumigen Scheunen dahinter und mäch-tigen Höfen, in denen hart gearbeitet und hinterher gemeinsam gefeiert wird.Trotz der schweren Arbeit bei der Weinlese und der Obsternte ist aus den Rebzeilen und zwischen den Baumreihen viel Lachen zu hören. Alle helfen, Nachbarn, Cousins, Schwager, Freunde, jeder füllt Eimer mit

Die letzten warmen Strahlen der sinken-den Sonne verglü-hen im Hof, während die Schatten auf dem Kopfsteinpflaster bereits ihre scharfen Konturen an die Dämmerung verlie-ren. Beim Zuprosten zaubert das filmreife Abendrot ein bern-steinfarbenes Leuch-ten in die Weinglä-ser, bevor die Sonne hinter dem Kirch-turm verschwindet. Dann und wann kann die verträumte Mainschleife also doch eine ungeahnt spektakuläre Seite zeigen.

Was ist das Besondere am fränkischen Wein? Zum einen die überschaubare Vielfalt. Wir verlieren uns nicht in über 100 möglichen Sorten. Wir konzentrieren uns auf unsere Aushängeschilder, wie den Silva-ner. Auch Müller-Thurgau, Ries-ling, Bacchus, Kerner, Scheurebe sind typische fränkische Weine. Wir haben auch wenig Nach-wuchssorgen. Unsere jungen Winzer sind stolz, dass sie hier in einem fortschrittlichen Franken leben und arbeiten dürfen.

Trauben oder Körbe mit Birnen, Zwetschgen und Mirabellen. Deren Inhalt duftet lange vor der Verarbeitung schon verheißungsvoll. Wie eine Vorahnung. Die Weine von der Mainschleife sind eine trinkbare Fibel sowohl für Anfänger als auch eine Schatzkammer für Profis. „Unsere Visitenkarte ist der Silvaner.“, weiß Martha Gehring. In der Vergangenheit machte der säurearme Weißwein den größten Teil der Anbaufläche aus. Über 70 % der fränki-schen Weinberge sind mit Weißweinen bepflanzt. Genauso ausdauernd wie tagsüber im Weinberg gearbeitet wird, feiert Familie Gehring hinterher. Dass sie all die Geträn-ke dafür mit ihrer Hände Arbeit selbst herstellen, motiviert die fleißigen Ernte-helfer zusätzlich – was jeder gut verstehen kann, der schon einmal in den Genuss kam, die feinen Produkte aus dem Hause Gehring zu probieren, die Weine, Liköre und Edelbrände.

MARTHA GEHRING

WEINDOZENTIN, GÄSTEFÜHRERIN

FAHR, MAINSCHLEIFE

Ein Drittel der gesamten fränki-schen Rebflächen befinden sich hier in der Main-schleife.

Passt scho, loben die fränkischen Winzer den neuen Wein in ihrem frän-kischen Understatement. Der gewinnt

mittlerweile immer mehr Preise.

KULINARIK

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Und wie lange gibt es den Weinanbau in Fran-ken schon? Er wurde 777 erstmals urkundlich erwähnt und geht auf eine Schenkung von Karl dem Großen zu-rück, der Königsgüter an die Mönche verschenkte. Die spezialisierten sich auf den Weinbau – wegen des Messweins.

Was bedeutet „fränkisch trocken“? „Fränkisch trocken“ heißt, dass ein Wein, der in Franken erzeugt wird, vier Gramm Restzucker hat, während im gesamtdeutschen Weinbaugebiet das Doppelte möglich ist.

Was hat es mit dem Bocksbeutel auf sich? Der Bocksbeutel ist ein Synonym für Franken. Nur hier und in einer Region Badisch-Frankens darf diese Flaschenform verwendet werden. Der Bocksbeutel ist ein von der EU geschütztes Qualitätskennzeichen. Wenn ein Wein im Bocksbeutel ist, dann hat er bei der Qualitätsweinprüfung sehr gut abgeschnitten.

Warum kann es keine zwei identischen Weine auf der Welt geben? Weil ein Wein geprägt ist vom Terroir. Wenn es sich schon in geringstem Maße unterscheidet, dann habe ich einen völlig ande-ren Wein als der Nachbar.

Was bedeutet der Begriff Terroir?Um die Differenziertheit der Weine auszudrücken, verwen-den wir den Begriff „Terroir“. Er umfasst die geografische Lage eines Weinbergs, seine Hang-neigung, seine Bodenbeschaf-fenheit, seine Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und zu speichern, sein Mikroklima und auch, ob ein Fluss in der Nähe ist. Wo der Rebstock wurzelt, löst er Stoffe aus dem Boden und transportiert sie über den Rebstock in die Trauben. An der Mainschleife haben wir berühmte Weinlagen, wie den Escherndorfer Lump, der wie ein Hohlspiegel geformt ist und besonders intensiv das Sonnenlicht aufnimmt. Auch die Handschrift des Winzers und die Kunst des Kellermeisters bestimmen maßgeblich das Ge-schmackserlebnis und gehören zum Terroir.

Wir können Terroir also schmecken? Ja, denn die Wurzeln stecken in unterschiedlichen Bodenar-ten. Bei uns in Franken sind es Keuper, Buntsandstein, Muschel-kalk. Die Weine von Böden am Maindreieck schmecken minera-lisch, pur und geradlinig, denn sie wachsen auf Muschelkalk. Buntsandstein hingegen gibt dem Wein eine leichte, schlanke und filigrane Note. Weine, die auf Keuper wurzeln, erinnern an Kräuter, schmecken cremig und schmelzig. Aber nur das Zusam-menspiel aller Faktoren prägt den Geschmack eines Weines. Und 100 Meter weiter kann ein

Wein schon wieder völlig anders schmecken, auch wenn es noch dieselbe Bodenart ist.

Welche Themen gibt es neben den klassischen Weinproben noch? Außer „Fünf fränkische Klas-siker“ mit Brotzeit gibt es „Architektur und Wein“ oder „Schokolade und Wein“. Das beinhaltet auch ein kleines Seminar, bei dem wir mit einer regionalen Schokoladenmanu-faktur zusammenarbeiten. Dann „Cross-Over-Weinproben“, also internationale Rebsorten versus fränkische Rebsorten oder inter-

nationale Sorten, die hier in Franken gewachsen sind. Natürlich machen wir auch Sektproben. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Was bietet Ihre Region den Gästen außer Wein? Wir haben hier einen ganz tollen Radweg und wunderbare Möglichkeiten, auf dem Main Was-sersport zu betreiben. Für Boots- und Kanufahrten liegen wir an der Mainschleife ideal. Durch die Nähe zu Würzburg bieten sich kulturelle Ausflüge an. Auch beim Thema Wein verstehen wir es, zu kombinieren: Erlebnisführungen im Weinberg, im Keller, Kutschfahrten. Es gibt vielfältige Möglich-keiten.

Nicht nur Wein ist Ihre Leidenschaft, auch Obst-brände. Wie kam das?Weil wir in der Familie ein Brennrecht haben und ich quasi in der Brennerei groß geworden bin. Ich hab es von meiner Großmutter gelernt.

Wie entsteht beim Brennen eine hohe Qualität?Das unterscheidet sich wenig vom Wein. Sorgfäl-tiges Arbeiten draußen, denn ein Brand entsteht nicht in der Brennerei, sondern durch das Aus-gangsmaterial Obst. Wir haben in Franken zum Beispiel eine hervorragende Qualität an Zwetsch-gen und Äpfeln. Des Weiteren eine sanfte, sichere, kühle Gärführung und rasches Abbrennen.

Was verbinden Sie mit dem Begriff Heimat? Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt, wo man Menschen kennt, auf die man zugehen kann, die man seit seiner Kindheit kennt, deren Charakter man kennt. Der fränkische Charakter ist ein ganz besonderer, wo man nicht gleich umgeweht wird, wenn einem der Wind mal ins Gesicht bläst. Denn wir sind sehr direkt. Die meisten sagen geradeheraus, was sie denken. Ich fühle mich heimatver-bunden, weil der Main für mich ganz wichtig in meinem Leben ist. Die Weinberge natürlich auch, die Landschaft, die Region, das ganze Drumherum. Das ist wie beim Terroir, die Summe aller Dinge.

Was begeistert Sie an Franken? Die Vielfalt. In Franken gibt es alles. Es gibt Bier, es gibt Wein, es gibt Wurst. Wir haben Käse, wir haben einen Fluss, wir haben Berge. Es ist die Vielfalt der Landschaft, der Menschen und der Gäste, die hierherkommen.

Die fränkischste aller Rebsorten ist der Silvaner. Dank seiner zurückhalten-den Fruchtaromen passt er zu vielen Gerichten.

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KULINARIK

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BRAUER IN DER ÄLTESTEN

KLOSTERBRAUEREIDER WELT

Das beliebteste Bier aus dem Weltenburger

Sortiment, das Barock Dunkel, beschreiben Lieb-

haber als „vollmundig, malzaromatisch, feinherb

mit leichter Süße“.

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KULINARIK

LUDWIG MEDERER, BRAUMEISTER IM KLOSTER WELTEN-BURG

Herzlichen Glückwunsch! Das Weltenburger Dunkel hat schon mehrmals den Branchenoscar gewonnen und gilt als bestes Dunkles der Welt. Wie wurde sein Geschmack von der Jury beschrieben?Danke! Wir haben dreimal den World Beer Cup gewonnen, so-zusagen die Weltmeisterschaft. Gelobt wurde unser Dunkles für seinen charaktervollen,

feinherben Geschmack, der ein bisschen an Schokolade erinnert. Im Abgang schmeckt es süßlich und malzbetont.

Das ist aber nicht das einzige Bier mit Auszeichnung aus Ihrer Brauerei?Wir haben 2014 mit unserem dunklen Dop-pelbock die Goldmedaille beim „European Beer Star“ gewonnen und dürfen jetzt sagen, dass wir das beste dunkle Bockbier Europas brauen.

Und das in der ältesten Klosterbrauerei der Welt?Ja, denn seit dem Jahr 1050 wird hier im Kloster Weltenburg Bier gebraut.

Sie sind Braumeister mit Leib und Seele. Warum wollten Sie diesen Beruf erlernen?Mein bester Freund aus der Ortschaft, aus der ich komme, stammt aus einer kleinen Brauerei. Ich bin durch ihn und seinen Vater mit dem Bierbrauen groß gewor-den. Für mich sind die Braugerüche die Gerüche meiner Kindheit. Da habe ich im Jugendalter den Entschluss gefasst, dass ich das auch lernen möchte.

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KULINARIK KULINARIK

Erzählen Sie uns etwas über die Biervielfalt in Bayern. Wir sind gesegnet in Bayern. Wir leben quasi in einem Bier-paradies. Es gibt noch um die 650 Brauereien und dadurch eine große Vielfalt. Die Biere schmecken wirklich noch ver-schieden.

Was ist das Bayerische Rein-heitsgebot?Es ist das älteste bestehende Lebensmittelgesetz der Welt, 1516 in Ingolstadt erlassen. Es besagt: Ins Bier dürfen nur (Gersten-)Malz, Hopfen, Hefe und Wasser.

Was fasziniert Sie am Bier? Dass man durch verschiedene Stellschrauben und die paar wenigen, aber hoch qualitati-ven Rohstoffe so viele verschie-dene Biersorten herstellen kann.

Bei welcher Temperatur soll-te Bier serviert werden? Bier sollte man bei ca. sechs bis sieben Grad trinken, das ist die optimale Trinktemperatur.

Was ist der Unterschied zwischen obergärigem und untergärigem Bier?Der Hauptunterschied ist die Hefe. Es gibt eine obergärige Hefe und eine untergäri-ge Hefe. Man kann bei der obergärigen Hefe nach der

BAYERISCHE LANDESAUSSTEL-LUNG 2016: BIER IN BAYERNBier – Bayerns fünftes Element: Anzapfen und Anbandeln, Bieraufstand und Bierkönigin, Brezen und Radi, Freibier und Starkbier, Radler und Russ, Rausch und Genuss, Schützenliesl und Steyrer Hans, Seidla und Pfiff, Weißbier und Weißwurst, Zoigl und Zwickl.

Bier gehört von A bis Z zur bayerischen Lebensart. Um die bayerische Bier- und Wirtshauskultur und ihren weiteren Siegeszug dreht sich die Bayerische Landesausstellung „Bier in Bayern“ vom 29.04. bis 30.10.2016 in Kloster Aldersbach.

Hauptgärung die Hefe oben ab-schöpfen, weil sie dann oben schwimmt. Typischer Vertreter ist das Weißbier. Und bei der untergärigen Hefe unten, weil sich die Hefe abgesetzt hat, wie beim Brauprozess vom Pils.

Heißt Kellerbier eigentlich Kellerbier, weil es in einem Bierkeller gebraut wird? Nein, im Prinzip ist ein Keller-bier ein untergäriges Bier aus dem Lagerkeller. Das ist ein unfiltriertes Bier. Kellerbier, naturtrübes und unfiltriertes Bier sind nur unterschiedliche Namen für das gleiche Produkt.

Wie entwickelte sich die Biergartenkultur in Bayern? Das begann mit der Notwen-digkeit der damaligen Brau-ereien, das Bier während des Sommers in ihren Lagerkellern kühl zu halten. Es gab ja noch keine Kühlanlagen wie heute.

Man hat über diese Keller Kies aufgeschüttet und große Kastanienbäume gepflanzt. Die Kastanienbäume sollten Schatten spenden, der Kies das Aufheizen verhindern. 1812 gab es eine Verordnung, die erlaub-te den Brauereien Bier auszu-schenken, während sich die Gäste ihr Essen selbst mitbrin-gen durften. Man stellte Bänke und Tische unter die Kastanien und bald wurden diese Biergär-ten sehr beliebte Ausflugsziele. Es gilt noch heute als typisch bayerisches Kuriosum, dass man dort seine eigene Brotzeit mitbringen darf.

Stimmt es, dass Bier ein gesundes Getränk ist und gar nicht dick macht? Ja, das stimmt. Von den Rohstoffen und den Nährwer-ten her ist Bier ein gesundes Lebensmittel, denn da ist viel Vitamin B drin. Dem Hopfen wird sogar eine Anti-Aging-Wirkung nachgesagt. Alko-holfreies Weizen hat weniger Kalorien als eine Apfelschorle. Bier regt zwar den Appetit an, macht aber nicht dick. Schauen Sie mich an!

Ihr Lieblingsbier? Haben Sie eins?Barock Dunkel, unsere Hauptsorte. Und weil es auch zum besten Dunklen der Welt gekrönt wur-de, schmeckt es mir persönlich besonders gut.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Spaß? Die Vielfalt und das Handling mit den ganzen Rohstoffen. Und hier im Kloster Weltenburg ist das Ambiente einmalig.

Warum leben Sie gerne hier, in Ihrer Heimat? Es ist ein ganz besonderer Flecken, eine wunder-schöne Region. In Bayern gibt es sehr schöne Flecken, aber hier in Weltenburg und Umgebung ist es besonders schön.

Selbstverständlich hält sich jeder Brauer im Kloster an das Bayerische Reinheitsgebot von

1516, das nur vier Zutaten für Bier vorschreibt. Neben Hopfen

und Malz sind das Wasser und Hefe. Letztere

erfordert Ludwig Mederers ganzes Fingerspitzengefühl.

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AUS LAIBES

KRÄFTENDie Gemeinde Jachenau liegt sonnenverwöhnt im südlichs-ten Zipfel des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen. Sepp Orterer, gelernter Land-wirt in 18. Generation, zieht die Plastiküberzieher über die Schuhe und die Stoffhaube über die Haare. Dann macht er sich auf, wie jede Woche, zur Herstellung seines Jache-nauer Bergkäses in die Hof-käserei. Dreieinhalb Tonnen halbfesten Schnittkäse nach Tilsiter Art produziert er im Jahr. Der ist bei Feinschme-ckern aus ganz Süddeutsch-land begehrt.

350 Liter Milch beginnt Sepp Orterer unter ständigem Rühren schonend zu erwär-men. Im Inneren beschlagen die Fenster und dicke Tropfen Kondenswasser perlen herab. Es ist feucht und heiß wie im Dampfbad. Dann kommt der entscheidende Moment und Sepp Orterer gibt Lab und Milchsäurekulturen dazu, damit sich die geronnene Milch langsam spaltet. Kleine Käsekörner, der sogenannte Käsebruch, trennen sich von der Molke.

Zur gleichen Zeit und mehr als fünfzig Kilometer vom Langerbauernhof entfernt, in einem bayerischen Dorfladen, sagt die dort beschäftigte Bäuerin in Kittelschürze zu ihrer Stammkundin: „Nimm den Jachenauer Bergbauern-käs, der is der beschte!“

Neuer Ort: Münchner Altstadt am Viktualienmarkt. Im Tölzer Kasladen geht der Jachenauer weg wie warme Semmeln. Kein Wunder: Der Käse schmeichelt dem Gaumen mit mindestens 50 % Fett in der Trockenmasse. Er hinterlässt angenehme Röstaromen, ist fest und gleichzeitig cremig. Den einen erinnert er an Buttermilch. Für den anderen hat er einen Nachgeschmack wie ein Sommertag auf der Alm. Noch ein Szenenwechsel: Ein schicker Verlag in einer deutschen Großstadt, die

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DER BERGBAUERNKÄS

SCHMEICHELT DEM GAUMEN

KULINARIKKULINARIK

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20 #EchtEinladend

KULINARIK KULINARIK

Verlegerin nascht Würfel von Sepps Käse und bestellt ihn sich regelmäßig auf Wochen-märkten. Dafür lässt sie jede Schokolade stehen.

So unterschiedlich alle Lieb-haber des Jachenauer Bergkä-ses sind: Alle schwärmen von Sepp Orterers Produkt. Aber wie kam der Bauer überhaupt zum Käsen? Ein Mitbringsel nähmen viele Gäste gerne

mit nach Hause, überlegte Sepp Orterer vor 15 Jahren. Etwas Essbares für Gäste, um die Stimmung der Urlaubstage in den Alltag hinüberzuretten. Das war die Initialzündung. Seither macht Sepp Orterer Käse aus der Jachenauer Rohmilch, wie sie frischer nicht sein könnte. Das Käsen hat er sich in Lehrgängen beigebracht. Fevi Fischer, eine befreundete Sennerin, war ihm eine praktische Hilfe bei den ersten Experimenten.

Doch die Geschichte des feinen, jungen Käses beginnt eigent-lich viel früher. Bei den Kühen und der guten Milch, die sie geben. Sepp Orterers 500 Jahre alter Bauernhof besteht aus 25 Hektar Grünland. Auf seiner Alm haben die Jungkühe genauso viel Almweide. Dann gibt es noch gut 100 Hektar Wald. Das ist so viel, dass man sich verlaufen könnte. Doch sein Revier kennt Sepp Orterer von Kindesbeinen an. Stolze Fichten säu-men den Waldrand hinter seinem Hof. Der Kräutergarten von Sepps Mutter ist umsäumt von Weidezäunen. Hier leben die Generationen unter einem Dach. Mittlerweile ist Sepp Orterer beim Käsemachen so geübt wie beim Mähen mit der Sense. Er stapft in seinen weißen Gummistiefeln resolut über Schläuche hinweg, die wie träge Schlangen auf dem Fliesenboden liegen. Er paddelt im Topf,

Obwohl anscheinend wenig passiert, muss man permanent die Masse kontrollieren, wie sie sich von einem Aggregatzustand in den nächsten verwandelt. Von flüssig zu fest.Der Käser weiß, dass immer etwas schief-gehen kann. Die Bakterien, die Milch in Käse verwandeln, sind schließlich lebendig. Sie reagieren auf das Wetter, die Temperatur und besonders auf einen nahenden Wetterum-schwung. Alles muss ein Käser, der ohne che-mische Hilfsmittel arbeitet, ständig im Auge behalten. Heute hat es hervorragend geklappt und er kann die Masse jetzt in Pressformen füllen. Sobald die runden Laibe stabil sind, kommen sie, je nach Größe, zwischen 12 und 24 Stunden in ein Salzbad. Weitere Zusätze gibt es nicht. Wenn die Salzbehandlung abgeschlossen ist, beginnt die Arbeit im Käsekeller. Drei Monate müssen die Laibe reifen, um den vollen, fri-schen und würzigen Geschmack zu erhalten. Regelmäßig werden sie gewaschen, gebürstet, gewendet, gekehrt und mit einem Hämmer-chen beklopft. Eigentlich ist es ein Hammer in ganz normaler Größe, aber in Sepp Orterers riesigen Händen wird alles zu einer Lilliput- Version. Fast alles. Die Käselaibe bleiben sogar in seinen Händen immer noch majestä-tisch. Er hält einen Laib auf dem Brett vor sich wie eine Krone auf einem Samtkissen. Seine Begeisterung ist so echt wie die Milchbakte-rien in seinen Töpfen und die Landschaft vor seinen Augen.

Die Kühe bekommen nur das, was auf dem Hof wächst – und das schmeckt man.

Den köstlichen Käse aus der Jachenau gibt es am Münchner Viktualienmarkt zu kaufen.

21#EchtEinladend

siebt Proben ab, kontrolliert, indem er die Masse zwischen seinen Fingerkuppen reibt, riecht, schmeckt, kostet und rührt kurz darauf wieder an einer anderen Stelle.So vergehen Stunden und der Vater von zwei kleinen Mädchen kann immer wieder nach seinen spielenden Kin-dern sehen. Nicht nur seine Tochter Vroni, die mit ihren Cousins Michi und Tommi he-rumtobt, ist in ausgelassener Stimmung. Auch Orterers Laune wird mit jeder Viertelstunde besser. Als er die verbleibende Molke abpumpt, nickt er zufrieden. Alles passt, die Festigkeit, die gesamte Konsistenz. Käsen erfordert Fingerspitzengefühl.

Neulich entdeckte er seinen Käse in einem Münchner Feinkostgeschäft – und jubilierte innerlich. Wenn ihn ein Feriengast heute nach einem Mitbringsel, einer „Urlaub-Verlänge-rungs-Hilfe“ fragt, geht er einfach zum Kühl-schrank und überreicht ihm das Gewünschte.

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KULINARIK KULINARIK

Marzipan von der Fraueninsel „Ein Stück vom Himmel auf Er-den“: Das Chiemseer Marzipan beruht auf einem Geheimrezept der Nonnen der Abtei Frauenwörth und wird im Klosterladen auf der Fraueninsel im Chiemsee verkauft.

Münchner Weißwurst: Die Weiß-wurst ist und bleibt eine der bekanntesten Münchner Spe-zialitäten. Sie wird traditionell frühmorgens hergestellt und bevorzugt auch schon vormittags zum Frühschoppen in Wirtshäusern mit süßem Senf, Brezn und Weißbier ser-viert. Die Rezep-te der Metzge-reien für „ihre“ Weißwurst sind meist ein gut gehütetes Geheimnis.

Steckerlfisch: Der Steckerlfisch ist ein beliebtes Fischgericht, das auf den Volksfes-ten an Fischständen oder auch in Bier-gärten serviert wird. Gegessen wird der Grillfisch direkt aus dem Papier, in das er eingewickelt wurde.

SO GUT SCHMECKT BAYERN

OBERBAYERN

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Die bayerische Breze, zum Anbeten lecker: Die bay-erische Breze ist ein Laugengebäck,

dessen Form zum Gebet verschränkte Arme symbolisiert. Gemeinsam mit

Obatzda der perfekte kulinarische Genuss im Biergarten.

Murnau-Werdenfelser Rind: Das Murnau-Werdenfelser Rind zählt zu

den ältesten Rassen der Welt.

Schrobenhausener Spargel: Das Schrobenhausener Anbaugebiet – die sandigen Böden bieten beste Wachs-tumsbedingungen für das königliche

Gemüse – ist das bekannteste und inzwi-schen auch größte in Bayern.

Tipp: Europäisches Spargelmuseum in Schrobenhausen.

Korn und Gurken im Bayerischen Golf- und Thermenland: Der Gäuboden, die Kornkammer Bayerns mit seinen wogenden Getrei-defeldern. Hier werden auch die meisten Gurken Deutschlands geerntet.

Mehr Informationen unter: www.bayern.by/geniesserland-bayern-kulinarisch

Pilze aus dem Bayerischen Wald: Die Welt der Pilze – in Bayern Schwammerl genannt – präsentiert sich im Bayerischen Wald in beeindru-ckender Vielfalt.

OSTBAYERN

Bayerischer Jura: Spargel, Lamm und Hopfen: An den Trockenhängen der Ju-ralandschaft grasen das Juradistel-Lamm und das Altmühltaler Lamm. Bis zum Frühsommer isst man dazu frischen Spargel aus der Region um Kelheim. Wenn die ersten Hopfentriebe sprießen, gibt es hier außerdem eine ganz besondere Rarität, den Hopfenspargel.

Fisch aus dem Oberpfälzer Wald: Den Begriff „Das Land der

1000 Teiche“ hat der Landkreis Tirschenreuth den Zisterziensern zu

verdanken. Sie legten rund 4.000 Tei-che an. Noch werden mehr als 1.000 Teiche bewirtschaftet und vor allem

Karpfen gezüchtet. Alljährlich bieten die Erlebniswochen Fisch fas- zinierende Einblicke und kuli-

narische Genüsse rund um den Oberpfälzer Karpfen.

Lämmer und Schafe: Im Naturpark Altmühltal, aber auch in der Rhön, im Oberen Maintal-Coburger Land, im Nürnberger Land oder im Romantischen Franken wachsen auf kräuterreichen Weiden Junglämmer heran.

Bamberger Hörnla: In der Bamberger traditionellen Küche ist das Bamberger Hörnla dem Festtagskartoffelsalat vorbehalten. In der fränkischen Küche begleitet die Kartoffel Fisch und Fleischspeisen, feines Gemüse und natürlich fränkischen Spargel.

Fränkische Fische: Eine echte

fränkische Köstlichkeit sind Waller, Schleien, bachfrische Forellen aus der Fränkischen

Schweiz oder der Rhön. Der bekann-

teste Fisch Frankens ist der Aischgründer

Karpfen, der im Aischgrund zwischen

Frankenhöhe und Steigerwald, dem

wärmsten Teichbau-gebiet Deutschlands,

beheimatet ist.

In Franken geht es um die Wurst: Zu den bekann-testen Spezialitäten Frankens zählen die Bratwürste, die es – je nach Landstrich – in unterschiedlichen Größen und verfeinert mit teils streng gehei-men Würzmischungen überall im Land gibt.

Schäufele: Ein knusprig braun ge-bratenes, saftiges Schulterstück vom Schwein. Serviert wird das Schäufele mit Kloß – der wichtigsten Beilage für viele typisch fränkische Gerichte.

Fränkischer Wein: 777 wur-de der Weinanbau in Franken zum ersten Mal urkundlich er-wähnt. Typische Frankenweine sind: Müller-Thurgau, Silvaner, Bacchus, Kerner, Riesling und Blauer Spätburgunder.

FRANKEN

So ein Käse! Der „Allgäuer Bergkäse“ oder „Allgäuer Emmentaler“ sind EU-weit geschützt – ihre herausragende Qualität und das vorzügliche Aroma beruhen auf einer langen Sennerei-Tradition und dem würzigen Weidefutter von saftigen Wiesen. Kräuter, Gräser und Blüten, die hier natur- belassen gedeihen, geben dem Käse seinen charakteristischen Geschmack. Eine schöne Möglichkeit, die enorme Allgäuer Käsevielfalt zu entdecken, ist die Allgäuer Käsestraße, die von Sennerei zu Sennerei führt.

Jede Menge Kühe: Das Un-

terallgäu ist der All-gäuer Landkreis mit den meisten Kühen

in Deutschland.

Allgäus Wiesen auf dem Teller: Pfronten tritt hier mit einem ganz eigenen Profil in Erscheinung, denn dort dreht sich alles um das Heu: Neben Heukuren und Wellness-Träumen mit duftendem Allgäuer Heu gibt es auch Wirte, die Heu-Spezialitä-ten auf den Tisch bringen: So werden feine Gerichte in würzi-gem Heusud gekocht, in Heu gegart oder gebraten.

Kässpatzen und Co.: Dass die berühmten Kässpatzen aus den Grundnahrungsmitteln Mehl, Eiern und Milchprodukten bestehen, hat seinen Grund. Die harten klimatischen Bedingungen am Rande der Alpen bescherten den Bewohnern eine eher karge Auswahl an Zutaten. Doch was die Allgäuer daraus gemacht haben, schmeichelt dem Gaumen noch heute: Baunzen und Krautkrapfen, Schupf-nudeln und Maultaschen sowie die verschiedensten süßen Quark- und Mehlspeisen.

ALLGÄU

Bayerisches Bier

Das Bayerische Reinheitsgebot wurde im Jahr 1516 in Ingolstadt erlassen. Oberfranken besitzt mit rund 165 Brauereien die größte Brauereidichte der Welt.

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BERGESIND STILLE MEISTER

UND MACHEN

SCHWEIGENDE

WANDERNWANDERN

24 #EchtEinladend

Wie lange dauert heute eine Ausbildung zum Bergführer?Mindestens zwei bis drei Jahre. Man muss Tourenberichte abge-ben, im Skifahren, im Klettern, im Eisklettern. Das sollte einen Zeitraum von zirka drei Jahren umfassen. Mit diesem Bericht kann man sich bewerben und wenn man gut und fit genug ist, wird man eingeladen zu einem Eignungstest im Skifah-ren, Bergsteigen, Klettern und Eisklettern. Wenn man wiede-rum diese Hürde genommen hat, beginnen verschiedene Blockausbildungen im ganzen Alpenraum. Am Schluss stehen die staatlichen Prüfungen an.

Inwiefern hat Ihre Schule mit dieser Ausbildung zu tun?Jeder in der Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer muss ein Praktikum im Sommer und eines im Winter machen. Wir bieten Praktikums-

Herr Zehetleitner, wie sind Sie zum Bergstei-gen gekommen?Wie ganz viele Bergsteiger und Bergführer. Ich bin schon in frühester Kindheit von den Eltern in die Berge mitgenommen worden und bin seither als Bergsteiger unterwegs. Als junger Erwach-sener habe ich mich dann für eine Ausbildung zum Bergführer entschieden. Erst arbeitete ich nebenberuflich. Nach ein paar Jahren habe ich die Schule von meinem Vater übernommen. Seitdem bin ich hauptberuflich Bergführer.

Welche Schule ist das?Die Bergschule Oberallgäu ist die älteste Berg-steigerschule Deutschlands. Sie wurde 1968 vom bekanntesten deutschen Bergsteiger, Anderl Heckmair, bekannt durch die Eiger-Nordwand-Be-steigung, gegründet. Damals war Bergführer ein richtiger Lehrberuf. Mein Vater ist bei ihm in die Lehre gegangen und der Anderl hat seine Schule an meinen Vater übergeben.

BERGFÜHRER VERHELFEN IHREN GÄSTEN ZU UNVERGESSLICHEN ER-

LEBNISSEN IM REICH DER BERGE. SIE FÜHREN SICHER AUF ALPINEN

WANDERUNGEN, KLETTERSTEIGEN SOWIE KLETTERROUTEN UND BILDEN

BERGSTEIGER AUS.

BERND ZEHETLEITNER, BERGFÜHRER, OBERSTDORF

SCHÜLER25#EchtEinladend

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WANDERN

Erleben Sie in Ihrer Bergschule, dass die Stammkunden immer von einer bestimmten Frau oder einem bestimmten Mann geführt werden wollen?Ja, das ist ein ganz interessantes Phänomen. Ich habe Gäste, mit denen ich schon seit 20 Jahren unterwegs bin. Das sind mittlerweile schon Freun-de. Das ist das Schönste, wenn man tolle Erleb-nisse mit Leuten haben kann, die man kennt, die man mag.

Was ist das Faszinierendste an dem Beruf? Zum einen sind es die Momente im Gebirge, wenn man Sonnenaufgänge erlebt, tolle Touren, erhe-bende Landschaften, die Tiere der Bergwelt. Zum anderen können wir Bergführer Träume erfüllen. Wir können Gäste, die schon ewig auf einem bestimmten Berg am Gipfel stehen wollten, genau dorthin bringen.

Was gefällt Ihnen persönlich besser, die Einsamkeit der Berge oder die Geselligkeit des Bergsteigens? Mir persönlich gibt die Einsamkeit in den Bergen mehr. Wenn man aber dann nach einer langen Tour abends gemütlich mit anderen in der Hütte sitzt und interessante Gespräche hat oder das Gipfelglück feiert, das ist auch ein Erlebnis. Mit netten Gästen auf einsamen Gipfeln zu stehen, dort empfinden wir uns im Einklang mit Körper, Geist und Seele.

Ohne welche Gegenstände oder Werkzeuge gehen Sie nicht los? Wenn man im Gebirge unterwegs ist, muss man immer damit rechnen, dass schlechtes Wetter

WANDERN

plätze an und haben dadurch einige Bergführer in der Ausbil-dung beschäftigt.

Sollte man beim Bergsteigen in unbekannten Regionen grundsätzlich einen Bergfüh-rer dabeihaben?Aus der Sicht des Berufsberg-führers muss ich das auf jeden Fall mit Ja beantworten. Klar, man kann natürlich auch eigen-ständig in unbekannte Regionen aufbrechen, wenn man die

Erfahrung und die Routine hat, die Tour dement-sprechend zu planen. Generell ist es sicherer und erlebnisreicher, wenn man einen Profi dabeihat, der alles vorbereitet hat, sich auskennt und bei dem man darauf vertrauen kann, dass man am Abend wieder gesund heimkommt.

Ein gutes Stichwort, Vertrauen. Sie engagie-ren sich bei der Bergwacht. Was machen Sie genau?Die Bergwacht ist ein großer Teil in meinem Leben und ein Großteil meiner Freizeit. Ich war früher in

diversen Bergwachtlehrteams, habe Ausbildungspläne mit auf den Weg gebracht und war bay-ernweit sehr aktiv. In Sonthofen bin ich Bereitschaftsleiter. Wir machen im Jahr über 500 alpine Rettungseinsätze. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich ehrenamtlich bei der Bergwacht arbeite.

Woran erkennt man einen guten Bergführer?Einen guten Bergführer erkennt man, wenn man wieder zuhause ist und das Gefühl hat, man ist sicher und gut geführt wor-den. Aber keine Sorge, was die Sicherheit angeht, sind die Bergführer alle ungefähr gleich gut ausgebildet. Was das Zwischenmenschliche betrifft, das ist wie überall im Leben, der liebe Gott, der hat einen großen Tiergarten.

BERND ZEHETLEITNER FÜHRT IN ZWEITER GENERATION DIE ÄLTESTE

BERGSCHULE DEUTSCHLANDS.

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28 #EchtEinladend 29#EchtEinladend

WANDERN WANDERN

Auch die Wanderer kommen bei uns voll auf ihre Kosten. Gerade am Allgäuer Hauptkamm ist man teilweise auf einsamen Wegen unterwegs, aber mitten im Festsaal der Alpen. Einen speziellen Ort kann ich jetzt wirklich nicht nennen. Ich finde, unsere Allgäuer Berge sind einzigartig.

Haben Sie einen Fitnesstipp für die Gäste?Ganz einfach. Man lernt Bergsteigen und Berg-wandern nicht vom Reden, sondern vom Machen. Wer keine Berge vor der Haustür hat, kann sich eine gute Grundlagenausdauer aneignen, egal, ob er mit dem Fahrrad unterwegs ist oder läuft.

Warum leben Sie gerne hier? Ich bin ja auf der ganzen Welt unterwegs als Bergführer, und jedes Mal, wenn ich heimkomme, denke ich mir, so schön wie daheim ist es selten irgendwo.

Was geben Sie den Gästen an immateriellen Werten mit? Im Gebirge kann man viel für das richtige Leben lernen. Man sagt, Berge sind stille Meister und machen schweigende Schüler. Was wir den Leuten oft vermitteln, gerade in unseren Ausbildungskur-sen, ist das Bewältigen von außergewöhnlichen Situationen. Dass ich, auch wenn ich mal denke, oh jetzt zwickt es und jetzt geht es mir nicht mehr so gut, trotzdem weiter laufe. Und wenn ich dann oben auf dem Gipfel stehe, gibt es mir für mein ganzes Leben Kraft und Motivation. Ganz oft bekomme ich Post von Gästen, die sich bedanken. Man kommt, wie gesagt, in Einklang mit Körper, Geist und Seele.

kommt, auch wenn der Tag noch so schön ausschaut, das heißt Mütze, Handschuhe, Regenschutz, das gehört immer in jeden Tourenrucksack hinein. Ebenso ein kleines Erste-Hilfe-Set. Ich persönlich habe noch ein Funkgerät dabei, weil es viele Plätze gibt, wo das Mobil-telefon nicht funktioniert.

Was passiert, wenn jemand bei einer Tour nicht mehr kann?Wenn jemand nicht mehr kann, erkenne ich das in der Regel schon vorher, sogar lange bevor die Personen es selbst bemerken. Ich treffe dann eine Entscheidung, die Tour ver-kürzen, eine Alternative gehen oder absteigen, das kommt auf die gebuchte Tour an. Bei einer Gruppe und schönem Wetter kann auch mal jemand eine Stunde warten, bis die anderen wieder zurückkommen. Im Extremfall, bei einer Kletter-führung, muss man auf den Schwächeren Rücksicht nehmen und die ganze Seilschaft muss umkehren.

Welchen Ort in Ihren Hei-matalpen muss man gesehen haben?Die gesamten Allgäuer Alpen! Die meisten denken bei den Allgäuer Alpen an Almwiesen, Kühe, Milch, aber nicht, dass wir so tolle Kletterberge haben.

WER HOCH HINAUS WILL, MUSS NICHT UNBEDINGT TRAINIERT SEIN. AUF DEM ALLGÄUER NEBELHORN LÄSST SICH DIE BERGWELT MIT EINER GONDEL ERREICHEN UND BERG-FÜHRER WIE BERND ZEHETLEITNER UNTERSTÜTZEN AUCH UNERFAHRENE BERGFREUNDE.

BERND ZEHETLEITNER KENNT DAS BERGLEBEN VON KINDESBEINEN AN.

Für ihn, der so viel Zeit in den Bergen ver-bringt, ist es bis heute selbstverständlich, ehrenamtlich bei der Bergwacht zu arbei-

ten. Nicht nur seine langjährige Erfahrung, sondern auch die Gewissheit über die

Zuverlässigkeit seiner Bergwacht-Kollegen lässt ihn die anvertrauten Gäste mit großer

Gelassenheit führen.

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FAMILIE

DER MENSCH

IST NUR ZUSCHAUER

Herr Sellmayer, wie lange sind Sie schon Ranger im Nationalpark Bayerischer Wald?20 Jahre.

Wie sind Sie dazu gekommen?Ich hab meine Berufung gefunden. Ich habe mich auf eine Anzeige beworben. Man suchte nach Ran-gern und ich war bereits Waldführer hier.

Was muss man mitbringen, wenn man sich als Ranger bewirbt?Man muss Einheimischer und überzeugt vom Na-tionalpark sein. Außerdem eine abgeschlossene Berufsausbildung und volle körperliche Belast-barkeit nachweisen.

Wie viele Ranger sind Sie insgesamt?24, davon vier Frauen.

Und was gefällt Ihnen an der Arbeit im Natio-nalpark?Fast alles. Besonders, den Aha-Effekt zu erleben. Mir gefällt es, wenn ich die Begeisterung für das Nationalpark-Gefühl streuen kann und das Gesäte aufgeht. Wenn man Leute am Ende wieder trifft und sie sagen: Jo, des war schee.

Sie sagen, Ihre Arbeit sei „Berufsratscher“ und „wandelnde Litfaßsäule“.Ja, denn unsere Hauptaufgabe ist es, die Besucher zu informieren. Wenn sie sich Blasen gelaufen haben, haben wir auch einen Erste-Hilfe-Kasten dabei. Wenn sie nicht mehr wissen, wo es zu-rückgeht, helfen wir mit unserer Ortskenntnis. Meist erklären wir aber die Besonderheiten des Nationalparks. Dass es hier anders ist als im Wirt-schaftswald. Hier gibt es die natürliche Dynamik,

wo der Mensch nur zuschaut. Der Pessimist sagt, wir haben den größten Baumfriedhof Europas, der Optimist sagt, wir haben den größten Baumkinder-garten Europas.

Bitte erklären Sie uns das!Die Natur kann ihren Prozess ausleben. Mit einer Kraft und einer Power, die uns machtlos danebenstehen lässt. Unser Wald ist zwischen Atlantik und Ural einzigartig. Das Alte ist nicht mehr herholbar und das Neue ist für jeden sichtbar.

Was bieten Sie Ihren Gästen in diesem einzigartigen Wald?Wir bieten von Spielen im Wald bis Hirschbrunft-Führungen alles,

RANGER WIE GÜNTER SELLMAYER LASSEN DEM WALD SEINE GEHEIM-

NISSE UND ÖFFNEN IHN GLEICHZEITIG WIE EIN LEBENDIGES

BIOLOGIEBUCH FÜR GROSSE UND KLEINE BESUCHER.

FAMILIE

31#EchtEinladend30 #EchtEinladend

Im Tierfreigelände des National-parks kann man 45 einheimi-sche Tierarten entdecken.

FAMILIE

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FAMILIE

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Kleidung zerrissen und du wünschst dir einen Hubschrauber, der dich abholt. Wir haben es vorbereitet, dass man da durchkommt. Andere Führungen sind „Leben im Grenzbereich“, eine „Vogelstimmen-“ sowie „Schneeschuh-Wande-rung“ oder ganz meditativ mit dem örtlichen Pfar-rer. Jede Jahreszeit bietet andere Möglichkeiten.

Welche pädagogischen Werte vermitteln Sie den Familien und den Kindern? Wir leben in der Natur und wir leben von der Natur. Wir sind abhängig von der Natur und wenn wir sie nicht schützen, dann vernichten wir unse-ren eigenen Lebensraum.

Was gefällt den Kindern am besten?Da gibt es so viel! Das Tier-Freigelände ist sehr beliebt. Dort kann man 45 einheimische Tiere in lebensnahen Räumen erleben. Luchs, Bär, Elch, Wildkatzen, Otter, Uhu und noch 39 weitere. Wenn sich die Tiere blicken lassen, denn sie haben dort sehr viel Platz und Rückzugsmöglich-keiten. Auch der Baumwipfelpfad kommt gut bei Groß und Klein an. Wo kann man sonst schon bei einem Nest von oben hineinschauen? Wer zu uns kommt, kann sich im Besucherzentrum Hans-Eisenmann-Haus und im Nationalparkzentrum Lusen informieren.

Wann ist die Hauptsaison? Die fängt im August an und endet am letzten Oktobertag.

Dokumentieren Sie die Natur? Selbstverständlich. Seltene Pflanzen oder au-ßergewöhnliche Tiere. Wenn ich eine Kreuzotter sehe, dann schreibe ich es auf eine Meldekarte.

Was lieben Sie an Ihrer Heimat? Ich habe meine Wurzeln hier. Im Bayerischen Wald ist die Welt noch in Ordnung. Ich glaube, hier denken wir noch mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf. Und das macht es aus.

was den Wald erlebbar macht. Was wir auf die Beine stellen und präsentieren können, hängt von der Forschung ab. Forschung ist ein ganz starkes Zugpferd bei uns, das schon sehr viele Sensationen zu Tage gebracht hat, und genau diese Sensationen versuchen wir den Leuten näherzubringen.

Welche Sensationen gibt es denn?Einen Pilz haben wir, den gibt es weltweit nur hier, der hat

nicht mal einen Namen. Dann haben wir die zitronengelbe Tramete, einen Schwamm, der pro Hektar 140 Kubikmeter totes Fichtenholz braucht, um überhaupt existieren zu können. Bei uns im Nationalpark ist er häufig, weltweit kommt er nur 15 Mal vor. Noch seltener ist der Duftende Feuer-schwamm, der unglaublich nach Rosen duftet. Das sind für mich Sensationen.

Welche Themen gibt es bei den Führungen? Meine Lieblingsführung heißt „Chaos und Verhau“. Da geht es um einen neu entstehen-den Wald. Normal kommt man da nie durch. Da kommst du zehn Meter voran und dann ist deine

DIE 24 RANGER DES NATIONALPARKS HABEN SICH AUF VERSCHIEDENE FÜHRUNGEN SPEZIALISIERT. ES GIBT SO VIELFÄLTIGE THEMENSCHWERPUNKTE WIE „VOGELSTIMMEN“, „CHAOS UND VERHAU“ ODER „SPIRITUALITÄT“. FÜR JEDE ALTERSGRUPPE UND JEDES INTERESSE IST ETWAS DABEI.

FAMILIE

Der Nationalpark Bayerischer Wald ist ein bedeutender Lebensraum für unter Arten-schutz stehende Tiere wie Wölfe oder Luchse.

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OUTDOOR OUTDOOR

Elch, Bär, Luchs …: 45 heimische Tierar-ten leben im 200 ha großen Tierfreigehege im Nationalparkzentrum Lusen. Auf einem sie-ben Kilometer langen Rundweg erfahren die Besucher mehr über ihre Lebensweise und das Zusammenspiel von Mensch, Tier und Natur.

Goldsteig – Deutschlands längster Qua-litätswander-weg: Die ganze Vielfalt der Region zeigt sich auf dem insgesamt 660 km langen Wegenetz und zwei verschie-denen Routen.

Zeitberg: Handy-schließfächer, Moor-liege, Spieltisch und andere Ruhepole sorgen auf dem 4,3 km langen Gipfelrundweg auf dem Hörnle in den Ammergauer Alpen für eine Auszeit vom Alltag.

Esel-trekking: Ausgehend vom Asinella-Eselstall in Pähl das ober-bayerische Voralpenland auf neun verschiede-nen Touren entdecken. Ein ganz besonderes Erlebnis ist die Mond-scheinwande-rung.

Wandern durch Tag und Nacht: Die 24

Stunden von Bayern ma-chen vom 27.–28.06.2015

in der verwunschenen Wanderregion Räuber-land im Spessart-Main-

land Station.

450 Kilometer Radlgenuss:

Der mit 4 Sternen vom ADFC prämierte Rad-rundweg führt zu den

schönsten Ecken des Allgäus.

OUTDOORABENTEUER IN BAYERN

Pause mit Aussicht: Eine anspruchsvolle Tagestour führt bis zur 1.650 m hoch gelegenen Tegernseer Hütte, die für ihre spektakuläre Lage in der engen Scharte

zwischen den Gipfeln Roß- und Buchstein berühmt ist.

Tosendes Wasser: Im Berchtesgadener Land wird eine Wanderung ent-lang des Obersees am Kö-

nigssee mit einem wahren Naturspektakel belohnt.

Hier fällt der höchste Was-serfall Deutschlands, der Röthbachfall, insgesamt

470 m in die Tiefe.

Auf den Spuren der Schmuggler: Der 8,7 km lange Erlebniswanderweg „Grenzerpfad“ bei Oberreute bietet Spannung für die ganze Familie. An insgesamt zehn Wissens-stationen können sich Groß und Klein über die Mythen und Legenden des Schmuggels in der Region informieren.

Lauschtour: Auf insgesamt 14 Touren die Besonderheiten der Region mit Audioguides akustisch entdecken.

Ein Highlight ist die Zeitreise ins Nördlinger Ries, die an die spannendsten Orte des 14,5 Millionen Jahre alten

Meteoritenkraters führt.

Durchatmen und loswandern: Dank der besonders niedrigen Schadstoff- und Pollenbelastung in Bad Hindelang eignen sich die Heil-

klimawanderwege besonders für Allergiker.

Weinwandern: Auf den zahlreichen

Wanderwegen durch die fränkische Wein-

region den Duft der Rebblüten einatmen,

die Aussicht auf den Main genießen

und natürlich den köstlichen Wein

probieren.

Steigerwald-Zentrum: Das im September 2014 neu eröffnete Steigerwald-Zentrum bei Ober-schwarzach in Unterfranken macht das Thema Nachhaltigkeit erlebbar. Im Außengelände des Naturerleb-niszentrums können die Besucher in der Waldklimastation selbst zum Klimaforscher werden.

5-Seidla-Steig: Der Brauereiwan-derweg führt bis zu 19 km durch die südliche Fränkische Schweiz. Vorbei an fünf Privatbrauereien, in denen fränkische Spezialitäten und selbst-verständlich auch frisch gezapftes Bier serviert werden.

Lama-Wanderungen: Zusammen mit Lamas die Wanderregi-on Hersbrucker Alb nordöstlich von Nürnberg erkunden.

Kanuwandern auf der Altmühl: Vorbei an spektakulären Felsformati-onen, über zahlreiche Bootsrutschen und durch die unberührten Land-schaften des Naturparks. Dank der gemächlichen Fließgeschwindigkeit gilt die insgesamt 154 km lange Tour als besonders familienfreundlich.

OBERBAYERN

Natur pur: Im Wildniscamp im Bayerischen Wald im Baumhaus oder in der Erdhöhle schla-fen, durch die urwüchsige Natur streifen und abends am Lagerfeuer Stockbrot grillen.Stadt-, Land-, Fluss-Wanderung:

Auf einer Wanderung entlang des Donau-wanderweges liegen Natur und Kultur eng

beisammen. Denn die Strecke führt sowohl an Naturschönheiten wie dem Donaudurchbruch vorbei als auch durch romantische Städtchen

wie Regensburg und Passau.

Picknickservice: Im Landkreis Tirschenreuth im

Oberpfälzer Wald wird auf Wunsch mitten in der Natur

ein Picknick mit Oberpfälzer Spezialitäten serviert.

Canyontal im Ober-pfälzer Wald: Ein geologisches Naturspek-takel ist eine Wanderung im Waldnaabtal. Auf einer Strecke von zwölf Kilo-meter hat sich der Fluss tief in das Granitplateau rund um den Falkenberg eingeschnitten. Der Ufer-pfad führt vorbei an hoch aufgetürmten Felsformati-onen. Ziel der Wanderung ist eine zünftige Einkehr in der Blockhütte.

ALLGÄU/BAYERISCH-SCHWABEN

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KUNST UND KULTUR KUNST UND KULTUR

ES IST DER SCHÖNSTE LOHN,

WENN MENSCHEN BERÜHRT SIND

ALDONA SASSEK, KÜNSTLERIN,

STEPHANSKIRCHEN

Begeben Sie sich auf einen virtuellen Galeriebesuch und werfen Sie einen Blick auf Aldona Sasseks Bilder: www.galerie-spieckermann.de

Frau Sassek, Sie leben seit vielen Jahren im Chiem-gau. Warum sind Sie hier sesshaft geworden?Das war Schicksal. Als junger Mensch hab ich immer den Traum gehabt, in Bayern zu leben.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Wahlheimat? Alles. Die Berge, die Seen, die Landschaft. Schauen Sie durch mein Fenster. Sie verstehen ohne Worte, dass hier ein Paradies ist.

Ihre erste Ausbildung, vor dem Kunststudium, war zur Goldschmiedemeisterin. Lassen Sie aus diesem Handwerk Elemente in Ihre heutigen Bilder einfließen? Ja, ich habe mit großem Interesse Symbolik studiert. Am meisten fasziniert mich keltische Kunst. Gerade in Bayern, wo ich die keltische Vergangenheit förm-lich riechen kann. Hier gibt es so viele Kraftorte.

Was fasziniert Sie an archaischen Themen und Symbolen?Es ist meine Welt. Die Vergangenheit ist dadurch präsent. Welche Form hat eine Blume, welche Form hat eine Frau? Das alles kommt ins Spiel durch die Symbole.

Ihre Werke erinnern bisweilen an die Jugend-stilkünstler Mucha oder Schiele. Kommt da das Grafikstudium zum Ausdruck? Natürlich. Das Grafikstudium war faszinierend, weil man hier äußerst großen Wert auf formale Aufgaben legt. Und die kann ich heute in der Malerei umset-zen. Grafik ist Zeichnung. Malerei ohne Zeichnung ist für mich nicht erstrebenswert. Sie schimmert immer durch, ob es florale Motive sind oder geomet-rische. Es versteckt sich überall eine Zeichnung.

Bevorzugen Sie es deshalb, figürlich zu malen?Ja, denn die kompliziertesten Wesen auf diesem Planeten sind wir Menschen. Einen Menschen zu malen ist das Schwierigste, aber auch das Schönste.

Sich künstlerisch auszudrü-cken, ob in der Malerei oder als Goldschmiedin, war das schon immer Ihr Traumberuf? Immer. Kunst als solches war immer meine Lebensart. Ich habe gesungen, Gitarre gespielt, im Ballett getanzt und in einem großen Mädchenchor in Polen gesungen. Alles, was mit Kreativi-tät zu tun hat, ist mein Leben.

Sie sind Künstlerin, eine sehr geschickte Handwerkerin, Gra-fikerin, Designerin und durch Ihre Bilder auch eine spirituelle Botschafterin. Was ist Ihnen am wichtigsten?Das Malen erfüllt mich. Es ist meine Berufung. Mein größtes Ziel ist es, diesen Zustand dem Betrachter zu vermitteln.

Viele Künstler haben Rituale für ihre kreative Arbeit. Sie auch? Ich habe auch Rituale. Das wäre zum Beispiel ein bewusstes Frühstück vor dem Malen oder mich in Ruhe erst einmal zu sammeln oder während des Ar-beitens ab und zu schöne Musik aufzulegen.

Meist malen Sie Frauen und Kinder. Diese ähneln Fabelwe-sen oder Märchenfiguren und wirken manchmal asiatisch, oft in inniger Beziehung zur Natur, zu Tieren und Pflan-zen. Überlegen Sie sich die

Motive gezielt oder kommen die Ihnen intuitiv in den Sinn?Beides. Ich überlege mir die Motive sehr wohl. Ich stürze mich nicht etwa auf eine Leinwand, ohne einen bestimmten Gedanken zu haben. Mein Ziel ist es, zu zeigen, wie verkettet wir auch mit Pflanzen und Tieren sind. Wir sind nicht nur Herrscher auf diesem Planeten, wir sind ein Teil seiner Natur.

Sie sagen, dass Sie das malen, was Sie bei ande-ren erspüren. Ist diese Sensibilität Ihre Inspira-tionsquelle?Ich denke, wir sind alle sensibel. Wenn ich ein Bild male, bin ich nicht alleine. Ich spüre die Welt, ich spüre die Menschen. Auch wenn ich überwiegend Frauen oder Kinderfiguren male, ich schließe da die Männer keineswegs aus. Ich verstehe einfach mehr von der Frauenwelt, weil ich selber eine Frau bin.

Wäre eine Künstlerkolonie, wie es vor 100 Jahren der Blaue Reiter in Murnau war, auch für Sie attraktiv? Ganz bestimmt, wenn originelle und herzensliebe Leute dazuge-hören würden. Es ist das höchste Glück, Menschen zu begegnen, die auch auf diese Art und Weise wie ich fühlen.

Verwirklichen Sie durch die Vernetzungen und Freund-schaften mit anderen Künst-lern und Künstlerinnen ein wenig dieses Ideal?Mit Sicherheit. Alleine kann man nicht existieren. Ich weiß, dass wir verkettet sind. Wir sind zu einem Leben miteinander bestimmt, ob jetzt zu zweit oder zu dritt oder zu zehnt, letztend-lich sind wir alle miteinander verbunden.

Nehmen Sie am kulturellen und künstlerischen Leben in Bayern teil? Wir machen verschiedene Projekte mit. Meistens arbeiten wir jedoch alleine, denn es ist immer eine Frage der Zeit, wie viele Ausstellungen oder Projekte man machen kann, ohne seine eigene Arbeit an der Staffelei zu vernachlässigen.

Bei den Ausstellungen passiert es immer wieder, dass Ihre Kunstwerke die Betrachter tief berühren und ihnen die Tränen kommen. Wie erklären Sie sich das? Es ist der schönste Lohn, wenn Menschen berührt sind. Wir haben diese Gefühle in uns. Ob man sie erklären kann? Eher nicht. Aber wir wissen alle, wie es ist, ergriffen zu sein. Mein größtes Glück ist, wenn sie in die Augen schauen, die ich male. Dann sind sie in meine Welt eingetaucht.

Aldona Sasseks erklär-tes Ziel ist es, mit ihren Motiven auf die enge Verkettung von Mensch und Natur aufmerksam zu machen.

Es ist vor allem die Darstellungsweise der Frauen und Kinder auf ihren Bildern, die die Betrachter immer wieder faszinieren.

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KUNST UND KULTUR KUNST UND KULTUR

„Perle des Naabtals“: Im malerischen Ort Kallmünz im Landkreis Regensburg fanden Künst-ler wie Wassily Kandinsky, Gabriele Münter oder Carl Palme ihre Ruhe und schöpften neue Energie und Kreativität im Malerwinkel an der Naab.

Waldhäuser: Das höchste Bergdorf im Baye-rischen Wald verzauberte mit seiner magischen Atmosphäre Maler wie Reinhold Koeppel und Heinz Theuerjahr. Auf die Spuren der Kunst begibt man sich bei einer Wanderung auf dem Archepfad, der Skulpturen von Theuerjahr mit der berühmten Glasarche verbindet.

Ramsauer Malerweg: Der 6,5 km lange Malerweg führt zu den Lieblingsplät-zen namhafter Künstler, wie Wilhelm Busch, Carl Rottmann, Ferdinand Waldmüller und Friedrich Gauermann. Einige der dort entstandenen Werke werden in Schautafeln ausgestellt und können direkt mit den echten Motiven verglichen werden.

Walberla: Um die markante Felsformation bei Forchheim in Oberfranken ranken sich viele Mythen und Legenden. So soll dort die heilige Walpurga ihr Unwesen getrieben haben und auch heutzutage werden von heimischen Volkstanzgruppen noch Sonnenwend-feiern rund um den „Ehrenbürg“ veranstaltet.

Ansicht von Kalchreuth: Berühmtheit erlangte das mittelfränkische Dorf durch den Maler Albrecht Dü-rer, der die Aussicht auf Kalchreuth und die Fränkische Schweiz in einem Aquarell festgehalten hat.

Nördlinger Ries: Bei einem Meteoriteneinschlag vor mehr als 14 Millionen Jahren entstand der 25 km Durch-

messer große Rieskrater, der heute zu den bedeutendsten Kraftplätzen in Deutschland gehört. Sensible Menschen

spüren noch immer die besondere Energie des kosmischen Einschlags. Spannend aufbereitete Informationen gibt es im

RiesKraterMuseum in Nördlingen.

Jakobsweg: Der berühmte Pilgerweg führt auch durch das Westallgäu. Besonders sehenswert sind die vielen

kleinen Kapellen am Wegesrand, wie St. Bartholomäus in Zell mit seinen gotischen Fresken und dem Hochaltar,

der 1442 vom Memminger Künstler Hans Strigel dem Älteren errichtet wurde.

BAYERISCHE NATUR, DIE VERZAUBERT, INSPIRIERT

UND KRAFT SPENDET

Walchensee: Umrahmt von hoch aufragenden Bergen und mit türkisblauen Wassertönen ist der Walchensee zu einem

Lieblingsmotiv von Lovis Corinth gewor-den. Das Walchenseemuseum in

Urfeld zeigt bedeutende Werke des Impressionisten.

Auf den Spuren Wilhelm Leibls In der Rokoko-Kirche Berbling entstand eines der berühmtesten Werke des Malers Wilhelm Leibl: Die „Drei Frauen in der Kirche“ und genau dorthin führt der 16 km lange Wanderweg „Ab nach Berbling“, der in Bad Aibling startet. Die Kopie des Bildes kann man sich vor oder nach der Wanderung im Bad Aiblinger Heimatmuseum ansehen. Seinen Stamm-platz hatte der Maler im Restaurant des heutigen Romantik Hotel Lindners.

Mächtige Felsen, dichte Wälder, romantische Schlösser und Burgen, malerische Seen, beseelte Orte … – in Bayern gibt es zahlreiche Plätze, die Künstler zu großen Werken inspiriert haben und an denen Menschen Ruhe und zu sich finden.

Kunsthaus Kilian Lipp: In einem restaurierten Bauernhaus auf dem Gailenberg bei Bad Hindelang malt und präsentiert der zeitgenössische Allgäuer Künstler Kilian Lipp seine Werke – die meisten Motive liefert ihm die Bergwelt vor seiner Haustür.

Kunst in Wald und Flur: Schon vor rund 200 Jahren war die Fränkische

Schweiz für Maler und Poeten wie Joseph Victor von

Scheffel oder Jean Paul ein paradiesischer Rückzugsort.

Das ist bis heute so geblie-ben. Auf einem 3,3 Kilometer

langen „Kunst- und Besin-nungsweg“ in Litzendorf gibt

es zahlreiche unterschiedli-che Werke gegenständlicher

und abstrakter Kunst zu entdecken. Im gleichen Ort

wurde im Jahr 1994 auch die „Fränkische Straße der

Skulpturen“ eröffnet. Für diese haben Künstler aus

heimischen Materialien außergewöhnliche Werke

geschaffen.

Besinnungsweg Aurach: Wandern für die Seele – Die verschiedenen Stationen der 6,5 km langen Strecke geben Anregung zur Meditation. Begleitet werden die Wanderer vom „Sonnengesang“, der weltbekannten Dichtung von Franziskus von Assisi.

Adalbert-Stifter-LiteraTour-Weg: Die mystischen Weiten des Bayerischen Waldes haben den Dichter und Maler Adalbert Stifter stets aufs Neue begeistert. Ein insgesamt 24 km langes Wanderwegsystem führt durch die verwunschene Landschaft bei Neureichenau. Zahlreiche Schauta-feln entlang der Strecke illustrieren mit Gemälden und Zitaten des Künstlers dessen Wirken und Leben in der Region.

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ALLGÄU/BAYERISCH-SCHWABEN

Tolkiens Gandalf inspiriert durch All-gäuer Künstler: Eines der bekanntesten Bilder des Künstlers Madlener aus Memmingen ist „Der Berggeist“. Dieses Bild war als Reproduktion im Besitz J. R. R. Tolkiens und gilt als Inspiration für dessen Romanfigur Gandalf im „Herr der Ringe“. Rund 2.000 Arbeiten und Dokumente von Josef Madlener sind in der MEWO Kunsthalle in Memmingen zu bewundern.

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Das Blaue Land: Die besonderen Lichtverhältnisse der Region zwischen

Murnau und Kochel, die Landschaften, Seen und umliegenden Berge in stimmungsvolle

Blautöne tauchen, haben das Blaue Land zu einer einzigartigen Inspirationsquelle

für Künstler gemacht. Weltberühmt sind die Werke des Blauen Reiters rund um Wassily

Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter. Sehenswert: Münter-Haus in Murnau und

Franz Marc Museum in Kochel am See.

Schloss Fürsteneck an der Ilz: In der lieblichen Landschaft zwischen Ohe

und Ilz hatte Josef Fruth sein Atelier, das nach Terminver-

einbarung besichtigt werden kann. Auf dem drei Kilometer langen Künstlersteig laden elf

verschiedene Ruheorte, an de-nen auf Schautafeln Gedichte

des Künstlers angebracht sind, zum Innehalten ein.

Meditationsweg Ammer-gauer Alpen: Von der Wieskirche in Steingaden bis zu Schloss Linder-hof im Graswangtal führt der insge-

samt 87 km lange Pilgerweg durch das Ammertal.

FRANKEN 1

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OBERBAYERN 4

OSTBAYERN 3

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