BBZ Tierhaltung Nr. 10 10. März 2012 Davon profitieren ... · 30 BBZ Tierhaltung Nr. 10 10. März...

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BBZ 30 Nr. 10 10. März 2012 Tierhaltung Gut bedacht? Um Hitzestress vorzubeu- gen, ist bei Baumaßnahmen insbesondere bei ganzjähri- ger Stallhaltung von Milch- vieh auf eine entsprechende Gestaltung der Dachhaut zu achten. So halbiert zum Bei- spiel ein traditionelles Un- terdach (Holzverschalung) den Wärmedurchgangs- wert. Bei gleichzeitig hohen Traufhöhen können dann sowohl der Hitzestress im Sommer als auch die Kon- densatproblematik im Win- ter reduziert werden. Davon profitieren Mensch und Tier Ab 2014 dürfen Biobetriebe ihre Rinder nicht mehr anbinden. Ausnahmeregelungen sind dann nur noch für Kleinbetriebe möglich. Doch auch für sie gibt es oft kostengünstige Umbau- lösungen. Schon aus arbeitswirtschaftlicher Sicht sind diese auch für konventionelle Betriebe eine Überlegung wert. Beim Umbau von Anbinde- zu Laufställen kann die vorhan- dene Gebäudesubstanz häufig weiter genutzt werden. Aller- dings benötigt der Laufstall im Vergleich zum Anbindestall fast die doppelte Stallgrundfläche. Drei gelungene Umbaulösun- gen aus dem Kreis Waldshut zeigt der folgende Beitrag auf. Betrieb Bäumle Mutterkuhhalter Rudolf Bäumle in Rickenbach-Willaringen hat seinen Anbindestall mit Gitter- rost 2005 zum Boxenlaufstall mit Schieberentmistung umgebaut. Dort, wo früher die Tiere ange- bunden waren, ist heute der Laufbereich. Die neun wand- ständigen Liegeboxen konnten in einen angrenzenden alten Wagenschopf eingebaut werden. Die alte Dunglege wurde zum Laufhof. Der Kälberschlupf und der Jungviehbereich sowie die Abkalbebox wurden als Tief- streulaufstall auf der anderen Futtertischseite eingerichtet. Betrieb Strittmatter Auch Stefan Strittmatter in Ri- ckenbach-Hottingen hält Mut- terkühe. Seinen alten Anbinde- stall mit Gitterrost hat er nach Aufgabe der Milchviehhaltung zum großzügig dimensionierten Abkalbebereich für die Mutter- kühe umfunktioniert. Den Stall selbst nutzt er ohne Umbau als Fressbereich, ein angrenzender Scheunenbereich wurde zur ein- gestreuten Liegefläche. Zum alten Stall gab es mehrere Umbauvarianten, die jedoch insbesondere wegen der Lage und massiven Bauweise keine optimale Lösung zuließen. Des- halb entschied sich Strittmatter zum Neubau eines Mutterkuh- stalles mit 32 Liegeboxen, der den Vorgaben des Agrarinvesti- tionsförderprogramms für eine „besonders tiergerechte Aufstal- lung“ (siehe Kasten) entspricht. Auch im dritten Winter fühlen sich die Tiere hier wohl dank be- heizbarer Tränken und Schieber mit Frostschaltung. Auf dem Betrieb Bäumle wurde der alte Anbindestall zum Boxenlaufstall mit Schieberentmistung umgebaut. Biler: Heimann Links: Querschnitt des Boxenlaufstalls Strittmatter − Rechts: Der Stall hat sich nun schon im dritten Winter bewährt. Strittmatter hat sich beim Neubau für eine mehrhäusige Bauweise in Kombination mit ei- ner einfachen Futtertischüber- dachung entschlossen. Der Lauf- gang im Fressbereich wurde breiter als notwendig angelegt. Somit entstand ein in das Stall- system integrierter Laufhof, wel- cher die kostengünstigste Lauf- hofform darstellt. Außerdem verursacht dieser Laufhof keine zusätzliche Reinigungsarbeit, da dies der Schieber erledigt. Strittmatter bewirtschaftet seinen Betrieb zwar bisher nicht nach ökologischen Richtlinien. Sein Stallsystem würde jedoch in Kombination mit der prakti- zierten Sommerweide die Vo- raussetzungen nach der Öko- tierhaltungsverordnung erfül- len (siehe Kasten). Betrieb Höfler Alfred Höfler aus Albbruck- Hechwihl ist seit sechs Jahren Biolandwirt. 29 Milchkühe wa- ren bisher im Anbindestall mit Gitterrost aufgestallt. Im Jahr 2011 hat er einen zweireihigen Liegeboxenlaufstall in aufgelös- ter Bauweise mit 45 Liegeboxen und Abkalbebucht errichtet. Die gegenständigen Liegeboxen sind mit einem „Kombistützen- system“ überdacht. Die Lauf- gänge werden mittels Schieber entmistet. In diesem Jahr soll nun der alte Anbindestall zu einem Fress-Liegeboxenlaufstall für das Jungvieh umgebaut werden. Zunächst war hier eine billigere Variante als Tiefeinstreulaufstall geplant. Ein Aufstallungssystem mit einem zusätzlichen Stroh- bedarf von etwa 5 kg/GV und Tag verursacht jedoch bei 200 Winterstalltagen beim Stroh- zukauf Zusatzkosten von jähr- lich 100-120 1/GV. Deshalb sind in Gebieten und Betrieben ohne Getreide keine strohintensiven Aufstallungen zu empfehlen. Wobei im Kälberbereich, im Ab-

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BBZ30 Nr. 10 10. März 2012Tierhaltung

Gut bedacht?Um Hitzestress vorzubeu-gen, ist bei Baumaßnahmeninsbesondere bei ganzjähri-ger Stallhaltung von Milch-vieh auf eine entsprechendeGestaltung der Dachhaut zuachten. So halbiert zum Bei-spiel ein traditionelles Un-terdach (Holzverschalung)den Wärmedurchgangs-wert. Bei gleichzeitig hohenTraufhöhen können dannsowohl der Hitzestress imSommer als auch die Kon-densatproblematik im Win-ter reduziert werden. ❏

Davon profitierenMensch und TierAb 2014 dürfen Biobetriebe ihre Rinder nicht mehr anbinden.Ausnahmeregelungen sind dann nur noch für Kleinbetriebemöglich. Doch auch für sie gibt es oft kostengünstige Umbau-lösungen. Schon aus arbeitswirtschaftlicher Sicht sind dieseauch für konventionelle Betriebe eine Überlegung wert.

Beim Umbau von Anbinde- zuLaufställen kann die vorhan-dene Gebäudesubstanz häufigweiter genutzt werden. Aller-dings benötigt der Laufstall imVergleich zum Anbindestall fastdie doppelte Stallgrundfläche.Drei gelungene Umbaulösun-gen aus dem Kreis Waldshutzeigt der folgende Beitrag auf.

● Betrieb Bäumle

Mutterkuhhalter Rudolf Bäumlein Rickenbach-Willaringen hatseinen Anbindestall mit Gitter-rost 2005 zum Boxenlaufstall mitSchieberentmistung umgebaut.Dort, wo früher die Tiere ange-bunden waren, ist heute der

Laufbereich. Die neun wand-ständigen Liegeboxen konntenin einen angrenzenden altenWagenschopf eingebaut werden.Die alte Dunglege wurde zumLaufhof. Der Kälberschlupf undder Jungviehbereich sowie dieAbkalbebox wurden als Tief-streulaufstall auf der anderenFuttertischseite eingerichtet.

● Betrieb Strittmatter

Auch Stefan Strittmatter in Ri-ckenbach-Hottingen hält Mut-terkühe. Seinen alten Anbinde-stall mit Gitterrost hat er nachAufgabe der Milchviehhaltungzum großzügig dimensioniertenAbkalbebereich für die Mutter-kühe umfunktioniert. Den Stallselbst nutzt er ohne Umbau alsFressbereich, ein angrenzenderScheunenbereich wurde zur ein-gestreuten Liegefläche.

Zum alten Stall gab es mehrereUmbauvarianten, die jedochinsbesondere wegen der Lageund massiven Bauweise keineoptimale Lösung zuließen. Des-halb entschied sich Strittmatterzum Neubau eines Mutterkuh-stalles mit 32 Liegeboxen, derden Vorgaben des Agrarinvesti-tionsförderprogramms für eine„besonders tiergerechte Aufstal-lung“ (siehe Kasten) entspricht.Auch im dritten Winter fühlensich die Tiere hier wohl dank be-heizbarer Tränken und Schiebermit Frostschaltung.

Auf dem Betrieb Bäumle wurde der alte Anbindestallzum Boxenlaufstall mit Schieberentmistung umgebaut.

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Links: Querschnitt des Boxenlaufstalls Strittmatter − Rechts: Der Stall hat sich nun schon im dritten Winter bewährt.

Strittmatter hat sich beimNeubau für eine mehrhäusigeBauweise in Kombination mit ei-ner einfachen Futtertischüber-dachung entschlossen. Der Lauf-gang im Fressbereich wurdebreiter als notwendig angelegt.Somit entstand ein in das Stall-system integrierter Laufhof, wel-cher die kostengünstigste Lauf-hofform darstellt. Außerdemverursacht dieser Laufhof keinezusätzliche Reinigungsarbeit, dadies der Schieber erledigt.

Strittmatter bewirtschaftetseinen Betrieb zwar bisher nichtnach ökologischen Richtlinien.Sein Stallsystem würde jedochin Kombination mit der prakti-zierten Sommerweide die Vo-raussetzungen nach der Öko-tierhaltungsverordnung erfül-len (siehe Kasten).

● Betrieb Höfler

Alfred Höfler aus Albbruck-Hechwihl ist seit sechs JahrenBiolandwirt. 29 Milchkühe wa-

ren bisher im Anbindestall mitGitterrost aufgestallt. Im Jahr2011 hat er einen zweireihigenLiegeboxenlaufstall in aufgelös-ter Bauweise mit 45 Liegeboxenund Abkalbebucht errichtet.Die gegenständigen Liegeboxensind mit einem „Kombistützen-system“ überdacht. Die Lauf-gänge werden mittels Schieberentmistet.

In diesem Jahr soll nun deralte Anbindestall zu einemFress-Liegeboxenlaufstall fürdas Jungvieh umgebaut werden.Zunächst war hier eine billigereVariante als Tiefeinstreulaufstallgeplant. Ein Aufstallungssystemmit einem zusätzlichen Stroh-bedarf von etwa 5 kg/GV undTag verursacht jedoch bei 200Winterstalltagen beim Stroh-zukauf Zusatzkosten von jähr-lich 100−120 1/GV. Deshalb sindin Gebieten und Betrieben ohneGetreide keine strohintensivenAufstallungen zu empfehlen.Wobei im Kälberbereich, im Ab-

BBZNr. 10 10. März 2012 31Tierhaltung

AFP-Vorgaben für MutterkuhhaltungLaut dem Agrarinvestitions-förderprogramm (AFP) müs-sen bei der Mutterkuhhaltungfür eine „besonders tier-gerechte Aufstallung“ diefolgenden Anforderungen er-füllt sein:• Die tageslichtdurchlässigenFlächen müssen mindestensfünf Prozent der Stallgrund-fläche betragen.• Die nutzbare Stallfläche jeGroßvieheinheit muss min-destens 5 m2 groß sein.• Die Liegefläche muss so be-messen sein, dass alle Tieregleichzeitig liegen können.• Die Liegefläche muss aus-reichend mit geeigneter Ein-streu versehen werden kön-nen, wobei für die Großtiereauch Komfortmatten mit Mi-

nimaleinstreu möglich sind.• Liegeboxen und Gängemüssen ausreichend dimen-sioniert sein, die Laufgängeim Fressbereich sollten min-destens 3,50 m breit, bei ein-reihiger Aufstallung mindes-tens 4,00 m breit sein. Beieiner Liegeboxenbreite von1,25 m müssen gegenständigeLiegeboxen 2,50 m undwandständige 2,80 m langsein (Tiefboxen 2,90 m).• Das Fress-Liegeplatz-Ver-hältnis darf bei Vorratsfütte-rung höchstens 1:1,2 betragen.• Der Stall muss über einenZugang zu einem befestigtenAuslauf verfügen, der sobemessen ist, dass er fürden Aufenthalt der gesamtenHerde ausreicht. ❏

Flächenvorgaben im ÖkobereichDie Laufstallhaltung von Rin-dern im Ökolandbau wurdefür Baden-Württemberg indem Merkblatt „Laufstall-haltung von Rindern im öko-logischen Landbau“ vom De-zember 2011 neu geregelt.Es wird in den nächsten Tagenim Internet eingestellt unterwww.landwirtschaft-bw.info.Dort anklicken Landwirtschaft→ Ökolandbau → Tierhaltung→ Rinder.

Als Orientierungsgrößen fürden Stallbau werden im Merk-blatt die Mindeststall- und-freiflächen gemäß EU-Öko-verordnung angegeben (sieheTabelle). Für behornte Tierewird ein erhöhtes Platzange-bot empfohlen. Mit Sommer-

weidebetrieb (an mindestens120 Tagen für jeweils mindes-tens fünf Stunden) ist ein Lauf-hof fakultativ. Ohne Sommer-weide ist ein Laufhof jedochobligatorisch.

In diesem Fall muss bei geschlossener Bauweise undmehr oder weniger geschlosse-ner Gebäudehülle beim Lauf-hof die volle in der Tabelle ge-nannte Freifläche eingehaltenwerden. Dabei müssen min-destens 25 Prozent der Grund-fläche in einem zusammen-hängenden Bereich ohneÜberdachung sein.

Eine aufgelöste Bauweisemit getrennten Dächern oderfehlenden Seitenwänden mitunüberdachten Laufgängen

lässt keine eindeutige Tren-nung zwischen Stall- und Frei-fläche zu. Hier liegt ein insStallsystem integrierter Lauf-hofbereich vor. In diesem Fallkann statt der separaten Anfor-derungen für die Mindeststall-und -freiflächen auch deren

Summe als Vorgabe herange-zogen werden. Bei Kühen wäredies z. B. eine Gesamtflächevon 10,5 m2. Mindestens 25 %der geforderten Freiflächemüssen auch hier in einem zu-sammenhängenden Bereichohne Überdachung sein. ❏

Mindeststall- und -frei(land)flächen für Rinder*Kategorie Lebend-

gewichtkg

Stall-fläche

m2/Tier

Freiland-fläche

m2/Tier

Zucht- bis zu 100 1,5 1,1und bis zu 200 2,5 1,9Mastrinder bis zu 350 4,0 3,0

über 350 5,0(mind. 1 m2/100 kg)

3,7(mind. 0,75 m2/100 kg)

Milchkühe 6,0 4,5

Zuchtbullen 10,0 30,0

* = gemäß EU-Ökoverordnung

Die Kühe stehenauf dem BetriebHöfler im neuen

Liegeboxenlaufstall,gemolken werden

sie in einem separa-ten Melkhaus. Der

alte Anbindestallwird fürs Jungvieh

umgebaut.

Trotz eines ersten harten Winters ist Alfred Höfler froh,dass er sich für eine mehrhäusige Bauweise entschieden hat.

kalbebereich und in Tiefboxenselbstverständlich ausreichendStroh einzusetzen ist.

Während der Laufhof bei Bio-betrieben ohne Sommerweide-gang ein Muss ist, wird er für

In der Diskussion

konventionelle Betriebe bishernur diskutiert. Die Tierschutz-leitlinie Niedersachsen zumBeispiel forderte allerdings be-reits 2007 bei ganzjähriger Stall-haltung von Rindern einenLaufhof, wenn aufgrund derStallkonstruktion die Klima-reize nur unzureichend auf dieTiere einwirken können! Je grö-ßer die Rinderbestände sind,umso aufwendiger wird jedochein separater Laufhof ohne Zu-satzfunktion wie Vorwartebe-

reich sowohl in der Herstellungals auch im Betrieb. Da hatdann definitiv eine aufgelösteBauweise mit einem ins Stall-system integrierten Laufhofseine Vorteile.Manfred Heimann, LWA Waldshut