bebeatmetatmet leben · 2018. 11. 28. · Klasse von Benni herrscht das beste Sozialverhalten. Wenn...

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beatmet be atmet Perspektiven zur außerklinischen Beatmung und Intensivpflege leben leben 17715 6 2018 Sex – der schmale Grat zwischen Bedürfnis und Tabu Ambulantes Weaning – was ist möglich? Außerklinische Blutgasanalyse – sinnvoll oder gefährlich? KAI in Berlin: Der letzte Vorhang fiel Eine Investition in die Zukunft www.beatmetleben.de

Transcript of bebeatmetatmet leben · 2018. 11. 28. · Klasse von Benni herrscht das beste Sozialverhalten. Wenn...

  • beatmetbeatmetPerspektiven zur außerklinischen

    Beatmung und Intensivpflege lebenleben17715

    62018

    Sex – der schmale Grat zwischen Bedürfnis und Tabu

    Ambulantes Weaning –was ist möglich?

    Außerklinische Blutgasanalyse –sinnvoll oder gefährlich?

    KAI in Berlin: Der letzte Vorhang fiel

    Eine Investition

    in dieZukunft

    www.beatmetleben.de

  • enni ist das erste Kind

    von Mutter Connie und

    Vater Klaus Over. „Schon die

    Schwangerschaft verlief mit Höhen

    und Tiefen. Die ersten Jahre waren

    geprägt von vielen, vielen Arztbe-

    suchen. In der Verwandtschaft

    wurden wir ob der vielen Arztbe-

    suche bald schräg angesehen.

    Insbesondere meine Frau Connie,

    erschien ihnen als ‚durchgeknallteMama’.” Die Ärzte beruhigten dieMutter: „Das ist eine Entwicklungs-

    verzögerung. Das kommt schon

    noch.” Connie aber ließ sich nicht

    beirren. „Da ist etwas Anderes“,

    spürte sie. Denn Benni krabbelte

    nicht wie gleichaltrige Babys. Frei-

    händig eine Treppe hochsteigen

    war ihm später dann zum Beispiel

    nicht möglich.

    Eher zufällig, über einen sim-

    plen Bluttest bei einem Routine-

    Arztbesuch, trat die Wahrheit zu

    Tage: „Ihr Kind hat Muskeldystro-

    phie-Duchenne. Diese Krankheit

    ist unheilbar.” Voller Fragezeichen

    auf der Stirn klärte der Arzt die

    Eltern über den Verlauf der Erkran-

    kung auf. Es riss den beiden den

    Boden unter den Füßen weg. „Ja,

    aber es muss doch ein Medika-

    ment geben“, war ihr verzweifelter

    Einwand. „Nein, ein Medikament

    gibt es nicht.“ Die Overs fielen in

    ein tiefes schwarzes Loch.

    Aus Ohnmachtwird Aktionismus

    Aus lauter Verzweiflung und Ohn-

    macht wurde Benni noch mehr

    behütet. Benni wusste von den

    Beweggründen dafür nichts und

    war zu diesem Zeitpunkt eingebet-

    tet in eine gut funktionierende

    Nachbarschaft. Kurz zuvor war die

    Familie dort in das neu gebaute

    Haus in sonniger Hanglage einge-

    zogen. Damals entstand eine

    Freundschaft zwischen Benni und

    dem gleichaltrigen Sebastian, die

    bis heute hält. Dass Klaus und

    Connie Over wegen der Hanglage

    schon wenige Jahre später ein

    barrierefreies, behindertenge-

    rechtes und neues Haus bauen

    sollten, war zu diesem Zeitpunkt

    noch niemandem klar.

    Das Leben mit BenniBenni Over aus Rheinland-Pfalz lebt mit Muskeldystrophie Duchenne (kurz DMD; schleichender Muskelschwund). Seine Eltern haben 1996 die ‚aktion benni & co’ (heute Deutsche Duchenne-Stiftung) ins Leben gerufen, um die Forschung anzuschieben.

    38 menschen

    6/2018

    B

    In Bennis sicherem Schoß hat es sich das einjährige

    Orang-Utan-Mädchen Monagemütlich gemacht.

    Nach seinem Kinderbuch (ISBN 978-3861966739)und dem zugehörigen Trickfilm „Henry rettet den Regenwald“ war für Benni klar, dass er einmal ins Land der Orang-Utans,nach Indonesien, reisen wird.

  • Connie und Klaus gingen unter-

    schiedlich mit der schrecklichen

    Diagnose um. Es wurde telefo-

    niert und recherchiert. Sie lern-

    ten, dass die Erforschung von

    DMD inklusive einer Therapie

    schon aus wirtschaftlichen Grün-

    den nicht auf der Agenda der

    Pharmakonzerne stand.

    Sorge um Bennis Bruder Florian

    Zudem plagte schon die nächste

    Sorge: „Hat Florian, Bennis zwei

    Jahre jüngerer Bruder, auch

    DMD?“ Denn Duchenne ist in der

    Regel ein von der Mutter übertra-

    gener Gendefekt, der nur an Bu-

    ben weitergegeben wird. Sie

    machten drei Kreuze vor Erleichte-

    rung, als der Test bei Florian nega-

    tiv ausfiel.

    Ernüchtert aber nahmen die

    Eltern zur Kenntnis, dass es sich

    bei Benni nicht um eine Übertra-

    gung, sondern um eine spontane

    Mutation handelte. „Warum,

    lieber Gott, lässt du so etwas

    zu?”, fragten sie sich.

    Derweil ging es Benni recht gut.

    Er hatte keine durch die Erkran-

    kung bedingten Schmerzen und

    spielte mit Sebastian und den an-

    deren Kindern der Nachbarschaft:

    Staudämme bauen, Verstecken

    spielen, im Zelt übernachten und

    was Kinder sonst so machen.

    Baumhäuschen und Reise in die USA

    Dass Benni körperlich nicht so

    konnte wie die anderen Kinder,

    nahm er immer dann wahr, wenn

    er nicht hinterherkam oder die

    komplette Rasselbande zum

    Beispiel auf einen Baum hoch-

    kletterte und er trotz ehrgeiziger

    Versuche keine Chance hatte, es

    ihnen gleichzutun. Mit hängen-

    dem Kopf kam er mal schniefend

    nach Hause und weinte bitterlich:

    Zwar hatte er noch beim Holz

    sammeln mitmachen können,

    aber als seine Spielkameraden

    stolz auf dem einen Meter hohen

    Plateau des gebauten Baum-

    Häuschens thronten, war das

    Spiel für Benni zu Ende; er würde

    nie auf einen Baum klettern

    können. Klaus Over wurde zum

    ersten Mal die Bedeutung der

    Worte „am Leben teilhaben“

    bewusst und auch die Dimension

    dessen, welche Herausforderun-

    gen auf die ganze Familie noch

    warten sollten.

    Dennoch, diese Erkenntnis

    trieb die Familie an, weiterzusu-

    chen. Noch immer wehrten sie

    sich gegen alle, die sagten:

    „Es gibt keine Heilung für Benni.”

    Als sie beispielweise von For-

    schern in San Francisco hörten,

    die dort mit Mäusen an dem

    zugrunde liegenden Gendefekt ar-

    beiteten, sind sie spontan in die

    USA gereist. Aber auch hier das

    Gleiche: Es werde noch eine lange

    Zeit dauern, bis erste Versuche

    mit Medikamenten an betroffe-

    nen Kindern gestartet würden.

    Auch, weil weltweit nicht mit

    der gleichen Intensität wie an

    den großen Volkskrankheiten

    geforscht werde.

    Der Entschluss der Overs reifte:

    „Wenn es zu wenige Mittel für die

    Forschung gibt, dann müssen wir

    eben selbst etwas tun, nämlich an

    die Öffentlichkeit gehen und Geld

    für die Forschung sammeln.”

    Die aktion benni & cogeht an den Start

    Am 9. Juni 1996 wurde mit einem

    ganzseitigen Bericht auf der

    Journalseite der Rheinzeitung

    Neuwied „aktion benni & co“ ins

    Leben gerufen. Zwei Jahre danach

    6/2018

    Leben mit Intensivpflege

    4. Kongress für Kooperation06./07. Mai 2019

    Naturresort Schindelbruch/Südharz

    für das Leben nach dem Klinikaufenthalt:

    und Sanitätshäuser• Versorgungsmöglichkeiten

    • familiäre Aspekte• Finanzierung• Formulare

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  • wurde daraus ein eingetragener

    Verein, der später in die Deutsche

    Duchenne-Stiftung übergegan-

    gen ist. Unzählige Benefizveran-

    staltungen, bundesweit Beiträge

    in Print und TV, Aufbau eines wis-

    senschaftlichen Beirates, erste

    Förderung von Forschungsprojek-

    ten, das erste Duchenne-Sympo-

    sium und vieles mehr. Aber auch

    etwas völlig Ungeplantes ge-

    schah: Von jetzt auf gleich waren

    die Overs „der Strohhalm“ und

    das Sorgentelefon für viele betrof-

    fene Duchenne-Familien. Immer

    mehr Eltern riefen bei ihnen an.

    Bis spät in die Nacht wurde für

    „aktion benni & co“ gearbeitet.

    Aktionismus pur.

    Für Benni und seinen Bruder

    Florian war es eine aufregende

    Zeit, so zum Beispiel, wenn auf

    einmal ein TV-Team mit Kamera,

    Licht und Mikrofonen im Hause

    unterwegs war. Ein manches Mal

    fragte sich der Vater, ob das alles

    so seine Richtigkeit habe?

    Regel- versus Sondereinrichtungen

    Zeitgleich galt es, Benni in Regel-

    kindergarten und -schule unterzu-

    bringen, was große Besprechun-

    gen, Konferenzen und Kämpfe

    mit Behörden bedeutete. Aber

    es gelang immer, weil die Lehrer

    überzeugt werden konnten, es

    einfach mal zu probieren.

    Ein zunächst noch kritischer

    Schulleiter erzählte später: „Wir

    haben drei achte Klassen. In der

    Klasse von Benni herrscht das

    beste Sozialverhalten. Wenn

    Benni zum Beispiel etwas sagen

    will, dann hebt sein Tischnachbar

    sofort Bennis Hand als Zeichen

    zur Wortmeldung.” Solche Feed-

    backs bestätigten den einge-

    schlagenen Weg, Benni ein

    selbstbestimmtes Leben zu

    ermöglichen.

    So sehr die Familie sich für

    Benni bemühte, so wuchsen die

    Sorgen um Florian: „Wie ist es

    denn, mit und neben einem

    Bruder mit DMD aufzuwachsen?“

    Viel darüber gesprochen hat

    Florian nicht. Er hat Bennis Krank-

    heit, wie er heute selbst sagt,

    einfach ausgeblendet.

    Auch Benni selbst hat nie über

    seine Erkrankung gesprochen.

    Schon den Versuch hat er mit den

    Worten „Alles gut!“ im Keim

    erstickt. Diese Art scheint zu

    seiner Lebensstrategie geworden

    zu sein.

    Herzstillstand

    Im Dezember 2016 erleidet der

    heute 28-jährige Benni einen

    Herzstillstand. Er wird ins künstli-

    che Koma gelegt. Die folgenden

    37 gemeinsamen Tage auf der

    Intensivstation (über Weihnach-

    ten und Neujahr) haben sich den

    Eltern ins Gedächtnis gebrannt.

    Gegen das Drängen der verant-

    wortlichen Ärzte, Benni ‚gehen zu

    lassen’, entschieden sie sich fürden lebensrettenden Luftröhren-

    schnitt. Tage später – mit einer

    Sprachkanüle ausgestattet – sind

    Bennis erste Sätze: „Hallo, wie

    geht es euch? Ich bin froh, dass

    ich lebe! Wann kann ich wieder

    nach Hause?“ – und dann sofort:

    „Ich möchte noch mal zu den

    Orang-Utans.“

    Man muss wissen, dass Bennis

    große Leidenschaft das Reisen ist

    und sein größtes Interesse den

    Orang-Utans gilt. In über 50 Län-

    dern sind die Overs mit ihm gewe-

    sen, zuletzt trotz beziehungsweise

    mit Beatmung auf einer Kreuzfahrt

    in der Karibik mit elfstündigem

    Flug nach Jamaika hin und zurück.

    Orang-Utans und dieReise nach Indonesien

    Was nach Bennis Diagnose alles

    geschehen ist, hätte sich die Fa-

    milie in der Anfangszeit so sicher

    nicht vorgestellt. Es scheint, als

    habe sie sich der jeweils neuen Si-

    tuationen gestellt und angepasst

    und das beste daraus gemacht.

    Für die Familie war und ist es

    wichtig Benni am Leben teilhaben

    zu lassen. Dies ist bei fortschrei-

    tendem Muskelschwund und dem

    damit verbundenen Pflegeauf-

    wand nicht immer einfach. Bis

    heute aber, haben sie das ganz

    gut hinbekommen; auch, weil sie

    stets auf Bennis Wünsche und

    Bedürfnisse eingegangen sind.

    Und was wünscht man sich mehr

    als die leuchtenden Augen seines

    Kindes.

    Benni setzt sich seit Jahren für

    die Rettung der akut vom Ausster-

    ben bedrohten Orang-Utans und

    deren Lebensraum, dem Regen-

    wald, ein. Sein Projekt treibt ihn

    an und gibt ihm Wertschätzung.

    Im Frühjahr 2016 ist er zusammen

    mit seiner Familie ins Land der

    Orang-Utans, nach Indonesien,

    gereist. Pünktlich zum Welt-

    Orang-Utan-Tag am 19. August

    2018 ist dazu das Reise- und

    Sachbuch „Im Rollstuhl zu den

    Orang-Utans“ erschienen.

    40 menschen

    6/2018

    Klaus Overwww.henry-rettet-den-regenwald.de

    ko n t a k t

    Ein ganzes Team samt Familie hilft ihm dabei, sein Anliegen „Rettet den Regenwald” an die Öffentlichkeit zu bringen und Unterstützer zu finden.

    Titelseite_bl_06_18Das Leben mit Benni

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