Beck Dokumentvorlage 14,1 x 22,4 cm · IX Autorenverzeichnis Christian Appelkamp Mitglied des...

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IX Autorenverzeichnis Christian Appelkamp, Mitglied des Vorstandes DEURAG, Deutsche Rechts- schutz-Versicherung AG, Wiesbaden Dr. Peter Bader, Vizepräsident des Hessischen Landesarbeitsgerichts, Frankfurt am Main Susanne Engel, Richterin am Arbeitsgericht Erfurt Prof. Dr. Christian Fischer, Friedrich-Schiller-Universität Jena Birgit Gantz-Rathmann, Ombudsfrau der Deutschen Bahn AG, Mobility Lo- gistics AG, Berlin Nils Hellberg, Abteilungsleiter im Gesamtverband der Deutschen Versiche- rungswirtschaft (GDV), Berlin Dr. Heidi Ittner, Lehrstuhl für Sozialpsychologie, Differentielle und Persön- lichkeitspsychologie, Otto-von-Guericke-Universität, Magedeburg Prof. Dr. Jacob Joussen, Friedrich-Schiller-Universität Jena Karl Kotzian-Marggraf, Präsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Erfurt Dr. Christof Morawitz, Vorstand der Kreissparkasse Ostalb, Aalen Prof. Dr. Hanns Prütting, Institut für Verfahrensrecht, Universität Köln Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Erfurt Dr. Hansjörg Schwartz, Troja Schwartz Gläßer Kirchhoff, Oldenburg Dr. Joachim Simen, Lotsenwerk, München Arno Tautphäus, Vizepräsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Erfurt Dr. Holger Thomas, Rechtsanwalt, Partner, SJ Berwin LLP, Frankfurt am Main Rainer Tögel, Sprecher des Vorstands der D.A.S.-Rechtsschutz-Versicherungs- AG, München Prof. Dr. Hannes Unberath M.Jur. (Oxford), Friedrich-Schiller-Universität Jena, Richter am Thüringer Oberlandesgericht Marion Walsmann, Justizministerin des Freistaates Thüringen

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IX

Autorenverzeichnis

Christian Appelkamp, Mitglied des Vorstandes DEURAG, Deutsche Rechts-schutz-Versicherung AG, Wiesbaden

Dr. Peter Bader, Vizepräsident des Hessischen Landesarbeitsgerichts, Frankfurt am Main

Susanne Engel, Richterin am Arbeitsgericht Erfurt

Prof. Dr. Christian Fischer, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Birgit Gantz-Rathmann, Ombudsfrau der Deutschen Bahn AG, Mobility Lo-gistics AG, Berlin

Nils Hellberg, Abteilungsleiter im Gesamtverband der Deutschen Versiche-rungswirtschaft (GDV), Berlin

Dr. Heidi Ittner, Lehrstuhl für Sozialpsychologie, Differentielle und Persön-lichkeitspsychologie, Otto-von-Guericke-Universität, Magedeburg

Prof. Dr. Jacob Joussen, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Karl Kotzian-Marggraf, Präsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Erfurt

Dr. Christof Morawitz, Vorstand der Kreissparkasse Ostalb, Aalen

Prof. Dr. Hanns Prütting, Institut für Verfahrensrecht, Universität Köln

Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Erfurt

Dr. Hansjörg Schwartz, Troja Schwartz Gläßer Kirchhoff, Oldenburg

Dr. Joachim Simen, Lotsenwerk, München

Arno Tautphäus, Vizepräsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Erfurt

Dr. Holger Thomas, Rechtsanwalt, Partner, SJ Berwin LLP, Frankfurt am Main

Rainer Tögel, Sprecher des Vorstands der D.A.S.-Rechtsschutz-Versicherungs-AG, München

Prof. Dr. Hannes Unberath M.Jur. (Oxford), Friedrich-Schiller-Universität Jena, Richter am Thüringer Oberlandesgericht

Marion Walsmann, Justizministerin des Freistaates Thüringen

XI

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil: Einführung ......................................................................... 1

Jacob Joussen und Hannes Unberath Gegenwärtiger Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung – Spezifika des Arbeitsrechts .......................................... 3

Zweiter Teil: Allgemeine Fragen der Mediation ............................... 21

Rainer Tögel

Heidi Ittner

Marktsituation und rechtspolitische Entwicklung der Mediation in Deutschland ............................................................................................ 23

Mediation im Arbeitsumfeld – allein eine Frage harter Fakten? Antworten aus psychologischer Sicht .................................................... 27

Nils Hellberg

Joachim Simen und Christof Morawitz

Konsensuale Konfliktlösung in der Versicherungswirtschaft, unter besonderer Berücksichtigung der Mediation – erste Erfahrungen ............................................................................................ 49

Hansjörg Schwartz und Holger Thomas

Die Einbindung der Mediation in strategische Perspektiven von Unternehmen .......................................................................................... 55

Christian Appelkamp

Teilnahme von Vertretern in der Wirtschaftsmedation .......................... 65

Birgit Gantz-Rathmann

Das Mediationsprojekt der DEURAG .................................................... 87

Einführung innerbetrieblicher Mediation am Beispiel der Deutschen Bahn AG ............................................................................... 93

XII

Dritter Teil: Mediation und arbeitsgerichtliches Verfahren ............ 97

Hanns Prütting

Ingrid Schmidt

Reichweite und Grenzen der Mediation im Arbeitsrecht ....................... 99

Mediation und arbeitsgerichtliches Verfahren ..................................... 119

Peter Bader

Karl Kotzian-Marggraf

Thüringer Güterichter – erste Erfahrungen Teil 1: Einführung zu den Beiträgen von Frau Engel, Herrn Kotzian-Marggraf und Herrn Tautphäus ................................................................................... 133

Susanne Engel

Zum Behufe einer Mediation in Arbeitssachen – Anmerkungen anlässlich des Thüringer Modells ......................................................... 137

Arno Tautphäus

Die ersten praktischen Erfahrungen beim Thüringer Landesarbeitsgericht, dem Pilotgericht ................................................ 153

Peter Bader

Die ersten inhaltlichen Erfahrungen ..................................................... 163

Thüringer Güterichter – erste Erfahrungen Teil 2: Zusammenfassung der Plenumsdiskussion und Schlusswort ............... 171

Vierter Teil: Schlussbetrachtung ...................................................... 173

Christian Fischer

„Mediation im Arbeitsrecht“ – Resümee und Ausblick ....................... 175

1

Erster Teil: Einführung

3

Gegenwärtiger Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung – Spezifika des Arbeitsrechts

Jacob Joussen und Hannes Unberath

A. Vom Wert und Nutzen außergerichtlicher Streitbeilegung

Frank Sander, Mitbegründer der Alternative Dispute Resolution in den U.S.A., traf folgende nüchterne Feststellung: „Fragt man heutzutage einen zufällig ausgewählten Jurastudenten, was er zur Lösung eines Rechtsstreits unternehmen würde, so wird er voraussichtlich antworten: ‚Ich erhebe Klage beim zuständigen Gericht‘.“1 Diese Aussage lässt sich ohne Weiteres auf Deutschland übertragen und auf die in der Praxis tätigen Juristen erweitern. Das Problem ist nur, das Zitat stammt aus dem Jahre 1976.2 Davon ausgehend erscheint es nicht ganz fernliegend zu behaupten: Wir sind heute in Deutschland in vielerlei Hinsicht nicht viel weiter als die U.S.A. vor dreiunddreißig Jahren – also weitgehend am Anfang der Entwicklung.3

1 Sander, 70 F.R.D. 111, 114 f. (1976): „(…) I suspect if we asked a random group

of law students how a particular dispute might be resolved, they would invariably say ‘file a complaint in the appropriate court’.“ Zu Sander näher Tochtermann, ZKM 2006, 168.

Aus der Verzögerung resultiert jedoch auch ein Vorteil, denn, wenn der „Blick über den Tellerrand“ gewagt wird, lässt sich von den reichhaltigen Erfahrungen profitieren, die in der Zwi-schenzeit mit außergerichtlicher Konfliktlösung gemacht wurden, und es

2 Genauer von der einflussreichen sog. „Pound-Konferenz“, die heute als ein wich-tiger Impulsgeber für die Entwicklung außergerichtlicher Methoden der Streitbei-legung angesehen wird, so etwa die Einschätzung von Stempel, 11 Ohio St. J. on Disp. Resol. 297, 309 (1996). Anlass der Konferenz war, über Fortschritte seit Roscoe Pounds vehementer Krtitik am amerikanischen Gerichtssystem in „The Causes of Popular Dissatisfaction with the Administration of Justice“, abgedruckt etwa in 35 F.R.D. 273 (1906), zu debattieren.

3 Vgl. schon Unberath in Greger/Unberath (Hrsg.), Die Zukunft der Mediation in Deutschland, 2008, S. 1 ff., sowie etwa Zilleßen, ZKM 2007, 100 ff. Zur Entwick-lung in den U.S.A. etwa Kovach, 58 S. Tex. L. Rev. 1004, 1010 ff. (2007); Patton, ZKM 2007, 168 ff.; Main, 74 U. Cin. L. Rev. 329, 332 ff. (2005); Sander, J. Disp. Resol. 3 ff. (2000).

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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lässt sich manch ein Fehler der Frühstarter vermeiden. „Spät, aber ausge-reift und gut“ muss also die Devise der deutschen Variante von außerge-richtlicher Streitbeilegung sein.

Neue Methoden müssen sich aber zunächst gegen das Beharrungsver-mögen traditioneller Denkmuster durchsetzen. Jeder Praktiker wird sich fragen: Wenn alle bei Konflikt nur ans Gericht denken, wieso sollte ich mich mit Alternativen beschäftigen? Darauf kann und muss eine pragma-tische Antwort gegeben werden: Die Alternativen werden in den nächs-ten Jahren an Bedeutung zunehmen und sie stellen eine in jeder Hinsicht vorteilhafte und vorzugswürdige Methode dar, Rechtskonflikte zu lösen.4

Dafür, dass künftig insbesondere die Mediation eine wichtigere Rolle spielen wird als bisher, mögen an dieser Stelle einige Hinweise genügen: Die Beschlüsse des 67. Deutschen Juristentages 2008 in Erfurt sprechen sich auf der Grundlage des Gutachtens Hess mit aller Deutlichkeit für die Förderung der Mediation aus.

5 Das Bundesministerium der Justiz arbeitet denn auch an einem entsprechenden Gesetz. Eine bundesgesetzliche Regelung der Mediationsverfahren ist aber schon im Hinblick auf die Umsetzung der Mediationsrichtlinie 2008/52/EG erforderlich (Umset-zungsfrist 21. 5. 2011).6

4 Das war auch der Tenor der Beiträge auf der letztjährigen bundesweiten Mediati-

onskonferenz in Jena, an der über 450 Personen teilgenommen haben, darunter – bezeichnenderweise – mehr als ein Dutzend Gerichtspräsidenten; vgl. den Ta-gungsbericht Bachmann, JZ 2008, 560; Tagungsband Greger/Unberath, a.a.O. (Fn. 3).

Es wird allgemein damit gerechnet, dass das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie – sinnvollerweise – auch für rein nationale Sachverhalte gelten wird. Das Ministerium kann sich bei sei-nem anspruchsvollen Vorhaben auf eine von ihm in Auftrag gegebene, umfangreiche rechtsvergleichende Studie des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht stützen, die über zwanzig Rechtsordnungen untersucht und zu dem Schluss kommt, dass Mediation eine sinnvolle und förderungswürdige Methode der Streitbewältigung

5 So insbesondere Beschluss A.2.: „Zur Förderung der Mediation besteht Hand-lungsbedarf. Der Gesetzgeber sollte deswegen die Umsetzung der auf grenzüber-schreitende Verfahren beschränkten EU-Mediationsrichtlinie zum Anlass nehmen, für grenzüberschreitende und innerstaatliche Mediationsverfahren einheitliche Vorschriften zu erlassen (Gesetz zur Förderung der Mediation).“ angenommen 63:4:0.

6 Zur Richtlinienumsetzung etwa Eidenmüller/Prause, NJW 2008, 2737. Zu den Erfahrungen mit Mediationsgesetzen in Österreich (und Liechtenstein) etwa Mayr, LJZ 2008, 90 ff.; Filler, in: Greger/Unberath a.a.O. (Fn. 3), S. 65 ff.

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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ist.7 Das familiengerichtliche Verfahren wird zum 1. September dieses Jahres mit dem FamFG grundlegend neu geregelt. In diesem Zuge wird die einvernehmliche Streitbeilegung in Ehe- und Kindschaftssachen deutlich aufgewertet.8 In anderen Bereichen, etwa dem Baurecht9 oder dem Wirtschaftsrecht10

Das allein sind schon hinreichende, strategische Gründe, sich mit Al-ternativen zum Zivilprozess zu befassen. Man kann sich als Praktiker mit einem Verfahren, das besser als andere zur Zufriedenheit der Mandanten führt, einen Wettbewerbsvorteil sichern. Zumindest die Aufnahme der Mediation in den Leistungskatalog der Mehrzahl der Rechtsschutzversi-cherungen sollte ein ernstzunehmendes Signal für alle Teilnehmer des Rechtsdienstleistungsmarktes sein, eine Erweiterung ihres Repertoires zu erwägen (vgl. die Beiträge Appelkamp, Hellberg und Tögel in diesem Band). Die diversen Verbände und Kammern wiederum haben die Chan-ce, in einer Art bundesweiter Pilotphase die Entwicklung aktiv selbst mitzugestalten.

bieten die agileren Akteure am Markt der Dienst-leistungen bereits jetzt, also ohne gesetzliche Vorgaben, Alternativen zur Justiz an. Für das Arbeitsrecht, auf das noch näher einzugehen sein wird, gilt dies erst recht.

Außergerichtliche Streitbeilegung mag in Mode sein, doch der ent-scheidende Grund, sie ins Visier der Universität zu nehmen, ist ein sach-licher: Die konsensuale Streitbeilegung stellt eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen Zivilprozess dar und stärkt die Eigenverantwortung

7 Hopt/Steffek, Mediation – Rechtstatsachen, Rechtsvergleich, Regelungen, 2008,

S. 79: „Die Mediation ist eine sinnvolle und förderungswürdige Methode der Streitbewältigung.“

8 Vgl. dazu etwa Paul, ZKM 2006, 48 ff.; Unberath, in: Festschrift für Olaf Werner, im Erscheinen, August 2009, m.w.N.

9 Vgl. etwa Kraus, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, S. 533 ff.; Jung/Lauenroth/Wagner, ZfIR 2008, 813 ff.; Borowsky, ZKM 2007, 54 ff.; sowie die einstimmige Empfehlung des 2. Baugerichtstages 2008 für eine gesetzliche Regelung zur außergerichtlichen Streitbeilegung in allen Bausachen durch Adjudikationsverfahren, sofern keine Verbraucher beteiligt sind.

10 Vgl. etwa Neuenhahn, in: Greger/Unberath, a.a.O. (Fn. 3), S. 139 ff.; Du-ve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2003; Risse, Wirtschaftsme-diation, 2003; sowie die Studie „Commercial Dispute Resolution“ von PwC und der Europa-Universität Viadrina von 2005, wonach Verhandlung und Mediation, die von den 158 teilnehmenden, sehr unterschiedlichen Unternehmen am besten bewerteten Verfahren waren, während Schiedsgerichte und staatliche Gerichte als am wenigsten attraktiv eingestuft wurden. Zu Defiziten des Schiedsgerichtsverfahrens auch Hobeck/Mahnken/Koebbe, SchiedsVZ 2007, 225 (speziell zur Praxis bei Siemens).

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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der Privatrechtssubjekte. Verträge, die im Rahmen einer Konfliktlösung geschlossen werden, ebnen mittels Selbstgesetzgebung den Parteien den Weg zurück zur Privatautonomie.11 Dass dies für alle Beteiligten vorteil-haft ist, kann nicht überraschen:12 Für die Parteien, weil sie die Verant-wortung zurückerhalten, die sie beim herkömmlichen Weg an den staat-lichen Richter abgeben. Für die Berater der Parteien, weil sie bei Erfolg mit Garantie zufriedene Mandanten haben werden und bei Misserfolg immer noch als Prozessbevollmächtigte auftreten können. Für Sachver-ständige, weil ihre Rolle bei der Konfliktlösung massiv gestärkt wird. Für die Gerichte schließlich, weil sie an sich für Fälle, in denen die Par-teien selbst eine Lösung (sei es auch nur durch einen Prozessvergleich) finden, gar nicht gedacht sind. Die Entlastung der Justiz ist dabei ledig-lich ein (freilich willkommener) Nebeneffekt, denn der eigenverantwort-lich gefundene Rechtsfrieden ist ein an sich selbst erstrebenswertes Ziel. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung in aller Deutlichkeit verlautbart, wörtlich:13

B. Arbeitsrechtliche Spezifika

„Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.“

Anders als 2008, als die Zukunft der Mediation allgemein Gegenstand der Jenaer Tagung war, haben wir uns in diesem Jahr dazu entschlossen, die Mediation im Arbeitsrecht in den Mittelpunkt zu stellen. Dies war ein Wagnis, da wir nicht wissen konnten, ob der Zuspruch und das Inte-resse hierfür ausreichend sein würden. Aber das Wagnis hat sich gelohnt – und es war auch inhaltlich berechtigt, der Mediation gerade im Ar-beitsrecht eine eigenständige Tagung zu widmen. Denn nicht nur die Mediation insgesamt bewegt die Gemüter in Wissenschaft und Praxis – dies hat die entsprechende eigene Abteilung auf dem 67. Deutschen Juristentag hinreichend deutlich gemacht. Die dort diskutierte Grundfra-ge, ob es für die Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streit-

11 Montada, in: Greger/Unberath a.a.O. (Fn. 3), S. 5, 23 f. (Parteien schließen selbst

einen „Sozialvertrag“); Breidenbach, Mediation, 1995, S. 204 ff. 12 Vgl. aus der Perspektive des Rechtsanwalts Hammacher, SchiedsVZ 2008, 30. 13 BVerfG, 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073, 1074 = ZKM 2007, 128 m. Anm.

Greger.

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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beilegung im Verfahrens- und Berufsrecht einen Regelungsbedarf gebe, ist gerade auch im Arbeitsrecht auf besondere Weise zu stellen. Gleiches gilt für die Frage der Qualität des Mediationsergebnisses und seiner rechtlichen Relevanz. Die arbeitsrechtlichen Spezifika sind zahlreich und werden in dem vorliegenden Band erstmals umfassend und aus unter-schiedlichen Perspektiven erörtert. Vorliegend soll nur auf zwei Beson-derheiten eingegangen werden, die zugleich Schnittstellen zur allgemei-nen Entwicklung der Mediation darstellen: das Aufkommen des innerbe-trieblichen Konfliktmanagements (I.) und die Erprobung mediativer Elemente im arbeitsgerichtlichen Verfahren (II.).

I. Innerbetriebliches Konfliktmanagement Das Arbeitsverhältnis stellt, gerade an seinem Ende, ein Rechtsgebiet

von außerordentlich hoher Streitrelevanz dar. Dabei spielt eine besonde-re Rolle, dass hier stets eine Dauerrechtsbeziehung betroffen ist, die häufig auch nach Streitbeilegung weitergeführt werden soll.14

Gelingt es z.B., einen Arbeitnehmer, dessen Leistung aufgrund eines Konfliktes mit seinen Vorgesetzten so defizitär ist, dass sie die Ergebnis-se der betroffenen Unterabteilung insgesamt schwächt, durch Beilegung der Differenzen in einer Mediation wieder zu guten Leistungen zu moti-vieren, spart man nicht nur ein sonst drohendes arbeitsgerichtliches Kündigungsverfahren, sondern vor allem auch die Kosten, die durch eine aufwändige Neubesetzung der Stelle anfallen, und vermeidet zusätzlich und frühzeitig die hochgradig ineffiziente Störung der Projektarbeit.

Dies er-höht regelmäßig den Reiz wie auch den Wunsch nach einer gütlichen Beilegung.

Solchermaßen durch schwelende Konflikte am Arbeitsplatz verursach-ten Kosten in Unternehmen sind noch kaum umfassend erforscht, dürften aber nach ersten Studien ausreichend hoch sein, um sich deutlich inten-siver als bisher mit den (lediglich) als „soft skills“ bezeichneten Fragen des Personalmanagement zu befassen.15

14 Die Leistungserbringung im Rahmen langfristiger Verträge wird zu einem erhebli-

chen Anteil von rechtlich wenig fassbaren, jedenfalls nicht justitiablen Faktoren beeinflusst. Zu den Kennzeichen solcher „relational contracts“ allgemein Un-berath, in Wagner (Hrsg.), The Common Frame of Reference: A View from Law & Economics, 2009, S. 87, 92 ff. m.w.N.

Jedes Unternehmen ist somit gut

15 So stellt eine von KPMG durchgeführte, 2009 veröffentlichte sog. „Konfliktkos-tenstudie“ etwa fest, dass wo immer die Kosten von Konflikten in Unternehmen konkret beziffert werden können, diese in hohen Kostenklassen lägen, was insbe-

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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beraten, dem externen Konfliktmanagement ein internes hinzuzufügen, um auf diese Weise die Kosten solcher Konflikte zu reduzieren (vgl. dazu insbesondere die Beträge im zweiten Teil des Bandes Ittner, Schwartz, Simen/Morawitz).16 Das arbeitsgerichtliche Verfahren er-scheint von dieser Warte aus als kostspielige und ineffiziente Notlösung. Es ist daher naheliegend, dass zahlreiche große Unternehmen dazu über-gegangen sind, die Lösung von Konflikten nicht mehr unisono staatli-chen Richtern zu übertragen. Diese Unternehmen bewerten stattdessen jeden Konflikt mit Hilfe systematischer Kriterien und führen ihn einer bestimmten Konfliktlösungsmethode zu (vgl. den Beitrag Gantz-Rathmann in diesem Band).17

Das Arbeitsrecht, innerhalb dessen dem Schiedsverfahren wegen der Regelungen in §§ 4, 101 ArbGG nur ein enger Anwendungsbereich eröffnet ist, kennt bereits verschiedene Optionen einer konsensualen Streitbeilegung. Diese existieren so in anderen Rechtsgebieten nicht und haben über die jedenfalls möglichen vertraglichen Mediationsvereinba-rungen hinaus bereits gesetzliche Regelungen gefunden. Zu nennen ist beispielsweise neben dem betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstel-lenverfahren vor allem das Güteverfahren nach § 54 ArbGG, das dem Gerichtsverfahren vorgeschaltet ist. Nun ist dies nicht der Ort, die Quali-tät des Güteverfahrens zu bewerten, denn dies ist nur ein Aspekt des umfassenden und kontroversen Themas: „Mediation und arbeitsgericht-liches Verfahren“, das die Beiträge im dritten Teil des vorliegenden Bandes zum Gegenstand haben (vgl. aber sogleich unter II.). Es bestehen

Dies hat einen kaum zu unterschätzenden Multiplikatoreneffekt. Auf solchen und ähnlichen Wegen werden zurzeit ohne großes Aufsehen, aber sehr effektiv, an vielen Stellen alternative Methoden der Konfliktlösung praktiziert. Die Praxis ist hier der Theorie und vor allem auch der Ausbildung an den Universitäten einige Schritte voraus.

sondere für entgangene Aufträge, unbesetzte Stellen und Probleme bei der Pro-jektarbeit gelte (weitere untersuchte Faktoren waren: Mitarbeiterfluktuation, Krankheit, Leistungsfähigkeit, Unterschlagung, Missbrauch von Arbeitszeit, An-reizsysteme, Sanktionen). Troja hatte bereits in ZKM 2006, 150 ff., darauf hinge-wiesen, dass die indirekten Kosten innerbetrieblicher Konflikte erhebliche Grö-ßenordnungen annehmen und daraus ein überzeugendes Argument für innerbe-triebliches Konfliktmanagement abgeleitet.

16 Zum Konfliktmanagement z.B. auch Kals/Ittner, Wirtschaftsmediation, 2008 (mit einem Schwerpunkt bei der Psychologie); Kirchhoff, ZKM 2007, 108; Tro-ja/Stubbe, ZKM 2006, 121 ff.; Risse, ZKM 2004, 244 ff.; Schoen, ZKM 2004, 19 ff.

17 Vgl. darüber hinaus z.B. Klowait, ZKM 2008, 171 (speziell zu E.ON).

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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noch weitere Schnittstellen zwischen Mediation und Arbeitsrecht: Teilt man die außergerichtliche Streitbeilegung in die Bereiche des Verhan-delns, Vermittelns, Schlichtens und Richtens ein, sieht man, dass in den unterschiedlichen Bereichen des Arbeitsrechts – also über die Gütever-handlung hinaus – Instrumentarien bereitstehen, eine Streitigkeit ohne einen eigenen Gang zum Gericht beizulegen. Es sind insofern die be-triebsverfassungsrechtlichen Einigungsstellen, aber auch die tariflichen Schlichtungen, die deutlich machen, dass es außerhalb von Gerichtssät-zen zu Einigungsverfahren kommt. Gerade die Einigungsstelle ist inso-fern ja nicht nur in zwingenden Verfahren zur Streitbeilegung berufen.18

Es war uns daher bei der Organisation ein besonderes Anliegen, die arbeitsrechtliche Mediation in der Praxis in verschiedenen Bereichen einzubinden und in Praxisforen zum Erfahrungsaustausch anzuregen, aus der Perspektive der Betroffenen in mittelständischen Unternehmen wie in einem Großunternehmen, aus derjenigen der Mediatoren wie auch der Versicherungen, die ihrerseits ein eigenes Interesse an diesem Gebiet haben (vgl. auch die Schlussbetrachtung Fischers in diesem Band). Die arbeitsrechtliche Mediation wird daher in allen Bereichen besonders des Individualarbeitsrechts zur Sprache kommen, für die Streitfälle bei Be-gründung eines Arbeitsverhältnisses, für Konflikte innerhalb bestehender und vor allem anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

II. Mediation und arbeitsgerichtliches Verfahren In der Mehrzahl der Bundesländer wurden mediative Elemente im Ge-

richtsverfahren bereits erfolgreich erprobt.19 Thüringen hat nunmehr auf der Basis der Erfahrungen in den anderen Ländern ebenfalls ein Güte-richterprojekt gestartet. Mit diesem Modellversuch beabsichtigt das Thüringer Justizministerium einen Anstoß zu geben, neue, auf einver-nehmliche Lösungen zielende Methoden der Prozessleitung zu erpro-ben.20

18 Vgl. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vortragsgestaltung durch

einen Dritten, 2005, S. 78 ff.

Dabei geht es darum, Parteien, die sich freiwillig bereit erklären,

19 Vgl. nur die Beiträge Greger und Probst, in: Greger/Unberath a.a.O. (Fn. 3), S. 89 ff., 99 ff.; sowie umfassend von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, S. 70 ff.

20 Einbezogen sind neben der Arbeitsgerichtsbarkeit die Landgerichte Gera, Erfurt, das Amtsgericht Erfurt, das Oberlandesgericht Jena sowie das Verwaltungsgericht Gera. Aufgrund erster positiver Evaluationen wird erwogen, das Projekt zu erwei-tern.

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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eine einvernehmliche Lösung mit Hilfe eines speziell geschulten Güte-richters zu versuchen, eben eine solche „qualifizierte“ Güteverhandlung anzubieten. Das Besondere dabei ist im Wesentlichen, dass der Güterich-ter nicht der Prozessrichter ist und er zusätzlich geschult wurde. Maß-geblich dafür ist die Überlegung, dass eine Güteverhandlung bessere Aussichten auf Erfolg hat, wenn die Parteien nicht damit rechnen müs-sen, dass der zwischen den Parteien vermittelnde Güterichter bei Schei-tern der Einigung seine aufgrund der Güteverhandlung gewonnenen Erkenntnisse zu Lasten einer Partei verwerten könnte. Ein unbefangenes Gespräch, in dem die Vertraulichkeit gewahrt ist, ist nur mit dem Güte-richter denkbar. Insoweit besteht eine strukturelle Ähnlichkeit zur Medi-ation, deren Effektivität als Methode auf der Voraussetzung beruht, dass der Vermittler keine Entscheidungskompetenz hat.

Die ersten Ergebnisse im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind positiv, wie die Beiträge Bader, Engel, Kotzian-Marggraf und Tautphäus im dritten Teil des vorliegenden Bandes zeigen. Die freien Mediatoren ha-ben bei diesem Zusatzangebot der Justiz nichts zu befürchten, ganz im Gegenteil: Die bisherigen Studien zeigen, dass die effektivste Werbung für konsensuale Streitlösungsmethoden ist, selbst an einem solchen Ver-fahren teilgenommen zu haben.21

Gibt der Gesetzgeber die Güteverhandlung und die konsensuale Streitbeilegung als Ziel der Verfahrensleitung vor (vgl. § 278 ZPO, §§ 54, 57 ArbGG), fällt es schwer zu begründen, warum man die (mut-maßlich)

Das spricht, nebenbei bemerkt, natür-lich für die Methode selbst. Die qualifizierte Güteverhandlung ist damit ein Türöffner für Mediation. Darüber hinaus bietet das Güterichtermodell die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen mit mediativen Elementen im Arbeitsrecht zu sammeln, die, wenn sie – wie vorliegend – dokumentiert werden, den Sinn des „Modell“-Versuchs verwirklichen, die Entwick-lung insgesamt durch Erprobung, genauer „trial and error“ zu befördern.

22

21 Vgl. etwa Greger, Abschlussbericht zur Evaluation des Modellversuchs Güterich-

ter, 2007, S. 98.

effektivste Art ihrer Durchführung grundsätzlich ablehnen müsste, vielmehr dürfte diese dann nachdrücklich zu befürworten sein. Gleichwohl ist die Zulässigkeit des „Güterichtermodells“ de lege lata umstritten (vgl. insbesondere die gewichtigen Einwände in den Beiträgen Prüttings und Schmidts). Im Folgenden sollen daher kurz die Grundlagen

22 Die Effektivität der Methode (die Arbeitshypothese) soll in dem Modell gerade untersucht werden.

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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des Thüringer Modells skizziert werden, die unseres Erachtens einen vertretbaren Weg aufzeigen,23 den Wechsel der Perspektive vom Pro-zessrichter zum Güterichter für die Güteverhandlung praktisch zu erpro-ben.24

Nach § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO kann der Rechtsstreit für eine Gütever-handlung an einen beauftragten oder ersuchten Richter verwiesen wer-den.

25 Der ersuchte Richter kann einen Vergleich beurkunden oder nach § 278 Abs. 6 ZPO feststellen, aber keine Entscheidungen zur Hauptsache (etwa Anerkenntnisurteil, Beschluss nach § 91a oder § 269 Abs. 4 ZPO) oder über Prozesskostenhilfe erlassen. Die Tätigkeit des ersuchten Rich-ters ist seiner Rechtsprechungsaufgabe zuzurechnen.26 In Anlehnung an §§ 361, 362 ZPO ist beauftragter Richter ein solcher des Prozessgerichts, während der ersuchte Richter einem „anderen Gericht“ angehört. Unter „Gericht“ ist im Hinblick auf § 278 ZPO aber abweichend von der spezi-ell beweisrechtlichen Regelung des § 362 ZPO der einzelne Spruchkör-per zu verstehen.27 Diese Deutung des „ersuchten Richters“ ist deswegen möglich, weil der Begriff „Gericht“ – anerkanntermaßen – eine Doppel-bedeutung hat28 und in der ZPO regelmäßig der Spruchkörper gemeint ist.29

23 Zu folgenden Ausführungen siehe insbes. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009,

§ 278 Rn. 25 ff., 33 f.; Greger, in: Greger/Unberath, a.a.O. (Fn. 3), S. 89 ff. Auch die (damalige) Präsidentin des OLG München und des Bayerischen Verfassungs-gerichtshofes Huther sprach sich im Hinblick auf das Güterichtermodell in Bayern in ZKM 2004, 247, 249, für § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO als Rechtsgrundlage aus.

Andernfalls wäre man – ohne jeden sachlichen Grund – zu kaum praktikablen Umwegen gezwungen, buchstäblich zu Reisen durch das

24 Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre dennoch wünschenswert, um den wenig produktiven Streit über die Auslegung der Vorschriften zu beenden.

25 Güteverhandlung in diesem Sinne ist sowohl die der mündlichen Verhandlung vorausgehende Güteverhandlung i. S. d. § 278 Abs. 2 ZPO als auch jeder weitere Güteversuch i. S. v. § 278 Abs. 1, 3 ZPO.

26 Der Grundsatz des gesetzlichen Richters gilt jedoch nicht, da der Güterichter nicht entscheidungsbefugt ist. Für eine Vertiefung dieser grundsätzlichen und sehr umstr. Problematik fehlt vorliegend der Raum. Vgl. für eine umfassende Erörte-rung aus letzter Zeit (sehr weitgehend) von Bargen Fn. 19, S. 145 ff., der sich je-doch für die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 GG ausspricht, ebda. S. 289.

27 § 157 GVG, der eine amtsgerichtliche Zuständigkeit für die Rechtshilfe begründet, greift nicht ein, wenn die Ausführung richterlicher Ersuchen innerhalb desselben Landgerichts durch den Geschäftsverteilungsplan geregelt ist.

28 In einem organisatorischen Sinn bedeutet „Gericht“ die Gerichtsbehörde, in einem prozessualen der Spruchkörper, also eine Abteilung des „Gerichts“ im vorgenann-ten Sinne.

29 Vgl. nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2004, § 20 Rn. 1.

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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Bundesland zur nächsten Organisationseinheit, dem nächsten „Gericht“. Versteht man den Wortlaut entgegen diesen Ausführungen enger, drängt sich daher zumindest eine analoge Anwendung von § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO auf.30

Für das arbeitsgerichtliche Verfahren sind Besonderheiten zu beach-ten. § 54 Abs. 1 ArbGG sieht vor, dass die mündliche Verhandlung mit einer Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien beginnt (Güteverhandlung); § 57 Abs. 2 ArbGG stellt klar, dass die güt-liche Einigung während des ganzen Verfahrens angestrebt werden soll. Da bei Arbeitsgerichtsprozessen vielfach Ausschlussfristen zu beachten sind, bleibt für vorgerichtliche Mediation oft wenig Zeit. Schon aus diesem Grund erscheint es naheliegend, das gerichtliche Verfahrensan-gebot um die „gerichtsnahe Mediation“, genauer: um ein Angebot der Vermittlung durch einen Güterichter, zu erweitern.

Es handelt sich daher auch dann, wenn die Güteverhandlung einem anderen Richter desselben Gerichts (aber eines anderen Spruch-körpers) übertragen wird, um einen ersuchten Richter. Das ist die Grund-lage des Güterichtermodells.

31

30 So etwa eingehend von Bargen, a.a.O. (Fn. 19), S. 242 ff.

Eine Verzögerung des Rechtsstreits hat der qualifizierte Gütetermin nur dann zur Folge, wenn absehbar ist, dass der Einigungsversuch auch mit Vermittlung eines geschulten Güterichters zeitaufwändig und mit einem erheblichen Risiko des Scheiterns behaftet ist. Der Beschleunigungsgrundsatz steht daher nicht entgegen, im Gegenteil, er spricht für die qualifizierte Güte-verhandlung. Bleibt die Frage, ob neben § 54 Abs. 1 ArbGG noch Raum für die entsprechende Anwendung des § 278 Abs. 5 ZPO besteht (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Bewertet man den qualifizierten Gütetermin (§ 278 Abs. 5 S. 1 ZPO) sowie den Verweis auf die außergerichtliche Mediation (§ 278 Abs. 5 S. 2 ZPO) als eine zweckmäßige Ergänzung des Verfahrens, ist die Ergänzungsbedürftigkeit des ArbGG offenkundig (vgl. insbes. mit umfassender Analyse und methodischer Ableitung Kotzian-Marggraf); lehnt man beides ab, weil mit dem Charakter des beschleunigten arbeitsgerichtlichen Verfahrens unvereinbar (so die Ten-denz bei Prütting, Schmidt), ist die verneinende Antwort ebenso klar. Zwingend erscheint das aber, wie gesagt, nicht. Uns erscheint es jeden-falls naheliegend und auch zweckmäßig, den methodischen Spielraum für das Güterichtermodell zu nutzen, um sodann auf der Grundlage des

31 So inbes. der Präsident des LAG Baden-Württemberg Francken, NJW 2007, 1792, 1794.

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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messbaren Erfolgs oder Misserfolgs der Erprobung und nicht allein mit Hilfe ambivalenter methodischer Erwägungen der Gesetzesauslegung über den Einsatz der neuen Methoden im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden.

C. Perspektiven der weiteren Entwicklung

Wie sieht die Zukunft aus? Worauf muss man sich einstellen? Hier gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze. Der Vordenker der ADR, Sander, schlägt in dem bereits erwähnten Beitrag ein sog. „Multi-Door-Courthouse“ vor.32 Die Grundidee ist einfach: Bei Klageeingang prüft die Justiz, welches Verfahren für den Rechtsstreit am besten geeig-net scheint und weist die Parteien dem richtigen Verfahren (in der Visi-on: dem betreffenden Raum des allumfassenden Justizzentrums) von Amts wegen zu. Die „alternative“ Streitbeilegung wird bei diesem An-satz Sanders als staatliche Dienstleistung aufgefasst, die dem traditionel-len Erkenntnisverfahren gleichwertig ist.33

Auch uns erscheint es problematisch, wenn der Staat nicht nur punk-tuell und zur Erprobung wie beim Güterichtermodell, sondern umfassend Methoden der Konfliktlösung anbietet, die die Selbstverantwortung der Parteien verwirklichen sollen. Für konsensuale Streitbeilegungsmetho-den ist der Markt die strukturell bessere Lösung.

In dieser extremen Form hat sich das Multi-Door-Courthouse in den U.S.A. jedoch nicht durchsetzen können, vielmehr nur in abgeschwächten Formen Verbreitung gefunden, bei der der Rechtsstreit an gerichtlich zertifizierte Mediatoren abgegeben wird.

34

32 Sander, 70 F.R.D. 111, 130 f. (1976). Der Begriff „Multi-Door-Courthouse“

wurde jedoch erst nachträglich geschöpft. Für einen Überblick und Diskussion et-wa Stempel, 11 Ohio St. J. on Disp. Resol. 297 ff. (1996).

In dieser Hinsicht sind

33 Deutlich Sander, J. Disp. Resol. 3, 8 (2000): „I believe the public dispute resolu-tion system should provide mediation and arbitration on the same basis as it pro-vides court adjudication, i.e., free.“

34 Vgl. statt vieler Neuenhahns Stellungnahme zu dem Bayerischen Güterichterpro-jekt in: Greger, a.a.O. (Fn. 21), S. 92 ff.; Pearlstein, 22 Ohio St. J. on Disp. Resol. 739 ff. (2007). Solange aber ein hinreichendes Angebot an Alternativen am Markt noch nicht oder nicht ausreichend und flächendeckend vorhanden ist, erscheint es vertretbar, zur weiteren Verbreitung der konsensualen Streitbeilegung den Weg des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO (Güterichter) neben der (vorzugswürdigen) Verweisung an externe Mediatoren über § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO subsidiär offen zu halten. Zu den Gründen für Marktversagen im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung

Jacob Joussen und Hannes Unberath

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die prinzipiellen Bedenken gegen die Mediation als richterlicher „Dienstleistung“, die in den Beiträgen Prüttings und Schmidts anklingen, wieder aufzugreifen: Die Kernaufgabe der Justiz im Rechtsstaat ist es, ein Verfahren durchzuführen, in dem streitig gewordene (und streitig gebliebene) Rechte der Parteien geklärt und notfalls zwangsweise durch-gesetzt werden. Der Zweck des Zivilprozesses ist der Schutz der subjek-tiven Rechte.35 Soweit der Zugang zum Gericht begehrt wird, kann er nicht nachhaltig unter Verweis auf die Möglichkeiten konsensualer Streitbeilegung verweigert werden. Das ist verfassungsrechtlich durch den Justizgewähranspruch verbürgt, den das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ableitet.36

Aus diesem Grund ist die Metapher eines Multi-Door-Courthouse durchaus problematisch, impliziert sie (bewusst), dass das klassische Gerichtsverfahren auf einer Ebene mit den Alternativen dazu stände, wo es doch um Grundverschiedenes geht: einerseits um die Herstellung des Rechtsfriedens in eigener Verantwortung, andererseits um die Überwin-dung des Naturzustands durch rechtsstaatlich gesetztes und angewende-tes Recht durch den mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Richter. Die „Al-ternativen“, die die Selbstverantwortung betonen, können daher aus der Perspektive des öffentlichen Rechts (wozu auch das Zivilverfahrensrecht zählt) „nur“ den Stellenwert eines Vorverfahrens beanspruchen, das den Weg zum „Hauptverfahren“ niemals versperren darf.

Die Ge-währung dieses Schutzes systematisch auszuhöhlen, käme schlicht dem Niedergang des Rechtsstaates gleich.

37

etwa Barendrecht/de Vries, 7 Cardozo J. Conflict Resol. 83 ff. (2005); Velikonja, 72 Alb. L. Rev. 257 ff. (2009).

Dass dieses Vor-verfahren wünschenswert ist und idealerweise das „Hauptverfahren“, also der Entscheidung eines Rechtsstreits durch den staatlichen Richter, überflüssig macht, hängt damit zusammen, dass die Herstellung des Rechtszustands durch staatlichen Eingriff in Form einer gerichtlichen

35 Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, S. 160 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, a.a.O. (Fn. 29), S. 2.

36 Vgl. etwa BVerfG, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 ff. m.w.N. 37 Im Übrigen ist die Zahl der staatlichen Gerichtsverfahren, die sich mit Mediation

und den in dort abgeschlossenen Vergleichen beschäftigen, in den U.S.A. parallel zum Aufkommen dieser Alternativen stark gestiegen, dazu Tochtermann, ZKM 2006, 168, 169 ff. Insofern verhält es sich statistisch vermutlich nicht anders als mit anderen „Verträgen“, deren Auslegung oder Durchführung einen Rechtsstreit auslösen kann. Dieser Zugang zum Gericht ist zur Kontrolle des Schiedsspruches auch im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur möglich, sondern zwingende Voraussetzung der Vollstreckung (vgl. nur §§ 1060 ff. ZPO).

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Entscheidung nur die beste uns bekannte Art ist, den Rückfall in die Barbarei zu verhindern, aber angesichts zahlreicher institutioneller Ein-schränkungen und der (unvermeidbaren) Gefahr von Fehlurteilen38

Darüber hinaus wird man jedoch bei der Förderung der alternativen Konfliktlösung nicht ganz ohne staatliche Regulierung auskommen. Dabei kann es mit Rücksicht auf den Justizgewähranspruch nicht um direkten Zwang und Ausschluss gehen, sondern um Aufklärung, Hilfe-stellungen, um Anreize und mittelbare Sanktionen, die der Staat zumin-dest übergangsweise vorsehen muss. Es ist damit zu rechnen (oder zu hoffen), dass Gerichte zunehmend selbst auf außergerichtliche Methoden der Konfliktlösung verweisen und diese damit dem eigentlichen Ge-richtsverfahren vorschalten (das ist das Modell des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO). Die außergerichtliche Streitbeilegung ist (soweit sie gewissen Qualitätsanforderungen entspricht) der innergerichtlichen Mediation in vielerlei Hinsicht überlegen. Dies ist schon deswegen der Fall, weil der für die prozessorientierten Konfliktlösungsverfahren stets erforderliche psycho-soziale Sachverstand außerhalb von Gerichtssälen besser zum Tragen kommt. Zu denken ist hier an die Durchführung der Mediation durch Nicht-Juristen, insbesondere Psychologen, und nicht zuletzt an die erfolgreiche Co-Mediation. Hier ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber zur Förderung der Mediation auch in dieser Hinsicht noch bestehende Hin-dernisse beseitigt, die etwa einer gesellschaftsrechtlichen Verknüpfung der beiden Berufszweige entgegenstehen.

nur subsidiär als ultima ratio zum Zuge kommen sollte.

39

Diesen Weg der vorgeschalteten Verweisung auf die außergerichtliche Streitbeilegung hat das Bundesverfassungsgericht in der bereits erwähn-ten Entscheidung für grundsätzlich gangbar erklärt:

40

38 Näher Unberath, ZZP 120 (2007), 323 ff.

„Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen. Er kann auch Anreize für eine einverständliche Streitbewältigung schaffen, etwa um die Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden zu fördern oder die staatlichen Gerichte zu entlasten.“

39 Vgl. zur interprofessionellen Mediationskanzlei mit Hinweis auf die Verfassungs-widrigkeit der gegenwärtigen Beschränkungen Hartung/Wendenburg, NJW 2009, 1551 ff. Zu den durch das RDG gesetzten Hürden krit. Tochtermann, ZKM 2007, 4 ff.

40 BVerfG, NJW-RR 2007, 1073, 1074.

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In England ist man da schon weiter. Die sog. Woolf-Reform von 1999 hat die ADR-Verfahren erheblich aufgewertet.41

Dagegen wird eingewendet werden, dass sich Zwang mit Mediation nicht verträgt. Man muss aber zunächst sorgfältig zwischen der Teil-nahme an dem Verfahren und dem Ergebnis des Verfahrens unterschei-den.

Danach müssen die Gerichte die Geeignetheit eines Falles für alternative Methoden generell prüfen und den Parteien gegebenenfalls eine außergerichtliche Streitbei-legung vorschlagen. Vor allem aber: Entsprechende Hinweise werden bei Nichtbefolgung durch Kostenregelungen sanktioniert. Ignoriert je-mand den Hinweis ohne guten Grund, trägt er die Kosten des gesamten Verfahrens auch bei Obsiegen. Angesichts der exorbitant hohen Kosten in England kommt dieser Sanktion eine faktische Zwangswirkung zu.

42 Das Ergebnis muss freilich ohne Zwang erreicht werden. Empiri-sche Studien haben aber gezeigt, dass es keinen Unterschied im Hinblick auf den Erfolg des Verfahrens macht, ob die Teilnahme auf Zwang oder Freiwilligkeit beruht.43

Die Teilnahme an einem vorgerichtlichen Verfahren kann aber auch in England nicht unmittelbar erzwungen werden. Den Zugang zum Gericht auf diese Weise zu erschweren, würde nach Ansicht des Court of Appeal gegen Art. 6 der Menschenrechtskonvention verstoßen,

Offenbar entwickelt das Verfahren genügend Eigendynamik. Verfassungsrechtlich, dazu sogleich, muss letztlich nur sichergestellt sein, dass der Zugang zum Zivilprozess letzten Endes offen steht.

44

41 Zu den Entwicklungen in England etwa G. Wagner, ZKM 2004, 100 ff.

die bekanntlich auch Deutschland bindet. Ironischerweise hat aber gerade diese Frage das Bundesverfassungsgericht anders beurteilt und in der bereits erwähn-ten Entscheidung in der obligatorischen Streitschlichtung nach § 15a EGZPO keine unzumutbare Beeinträchtigung des Zugangs zum Gericht

42 So schon Sander, J. Disp. Resol. 3, 7 f. (2000). 43 Vgl. Staub, ZBJV 2009, 404, 405 m.w.N. (zur Pflichtmediation als scheidungsbe-

zogene Kindsschutzmaßnahme im Schweizer Verfahrensrecht); Reynolds/Harris/ Peeples 85 N.C. L. Rev. 1629 ff. (2007) (zur Pflichtmediation in Sorgerechtsver-fahren in einigen U.S. Bundesstaaten); Sander, J. Disp. Resol. 3, 8 (2000). Eine anderslautende Einschätzung findet sich aber etwa bei Halsey v. Milton Keynes General NHS Trust [2004] EWCA Civ 576 para. 10 (per Dyson L.J.): „If the court were to compel parties to enter into a mediation to which they objected, that would achieve nothing except to add to the costs to be borne by the parties, possibly postpone the time when the court determines the dispute and damage the perceived effectiveness of the ADR process.“

44 Halsey v. Milton Keynes General NHS Trust [2004] EWCA Civ 576 para. 9 (per Dyson L.J.).

Stand und Perspektiven der konsensualen Streitbeilegung

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gesehen.45 Ungeachtet dieser kontroversen Frage, ist es sehr bedauerlich, dass man in Deutschland für einen ganz kleinen Bereich mit § 15a EGZPO in wenig effektiver Form direkten Zwang vorgesehen hat, statt, wie die pragmatischeren Engländer, in der Breite der Verfahren einen mäßigen aber sehr effektiven Anreiz zu setzen.46

Die Praxis der englischen Gerichte strahlt auf das Vorfeld des Ge-richtsverfahrens aus. Auch dies ist wegweisend für uns. Englische Ge-richte betonen mittlerweile in gefestigter Rechtsprechung, dass Rechts-anwälte verpflichtet sind, die Möglichkeit eines ADR-Verfahrens routi-nemäßig zu prüfen. Dabei halten englische Gerichte grundsätzlich alle Fälle für mediationsgeeignet. Dies gilt selbst für Haftungsfälle, die nach dem Verständnis hierzulande als typisches Beispiel für einen Konflikt gelten, der für Mediation ungeeignet sei. Was das in der Praxis bedeutet, lässt sich etwa anhand einer Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Dunnet v. Railtrack aus dem Jahre 2002 ersehen.

47 Frau Dunnet, die Betreibern eines Gestüts, verklagte die Eisenbahngesellschaft Railtrack auf Schadensersatz, weil drei ihrer Pferde bei einer Kollision auf den Gleisen zu Tode kamen. Nach Ansicht von Frau Dunnet hatte Railtrack nicht hinreichend für Sicherheit gesorgt. Railtrack verweigerte sich einer vom Gericht vorgeschlagenen Mediation, da das Unternehmen trotz Vergleichsangebotes die Haftungslage für eindeutig hielt. Railtrack gewann sodann zwar den Prozess, musste aber als Konsequenz der an-fänglichen Weigerung die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Die-ses Ergebnis dürfte selbst für hiesige Mediationsbefürworter überra-schend weit gehen. Brooke L.J. schrieb dem Prozessbevollmächtigten der Eisenbahngesellschaft ins Stammbuch: „Die Beklagte hat den Zweck der außergerichtlichen Streitbeilegung missverstanden. Fähige Mediato-ren sind durchaus in der Lage, auch und gerade in Haftungsfällen ange-messene Lösungen für beide Seiten zu erzielen, die weit jenseits dessen liegen, wozu Richter und Rechtsanwälte mächtig sind.“48

45 BVerfG, NJW-RR 2007, 1073, 1075.

46 Vgl. bereits Greger, ZRP 1998, 183 ff. 47 Dunnet v. Railtrack [2002] EWCA Civ 303 (C.A.); dazu Greger/Engelhardt,

ZKM 2003, 4. 48 Dunnet v. Railtrack [2002] EWCA Civ 303, para. 14, das vollständige Zitat lautet:

„Mr Lord, when asked by the court why his clients were not willing to contem-plate alternative dispute resolution, said that this would necessarily involve the payment of money, which his clients were not willing to contemplate, over and above what they had already offered. This appears to be a misunderstanding of the purpose of alternative dispute resolution. Skilled mediators are now able to

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Im deutschen Recht ist die Entwicklung noch nicht so weit fortge-schritten. § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO gestattet zwar dem Richter, den Partei-en eine außergerichtlichen Streitbeilegung vorzuschlagen. Weigert sich eine Partei ohne nachvollziehbaren Grund, bleibt dies ohne Sanktion. Hier wäre eine Erweiterung des Veranlasserprinzips zu befürworten, doch muss der Gesetzgeber diesen Schritt gehen.49

Immerhin geht aber das bereits erwähnte FamFG einen zaghaften Schritt in die englische Richtung: So kann das Gericht z.B. anordnen, dass die Ehegatten bezüglich Folgesachen zu einem Scheidungsverfah-ren an einem Informationsgespräch über die Möglichkeit der außerge-richtlichen Streitbeilegung teilnehmen. Das Gericht kann eine solche auch selbst vorschlagen. Ähnliches gilt für Kindschaftssachen. Interes-sant ist nun die Kostenregelung bei Scheidungs- und Folgesachen in § 150 FamFG: „[Das Gericht] kann [bei der Kostenverteilung] auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch [über die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung] nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.“ Dem FamFG dürfte mit seinen sanktionsbewehrten Hinweis- und Informationspflichten insofern Modellcharakter für andere Bereiche zukommen. Insgesamt dürften

In der Praxis erfolgt zudem ohnehin fast nie ein entsprechender Hinweis. Die Vorschrift läuft noch leer.

achieve results satisfactory to both parties in many cases which are quite beyond the power of lawyers and courts to achieve. This court has knowledge of cases where intense feelings have arisen, for instance in relation to clinical negligence claims. But when the parties are brought together on neutral soil with a skilled mediator to help them resolve their differences, it may very well be that the media-tor is able to achieve a result by which the parties shake hands at the end and feel that they have gone away having settled the dispute on terms with which they are happy to live. A mediator may be able to provide solutions which are beyond the powers of the court to provide.“ Die Richter drückten zudem die Hoffnung aus, dass das Urteil möglichst weithin publik gemacht werde, damit die Rechtsanwälte an ihre Pflicht erinnert werden, die alternative Streitbeilegung ernst zu nehmen, ebda. para. 15. Enger jedoch wiederum Halsey v. Milton Keynes General NHS Trust [2004] EWCA Civ 576 (CA). Die englische Praxis lässt sich derzeit jeden-falls nicht ohne Weiteres generalisieren. Vgl. nachfolgend etwa Burchell v. Bul-lard & Ors [2005] EWCA Civ 358 (CA); Hickman v. Lapthorn [2006] EWHC 12 (QB); Nigel Witham Ltd v. Smith & Anor (No. 2) [2008] EWHC 12 (TCC).

49 So zutreffend auch Mankowski, ZKM 2004, 8, 12, der immerhin eine Gesamtana-logie erwägt.

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Kostenanreize und -sanktionen ein effektiver Weg zur Förderung der Mediation durch den Gesetzgeber sein.50

Wir kommen damit zu der Ausgangsthese zurück. Auch in Deutsch-land werden wir uns alle über kurz oder lang mit „alternativen“ Verfah-ren vertraut machen müssen. Das gilt selbst für diejenigen Praktiker, die nicht vorhaben, selbst als Mediatoren tätig zu sein. Denn auch als Bera-ter oder Rechtsanwalt einer Partei ist es sinnvoll und wird es wahrschein-lich zukünftig auch verpflichtend werden, die Geeignetheit des Konflik-tes für eine außergerichtliche Lösung zu überprüfen. Um diesen Weg im Arbeitsrecht zu erleichtern, sollte die Jenaer Tagung eine Orientierungs-hilfe geben.

50 Für einen rechtsvergleichenden Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten

Hopt/Steffek, a.a.O. (Fn. 7), S. 28 ff. Denkbar wäre etwa auch die Aussicht auf ei-nen (teilweisen) Erlass von Gerichtsgebühren bei Inanspruchnahme außergericht-licher Mediation. Vgl. mit ähnlicher Tendenz Graf-Schlicker, ZKM 2009, 83 ff.