Becken End Lage

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Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi 19.2.2006 Lageanomalien inkl. Beckenendlage 1. Allgemeines Bei ausgetragenen Schwangerschaften kommt es in 92-93% zur regelrechten Geburt aus vorderer Hinterhauptslage. Der Rest umfasst Regelwidrigkeiten wie: hintere Hinterhauptslage 3.5% Deflexionshaltungen 1% (Vorderhaupt/Stirn/Gesicht) Beckenendlage 3-5% Querlage 0.3-0.4% Bei Frühgeburten ist die Frequenz geburtsmechanischer Regelwidrigkeiten deutlich erhöht (dorsoposteriore Schädellage 10%, Beckenendlage 15%, Querlage 3%). 2. Quer- und Schräglage Bei der Längslagen (Schädel- und Beckenendlage) verlaufen Längsachse des Kindes (Rumpf) und Führungslinie des Geburtskanals parallel. Bilden beide Achsen einen rechten Winkel, liegt eine Querlage vor, bei einem spitzen Winkel eine Schräglage. Die Schräglage entspricht einer "instabilen" Lage, welche sich unter Wehen in eine Längs- oder Querlage einstellt, weshalb in der Folge nur noch die Querlage weiter besprochen wird. Häufigkeit: Die Inzidenz der Querlage wird auf 0.3-0.4% beziffert, wobei diese mit zu- nehmender Parität ansteigt. So haben Frauen mit St.n. > 4 Geburten eine 10fach höhere Rate an Querlagen als Nulliparae. Prädisponierende Faktoren für eine Querlage sind: Höhere Parität mit Überdehnung der Bauchdecken ("schlaffes und weites Cavum uteri der Vielgebärenden") Frühgeburt Plazenta praevia Uterusanomalien (Uterus arcuatus oder subseptus) Polyhydramnion Mehrlinge Tumoren im kleinen Becken (zB. Myome) Fetale Fehlbildungen

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Lageanomalien inkl. Beckenendlage

1. Allgemeines

Bei ausgetragenen Schwangerschaften kommt es in 92-93% zur regelrechten Geburt aus

vorderer Hinterhauptslage. Der Rest umfasst Regelwidrigkeiten wie:

• hintere Hinterhauptslage 3.5%

• Deflexionshaltungen 1%

(Vorderhaupt/Stirn/Gesicht)

• Beckenendlage 3-5%

• Querlage 0.3-0.4%

Bei Frühgeburten ist die Frequenz geburtsmechanischer Regelwidrigkeiten deutlich erhöht

(dorsoposteriore Schädellage 10%, Beckenendlage 15%, Querlage 3%).

2. Quer- und Schräglage

Bei der Längslagen (Schädel- und Beckenendlage) verlaufen Längsachse des Kindes (Rumpf)

und Führungslinie des Geburtskanals parallel. Bilden beide Achsen einen rechten Winkel,

liegt eine Querlage vor, bei einem spitzen Winkel eine Schräglage.

Die Schräglage entspricht einer "instabilen" Lage, welche sich unter Wehen in eine Längs-

oder Querlage einstellt, weshalb in der Folge nur noch die Querlage weiter besprochen

wird.

Häufigkeit: Die Inzidenz der Querlage wird auf 0.3-0.4% beziffert, wobei diese mit zu-

nehmender Parität ansteigt. So haben Frauen mit St.n. >4 Geburten eine 10fach höhere

Rate an Querlagen als Nulliparae.

Prädisponierende Faktoren für eine Querlage sind:

• Höhere Parität mit Überdehnung der Bauchdecken ("schlaffes und weites Cavum

uteri der Vielgebärenden")

• Frühgeburt

• Plazenta praevia

• Uterusanomalien (Uterus arcuatus oder subseptus)

• Polyhydramnion

• Mehrlinge

• Tumoren im kleinen Becken (zB. Myome)

• Fetale Fehlbildungen

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• Enges Becken (selten)

Diagnose: Durch Inspektion und Leopold'sche Handgriffe, welche zeigt:

• querovales Abdomen mit breitem, niedrig stehenden Fundus uteri

• querliegende Fruchtwalze

• ballotierender Kopf seitlich

• kein vorangehender Teil.

Die vaginale Untersuchung (kleines Becken leer) und die Sonographie bestätigen die Diag-

nose endgültig.

Je nach Stellung des Kopfes wird zwischen I. Querlage (Kopf links) und II. QL (Kopf rechts)

unterschieden, gemäss Stellung des Rückens wird unterschieden zwischen dorsoanterior

(Rücken vorne), dorsoposterior (Rücken hinten), dorsosuperior (Rücken oben) und dorsoinfe-

rior (Rücken unten).

NB: Bei der dorsosuperioren Querlage kommt es häufiger zu einem Nabelschnurvorfall.

Bei jeder Variante der Querlage zentriert sich die Schulter in den Beckeneingang dh. vo-

rangehender Teil ist immer die Schulter.

Geburtsverlauf: Die Querlage ist eine gebärunmögliche Lage und muss per Sectio entbun-

den werden, falls diese nicht in eine Längslage gebracht werden kann. Als Geburtskompli-

kationen der Querlage typisch sind vorzeitiger Blasensprung, Nabelschnurvorfall und Über-

dehnungsruptur des Uterus.

Die Geburt der Querlage wird in 3 Phasen unterteilt:

• Seitliche Abknickung des Uterus in der Eröffnungsperiode mit Verschlechterung der

uteroplazentaren Durchblutung, was ein fetales Azidoserisiko mit sich bringt.

• Bei Blasensprung und teilweiser Muttermundseröffnung kann es zu Vorfall von Arm

und/oder Nabelschnur kommen, wobei der Nabelschnurvorfall bei Querlage nicht

ganz so gefährlich ist wie bei Schädellage. Der Fetus wird allerdings zunehmend ge-

fährdet durch eine weitere Beeinträchtigung der uteroplazentaren Durchblutung

sowie zunehmenden Abknickung der Halswirbelsäule mit Zirkulationsstörung der

Hirngefässe.

• "Katastrophenphase" bei vollständigem Muttermund: Verkeilung der Schulter mit

Ausziehung des unteren Uterinsegments auf der Seite des Kopfes (schräg nach o-

ben verlaufende Bandl-Furche), Achterform der Gebärmutter, bei "verschleppter

Querlage" intrauterines Absterben des Kindes, (drohende) Uterusruptur.

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NB: In dieser Geburtsphase sind Manipulationen am Uterus nicht nur wirkungslos,

sondern wegen Gefahr der Uterusruptur kontraindiziert.

Therapie: Vor Geburtsbeginn expektativ, da es noch zu einer Spontanwendung in eine

Längslage kommen kann. In einer Studie kam es bei 83% zu einer Wendung in eine Schä-

dellage (52%) bzw. Beckenendlage (31%) - nur bei 17% blieb es bei einer Querlage. We-

gen der Gefahr eines Nabelschnurvorfalls bei Blasensprung sollte unter stationären Bedin-

gungen zugewartet werden.

Bei stehender Fruchtblase und vor Wehenbeginn kommt eine äussere Wendung in Frage,

welche am besten bei Polyhydramnion und Multiparae gelingt. Der ideale Zeitpunkt liegt

etwa bei 34-37 SSW, da vorher das Kind noch unreif, danach das Risiko von Blasen-

sprung/Nabelschnur-Vorfall erhöht ist. Die Gefahr der Rückdrehung liegt unter 5%, nach

der 37. SSW kann die Geburtseinleitung angeschlossen werden. Es kann aber auch zuge-

wartet werden.

Die Sectio ist nach erfolglosem bzw. nicht mehr durchführbarem Wendungsversuch die Me-

thode der Wahl. Da das untere Uterinsegment leer ist, kann die Extraktion über einen

isthmischen Querschnitt schwierig sein, weshalb der Längsschnitt empfohlen wird.

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Prognose: Mütterliche und kindliche Morbidität sind bei Querlage deutlich erhöht, v.a. auf-

grund der Assoziation mit Plazenta praevia, Nabelschnurvorfall, Frühgeburtlichkeit usw. mit

Notwendigkeit einer Sectio.

Höchstes Risiko besteht nach Wehenbeginn und Blasensprung! Die meisten mütterlichen

Todesfälle sind durch eine Uterusruptur bedingt.

3. Beckenendlage

Die Beckenendlage ist eine Längslage mit regelwidriger Poleinstellung. Führender Teil ist der

Steiss (deshalb auch "Steisslage"), der Rücken ist praktisch immer nach vorne gerichtet. Je

nach Haltung der Beine werden 7 verschiedene Formen der Beckenendlage unterschieden:

Form der Becken-

endlage

Haltung der Beine vorangehender

Teil

grösster Umfang im

Bereiche des kindli-

chen Steisses

Einfache "reine"

Steisslage

Beide Beine hochge-

schlagen

Steiss 28cm

Vollkommene Steiss-

Fuss-Lage

Beide Beine angehockt Steiss und daneben

beide Füsse

33cm

Unvollkommene

Steiss-Fuss-Lage

Ein Bein angehockt, ei-

nes hochgeschlagen

Steiss und daneben

ein Fuss

30cm

Vollkommene Fussla-

ge

Beide Beine ± nach un-

ten gestreckt

Beide Füsse 25cm

Unvollkommene

Fusslage

Ein Bein hochgeschla-

gen, eines ± nach unten

gestreckt

Ein Fuss 27cm

Vollkommene Knie-

lage

Beide Beine in "Betstel-

lung"

Beide Knie 25cm

Unvollkommene

Knielage

Ein Bein hochgeschla-

gen, eines in "Betstel-

lung"

Ein Knie 27cm

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Bei der reinen oder einfachen Steisslage sind die Beine vor Thorax und Abdomen hochge-

schlagen und meist etwas überkreuzt. Die Beckenendlage mit extended legs ist die ge-

burtsmechanisch ungünstigste Variante, da die gestreckten Beine den Rumpf schienen , so

dessen Abbiegung behindern und damit die Austreibungsperiode verzögern.

Bei der Steiss-Fuss-Lage sind die Beine "angehockt" dh. Hüft- und Kniegelenke sind ge-

beugt und die Füsse liegen neben dem Steiss. Diese Lage ist geburtsmechanisch günstiger.

Sind die Beine mehr gestreckt, sodass die Füsse führen, spricht man von einer Fusslage. Ei-

ne seltenere Variante ist die Knielage, bei welcher die Knie führen.

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Bei allen Lagen gibt es eine vollständige Form, bei welcher beide Beine die entsprechende

Lage einnehmen und eine unvollständige Form, bei welcher ein Bein die entsprechende La-

ge einnimmt und das andere Bein hochgeschlagen oder abgewichen ist.

Die Differenzierung dieser 7 Varianten mittels vaginaler und sonographischer Untersuchung

hat Konsequenzen für die Planung der Geburt, da der Umfang des vorangehenden Teils

jeweils unterschiedlich ist. Da bei den Fuss- und Knielagen dieser Umfang ungünstig ist, er-

folg hier eine Entbindung per Kaiserschnitt.

Inzidenz: Die Häufigkeit der Beckenendlage ist abhängig von der Tragzeit und nimmt mit

zunehmender Dauer der Schwangerschaft ab. So finden sich bei 21-24 SSW noch 33.3%

der Kinder in Beckenendlage, am Termin dagegen nur noch 3-5%. Das erklärt auch, wa-

rum sich Frühgeburten häufiger in Beckenendlage befinden.

Prädisponierende Faktoren: Die Bevorzugung der Schädellage erklärt sich aus der Birnen-

form des Uterus bzw. der leichtesten Anpassung, welche das Kind an diese Form machen

kann. Kindsbewegungen und uterine Kontraktionen bei abnehmender Fruchtwassermenge

unterstützen diesen Anpassungsprozess.

Bei Fällen mit Beckenendlage sind die folgenden prädisponierenden Faktoren bekannt:

• noch nicht erfolgte Wendung der Frucht

- Frühgeburt

- mangelhafte Vitalität der Frucht (verminderte Kindsbewegungen, Plazentainsuffi-

zienz)

- totes Kind

• Behinderung der Fruchtwendung

- Oligohydramnion

- kurze Nabelschur

- Uterusanomalien (Doppelbildungen, Uterus arcuatus oder subseptus)

- Uterustumoren (Myome)

- Straffer Fruchthalter der späten Erstgebärenden

- "extended legs"

- Muskuläre Hypotonie, Fehlbildungssyndrome

- Mehrlinge

• Abnorme Beweglichkeit der Frucht

- Polyhydramnion

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- Weites, schlaffes Cavum (Multipara)

- Frühgeburt

• Störung des "Auffangmechanismus" des Kopfes

- Abnorme Kopfform (Anencephalus, Hydrocephalus)

- Placenta praevia

- Zervixmyom

- Enges Becken (selten)

Es gibt aber auch Frauen, bei denen keine Erklärung für das Vorliegen einer Beckenendla-

ge gefunden wird.

Die Rate an Fehlbildungen bei Beckenendlage ist 2-3 Mal höher als bei Schädellage, womit

die Beckenendlage als "schlechtes Omen" für allfällig vorliegende Schäden gelten kann. In

diesem Kontext sind mögliche Schädigungen des Kindes nicht immer geburtsbedingt, son-

dern oft vorbestehend!

Diagnose der Beckenendlage: Die Beckenendlage wird mit den folgenden diagnostischen

Mitteln erkannt:

• äussere Untersuchung

- kein Ballotement über Beckeneingang, wohl aber im Fundus uteri

- kindliche Herztöne in Nabelgegend

• vaginale Untersuchung

- Kein glatter, harter Schädel mit Fontanelle und Nähten, stattdessen weiche, unre-

gelmässige Oberfläche mit Analfalte und Anus

- Crista sacralis des Kindes tastet sich über Os sacrum der Mutter

- ev. kleine Teile

• Sonographie

- Abdominalsonographische Lagebestimmung (Rücken, Beine, Kopfstellung)

Zur Vermeidung von Verletzungen muss die Unterscheidung zwischen Mund und After

nicht palpatorisch erzwungen werden, stattdessen Ultraschalluntersuchung.

Bei geplanter vaginaler Beckenendlagengeburt kann eine Pelvimetrie mittels CT oder MRI

wichtige Entscheidungsgrundlagen liefern, während die Beckenaustastung lediglich grob-

orientierenden Charakter hat.

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Äussere Wendung: Mittels äussseren Manipulationen wird versucht, eine Querlage in eine

Längslage bzw. eine Beckenendlage in eine Schädellage zu überführen. Im ersteren Fall

wird eine gebärmögliche Lage erzielt, im zweiten Fall die risikoärmere Schädellage einge-

stellt. Damit werden auch Kosten und Aufwand gesenkt, indem weniger Kaiserschnitte und

andere ärztliche Massnahmen notwendig sind.

Voraussetzungen zur äusseren Wendung der Beckenendlage sind:

• sichere Tragzeit von >37 SSW (kindliche Lungenreife gegeben)

• keine Kontraindikationen für Tokolyse, Wehentätigkeit und vaginale Entbindung

aus Schädellage

• Laparotomiebereitschaft

- Nüchternheit >6h

- Operationsbereitschaft (E-E-Zeit <20 Minuten)

- Unterschriftliche Einwilligung und Aufklärung für Narkose und Sectio

• Präinterventionelle Diagnostik

- Normales CTG über 30 Minuten vor dem Manöver

- Ausschluss von Plazentainsuffizienz und fetaler Bedrohung (Fetometrie, Doppler)

- Ultraschall: Plazentalokalisation, Fruchtwassermenge, Nabelschnur, Rücken des

Kindes

Mit den Manipulationen ist eine für das Kind tolerable Belastung verbunden, welche sich in

passageren Dezelerationen und Bradykardie äussert, welche sich rasch wieder erholen. Aus

diesem Grund ist ein normales Ausgangs-CTG wichtig, um Hinweise für Nabelschnurum-

schlingen oder fetal distress nicht zu übersehen.

Kontraindikationen für eine äussere Wendung sind:

• Absolute Kontraindikationen

- Sectionindikationen wie Plazenta praevia, Kopf-Becken-Missverhältnis, Plazentain-

suffizienz, Wachstumsretardierung.

- Pathologisches CTG

- Dopplersonographische Hinweise auf Nabelschnurumschlingung sowie pathologi-

sche Flussmuster

- Rezidivierende Blutungen in der 2. Schwangerschaftshälfte

- Schwere Präeklampsie, HELLP-Syndrom

- Rh-Konflikt

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- Uterusmissbildungen

- Vorzeitiger Blasensprung

• Schwere fetale Fehlbildungen

• Relative Kontraindikationen

- Oligohydramnion

- Ausgeprägte Adipositas

- Vorderwandplazenta

- Zervixinsuffizienz

- St.n. Uterotomie (Sectio, Myomenukleation)

- Vorliegen der Nabelschnur.

Zur praktischen Durchführung der äusseren Wendung siehe separates Blatt.

Zur äusseren Wendung gibt es die folgenden alternativen Methoden:

• Moxibustion: Abbrennen von Bleifussblättern über klassischen Akupunkturpunkten,

Applikation von Wärme über 15-20 Minuten. Tägliche Behandlung über 7-10 Tage.

• Zilgrei-Methode: Spezielle Atemtechnik, liegend und stehend ausführbar.

• Indische Brücke: Lagerung mit hohlem Kreuz und erhöhtem Becken.

4. Geburt aus Beckenendlage

Solange die Fruchtblase steht und keine Wehen eingesetzt haben, kann grundsätzlich noch

eine spontane Wendung in eine Schädellage erfolgen. Deshalb muss bei primären Sectiones

bei Beckenendlage die Kindslage unmittelbar präoperativ nochmals überprüft werden.

Bei Beckenendlagen ist nach der Geburt des weichen und modellierbaren Rumpfes die Ge-

burt des Kopfes nur durch geburtshilfliche Kunstgriffe zu erwarten. Diese Phase der Geburt

des Kopfes ist denn auch die heikle und riskante Phase der Geburt, während welcher die

eigentlichen Komplikationen auftreten.

Im Jahre 2000 wurde im Lancet eine prospektiv randomisierte Multicenter-Studie (sog.

«Breech Trial») veröffentlicht, welche die geplante Sectio mit der geplanten Spontangeburt

aus BEL verglich. Diese Studie kam zum Schluss, dass im Falle einer primären Sectio die Rate

an peri- und neonataler Morbidität und Mortalität signifikant geringer ist als bei vaginaler

Spontangeburt, weshalb die Sectio als bevorzugter Geburtsmodus bei BEL empfohlen wur-

de.

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Diese Empfehlung wurde bereitwillig aufgenommen (v.a. in den USA, wo die Ärzte häufig

Haftpflichtprozessen ausgesetzt sind) und hat die Praxis der Beckenendlagen-Geburt nach-

haltig beeinflusst. In den folgenden Jahren kamen aber zunehmend gravierende methodi-

sche Mängel dieser Studie ans Licht (Glezerman, Am J Obstet Gynecol. 2006 Jan; 194(1):20-

5), sodass diese Empfehlung heute eigentlich nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Einigkeit herrscht, dass die Selektion für eine Spontangeburt aus BEL nach strengen Krite-

rien geschehen muss, dass ein erfahrener Geburtshelfer zur Verfügung stehen muss und

dass das Spital die nötige Infrastruktur (Anästhesist, Kinderarzt, rasche Sectiomöglichkeit)

aufweisen muss, um die nötige Sicherheit zu gewährleisten.

Notwendige Massnahmen vor Geburt aus Beckenendlage: Die Beckenendlagenge-

burt ist eine Risikogeburt und benötigt ein höheres Mass an apparativen und personellen

Vorkehrungen.

• Abklärungen vor Geburt:

o Ausschluss eines kephalopelvinen Missverhältnisses durch Messsung des mütterli-

chen Beckens sowie des kindlichen Kopfes mittels CT/MRI. Dabei wird gefordert,

dass die Differenz zwischen Conjugata vera und biparietalem Kopfdurchmesser

mindestens 1.5cm beträgt.

o Ausschluss einer Hyperextension des kindlichen Kopfes: Die vaginale Beckenend-

lagegeburt bei Hyperextension des kindlichen Kopfes ist kontraindiziert, da diese

Haltung geburtsmechanisch ungünstig ist bzw. hier das Risiko von neurologi-

schen Schäden und von Rückenmarksläsionen erhöht ist.

• Wahl des Entbindungsverfahrens: Nach Prüfung aller Vorbedingungen, Ausschluss

von Kontraindikationen, Aufklärung und Einverständniserklärung der Patientin kann

gegebenenfalls die vaginale Beckenendlagengeburt geplant werden. Seit der Ver-

öffentlichung des «Breech-Trials» hat sich allerdings zunehmend die Sectio als Ent-

bindungsmodus bei Beckenendlage durchgesetzt.

• Personalbedarf: Nebst einer Hebamme, welche ausschliesslich für die Gebärende

zur Verfügung steht, werden benötigt: 1-2 Geburtshelfer, Narkoseteam und Neo-

natologe. Ein Operationssaal sowie die Möglichkeit zur neonatalen Reanimation

müssen vorhanden sein.

• Fetale Überwachung: Kontinuierliche CTG-Überwachung während der ganzen Ge-

burt! Dies ist insbesondere wegen der Gefahr eines Nabelschnurvorfalls unerlässlich.

Nach einem Blasensprung muss deshalb eine Kontrolle der kindlichen Herztöne mit-

tels CTG sowie eine vaginale Untersuchung erfolgen.

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Geburtsmechanik bei Beckenendlage: Diese Bilderfolge zeigt die einzelnen Phasen einer

Beckenendlagengeburt auf. Als Besonderheiten hervorzuheben sind:

• Schräger Eintritt des Streisses im Beckeneingang, wenn dieser am Beckenboden

ankommt, befindet er sich im Längsdurchmesser mit dem Rücken in seitlicher Positi-

on, die vordere Gesässhälfte führt.

• Lenden- und Brustwirbelsäule müssen sich seitlich abbiegen ("Lateralflexion"), um

sich dem Knie des Geburtskanals anzupassen. Bei hochgeschlagenen Beinen ist diese

Lateralflexion durch die Schienung der Beine erschwert, was die protrahierte Aus-

treibungsperiode in diesem Falle erklärt.

• Wenn Steiss und Beine geboren sind wird die Lateralflexion aufgehoben und der

Rücken dreht sich nach vorn, um den Eintritt der Schultern ins Becken zu ermögli-

chen.

• Die Schultern drehen sich in den geraden Durchmesser und ermöglichen gleichzeitig

dem Kopf den Eintritt ins Becken. Zuerst wird die vordere, dann die hintere Schulter

im tiefen Gradstand geboren.

• Der Kopf ist üblicherweise flektiert dh. das Kinn berührt die Brust. Der Kopf tritt im

schrägen Durchmesser ins Becken und dreht sich dann mit dem Hinterhaupt nach

vorn unter die Symphyse, um unter beibehaltener Flexion auszutreten.

• Der Rücken dreht sich insgesamt 2x zur Seite und 2x nach vorn, durch das Knie des

Geburtskanal richtet sich der geborene Rumpf steil nach oben.

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Prinizipien der Geburtsleitung bei vaginaler Entbindung: Eine dauernde CTG-

Ableitung ist notwendig, um einerseits einen okkulten Nabelschnurvorfall zu erfassen und

andererseits den kindlichen Zustand permanent zu überwachen, um rechtzeitig eine Sectio

indizieren zu können.

Eine Periduralanästhesie (PDA) ist von Vorteil, da diese nebst der Schmerzminderung eine

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Relaxation des Beckenbodens bewirkt, welche die Austreibung erleichtert. Mindestens soll-

te eine Pudendus- und Dammanästhesie angelegt werden.

Zur assistierten Spontangeburt befindet sich die Gebärende in Steinschnittlage. Anästhesist

und eventuell Neonatologe müssen "stand-by" gehalten werden.

Assistierte Spontangeburt: Wichtig ist es, den

natürlichen Geburtsmechanismus ungestört ablaufen

zu lassen. Man verfolgt den natürlichen Geburtsverlauf

passiv, bis sich der Steiss kräftig an den Damm

anstemmt. Erst wenn der Steiss durchzuschneiden

beginnt, soll dieser während 2-3 Wehen

zurückgehalten werden, während die Gebärende die

Wehen veratmet, damit sich eine kräftige Wehe

aufbauen kann. Bei höchster Dammanspannung

Schneiden einer grossen Episiotomie. Die Fruchtwalze

wird nun ohne Zug nach oben in Richtung Symphyse

der Mutter geführt. Idealerweise kommt es mit der

nächsten Wehe zur vollständigen Geburt des Kindes,

indem Arme, Schultern und Kopf nacheinander

geboren werden - der Geburtshelfer hält das Kind

lediglich in ausgeprägter Lordose nach oben und führt

es um die mütterliche Symphyse. Diese Phase kann

zusätzliche durch einen Syntocinon-Bolus unterstützt

werden (Bilder a und b).

Die Manualhilfe nach Bracht unterscheidet sich vom

obigen Vorgehen durch das zusätzliche Ausüben einer

Kompression von oben auf den uterinen Fundus (Bild c).

Es empfiehlt sich, eine Syntocinon-Infusion

bereitzuhalten, um einer Wehenschwäche in der Austreibungsperiode rasch entgegenwir-

ken zu können.

Allgemein gilt, dass das Kind hypoxiegefährdet ist, sobald die Spitze des Schulterblatts bzw.

der Nabelschnuransatz geboren sind.

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Zwischen Sichtbarwerden von Nabelschnuransatz und Scapulaspitze sollten höchstens 3-5

Minuten bis zur Geburt vergehen. Gegebenenfalls sind in dieser Phase Extraktionsoperatio-

nen mit Armlösung und Kopfentwicklung nötig.

Kombinierte Armlösung nach Bickenbach: Diese Methode ist eine Kombination aus

klassischer Armlösung und Armlösung nach Müller deren Vorteil darin liegt, dass kein Dre-

hen des Kindes notwendig ist.

Zuerst wird - analog der klassischen Armlösung - zuerst der hintere Arm aus der Kreuzbein-

höhle gelöst. Die bauchseitige Hand hält das Kind an den Füssen unter gleichbleibendem

Zug hoch, nachdem das Kind zuerst kräftig gestreckt und fussbodenwärts gezogen und

dann steil nach oben in die Leistenbeuge der Mutter geschlagen wurde, um die hintere

Schulter möglichst weit nach unten zu bringen. Dann geht die andere Hand rückenseitig

ein, wird an der hinteren Schulter des Kindes vorbei geschoben, dann wird mit mindestens

2 parallel zum Oberarm gelegten Fingern der hintere Arm herausgewischt.

Zur Entwicklung des vorderen Armes wird der Körper unter Zug gesenkt und nach hinten

gezogen, mit der rückenseitigen Hand wird der vordere Arm durch eine wischende Bewe-

gung unter der Symphyse herausgestreift werden.

Gelingt das nicht, kann analog der klassischen Armlösung das Kind um 180° umgestopft

werden (Rücken über vorn) und der dann hinten liegende Arm kann wie oben beschrieben

gelöst werden.

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Kopfentwicklung nach Veit-Smellie: Der Veit-Smellie'sche Handgriff dient der Entwick-

lung des Kopfes, nachdem die Schultern und Arme geboren worden sind. Dieser Handgriff

wird entweder bei fehlender spontaner Kopfgeburt im Rahmen des Bracht'schen Hand-

griffs oder nach Armlösungen angewendet.

Nach Geburt (oder Lösung) der Arme steht der Rücken noch schräg seitlich, der im Becken

sich befindende Kopf ebenfalls. Auf der Bauchseite des Kindes geht der Operateur in die

Scheide ein, während die äussere Hand auf der Rückenseite des Kindes gabelförmig die

Schultern umgreift.

Das Kind reitet auf dem bauchseitig eingeführten Vorderarm, mit dem Zeigefinger dieser

Hand geht man in den kindlichen Mund ein, um die Kopfeinstellung und -haltung zu kon-

trollieren. Der Kopf soll:

- in den geraden Beckendurchmesser (Mund nach dorsal) gebracht und

- flektiert werden (Kinn auf Brust), um den günstigsten Umfang einzunehmen.

Mit der äusseren, rückenseitig den Nacken fassenden Hand wird der Kopf abwärts gezo-

gen, bis die Nacken-Haar-Grenze unter der Symphyse sichtbar wird. Unter Beibehalten des

Zuges - die Nacken-Haar-Grenze fungiert als Hypomochlion - wird der bauchseitige "Reit-

arm" langsam symphysenwärts angehoben, womit der Kopf entwickelt wird.

In der Phase, in welcher das Kinn über den Damm getreten ist, können durch langsames

Vorgehen und eventuell ein Dammschutz durch eine Hilfsperson grössere Dammverletzun-

gen vermieden werden.

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Falls nötig kann auch eine Zangenextraktion des nachfolgenden Kopfes vorgenommen

werden, wobei eine Assistenz das Kind leicht nach oben in Lordose hält, während die Zan-

genlöffel in üblicher Weise angelegt werden.

Mütterliche Prognose: Die vaginale Beckenendlagengeburt ist für die Mutter schonender

als die Sectio. Trotzdem bestehen gewisse Risiken der Vaginalgeburt wie:

• Infektionen durch intravaginale und ev. intrauterine Manipulationen

• Uterusruptur bei ausgezogenem unteren Uterinsegment und schwieriger

Kopfentwicklung

• Zervixrisse, vor allem durch Kindsentwicklung bei noch nicht vollständiger Mutter-

mundseröffnung

• ausgedehnte Episiotomie

• uterine Atonie mit erhöhtem Blutverlust (Anästhesie).

Bei der Sectio treten häufiger auf: Fieber post partum, Transfusionen, Thromboembolien,

zudem ist die Dauer der Hospitalisation länger. Ebenfalls sind häufiger:

• Re-Sectio

• Narbendehiszenz (Uterusruptur)

• Hysterektomie wegen Komplikationen durch Uterusruptur.

Kindliche Prognose: Trotz den Resultaten des «Breech-Trial» (Lancet 2000) scheint die

vaginale Geburt aus Beckenendlage nicht mit einer höheren perinatalen und neonatalen

Morbidität einherzugehen.

Sollte eine Frau eine vaginale Beckenendlagengeburt wünschen, müssen die folgenden

Voraussetzungen erfüllt sein:

• Parität (St.n. vaginaler Geburt aus Schädellage)

• Ausschluss einer asymmetrischen Wachstumsretardierung

• Ausschluss eines kephalopelvinen Missverhältnissses (Sono, MRI, Beckenaustastung)

• Ausschluss einer Hyperextension des kindlichen Kopfes

• Position der Beine (reine Steiss- oder Steiss-Fuss-Lage)

• geschätztes Kindsgewicht <4000g

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Für eine äussere Wendung zu beachten sind:

• gesicherte Tragzeit > 37 SSW

• Einlingsschwangerschaft

• Vitalität des Fetus

• geburtshilfliche Anamnese (Blutungen in der Schwangerschaft?)

• mütterliche Erkrankungen (Gestose, Diabetes, Gerinnungsstörungen)

• Ausschluss schwerwiegender kindlicher Missbildungen

• Stellung des kindlichen Rückens (hinten?)

• Lage der Plazenta (Vorderwand?)

• Fruchtwassermenge

• Höhenstand des Steisses in Bezug auf den Beckeneingang

• Kontraindikationen für Tokolyse

• fetales Befinden (CTG, Doppler)

Eine sekundäre Sektio unter der Geburt ist indiziert bei:

• fetal distress

• Nabelschnurvorfall

• protrahiertem Geburtsverlauf.

Die Sektio ist noch möglich, wenn der Steiss schon auf Beckenboden steht.