Bedarfsgerechte pflegerische Versorgung – Probleme … · Entwicklungen in der Telemedizin...
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Bedarfsgerechte pflegerische Versorgung –Probleme und Potenziale
Fachtag bpa NRW: Pflegereiche Zukunft -Versorgungsbedarfe und Perspektivender neuen politischenWeichenstellungen
Prof. Dr. Andreas BüscherMünster, 23.10.2015
Übersicht
• Bedarfsgerechtigkeit und Pflege – was bedeutet das und welche Probleme bestehen?Wer benötigt Pflege?
Welche Anforderungen bestehen an die Pflege?Wer erbringt Pflege?
• Potenziale zur Herstellung von Bedarfsgerechtigkeit
Faktoren zur Bestimmung des Bedarfs
Demografischer Wandel bedingt einen ansteigenden Bedarf an ambulanter, stationärer
und anderer Langzeitpflegedie Notwendigkeit zur Unterstützung der informellen
Pflege, deren zukünftige Verfügbarkeit unsicher ist
Zunahme chronischer Krankheiten bedeutet:dauerhafte und vorübergehende funktionelle
Beeinträchtigungenhohe Anpassungs- und BewältigungsanforderungenUnterstützung krankheits-, biografie- und
alltagsbedingter Arbeit
Faktoren zur Bestimmung des Bedarfs
Innovationen (neue Methoden und Technologien) Entwicklungen in der TelemedizinAmbient Assisted Living/Altersgerechte
Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben (AAL)
Häusliche Versorgung von Menschen mit technikintensivem Bedarf
IntegrationFragmentierung zwischen Medizin, Pharmazie und
Pflege u.a.Ambulantisierungsprozesse u.a. ausgelöst durch
erhöhte Versorgungsintensität und kürzere Verweildauer in Krankenhäusern
Pflegebedürftigkeit in Deutschland
I II III
61,8%
29,9%
8,3%
level of care level of care
I II III
52,5%
35,4%
12,1%
504.000 utilize a professional home care service:
I II III
35,7% 35,4%
12,1%
1,03 Million are cared for by family/informal carers at the
following levels of care:
level of care
Zu Hause versorgt: 1,86 Million (71%) In Heimen versorgt:
764.000 (29%)
2,6 Million Pflegebedürftige insgesamt
durch 12.700 ambulante Pflegedienste
mit 320.000 Beschäftigten
in 13.000 Pflegeheimen mit 685.000 Beschäftigten
(Statistisches Bundesamt 2015)
I II III
61,8%
29,9%
8,3%
level of care level of care
I II III
52,5%
35,4%
12,1%
504.000 utilize a professional home care service:
I II III
35,7% 35,4%
12,1%
1,03 Million are cared for by family/informal carers at the
following levels of care:
level of care
I II III
66%
26,9%
7,1%
Pflegestufen Pflegestufen
I II III
57,1%
32,3%
10,5%
Mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste: 616.000:
I II III
38,1% 39,6%
20,6%
Ausschließlich durch Angehörige: 1,25 Million:
Pflegestufen
Pflegebedürftigkeit in Deutschland
Entwicklung der Pflegequote in den letzten Jahren
2003 2,5%2005 2,6%2007 2,7%2009 2,9%2011 3,1%2013 3,3%
Pflegebedürftigkeit in Deutschland
Entwicklung der Pflegequote in den nächsten Jahren
Jahr
Pflegequote
Status Quo Szenario
Szenariosinkende
Pflegequote
2020 3,6 % 3,4 %
2030 4,4 % 3,9 %
2050 6,5 % 4,4 %
Qualitative Entwicklung der Pflegebedürftigkeit
• Zunahme psychischer Problemlagen, v.a. Demenz
• Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung
• Zunahme allein lebender Menschen
• Menschen mit Migrationshintergrund
• Mehrfach chronisch Erkrankte
• Menschen in den Spätphasen des Krankheitsverlaufs
• Menschen mit technikintensivem Versorgungsbedarf
Anforderungen an die stationäre Heimversorgung
• Schwer und schwerst Pflegebedürftige
• Kürzere Verweildauer
• Haus- und fach- sowie zahnärztliche Betreuung organisieren/sicherstellen
• Angehörigenarbeit
• Begleitung Sterbender
• Abendliche und nächtliche Versorgung
• Pflegerisches Assessment und Maßnahmenplanung sowie deren Dokumentation
• Steuerung der Versorgung individueller Bewohner
Anforderungen an ambulantes Pflegehandeln
• High-Tech und High-Touch (Häusliche Intensivpflege mit hohem Komplexitätsgrad und Technikeinsatz bei gleichzeitiger lebensweltlicher Orientierung zur Unterstützung häuslicher Pflegearrangements)
• Case und Care Management Aufgaben
• Edukative und beratende Aufgaben
• Interdisziplinäre Problemanalysen und Interventionen
• Berücksichtigung und Gestaltung des lokalen Umfeldes (Gemeindeorientierung)
• Pflegebedürftigkeitsbegriff hat gesellschaftliches und sozialpolitisches Verständnis von (professioneller) Pflege geprägt
• Verrichtungsbezug pflegerischer Leistungen realitätsbildend
• Präventive, rehabilitative, beratende und edukative sowie prozesssteuernde Interventionen darin nicht erkennbar
• Gefahr der Diskrepanz zwischen Bedarfslagen und vorhandenem pflegerischen Versorgungsangebot
Einflussfaktor Begriff der Pflegebedürftigkeit
• Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf die Pflege
• Individuelle Möglichkeiten zur Zuzahlung vergrößern die Optionen der pflegerischen Versorgung in einem Teilkaskosystem
• Annahmen über Pflegebereitschaft in unterschiedlichen sozialen Milieus
• Annahme eines verstärkten ‚Heimsogs‘ durch Verschiebungen sozialer Milieus
Weitere Faktoren zur Entwicklung des Bedarfs
Wer pflegt?
• Mehr als 1,25 Mio. Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegende in allen Einrichtungsarten (ohne Hilfskräfte)
• zwischen 0,4 und 3 Mio. Personen, die im Rahmen von Familien und sozialen Netzwerken Hilfe und Pflege leisten
• unklare Zahl von Pflegearrangements mit osteuropäischen Haushaltshilfen
• unklare Zahl freiwilliger und ehrenamtlich engagierter Personen
Personalsituation –formelle Pflege
• Minderbewertung der Pflege führte zu Professionalisierungsrückstand
• Höhere Anforderungen bei gleichzeitiger Deprofessionalisierung
• Arbeitsfeld Pflege nur bedingt attraktiv
• Überfrachtung und unzureichende Vorbereitung von verantwortlichen Pflegefachkräften
• Zwischen Akademisierung und Mindestlohn
• Chronisches Imageproblem vieler Pflegender
Informelle Pflege
• Gesundheitsprobleme und Befindlichkeitsstörungen werden vorrangig innerhalb von Familien behandelt
• Tragende Rolle in der Langzeitpflege (ca. 65 – 100% weltweit)
• Herausbildung eines familiären Inanspruchnahmeverhaltens gesundheitlicher und pflegerischer Dienste
• Bereitstellung intentionaler Hilfen
• Familie als Ressource und als Risiko
Informelle Pflege• Verschiebungen zwischen informeller und formeller Pflege
und Anstieg gemischter Pflegearrangements
• Wandel der Familienstrukturen
• Langsame Entwicklung zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege
• Sehr starker Fokus auf Be- und Entlastung
• Differenzierte Ansätze nötig
• Pflegekonstellationen in der informellen Pflege sind differenziert (Pflege bei Demenz, Pflege eines Kindes)
Potenziale zur Herstellung von Bedarfsgerechtigkeit
Neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit
Beeinträchtigung der Selbständigkeit und angewiesen sein auf personelle Hilfe (pflegerische Hilfe) in den Bereichen:
• Mobilität
• Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
• Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
• Selbstversorgung (Alltagsverrichtungen)
• Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen
• Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
Notwendigkeit einer Neudefinition von Pflegebedürftigkeit
• Charakterisierung der Nutzer von Pflege
• Einblick in Intensität und Ausmaß von Pflege
• Grundlage für faire leistungsrechtliche Zuteilung
• Charakterisierung von pflegerischem Handeln
• Charakterisierung des beruflichen Tätigkeitsfeldes
• Grundlage für Berichterstattung und Planung
• Grundlage für Fragen der Personalbemessung
• Grundlage für Fragen der Qualitätssicherung und –entwicklung
• Ansatzpunkte für Konzept- und Interventionsentwicklung
Weitere PotenzialeBeratung
• Stärkung beratender und edukativer Funktionen in der Pflege
• Besserer Zugang zu gesundheitsbezogenen Informationen, aber Probleme in der Transparenz verfügbarer Angebote
• Bedarf an Information, Aufklärung, Beratung sowie Case und Care Management
Weitere PotenzialeFormelle und informelle Pflege
• Besseres Zusammenwirken formeller und informeller Pflege
• Leistungen nicht nur für pflegebedürftige Menschen, sondern für das gesamte Arrangement
• Stärkung der Nutzerautonomie durch Geldleistungen und Budgets
• Frage der Qualifizierung professioneller Pflege
Weitere PotenzialeKonzepte zur Integration
• Konzeptionelle Weiterentwicklung zur Versorgungsintegration
• Regionalisierte integrierte Versorgung (ländlicher Raum und andernorts)
• Sektorübergreifende Perspektive SGB V und SGB XI ambulant und stationär
Weitere PotenzialeTechnologische Entwicklungen
• Intensivierung des Dialogs über Techniknutzung
• Fokus Problemlösung und Versorgungssicherheit statt Produktentwicklung
• Nutzung bestehender Technologien
Weitere Potenziale - Qualifizierung und Professionalisierung
• Qualifizierungs- und Professionalisierungsschub
• Ausdifferenzierung der Pflege auf verschiedene Qualifizierungsebenen
• Art und Ort der Ausbildung
• Arten und Orte von Weiterbildung
• Diskussion über Notwendigkeit und Verhältnis verschiedener Qualifizierungsstufen
• Richtlinie zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
• Stärkung von Pflegewissenschaft und -forschung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Prof. Dr. Andreas Büscher Hochschule Osnabrück
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Postfach 1940
49009 Osnabrück Tel.: 0541/969-3591
E-Mail: [email protected]