Bee Graz! Wohnen in der Bienengasse

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4 BEE GRAZ! WOHNEN IN DER BIENENGASSE 45 Dieses Kapitel stellt die Wohnvision einer Ar- beitsgruppe für den Standort Bienengasse 19 in Graz dar, d.h. es umfasst den Arbeitsprozess von der Ideenfindung bis zur Ausarbeitung der Wohnvision. 4.1 ANALYSE DER AKTUELLEN WOHNSITUATION DER GRUPPENMITGLIEDER Zu Beginn wurde zunächst das situierte Wissen erfasst, um die Ausgangsposition der Gruppe festzuhalten. Hierzu dienten von allen sechs Gruppenmitgliedern angefertigte SWOT-Ana- lysen bezogen auf die derzeitige Wohnsituation sowie die Ausarbeitung des individuellen Wohn- traums. Beides half dabei, die gemeinsamen Interessen als Grundlage für die Ausarbeitung der Wohnvision für die Bienengasse zusammen- zuführen sowie die in den weiteren Teilen fol- genden Ausarbeitungen zum Wohnprojekt zu reflektieren. Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Erkenntnisse aus der Auswertung der SWOT-Analysen (vgl. Abb. 4.3.1) vorgestellt bevor anschließend auf die Wohnträume einge- gangen wird. Die Auswertung der SWOT-Analysen zeigt, dass sich die Wohnsituationen der verschiede- nen Gruppenmitglieder stark voneinander un- terscheiden und mit ihnen auch die Wahrneh- mungen der eigenen Wohnsituation, sodass aus den genannten Aspekten gewisse Prioritäten für die jeweils eigene Wohnsituation hervorgehen. Die Ergebnisse der Auswertung sollen nun über- blicksartig anhand von fünf zentralen Themen- feldern betrachtet werden: Als erstes fällt die Dichotomie zwischen Miete und Eigentum auf. So wohnen zwar fünf von sechs Gruppenmit- gliedern in einer Mietwohnung, dies wird jedoch von allen aufgrund der Abhängigkeit von dem/ der Vermieter*in als Schwäche beurteilt. Als be- deutend hierfür werden insbesondere die Risi- ken der Mietpreissteigerung und des plötzlichen Wohnungsverlusts genannt. Diese Einstellung gegenüber Mietwohnungen ist jedoch nicht nur einseitig eine Schwäche beziehungsweise ein Ri- siko, denn als Stärke werden demgegenüber von einem/einer Gruppenteilnehmer*in die größere Flexibilität sowie das geringere Risiko plötzlich hoher Kosten am Objekt genannt. Ein zweiter, bei allen sechs Gruppenmitglieder thematisier- ter Punkt ist die Lage der Wohnung. wobei vor allem die Aspekte Ruhe, Verkehrsanbindung (ÖPNV, Parkplätze für Fahrräder und Autos), Versorgung (vor allem Lebensmittel) und Nähe zu Erholungsräumen genannt werden. In diesem Zusammenhang tat sich bei der Auswertung der SWOT-Analysen im Gesamtbild das Konflikt- feld zwischen Wohnen in zentralen städtischen Lagen mit sehr guter Versorgungssituation, aber hohen Kosten und dem Wohnen auf dem Land mit der Nähe zu Natur und Erholung bei gerin- geren Kosten, aber eher schlechter Erreichbar- keit (zumeist Abhängigkeit vom MIV) auf. Als drittes spielten auch die Ausstattung beziehungs- weise die Ausstattungsdefizite bei den SWOT- Analysen eine gewichtige Rolle. Auffällig häufig wurden dabei als Schwächen Probleme mit der Heizung und Schimmelbildung genannt. Ferner ergibt sich aus der Auswertung, dass die Aus- stattung der Wohnung mit einem Freibereich ein wichtiger Punkt ist, wenngleich dieser nur in zwei von sechs Fällen vorhanden ist. Häufig genannt und damit das vierte zentrale Ergebnis der Auswertung der SWOT-Analysen ist das so- ziale Umfeld. Dabei wird insbesondere das Ver- hältnis zu Nachbar*innen und Vermieter*innen, sowohl positiv als auch negativ, angemerkt. Be- zogen auf die Nachbar*innen spielt zusätzlich auch deren Lautstärke eine Rolle, die in einem Fall einen deutlichen Störfaktor darstellt. Als fünftes und letztes war bei den SWOT-Analysen Valentina Blechl, Julian Elfering, Michele Felfernig, Julia Fressner, Matthias Gorgomiti, Belinda Rodleitner Bee Graz! Wohnen in der Bienengasse 4

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Dieses Kapitel stellt die Wohnvision einer Ar-beitsgruppe für den Standort Bienengasse 19 in Graz dar, d.h. es umfasst den Arbeitsprozess von der Ideenfindung bis zur Ausarbeitung der Wohnvision.

4.1 ANALYSE DER AKTUELLEN WOHNSITUATION DER GRUPPENMITGLIEDER

Zu Beginn wurde zunächst das situierte Wissen erfasst, um die Ausgangsposition der Gruppe festzuhalten. Hierzu dienten von allen sechs Gruppenmitgliedern angefertigte SWOT-Ana-lysen bezogen auf die derzeitige Wohnsituation sowie die Ausarbeitung des individuellen Wohn-traums. Beides half dabei, die gemeinsamen Interessen als Grundlage für die Ausarbeitung der Wohnvision für die Bienengasse zusammen-zuführen sowie die in den weiteren Teilen fol-genden Ausarbeitungen zum Wohnprojekt zu reflektieren. Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Erkenntnisse aus der Auswertung der SWOT-Analysen (vgl. Abb. 4.3.1) vorgestellt bevor anschließend auf die Wohnträume einge-gangen wird.

Die Auswertung der SWOT-Analysen zeigt, dass sich die Wohnsituationen der verschiede-nen Gruppenmitglieder stark voneinander un-terscheiden und mit ihnen auch die Wahrneh-mungen der eigenen Wohnsituation, sodass aus den genannten Aspekten gewisse Prioritäten für die jeweils eigene Wohnsituation hervorgehen. Die Ergebnisse der Auswertung sollen nun über-blicksartig anhand von fünf zentralen Themen-feldern betrachtet werden: Als erstes fällt die Dichotomie zwischen Miete und Eigentum auf. So wohnen zwar fünf von sechs Gruppenmit-gliedern in einer Mietwohnung, dies wird jedoch von allen aufgrund der Abhängigkeit von dem/der Vermieter*in als Schwäche beurteilt. Als be-

deutend hierfür werden insbesondere die Risi-ken der Mietpreissteigerung und des plötzlichen Wohnungsverlusts genannt. Diese Einstellung gegenüber Mietwohnungen ist jedoch nicht nur einseitig eine Schwäche beziehungsweise ein Ri-siko, denn als Stärke werden demgegenüber von einem/einer Gruppenteilnehmer*in die größere Flexibilität sowie das geringere Risiko plötzlich hoher Kosten am Objekt genannt. Ein zweiter, bei allen sechs Gruppenmitglieder thematisier-ter Punkt ist die Lage der Wohnung. wobei vor allem die Aspekte Ruhe, Verkehrsanbindung (ÖPNV, Parkplätze für Fahrräder und Autos), Versorgung (vor allem Lebensmittel) und Nähe zu Erholungsräumen genannt werden. In diesem Zusammenhang tat sich bei der Auswertung der SWOT-Analysen im Gesamtbild das Konflikt-feld zwischen Wohnen in zentralen städtischen Lagen mit sehr guter Versorgungssituation, aber hohen Kosten und dem Wohnen auf dem Land mit der Nähe zu Natur und Erholung bei gerin-geren Kosten, aber eher schlechter Erreichbar-keit (zumeist Abhängigkeit vom MIV) auf. Als drittes spielten auch die Ausstattung beziehungs-weise die Ausstattungsdefizite bei den SWOT-Analysen eine gewichtige Rolle. Auffällig häufig wurden dabei als Schwächen Probleme mit der Heizung und Schimmelbildung genannt. Ferner ergibt sich aus der Auswertung, dass die Aus-stattung der Wohnung mit einem Freibereich ein wichtiger Punkt ist, wenngleich dieser nur in zwei von sechs Fällen vorhanden ist. Häufig genannt und damit das vierte zentrale Ergebnis der Auswertung der SWOT-Analysen ist das so-ziale Umfeld. Dabei wird insbesondere das Ver-hältnis zu Nachbar*innen und Vermieter*innen, sowohl positiv als auch negativ, angemerkt. Be-zogen auf die Nachbar*innen spielt zusätzlich auch deren Lautstärke eine Rolle, die in einem Fall einen deutlichen Störfaktor darstellt. Als fünftes und letztes war bei den SWOT-Analysen

Valentina Blechl, Julian Elfering, Michele Felfernig, Julia Fressner, Matthias Gorgomiti, Belinda Rodleitner

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Grazer Schriften der Geographie und Raumforschung | Band 50

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Person Strengths Weakneses Opportunities Threats

A • Moderne, neue Wohnung• Eigener kleiner Garten!• Dorfcharakter der Nachbar-

schaft• Viele überdachte Fahrrad-

abstellplätze• Nette Nachbarn• Halbwegs gute Erreichbar-

keit und Öffi-Anbindung

• Hohe Mietkosten• Laute Nachbarn• Wenig Gestaltungsmög-

lichkeit• Kein Parkplatz direkt bei der

Wohnanlage• Besucherparkplätze sind

immer belegt• Keine größeren öffentlichen

Grünflächen in der Um-gebung

• Flexibilität: Wohnvertrag kann jederzeit gekündigt werden

• Steigende Mietpreise

B • Ruhige Lage, nahe der Natur (Nähe Leechwald): viel Grünraum, viel Erholungs-raum

• außerhalb, aber trotzdem bspw. in ca. 10min an der Uni

• gute ÖV-Anbindung (1er Bim bis Mariatrost)

• große Terrasse zum Ver-weilen und bietet auch Platz für Hochbeete

• viel Tageslicht• viel Platz• gutes Verhältnis zu Nach-

bar*innen• Wohnung ist in einer alten/

ehemaligen Villa (tolles Flair)

• Mietwohnung (weniger/kein Risiko eines großen Schadens bspw. Wasser-schaden o.Ä.)

• Genügend Parkplätze für die Bewoner*innen vorhanden (auch Tiefgaragenplätze möglich)

• Renovierter Altbau, wurde vermutlich leider etwas „billig“, da die eingezoge-nen Wände sehr dünn sind (hohe Lärmbelästigung vor allem durch die Nachbar*in-nen oberhalb)

• Nicht genügend Fahrradab-stellmöglichkeiten

• schlechte Hausverwaltung (meist Konflikte, bereits bei Kleinigkeiten)

• Mietwohnung (beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten)

• Keine Aufwertung bzw. Renovierung des alten Bau-bestandes (wunderschöne große, alte Fenster)

• Haus liegt unweit der viel-befahrenen Mariatroster Straße (bei geöffneten Fens-tern und unter der Woche herrscht schon eine gewisse Lärmbelästigung)

• Im Keller ist eigentlich ein Abstellraum vorhanden, der jedoch wegen des hohen Schimmelrisikos nicht wirk-lich nutzbar ist)

• Kein privater Garten

• Bei Renovierung des alten Baubestandes wäre es ein wunderschönes Haus, das im ursprünglichen Stil er-halten werden könnte

• Besucher*innenparkplätze ausweisen, da die Fläche dafür vorhanden wäre (kein klar gekennzeichneter Park-platz und auch kein privater; also Fläche wäre da, jedoch ist diese einfach nicht ge-kennzeichnet)

• Kein ebenerdiger Zugang, al-lerdings mit Lift erreichbar; jedoch ist die Terrasse und auch die angrenzende Grün-fläche nur über 1 Stufe bzw. Treppen erreichbar

• Schimmelrisiko im Haus sehr hoch (Keller sehr feucht; andere Wohnungen klagen bereits über Schim-melprobleme)

C • ruhige Lage• zentrale Lage (d.h. kurze

Wege, gute Versorgungs-situation, Unabhängigkeit vom MIV)

• schnelles Internet• Tageslichtbad• viel Platz• Mietobjekt in privater

Hand, gutes Verhältnis zu Vermieterin, die im gleichen Gebäude wohnt

• günstiger Preis

• fehlender Freisitz• fehlende Grünräume in

direkter Umgebung• fehlende Möglichkeit, Fahr-

räder witterungsgeschützt abzustellen

• durch Altbau recht hohe Heizkosten, nicht jeder Raum erreicht im Winter angenehme Temperatur

• kein fließend warmes Wasser in der Küche (nur über Kochendwassergerät möglich -> zeitaufwendig und umständlich)

• überdachte Fahrradstellplät-ze könnten die Wohnsitua-tion deutlich verbessern

• vorhandene, aber alte und daher unbetretbare (Sicher-heitsrisiko!) Dachterrasse könnte für alle BewohnerIn-nen renoviert und zugäng-lich gemacht werden

• Mietwohnung: Risiko des Wohnungsverlusts

• bei höherem Alter bzw. Geh-behinderungen kein Errei-chen der Wohnung möglich (4. Etage ohne Aufzug)

• Mietsteigerungen oder Ver-kauf des Objekts

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Abbildung 4.1: SWOT-Analysen der sechs Gruppenmitglieder bezogen auf die aktuelle eigene Wohnsituation

Person Strengths Weakneses Opportunities Threats

D • sehr ruhig (außer siehe Weakness)

• hohe Räume• zentrale Lage (alles Wichtige

in Gehreichweite)• sehr nette Vermieterin, die

im gleichen Gebäude wohnt• sehr preisgünstig• auch bei ärgster Sommer-

hitze immer angenehm kühl • Fahrradkeller• grüner Innenhofgarten

voller Schildkröten, Rosen und Früchten

• Nachbarn absolut unauf-fällig

• nette kleine öffentliche Grünfläche und Platz stra-ßenseitig direkt daneben

• alles sehr alt, teils renovie-rungsbedürftig

• Stromhauptschalter hat ein Eigenleben

• wenig Tageslicht (stört mich weniger als meine Pflanzen)

• Bei warmen Außentempe-raturen extrem hohe Luft-feuchtigkeit - dann hohes Schimmelpilzrisiko

• m²-Raumaufteilung subop-timal, Gästezimmer ist nur durch mein Schlafzimmer erreichbar

• lange Heizperiode• keine Badewanne• kein Dunstabzug (gekocht

wird also bei offenem Fenster)

• Kirchenglockengeläute um 7 Uhr (!!!!!)

• in der Wohnung nix• Man könnte die winzige

“Dachterrasse” (Zugang zum Schornstein) zu einer echten Dachterrasse aus-bauen, schöner Blick zum Schlossberg, wär nett zum Sonnenbaden

• Umgebung: Man könnte die ganzen Parkplätze abschaffen und dafür den Gehsteig verbreitern und mehr Fahrradparkplätze errichten, eventuell auch mehr Vorgärten

• befristete Mietwohnung: Risiko des Wohnungsver-lusts oder Mieterhöhung bei Vertragsende

• bei Gehbehinderungen Erreichen der Wohnung schwierig (Erst Treppen rauf, dann wieder runter)

• Neue (laute) Nachbarn• GIS findet irgendwann den

Eingang

E • Eigentum• Viel Natur• Ländlich aber trotzdem

nahe der Stadt• Eigene Grünflächen• Soziales Umfeld („Jeder hilft

jeden“)• Individualität (freie Gestal-

tung des Wohnraumes oder Gartens)

• Privatsphäre• Kein Problem mit Autoab-

stellplätze

• Auf Auto angewiesen• Schlechte ÖPNV-Anbindung• Versorgung des täglichen

Bedarfs nur gering gegeben (im Ort nur 1 Lebensmittel-handel)

• Bei weiteren Zuwachs Chance auf besser Infra-struktur (Verbesserung der ÖPNV-Anbindung)

• Bei Abwanderung Ver-schlechterung der Infra-struktur

• Leerstände bei Gasthäusern• Kapital für den Erhalt wird

benötigt

F • Zentrale Lage (Nähe zum Zentrum, Uni)

• Tägliche Bedürfnisse kön-nen in einer Straße gedeckt werden (Spar, Bäckereien, Restaurants, Bars, Friseure, Buchladen, Schreibwaren-geschäft)

• Gute Anbindung an mehrere Buslinien

• Gutes Fahrradnetz für alltäg-liche Wege

• Nähe zu städtischen Grün-anlagen

• Hoher Preis aufgrund der Lage

• Laute Umgebung durch naheliegende große Straße, an den Wocheneden Lärm in der Nacht (Ausgehviertel), oftmals Baustellenlärm

• Unzureichende Abstellmög-lichkeiten für Fahrräder

• Keine privaten Parkplätze• Oftmals Probleme mit der

Hausverwaltung (arbeitet langsam)

• Nur zwei Mietobjekte im Haus, im Erdgeschoß und 1. Obergeschoß befindet sich ein Restaurant, deshalb oftmals Gestank und un-sauberer Gänge

• Aufgrund des Alters schlecht gedämmtes Gebäu-de, im Winter ist es zu kalt, Heizungen sind alt

• Ideal für StudentInnen• Die Straße, in der sich das

Objekt befindet, würde sich gut für eine Fußgängerzone eignen -> dadurch Beruhi-gung des Verkehrs (Lärm), Schwinden der Parkplätze beiderseits der Straße, mehr Möglichkeiten für Fahrrad-abstellplätze

• Mietwohnung -> Wohnungs-verlust

• Aufgrund der Kälte im Win-ter kam es schon oftmals zur Erkältung der Mieter oder zum Einfrieren der Wasserleitung

• Aufgrund des Sanierungs-bedarfs eventuell Räumung des Gebäudes (?)

• Steigender Preis aufgrund von sanierten Objekten des Gebäudes (z.B. Fenster, Dämmung)

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auch der Preis von Bedeutung. Neben den schon angesprochenen Punkten zur Preisthematik wird deutlich, dass sich die (wahrgenommene) preis-liche Situation unter den Gruppenmitglieder nur geringfügig unterscheidet. Zumeist werden recht niedrige Preise als Stärke der Wohnsitua-tion benannt, höhere wiederum als Schwäche. Die meisten Gruppenmitglieder sind mit ihrem Wohnpreis jedenfalls zufrieden, was vermutlich auch mit der überwiegenden Wohnlage in nur geringfügig renovierten Altbauten zusammen-hängt. Lediglich in einem Fall einer neuen und modernen Wohnung wird der hohe Mietpreis als Schwäche bemängelt.

In den individuellen Wohnträumen (vgl. Abb. 4.2) haben alle Gruppenmitglieder ihre jeweils optimale Wohnsituation beschrieben. Zur Aus-wertung dieser Wohnträume werden nun so-wohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede dargelegt. Wenig überraschend ist nach der Auswertung der SWOT-Analysen, dass zum Wohntraum in allen Fällen ein Wohneigentum angestrebt wird, da die Mietsituation vielfach als Schwäche und Risiko betrachtet wurde. Ge-meinsam haben alle Wohnträume ferner, dass im Grünen auf dem Land gewohnt wird, wobei in fünf von sechs Fällen ein Gebäude in Einzel-lage, also ein klassisches Einfamilienhaus, der Traum ist. Dazu gehört jeweils noch ein eigener Garten mit Gemüsebeet sowie eine Solarener-gieanlage zur Stromproduktion. Verkehrlich er-träumen sich alle Gruppenmitglieder eine gute Erreichbarkeit, wobei dies konkret Fahrrad-freundlichkeit, die Nähe zu einer ÖV-Haltestelle sowie in den meisten Fällen einen eigenen Park-platz umfasst. Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es in den verschiedenen Träumen auch eini-ge Unterschiede, die jedoch weniger Gegensätze darstellen als vielmehr persönliche Präferenzen in Teilaspekten, die für andere Gruppenmitglie-der offenbar nicht vordergründig sind. Beispie-le für diese subjektiven Präferenzen, die jeweils nur von einer Person geträumt werden sind die Wohnlage in einem subtropischen Klima, die Nähe zur Familie, die Wasserversorgung aus eigener Quelle, ein Schwimmteich, die soziale Durchmischung in der näheren Wohnumge-

bung und eine ansprechende Architektur des Wohngebäudes, wobei letztere nicht weiter aus-geführt wird.

Fasst man die Ergebnisse der SWOT-Analy-sen und der Wohnträume nun kurz zusammen, wird deutlich, dass sich alle Gruppenmitglieder derzeit in einer ähnlichen Wohnsituation mit ähnlichen Stärken und Schwächen sowie ähn-lichen wahrgenommenen Chancen und Risiken befinden. Durchaus etwas überraschend ist die Ähnlichkeit der Wohnträume, die allesamt das Wohnen auf dem Land mit eigenem Garten beinhalten. Letztlich sind sich die Wohnvor-stellungen innerhalb der Gruppe also sehr ähn-lich, sodass das Konfliktpotential im weiteren Erarbeitungsprozess einer Wohnvision, dann allerdings in städtischer Lage, vermutlich eher gering ist.

4.3.2. DAS GRUNDSTÜCK IN DER BIENENGASSE

Das zu behandelnde Grundstück befindet sich in der Bienengasse 19. Dieses Areal besteht aus zwei Grundstücken, laut Flächenwidmungsplan der Stadt Graz aus Parzelle 1500 und 1501. Die Brutto-Grundfläche des Areals beläuft sich auf circa 4200m² und die Bebauungsfläche liegt bei circa 3540m². Dieses Areal ist als Sanierungsge-biet Lärm ausgewiesen. Die Bebauungsdichte in diesem Gebiet liegt bei 0,6-1,2. Das Areal in der Bienengasse befindet sich mit einer Entfernung von circa 1,5 Kilometer nordwestlich des Stadt-kernes im Bezirk Lend. Mit dieser Ausgangslage bietet das Areal eine gute öffentliche Verkehrs-anbindung; Zugang zu Grünraum, durch den nahegelegenen Friedenspark und den Fröbel-park; einen zukünftigen Anschluss an das Rad-wegnetz; sowie eine ausreichende Anbindung an die Sozial- und Versorgungsinfrastruktur wie Supermarkt, Spielplatz, Bank, Friseur und Gast-ronomie (Aventa 2020).

Im April 2020 war der Bauplatz noch mit zwei 1-2 geschossigen Gebäuden bebaut, welche aber abgetragen wurden. Die Planungsrichtlinien weisen gesetzliche Grundlagen und städtebau-liche Vorgaben auf. Besonders auf das Steier-

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Person Wohntraum

A • In der „Natur“: umgeben von Wald, Wiesen und Bächen, so dass man sofort einen schönen Spaziergang mit dem Hund machen kann, wenn man bei der Haustür raus geht

• Eigenes Haus mit großem Grund, so dass man viel Gestaltungsfreiraum hat• Gemüsebeet • Schwimmteich zum Abkühlen im Sommer• Haus sollte aus nachhaltigen Materialen gebaut sein und so weit wie möglich autark sein (Solaranlagen am Dach etc.)• Haus muss nicht allzu groß sein, aber dennoch genug Platz bieten, wenn Besucher kommen• Gemütliche, schlichte Einrichtung

B • In einer kleinen, sehr überschaubaren Vorstadt oder am Land• Im Grünen (umgeben von Wiesen u/o Wäldern)• Im Eigenheim (kleines bis mittleres Haus) am besten bestehend mit einer Geschichte und neu aufgewertet/renoviert• Lage trotzdem unweit des Zentrums der Gemeinde/des Ortes/der Kleinstadt• Im besten Fall gibt es einen gut erschlossenen öffentlichen Verkehr (Bahnhof, Bushaltestellen nicht allzu weit entfernt)• Nahversorgung sollte mit dem Fahrrad erreichbar sein • privater Garten mit Gemüse-/Obstanbaumöglichkeiten und dem ein oder anderen Baum für eine Hängematte/einen Hänge-

sessel und evtl. Platz für einen kleinen Hühnerstall• Parkplatz für das Auto, aber auch für Besucher*innen• Bestenfalls liegt der Arbeitsplatz unweit des Hauses, sodass der Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann

C • im Grünen, eher auf dem Land• gute Erreichbarkeit für Lebensmittel, aber auch Nähe (max. 25 Min.) zu weiteren Einkaufsmöglichkeiten• am besten Garten, groß genug für Erholung, aber auch für kleines Obst- und Gemüsebeet• Unabhängigkeit vom MIV, dennoch zumindest Abstellmöglichkeit für Auto• Fahrradgarage • gute Anbindung an den ÖPNV (idealerweise Bahnhof in kurzer Entfernung)• Gebäude architektonisch ansprechend, mit Charakter (gerne Altbau)• Gebäude oder Wohnung in Eigenbesitz - Unabhängigkeit

D • komplette Einzellage im Gebirge, bzw. unmittelbarer Nähe zu ernsthaften Bergen (nicht so bessere Hügel wie zB der Schöckl) und umittelbare Nähe zu einem See oder Meer zum schwimmen und einem Bach, Waldrandlage oder Waldlichtung, bevor-zugt Laubbäume

• Touristenhorden oder naturhungrige Großstadtbewohner möglichst weit weg• Klimatisch idealerweise ungefähr wie auf den Kanaren oder San Diego• Genug Platz und brauchbarer Boden bzw. ausreichend Wasser für Gartenbau, Gemüse, Obst, Beeren, etc.• Nächste Kleinstadt oder Dorf mit relevanten Nahversorgern, Baumarkt und öffentlichen Verkehrsmitteln gut mit Fahrrad

erreichbar (<30km, nicht zuviele Steigungen)• Gute (Satelliten-)Internetverbindung fürs Homeoffice• eine gewisse Fernsicht direkt vom Fenster oder Terrasse, also keine Kessellage• Einfache, kleine, gemütliche Hütte aus regionalen, naturnahen Baumaterialien; Lehm, Stein, Holz• Wasser aus eigener Quelle bzw. direkt vom Bach abgeleitet , idealerweise gibt es eine natürliche Heißwasserquelle in der

Nähe, Naturtoilette• Strom aus Photovoltaik• Das Lauteste ist das Rauschen der Blätter im Wind, das Gähnen der Katze und das Knistern des holzverzehrenden Feuers• Lichtverschmutzung so gering, dass man die Milchstraße sieht

E • Eigentum• Ruhige Lage• Viel Grünflächen, zumindest in der Nähe von Grünflächen• Gute Infrastruktur; Lebensmittelversorgung, ärztliche Versorgung, Kindergärten und Schulen• Nicht mehr auf das Auto angewiesen sein bzw. das Auto mit anderen zu teilen• Wohnung oder Haus soll hell sein und hohe Räume aufweisen• Barrierefrei• Leistbar• Vor allem bei Neubauten ist mir eine nachhaltige Bauweise wichtig• Sportmöglichkeiten• Soziale Durchmischung

F • Keinesfalls direkt im Stadtzentrum oder am Stadtrand• Eher am Land, aber trotzdem in der Nähe zur Stadt (Mittelkärnten/Oberkärnten mit guter Anbindung nach Klagenfurt oder

Villach (MIV oder ÖPNV))• Nähe zur Natur, Bergen und Seen• Nähe zur Familie (lebt in Klagenfurt und Villach)• Großes Einfamilienhaus im Eigenbesitz• Photovoltaikanlage• Großer Garten mit schöner Aussicht ,Möglichkeiten zur Haltung von Haustieren (Katzen/Hund), Möglichkeiten für eigenen

Obst- und Gemüseanbau und Haltung von Hühnern oder Wachteln

Abbildung 4.2: Wohnträume der verschiedenen Gruppenmitglieder

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märkische Baugesetz sowie Raumordnungsge-setz, ein städtebauliches- und raumplanerisches Gutachten des Stadtplanungsamtes, auf eine Stellungnahme der Abteilungen für Grünraum und Gewässer sowie für Verkehrsplanung, das Stadtentwicklungskonzept und der Flächenwid-mungsplan der Stadt Graz, ist zu achten (Aventa 2020).

4.3.3. WOHNVORSTELLUNGEN FÜR DAS GRUNDSTÜCK

Die Ideensammlung für das Grundstück Bie-nengasse 19 basierte auf zwei Entscheidungs-strängen. Einerseits wurde versucht, die indi-viduellen Wohnträume sowie die Ergebnisse der SWOT-Analyse auf das Grundstück in der Bienengasse anzuwenden. Andererseits wurden auch neue Ideen generiert, da ein großer Teil der Gruppenmitglieder bevorzugt in ländlichen Gebieten im Eigentum wohnen möchte und die Überschneidungspunkte mit dem behandelten Grundstück daher gering ausfielen.

Während der Ideenfindung waren folgende Überlegungen zentral: 1. Was braucht dieser Ort?2. Was braucht dieser Ort nicht?

3. Welche Wohntypologien passen zu diesem Ort und welche nicht?

Diese Fragenstellungen wurden von allen Grup-penmitgliedern individuell behandelt. Viele der dabei entstandenen Vorschläge waren ähnlich. Das erleichterte nicht nur das Arbeiten in der Gruppe, sondern schaffte auch eine gute Basis zur weiteren Bearbeitung des Grundstücks. Auf die Fragestellungen wird folgend näher einge-gangen.

1. Was braucht dieser Ort?Bauweise: Das besagte Grundstück würde sich prinzipiell für eine geschlossene Bebauung eig-nen, was auf Grund der zentralen Lage und des hohen Bedarfs an Wohnungen in Graz auch sinnvoll wäre. Trotzdem wurde in der Gruppe für eine lockere Bebauung gestimmt. Die Vor-teile der lockeren Bebauung, wie beispielsweise genügend Frei- und Grünflächen, die künftigen Bewohner*innen das Gefühl einer grünen Um-gebung vermitteln, überwogen die Vorteile der geschlossenen Bebauung.

Bewohner*innen: Da die innerstädtische Lage die Voraussetzungen für ein diverses soziales Ge-füge schafft, wäre eine soziale Durchmischung der künftigen Bewohner*innen sinnvoll. Die

Abb. 4.3: Lageplan Grunstück, Quelle: Google Maps 2021

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Vorteile des Wohnens in innerstädtischen La-gen sind vielschichtig. Zum Beispiel sind ältere Menschen auf Grund der ÖPNV-Verbindungen und der kurzen fußläufigen Distanzen nicht an ein Auto gebunden, jüngere Menschen treffen auf ein großes und vielfältiges Jobangebot und für Kinder und Jugendliche befinden sich viele Schulen und Kindergärten in der näheren Um-gebung.

Bei der Planung des Wohngebäudes muss da-rauf geachtet werden, dass verschiedene Woh-nungsgrundrisse mit variierenden Raumauftei-lungen und Wohnungsgrößen geplant werden, um das Wohnungsangebot für unterschiedlich zusammengesetzte Haushalte von unterschied-licher Größe sicherzustellen. Weiters müssen die Wohnungen leistbar für verschiedene Einkom-mensklassen sein.

Gemeinschaftliche Nutzung von Flächen und Räumen: Wie bereits angesprochen, soll das Grundstück genügend Frei- und Grünflächen, sowie geteilte Indoor-Räume aufweisen. Diese sollen für die gemeinschaftliche Nutzung ver-fügbar sein. Konzepte wie Urban Gardening/Urban Farming, eine Gemeinschaftsküche, Car-Sharing oder Bike-Sharing bieten sich für die Nutzung geteilter Flächen an und steigern zu-dem den Zusammenhalt und das gemeinsame Miteinander der Bewohner*innen. Auch hier ist bei der Planung darauf zu achten, dass für diese Flächen und Räume am Ende genügend Platz bleibt.

Gestaltung: Für die Gruppenmitglieder ein zentrales Anliegen sind die individuellen Gestal-tungsmöglichkeiten beim Kauf einer Wohnung. Dieses Anliegen basiert auf dem Wohlfühlfaktor, der beim Kauf einer Wohnung bedeutend ist. Außerdem wird von den Gruppenmitgliedern angenommen, dass individuelle Gestaltungs-möglichkeiten die Wohndauer verlängern kön-nen.

Generell bevorzugt die Gruppe eine anspre-chende Architektur und eine moderne, zeitge-rechte Bauweise mit hellen und freundlichen Wohnungen. Die Gruppenmitglieder bevor-zugen generell eine nachhaltige Lebensweise, weshalb auch der Einsatz von nachhaltigen

Baumaterialien und Energien, fußgänger- und radfahrerfreundliche Zuwegungen zu allen Ge-bäudekörpern und ausreichend Abstellmöglich-keiten für Fahrräder gewünscht werden.

2. Was braucht dieser Ort nicht?Aufgrund der innerstädtischen Lage und der damit einhergehenden Nähe zum Stadtzentrum benötigt der Ort außer der Wohnfunktion keine weiteren Funktionen. Nach der Auffassung der Gruppe ist die Ansiedlung von Nahversorgern oder des Einzelhandels nicht notwendig, weil sich diese Funktionen in der näheren Umgebung bereits zu Genüge befinden. Außerdem ist das Areal durch den ÖPNV bereits gut erschlossen, darum hat ein Ausbau des ÖPNV nicht höchste Priorität. Die Errichtung von zusätzlichen Frei-zeitanlagen, wie beispielsweise Swimmingpools, sollte aufgrund des hohen Energieaufwandes und den damit verbundenen höheren Mietprei-sen vermieden werden.

3. Welche Wohntypologien passen zu diesem Ort und welche nicht?

Nach Abhandlungen von Fragestellung (1) und (2) wurde untersucht, welche Wohntypolo-gien für das Grundstück sinnvoll wären und wel-che nicht. Dafür wurden die Kategorien „Ge-eignet“, „Weniger geeignet“ und „ungeeignet“ erstellt.• Ungeeignet:

• Einfamilienhaus: Die Gruppe lehnt die Neu-bebauung durch Einfamilienhäuser in städti-scher Lage ab, weshalb diese Wohntypologie für das betrachtete Grundstück ausscheidet.

• Smart City: Das Ausscheidungskriterium für die Wohntypologie Smart City ist vor allem die zu kleine Grundstücksgröße.

• Weniger geeignet:• Klassisches Mehrfamilienhaus: Prinzipiell

würde sich das Grundstück für den klassi-schen Wohnbau eignen. Da den Gruppen-mitgliedern die Frei- und Grünflächen ein besonderes Anliegen sind und der klassische Wohnbau diese oft vernachlässigt, wird von dieser Wohntypologie abgeraten.

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• Gemeindebau: Auch der Gemeindebau wür-de sich für das Grundstück eignen. Dieses befindet sich jedoch nicht in kommunaler Hand und so scheidet auch diese Wohntypo-logie für die Bebauung aus.

• Passend:• Blockrandbebauung: Die Blockrandbebau-

ung wäre sinnvoll, da durch den entstehen-den Innenhof die erwünschten Frei- und Grünräume gesichert wären.

• Kooperatives Wohnen: Das Kooperative Wohnen würde sich eignen, da es vor allem die gemeinschaftliche Nutzung von Flächen, wie auch von Objekten in den Mittelpunkt rückt.

Diese Kategorisierung stellt die Diskussions-grundlage für die weiteren Entscheidungen dar, die wir für unsere Wohnvision der Bienengas-se getroffen haben. Das nachfolgende Kapitel beschreibt genauer, wie der Entscheidungsfin-dungsprozess in unsere Gruppe ausgesehen hat.

4.3.4. ENTSCHEIDUNGSFINDUNG IN DER GRUPPE

Das Erarbeiten von Lösungen und das Treffen einer Entscheidung in einer Gruppe ist ein kom-plexer Prozess, der oftmals unreflektiert bleibt. In diesem Unterkapitel soll es daher um den Pro-zess der Entscheidungsfindung in einer Gruppe gehen, darum, wie wir als Gruppe unsere Ent-scheidungen getroffen haben und auch welche Entscheidungsfindungsverfahren es allgemein gibt, wobei das systemische Konsensieren ge-nauer beschrieben wird.

Die erste grundlegende Entscheidung, die unse-re Gruppe treffen musste, war die Projektauswahl. Von Frau Professor Dr. Strüver und Frau Dipl.-Ing. Dr. Jany wurden sieben Projekte in Graz vorgeschlagen, wobei es auch möglich war, selbst ein Projekt zu suchen. Zwei der Projekte haben

wir schnell ausgeschlossen, da diese mehreren Gruppenmitgliedern nicht zugesagt haben. Da dann schon alle anderen Projekte an die ande-ren Gruppen vergeben waren, haben wir uns noch zwischen der Dr. Lister Gasse in Liebenau und der Bienengasse entscheiden müssen. Kurz haben wir auch nach eigenen Projektvorschlä-gen gesucht, uns dann aber einstimmig für die Bienengasse entschieden. Vorrangig anhand der Lage in Lend, die für viele Gruppenmitglieder gut erreichbar lag. Ohne dass wir uns in dieser frühen Projektphase noch mit Entscheidungs-findungsverfahren beschäftigt haben, trafen wir im Prinzip eine klassische Konsensentscheidung, bei der so lange diskutiert und nach Ideen ge-sucht wird, bis alle Gruppenmitglieder mit der Auswahl zufrieden sind (Bertram 2018).

Ein anderes häufig angewendetes Entschei-dungsfindungsverfahren ist die einfache Mehr-heit, bei der es zu einer Abstimmung kommt und die Option mit den meisten Stimmen ge-winnt. Bei dem Double-Vote-Verfahren hat je-des Gruppenmitglied zwei gleichberechtigte Stimmen, die er oder sie den beiden bevorzug-ten Optionen gibt. Wieder gewinnt die Option mit den meisten Stimmen (ebd.). Dann gibt es noch Entscheidungsverfahren, die in diesem Kontext nicht optimal sind. Hier zum Beispiel die Autoritätsentscheidung, bei der eine Person die Entscheidung für die Gruppe trifft. Bei der Minderheitsentscheidung trifft eine kleine Teil-gruppe die Entscheidung für alle (Bertram 2018). Gruppenentscheidungen werden oft nach diesen Verfahren getroffen, wenn zuvor nicht darüber diskutiert wurde, wie in der Gruppe die Ent-

Abb. 4.4: konsensuale Entscheidungsmatrix der Wohntypologie

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scheidungen getroffen werden sollen oder wenn die Gruppe mit den anderen Entscheidungsver-fahren zu keinem Ergebnis gelangt.

Ein noch sehr junges Entscheidungsfindungs-verfahren ist das systemische Konsensieren, das von den beiden Grazern Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta entwickelt wurde (vgl. www.sk-prinzip.eu). Dabei geht es nicht darum eine Entscheidung anhand einer Mehrheit zu finden, da dies laut den Erfindern zu Konflikten inner-halb der Gruppe führen kann. Das Ziel ist viel-mehr, die tragfähigste Lösung mit dem gerings-ten Widerstand innerhalb der Gruppe zu finden. Das soll geschehen, ohne dass die Gruppe in verschiedene Lager gespalten wird. Es ist also eine systematische Art alle Gruppenmitglieder zu fragen: „Könnt ihr mit dieser Lösung leben? (Bertram 2018)“.

Nach einer ausführlichen Diskussion über den Standort in der Bienengasse (siehe Kapitel 4.3.3.), haben wir uns entschlossen, das systemi-sche Konsensieren mit folgender Fragestellung auszuprobieren: Welche Wohntypologie würde zu „unserem Projekt“ in der Bienengasse pas-sen? Jeder von uns hat die Optionen, in diesem Fall die Wohntypologien bewertet, wobei die Be-wertungsmöglichkeit von 0 bis 10 reicht. Eine 10 bedeutet großen Widerstand gegenüber der Op-tion und eine 0 bedeutet keinen Widerstand. Die Zahlen dazwischen wurden nach eigenem Ge-fühl vergeben. Mit den Buchstaben in der linken Spalte haben wir im Nachhinein die Antworten der Gruppenmitglieder für diese Verschriftli-chung des Projektes anonymisiert. Die Option mit der geringsten Punktezahl, stellt unsere prä-ferierte Wohntypologie für die Bienengasse dar, da diese am wenigsten Widerstand erzeugt.

Wie anhand der Abbildung 4.4 ersichtlich ist, war das Ergebnis sehr eindeutig. Der Koope-rative Wohnbau erfährt so gut wie gar keinen Widerstand, ist also unserer Meinung nach am besten für das Projekt in der Bienengasse geeig-net. Diese Wohnform erfüllt die meisten unserer gestellten Ansprüche wie zum Beispiel das er-wünschte soziale Gefüge, die Gemeinschaftsflä-chen und -räume, individuelle Gestaltungsmög-lichkeiten oder Sharing-Konzepte, die bereits

im vorherigen Kapitel erläutert wurden. Den größten Widerstand erfahren die Typologien des Gründerzeitblocks und des Einfamilienhauses.

Das Systemische Konsensieren hat einige Vor-teile gegenüber den anderen gängigen Entschei-dungsverfahren. So verringert es das Konfliktpo-tential in der Gruppe und lässt differenziertere Antworten zu. Außerdem können Widerstände aufgedeckt und gemessen und so optimalere Lö-sungsvorschläge gefunden werden (www.sk-prin-zip.eu). Auch bei Bürgerbeteiligungsprozessen kann das systemische Konsensieren Anwendung finden. So hat zum Beispiel die oberösterreichi-sche Gemeinde Munderfing als erste Gemeinde weltweit dieses Entscheidungsfindungsverfah-ren im Zuge eines Agenda-21 Projektes in die Leitlinien der Gemeindepolitik aufgenommen (Agenda 21 Netzwerk OÖ 2021). Wir haben im Zuge dieser Projektausarbeitung das systemische Konsensieren kennen und anwenden gelernt und uns damit für den Kooperativen Wohnbau am Standort in der Bienengasse entschieden. Das folgende Kapitel beschreibt diese Form des Wohnens näher.

4.3.5. DER KOOPERATIVE WOHNBAU

Die Wohntypologie des Selbstorganisierens und Selbstverwaltens entsprang der Genossenschafts-bewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Vor allem die emanzipatorische Entwicklung der 70er Jahre hat zur Entstehung des kooperativen Wohnens beigetragen. Die Partizipation ist bei dieser Wohnform der Grundstein. Die Partizi-pation betrifft aber nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch eine Zusammenarbeit von Regionalbehörden, Wohnbaugesellschaften, Planern, Banken, Architekten und Entwicklern. Partnerschaften sind vor allem für Rahmenbe-dingungen ausschlaggebend, denn nur so kön-nen rechtliche, politische und finanzielle Be-dingungen an die Bedürfnisse des kooperativen Wohnens angepasst werden. Somit kann diese Wohntypologie Teil der Lösung für die zukünfti-gen Wohnungsherausforderungen sein (Colini & Polyak 2020).

Was versteht man nun genau unter einem „Kooperativen Wohnbau“? Diese Wohnform zielt darauf ab, Probleme, welche sich in der heutigen Gesellschaft herauskristallisieren, an-zugehen. Darunter fallen insbesondere ein hö-herer ökologischer Nachhaltigkeitsstandard und die Erschwinglichkeit der Mieten, aber auch eine soziale Eingliederung und der Zusammenhalt spielen bei dieser Wohnform eine wichtige Rolle (Czischke 2020). Obwohl die Erschwinglichkeit

von Mieten als zu lösendes Problem gilt, können kooperative Wohngemeinschaften, unter Einbe-ziehung von Management und Verwaltung und den daraus entstehenden Kosten, genau das Ge-genteil erzeugen. Wenn die Bewohner*innen je-doch selbst das Management übernehmen, kön-nen die kosten wiederum gesenkt werden. Vor allem die Erreichbarkeit, die Inklusion aller Be-wohner*innen sowie ein offener Zugang, zeich-nen die Lebensweise des kooperativen Wohnens

Abb. 4.5: Kritik Runde 1: Arch. Univ.-Prof. DI Dr. Tschom (Quelle: Architekturwettbewerb.at, 2020)

Abb. 4.6: Kritik Runde 1: Arch. DI Wildner-Kerschbaumer (Quelle: Architekturwettbewerb.at, 2020)

Abb. 4.7: Platz 3: Hofrichter-Ritter Architekten (Quelle: Architekturwettbewerb.at, 2020)

4 BEE GRAZ! WOHNEN IN DER BIENENGASSE

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aus. Bei der gemeinschaftlichen Wohntypologie werden nicht nur Räume, sondern auch Tätig-keiten geteilt. Obwohl hier die Gemeinschaft-lichkeit im Vordergrund steht, ist Privatheit trotzdem ein wichtiger Faktor. Privatheit kann sich nicht nur auf die eigene Wohneinheit be-schränken, sondern Privatheit kann auch auf ein Quartier ausgedehnt werden. Jedoch sind auch Aspekte wie die Kindererziehung, die Rollen-verteilung von Frauen und Männern oder aber auch die Organisation von Dienstleistungen und Arbeit nicht außer Acht zu lassen. Durch diese oben genannten Faktoren kann diese Wohnform in unterschiedlichen Öffentlichkeitsgraden, Qualitäten und Nutzungen ablaufen. Dadurch wird klar, wie komplex, kooperatives wohnen sein kann. Die Wohntypologie des kooperativen Wohnens wird aber nicht nur durch funktionale, soziale, sozialpsychologische und rechtlich-öko-nomische Bedeutungsmerkmale beeinflusst, son-dern auch durch ein unterschiedliches Verständ-nis von Teilen (Schmid, Eberle & Hugentobler 2019).

4.3.6. VORHANDENE PLANUNG IN DER BIENENGASSE

Die straßenseitigen Gebäude sowie das dar-an anschließende Hinterhofgrundstück in der Bienengasse 19, mit einer Gesamtfläche von 3543 m², wurden im Frühjahr 2020 von einem Privatverkäufer um 3 400 000 Euro an die Pro-jektentwicklungsfirma Aventa verkauft. Dieses Unternehmen beauftrage die Kampus Raum-planungs- und Stadtentwicklungs-GmbH mit der Organisation eines einstufigen anonymen Realisierungswettbewerbs, an welchem fünf Ar-chitekten teilnahmen. Für alle Teilnehmer gab es jeweils 5.000 Euro Aufwandsentschädigung und für die drei erstgereihten ein zusätzlich gestaf-feltes Preisgeld. Die Beurteilungskriterien um-fassen Architektonische (z.B. Baukünstlerische Qualität), Städtebauliche (z.B. Die Erschließung hinsichtlich Fahrverkehr für Einsatzfahrzeuge, Müllabfuhr, etc.), funktionelle (Einhaltung der

Abb. 4.8: Platz 2: FIPE architects (Quelle: Architekturwettbewerb.at, 2020)

Abb. 4.9: Platz 1: Arch. DI Brischnik (Quelle: Architekturwettbewerb.at, 2020)

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Baugesetze) und ökonomische Kriterien (z.B. durch eine hohe Nettonutzfläche).

Die Jury umfasste 6 Personen aus der Kam-mer der Ziviltechniker, der Stadtbaudirektion Graz, des Stadtplanungsamtes Graz, des Bau-trägers Aventa, einem Fachbeirat für Baukul-tur und zusätzlich Berater aus der Abteilung für Verkehrsplanung und der Abteilung Grün-raum+Gewässer der Stadt Graz. Im ersten Be-wertungsdurchgang wurden alle Projekte disku-tiert, im zweiten wurde durch Abstimmungen die Projekte aussortiert. Die ersten beiden Ein-reichungen wurden einstimmig abgelehnt, das Siegerprojekt überzeugte die Jury mit 6:0 Stim-men.

Im Folgenden werden die Meinungen der Jury zu allen Einreichungen zusammenfassend präsentiert.

Runde 1: Arch. Univ.-Prof. DI Dr. TschomBei diesem Entwurf werden die Engstellen zwi-schen den Gebäuden kritisiert, welche zu einer geringen Qualität der Außenräume und zu einer schwierigen Belichtungssituation in manchen Wohnungen führen. Weiters wird die Qualität des Kinderspielplatzes hinterfragt, die Attrakti-vität des Gebäudes an der Bienengasse bezwei-felt und das Fehlen von Penthousewohnungen – welche in der Ausschreibung gefordert wurden - kritisiert. Positiv hervorgehoben wird die Wirt-schaftlichkeit der Baukörper.

Runde 1: Arch. DI Wildner-KerschbaumerEbenfalls in der ersten Runde ausgeschieden ist dieser Entwurf. Kritisiert wurde der längliche, unzonierte Innenhof, der dadurch in seiner Nut-zung eingeschränkt sei. Die Fassadengestaltung wird als monoton wahrgenommen und abwei-chend in Richtung des nordseiteigen öffentlichen Gehweges. Weiters existieren Abstandsprobleme zu den Nachbargebäuden. Auch in diesem Ent-wurf wird die Effizienz und hohe Wirtschaftlich-keit gelobt.

Platz 3: Hofrichter-Ritter ArchitektenAn dieser drittgereihten Einreichung werden die wenig öffentlich vorhandenen Freiflächen kriti-

siert sowie aufgrund der Form der Baukörper die schwierige Orientierungs- u. Belichtungssi-tuation. Positiv gesehen wird das belebte Fassa-denbild und die Gemeinschaftsräume.

Platz 2: FIPE architectsDieses Gebäude ist auf Stelzen gebaut, welche das gesamte Erdgeschoss zu einer öffentlichen Zone machen. Problematisch ist die aufgrund von Stufen mangelnde Barrierefreiheit im Ge-bäude an der Bienengasse und der undefinierte Grünraum, im Bild im oberen rechten Bereich. Weiters wird der geringe Grad an Privatheit kri-tisch gesehen. Die Belichtungssituation wird auf-grund der großzügigen Abstände zu den Nach-bargebäuden als gut eingeschätzt.

Platz 1: Arch. DI BrischnikDas Siegerprojekt zeichnet sich durch großzü-gige Freiräume, eine akzentuierte Fassade und gute Belichtungsverhältnisse aus. Die zwei bis dreiseitige Lage der Wohnungen bietet zudem vielfältige Ausblicke. Positiv gesehen werden die zwei Gemeinschaftsgartenküchen. Das Preisge-richt empfiehlt Verbesserungen im Bereich des Müllraums und des Gemeinschaftsraums und der Lage der Fahrrad- und Kinderwagenabstell-räume.

4.3.7. „BEE GRAZ“ – UNSERE WOHNVISION DER BIENENGASSE

Das bereits geplante und vorhin genauer erklär-te Projekt zur Bienengasse 19 besticht durch die Bebauung mit vier Gebäudekomplexen und die dadurch gewonnenen, für die gedachte Wohn-form „Kooperatives Wohnen“ unabdingbaren, Frei- und Grünräume. Mit ein paar wenigen Ad-aptionen kann in der Stadt eine Wohnvision mit Fokus auf Gemeinschaftlichkeit und Nachhal-tigkeit entstehen und so als Vorbild für künftige Wohnprojekte in der Stadt dienen. Unter dem Titel „BeeGraz“ stellt dieses Wohnprojekt eine Veränderung dar und zeigt eine neue, innova-tive und zukunftsfähige Möglichkeit für Wohn-formen im Stadtzentrum auf. Kurz zusam-mengefasst bedingt Kooperatives Wohnen die

4 BEE GRAZ! WOHNEN IN DER BIENENGASSE

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Bereitschaft, eine Gemeinschaft zu sein. Hier-für sind ausreichend gemeinschaftlich nutzbare Flächen notwendig, wie zum Beispiel im bereits geplanten Projekt Kinderwagen- und Fahrrad-abstellflächen. Neben diesen wird es auch ei-

nen sogenannten „Nutzer*innengarten“, einen „Naschgarten“ und Hochbeete geben, die für alle Bewohner*innen zugänglich sein werden. Ein Kinderspielplatz und eine Gemeinschafts-

Abbildungen 4.10 ob.: Nördlichstes Gebäude: Fahrstreifen vorher (Quelle: Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020) und 4.11. un.: Nördlichstes Gebäude: Fahrstreifen nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

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terrasse bieten zudem einen guten Grundstock für die Wohnvision „BeeGraz“.

Um nun den Fokus noch mehr auf die Ge-meinschaftlichkeit zu lenken, soll in der Wohnvi-sion „BeeGraz“ im ersten und nördlichsten Ge-bäudekomplex ein Gemeinschaftswohnraum im

Erdgeschoss entstehen. Dafür soll keine Wohn-fläche verloren gehen, sondern ein Fahrstreifen von der Tiefgaragenein- bzw. -ausfahrt abgezo-gen werden. Mittels einer Ampelregelung wird die Ein- bzw. Ausfahrt sicher gestaltet und ein zusätzlicher Raum kann entstehen. Dieser Ge-

Abb. 4.12: Gebäude zwei: Wohnflächen vorher (Quelle: Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abb. 4.13: Gebäude zwei: Wohnflächen nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abb. 4.14: Gebäude drei: Wohnflächen vorher (Quelle: Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abb. 4.15: Gebäude drei: Wohnflächen nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

4 BEE GRAZ! WOHNEN IN DER BIENENGASSE

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meinschaftswohnraum ist für alle Bewohner*in-nen zugänglich und kann auch für regelmäßige Treffen, Besprechungen oder sonstige Termine genutzt werden, wie in Gegenüberstellung von Abb. 4.10 (vorher) und Abb. 4.11 (nachher) zu sehen ist.

Die Wohnungssituation gestaltet sich im be-stehenden Plan wie folgt: geplant sind vier Ge-bäudekomplexe mit jeweils vier Geschossen. Insgesamt bedeutet das 51 Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 54 m2. Dazu gibt es noch drei größere Penthouse-Wohnungen auf den drei südlicheren Gebäuden. Die Zielgrup-pe von „BeeGraz“ ist nicht festgelegt, aber was sich aus der bestehenden Planung herausstellt ist, dass die Wohnungen für Familien eher unin-teressant sein werden. Deshalb sieht „BeeGraz“ eine, zumindest teilweise, Zusammenlegung von Wohnungen vor. Das erste, nördlichste Gebäu-de direkt an der Bienengasse liegend, bietet laut geplantem Regelgeschoß mit durchschnittlich 52m2 pro Wohnung unter anderem, aber nicht

nur, für Student*innen, alleinstehende oder äl-tere Personen ausreichend Platz. Beim zweiten Gebäude sieht „BeeGraz“ eine Wohnungszu-sammenlegung vor, wie gegenübergestellt in Abb. 4.12 (vorher) und Abb. 4.13 (nachher) dar-gestellt. Die beiden südlichen Wohnungen wer-den zusammengelegt, wodurch eine Wohnung im Regelgeschoß mit mehr als 100 m2 entsteht und so ausreichend Platz für eine Familie oder andere Form der Wohngemeinschaft bietet.

Eine Zusammenlegung von Wohnungen soll auch beim dritten Gebäudekomplex größere Wohnungen entstehen lassen. Werden ebenfalls die zwei südlicheren Wohnungen zusammen-gelegt, entsteht eine Wohnung im Regelgeschoß mit rund 80 m2, wie in Gegenüberstellung von Abb. 4.14 (vorher) und Abb. 4.15 (nachher) vi-sualisiert ist.

Gemeinschaftsflächen stehen im Fokus von „BeeGraz“, weshalb bei diesem Komplex eine weitere Änderung vorgenommen wird. Statt der Penthouse-Wohnung am Dach soll hier eine Ge-

Abb. 4.13: Gebäude zwei: Wohnflächen nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abbildungen 4.16: Gebäude drei: Wohnflächen nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abbildungen 4.17: Gemeinschaftsterrasse vorher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abb. 4.18: Südlichstes Gebäude: Wohnraum vorher (Quelle: Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

Abb. 4.19: Südlichstes Gebäude: Wohnraum nachher (Quelle: adaptiert nach Brischnik, M.; Superarchitektur, 2020)

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meinschaftsdachterrasse entstehen, wie gegen-übergestellt in Abb. 4.16 (vorher) Abb. 4.17 (nachher) visualisiert wird. Ein überdachter Teil dient dem Schutz vor Witterung und bietet Platz für gemütliche Sitzmöglichkeiten. Ebenfalls kön-nen auf der Dachterrasse verschiedene Gemü-se- und Obstsorten gemeinschaftlich angebaut werden.

Das südlichste Gebäude weist eine Durch-schnittsgröße pro Wohnung von rund 62 m2 auf. „BeeGraz“ sieht eine Wohnungszusammenle-gung der rechten beiden Wohnungen vor, wo-raus eine Wohnung mit rund 110 m2 im Regel-geschoß entsteht, wie gegenübergestellt der Abb. 4.18 (vorher) und Abb. 4.19 (nachher) entnom-men werden kann.

Zusammengefasst bedeutet das eine Redu-zierung der Wohnungsanzahl von vormals 51 Wohnungen mit je rund 54 m2 auf 37 Wohnun-gen zu je rund 70 m2, dazu sieht „BeeGraz“ eine Gemeinschaftsdachterrasse vor und lässt Optio-nen für weitere gemeinschaftliche Flächen (bei-spielsweise ein Gemeinschaftsraum für Sport, Kinoabende, o.Ä.) der übrigen beiden Pent-house-Wohnungen offen.

Kooperatives Wohnen bedeutet unter ande-rem auch die Bereitschaft etwas zu teilen, aber in diesem Fall nicht nur Räume oder Flächen. „BeeGraz“ sieht eine Erstellung einer Sharing-App für die Bewohner*innen vor. Diese können dann freiwillig ihre Fahrräder, Lastenräder, Kin-derwägen, Autos, Werkzeug, o.Ä. zur Verfügung stellen und mit anderen Bewohner*innen teilen. Die App unterstützt dabei in organisatorischer Hinsicht, da die Leihgegenstände in einem Ka-

lender eingetragen bzw. gebucht werden können und so jederzeit für die Bewohner*innen ersicht-lich ist, wann diese sich etwas ausleihen können oder wann etwas nicht zur Verfügung steht. Über so eine digitale Lösung können zusätzliche Funk-tionen eingerichtet werden. Anbieten würde sich eine Kontaktliste mit den Kontaktdaten der Be-wohner*innen (Bekanntgabe auf freiwilliger Basis selbstverständlich), damit auch in anderen Thematiken des Lebens Austausch stattfindet und sich gegenseitig geholfen wird. Ein weiterer Punkt bei der App könnte auch eine gemeinsa-me Aufgabenliste sein. Dies wird vor allem dann schlagend, wenn sich die Bewohner*innen selbst verwalten, denn so könnten anstehenden allge-meine Aufgaben (wie beispielsweise Gehwege vom Schnee befreien, Hochbeete bewässern, etc.) aufgeteilt und verwaltet werden.

Beim Projekt mit der oben beschriebenen Wohnform bietet sich die Gründung eines Ver-eins an, dem Verein „BeeGraz“. Der Beitritt ist freiwillig, bietet aber viele Vorteile für die Be-wohner*innen (u.a. Sharing-App, Zugang zu Gemeinschaftsflächen, Austausch, etc.). Außer-dem können so geförderte Projekte gestaltet und umgesetzt werden. Ein Beispiel hierfür wäre ein Projekt rund ums Thema Bienen, da so auch dem Bienensterben in der Stadt aktiv entgegen-gewirkt werden kann.

„BeeGraz“ – be together! Eine zukunftsorien-tierte, nachhaltige und gemeinschaftliche Wohn-vision im Herzen von Graz.

Abb. 4.20: Logo“ BeeGraz“ – be together! (Quelle: eigene Darstellung, 2020)

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LITERATUR

Grazer Schriften der Geographie und Raumforschung | Band 50

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