Befreiung des Saatguts durch open source Lizensierung durch_Open_Source... · Gleichzeitig ist open...

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Befreiung des Saatguts durch open source Lizensierung Johannes Kotschi Klaus Rapf AGRECOL Juli 2016

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Befreiung des Saatguts

durch open source Lizensierung

Johannes Kotschi Klaus Rapf

AGRECOL Juli 2016

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Herausgeber:

AGRECOLVereinfürstandortgerechteLandnutzungHauptstr.1588379Guggenhausen,Deutschlandwww.agrecol.de

Autoren:JohannesKotschiundKlausRapf

Zitierweise:Kotschi,J.undK.Rapf(2016):BefreiungdesSaatgutsdurchopensourceLizensierung.Arbeitspapier.AGRECOL.Guggenhausen

Titelbild:SamenderKerbelrübe,ARCHENOAH,Schiltern

DieNetzausgabediesesWerksistuntereinerCreativeCommonsLizenzvomTypNamensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenzeinzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ oder wenden SiesichbrieflichanCreativeCommons,444CastroStreet,Suite900,MountainView,California,94041,USA.

AnmerkungdesHerausgebers:DiegemeinnützigeundGemeingüterbasiertePflanzenzüchtungistzueinemgesellschaftlichhochrelevantenThemageworden,undAGRECOLwidmetsichseiteinigenJahrendieserThematik.DasvorliegendePapierbautaufverschiedenenArbeitenauf,vorallemaufeinemRechtsgutachtendasvonClaudiaSchreider2015erstelltwurde,sowieaufdemArbeitspapier„ZurAnwendbarkeitvonOpen-SourceLizenzenaufSaatgut“vonJohannesKotschiundLisaMinkmar(2015).

Danksagung: Dieses Papier ist das Ergebnis eines zweijährigen Dialogprozesses. Zum Gelingendieses Papiers haben zahlreichePersonenbeigetragen.Allenmöchtenwir andieser Stelle herzlichdanken.BesonderserwähnenmöchtenwirdabeiFriedemannEbener,MichaelFleck,UrsulaGröhn-Wittern, Silke Helfrich, Peter Kunz, Jack Kloppenburg, Monika Messmer, Lisa Minkmar, MartinPedersen, Michael Pilz, Manuel Ruf, Gebhard Rosmanith, Berthold Schrimpf, Arne von Schulz,Hartmut Spieß und OliverWilling. Ohne die vielen Anregungen, Einwände und ErgänzungenwäredieseStudienichtmöglichgewesen.

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Vorwort

WirlebenineinerZeitderPrivatisierung.WoimmermöglichwerdenExklusivrechtegeltendgemacht,Nutzungsrechte verkauft, undGüter zumGegenstandwirtschaftlicher Interessengemacht. Das gilt für physische Güter wie z.B. Wasser ebenso, wie für wissenschaftlicheErkenntnisse, musikalische Werke oder Theaterstücke. Dabei ist unerheblich, ob Güterknappsind,wieBodenoderunbegrenztvermehrbarundvonallengenutztwerdenkönntenwiez.B.Saatgut.

Gegendiese Entwicklung formiert sich nun zunehmendWiderstand. EineGegenbewegungzurRückbesinnungaufdieGemeingüter istentstanden.DieDebatteumdieErhaltungvonGemeingütern - den Commons - wurde durch Elinor Ostrom befeuert. Sie hat mit ihrerArbeitsgruppeunzähligeCommonsuntersuchtundgelangtezurErkenntnis,dassGemeingü-ter nicht aus sich selbst heraus existieren, sondern von Menschen gemacht werden.Gemeingüter sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Ressourcen, vonGemeinschaften und des sich Kümmerns, des commoning. Mit ihrem Lebenswerk konnteOstrom allgemeingültige Regeln definieren – sie nannte sie Bauprinzipien – und konntenachweisen,dassbeiEinhaltungdieserRegelndienachhaltigeNutzungvonGemeingüterngarantiertist.2009wurdesiedafüralsersteFraumitdemNobelpreisfürWirtschaftswissen-schaftenausgezeichnet.

VorreiterinderUmsetzungdieserIdeenfindensichimBereichderInformatik.DieSoftware-Entwicklungder letzten30Jahrehatdazugeführt,dasseinGroßteilderProgrammeheute„open source“ ist.Open source Programme sind heute nichtmehrwegzudenken. Sie sindstark verbreitet und finanzieren sich über Geschäftsmodelle ohne copyright und ohneLizenzgebühren.DasBetriebssystemLINUXistdafüreinprominentesBeispiel.

Lässt sich Ähnliches auch für Saatgut denken, genauer gesagt für die Sicherung neugezüchteter Sorten unserer Kulturpflanzen? Mit dieser Fragestellung ist eine Gruppe vonPflanzenzüchtern,Agrarwissenschaftlern,Commons-Aktivistenund Juristenangetretenundsucht interdisziplinär nach Wegen, die Erkenntnisse von Elinor Ostrom auf Saatgutanzuwenden.Gleichzeitignutztsiedie imBereichderInformatikgewonnenenErfahrungenzur rechtlichen Absicherung von open source Software. Darauf aufbauend hat dieArbeitsgruppe ein neues Konzept für Saatgut entwickelt. Die bisher erzielten ErgebnissewerdenimvorliegendenPapiervorgestellt.

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1. Einleitung

Über viele Jahrtausendegalt Saatgut als einGemeingutundwar als solchesmeist für allezugänglich.DieZüchtungunsererKulturpflanzenwardabeieingemeinschaftlichgetragenerProzess. Überall auf der Welt haben Bauern und Bäuerinnen Saatgut, das ja in jedemAnbauzyklusneuentsteht,getauscht,verschenktundgehandeltundebenauchgezüchtet.

Diesändertesicherst inderzweitenHälftedes19. Jahrhunderts.DieErkenntnisseGregorMendels und die Entstehung der Genetik als neuem Wissenschaftszweig bildeten dieGrundlagefüreinewissenschaftlichePflanzenzüchtung,diewiekeinandererBereichindenletzten 100 Jahren zur Intensivierung der Landwirtschaft beigetragen hat. So konntenErträge z.T. um ein Mehrfaches gesteigert, die Resistenzen gegen PflanzenkrankheitendeutlicherhöhtunddieQualitätvonNahrungsmittelnenormverbessertwerden.

In Deutschland gab es zunächst unterschiedliche Organisationsformen. In Nord- undOstdeutschland wurde Pflanzenzüchtung maßgeblich von großen Gutsbetrieben undkommerziellen Züchtern vorangetrieben. Einzeln oder in Arbeitsgemeinschaften begannenlandwirtschaftlicheBetriebemitderZüchtungunddemVerkaufvonverbessertemSaatgut.Darausentstandenrelativ frühspezialisiertePflanzenzüchtungsunternehmen,diezueinemeigeständigenklein-undmittelständischenWirtschaftszweigheranwuchsen.

NebendieserEntwicklungentstandenvoralleminSüddeutschlandvielfältigegemeinnützigeInitiativen. Vereine, Genossenschaften, teilweise auch staatlichen Stellen und Fachschulenbegannenzuzüchten,oftmitUnterstützungderstaatlichenSaatzuchtanstalten.

Bald begann die Auseinandersetzung zwischen den privaten und den öffentlichenPflanzenzüchtern. Private Züchter sahen in staatlichen oder staatlich unterstütztenbäuerlichen Strukturen eine "unfaire Konkurrenz", und es kam zu ersten Konflikten übergeistiges Eigentum bei Saatgutvermehrung und Saatgutverkauf. Wie auch in anderenSektoren üblich verlangten die privaten Züchter staatliche Garantien für den Schutz ihrerSorten. So wurden in Deutschland relativ früh Verordnungen und Gesetze zum SchutzgeistigenEigentumsaufSaatguterlassen.Bereitsum1900wurdeeinerstesAnmeldsystemfür Sorteneingeführt, das abernicht verpflichtendwar. 1933wurdedanndas Saatgutver-kehrsgesetzerlassen.Dadurchwurdedie"Zulassung"undPrüfungeinerSorteverpflichtend,wasdazuführte,dassvieleSortenverschwanden,ebenweilsienichtzugelassenwaren.DerVersuch Pflanzenzüchterrechte gesetzlich zu verankern, scheiterte zunächst; das deutscheSortenschutzgesetztraterst1953inKraft.

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DieGründungvonUPOV,derinternationalenVereinigungzumSchutzvonPflanzenzüchtun-generfolgte1961undbautaufdemdeutschenWegzurSicherunggeistigenEigentumsbeiSaatgutauf.ÜberUPOVwurdediesesSystemweltweitverbreitet.Infolgedessensahensichviele Staaten gezwungen ihre Systeme staatlicher Saatgutversorgung aufzugeben und zuprivatisieren.

InanderenLändernkümmertensich langeZeitvorrangigstaatlicheForschungsinstituteumdie Pflanzenzüchtung; private Züchter waren nur in einzelnen Nischen erfolgreich.ProminentesBeispielfüreinesolcheNischebildetdieHybridzüchtungvonMaisindenUSA.Davonabgesehen,bliebdieNutzungneuerSortenüberviele Jahrzehnte freivongeistigenEigentumsrechten.

Erstinden1980erJahrenkameszueinschneidendenVeränderungen.MitderEntwicklunggentechnischerVerfahrenzurVeränderungdesErbgutesvonPflanzenundderEntscheidungdesUSSupremeCourt(1982),dasGen-Sequenzenpatentiertwerdenkönnen,eröffnetesichdieMöglichkeit,Saatgutzupatentieren.

BeideWege,UPOVunddiePatentgesetzgebung,habendiePrivatisierungdesSaatgutsektorsimmer stärker vorangetrieben, und die Privatisierung wiederum hat zu wachsenderMarktkonzentration geführt. Die Konzentration der Saatgutwirtschaft begann in den 70erJahren. Damals entdeckten internationale Chemie-Konzernemit der Pflanzenzüchtung einsynergistischesundhochprofitablesneuesGeschäftsfeld,undderAufkaufvonSaatgutfirmenbegann. DieMonopolbildung globaler Saatgutkonzerne gehört inzwischen zum Allgemein-wissen.Allein inDeutschlandhaben innerhalbder letzten15 Jahre25%derSaatgutfirmenaufgegebenoderwurden aufgekauft. Im Jahr 2015warenbeimBundesverbanddeutscherPflanzenzüchter nur noch 58 eigenständige Züchtungsfirmen registriert1. Angesichts dergroßenBandbreitevonwünschenswertenKulturpflanzenfürLandwirtschaftundGartenbauist die Zahl der verbliebenen Züchtungsfirmen sehr gering und die Angebotsvielfalt beiSortenstarkrückläufig.

AlsowurdeletztlichdasGegenteilvondemerreicht,wasbeabsichtigtwar.MitderSchaffungvon Gesetzen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte sollte die klein- undmittelständischeprivate Züchtungswirtschaft gestärkt werden. Stattdessen verschwanden immer mehrZuchtbetriebe. Inzwischen sind Pflanzenzüchtung und die Saatgutversorgung zumInvestitionsgegenstandglobalerKonzernegeworden;dieRevolutionfrisstihreKinder.

Die Firmenkonzentrationdes globalen Saatgutsektorsbis hin zuMonopolen ist deshalb sobedrohlich, weil sie zur Verringerung der genetischen Vielfalt und zu Einseitigkeit in derlandwirtschaftlichenProduktionführt.AußerdemerzeugtsieeinewachsendeAbhängigkeitderSaatgutnutzer(undderGesellschaftalsGanzes)vonwenigenFirmen.Dadurchsinddielandwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit in ihrer Nachhaltigkeitgefährdet.

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AnStellewenigerKulturpflanzendiezüchterischbearbeitetwerdenundwenigerSorten,dieeinegroßeVerbreitungerlauben, ist zukünftigeinegroßeVielfaltvonKulturpflanzennötigdie züchterisch bearbeitet werden mit einer großen Zahl von Sorten die zur Verfügungstehen,denn:

Nur so wird es gelingen die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen undErnährungssicherungzuerreichen.

ZweitenssindzurErzeugunghochwertigerNahrungsmittelbeigleichzeitiggeringererUmweltbelastungSortennötig,diestandortspezifischeökologischePotentialebessernutzen und kaum chemische Betriebsmittel von außen beanspruchen, auch wennsichdieseSortennichtgroßflächigverbreitenlassen.

Nicht zuletzt brauchenwir Sorten, die für die ökologische Landwirtschaft geeignetsind.Diese istwiederumnotwendigumKulturlandschaftenzuerhalten,ebensowieihreÖkosystemleistungensaubereLuft,TrinkwasseroderErholungsraumetc.

BeiallendiesenAufgabenhatdieErbringunggesamtgesellschaftlicher,alsogemeinnützigerLeistungen einen hohen Anteil. Private Pflanzenzüchtung kann diesen „gemeinnützigenAnteil“mit ihremGeschäftsmodell immerwenigererbringen.Vorallemdie„economiesofscale“,dieMassenproduktionläuftdemzuwider,ebensowiedieerlahmendeInnovationsfä-higkeit beiMonopolbildung, die als institutionalisiertesMarktversagen bezeichnetwerdenmuss.

So stehen wir heute an einem Wendepunkt. Die private Pflanzenzüchtung kann dieAufgaben,diezumÜberlebenderMenschheiterforderlichsind,nichtalleinbewältigen.WirbraucheneinezweiteSäule,einenSub-Sektornicht-privater,gemeinnützigerPflanzenzüch-tung,derdieobengenanntenLeistungenerbringt.InderVergangenheitwardasderStaat,aberderStaathatsichausderöffentlichenPflanzenzüchtungimmermehrzurückgezogen.

In diesem Vakuum hat sich über die letzten Jahrzehnte innerhalb der Zivilgesellschaft eingemeinnütziger Bereich in der Züchtungslandschaft etabliert, der durch Lobbyarbeit undAdvocacyaufdiesesDefizitaufmerksammacht,vorallemaberdurcheigenePflanzenzüch-tungeinenGegenpoletablierthat.

Perspektivischverstehter sichwenigeralsKonkurrenzzumprivatenSektor, sondernmehralsmethodologischesLaborfürdieöffentlich-rechtlicheOrganisationvonPflanzenzüchtungmitdemZieldasGemeinwohlzumehren.DazugehörtauchdieFrage,wieGemeingüteralssolcheerhaltenwerdenkönnen,denn innerhalbder IPRSystemegibtesdieseMöglichkeitnicht.

MitderderopensourceLizenzfürSaatguthabenwireinenWeggefunden,SaatgutausderLogik von Patentierung und Sortenschutz herauszuhalten. In den folgenden AbschnittenstellenwirdiesenAnsatzvor.ImEinzelnenbehandelnwirdabeidasOpensourcePrinzip,dieRechtsgrundlagederLizenz,sowiedieLizenzansichundihreAnwendbarkeit.

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2. Was heißt open source?

Der Begriff open source stammt aus dem Bereich der Informatik. Gemeint ist damit derZugang zu Gütern unbehindert von verschiedenen Formen zur Sicherung geistigerEigentumsrechte wie zum Beispiel von Patenten und Urheberrechten (Copyright).Gleichzeitig ist open source nicht identischmitOpen-Access, dem vollkommen freien undungeregeltenZugang.Vielmehrgehtesdarum,einGutalsGemeingutzuerhalten,dasheißt,vorPrivatisierungzuschützen(„protectedcommons“2).

Dasopen source Prinzipwurde1983vonRichard Stallmanngenutztundweiterentwickelt,obwohlerselbstdenBegriff„FreieSoftware“3prägte.SeinZielwar,NutzernvonComputerSoftwaredieMöglichkeiteinzuräumen,Software-Programmezuverändern,weiterzuentwi-ckelnundanandereweiterzugeben.StallmandefiniertefünfBedingungen,diegegebenseinmüssen4:

(1) DasProgrammdarffürjedenZweckundvonjedemgenutztwerden.

(2) Der Anwender darf untersuchen, wie das Programm funktioniert und es seineneigenenBedürfnissenanpassen.

(3) DerAnwenderdarfKopiendesProgrammserstellenundanandereweitergeben.

(4) Der Anwender darf das Programm verbessern und die Verbesserungen der Allge-meinheitzugänglichmachen.

Um nun aber sicherzustellen, dass Weiterentwicklungen ebenfalls Open source bleiben,definierteStallmaneineweitereBedingung,dieercopyleftnannte:

(5) DascopyleftPrinzipverpflichtetallekünftigenEntwicklerdenNutzern ihrerWeiter-entwicklungendieselbenRechteeinzuräumen,wie jene,diesieselbstgenossenha-ben5. Damit ist eine Viralität gegeben, denn alle Folgeprodukte unterliegen dieserRegelebenfalls.

CopyleftdrehtdieursprünglicheIntentiondesCopyrightsum.AnstelledesCopyrightgibtesin Deutschland das Urheberrecht6. Während dieses normalerweise die Autoren zu nichtsverpflichtetunddenNutzernfastnichtserlaubt,wirdmitdemcopyleftPrinzipdasGegenteilgefordertundmiteineropensourceLizenz,diedemProduktbeigefügtwird,werdendiefünfgenanntenPrinzipienfestgeschrieben.Esklingtparadox,aberdieopensourceLizenzerwirktein Copyright (in Deutschland Urheberrecht) zur Durchsetzung des copyleft Prinzips.ZwischenEntwicklernundNutzernwirdeinrechtlichbindenderVertraggeschlossen,derdieKontrolle des Entwicklers auf Verbreitung aufhebt, seine Urheberschaft sichert und dieVerbreitung in gewissen Grenzen fördert. Voraussetzung ist allerdings, dass bestehendeGesetzedieDurchsetzungdiesesRechtsgestatten.

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OpensourceLizenzen–ursprünglichfürSoftwareProgrammeentwickelt–werdenheutefürWerkederKunst,derLiteraturundderWissenschaft,sowiefüralleArtenvonErfindungenallgemein angewandt.Open source Lizenzen sorgen heute in vielfacherWeise dafür, dassErfindungen und andere geistige Kreationen aller Art frei von geistigen Eigentumsrechtenbleiben.Besondersverbreitet istdiegeneralpublic licence (GPL).Von ihr sindmehrals70VariantenbeiderOpensourceInitiativeOSIregistriert7.FürWerkeausKunst,Literaturundz.T. auchWissenschaftwerden vielfach auchCreative Commons (CC) Lizenzen verwendet.Beide, die GPL wie auch die CC-Lizenzen sind in Deutschland rechtlich durchsetzbar8,9.Allgemein schützen diese Lizenzen Leistungen, die durch das Urheberrecht als geistigesEigentum anerkannt werden. Das Urheberrecht steht dem Entwickler oder Erfinder kraftseinerUrhebereigenschaftzu.ErmussdiesesRechtnichtbeantragenodereintragenlassen;Urheberrechts-Ansprüchestehenihmautomatischzu.

AndereRegelngeltenfürlandwirtschaftlichesSaatgut.AuchdieZüchtungeinerKulturpflan-zeisteinkreativerProzessundeinegeistigeLeistungdesZüchters,aberdasUrheberrechtistdafür nicht anwendbar. Die Pflanzenzüchtung selbst ist (mit Ausnahme der Gentechnik)gesetzlich nicht geregelt, die allgemeine Vermarktung von Saatgut unterliegt jedoch denSaatgutgesetzen. In Deutschland regelt das Saatgutverkehrsgesetz, welches Saatgut „inVerkehr“gebrachtwerdendarf,nämlich(fürlandwirtschaftlicheKulturen)grundsätzlichnursolchesvon(staatlich)zugelassenenSorten.DasSaatgutverkehrsgesetzerlaubtdemZüchter,eineSorteanerkennenunduntereinemgewähltenNamenregistrierenzulassen.ZusätzlichkannereinenAntragaufSortenschutzstellenunddamiteingeistigesEigentumanderSorteerlangen. Andernfalls ist seine Sorte zwar für die Vermarktung zugelassen aber nichtgeschützt,dasheißtsiedarfvonjedemvermehrtwerden.SortenzulassungundSortenschutzmüssen beantragt werden, und ihrer Erteilung geht eine langwierige und kostenintensivePrüfungvonmehrerenJahrenvoran.

Das heißt, bestehende Lizenztypen – seien es die Creative Commons Lizenzen oder diegeneral public licenses (GPL) – kommen für Saatgut nicht in Frage, weil diese auf demUrheberrecht gründen. Deshalb geht es darum, eine Rechtsgrundlage zu finden, die denspezifischenEigenschaftenvonSaatgutgerechtwird.

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3. Rechtsgrundlage der Lizenz

Lizenzverträge regeln Verträge zwischen Unternehmen, zwischen Privatpersonen oderzwischen Unternehmen und Privatpersonen. Unsere open source Lizenz für Saatgut (OSS-Lizenz)unterscheidetsichvonherkömmlichenLizenzendadurch,dassderLizenzgeberkeineAusschließlichkeitsrechte erhält. Gleichzeitig können die Rechte und Pflichten, die demLizenznehmer zukommen nur auf dem Weg eines zivilrechtlichen Vertrages übertragenwerden.

Bei der von uns entwickelten Lizenz handelt es sich um einen nicht eigens geregeltenVertragstyp. Der Lizenzvertrag wird deshalb auch als Vertrag eigener Art, als Vertrag suigeneris, klassifiziertundgründet sichaufdasBürgerlicheGesetzbuch (BGB). In ihm findensichElementeverschiedenerVertragstypenwieder(Miete,Pacht,Kauf,u.a.).DieLizenzkannvondeutschenGerichtenalsAllgemeineGeschäftsbedingungen (AGB)eingestuftwerden10.Begründetwirddiesdamit,dassdieLizenzdieVoraussetzungendes§305IBGBerfüllt,weildie Lizenz der Konkretisierung eines Vertrags dient, für eine Vielzahl von Verträgenvorformuliert ist, einseitig von einer Partei gestellt und nicht im Einzelnen ausgehandeltwird.

DieGrundeigenschaftenderOSS-Lizenzbestehendarin,dassdemNutzerunentgeltlicheineinfachesNutzungsrecht eingeräumt und er verpflichtetwird, seineUmgestaltungen oderWeiterentwicklungen zur allgemeinen Nutzung gemäß den Lizenzbedingungen öffentlichzugänglich zu machen. Im Sinne des open source Gedankens haben die Lizenzrechte denfolgendenUmfang:

(1) „Mit Zustandekommen des Lizenzvertrages wird dem Lizenznehmer das Rechteingeräumt,dasvollständigeSaatgut,sowieeresbekommenhat,unterdenBedin-gungendieserLizenzzunutzen.

(2) DasSaatgutdarffür jedenZweckundvonjedem,derdieBedingungendieserLizenzakzeptiert,genutztwerden,insbesondereauchzurWeiterentwicklung.

(3) DerLizenznehmerdarfdasSaatgutanandereweitergeben,vermehren,weiterentwi-ckelnundvermehrtesoderweiterentwickeltesSaatgutverbreiten(...).

(4) Das copyleft Prinzip verpflichtet den Lizenznehmer, den künftigen Besitzern desSaatgutes,darausvermehrtenSaatgutesodervonWeiterentwicklungendesSaatgu-tes, dieselbenRechte undPflichten zu überbinden,wie jene, die er selbst erworbenund übernommen hat. Jede darüber hinausgehende Beschränkung der Rechte amSaatgutgegenüberDritten,insbesondereauchBeschränkungenaufGrundgesetzlicheingeräumter Sonderrechte (Sortenschutzrechte, Patentrechte,Markenrechte,Urhe-berrechteo.Ä.)istverbotenundunzulässig.“

DievollständigeOSS-LizenzistdiesemPapierimAnhangbeigefügt.

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4. Das Schutzobjekt

ImmerwiederhabenwirunsdieFragegestellt,waswireigentlichabsichernwollen. Isteseine Sorte, eine Population, eine Herkunft oder einfach Saatgut?Wir haben uns für denBegriff„Saatgut“entschiedenundbegründendieswiefolgt.

MitdemVertragfindeteineRechte-EinräumungandemgleichzeitigübergebenenMaterialstatt.AusAnlassdesMaterial-TransferswirdeinVertraggeschlossen,derdiegegenseitigenRechte und Pflichten an diesemMaterial und an allen seinen zukünftigen Entwicklungenregelt. Dabei bezieht sich der Vertrag auch implizit auf die demMaterial innewohnendengenetischen Informationen.Mögliche Alternativen zum Begriff Saatgut wären die Begriffe„biologisches Material“ oder „genetische Ressource“, aber beide sind für Laien eherschlechterverständlichals„Saatgut“.

Eine Sorte dagegen ist etwas Immaterielles und kann nicht Gegenstand einer Material-Übertragungsvereinbarungsein. Insofernhatdieopensource Lizenzaucheinengrundsätz-lich anderen Charakter als der Sortenschutz. Über eine Sorte als Bezeichnung von etwasImmateriellenkannrechtlichnurverfügen,werandieserSorteeingeistigesEigentumsrechthat.DiesesSortenschutzrechtkannderStaatverleihen,abereskannnurSaatgutinVerkehrgebrachtwerden.

UnabhängigdavonkanneinZüchterseinemitderOSS-LizenzverseheneNeuzüchtungnachdenBestimmungendesSaatgutverkehrsgesetzesalsSortefürdieVermarktungregistrierenlassen.DiesmagausVermarktungsgründennotwendig sein.DennSaatguteinerZüchtung,die im Katalog des Bundessorten-Amtesmit einer Sortenbezeichnung eingetragen ist undkeinen Sortenschutz genießt, kann mit dieser Sortenbezeichnung vermarktet werden,allerdingsvonjedermann.

5. Kenntnisnahme der Lizenzbedingungen

DieLizenz isteinzivilrechtlicherVertrag.SolcheVerträgekönnenschriftlich,mündlichoderauch konkludent, d.h. durch schlüssige Verhaltensweisen zustande kommen. Wer alsoSaatgutunterderopensourceLizenzverkaufen,verschenkenodertauschenmöchte,mussdie Bedingungen derWeitergabe klar und deutlich zur Grundlage des Vertragesmachen.Paragraph § 305 II BGB besagt, dass der Verwender der AGB, also der Lizenzgeber, beiVertragsschluss die andere Vertragspartei, also den Lizenznehmer, ausdrücklich auf dieLizenzbedingungen hinweisen und ihm dieMöglichkeit gebenmuss, in zumutbarerWeisevonihremInhaltKenntniszunehmen.AußerdemmussdieandereVertragsparteimit ihrerGeltungeinverstandensein.Einesogenannte„Aufreiß-Lizenz“,beiderdurchAufreißenderPackung die Lizenzbedingungen anerkanntwerden,würde vermutlich gegen das deutscheAGB Recht verstoßen, weil spezielle Nutzungsbestimmungen für Saatgut (noch) nichtallgemeinüblichunddahernichtalsallgemeinbekanntvorauszusetzensind.DeshalbkommteineAufreiß-LizenzderzeitnichtinFrage.

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Diesbedeutet,dassjedeWeitergabedeserhaltenenSaatgutesnurunterKenntnisnahmederLizenzvereinbarungdurchdenEmpfängerzulässigist.HierfürreichteineKurzfassungausmitVerweis auf die Langfassung im Internet. Allerdings müssen in der Kurzfassung allewesentlichenVertragsbestimmungenenthaltensein.

DieKurzfassungunsererLizenzlautet:

„Mit Erwerb des Saatguts oder bei Öffnung der Verpackung dieses Saatgutsakzeptieren Sie imWege eines Vertrages die Regelungen eines kostenfreien Li-zenzvertrages.Sieverpflichtensichvorallem,dieNutzungdiesesSaatgutesundseiner Weiterentwicklungen nicht z.B. durch Beanspruchung von Sortenschutz-rechten oder Patentrechten an Saatgutkomponenten zu beschränken. Zugleichdürfen Sie das Saatgut und daraus gewonnene Vermehrungen nur unter denBedingungendieserLizenzanDritteweitergeben.DiegenauenLizenzbestimmun-genfindenSieinderPackungundunterwww.opensourceseeds.de/Lizenz.WennSie diese Bestimmungen nicht akzeptieren wollen, müssen Sie von Erwerb undNutzungdiesesSaatgutsAbstandnehmen.“

Für professionelle Händler, die z.B. kleine Saatgutmengen in Supermärkten oder inGartenzentren vertreiben, bedeutet das, den nötigen Kurztext auf die Saatguttüte zudrucken mit Verweis auf den Langtext im Internet. Aber auch ein Kurztext ist auf denallgemein sehr kleinen Saatgut-Tüten zusätzlich zu anderen Produktinformationen nurschwerunterzubringen.DurchdieWahlgrößererTütenoderdurcheinezusätzlicheLascheanderTütekönnteAbhilfegeschaffenwerden.

FürprivateNutzer,dasheißt fürLandwirteoderanderekleineAkteurebedeutetdas,demSaatgut eine Kopie der Lizenz beizulegen und den Empfänger auf die Geltung der Lizenzhinzuweisen.

6. Open source Lizenz und Züchterprivileg

DieopensourceLizenzsiehtvor,dassnichtnurdasSaatgutselbst,sondernauchalleseineVermehrungenundWeiterentwicklungenfrei(vonIPRs)zugänglichsind.DascopyleftPrinzipist somit viral. Es ergibt sich eine Kette von Verträgen, die vielfach verästelt sein kann.Lizenznehmer werden zu Lizenzgebern. Lizenzgeber ist dabei immer derjenige, der dasSaatgutweitergibt,Lizenznehmerderjenige,deresempfängt.

Mit der Lizenz wird ein paralleles Universum zur privaten Pflanzenzüchtung geschaffen.Open source Lizenz auf der einen – Patente und Sortenschutz auf der anderen Seiteschließen sich aus. Dies hat Folgen für den Saatgutaustausch zwischen beiden Sektoren.Zwarkannjederopensource lizensiertesMaterialnutzen,aberebennicht,umdarauseineSorte zu züchten, die dann mit Sortenschutz oder Patent belegt ist, aufgrund dererNutzungsgebührenerhobenwerdenkönnen.DamitscheidetdiesesMaterialfüreineprivatePflanzenzüchtung,dieexklusivegeistigeEigentumsrechtebeanspruchenwill,aus.

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IndiesemAusschlusssehenmancheeineVerletzungdesZüchterprivilegs.DasZüchterprivi-leg,auchZüchtervorbehaltgenannt,gestattetZüchtern,vorhandenespflanzlichesMaterialmit Sortenschutz ohne Erlaubnis des Sortenschutzinhabers zu verwenden, wenn sie mitdiesem eine neue Sorte züchten. Diese Ausnahmeregelung ist für die Pflanzenzüchtungexistenziell, denn Züchtung ist ein langfristiger Prozess und neue Sorten bauen aufvergangenerZüchtungauf.DerSinnundZweckdesZüchtervorbehaltsliegtdemnachinderFörderungderzüchterischenForschungs-undEntwicklungsarbeitundsolldieVerwendungdessortengeschütztenMaterialszurSchaffungneuerSortenermöglichen11.

Aber das Züchterprivilegs wird durch die open source Lizenz nicht verletzt, denn dasZüchterprivilegistimSortenschutzverankert12undistalseineEinschränkungderRechtedesSortenschutzinhabers definiert. Das heißt: der Anwendungsbereich des ZüchterprivilegserstrecktsichnuraufdiesortengeschütztenZüchtungen.

Die Einschränkung der privaten Aneignung einer neu gezüchteten Sorte durch die opensource Lizenz wird kontrovers beurteilt. Die Gegner argumentieren, dass open sourcelizensierte Sorten unattraktiv seien für private Firmen, die sich überRoyalties finanzieren.AußerdemwerdedadurchderZüchtungsfortschrittreduziert,weildiemeistenFirmendemGeschäftsmodell der Royalties folgen und Material mit OSS-Lizenz dann nicht nutzenkönnen.

Aber dieses Argument lässt sich in mehrfacher Hinsicht entkräften. Historisch betrachtetwurde der größte Teil landwirtschaftlichen Saatgutes ohne Royalties entwickelt. In vielenEntwicklungsländern folgt Pflanzenzüchtung heute dem auf Royalties basierendenGeschäftsmodellkaum,undauchin IndustrieländerngibtesZüchtungsprogrammeprivaterUnternehmen,derenFinanzierungohneexklusivegeistigeEigentumsrechteauskommt.

Auch die großen Akteure der Software Industrie deren Geschäftsmodelle auf Lizenzenaufbauten, haben in den 90er Jahren so argumentiert. Die Realität hat sie widerlegt undzeigt,dassgeradedieKoexistenzverschiedenerGeschäftsmodelledieSoftwareIndustriesoerfolgreichgemachthat.SieiststarkgewachsenundhatopensourceSoftwareineinenMixvonGeschäftsmodellenintegriert.

SosehenwirinderopensourceLizenzeinZukunftspotential,dasdenSchutzdergemeinnüt-zigen Züchtung garantiert und den Gemeingüter-Anteil pflanzengenetischer Ressourcenstärkt.

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7. Die Bedeutung des Nagoya-Protokolls

Im Gegensatz zur GPL, die auf dem Urheberrecht (copyright) gründet, bildet das NagoyaProtokoll eine gesetzliche Grundlage für die OSS Lizenz. Das Nagoya Protokoll ist eineZusatzvereinbarung des internationalen Übereinkommens über biologische Vielfalt(Biodiversitätskonvention) und regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und dieausgewogeneundgerechteAufteilungderVorteile,diesichausihrerNutzungergeben.Dieinternationalen Verpflichtungen aus dem Nagoya-Protokoll sind nationalstaatlichumzusetzen. Im Mai 2014 hat die EU die Verordnung 511/2014 über Maßnahmen zurEinhaltungdesNagoyaProtokollsverabschiedet13undDeutschlandhateinentsprechendesGesetzimNovember2015beschlossen14.

Das Nagoya Protokoll gilt für alle genetischen Ressourcen und erlaubt dem souveränenRechte-Inhaber einer genetischen Ressource, die Bedingungen ihrer Verwendung zubestimmen–durchvorherigeZustimmung(PriorInformedConsent,PIC)undaufGrundlagevereinbarterKonditionen(MutuallyAgreedTerms,MAT).DieEinhaltungdieserRegelnwirddurch die verpflichtendeDokumentation bei der Verwendung dieser Ressourcen sicherge-stellt. InWestEuropa istder souveräneRechte-Inhabermeistderjenige,der imBesitzderRessourceist.DassindnachAbschlussdesZüchtungsprozesseszunächsteinmaldieZüchter.

VonderdurchdasNagoyaProtokolleröffnetenMöglichkeit,dassderRechte-InhabereinergenetischenRessourcedieBedingungenihrerVerwendungbestimmenkann,machtdieopensourceLizenzGebrauch.DasNagoyaProtokoll istsomiteinstarkerHebelzurDurchsetzungderopensourceLizenz.EntscheidendistArtikel4derEU-Verordnung;diesebesagt,dassderNutzereinergenetischenRessource,ZeitpunktundOrtdesZugangsgenauzudokumentie-renundgegebenenfallsauchZugangsgenehmigungenundZugangsbedingungennachzuwei-senhat.

8. Praktische Fragen zur Umsetzung

DasInteresseanderOSS-Lizenz istgroß.VorallemPflanzenzüchter,diegemeinnützigtätigsind unddie auf Sortenschutz für ihreNeuzüchtungen verzichtenoder dies erwägen, sindbereit,ersteSortenmitderLizenzauszustatten.WichtigistindiesemZusammenhang,dassein umfassender Schutz nur gewährleistet ist, wenn alles Material, das den Zuchtgartenverlässt,mitderOSS-Lizenzausgestattetwird.DazugehörennichtnurSorten, fürdieeineZulassungbeantragtwird, sondernauchZuchtlinien,Ramscheetc., alsoallesMaterial,daswährenddesZüchtungsprozessesentsteht.

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Die Stärke der Kette von lizensierten Sorten und ihrer Folgeprodukte ist davon abhängig,dass zu Beginn kein Material ohne OSS-Lizenz in Umlauf gebracht wird, wobei hier auchbefreundete Züchter, Bekannte und Freunde zu berücksichtigen sind. Es ist uns durchausbewusst,dassdieseineHemmschwelleist,denndadurchsindbestehendeTraditionenundGewohnheiteninFragegestellt.

ImPrinzipkönntejederZüchterbeiHerausgabeseinerneuenSortealseinzelnereineLizenzentwickeln. Aber dies ist nicht zu empfehlen, da jeder Lizenztext ein eigenes commonserschafft.DerAufwandsowohlbeiderErschaffung,vielmehrabernochbeiderPflege(demcommoning) ist nicht zu unterschätzen und auch die öffentliche Wirkung open sourcelizensierterSortensprichtfüreinkoordiniertesVorgehen.Wirschlagendeshalbvor,dassdieVerwaltungdesLizenztextesunddieDokumentationder lizensiertenMaterialiensowiedieallfällige Rechteverfolgung durch einen gemeinsamen spezialisierten Dienstleister erfolgtundhabendeshalbdieOSS-Lizenz alsVertrag zugunstenDritter gestaltet.DadurcherfolgteineArbeitsteilung,beidersichZüchteraufdieErschaffungneuerVielfaltfokussieren,unddergemeinsameDienstleistersowohldierechtlichenKomplexitätenalsauchdieDokumen-tation,ÖffentlichkeitsarbeitundBenutzer-Supportabdeckt15.UmdieAnwendungderOSS-Lizenzzubeginnen,SollteAGRECOLdieseRollefürsErsteübernehmen.

GrundsätzlichsolltendabeidiefolgendenAufgabenübernommenwerden:

EineöffentlicheDatenbankeinrichtenundbetreiben, inderalle lizensiertenSortenundMaterialiendokumentiertwerdenkönnen.DieseDokumentationbeinhaltetzumeinendieKurzbeschreibungderSortenfürLandwirte,zumanderendieausführlicheBeschreibungfürZüchter(gemäßCPVObzw.UPOV)sowiedieNennungdesZüchters.Des Weiteren sollte sie Informationen zur Verfügbarkeit dieser Sorten enthalten(Vertriebspartneretc.)können.

DieSammlungundLagerungvonWeiterentwicklungeninFormvonSaatgutmusternineinem„Sortenindex“.DiesesgenetischeMaterialistnotwendig,umimFalleeinesVerstoßesdiesenübergeeigneteTestsnachweisenzukönnen.

ÖffentlichkeitsarbeitundWerbungfürdieLizenz.

Beratung für potentielle Nutzer, Darstellung der gesetzlichen Grundlage und derrechtlichenÜberlegungenzurLizenzansich,undzuihrerAnwendungundWeiterga-be.

Sicherstellungder FinanzierungderDienstleistungen,die fürdenZüchter jedenfallskostenlossind.

DieseBündelungallerAufgaben rundumdieVerwaltungderOSS-Lizenzverleihtderopensource IdeeMomentum. Sie stärkt die politischeWirkung der Lizenz, ermöglicht über dieEinhaltung der Lizenzbedingungen zu wachen und vor allem: entlastet die Züchter vondiesenAufgaben.

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Resumé

In Zeiten, in denen die Rechtsgrundlage für die Sicherung von Privatbesitz übermächtigerscheint,währendGemeingüterkaumRechtsschutzgenießen,wurdemitderopensourceLizenzeinWegentwickelt,SaatgutalsGemeingutrechtlichabzusichern.

Die konzeptionelleGrundlage ist erarbeitet:Durchdie Lizensierung vonneuenSortenundNeuzüchtungen allgemein werden Gemeingüter geschaffen, und da die Lizenz viral ist,werden diese Gemeingüter aus sich selbst heraus, durch Nutzung undWeiterentwicklungvermehrt.

Dennoch gibt es einen inneren Widerspruch, der eine rasche Akzeptanz und breiteUmsetzungdesKonzeptshemmenkönnte:DieFreiheitdesSaatgutswirdmiteinemVerboterkauft – dem Verbot der Privatisierung. Kann eine positive Botschaft über ein Verbotverbreitet werden? Außerdem: Die Lizensierung erfordert zusätzlichen Aufwand, istbürokratischunderfordertdieÄnderungvonWertvorstellungenundGewohnheiten.

So ist für die Einführung dieses Ansatzes eine Gruppe von Züchter-Pionieren gefragt, dieDurchhaltevermögen beweisen und eine kritische Masse erreichen. Gleichzeitig ist dieErarbeitung einer breiten Akzeptanz entlang der Wertschöpfungskette von Züchtern,Produzenten und Konsumenten erforderlich, damit ein lebendiges und erfolgreichesGemeingutentstehenkann.

Wir sehen gegenwärtig keine Alternative, den gesetzlich verbrieften geistigen Eigentums-rechten angemessen zu begegnen alsmit der rechtlichenAbsicherung vonGemeingütern.AberlangfristighoffenwiraufeinegesellschaftlicheEntwicklung,diezueinemWertewandelführt, so dass exklusive geistige Eigentumsrechte und open source Lizenzen überflüssigwerden.

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Anhang: Open Source Saatgut (OSS) Lizenz16 - Lizenzvertrag

Präambel

Mit Erwerb und Nutzung des unter den Bedingungen dieses Lizenzvertrages erworbenenSaatgutes akzeptieren Sie als Lizenznehmer die Regelungen dieses Lizenzvertrages. DieseBestimmungen haben eine freie Nutzung von Saatgut zum Ziel. Lizenzgeber ist jenenatürliche oder juristische Person, die Ihnen dieses Saatgut überlässt. Begünstigter derLizenzvereinbarungistdieAGRECOLe.V.

Jede Nutzung des Saatgutes ist deshalb nur nach Maßgabe dieser Lizenzbestimmungenzulässig,umdasZielder freienNutzung,Weiterentwicklung,Kultivierung,VerbreitungundVermehrungvonSaatgutohneMonopolisierungdurcheinzelnezuerreichen.AlsLizenzneh-mer verpflichten Sie sich, eine Nutzung dieses Saatgutes oder seiner Vermehrungen undWeiterentwicklungenDrittengegenübernuraufdie indieserLizenzvorgesehenenArtundWeise zu beschränken. Insbesondere verzichten Sie auf jede Beanspruchung von Sorten-schutzrechten,PatentrechtenoderanderengesetzlichmöglichenAusschließlichkeitsrechtenamSaatgutoderseinerVermehrungenundWeiterentwicklungen.

Die Lizenzbestimmungen verpflichten Sie zugleich, aus dem vorliegenden Saatgutgewonnenes Saatgut sowie Weiterentwicklungen des Saatgutes wiederum diesenLizenzbestimmungen zu unterstellen und nur unter diesen Bedingungen an Dritteweiterzugeben („Copyleft“). Verstoßen Sie gegen die Verpflichtungen aus diesemLizenzvertrag,soerlöschenIhreNutzungsrechteandemSaatgutoderdarausgewonnenemSaatgut und seinen Weiterentwicklungen. Zudem ist der Begünstigte in diesen Fällenberechtigt, Unterlassung und Zahlung wie in diesem Vertrag vorgesehen von Ihnen zufordern(VertragzuGunstenDritter).

1. Begriffsbestimmungen

FürdieseLizenzgeltenfolgendeBegriffsbestimmungen:

1.1 Saatgut:alsSaatgutimSinnediesesVertragesgeltenruhende,generativeFortpflan-zungsorganewieSamen,Früchte,Scheinfrüchte,FruchtständeoderTeiledavon,so-wieallevegetativenPflanzenorganeausdenen–mitwelchenMethodenauchimmer–ganzePflanzenerzeugtwerdenkönnen,sowiePollen,weiterhinauchalleindiesenPflanzenorganenenthaltenen informationellenKomponenten,die jeweilsunterdenBedingungendieserLizenz indenVerkehrgebrachtwurdenoderaussolchemSaat-gutdurchVermehrunggewonnenoderweiterentwickeltwurden.

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1.2 Vermehrung:istjedeArtderReproduktion,alsodieNeu-oderWeitererzeugungvonSaatgut.ZurVermehrungzählenauchtechnische,heuteauchnochunbekannteMe-thoden der Extrahierung genetischer Erbinformationen zum Zwecke der ErzeugungvonSaatgutmitbestimmtenEigenschaften.

1.3 Inverkehrbringen: das Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedesAbgebenvonSaatgutanandere.

1.4 Weiterentwicklungen:sindZüchtungenneuerPflanzen,wobeiimLaufederZüchtungzumindestaneinerStelleeineBeteiligungvonSaatgutgemäßdiesesLizenzvertrageserfolgt ist–unabhängigdavon,obessichbeidiesenWeiterentwicklungenumSor-ten,PopulationenoderanderePflanzengruppierungenoderEinzelpflanzenoderTeilevonPflanzenhandelt.

1.5 Das copyleft Prinzip: verpflichtet alle künftigen Pflanzenzüchter den Nutzern ihrerWeiterentwicklungendieselbenRechteeinzuräumen,wie jene,diesieselbstgenos-senhaben.

1.6 Lizenzgeber: der bisherige Besitzer des Saatgutes, der rechtmäßig dieses demLizenznehmerüberlässtunterAnwendungderBestimmungendiesesVertrages,wo-beidieNutzungsrechteamSaatgutgemäßArtikel3übertragenwerden.

1.7 Lizenznehmer: jeder, der das SaatgutnachMaßgabedieser Lizenzbestimmungen inseinenBesitzbringtoderverwertet.

1.8 Begünstigter:AGRECOLe.V.,Hauptstr.15,D-88379Guggenhausen.

2. Vertragsabschluss

(1) Der Lizenzgeber erklärt mit diesen Lizenzbestimmungen gegenüber jedermann einAngebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages über die Einräumung von Nutzungs-rechtenandemSaatgutnachMaßgabedernachfolgendenBestimmungen.DerVer-trag kommt zustande, wenn der Lizenznehmer das Saatgut erwirbt oder sonst imEinvernehmenmitdemVorbesitzeransichbringt,spätestensaberwennerdiePa-ckungdesSaatgutesöffnet.DieAnnahmeerklärungmussdemLizenzgebernichtzu-gehen.

(2) Der Lizenzgeber tritt seine Rechte aus dem Lizenzvertrag, insbesondere die RechteaufUnterlassung und Schadenersatz gemäßVertragspunkt 6.mit Abschluss des Li-zenzvertragesandenBegünstigtenab.

(3) Diese Lizenzvereinbarung ist alsein zivilrechtlicherVertrag zuverstehen. Siegilt abErwerb des Saatgutes oder derÖffnung der Verpackung als rechtlich verpflichtendangenommen, selbstwenn der Erwerber den Bedingungen der Lizenzvereinbarungwiderspricht,dieSaatgutnutzungaberbeginnt.

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3. Umfang der Lizenzrechte

Mit Zustandekommen des Lizenzvertrageswird dem Lizenznehmer das Recht eingeräumt,dasvollständigeSaatgut,sowieeresbekommenhat,unterdenBedingungendieserLizenzzunutzen.

(1) DasSaatgutdarffürjedenZweckundvonjedem,derdieBedingungendieserLizenzakzeptiert,genutztwerden,insbesondereauchzurWeiterentwicklung.

(2) DerLizenznehmerdarfdasSaatgutanandereweitergeben,vermehren,weiterentwi-ckelnundvermehrtesoderweiterentwickeltesSaatgutverbreiten,diesabernurun-terderBedingung,dasserallenanderen,andieersolchesSaatgutverbreitet,eineKopiedieser Lizenzvereinbarung zurVerfügung stellt unddieDrittenauchandieseLizenzvereinbarungrechtlichbindetunddiesgegenüberdemBegünstigtenaufVer-langennachweist.DieserechtlicheBindungkanndurchschriftliche,mündlicheoderkonkludenteZustimmungserklärungderDrittenerfolgen.WeiterentwicklungensindnachderVerbreitungals„Saatgut“imSinnedieserLizenzzubetrachten.

(3) Das copyleft Prinzip verpflichtet den Lizenznehmer, den künftigen Besitzern desSaatgutes,darausvermehrtenSaatgutesodervonWeiterentwicklungendesSaatgu-tes,dieselbenRechteundPflichtenzuüberbinden,wiejene,dieerselbsterworbenund übernommen hat. Jede darüber hinausgehende Beschränkung der Rechte amSaatgutgegenüberDritten,insbesondereauchBeschränkungenaufGrundgesetzlicheingeräumterSonderrechte(Sortenschutzrechte,Patentrechte,Markenrechte,Urhe-berrechteo.Ä.)istverbotenundunzulässig.

4. Pflanzenmaterial-Index

(1) DerBegünstigtekanneineneigenenPflanzenmaterial-IndexzurVerfügungzustellen,indenalleGruppierungenvonSaatgutwiez.B.Sorten(identifiziertanhandvonCha-rakterisierungskriterien) und deren Weiterentwicklungen aufgenommen werden.VonLizenznehmernvorgenommeneWeiterentwicklungensindinFormeineslebens-und vermehrungsfähigen Saatgutmusters dem Begünstigten zur Aufnahme in denPflanzenmaterial-IndexzurVerfügungzustellen.

(2) Der Pflanzenmaterial-Index wird vom Begünstigten nach Erstellung auf seinerWebsiteveröffentlicht.

(3) DieNutzung aller SortenundWeiterentwicklungen, die in diesenPflanzenmaterial-Indexaufgenommenwerden,darfinkeineranderenWeisealsdurchdieBestimmun-gendiesesLizenzvertragesbeschränktwerden.

(4) Herkunft undEigenschaftendesMaterialswerden vomBegünstigten in demPflan-zenmaterial-Indexangegebenundsinddortjederzeiteinsehbar.

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5. Rechte Dritter und staatliche Verbote

IstderLizenznehmeraufgrundvonRechtenDritteroderstaatlicherVerboteverpflichtet,beiderVerwertungdes Saatgutes vondenRegelungendieser Lizenzbestimmungen ganzoderteilweiseabzuweichen,darferdasSaatgutundVermehrungendavonnurfürprivate,nicht-kommerzielleZweckenutzen.

6. Erlöschen der Rechte bei Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen

(1) Verstößt der Lizenznehmer gegen diese Lizenzbestimmungen, erlöschen seineNutzungsrechteandemSaatgutoderdessenWeiterentwicklungenunmittelbar.Ins-besonderekannderLizenznehmervomBegünstigtenaufUnterlassungderVerbrei-tungdesSaatgutes,vonVermehrungendesSaatgutesodervonWeiterentwicklungendesSaatgutessowieaufSchadenersatzinAnspruchgenommenwerden.

(2) DasErlöschenderNutzungsrechtenachAbsatz1hataufdieRechteandererNutzerkeinenEinfluss,solangedieseselbstdieLizenzbestimmungennichtverletzen.

7. Anwendbares Recht, Gerichtsstand, Sonstiges

(1) AufdieseLizenzbestimmungenfindetdeutschesRechtAnwendung.

(2) Stellt sich eine der vorstehenden Klauseln als unwirksam heraus, berührt dies dieWirksamkeitdieserLizenzbestimmungenimÜbrigennicht.

(3) SoweitdieLizenznehmerKaufleute,juristischePersonendesöffentlichenRechtsoderöffentlich-rechtlicheSondervermögensind,istderGerichtsstandBerlin.

(4) Der Begünstigte ist berechtigt, seine Rechte aus dieser Vereinbarung jederzeit anDritteschriftlichabzutreten.

(5) Sollte eine der Bestimmungen dieser Lizenzvereinbarung ungültig, unwirksam odernichtdurchsetzbarseinoderwerden,soberührtdiesnichtdieWirksamkeitderübri-gen Lizenzbestimmungen. Die betreffende Bestimmung wird vielmehr durch einesolche gültige und wirksame Bestimmung ersetzt, die dem wirtschaftlichenWillenderVertragsparteien, insbesondereden inderPräambel festgelegtenZielender Li-zenzvereinbarungamNächstenkommt.

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Appendix zur Lizenz

Um jedermann die Rechte zur freien Nutzung des Saatgutes nach Maßgabe dieserLizenzbestimmungen verschaffen zu können, ist bei jeder Weitergabe des Saatgutes dernachstehende oder ein gleichwertiger Hinweis auf die Geltung dieser Lizenz und derenFundortdeutlichdarzustellenundbeizufügen.

Open Source Lizenz für Saatgut -Text für die Verpackung

Saatgut mit gleichen Rechten und Pflichten für alle

MitErwerbdesSaatgutsoderbeiÖffnungderVerpackungdiesesSaatgutsakzep-tierenSieimWegeeinesVertragesdieRegelungeneineskostenfreienLizenzver-trages.Sieverpflichtensichvorallem,dieNutzungdiesesSaatgutesundseinerWeiterentwicklungen nicht z.B. durch Beanspruchung von SortenschutzrechtenoderPatentrechtenanSaatgutkomponentenzubeschränken.ZugleichdürfenSiedasSaatgutunddarausgewonneneVermehrungennurunterdenBedingungendieserLizenzanDritteweitergeben.DiegenauenLizenzbestimmungenfindenSiein der Packung und unter www.opensourceseeds.de/Lizenz. Wenn Sie dieseBestimmungen nicht akzeptierenwollen,müssen Sie von Erwerb und NutzungdiesesSaatgutsAbstandnehmen.

19.Juli2016

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Anmerkungen

1MündlicheMitteilungGeschäftsführerdesBDP(BundesverbandDeutscherPflanzenzüchtere.V.)2Kloppenburg,J.2010. ImpedingDispossession,EnablingRepossession:BiologicalOpenSourceandtheRecoveryofSeedSovereignty.JournalofAgrarianChange.Vol.10,No3.pp.367-388.

3FreieSoftwareimGegensatzzuFreeware,diezwarkostenlosnutzbar,abernichtfreiist,daderQuellcodenichtbekanntistunddieSoftwarenichtverändertwerdenkann.

4Helfrich,S.,R.Kuhlen,W.Sachs,C.Siefkes.2009.Gemeingüter–WohlstanddurchTeilen.HeinrichBöllStiftung.5ibid.6DerUrheber/ErfindereinesWerkes(einenatürlicheoderjuristischePerson)hatalleindasRecht,zuentscheiden,wasmitdemWerkgeschehensoll.DasUrheberrechtschütztdieseEntscheidungsfreiheit.InsofernistderBegriffCopyright(wasjaeigentlichsovielwie"Kopierschutzrecht"bedeutet)nurbegrenztsynonym:ZwarhatderUrheber/ErfinderdasRecht,anderevomKopierenseinerErfindungauszuschließen,ermussdasabernichttun.AuchdasRecht,seinWerknichtzuschützenundesallenfreizurVerfügungzustellen,alsogeradeaufdas"Copyright"zuverzichten,unterliegtseinerfreienWahlundistdurchdasUrheberrechtgeschützt.

7Um sicherzugehen, dass eine neu entwickelte Lizenz den allgemein vereinbarten Normen von Open source genügen,bietetOSIan,sieeinerPrüfung (review)zuunterziehen,unddaraufhindurchOSIgenehmigen (zertifizieren)zu lassen.GenehmigteLizenzenwerdendannaufderOSI-Websitewww.opensource.orgveröffentlicht.

8LandgerichtMünchen.2004.Urteilvom19.05.2004,Az:21O6123/04„1.)DieGNUGeneralPublicLicence(GPL)enthältAllgemeineGeschäftsbedingungen,dieinDeutschlandnachden§§BGB§305ff.BGBwirksaminNutzungsrechtsverträgeeinbezogenwerdenkönnen.2.)DieVerpflichtungsklauseln indenZiff.2und3derGPLverstoßennichtgegen§BGB§307BGB.3.)VerstößteinLizenznehmergegendiePflichtenausderGPL,erlöschenseineNutzungsrechteunderkannvomRechtsinhaberwegenUrheberrechtsverletzungeninAnspruchgenommenwerden“.

9Mantz,R.2008.„ZurBeurteilungderRechtswirksamkeitvonCreativeCommons-LizenzenundseinerKlauselnkannohneweiteres auf die entsprechendenUrteile zur relativ ähnlichenGPL zurückgegriffenwerden, die bereits jetzt ein hohesMaß an Rechtssicherheit für Open Source Software geschaffen haben. Den Urteilen zufolge sind die GPL als AGBanzusehen, die wirksam in den jeweiligen Vertrag einbezogen wurden und die Einräumung von Nutzungsrechtenregelten. Insofern ist davon auszugehen, dass deutsche Gerichte ebenso im Hinblick auf Creative Commons-Lizenzenurteilenwerden. (...)RechtsinhaberkönnendementsprechendgutenGewissensCreativeCommons-Lizenzeneinsetzen.AufderanderenSeitesolltenNutzerdieEinhaltungderLizenzbedingungenbeachten“.

10LandgerichtMünchen.2004.Urteilvom19.05.2004,Az:21O6123/04;LandgerichtFrankfurt,Urteilvom06.09.06,Az.:2-06O224/06.

11Keukenschrijver,A.2001.SortenschutzrechtunterBerücksichtigungderVerordnungNr.2100(94(EG)desRatesüberdengemeinschaftlichen Sortenschutz in: H. Leßmann und G.Würtemberger . 2009. Deutsches Sortenschutzrecht. NomosVerlag.

12DasZüchterprivilegistin§10aAbs.1Nr.3SortSchGgeregelt.13Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (2014): Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des EuropäischenParlamentsunddesRatesvom16.4.2014überMaßnahmenfürdieNutzerzurEinhaltungderVorschriftendesProtokollsvonNagoyaüberdenZugangzugenetischenRessourcenunddieausgewogeneundgerechteAufteilungdersichausihrerNutzungergebendenVorteileinderUnion.AmtsblattderEuropäischenUnion20.5.2014DE;L150/59.

14 Bundesrat (2015): Gesetz zur Umsetzung der Verpflichtungen nach dem Nagoya Protokoll, zur Durchführung derVerordnung (EU) Nr. 511/2014 und zur Änderung des Patentgesetzes sowie zur Änderung des Umweltauditgesetzes.BeschlussdesBundesrates.Drucksache473/15vom6.11.15.

15Auch im Bereich der open source Software werden die rechtlich komplexen Aufgaben von Institutionen wie OSIabgedeckt,sodassdieeinzelnenSoftware-Entwickler,diemeistwiediePflanzenzüchterIndividualistensind,nichtselbstExpertiseaufbauenmüssen,sonderndaraufvertrauenkönnen,dassdasdurchdiecommunitygutgemanagedwird.

16DieLizenzwurdevonMichaelPilzausderAnwaltskanzleiFreimüller,OberrederundPilzinWienerstellt.

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Danksagung

DieseArbeitwurdeimRahmendesProjektes„SaatgutalsGemeingut“durchgeführt,dasvonderSoftwareAGStiftungDeutschlandundderStiftungMercatorSchweizgefördertwird.WirdankenfürdiegewährteUnterstützung.