Begegnungen - Diakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntal€¦ · Begegnung mit der Stille umfrage 7...

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AUSGABE 1/10 FÜR MENSCH UND FAMILIE Gewagt: Stille neu entdeckt Konfrontiert: Das letzte Tabu Das lebenspraktische Magazin der Diakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntal Gefragt: Kann der Glaube heilen? Begegnungen – Kontraste des Lebens

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AUSGABE 1/10

FÜR MENSCH UND FAMILIE

Gewagt:Stille neuentdeckt

Konfrontiert:Das letzteTabu

Das lebenspraktische Magazin der Diakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntal

Gefragt:Kann der Glaubeheilen?

Begegnungen –Kontraste des Lebens

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ImpressumAKZENTE für Mensch und Familie

Herausgeber: Diakonie der Ev. Brüder-gemeinde Korntal gemeinnützige GmbHErscheinungsort: Korntal-MünchingenErscheinungsweise: halbjährlichRedaktionsleitung: Manuel Liesenfeld Anschrift der Redaktion: Diakonie der

Ev. Brüdergemeinde Korntal gemeinnützige GmbHSaalplatz 1, 70825 Korntal-MünchingenTelefon: 0711/839877-0, Fax -90E-Mail: [email protected]: www.diakonie-korntal.deTitelbild: Bernhard Weichel

Fotos: Bernhard Weichel, Manuel LiesenfeldGestaltung: CB Werbeproduktion, FellbachDruck: Henkel GmbH, 70499 Stuttgart-Weilimdorf

Begegnung mit der Stile, S. 4–6

InhaltI N H A LT

Wie Kinder lernen, Probleme selbst zu lösen, S. 10–11

Begleitung auf dem letzten Weg, S. 14–16

Luka lacht, S. 28

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editorial 3Kein Mensch ist eine Insel

titelthema 4Begegnung mit der Stille

umfrage 7Eine Begegnung, die mir wichtig geworden ist

erfahrung 8Das größte Abenteuer ihres LebensWir können voneinander lernen

familie praktisch 10Wie Kinder lernen, Probleme selbst zu lösen

nachgefragt 12Der Glaube ist eine wertvolle Ressource

brennpunkt leben 14Begleitung auf dem letzten Weg

die seite für kinder 17Ein Rezept aus der Natur

nachgedacht 18Kontraste des Lebens – Überraschende Begegnungen

aus den einrichtungen 19

kurzmeldungen und anzeigen 26

unsere diakonischen einrichtungen 27

portrait 28Luka lacht

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Gemeinsam verändern wir

die Welt

M A N U E L L I E S E N F E L D

Gemeindediakonie neu entdecken –

Ein praktischer Leitfaden

K O R N T A L E R D I A K O N I S C H E I M P U L S E

Evangelische Gemeindepresse GmbHAugustenstraße 124, 70197 StuttgartBestellfax: 07 11-6 01 00 [email protected]

D I A K O N I S C H E I M P U L S EAls Christen die Welt verändern: Immer mehr Gemeinden möchten selbst diakonische Projekte in ihrem Umfeld initiieren. Dieses Buch liefert eindrucks-volle Beispiele, die Mut dazu machen. Initiatoren und Macher verschiedener diakonischer Projekte der Ev. Brüder-gemeinde Korntal berichten von ihren Erfahrungen. Ein praktischer Leitfaden zeigt, wie Projekte von der Bedarfsanalyse über die Planung bis zur Realisierung kreativ verwirklicht werden können. Ob Fahrradwerkstatt für Kinder, Kleidermarkt für Frauen oder die Arbeit mit Migrantinnen – das Buch ist ein praxisnaher Leitfaden für engagierte Gemeinden und ihre Mitglieder.K

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ER Manuel Liesenfeld (Hrsg.)

Gemeinsam verändern wir die WeltGemeindediakonie neu entdecken –Ein praktischer Leitfaden

80 Seiten, fl exibler Einband978-3-920207-36-0, 9,95 €

ennen Sie den Film „About aboy“ mit dem britischen Schau-spieler Hugh Grant? Darin mimt

er einen notorischen Einzelgänger, der –ganz Opportunist – nur dann menschlicheNähe sucht, wenn er etwas davon hat. Be-ziehungen auf Dauer sind ihm suspekt –er will seine „Unabhängigkeit“ bewahren.Doch eines Tages tritt unverhofft ein Jun-ge in sein Leben und beginnt, seine selbst-bestimmte Welt ins Wanken zu bringen.Schließlich sieht er ein: „Kein Mensch isteine Insel“. Interessant, herausforderndund abwechslungsreich ist das Leben ebennur in Begegnungen mit anderen.Der Religionsphilosoph Martin Buberbringt es auf den Punkt: „Alles wirklicheLeben ist Begegnung“. Wer sich außerhalbseiner eigenen vier Wände darauf einlässt,dem erschließt sich eine oft ganz neueSicht der Dinge. Er erweitert den eigenen

Horizont und wird dazu gebracht, sichselbstkritisch zu hinterfragen. Begegnun-gen fördern Kontraste zutage, zeigen dieGegensätze des Lebens. Begegnungen ber-gen neue Erkenntnisse und Herausforde-rungen, wecken unsere Neugierde, prägenuns. Begegnungen lassen uns als Persön-lichkeiten wachsen und Weltanschauun-gen zusammenstürzen. Begegnungen las-sen uns oftmals sprachlos zurück.AKZENTE möchte Ihnen mit dieser Aus-gabe Begegnungen ermöglichen. Begeg-nungen mit Menschen und Themen, dieSie interessieren, neugierig machen undauch nachdenklich stimmen werden. Eswird von Menschen die Rede sein, die sichbewusst dem Kontrast der Stille in eineroft allzu lauten Welt aussetzen. Andereberichten von ihrer Erfahrung mit einerfremden Kultur und mit Leid und Krank-heit. Wenn Erwachsene auf Kinder treffen,

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

stoßen immer Welten aufeinander. Wiekann es gelingen, in der Erziehung einengemeinsamen Weg zu finden? Die wohlexistentiellste, letzte Begegnung eines je-den Menschen ist die mit dem Sterben. InAKZENTE berichtet der Leiter eines Hospi-zes über seine Erfahrungen mit dem wohlletzten wirklichen Tabu unserer Gesell-schaft.Ich freue mich, dass Sie sich auf die Begeg-nungen, die dieses Heft für Sie bereit hält,einlassen! Ich wünsche Ihnen einen per-sönlichen Gewinn durch die Lektüre dieserAusgabe.

Ihr

Manuel Liesenfeld

Kein Mensch ist eine Insel

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eeditorial

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Medien, zum Beispiel das Internet, produ-zieren Informationen rund um die Uhr undlösen den unweigerlichen Reflex in unsaus, uns auf dem Laufenden zu halten undoft genug sogar, darauf zu reagieren undunseren Teil zur Informationsflut beizu-tragen (s. Twitter, Facebook & Co.). Dieserlaute Strom reißt uns mit sich. Und jeschneller die Taktfrequenz der Informati-on, desto oberflächlicher nehmen wir siewahr, desto weniger Zeit nehmen wir uns,wirklich zu sehen, zu hören, zu spüren.Wir werden immer mehr zu Getriebenen.Jürgen Werth bringt es am Beispiel desFernsehens auf den Punkt und zeigt dieAuswirkungen auf unsere Welt-Wahrneh-mung: „Unsere Augen sind längst an dieschnellen Schnitte des Fernsehprogrammsgewöhnt. Kaum ein Bild wird mir längerals zwei, drei Sekunden zugemutet. Eskönnte mir ja langweilig werden oder –viel schlimmer noch – ich könnte zumWeiterzappen animiert werden. Und nungehe ich auf diese Weise auch durch mei-ne Welt. Blicke höchstens mal ein bisschenlänger hin, wenn ich ein Motiv für meineDigitalkamera suche. Aber auch da schaueich ja nicht wirklich auf Menschen undLandschaften. Ich schaue aufs Display…“(Aus: „pssst…Stille finden in einer lautenWelt“, Gerth Medien).

Das Grundbedürfnis nach StilleAuch wenn man sich eine heile Welt nichtbacken kann, ist eines doch klar: In jedemMenschen ist tief drinnen ein Grundbe-dürfnis nach Stille verankert.Der Spruch, nach dem der Mensch ein Ge-wohnheitstier sei, stimmt hier einfach

er Schriftsteller Ralf Rothmann,der 2006 den Max-Frisch-Preisder Stadt Zürich erhielt, verfass-

te zur Preisverleihung ein „Lob der Stille“.Er sprach davon, dass in der ausgehalte-nen Stille eine Neuordnung, ein Aufklä-ren, ein Zurechtrücken geschehe: „Manwird entziffert“, so Rothmann. Dass Stilleein kostbares, stets wertvolles, weil selte-nes Gut ist, unterstrich auch der österrei-chische Schriftsteller Manès Sperber(1905–1984): „Unsere Epoche ist die red-seligste der Weltgeschichte. Sie äußert sichununterbrochen und millionenfach undkommt doch nicht zu Wort.“ Und bereitsim 19. Jahrhundert gab es Vorschriften,die die Lärmbelästigung von Pferdehufenauf Kopfsteinpflaster, von knallenden Peit-schen und von klappernden Absätzendurch hohe Damenschuhe beschränkensollte. Schon in einer Welt ohne Autos,ohne Flugzeuge, ohne Eisenbahn und oh-ne transportable Beschallung gab es of-fensichtlich ein Gespür dafür, was Men-schen nötig haben: die Stille.

Wohin flüchten in einer Welt, in der dieGeräusche im Zuge einer totalen Techni-sierung immer lauter werden? Das Brum-men eines Kühlschranks in einem MeterEntfernung beispielsweise verursacht ei-nen Schalldruck von 55 Dezibel – dabeibeginnen bereits 35 Dezibel Schlafstörun-gen auszulösen und ab 40 Dezibel sindLern- und Konzentrationsstörungen nach-gewiesen. In diesem Bereich aber liegendie heute ganz normalen und permanen-ten Haushaltsgeräusche!

Mix aus KommunikationsgeräuschenUnd dann erst dieser allgegenwärtige Mixaus unterschiedlichen Kommunikations-geräuschen. Irgendwo schwirrt doch im-mer ein Handyklingeln in den absonder-lichsten Varianten durch die Luft. Stets fin-det sich einer, der spricht, obwohl er garkein Gegenüber hat, sondern nur ein klei-nes Mikrofon, das an seinem Mobiltelefonangebracht ist. Doch nicht nur Schallwel-len bedeuten Lärm. Informationen klopfenständig an und drängen auf Einlass.

titelthema

tBegegnung mitder StilleStille ist lebenswichtig. Stille ist kostbar. Doch Stille fliegt

uns nicht einfach zu. Sie will entdeckt und eingeübt werden

– besonders in einer Welt, die so laut ist, wie die unsere.

Schweigen und Stille sind starke Hilfsmittel beim Suchen

nach Klarheit über das eigene Leben – und nach Gott.

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BUCH-GEWINNSPIEL

Das Buch von Hanspeter Wolfsberger und Evelyn Hauser „Stille suchen –Im Schweigen hören“ – AKZENTE verlost fünf Exemplare unter denLesern, die folgende Frage beantworten: Wie heißt das bereits in der Bibelerwähnte Verkehrsmittel, dem das Hauptgebäude des neuen „Schulbau-ernhofs Zukunftsfelder“ nachgebildet ist? Hinweise zur Lösung findenSie unter www.schulbauernhof-zukunftsfelder.de.

Schreiben Sie die Antwort auf eine ausreichend frankierte Postkarteund senden Sie diese an:Diakonie der Ev. Brüdergemeinde, Saalplatz 1, 70825 Korntal-Münchingen, Kennwort: Stille, Einsendeschluss: 31. Juli 2010

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nicht. In Wahrheit bewirkt Lärm eine Artständiger Alarmbereitschaft. Das Wort„Lärm“ kommt ja sogar vom italienischen„all’arme“, was nichts anderes als „zu denWaffen“ bedeutet. Unser Körper reagiertdarauf mit einem erhöhten Adrenalin-Spiegel. Bluthochdruck und gesundheitli-che Schäden sind die Folge. Lärm ist nichtsNeutrales, gewissermaßen Unscheinbares.Lärm macht unruhig, putscht auf, schürtAggressivität und macht vielen sogarAngst.

„Schaffe Schweigen“Gibt es ein wirkungsvolles Rezept gegenLärm? Schon der dänische Theologe SörenKierkegaard (1813–1855) wusste: „Derheutige Zustand der Welt, das ganze Lebenist krank. Wenn ich Arzt wäre und manmich fragte: ‚Was rätst du?‘ – Ich würdeantworten: ‚Schaffe Schweigen.‘“

In Stille-Häusern heißt es: „Ruhe, Stille,Schweigen, das ist heilsam für einen Men-schen.“ Und dann wird gerne vom „Reich-tum“ gesprochen, den dieses Stillsein insich birgt. Dabei sollte man sich allerdingsbewusst darüber sein, dass dieser Zustandnicht auf Knopfdruck eintritt. Schweigenkann vielmehr zunächst schwer, unbequemund störend sein, es kann sogar Angst ma-chen, besonders dann, wenn man sich andas Ruhigsein erst gewöhnen, es sich mü-hevoll abverlangen, es sich geradezu ab-ringen muss.

Doch dann kommen langsam aber sicherdie ersten guten Erfahrungen in und mitder Stille.

Ein Haus der Stille und Besinnung soll einRaum sein, in dem sich die Heilkraft des In-nehaltens und des Schweigens bestmöglichentfalten kann. Darum gibt es dort in derRegel kein Radio, kein Fernsehen, stattdes-sen ein schweigendes Essen, leise Sohlenund – wenn überhaupt – nur gedämpfteUnterhaltung. Die Menschen, die unserHaus der Besinnung in Betberg besuchen,treten eine Reise an, eine Reise zur Stille, ei-ne Reise zu sich selbst – eine Reise zu Gott.

Der erste Schritt: Zur Ruhe kommenZunächst aber müssen unsere Gäste versu-chen, zur Ruhe zu kommen. Denn Ruhe, soerkannte schon der Asket, Bischof und Kir-chenlehrer Basilius im vierten Jahrhundert,ist der erste Schritt zur Heilung. Aber dasZur-Ruhe-Kommen ist nur der Anfang.Wie aber dringt man zur Stille durch?„Erst Schweigen tut das Ohr auf für den in-neren Ton in allen Dingen“, drückte es derdeutsche Philosoph und Theologe RomanoGuardini (1885–1968) aus.

Eine Übung darin könnte so aussehen: Aufeiner kleinen Brücke stehen und dem Was-ser darunter zuhören, Regentropfen zu-schauen, die über eine Fensterscheibe lau-fen, bei einer Flamme verweilen, die imOfen knistert, dem Wind lauschen, der dasGras bewegt, Wellen wahrnehmen, die denStrand hinaufkriechen, in einer stillenKirche sitzen und das Geheimnis ahnen,das sie birgt…

Und plötzlich spürt man: Es ist schön, dieStille zu genießen, man müsste mehr da-von bekommen. Viele befällt eine regel-rechte Sehnsucht: „Wenn es nur einmalganz stille wär.“ (Rainer Maria Rilke)

„In der Stille“, sagen die Mönche,„ ist der Atem der Ewigkeit.“ Stille undSchweigen sind die Tür in einen Raum, indem die Begegnung mit Gott überhaupterst stattfinden kann.Im Schweigen, in der Ausrichtung auf Got-tes Welt „löst sich der Mensch aus seiner

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Hanspeter Wolfsberger & Evelyn HauserStille suchen – Im Schweigen hörengebunden, 107 SeitenBest.-Nr. 111.7348,95 Euro

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Ebenen ziehen. Sie können große, schwerbeladene Schiffe tragen. Die stürzendenGießbäche und Wolkenbrüche dagegenverheeren Äcker und Wiesen.“

Haben Sie Mut, innezuhalten, anzuhalten,auszuhalten. „Wie ist die Windrichtung?Wohin ziehen die Wolken?“, haben Sievielleicht selbst schon einmal gefragt. Aberso lange Sie dabei in Bewegung sind, ge-hen, mit dem Fahrrad oder mit dem Autofahren, können Sie diese Frage nicht klä-ren. Sie müssen erst stehen bleiben, dannwird die Bewegung am Himmel für Siedeutlich. Wie nötig brauchen wir das Inne-halten, um die großen Zusammenhängeunseres Lebens, die Richtung die wir ein-geschlagen haben, erkennen und beurtei-len zu können?

Die Strömung spürenEin kleines anschauliches Beispiel dazu:An der Nordsee achtete ein Wattführereinmal nicht auf das Wetter. Unversehenszog Nebel auf und hüllte ihn und seineTouristengruppe so ein, dass sie das Fest-land nicht mehr sahen. Bis er alle seineLeute zusammengerufen hatte, war ihmselber die Orientierung verloren gegangen.Und dann kam die Flut, und mit ihr stiegPanik in den Menschen auf. Als die Leuteschon bis an die Knie im Wasser standen,hatte der Wattführer noch eine Idee. „Seidmal ganz still und bleibt ganz ruhig ste-hen“, rief er. „Und dann haltet eure Händeins Wasser und versucht, eine Strömung

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zu spüren.“ Sie taten es und die feine Strö-mung wies der Gruppe den Weg zum Fest-land.

Spüren, wo es hingehen soll, wo es hinzieht, das ist eine Aufgabe für das Unter-wegssein im Leben. Das geht kaum ohneStehenbleiben und Stillsein.Es braucht Achtsamkeit und Zeit, um aufdie Signale des eigenen Herzens hören zukönnen, die Signale der Seele und des Kör-pers oder, um es nach Jörg Zink zu sagen,unter den vielen Stimmen die Stimme Got-tes herausfinden zu können.

Der Schutzraum der Stille, das Heraustre-ten aus dem Kreis von Freunden und Be-kannten, das Alleinsein, das Aushalten vonWartezeiten, das alles hilft, wieder trittsi-cher zu werden im Blick auf das, was „mei-nes“ ist, was mich anzieht, was zu mir ge-hört, was Gottes Weg für mich ist oder wer-den könnte. �

61, ist Pfarrer der Kir-chengemeinde Betbergund verantwortlich fürdie Programmgestal-tung und Seelsorge imdortigen Haus der Be-sinnung. Informatio-nen unter:

www.haus-der-besinnung-betberg.de

Der Autor,H A N S P E T E R W O L F S B E R G E R ,

Verkrampfung in das rein Diesseitige“.Schweigen und Einsamkeit sind Wege,über die äußere zu einer inneren Ruhe undzu Gleichmut zu finden; Sorgen loszulas-sen, wie Jesus es empfohlen hat, unguteGedanken abzulegen, nicht länger zurück-zuschauen mit vielen selbstquälerischenGrübeleien und Gedanken.„Selbst ein ganz kurzer Augenblick derStille ist wie eine Sabbatruhe, ein heiligesInnehalten, eine Bresche in die Sorgen-mauer“, sagen die Brüder der ökumeni-schen Kommunität von Taizé.

Wenn wir Stille halten, richten wir unsereErwartung auf Gott aus. Stille ist die Hal-tung dessen, der von einem anderen etwaserwartet. „Gut ist es, schweigend auf denHerrn zu harren“ (Klagelieder 3,26; im heb-räischen Text: „schweigend zu hoffen aufdie Hilfe Jahwes“). Und von Elia bis Jesusist die Gottesbegegnung immer wieder undvor allem mit Stille verbunden (siehe dieBibelstellen 1. Könige 19, Matthäus 14,23,Lukas 6,12 und 9,18 sowie Markus 1,35).

Macht langsam in allen Dingen!Wir geben den Gästen unseres Hauses derBesinnung stets die Empfehlung: Machtlangsam in allen Dingen! Zu spät kommenist kein Problem! Wir haben Zeit! Durch dieJahre im Haus der Besinnung habe ich mirselbst angewöhnt, langsamer zu gehen, zusprechen, zu essen…Ein Pater drückte es einmal so aus: „SehenSie sich die Ströme an, die ruhig durch die

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Ich war noch jung und voller Fragen, auchhatte ich tief im Herzen eine Sehnsuchtnach einer umfassenden Wahrheit: Wokommen wir her, wo gehen wir hin, was istder Sinn des Lebens? Arme und Reiche, Ge-lehrte und Analphabeten, Kranke und Ge-sunde, alle müssten diese Wahrheit teilenkönnen, so meine Vorstellung. Aber wowar diese Wahrheit zu finden? Da gab mirein Arbeitskollege eines Tages den Rat: „Dumusst unbedingt in den Kreis von Dr. PaulMüller, einem gläubigen Naturwissen-schaftler und Paläontologen gehen. Er hatschon viele Bücher geschrieben über denZusammenhang von Naturwissenschaftund Glaube.“ Dort ging ich eines Tages mitklopfendem Herzen hin. Aber welche Über-raschung! An einem langen Tisch saß einMann mittleren Alters im Rollstuhl. Um ihneine Schar Menschen verschiedenen Al-

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E I N E L O H N E N D E V E R M I T T L U N G

I C H W A R A U F D E R S U C H E N A C H W A H R H E I T

Eine Begegnung,die mir wichtig geworden ist

Die neue „helpline“ für Menschen in Notund Krisen (www.helpline-korntal.de), dieSr. Anne Messner, ehemalige Leiterin derJugendhilfe Flattichhaus, gegründet hat,möchte vor allem Begegnungen zwischen

Menschen ermöglichen. Hier eine wahreBegebenheit aus der Anfangszeit dieses An-gebots: Ein 12-jähriger Junge meldet sichim helpline-Büro und sagt: „Ich möchte je-mandem helfen. Ich kann gut einkaufen,Hasen füttern, Glühbirnen einschrauben…es darf nur kein Hundebesitzer sein!“ Nachdrei Wochen fragt der Bub nach, ob denneine Person seine Hilfe benötigt. Herr R.,Mitte 70, kann zwar noch selbst einkaufen,hat aber trotzdem Interesse an dem Ange-bot. Bei der ersten Begegnung der beiden

wird ihm deutlich, dass sich ein gegenseiti-ges Nehmen und Geben aus der Beziehungergeben kann: „Ich koche einmal in der Wo-che für dich, dann machen wir gemeinsamHausaufgaben, und dann bin ich dir natür-lich auch sehr dankbar, wenn du für micheinkaufst“, sagt er. Kommentar des Bubennach der ersten Begegnung: „Der ist cool!“Kommentar von Herrn R.: „Ein echt netterBub, und ich freue mich schon, wenn erwieder kommt!“ Eine helpline-Vermittlung,die sich gelohnt hat – für beide Seiten!

ters. Sie stellten ihm Fragen über den Zu-sammenhang von Glaube, Religion, Na-turwissenschaft und über das ganz prakti-sche Leben. Auf kniffelige Fragen began-nen die Antworten Müllers stets mit demSatz: „Soweit ich darüber Licht habe, ist esso zu verstehen...“ Schnell merkte ich, dasshier ein sehr kluger, vielbelesener und ganzbescheidener Mann saß, der seine einge-

schränkten Kräfte in den Dienst andererMenschen stellte. Das hat mich sehr beein-druckt. Sichtlich bewegt verließ ich diesenersten Abend und erfuhr nebenbei, dass essich bei der Erkrankung von Paul Müllerum Multiple Sklerose (MS) handelte undder junge Wissenschaftler und Lehrer des-halb frühzeitig seinen Beruf aufgebenmusste. Aus dieser ersten Zusammenkunftmit Dr. Paul Müller wurden mehrere, übereinen Zeitraum von 30 Jahren verteilte Be-gegnungen, und sie haben mein Leben to-tal verändert. Mein Glaube an Jesus Chris-tus, in dessen Person für mich die letztend-liche Wahrheit zu finden ist, hat sich in die-ser Zeit gebildet. Und dann kam es für michzu noch einer wichtigen Begegnung inmeinem Leben: In diesem Kreis lernte ichmeinen Mann kennen!

Heidi Hellenschmidt, 70, Korntal

umfrage

D E R Z W E I F E L I S T K E I N E S C H A N D E

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Wir saßen gerade in einer Besprechung.Ein Mitarbeiter unserer Jugendhilfe erzähl-te, dass er immer wieder mit Gott hadere.Noch als Jugendlicher habe er nicht an Gottgeglaubt. Sein Glaubensweg sei ein langerProzess gewesen. Für mich wurde in die-sem Augenblick klar, dass es keine Schan-de ist, sich immer wieder zu fragen, ob esGott gibt und wenn ja, warum dann trotz-

dem so vieles schlecht und traurig ist – ge-rade, wenn man an die Lebensgeschichtenunserer Kinder und Jugendlichen in unse-rer Jugendhilfe denkt. Denn so wie diesemKollegen geht es mir manchmal auch.Als ich für meinen diakonischen Dienst ge-segnet wurde, wurde mir bewusst, dass ichlangsam Frieden schließe mit Gott. Ich hat-te das Gefühl von innerer Ruhe und Gebor-

genheit, auch wennmir bewusst ist, dassich auch in Zukunftimmer mal wieder anGott zweifeln werde.

Manuela Seeber, 39,Hoffmannhaus Wilhelmsdorf

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arie-Thérèse kam vor acht Jahrenhierher, ohne Begleitung und mitwenig Zukunft im Gepäck. Wür-

de dies ein Neuanfang für sie und ihrenMann werden? So lange hatten sie sichnicht mehr gesehen. 1990 war die Hoch-zeit. Nur zwei Jahre später musste ihr Ehe-mann eines Tages Hals über Kopf sein Hei-matland verlassen, weil er gegen den da-mals herrschenden Diktator demonstrierthatte. Mehr als ein Jahr nach seiner Fluchthatten Marie-Thérèse und ihr gemeinsamerSohn, der heute 18 ist, immer noch keinLebenszeichen von ihm erhalten. War erums Leben gekommen? Gleichzeitig muss-ten Familienangehörige von Dissidentenaufpassen, beim Regime nicht selbst inVerdacht zu geraten. Erkundigungen überden Verbleib ihres Mannes waren Marie-Thérèse deshalb nicht möglich. Sie hofftenur, dass er eines Tages zurückkommenwürde. Und dann kam doch noch Post.Ihr Mann war in Deutschland gelandet.Auf abenteuerliche Weise war er über Ru-anda und Angola dorthin geflüchtet, wie erschrieb, ohne Geld, ohne Papiere. Aber nochimmer hatte sie keine Adresse von ihm. FürMarie-Thérèse änderte sich also zunächstnichts. Sie saß im Busch und wartete. Kei-ne Post, keine Telefonate, geschweige dennE-Mails, gar nichts. Die Zeit verging quä-lend langsam. Doch dann, fast schon un-wirklich, wieder Post: Eine Einladung nach

Deutschland und ein wenig Geld, geschicktüber die deutsche Botschaft im Kongo.So lange hatte sie gewartet. Jetzt musstesich die junge Frau umso schneller ent-scheiden: Sollte Sie das Angebot annehmenund zu ihrem Mann reisen, auf einen ande-ren Kontinent, in eine andere Welt? EinenPass hatte sie nie besessen. Ein Visum fürdie Einreise nach Deutschland musste auchher. Schließlich ging sie das Abenteuer ein.„Ich war verrückt damals“, sagt Marie-Thé-rèse heute mit einem Lachen, so, als ob sieihren Mut immer noch nicht fassen könne. Ihr Mann, der in der Nähe Stuttgarts mitt-lerweile Arbeit gefunden hatte, wurde inDeutschland nur geduldet. Freunde muss-ten Marie-Thérèse deshalb einladen, nachEuropa zu kommen. Mit dem Flugzeug lan-dete sie im Dezember 2002 schließlich inParis. Die Freunde ihres Mannes holten sieab und begleiteten sie im Zug bis nachStuttgart. Und da war er dann endlich, derkaum noch für möglich gehaltene, großeMoment: Nach zehn Jahren sahen sich dieEheleute unter Tränen wieder. Ihren Sohnallerdings hatte Marie-Thérèse zurückge-lassen. Zu groß war die Unsicherheit, wasaus der kleinen Familie werden würde. „Duweißt nicht, ob du morgen schon wegge-schickt wirst“, fasst sie ihre große Sorge vondamals in Worte. Nachdem das Visum ab-gelaufen war, wurde sie nur noch geduldet,erzählt Marie-Thérèse. Eine feste Arbeits-

stelle zu bekommen ist für Migranten ohneSprachkenntnisse ungeheuer schwierig, je-doch wiederum eine Voraussetzung für dieVerlängerung der Duldungsfrist. „Ich fühl-te mich wie im Gefängnis“, sagt Marie-Thérèse. Denn sie wollte ja arbeiten, suchteund fand schließlich Jobs als Zimmermäd-chen, im Einkaufszentrum oder als Putzfrau– sie war sich für nichts zu schade.Zu Hause im Kongo hatte man sie vor demSchritt nach Europa gewarnt: „Geh nichtdahin“, sagten sie, „da sind die Leute nichtoffen. Da lernst du niemanden kennen.“Das schien sich anfangs zu bestätigen. Eines Tages aber bekam sie Kontakt zuFrauen, die das „Café International“ derEv. Brüdergemeinde Korntal besuchen. Hiertreffen sich jede Woche Migranten, meistFrauen, viele von ihnen ebenfalls aus Afri-ka und mit ähnlichem Schicksal wie Ma-rie-Thérèse, zu Gespräch und Deutschkurs.Im „Café International“ sprechen die ehren-amtlichen Mitarbeiterinnen französisch.„Das war wie ein Wunder für mich. Ichkonnte mich mit den Leuten einfach sounterhalten“, schwärmt Marie Thérèse. VonAnfang an erlebte sie eine große Offenheitunter den Teilnehmerinnen. Denn das „Ca-fé International“ ist mehr als ein Deutsch-kurs. „Wir essen und feiern gemeinsam“,berichtet Marie-Thérèse. Die Mitarbeiterin-nen stehen mit Rat und Tat zur Seite, fallses Probleme mit dem Behördendeutsch oder

Das größte Abenteuerihres Lebens

eerfahrung

Mutig schaut Marie-Thérèse aus ihren großen braunen Augen: Neue

Frisur, helle Strickjacke, akzentuierter Schmuck. Die 41-jährige Frau hat

keine Probleme, sich geschmackvoll zu kleiden. Etwas mehr Schwierig-

keiten bereitet ihr hingegen die fremde Sprache. Zur Sicherheit trägt

sie immer ein kleines blaues Heftchen bei sich. Darauf steht: „Sprach-

begleiter Französisch“. Französisch ist die Sprache, die die Menschen

in der Demokratischen Republik Kongo sprechen, dem Land, aus dem

Marie-Thérèse kommt. Jetzt ist sie in Deutschland.

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Haus, sind aber auch füreinander da, wennjemand Hilfe braucht. Das war ein großerSchock für mich in Deutschland. Hier – soscheint es mir manchmal – kümmert mansich nur um sich selbst. Ich nehme viele Be-ziehungen wahr, die nur oberflächlich sind,nicht wirklich in die Tiefe gehen.Doch Deutschland hat auch seine schöneSeiten: Die Ordnung beispielsweise! Wennman in Afrika jemanden fragt, wo er denngerne arbeiten würde, dann ist „Deutsch-land“ oft die Antwort. Die Menschen dortsehen Deutschland als ein Land mit vielenMöglichkeiten. Wo mir das wohl am meistenauffällt, ist im Straßenverkehr. In Deutschlandwird eine zweispurig ausgebaute Straße auchzweispurig befahren. Im Senegal wird sie oftvier- oder fünfspurig befahren, weil jeder amschnellsten vorwärts kommen will. Das funk-tioniert meistens nicht sehr gut, und es gibtein heilloses Chaos. Naja, in Deutschland gibtes das auf den Straßen ja auch manchmal…Neben den geographischen, kulturellen,und sprachlichen Gegensätzen sind die per-sönlichen Einstellungen die größten Unter-schiede zwischen Menschen. Wenn ich eineEmpfehlung geben könnte, dann wäre esdie, dass sich Menschen im Westen ein biss-chen mehr von der afrikanischen Mentali-tät aneignen sollten. Umgekehrt gilt dasgleiche: Auch Afrikaner sollten sich einbisschen der westlichen Welt anpassen. Bei-de Seiten können voneinander lernen! �

etzt bin ich mitten drin im so ge-nannten „Kulturschock“. Am An-fang war es mir noch nicht so be-

wusst, wie anders Deutschland im Gegen-satz zu Afrika sein würde. Aber schon imAnflug konnte ich Unterschiede bemerken.Die Landschaft, die ich aus dem Flugzeugerkennen konnte, war grün und sauber. ImSenegal haben die Menschen eine ganz an-dere Mentalität, wenn es um die Umweltgeht. Sie schmeißen ihren Müll einfach aufdie Straßen und in die Landschaft. Die Um-gebung sauber zu halten hat keine Prioritätfür sie. Und dann das Zweite, was mir auf-fiel. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort:„Die Europäer haben zwar die Uhr erfunden,aber die Afrikaner haben die Zeit.“ Wennman einmal in Afrika war, weiß man, dassdies wahr ist. Wenn man auf der Straße je-manden trifft, den man kennt, dann nimmtman sich Zeit, mit ihm zu reden, selbst wennman einen Termin hat. Die Arbeit wird halterst gemacht, wenn man mit allen geredethat, die einem wichtig sind. In Deutschlandist das nicht so. Die Prioritäten werden ganzanders gesetzt. Der Job ist hier das Wich-tigste. Das Materielle hat den höchsten Stel-lenwert. Und das finde ich wiederum sehrschade! In meiner afrikanischen Heimat hatFamilie einen viel größeren Wert als inDeutschland. Eine Familie in Afrika bestehtaus Eltern, Kindern, Großeltern, Tanten, On-keln, etc. Alle leben zusammen in einem

J

Fast 14 Jahre lebte er als deutsches „Missionars-

kind“ in Afrika: Kenia, Elfenbeinküste, zuletzt im

Senegal. Nun kam Pascal Henger (19) für 10 Monate

nach Korntal, in sein „Heimatland“ Deutschland.

Hier absolvierte er das „Orientierungsjahr“ der

Ev. Brüdergemeinde, ein Berufs- und Persönlichkeits-

findungsjahr. In AKZENTE gibt der Wanderer zwischen

den Welten einen Einblick in seine Gefühlswelt.

erfahrunge

der Suche nach einer Wohnung gibt. Auchdass die Gruppe von Christinnen geleitetwird und man zusammen in der Bibel lesenkann, tut Marie-Thérèse gut: „Mein Christ-sein ist mir sehr wichtig und Deutsch öff-net mir die Türen in die Gesellschaft. Heu-te habe ich wieder Hoffnung“, sagt sie. Dasssie die Sprache jetzt immer besser be-herrscht, lässt ihr Selbstvertrauen wachsen.Mittlerweile hat sie eine Ausbildungsstelleals Pflegehelferin. Zwar muss sie sich indieser Lehre mit etlichen deutschen Fach-begriffen herumschlagen „aber die Arbeitmacht mir Spaß“.Marie-Thérèse will sich durchbeißen inDeutschland, zusammen mit ihrem Mann.Wenn da nur nicht diese große Wunde inihrem Herzen wäre, die nicht zuheilen will.Dass sie ihren Sohn nicht sehen kann, densie zuletzt 2008 – nach damals sechs Jah-ren der Trennung – für nur gerade einmalzwei Wochen besuchen konnte, schmerztsie sehr. „Das ist, als ob eine Hälfte von mirfehlt“, sagt sie. Heute ist sie der Meinung,dass er im Kongo bleiben soll, um dort spä-ter einmal studieren zu können. Bald je-doch, so sagt sie, sei er mit 22 Jahren nachkongolesischem Recht volljährig und kön-ne dann selbst entscheiden, wohin seinWeg führt. Kontakt halten sie über das Te-lefon, auch wenn dies ziemlich teuer ist.Aber zwei- bis dreimal im Monat ein An-ruf, das muss einfach sein.Die Einbürgerung, der Aufbau der neuenExistenz bleibt das Ziel des Paares. „Ich habe schon einmal ein Leben verloren“,sagt Marie-Thérèse. Jetzt – nach acht Jah-ren Deutschland – will sie bleiben. Zu wis-sen, dass es Menschen in diesem Land gibt,an die sie sich wenden kann, wenn sie Prob-leme hat, und mit denen sie über alles re-den und beten kann, macht ihr Mut, opti-mistisch in die Zukunft zu schauen. Es gibtihr das Gefühl, irgendwie dazu zu gehören.

Manuel Liesenfeld

Mehr zur Arbeit unter Migrantinnenund Migranten gibt es aufwww.bruedergemeinde-korntal.de.

Wir könnenvoneinander lernen

Mehr zum Orientierungsjahr:www.orientierungsjahr.de

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Wie Kinder lernen,f

familie praktisch

ren, haltlosen Versprechungen oder aber zu Kumpanei mit dem Kind und unreifenkindlichen Reaktionsweisen bei Erwachse-nen. Das jedoch untergräbt das Selbstver-trauen des Kindes und ruft bei ihm eher dieEinstellung hervor: „Ich kann das nichtselbst“. Eltern sind nicht ihre Kinder!

Kinder ernst nehmenErziehungskompetenz beginnt mit der ge-sunden Selbsteinschätzung der Eltern. Nurwer sich selbst so akzeptiert, wie er nun malist, mit allen Selbstzweifeln, Schwächenund Ungereimtheiten, kann auch den Kin-dern besser vermitteln, Sorgen und Prob-leme zunächst einmal anzunehmen undzuzulassen. Diese Eltern werden sich be-mühen, das Kind zu verstehen und es –unter Berücksichtigung des Alters – alsgleichwertig anzuerkennen. Anders he-rum: Wenn Erwachsene ihren eigenen Fä-higkeiten trauen, werden sie auch eherden Kindern etwas zutrauen aber auch Ver-antwortung für das Kind übernehmen undbegründete Anleitungen geben, die zurProblemlösung beitragen können. Wichtigist es, zu erkennen, dass niemand für denanderen emotionale Probleme lösen kann– auch nicht die Eltern für ihre Kinder.Gleichwohl ist es sehr gut möglich, dieKinder darin zu unterstützen, diesen Prob-lemen selbst zu begegnen. Der erste Schrittdazu ist der aufrichtige Wunsch der Eltern,dem Kind mit seinen Problemen zuzuhö-ren.

Erzähl doch malIn unserem Beispiel könnte der erste Schrittmit der Frage eingeleitet werden: „Erzähl

doch mal. Was ist passiert, das dich so är-gert?“ Das Bemühen darum, einfühlsamzuzuhören und das Kind zu verstehen,kann durch Rückfragen zum besseren Ver-ständnis verstärkt werden: „Habe ich dasrichtig verstanden? Fühlst du dich so?“ Dasvermittelt dem Kind, akzeptiert zu sein, miteigenen Rechten und Bedürfnissen. Nichtförderlich hierzu wären Botschaften wie:„So solltest du nicht sein! Das darfst dunicht! Das brauchst du nicht!“

Kinder haben vor allemdas Bedürfnis nach…• einem Gefühl der Geborgenheit durch

Schutz und Vertrauen, z.B. wenn ElternInteresse zeigen an den Problemen derKinder.

• Förderung ihrer Anlagen und Fähigkei-ten durch Orientierung, Führung undAnleitung, z.B. wenn Eltern ihren Kin-dern helfen, etwas selbst zu tun.

• Vorbildern, z.B. Eltern, die mit ihren ei-genen Schwächen und Fehlern konstruk-tiv umgehen können.

• Zeit und Bereitschaft der Eltern zum Zu-hören.

• Erfolgserlebnissen, z.B. nach einer er-folgreichen gemeinsamen Lösung einesProblems.

Lösungsvorschläge sammelnEine gemeinsame Lösungssuche kann derzweite Schritt zur selbstständigen Prob-lemlösung sein. Halten Sie sich als Elternund Erziehende mit Empfehlungen undRatschlägen zurück. Diese sind dann ange-zeigt, wenn die Sicherheit des Kindes be-troffen ist, (hier muss der Erwachsene Rat-

Kinder sind keine Erwachsenen, aber sie sollen es einmal wer-

den. Was macht einen Erwachsenen zu einem Erwachsenen?

Er weiß sich selbst einzuschätzen und Entscheidungen zu tref-

fen. Wie Kinder Schritt für Schritt dazu befähigt werden können,

beschreibt Dorothea Winarske.

ie 8-jährige Simone kommt vonder Schule nach Hause und sagt:„Bei mir in der Klasse sind alle

total doof. Ich gehe nie wieder in dieSchule.“Welche Reaktion der Eltern darauf ist jetztangemessen, vielleicht Maßregeln? – „Soein Quatsch, natürlich gehst du hin! AlleKinder müssen zur Schule!“; oder Be-schwichtigung? – „Jeder hat mal einenschlechten Tag. Das geht auch wieder vor-bei.“; Hilft Argwohn? – „Das hat ja sichereinen Grund, bestimmt hast du was ange-stellt!“; Ist Bestätigung das Richtige in die-ser Situation? – „Du hast Recht. Ich findedie auch total doof.“

Wer hat das Problem?Die allererste Frage, die Sie sich stellensollten, lautet: „Wer hat hier eigentlich dasProblem?“ In diesem Fall sind es nicht inerster Linie die Eltern (die vielleicht fürch-ten, ein Problem zu bekommen, wenn dieTochter sich am nächsten Morgen weigert,in die Schule zu gehen), sondern das Kindselbst. Ob Simone nun in der Lage seinwird, das Problem selbst zu lösen, hängtstark von der Reaktion und der Unterstüt-zung der Eltern ab. Voraussetzung dafür istjedoch die richtige Haltung und Selbst-einschätzung von Vater und/oder Mutter.

Eltern sind nicht ihre KinderKompetente Kinder brauchen kompetenteEltern, die sich nicht selbst überfordern. Eltern stehen in der Gefahr, zu denken: „Ichweiß, was mein Kind denkt und was es tut.“Das führt oft zu Rechtfertigungen, morali-sierenden Ratschlägen, negativem Kritisie-

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Selbstvertrauen stärkenWenn man sich gemeinsam mit Kindernauf Lösungssuche macht, stärkt dies ihrSelbstvertrauen. Kinder erfahren, dass manihnen etwas zutraut. Und das wiederumstärkt das Vertrauen in andere. Das Kindmerkt, es klappt nicht alles sofort, aber eslohnt sich, etwas zu versuchen, und es darfauch mal was danebengehen.Kinder und Jugendliche dazu zu erziehen,Eigenverantwortung zu übernehmen ist ei-ne wichtige Aufgabe, entlastet und ermu-tigt zugleich. Dies beginnt im Kleinen. Somüssen Kinder wählen können zwischender Befolgung einer klaren Anweisungoder den Konsequenzen, wenn sie es nichttun: „Du kannst wählen, ob du deine Fuß-ballschuhe ausziehst, oder den Dreck selbstwegputzt.“

Vereinbarungen treffenSie können sich auch auf gemeinsame Lö-sungssuche machen, wenn Sie selbst einProblem mit dem Kind haben, z.B. mit der Zimmer(un)ordnung. Äußern Sie IhreSchwierigkeiten in einer Ich-Botschaft, in-dem Sie klar benennen, was Sie stört undwie es Ihnen geht („Ricky, es ärgert mich,dass durch die Unordnung in deinem Zim-mer häufig Dinge verloren gehen, und esstört mich beim Saugen, wenn Sachen amBoden liegen!“). Wenn Sie jetzt zusammenmit dem Kind ein Brainstorming zur Lö-

sungssuche anregen, können da natürlichauch Vorschläge enthalten sein wie: „Ichwill damit in Ruhe gelassen werden“ oder„Es reicht doch, sauber zu machen, wennBesuch kommt“.Wichtig ist, dass diese Aussagen genausoabgewogen und erörtert werden, wie alleanderen Ideen. Erarbeiten Sie eine Über-einkunft, die Lösungen enthält, die vonbeiden Seiten als fair empfunden werden.Vereinbaren Sie auch einen Zeitpunkt, andem überprüft wird, ob die Vereinbarungeingehalten wird. So sind beide an derProblemlösung beteiligt, und damit ist dieWahrscheinlichkeit größer, dass die Ab-sprache eingehalten wird. Außerdem be-kommen Kinder so ein Übungsfeld, umkreative Lösungen zu finden, lernen eingrößeres Repertoire an Auswegen kennenund werden zunehmend dazu befähigt,Schwierigkeiten selbstständig zu lösen. �

Probleme selbst zu lösen ffamilie praktisch

schläge erteilen), wenn das Kind eine In-formationsfrage stellt, ausdrücklich um ei-nen Rat bittet oder etwas zum ersten Mallernt oder übt.Bei der Lösungssuche werden zunächstIdeen und Vorschläge gesammelt, ohne ge-wertet zu werden. Dabei sind auch verrück-te oder humorvolle Ideen erlaubt. Um zuverwertbaren Vorschlägen zu kommen,können unterstützende Fragen weiterhel-fen: „Könnte es sein, dass dies mit… zusam-menhängt?“ Dann gibt es die so genannten„fiktiven Problemlöser“. Das sind vertrauteund anerkannte Personen, die fiktiv beauf-tragt werden, an der Lösung mitzuhelfen:„Was denkst du, würde deine Freundin ineiner solchen Situation machen?“ Das hilftdem Kind, das Problem neu einzuordnen.

Lösungsvorschläge abwägenNun heißt es, die Lösungsvorschläge abzu-wägen. Das Für und Wider und die mögli-chen Folgen werden miteinander bespro-chen. Jeder bringt seine Meinung dazu ein.Eine kurze Rollenübernahme kann zur Ver-anschaulichung beitragen und Sicherheitgeben: „Ich bin jetzt X. Lass uns mal pro-bieren, wie das laufen könnte. Was würdestdu mir jetzt sagen?“ Oder: „Sei du jetzt derX und ich bin du. Wie kommt das, was dusagen willst, bei mir an?“Die Entscheidung, welchen Lösungswegdas Kind probieren möchte, trifft es selbst.

Lachen nach der PrügeleiEs erstaunt mich immer wieder, wie gutKinder die Situation selber einschätzenkönnen und zu Lösungen kommen. EinBeispiel: Zwei 11-jährige Jungen prügeltensich in der Schule. A sah sich danach der-maßen bedroht, dass er nicht alleine vonder Schule nach Hause gehen wollte. Beiallem Streit konnte B dies durchaus nach-vollziehen. Eine Lösung dafür, wie sie ei-nander am nächsten Tag begegnen könn-ten, sah er darin, auf den anderen zuzuge-hen und „Hallo“ zu sagen. Die Folge war,dass die beiden Buben miteinander redetenund sogar wieder miteinander lachten.

44, ist Heil-pädagoginund arbeitetin der JugendhilfeFlattichhaus,Korntal.

D O R O T H E A W I N A R S K E ,

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schen den Eltern entsteht eine Unsicherheitbei Kindern. Es gibt auch Angststörungenaufgrund der schulischen Belastungen, dienach meiner Beobachtung besonders durchdas G8-Gymnasium zugenommen haben.Oft ist der Leistungsdruck so groß, dassKinder nachts nicht schlafen können undmit Bauchschmerzen oder anderen körper-lichen Erkrankungen reagieren. Kinder lei-den häufig auch unter psychisch krankenoder abhängigen Eltern.

AKZENTE: ADHS scheint eine Modekrank-heit geworden zu sein. Nehmen die Fälle zu?Kleber: Zumindest in der Wahrnehmungder Medien nehmen die Fälle von ADHS zu.Hyperaktive Kinder gab es aber schon im-mer. Weshalb es jetzt verstärkt zum Themawird, hängt damit zusammen, dass Kin-der heute vermehrt einer Reizüberflutungdurch Fernsehen und PC ausgesetzt sind,die ein ADHS verstärken.

AKZENTE: Frau Kleber, was macht eineKinder- und Jugendpsychologin?Kleber: Eltern kommen mit ihren Kindern,vom Kleinkind bis zu 21 Jahren zu mir,weil diese unter Krankheitsbildern wieÄngsten, Depressionen, einem Aufmerk-samkeitsdefizitsyndrom (ADHS), Zwän-gen, Essstörungen u.ä. leiden oder sichsonst sozial auffällig verhalten. Bei derpsychotherapeutischen Behandlung vonKindern und Jugendlichen beziehe ich dieFamilie mit ein. Hier liegen oft die Ursa-chen für das jeweilige Problem. So leidenz.B. viele Kinder daran, dass sich Eltern oftstreiten und entwickeln deshalb ein be-stimmtes Krankheitsbild. Mit den Patien-ten zusammen werden dann Lösungsstra-tegien entwickelt, wobei ich darauf achte,positive Ansätze – ich nenne sie ‚Ressour-cen‘ – die sie selbst schon mitbringen, da-zu zu nützen.

AKZENTE: Wie läuft eine Behandlung ab?Kleber: Im Erstkontakt braucht man etwafünf bis sechs Stunden Zeit, um herauszu-finden, wo das eigentliche Problem liegt.Ich muss dann den Krankheitswert heraus-finden: Ist es eine Krankheit, deren Behand-lung von der Kasse auch tatsächlich gezahltwird? Dann wird ein Bericht an die Kran-kenkasse geschrieben. Wenn diese die The-rapie genehmigt hat, kann man darange-hen, die einzelnen Schritte abzustimmen.Bei Jugendlichen stellt das Gespräch mitden Patienten einen großen Teil der Thera-

pie dar, bei Kindern wird über die Spielthe-rapie die Lösung für ein Problem gesucht.

AKZENTE: Benötigt man denn keine Über-weisung vom Hausarzt?Kleber: Kinder und Jugendliche benötigenkeine Überweisung aber zur Genehmigungeiner Therapie eine Befürwortung durch denArzt. Oft ist es auch der Arzt selbst, der denEltern empfiehlt, meine Hilfe als Psychothe-rapeutin in Anspruch zu nehmen. So wer-den die meisten Patienten überhaupt erstauf die Psychotherapie aufmerksam.

AKZENTE: Vor was haben Kinder heuteAngst?Kleber: Ängste der Kinder hängen sehrstark mit ihrer Beziehung zu den Eltern zu-sammen. Besonders dann, wenn es keineverlässlichen Beziehungen zu ihnen gibt.Durch Trennungen oder Scheidungen unddas dadurch bedingte Hin und Her zwi-

Der Glaube ist

Die Kinder- und Jugendpsychologin Claudia

Kleber hat vor einem knappen Jahr eine Praxis im

Familienzentrum Korntal eröffnet. Schon gibt es

eine lange Warteliste. Im Gespräch mit AKZENTE

erklärt sie, wann man die Psychotherapie in An-

spruch nehmen sollte und warum ihr christliche

Familien besonders am Herzen liegen.

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Verhaltenstherapeu-tin, Erziehungswis-senschaftlerin undTheologin, Muttervon zwei Kindern imAlter von fünf undzwölf Jahren. Ihre

Praxis hat sie im Familienzentrum Korn-tal, Wilhelmsdorfer Straße 8. Im Internet:www.psychotherapie-korntal.de

nachgefragtn

starke Beziehung zu ihren Eltern und einguter Zusammenhalt in der Familie. Dafürmuss man sich allerdings Zeit nehmen.Ganz bewusst Zeit mit den Kindern einzu-planen und täglich mit ihnen zu spielen,ist ein wichtiger Baustein auf diesem Weg. Eltern sollten darauf achten, Streitereienauch wirklich auszuräumen. Das heißt, dassauch die Arbeit an der Beziehung zum Ehe-partner sehr wichtig ist und dass man beiProblemen an dieser Stelle vielleicht auchHilfe in Anspruch nehmen sollte. Eine star-ke Partnerschaft stärkt auch die Kinder.

AKZENTE: Vielen Dank für das Gespräch.Interview: Silke Herrlein �

AKZENTE: Ist Kindererziehung heute kom-plizierter als früher?Kleber: Ich denke, dass vor allem die An-forderungen, die Eltern an sich selber stel-len, gewachsen sind. Eltern haben heute ofteine feste Vorstellung davon, was ihr Kindleisten soll. Sie vergleichen ihr Kind mitanderen, was wiederum durch häufige Me-dienberichte verstärkt wird. Daher liegt eingewisser Leistungsdruck auf den Familien.Außerdem trägt die Last der Erziehunghäufig allein die Kleinfamilie oder die al-leinerziehende Mutter.

AKZENTE: Wie verbreitet ist die Psycho-therapie für Kinder und Jugendliche mitt-lerweile?Kleber: Der Bedarf an psychotherapeuti-scher Behandlung ist wesentlich größer alsdas Angebot. Deshalb haben meine Kolle-gen und ich eine lange Warteliste, manch-mal bis zu sieben oder acht Monaten. DieNot ist oft sehr groß. Ich bekomme Anrufevon verzweifelten Menschen, die dringendnach Hilfe suchen. Viele kämpfen regel-recht um einen Therapieplatz.

AKZENTE: Warum haben Sie Ihre Praxisausgerechnet im Familienzentrum Korntaleröffnet?Kleber: Meine Aufgabe als Psychothera-peutin gilt allen Patienten, egal welcherEinstellung und welchen Glaubens. Abergerade christliche Familien sind in punctoPsychotherapie oft verunsichert. Es gibtnicht viele Psychotherapeuten, die bei ih-rer Behandlung das christliche Menschen-bild als wertvolle Größe einbeziehen. Oftkommen Menschen zu mir, die in einer frü-heren Behandlung das Gegenteil erfahrenhaben. Der Glaube wurde vom Therapeu-ten gar nicht erst aufgegriffen oder sogarvon vornherein kritisiert. Das hat mich er-mutigt, ein Angebot für Patienten zu ma-chen, denen der christliche Glaube Haltgibt. Dieser Ansatz passt hervorragend zurDiakonie und ins Familienzentrum Korn-tal. Mein Angebot komplettiert sozusagendas bestehende Angebot im Haus, in dem

es ja schon eine Beratung zu den FeldernErziehung und Partnerschaft gibt. Es findeteine Zusammenarbeit zwischen diesem Be-ratungsangebot und mir statt, indem wirSeminare oder Vorträge anbieten.

AKZENTE: Heilt der christliche Glaube?Kleber: Der Glaube ist eine wertvolle Res-source, auch für Kinder und Jugendliche.Nehmen Sie als Beispiel ein Kind, das untersozialen Ängsten leidet. Der Aufbau vonVertrauen in Gott, von dem es weiß, dass eres bedingungslos annimmt, kann ihm hel-fen, im Umgang mit Menschen sichereraufzutreten. Christen, die in psychischenSchwierigkeiten sind, fällt es schwer, ihrenGlauben zu leben. Die Therapie kann zudieser Ressource wieder ermutigen undHindernisse ausräumen.

AKZENTE: Wie lange dauert eine Therapie?Kleber: Eine Therapie dauert normalerwei-se ein dreiviertel Jahr bis zu eineinhalbJahren. Das hängt von der Ausprägung desKrankheitsbildes ab.

AKZENTE: Welchen Tipp haben Sie für unsere Leser?Kleber: Was Kinder stark macht ist eine

eine wertvolle Ressource

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Denn jeder Mensch hat ein Recht, auch imSterben seine Würde zu behalten und mitseinen Wünschen und Bedürfnissen, mitseinen Hoffnungen, Enttäuschungen undseinen Träumen ernst genommen zu wer-den. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränktund unabhängig von der geistigen oderkörperlichen Leistungsfähigkeit, die ihmgeblieben ist. Jeder Mensch in unseremHospiz soll wissen: „Ich bin hier keine Last!Da sind Menschen, die halten das Sterbenmit mir und bei mir aus.“

Hospizarbeit: Begleitung stattVerurteilungDenn es ist ja kein Geheimnis, dass die meis-ten Krankheiten, die zum Tode führen, mitstarken Schmerzen verbunden sind. Natür-lich ist es die erste Maßnahme in der Hos-pizarbeit, dafür Sorge zu tragen, dass dieSchmerzmedikation in ausreichendem Ma-ße zur Verfügung steht. Nur wenn der äu-ßere Rahmen der pflegerischen Grundver-sorgung stimmt, kann geholfen werden.Anschließend kann dann eine wirksameSeelsorge auf dem letzten Lebensabschnittangeboten werden.

Im neuen Testament gibt es viele Textstel-len, in denen Jesus Menschen begleitete,statt sie zu verurteilen, wenn es um existen-zielle Dinge des Lebens wie Schuld undKrankheit ging. Und dennoch sollte dieChance zur Aufarbeitung des Lebens ge-

Sterben ist technisch gewordenMit der steigenden Lebenserwartung sowieden medizinischen und technischen Fort-schritten gewinnt das Thema der Begeg-nung mit dem Sterben und einer menschen-würdigen Sterbebegleitung zunehmend anBedeutung.Viele Menschen, so meine Beobachtung,haben Angst vor einer Situation, in der sienicht mehr einwilligungsfähig sind. Siewollen nicht bei einer schweren Krankheitoder am Lebensende gegen ihren Willen ei-ner technischen Medizin ausgeliefert sein.Sie wollen keine künstliche Verlängerungihres Leidensweges. Sie fürchten auf der ei-nen Seite, Anderen zur Last zu fallen undauf der anderen Seite, einsam und anonymsterben zu müssen.

Sterben Christen anders?Die Frage, die mir auch in diesem Zusam-menhang immer wieder gestellt wird,heißt: „Sterben Christen anders?“ Das istsicherlich nicht einfach zu beantworten.Ich denke, dass Christen darauf achten soll-ten, in diesem Bereich nicht vorschnell mit„Ja“ oder „Nein“ zu antworten.Auch Jesus Christus hatte ja Angst vorseinem bevorstehenden Tod. Das könnenwir in der Passionsgeschichte nachlesen.Und wenn Jesus schon Angst hatte, dann– Hand aufs Herz! – sollten Christenmen-schen nicht so tun, als hätten sie keineAngst vor diesem existentiellsten Schritt,

der jedem Menschen irgendwann einmalbevorsteht. Leid, Sterben und Tod betref-fen alle Altersklassen gleichermaßen. Unddas Thema von Martin Luthers Lied „Mit-ten im Leben sind wir vom Tod umfangen“gilt auch für Christen. Am Ende des Le-bens zeigt es sich dann, was es mit unse-rer christlichen Hoffnung auf sich hat. DieErkenntnis, dass wir nicht selbst Schöpferund Erhalter, Bewahrer und Erlöser unse-res Lebens sind, stellt dabei einen Grund-satz des christlichen Glaubens dar. Unddas betrifft nicht nur die ethisch komple-xen Fragen nach lebenserhaltenden Maß-nahmen.

Die Angst ist normalEs ist also ganz normal für einen Men-schen, Angst vor dem Sterben zu haben.Denn auch für diese menschliche Empfin-dung hat Jesus das richtige Wort gefunden:„In der Welt habt ihr Angst, aber seid ge-trost, ich habe die Welt überwunden“ (Jo-hannes 16,33). Die Frage ist eben nur, wieman damit umgehen kann.

Nach nunmehr 40 Jahren Sozialarbeit istdas Sterben von Menschen für mich nochimmer nichts Normales geworden. Es istjedes Mal etwas Besonderes.Dabei stelle ich fest: Menschen aller All-tagsgruppen brauchen in der letzten Le-bensphase einen Begleiter, der ohne Vor-urteile für sie da ist und ihnen zuhört.

brennpunkt leben

bBegleitung auf dem letzten Weg

Seit 24 Jahren bin ich Leiter einer diakonischen Einrichtung, in der seit 15 Jahren ein stationäres

Hospiz untergebracht ist. Meine Erfahrung ist, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft aber

durchaus auch in christlichen Kreisen gern gemieden wird. Über das Sterben zu reden ist schwierig,

selbst für mich, der ich fast täglich mit dem Tod in Berührung komme. Als Leiter dieser Arbeit kann

ich von Angst und Traurigkeit, von Schuldgefühlen und Trennungsschmerz aber auch von Zuver-

sicht, Hoffnung und Gelassenheit berichten. Wichtig ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der all

diese Empfindungen zur Sprache kommen können.

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nutzt werden, sollten offene Fragen mög-lichst geklärt werden – auch das lernen wiraus den Begegnungen von Jesus mit Men-schen. Diese konnten sich ihm ohne Vorbe-halte anvertrauen und ihm so ganz vertrau-en. Dabei gab er immer Lebenshilfe – Hilfezum Leben und oft genug auch Hilfe zurUmkehr, zum Großreinemachen der Seele.

Die Angst zulassenUnd trotz dieses theoretischen Wissenssind es im Alltag oft genug gerade Chris-ten, die ihr Sterben nicht annehmen kön-nen, weil sie nicht letztlich glauben, dasses wirklich „nach Hause“ geht.Ich habe selbst erlebt, dass Christen ihreÄngste nicht zulassen, weil sie angeblichgelernt haben, dass ein Christ seinen Todfreudig erwarten müsse. Doch wir Men-schen können eben nicht über unseren ei-genen Schatten springen.Wir müssen nüchtern feststellen: Es ist fürunser menschliches Sicherheitsbedürfnis,egal ob Christ oder nicht, eben zunächstnicht wirklich ausreichend, die Aussicht zuhaben, im Sterben sich von allen vertrau-ten Dingen trennen zu müssen, Menschenzurücklassen zu müssen, die man sehr liebtund einer Zukunft zuzugehen, auf die manhöchstens hofft, an die man vielleichtglaubt, über die man aber nichts sicherweiß.Und dazu kommen dann noch die Schmer-zen, die Schwäche, die Hilfsbedürftigkeit

und oft genug tiefe Ver-zweiflung. Und wenn einMensch diese Traurigkeit,seine Ängste und Hilflosig-keit nicht benennen kannoder gar meint, dies nicht zudürfen, stauen sich zu allemÜberfluss auch noch unver-arbeitete Schuldgefühle auf.

Die Angst abgebenWenn wir einen Sterbendenbegleiten und ihm den Ab-schied aus dieser Welt er-möglichen möchten, sollten

wir diesem Menschen sagen, dass Jesuslebt. Er muss wissen, dass er alles an ihnabgeben kann: die eigene Last und Notsowie das Nichtaushaltenkönnen vonSchmerz und Krankheit. Er muss keineMaske mehr tragen, kann sein wie er ist.

Hoffnung glaubhaft vermittelnDafür ist es notwendig, dass jemand vor-urteilsfrei an der Seite des Sterbendensteht, ihm die Hoffnung auf ein Leben nachdem Tod glaubhaft vermittelt, weil er selbstdaran glaubt. Denn es gilt ja, das Loslassenzu ermöglichen, den unausweichlichenAbschied zu erleichtern.Wir erleben es im Hospiz, dass mancherGast sich so oder so ähnlich äußert: „Ichkannte zwar bisher den Sinn meines Le-bens nicht, aber durch Sie habe ich ihn jetztgefunden.“Bei der Begegnung mit dem Sterben erfah-re ich immer wieder, dass die persönlicheBegegnung mit Jesus Christus der Ankerist, der mich hält. Der Anker, der mein Le-ben in einem Sturm von Angst, Schmerzenund Unsicherheit, Trennungsangst und al-len Unzulänglichkeiten der Welt festhält.Und dies versuche ich, Sterbenden weiter-zugeben als eine reale Perspektive für sieselbst.

Barriere auf dem Weg: die ReligionWir erleben es ganz oft in der Hospiz-Pra-xis, dass Menschen sagen, sie seien als Kind

getauft worden, hätten die Konfirmation alsletzte christliche Handlung erfahren undseien anschließend ihren Lebensweg ohnewirklichen Glaubensinhalt gegangen.Ihre Religion war bisher für sie eine Art Le-bensversicherung. Und nun, auf der letztenStrecke ihres Lebens, wollen sie Gott nichtmehr um Hilfe anrufen, weil sie sich schä-men, im Laufe ihres Lebens nicht nach ihmgefragt zu haben. Gerade hier kann liebe-volle Begleitung ein Umdenken bewirken.Begleitung, die sich nicht aufdrängt, wäh-rend der Sterbende Stück für Stück offenerwird. Und dann, „plötzlich“, beginnt er so-gar, in der Bibel zu lesen und die Beziehungzu Gott neu zu suchen.Unser Ziel ist es, dass Sterbende in der per-sönlichen Begegnung mit Jesus Christus al-les abgeben können was sie bedrückt. Dasssie loslassen können. Sie brauchen sich ih-rer Ängste nicht zu schämen und können siefrei aussprechen. Und das Wunderbare da-ran ist: Jesus Christus gibt ihnen Hoffnungin der Hoffnungslosigkeit ihrer Krankheit.

„Ich sterbe“Das durften wir erleben, als ein jungerMann, der ohne jede religiöse Erziehungaufgewachsen war, anrief und nach einemPlatz im Hospiz fragte. Mit seinen Wortenam Telefon, „Ich sterbe, ich brauche einHospizbett“, hat er uns sehr betroffen ge-macht. Als er am nächsten Tag bei uns ein-traf, sagte er uns im Gespräch: „Reden Sienicht lange drum herum, bei mir ist allesgeregelt, hier ist die Visitenkarte meinesBestatters, den rufen Sie an, wenn ich totbin, der kommt dann und holt mich ab, ichwerde eingeäschert, und dann ist es gut.“Er war ruhig und gefasst wie vielleicht je-der Mensch, der sein Sterben schnell hin-ter sich bringen will.

Dann haben wir mit ihm gelebt. Es vergin-gen einige Tage, und er fragte uns, warumwir denn um Himmelswillen so freundlichund geduldig seien. Die ständigen Fragender Gäste und das häufige Sterben seiendoch nicht zu ertragen.

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Page 16: Begegnungen - Diakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntal€¦ · Begegnung mit der Stille umfrage 7 Eine Begegnung, die mir wichtig geworden ist erfahrung 8 Das größte Abenteuer ihres

gerne erfüllt. Da er selbst zu schwach war,um in unsere hauseigene Kapelle zu gehen,vollzogen wir die Taufe im Hospizbade-zimmer mit einem Lift in der Badewanne.Ich habe noch nie in einem Badezimmer,angefüllt mit so viel Wasserdampf und imAngesicht des Todes, so fröhlich Taufliedergesungen.

„Bis wir uns wiedersehen…“In unser Gästebuch ließ dieser Gast unteranderem durch eine Mitarbeiterin schrei-ben, dass er froh sei, hier gewesen zu sein,denn hier habe er den kennen gelernt, dersein Leben froh gemacht habe. Jetzt könneer in Frieden sterben. „Bis wir uns wiedersehen…“

Keineswegs war seine Krankheit schmerz-frei. Auch musste er seine Familie mit sei-nem dreijährigen Kind zurücklassen. Unddoch war er voller Freude, weil Jesus insein Leben getreten war. Er erfuhr neueHoffnung und starb in Anwesenheit derMenschen, die ihm wichtig waren.

Menschen sterben, wie sie gelebt haben, sosagt man. Ich glaube aber, Menschen ster-ben so, wie und an wen sie glauben.

Ich weiß es noch wie heute, dass meineAntwort lautete, dass der Glaube in mei-nem Leben eine wichtige Rolle spiele. DieKraft zum Tragen käme von oben. Jesusselber verleihe sie uns, wenn wir ihn darumbitten würden. Darauf wurde der jungeMann sehr nachdenklich.

„Jetzt möchte ich leben“Ein paar Tage später, zwischendurch warkeine Gelegenheit zum Gespräch, wollte erunseren Hospizpfarrer, der gleichzeitigPfarrer in der Nachbarstadt ist, sprechen.Seine Worte waren: „Herr Pfarrer, ich willbekehrt werden.“Der Pfarrer nahm sich Zeit und sprach andiesem Abend lange mit unserem Gast. Amnächsten Morgen war keine Rede mehr von„Sterben“ und „Bestatter anrufen“ oder„alles geregelt“, sondern „jetzt möchte ichgerne noch leben“.Er gab uns zu verstehen, dass er ein ande-res, ein neues Leben kennen gelernt habeund nun käme der Tod viel zu früh.Uns hat er damit beschenkt. Wir habendurch diesen etwa 30-jährigen Mann wie-der eine neue, kindliche Freude am Glau-ben erfahren. Und als er darum bat, getauftzu werden, haben wir ihm diesen Wunsch

brennpunkt leben

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61 Jahre, Witwer, istVater zweier erwachse-ner Töchter und leiteteine Altenhilfeeinrich-tung, ein Hospiz undein Wohnheim für Men-schen mit besonderensozialen Schwierigkei-

ten in Lüdenscheid. Er ist Presbyter, Mit-glied im Kreissynodalvorstand und derLandessynode sowie Laienprediger derEvangelischen Kirche von Westfalen.

Der Autor,H A N S - P E T E R O S T E R K A M P,

Ich sehe oft im letzten Augenblick des Le-bens bei unseren Gästen ein unglaublichesLeuchten in den Augen. Augen, die vorherangesichts zermürbender Krankheit leerund betroffen waren – selbst bei denen, diehochgradig verwirrt sind. Diese Menschenhaben den Tod angenommen, sie konntendas Leben loslassen, weil sie Jesus Christuserfasst haben.In all unseren Unzulänglichkeiten solltenwir in dem Bewusstsein leben, dass Jesusunsere Ängste und Nöte kennt und wir sieehrlich an ihn abgeben können! �

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Ein Rezept aus der Natur

Frisch-Käse selber machenIhr braucht dazu: 500 g festen Joghurt, ambesten Vollmilchjoghurt, ein Mulltuchoder ein Geschirrtuch, Schnur zum Zubin-den, eine Schüssel, Wildkräuter, die Ihrvielleicht von der Wiese mitgebracht habtoder frischen Schnittlauch und Dill, Papri-kapulver oder gemahlenen Pfeffer.

Und so geht’s:Das Tuch in die Schüssel legen und denJoghurt in die Mitte geben. Das Tuch anden Ecken hochnehmen und es mit derSchnur zusammenbinden. Die Schnur ir-gendwo fest aufhängen und die Schüsseldarunterstellen, so dass die Molke hinein-tropfen kann. Wenn ihr das abends so vor-bereitet, ist euer Frischkäse abgetropft, bis

ihr am nächsten Tag von der Schule nachHause kommt. Dann könnt ihr anschlie-ßend daraus Kugeln formen und sie in denGewürzen und Kräutern wälzen, die ihrvon der Wiese mitgebracht habt – fertigsind die leckeren Frischkäsebällchen.

Und was macht ihr nun mit der Molke?Auf keinen Fall solltet ihr sie einfach weg-kippen. Sie ist wertvoll, denn sie enthältVitamine, Mineralstoffe (z.B. Kalzium füreure Knochen) und wertvolle Eiweiße.Wenn ihr oder eure Mutti gerne Brotbackt, könnt ihr sie anstatt des Wassers inden Teig gießen. Ihr könnt sie sogar in eu-er Badewasser dazugeben, dann pflegt sieeure Haut! Oder ihr macht euch einen le-ckeren Frucht-Shake daraus, zum Beispiel

mit Bananen und Milch, mit Mangosaftund Joghurt oder mit Pfirsichsaft undSahne… da könnt ihr unendlich herum-experimentieren! Viel Spaß und gutenAppetit! �

ist Naturkostfachbera-terin und Umweltpäda-gogin und arbeitet imFamilienzentrum. Hierveranstaltet sie Kursefür Kinder und ihre Eltern zum Thema ge-

sunde Ernährung und Natur. Sie arbei-tet auch auf dem „Schulbauernhof Zu-kunftsfelder“ mit.

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Wart ihr in diesem Jahr eigentlich schon auf einer Streuobst-wiese und habt die Obstbäume in all ihrem Blütenschmuck an-gesehen? Vielleicht habt ihr dabei auch entdeckt, was auf derWiese unter den Bäumen alles grünt und blüht? Vieles davon– ob ihr es glaubt oder nicht – kann man tatsächlich essen undes zum Kochen verwenden. Bei Gärtnern gelten diese Pflanzenmanchmal nur als „Unkraut“. Ich finde allerdings, dass man sieauch als wohlschmeckendes „Wildgemüse“ benutzen und siesogar mit anderen Gerichten kombinieren kann.

Da gibt es beispielsweise die Brennnesseln und Taubnesseln,Giersch und Löwenzahn, Blätter und Blüten von Gänseblüm-chen, Rotklee und Huflattich. Ihr solltet diese Pflanzen undKräuter natürlich gut kennen, damit ihr sie nicht mit unge-nießbaren verwechselt! Vielleicht fangt ihr mit dem Pressender Blätter und Blüten an (einfach eine Weile zwischen die Sei-ten eines Buchs legen), dann könnt ihr sie anschließend jeman-dem zeigen, der sie für euch bestimmen kann. Fragt doch maleuren Papa oder Mama, ob sie dabei mitmachen. Eine gute In-ternetseite, die euch beim Bestimmen der Kräuter behilflich ist,findet ihr unter der Adresse: www.kraeuter-almanach.de

K L E I N E P F L A N Z E N - U N D K R Ä U T E R K U N D E U N D W I E M A N S E L B S T F R I S C H - K Ä S E M A C H T

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ies sind Momente, in denen unsdie Kontraste des Lebens beson-ders deutlich werden: Gestern

war noch vieles – oder vielleicht sogar alles – anders als heute.Aus dem Lateinischen kommend meintdas Wort Kontrast „contra“ gegen und„stare“ stehen. Kontrast ist das, was demBisherigen, dem Gewohnten und Vertrau-ten entgegensteht. In der Optik beschreibtder Kontrast den Unterschied zwischengegensätzlichen Farben, zwischen hellenund dunklen Partien auf einem Bild. Wäre alles nur im gleichen Ton gezeich-net, dem Bild – und auch dem Leben –fehlte der Ausdruck, die Bewegung, dieStrahlkraft.

Der Umzug nach Korntal im April diesesJahres und der damit verbundene Beginnim Dienst als Geistlicher Vorsteher der Ev.Brüdergemeinde Korntal stellt für unsereganze Familie solch einen kontrastreichenFarbwechsel dar.Die Welt in Unterriexingen, unserer bishe-rigen Gemeinde, war über die Jahre geord-net und vertraut. Die Menschen mit ihrenvielfältigen Lebensgeschichten waren unsans Herz gewachsen. In der Gemeinde wa-ren wir daheim, denn wir hatten in zehnJahren zahlreiche Wurzeln geschlagen;manche von ihnen reichen sehr tief.

Nun ein neuer Wohnort, neue Menschen,neue Wege: all das bedeutet auch neu an-fangen. Auf das bisher so Vertraute kön-nen wir uns nicht mehr zurückziehen. Nunheißt es, sich neuen Verhältnissen undneuen Lebenssituationen zu stellen.Das kostet Mühe und viel Kraft. Manch-mal kann da der Gedanke kommen: Könn-ten wir es nicht einfacher und gleichmä-

ßiger haben, indem wir im Alten geblie-ben wären?Aber zugleich wird mir bewusst, wie vielBereicherung ich persönlich aber auch un-sere Familie erfahren hat, durch die fünfUmzüge, die von uns in den letzten 15 Jah-ren gefordert waren. Jede neue Stationbrachte uns mit neuen Menschen in Kon-takt. Einige davon sind uns auch über dieEntfernung hinweg als liebe Freunde er-halten geblieben. Denn an jedem unsererHaltepunkte kamen wir mit liebenswür-digen aber auch besonderen Menschen inBerührung. Und sie alle haben, jeder aufseine Weise, unser Leben bereichert undgeprägt.

Auch in der Diakonie, wo wir es mit vielenund vielfältigen Menschen zu tun haben,stehen wir immer wieder vor kontrastrei-chen Veränderungen. Seien es Kinder undJugendliche, für die wir nur zeitlich be-grenzte Wegbegleiter sind, seien es Alte,denen wir auf der letzten Wegstrecke nahesein dürfen. Und auch hier bedeuten los-lassen und neu anfangen immer auchMühe und Kraftanstrengung. Oft geht esnicht ohne Schmerz und Tränen.Zugleich werden wir aber mit jeder neuenBegegnung ein Stück reicher. Denn wie oftwurden aus überraschenden und unvor-hergesehenen Begegnungen vertrauens-volle Weggemeinschaften?

Die Ostertage liegen zwar schon einigeWochen hinter uns aber mit Martin Luthergesprochen ist für Christen alle TageOstern. Der auferstandene Herr ist an je-dem Tag auch der Gegenwärtige. Dies abergalt es für die Jünger erst zu erfassen undzu ergreifen. Die Osterbegegnungen in denEvangelien berichten eindrücklich davon.

Die verunsicherten Jünger waren – so er-zählt der Apostel Johannes – beim Fischenam See Genezareth. Erschöpft steuerten sienach erfolgloser Nacht ihr Boot auf dasUfer zu. Leer waren ihre Netze, leer aberauch ihre Hoffnung. Doch im Morgendunststand ein Fremder am Ufer und sprach dieJünger an. „Als es aber Morgen war, standJesus am Ufer“, heißt es in Johannes 21,4.Noch brauchte es einige Zeit, bis die Jün-ger realisierten, wer ihnen da gegenüber-stand. Aber bereits am frühen Morgen warer da. Ob es am Morgen eines neuen Tages,ob es am Beginn eines neuen Lebensab-schnitts ist oder ob im Begegnen mit un-bekannten Menschen, bis heute gilt: „Alses aber Morgen war – stand Jesus am Ufer“.Immer wieder überrascht uns Jesus, indemer am Ufer zu einem neuen Tag, zu einemneuen Lebensabschnitt, zu einer Begeg-nung mit unbekannten Menschen steht.

Auf unsere Umzugskarte, die wir an Freun-de und Bekannte weitergegeben haben,druckten wir ein Zitat von Peter Strauch:„Und wieder gibst du mir einen Auftrag, dermich den schützenden Hafen meiner ver-trauten Umgebung verlassen heißt. Wohinführst du mich? Was wird mir begegnen?Und wieder weiß ich ganz fest: Wohin ichauch komme, du wirst schon dort sein: Was mir auch begegnet, du wirst mich be-wahren. Danke, Vater, du lässt mich nichtallein.“ �

nnachgedacht

Kontraste des Lebens –Überraschende BegegnungenDas Leben ist voller Veränderungen. Oft sind es nur die alltäglichen Neuigkeiten, auf die wir uns einstel-

len müssen und die uns im gewohnten Lebensrhythmus gar nicht so tiefgehend auffallen. Aber hin

und wieder gibt es Zäsuren, die uns nötigen, grundlegende Bereiche unseres Lebens neu einzuordnen.

45, ist seit Mai GeistlicherVorsteher der Ev. Brüderge-meinde Korntal. Er ist ver-heiratet mit Gudrun und hatdrei Söhne im Alter von 16,13 und fünf Jahren.

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Aus unserer Diakonie

eaus den einrichtungen

Das Altenzentrum Korntal verdientdie Note „Eins“

Altenzentrum Korntal

Jetzt haben es die Mitarbeiter desAltenzentrums der Ev. Brüderge-meinde Korntal schwarz auf weiß:

Ihre Arbeit verdient die Note Eins. DieseZensur ist das Ergebnis einer unangemel-deten Prüfung durch den MedizinischenDienst der Krankenversicherungen (MDK).Am 24. Februar erschienen vier Prüfer, dieakribisch die Pflege von acht Bewohnerndes Pflegeheims beobachteten, diese befrag-ten und sich anschließend ein Urteil bilde-ten, das nun im Internet einsehbar ist. Un-ter dem Strich verdiente sich das Altenzent-rum eine 1,2. Für die Leiterin der Einrich-tung, Esther Zimmermann, ein weiterer Be-weis dafür, dass die Pflegeheime viel bessersind als ihr Ruf.Der MDK testet und befragt in den Bereichen„Pflege und medizinische Versorgung“,„Umgang mit demenzkranken Bewohnern“,„Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“sowie „Wohnen, Verpflegung, Hauswirt-schaft und Hygiene“. In diesen Teilbereichengibt es eine separate Note, die zu einer Ge-samtbewertung führt. Die Prüfer schauendem Pflegepersonal dabei genau über dieSchulter: Wie wird der Bewohner gelagert,welches Essen bekommt er, wie sehen dieaktivierenden Angebote des Hauses aus?Die ins Auge gefassten Personen werden zu-dem einer genauen körperlichen Untersu-chung unterzogen. Ermittelt werden soll, obsie hygienisch, medizinisch und körperlichfachgerecht behandelt werden. Ebenso las-sen sich die Prüfer relevante Unterlagenüber die Bewohner zeigen.„Das ist eine unglaubliche Anerkennung fürunsere Mitarbeiter“, sagt Esther Zimmer-mann. Sie fügt hinzu: „Es zeigt sich mal wie-der, dass die Altenpflege viel besser ist alsihr Ruf.“ Der hohe Standard der Pflegehei-me in Baden-Württemberg, der sich in derDurchschnittsnote von 1,2 aller bisher ge-prüften Heime dieses Bundeslandes ausdrü-cke, sage doch alles, so die Chefin über 80Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dennschließlich sei der Ruf der Altenhilfe in derÖffentlichkeit ziemlich angeknackst, weilüber die Zustände in schlechten Pflegehei-

men viel und ausgiebig berichtet werde.Esther Zimmermann bedauert das Zerrbild,das ihrer Meinung nach entstanden ist. DiePauschalität, mit der über die Pflege an sichgeurteilt werde, habe nicht nur das Pflege-personal sehr mitgenommen. „Wir brau-chen künftig mehr Pflegekräfte, um unserenStandard halten zu können“, ergänzt sie,„doch wie sollen sich junge Leute für diesenBeruf interessieren, wenn er so negativ dar-gestellt wird?“Dass der Zivildienst bald nur noch ein hal-bes Jahr verkürzt wird, sieht sie als weiterenschweren Eingriff in die Möglichkeiten derAltenhilfe. „Ich finde die Entscheidung derBundesregierung sehr bedauerlich. Wir wer-den uns in Zukunft überlegen müssen, inwelchen Bereichen wir überhaupt noch ver-antwortungsvoll Zivildienstleistende ein-setzen können, weil die Zeit so kurz ist“, soEsther Zimmermann. „Der Zivildienst warimmer eine gute Möglichkeit, junge Men-schen für Pflegeberufe zu gewinnen. Insechs Monaten Interesse für einen sozialenBeruf zu wecken, ist definitiv zu wenig. Wiekönnen wir künftig jungen Leuten nahe-bringen, dass Menschen füreinander sorgenund aufeinander achten müssen?“ Dankbarist man im Altenzentrum Korntal, dass manauf fast 100 ehrenamtliche Helfer zurück-greifen kann, die genau dies verinnerlichthaben und den Bewohnerinnen und Bewoh-nern auf vielfältige Weise Zuneigung undAchtung schenken. Esther Zimmermannwünscht sich, dass die Pflege alter Men-schen in Zukunft immer stärker aus dem ge-sellschaftlichen Schatten heraustritt – undwenn es dafür weiterer erstklassiger Zeug-nisse bedarf. Das Ergebnis des Prüfungs-berichtes des MDK ist auf der Internetseitewww.pflegelotse.de einzusehen.

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aus den einrichtungen

eDas Altenzentrum Korntal hat einen FördervereinAltenzentrum Korntal

zentrums, insbesondere aus der Ev. Brü-dergemeinde, sehe sich der Fördervereinallerdings nicht, betonte Stefan Danner.„Es ist schön, dass wir auf eine historischgewachsene und sehr enge Beziehung zwi-schen der Brüdergemeinde und ihrem Al-tenzentrum aufbauen können. Als Förder-verein bieten wir der hohen Zahl der eh-renamtlichen Mitarbeiter Unterstützungan, wo sie gewünscht wird. Wir wollen siebegleiten und fördern. Und natürlich hof-fen wir, dass wir noch viele weitere Ehren-amtliche für ein Engagement für alte Men-schen begeistern können.“

Mehr zum Föderverein des Altenzentrumsgibt es unter www.altenzentrum-korntal.de.

In Korntal hat sich ein Förder-verein für das Altenzentrum derDiakonie der Ev. Brüdergemein-

de gebildet. Bereits bei der Gründungsver-anstaltung schaffte es der neue Verein auf34 eingeschriebene Mitglieder. Mit Standvom April hat er es schon auf 56 Mitglie-der gebracht. Zum Vorsitzenden wurde der35-jährige Korntaler Stefan Danner, Kon-rektor einer Ludwigsburger Grund- undHauptschule, gewählt. Von den Vereins-mitgliedern zu seiner Stellvertreterin be-stimmt wurde die Korntaler Unternehmer-gattin Hannelore Link. Als Kassenwartwird sich Ruth Mack betätigen. „Ich binsehr glücklich darüber, dass die Initiativezur Gründung eines Fördervereins eine so

breite Unterstützung findet“, sagte Dannernach der konstituierenden Sitzung desVereins im Altenzentrum. „Ich bin über-zeugt davon, dass wir diesen Schwung indie ersten Projekte mitnehmen können.“Der Förderverein des Altenzentrums Korn-tal hat es sich zur Aufgabe gesetzt, zumWohle der Bewohner des Pflegeheims, desbetreuten Wohnens sowie der Gäste dereinzigen Tagespflege im Stadtgebiet vonKorntal-Münchingen zu wirken. Zu die-sem Zweck will er besondere Anschaffun-gen möglich machen sowie das Bezie-hungsnetz zwischen den Bewohnern undden Bürgerinnen und Bürgern der Stadtstärken. Als Konkurrenz zum großen Heerder ehrenamtlichen Mitarbeiter des Alten-

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Aus Spenden finanziert: Ein multifunktionaler Altarfür das Altenzentrum Korntal

Altenzentrum Korntal

re Wahrnehmung im Alter verändert sich.Deshalb knüpfen wir an ihre Erlebnissevon früher an, spielen vor dem GottesdienstGlockengeläut und Orgelspiel vom Bandein“, erläutert Esther Zimmermann. DerAndachtsraum des Pflegezentrums ist al-lerdings zu klein für alle Gottesdienstbesu-cher. So verlegte man den Gottesdienst inden Gemeinschaftsraum. Der neue Altarhilft, sich hier auch optisch wie in einer Kir-che zu fühlen. Bilder vom Neuen Altar gibtes unter www.altenzentrum-korntal.de.

Als eines der ersten Pflegeheimesetzt das Altenzentrum Korntaleine Innovation des Tübinger

Künstlers Martin Burchardt ein: einen mul-tifunktionalen Altar. „Jetzt können wir denspirituellen Bedürfnissen unserer Bewoh-nerinnen und Bewohner besser gerechtwerden“, erklärt Esther Zimmermann, dieLeiterin des Altenzentrums. Der Altar wirdnicht nur bei den Hausgottesdiensten ein-gesetzt. Er kann auch auf den Stationen undin den Zimmern der Bewohnerinnen undBewohner verwendet werden. „Der Gottes-dienst tut vielen unserer alten Menschengut“, so Zimmermann. „Der neue Altar un-terstützt uns darin, sie geistlich noch besserbegleiten zu können.“ Der Altar besteht auszwei Hauptelementen, die getrennt vonei-nander genutzt werden können. Auf demgroßen Altartisch wird ein Bildaufsatz an-gebracht, davor steht ein Holzkreuz. Auf

diese Weise wird der Altar zu einem Blick-fang und Ruhepol, an dem sich die Gottes-dienstbesucher orientieren können. Unterdem Altartisch befindet sich ein zusätzli-ches Möbelstück mit einem Schrankele-ment. Gedacht ist es entweder als Predigt-pult, das man bei Bedarf herausziehen kannoder als zweiter, kleinerer Altar, an den wie-derum ein Bildaufsatz passt. Die Kosten vonrund 3600 Euro wurden aus Spenden vonFreunden des Hauses gezahlt. Zusätzlichdiente der Erlös des letztjährigen Weih-nachtsmarktes des Altenzentrums sowiedes antiquarischen Buchmarkts dem Er-werb des Altars. Seit Herbst 2008 ist manim Altenzentrum dazu übergegangen, zu-sätzlich Gemeinschaftsgottesdienste für dieBewohner anzubieten, die vom Angebotder Fernsehübertragungen am Sonntag ausdem Großen Saal der Ev. Brüdergemeindenicht mehr Gebrauch machen können. „Ih-

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Johannes-Kullen-Schule Korntal

Neuer Schulhof: Vom Traum zur Wirklichkeit

Die Schüler und Lehrer der Johannes-Kullen-Schule (JKS)träumen zurzeit einen ganz be-

sonderen Traum – ihren „Lebens(t)raum“.Dabei geht es nicht um den heiß ersehn-ten Sieg bei der anstehenden Fußball-WModer den lang gehegten Wunsch, dernächste Star bei DSDS zu werden. Der „Le-bens(t)raum“ der Kinder und Jugendlichender JKS ist im wahrsten Sinne des Wortesbodenständig – sie träumen von einemeinladenden Schulhof/Sportplatz an ihrerSchule, einem Platz, an dem sie jeden Tagdie Möglichkeit haben, sich auszutobenund sportlich zu betätigen aber auch einenPlatz, der einlädt, Ruhe zu finden und fürden Schulalltag Kraft zu tanken.

„Im Sommer 2010 soll der Bau des neuenSchulhofs/Sportplatzes beginnen. Als ein‚Weihnachtsgeschenk‘ der ganz besonde-ren Art möchten wir ihn den Schülern derJKS zum Jahresende gerne übergeben“, soVeit-Michael Glatzle, Geschäftsführer derDiakonie. Viele der Kinder und Jugendli-chen haben einen schweren „Rucksack“ imLeben zu tragen, zum Teil gefüllt mit feh-lender Liebe, Vernachlässigung, häuslicherGewalt bis hin zu sexuellen Übergriffen.Dies hat ihre Persönlichkeit und ihr Lebenstark beeinflusst. Ihre „Antwort“ daraufsind oft Aggressionen oder eine beginnen-de Karriere auf der schiefen Bahn. Proble-me in der Schule sind damit fast schon pro-grammiert. Die JKS, die einzige Erzie-

hungshilfeschule im Landkreis, hilft diesenKindern und Jugendlichen, in Schule undGesellschaft wieder Fuß zu fassen. Derneue Schulhof wird den besonderen Anfor-derungen dieser „verhaltensoriginellen“Schüler Rechnung tragen. Er ist somit einwichtiger Meilenstein, um diesen Kindernund Jugendlichen zu helfen, ihren Schul-alltag und damit auch ihr Leben zu meis-tern.

Informationen zum Projekt „Lebens(t)raum“finden Sie im Internet unter www.diakonie-korntal.de. Gerne schicken wir Ihnen auchInformationsmaterial, u.a. die DVD mit demSchulhoffilm und dem Pausenhofsong kos-tenfrei zu: [email protected]

eaus den einrichtungen

„Muckibude“ für Johannes-Kullen-Schule und HoffmannhausJohannes-Kullen-Schule Korntal

Dank der großzügigen Spendenvon Uwe Locher, der als Kind inden 1960er und 70er Jahren im

Hoffmannhaus betreut wurde und heuteMathematik an einer amerikanischen High-school lehrt, sowie der „Feuerbacher Strick-frauen“, konnte jetzt ein Fitnessraum ein-gerichtet werden, der von der JugendhilfeHoffmannhaus sowie der Johannes-Kul-len-Schule gemeinsam genutzt wird. Fürviele Jugendliche geht damit ein lang ge-hegter Traum in Erfüllung. Schließlich kön-nen sie sich von ihrem schmalen Taschen-geld kein Fitnessstudio leisten.Der gesamte Parcours mit u.a. Rückenstre-cker, Beinpresse und Rudergerät dient demAufbau der Bauch-, Brust-, Bein-, Schulter-und Rückenmuskulatur. Die Jugendlichentrainieren nur unter fachkundiger Anlei-tung und Begleitung. Der Fitnessraum wirdim Rahmen des schulischen Sportunter-

richts und der Freizeitgestaltung genutzt.Natürlich steht er ebenso den über 150 Leh-rern und Erziehern beider Jugendhilfeein-richtungen an der Zuffenhauser Straße 24für die private Nutzung zur Verfügung.Lehrer Panagiotis Pechlivanos konntegünstig gebrauchte Fitnessgeräte besorgen.Schüler und Lehrer holten diese schwerenund zum Transport zerlegten Geräte ab undbauten sie in mühevoller Kleinarbeit ge-meinsam wieder zusammen. Zuvor wurdein einem Kellerraum eines Gruppenhausesein strapazierfähiger Bodenbelag verlegtund eine neue Beleuchtung installiert. DieWände sollen später von den Schülernfarblich gestaltet werden.Die „Feuerbacher Strickfrauen“ unterstüt-zen das Hoffmannhaus und die Johannes-Kullen-Schule durch den Verkauf ihrerselbst hergestellten Bastel- und Strickwa-ren, die sie beim Jahresfest und beim Korn-

taler Weihnachtsmarkt anbieten. Insgesamterbrachte dies in 20 Jahren fast 50000 Euro.

Nur mit fachkundiger Anleitung: Ein Schüler probiert einesder Fitnessgeräte aus.

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aus den einrichtungen

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Privatpersonen, Einzelhändler,Vereine, Initiativen, Verantwor-tungsträger aus Politik und Wirt-

schaft: Das Netzwerk der Unterstützer derDiakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntalerweitert sich ständig. Einmal im Jahr wer-den sie zu einem ganz besonderen Abend

ins Landschloss Korntal eingeladen: ZumAbend für Freunde und Förderer, der jetztzum zweiten Mal stattfand. „Wir möchtenunseren treuen Spendern mit einem beson-deren Programm danke sagen“, drückt esGeschäftsführer Veit-Michael Glatzle aus.Sehr angetan waren die rund 80 Gäste

Interview aus dem Stand: Bundestagsabgeordneter Steffen Bilger mit dem SWR-Korrespondentenund Musiker Christoph Zehendner

Dank an Freunde und FördererAus unserer Diakonie

diesmal vom Konzert des SWR-Redakteurs,Theologen und Liedermachers ChristophZehendner, der zusammen mit MichaelSchlierf am Flügel für einen musikalischenHörgenuss im Festsaal des Landschlossessorgte. „Neben Informationen über laufen-de und anstehende Projekte unserer Diako-nie können unsere Freunde und Förderermiteinander ins Gespräch kommen. DerNetzwerkgedanke ist uns ganz wichtig“,ergänzt Veit-Michael Glatzle. Und so wur-de reichlich Gebrauch davon gemacht, sichin ungezwungener Atmosphäre kennen-zulernen und angeregte Gespräche bei ei-nem leckeren Buffet zu führen. Prominen-ter politischer Besuch kam sogar aus demfernen Berlin: Der Ludwigsburger Bundes-tagsabgeordnete Steffen Bilger, der der Ev.Brüdergemeinde und ihrer Diakoniefreundschaftlich verbunden ist und sichsogar spontan vom politischen Korrespon-denten Christoph Zehendner interviewenließ.Eine Bildergalerie vom Abend für Freundeund Förderer ist auf der Internetseite derDiakonie unter www.diakonie-korntal.dezu sehen.

Souverän dank Judo-TrainerHoffmannhaus Korntal

Souveränes und sicheres Auftre-ten im Alltag und ganz beson-ders in Konfliktsituationen ist der

Wunsch vieler Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Jugendhilfe. Kann man das ler-nen? Und wenn ja, wie? Mit diesen Fragensetzten sich Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter aus allen Bereichen des Hoffmann-hauses Korntal im Rahmen eines Souve-ränitäts- und Interventionstrainings (SIT)

auseinander. Ausgehend von praktischenBeispielen aus dem beruflichen Alltag wur-den ca.12 Teilnehmer in vier Veranstaltun-gen geschult. Zweimal pro Jahr bietet dasHoffmannhaus diese Schulungsreihe anund freut sich besonders über die hervor-ragende Zusammenarbeit mit ChristofHubl, Abteilungsleiter Ju-Jutsu im Judo-club Bietigheim (www.jc-bietigheim.de).„Es geht hier nicht um die Vermittlung von

Verteidigungstechniken, sondern vielmehrum die Erfahrung, dass entsprechend ge-schulte Menschen frühzeitig Konfliktsitua-tionen erkennen und kompetent handelnkönnen“, sagt Christof Hubl. Die Ratschlä-ge des erfahrenen Trainers kamen gut an:„Ich habe gelernt, dass ich durch meineKörpersprache dazu beitragen kann, einenKonflikt zu lösen“, so eine Mitarbeiterindes Hoffmannhauses.

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Jochen Hägele (45) ist neuerGeistlicher Vorsteher der Ev. Brü-dergemeinde Korntal und damit

auch für deren diakonische Einrichtungenmitverantwortlich. Am 2. Mai wurde er insein neues Amt eingeführt. Der gebürtigeDitzinger Jochen Hägele ist verheiratetmit Gudrun und hat drei Söhne im Altervon 16, 13 und fünf Jahren. Seit Septem-ber 2000 war er Pfarrer der EvangelischenKirchengemeinde Unterriexingen. SeinTheologiestudium absolvierte er in Tübin-gen, sein Ausbildungsvikariat in der Kir-chengemeinde Kleingartach. „Pfarrer zurAnstellung“ war er 1997 in Neuhausen aufden Fildern. Anschließend war er bis zumJahr 2000 als Studienassistent im Fachbe-reich „Neues Testament“ am Albrecht-Ben-gel-Haus Tübingen, einem Wohn- undStudienzentrum für Theologiestudenten,tätig. Seit 2007 ist er zudem Vorsitzenderdes Trägervereins des Albrecht-Bengel-Hauses e.V. Jochen Hägele engagiert sichferner in der Ludwig-Hofacker-Vereini-gung, einem Forum für diakonische undmissionarische Organisationen und Aktio-nen, die sich dem württembergischen Pie-

tismus verbunden wissen. Zum ThemaDiakonie, die jetzt verstärkt in den Fokusdes neuen Geistlichen Vorstehers kommt,sagt Jochen Hägele: „Diakonie ist Glaubezum Anfassen. Damit ist sie unverzichtba-res Grundkennzeichen der Gemeinde Jesu.Das umso mehr in einer Zeit, die sehr kri-tisch nach der Glaubwürdigkeit des Christ-seins fragt. Antrieb des Dienstes am Nächs-ten ist der Herr der Gemeinde, und derTreibstoff dafür ist die Liebe.“

Der neue Pfarrer Jochen Hägele

Der neue Geistliche Vorsteher:„Diakonie ist Glaube zum Anfassen“

Aus unserer Diakonie

Wechsel in der Führung der Ju-gendhilfe Flattichhaus: Am 17.Januar übergab Schwester Anne

Messner, die langjährige Leiterin der Ein-richtung, offiziell die Leitung des Kinder-heims an ihren Nachfolger, Diakon Joa-chim Friz.Damit endet die Ära der Aidlinger Diako-nissen in der Diakonie der Korntaler Brü-dergemeinde. Sie lenkten 50 Jahre lang die

Geschicke des Flattichhauses. Erstmalsnach vielen Jahrzehnten steht nun wiederein Mann an der Spitze der Jugendhilfe-einrichtung. Der 40-jährige Joachim Frizwar bereits seit 2007 Erziehungsleiterdes Flattichhauses. Er ist Jugend- undHeimerzieher, Sozialarbeiter und Trans-aktionsanalytiker. Seine Stellvertretungübernimmt die Heilpädagogin DorotheaWinarske.

Leitungswechsel im Flattichhaus KorntalFlattichhaus Korntal

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20 Jahre Damen-Automobilclub für das FlattichhausFlattichhaus Korntal

Martina Koch-Haßdenteufel, Ers-te Beigeordnete der Stadt Gerlin-gen, räumte bei der offiziellen

Einweihung der neuen Sonderpädagogi-schen Integrationshilfe (SIH) der Jugend-hilfe Hoffmannhaus Korntal gleich mit ei-nem Tabu auf: „Viele wissen gar nicht, dasses selbst in unserem wohlhabenden Gerlin-gen einige mit der Erziehung ihrer Kinderüberforderte Eltern gibt.“ Wenn beispiels-weise Eltern voll berufstätig seien, fehleden Kindern oft eine nachhaltige Haus-aufgabenbetreuung zu Hause ebenso wieeine sinnvolle Freizeitgestaltung. „Nun“, soKoch-Haßdenteufel, „sind wir um eine Ein-richtung in Gerlingen reicher, die es sichzur Aufgabe gemacht hat, Kindern und Ju-gendlichen Perspektiven für die Zukunft zugeben.“ Klaus-Dieter Steeb, Leiter der Ju-

gendhilfe Hoffmannhaus, die die SIH trägt,lobte die Zusammenarbeit mit der StadtGerlingen. Bereits binnen eines Jahresnach Aufnahme der Gespräche, habe mandie SIH Gerlingen in Betrieb nehmen kön-nen. Zu diesem Zweck hatte die Stadt denehemaligen Raiffeisenmarkt an der Urban-straße zur Verfügung gestellt. Nach eini-gen Umbauarbeiten durch das Hoffmann-haus sind nun großzügige Räumlichkeitenentstanden. „Die SIH bietet Kindern undJugendlichen dort Hilfe an, wo sie leben“,erklärte der Erziehungsleiter des Hoff-mannhauses, Wolfgang Kapp. Die SIH be-schrieb er mit Hilfe bunter Lego-Bausteine.Ein erster Baustein sei ein betreutes Mit-tagessen. „Hier geht es um Tischmanierenund um Tischgespräche, in denen man un-ter anderem gut üben kann, jemanden aus-

reden zu lassen“, sagte er. Ein weitererBaustein sei die anschließende Lernzeit.„Die Kinder müssen heute erst das Lernenerlernen“, so Kapp. Dazu gehöre die Zeit-einteilung, die Ordnung in Ranzen undMäppchen sowie das Ausdauertraining,um die Hausaufgaben verlässlich fertig zubekommen. Der dritte Baustein sei das so-ziale Lernen. „Hier wollen wir die Ressour-cen der Kinder nutzen, um soziale Um-gangsformen zu vermitteln.“ Kompetenz-training, gefördert durch Spiel und Sport,steht hier ebenso auf dem Programm wiedie Einzelförderung. Welcher Baustein fürwelches Kind wichtig ist, entscheidet einindividueller Hilfeplan. Die SIH-Maßnah-me wird in Absprache mit Eltern, Lehrern,örtlichen sozialen Diensten sowie dem Ju-gendamt festgelegt.

Neue SIH: Bunte Bausteine für die ZukunftHoffmannhaus Korntal

aus den einrichtungene

Einen Einblick in die vielfältigeArbeit der Diakonie der Ev. Brü-dergemeinde Korntal verschaffte

sich im April der Landrat des LandkreisesLudwigsburg, Dr. Rainer Haas. Landkreisund Diakonie arbeiten an vielen Stellen zu-sammen: Die Jugendhilfeeinrichtungen so-wie das Altenzentrum sind Partner des De-

zernates Jugend und Soziales des Landkrei-ses, und auch bei der Planung des neuen„Schulbauernhofs Zukunftsfelder“ arbeitendie Fachleute intensiv zusammen. Nachdemsich der Landrat über das Familienzentrumsowie die sozial-diakonische Arbeit der Ev.Brüdergemeinde informiert hatte, ging esauf dem Gelände des Hoffmannhauses wei-ter. Hier besuchte er die Johannes-Kullen-Schule, einzige Schule für Erziehungshilfeim Landkreis. Haas ließ sich das Therapeu-tische Reiten vorführen und schaute in ei-ner Wohngruppe des Hoffmannhauses vor-bei. Hier erwarteten ihn wissbegierige Kin-der. So wollte Fabian wissen: „Haben Sieeinen Bodyguard?“ Diese Frage musste Dr.Rainer Haas ebenso verneinen wie die nacheinem möglichen Privatflugzeug, mit demer, so hatten die Kinder gemutmaßt, von sei-

„Herr Landrat, haben Sie einen Bodyguard?“Aus unserer Diakonie

nem Amtssitz in Ludwigsburg nach Berlinfliege. Wozu man überhaupt einen Land-rat brauche, beantwortete der Amtsinhaberebenso gewissenhaft wie die Erkundigun-gen nach seinem Privatleben. So bekamendie Kinder heraus, dass Dr. Haas gerne imUrlaub ins Ausland verreist, bevorzugt berg-wandert, wenn es sein Terminplan erlaubt,selber kocht und am liebsten Fisch isst.Auch persönliche Erfolge hatten die Kinderzu vermelden. So hörte der Landrat, dassEmilia heute „viel konzentrierter Hausauf-gaben machen kann als früher“ und „nichtmehr so aggressiv ist“. Paul ist stolz, dass eres bereits vor zwei Jahren von der Sonder-schule auf die Realschule geschafft hat –kleine Erfolge im Bemühen von Landkreisund Jugendhilfeeinrichtung, die Kinder inein eigenständiges Leben zu begleiten.

Kinder einer Wohngruppe des Hoffmannhauses Korntal mitLandrat Dr. Rainer Haas in der Bildmitte sowie dem Vorsteherder Ev. Brüdergemeinde, Dieter Messner

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Endlich ist er da: Der nagelneueVW-Bus für die JugendhilfeHoffmannhaus Wilhelmsdorf. Er

wurde bereits sehnlichst erwartet, schließ-

lich gehörte sein Vorgängergefährt mit elfJahren längst zum alten Eisen bzw. aufden Schrottplatz. Gebraucht wird der Busvor allem zum Transport der Schülerinnenund Schüler der Hoffmannschule und derSonderberufsfachschule. Ausgestattet ister mit moderner Sicherheitstechnologieund sogar mit einer Klimaanlage. „Dasmodernste und sicherste Fahrzeug, das wirbisher für den Transport unserer Kinderund Jugendlichen einsetzen konnten“,schwärmt der Leiter des Hoffmannhauses,Gerhard Haag. Ein Novum für das Hoff-mannhaus ist, dass der Bus größtenteilsvon der Glückspirale finanziert wurde.Zum Gesamtpreis im Wert von 27000 Eurosteuerte die Lotterie 21600 Euro bei. Mitjedem verkauften Los fördert die Glücks-spirale soziale Projekte im Wert von jähr-

Ein neuer Bus von der GlücksspiraleHoffmannhaus Wilhelmsdorf

aus den einrichtungen

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lich 50 Millionen Euro. Zurzeit betreut dieJugendhilfe Hoffmannhaus Wilhelmsdorf90 Kinder und Jugendliche im Alter vonsechs bis 21 Jahren. Zu ihren Angebotengehören verschiedene Wohngruppen, fle-xible Erziehungshilfen, handwerkliche undhauswirtschaftliche Betriebe im Rahmender Jugendberufshilfe, eine Kindertages-stätte sowie Familienbildung und Eltern-beratung. Dem Hoffmannhaus angeschlos-sen ist die Hoffmannschule für Erziehungs-hilfe, die von 85 Schülerinnen und Schü-lern in den Bildungsgängen Grund- undHauptschule sowie der Förderschule be-sucht wird. Seit 2009 gibt es in Zusammen-arbeit mit den handwerklichen Betriebendes Hoffmannhauses eine Berufsfachschu-le, die Jugendliche für eine Berufsausbil-dung qualifiziert.

Schüler der Sonderberufsfachschule desHoffmannhauses mit „ihrem“ neuen Bus

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Neues Haupthaus kommtHoffmannhaus Wilhelmsdorf

Der Entwurf sieht zwei quadra-tisch gestaltete und mit einemZeltdach versehene Häuser vor.

Sie sind in der Mitte durch ein größtenteilsverglastes „Erschließungselement“, in demsich Aufzug und Treppenhaus befinden,miteinander verbunden. Gestalterisch stehtdas neue Bauwerk in Bezug zum benach-barten Betsaal der Ev. BrüdergemeindeWilhelmsdorf.„Dieser Neubau eröffnet uns völlig neueMöglichkeiten für eine moderne Jugend-hilfe“, erläutert Gerhard Haag, Leiter desHoffmannhauses. Neu eingerichtet werdenkann ein Teil der Lernwerkstatt der künf-tigen „Produktionsschule Oberschwaben“.Außerdem wird ein Familienzentrum er-öffnet, in dem es Eltern- und Familienbil-dung geben wird. Ein neues, im Landkreis

Ravensburg einmaliges,Angebot gilt jungen Müt-tern in schwierigen Le-benslagen. Sie sollen Be-gleitung und Beratungerhalten und ggf. mit ih-ren Kindern in dafür vor-gesehenen Wohnungendes Hauses unterkommenkönnen.Das alte Haupthaus, daszu den ältesten Gebäu-den Wilhelmsdorfs zähl-te, wurde beim Brand amKarfreitag 2009 zu zwei Dritteln zerstört.Der zunächst erwogene Wiederaufbau desGebäudes habe sich jedoch als unwirt-schaftlich herausgestellt, erklärt GerhardHaag. Die Kosten der neuen Anlage bezif-

Das Modell des Haupthauses(Quelle: Archeplan Architektur, Leonberg)

ferte er auf rund 3 Millionen Euro. Rund dieHälfte dieser Summe könne aus der Leis-tung der Versicherungen gezahlt werden.Geplanter Baubeginn ist im Sommer. EinJahr später soll das neue Haus fertig sein.

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aus den einrichtungen

Kurzmeldungen und Anzeigen

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Wir bieten:• Ausbildungsplätze in der Altenpflege (Ausbildungsbeginn: 1. April /1. Oktober)• Pflegehelfer/in in Teilzeit• Plätze für Zivildienst und FSJ

in den Bereichen: Haustechnik, Tagespflege/Hauswirtschaft, Pflege

Richten Sie Ihre Bewerbung an:Altenzentrum Korntal Tel. 0711/836 30-0Friederichstraße 2 [email protected] Korntal-Münchingen www.altenzentrum-korntal.de

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Gute Erfahrungen macht der Wilhelm-Götz-Kindergarten mit verlängerten Öffnungszeiten. Kinder können seit einigen Wochendurchgehend von 7:45 bis 14 Uhr im Kindergarten bleiben. In Einzelfällen ist auch eine Betreuung bis 16 Uhr möglich. Die neu-en Öffnungszeiten entlasten vor allem berufstätige Mütter. Wie bisher können Kinder aber auch von 7:45 bis 12:30 oder bis 13:30Uhr bleiben. Wer nach der Mittagspause zu Hause den „Kindi“ nachmittags wieder besuchen möchte, kann weiterhin montagsund mittwochs von 14 bis 16 Uhr kommen. Die Kindergärten im Internet: www.kindergarten-korntal.de

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unsere diakonischen einrichtungen

www.diakonie-korntal.de

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Verwaltung Diakonie der Ev. Brüdergemeinde Korntal

Saalplatz 170825 Korntal-MünchingenTel. 0711/839877-0Fax 0711/[email protected]• Geschäftsführer: Veit-Michael Glatzle,

Wolfgang Lorenz

„Der Diakoniegedanke der Evangeli-schen Brüdergemeinde Korntal ent-springt der missionarischen Verantwor-tung. Wir wollen das Evangelium vonJesus Christus nicht nur in Worten, son-dern auch in Taten weitergeben. Wirorientieren unser Handeln am christ-lich-biblischen Menschenbild. Die dia-konischen Einrichtungen sind tätigerAusdruck dieses Gedankens und daherorganisatorisch eng mit der Evangeli-schen Brüdergemeinde verbunden.“

Diese Seite gibt Ihnen einen Überblicküber unsere diakonischen Einrichtun-gen genauso wie auch www.diakonie-korntal.de.

Hoffmannhaus Wilhelmsdorf(Kreis Ravensburg)

Saalplatz 1488271 WilhelmsdorfTel. 075 03/2 03-0Fax 075 03/2 03-160jugendhilfe@hoffmannhaus-wilhelmsdorf.dewww.hoffmannhaus-wilhelmsdorf.de• Leitung: Gerhard Haag,

Dipl.-Sozialpädagoge (FH)

Hoffmannhaus Korntal

Zuffenhauser Straße 2470825 Korntal-MünchingenTel. 0711/830 82-0Fax 0711/830 [email protected]• Leitung: Klaus-Dieter Steeb,

Dipl.-Heilpädagoge (FH)

Johannes-Kullen-Schule Korntal

Zuffenhauser Straße 2470825 Korntal-MünchingenTel. 0711/830 82-51/-50Fax 0711/830 [email protected]• Leitung: Walter Link,

Sonderschulrektor

KM Sozialstation

Friederichstraße 170825 Korntal-MünchingenTel. 0711/8 36 72 42• Geschäftsführer:

Jörg Henschke• Pflegedienstleitung:

Schwester Silvia Berthele

Altenzentrum Korntal

Friederichstraße 270825 Korntal-MünchingenTel. 0711/836 30-0Fax 0711/836 [email protected]• Leitung: Esther Zimmermann,

Dipl. Pflegewirtin (FH)

Kindergärten

Kindergarten GartenstraßeGartenstr. 5, 70825 Korntal-MünchingenTel. 0711/833213• Leiterin: Gudrun Woschnitzok

Wilhelm-Götz-KindergartenCharlottenstraße 51, 70825 Korntal-Münchingen, Telefon 0711/83 7299• Leiterin: Gudrun Woschnitzokwww.kindergarten-korntal.de

Familienzentrum desFlattichhauses

Wilhelmsdorfer Straße 870825 Korntal-MünchingenTel. 0711/8 35 04 73Fax 0711/8 35 04 [email protected]• Leitung: Ursula Gampper,

Sozialdiakonin, Sozialarbeiterin

Flattichhaus Korntal

Münchinger Straße 170825 Korntal-MünchingenTel. 0711/839932-0Fax 0711/[email protected]• Leitung: Joachim Friz,

Diakon, Sozialarbeiter

Hoffmannschule Wilhelmsdorf mitSonderberufsfachschule (Kreis Ravensburg)

Saalplatz 1488271 WilhelmsdorfTel. 075 03/2 03-0Fax 075 03/2 03-160hoffmannschule@hoffmannhaus-wilhelmsdorf.dewww.hoffmannhaus-wilhelmsdorf.de• Schulleitung: Markus Bichler,

Sonderschulrektor

A U S U N S E R E M L E I T B I L D

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portrait

P

ittwochnachmittag hat Luka* nicht geweint. Eine halbe

Stunde vielleicht, vielleicht auch ein paar Minuten länger.

Mittwochnachmittag hat Luka gelauscht: Den Tönen der

Trommel, den Lauten der Flöte, dem Gesang von Oma, Tante und

Hubert. Hubert, der Musikmann, kam immer mittwochs auf die Stati-

on, um die Kinder musikalisch abzulenken von Krankheit, Therapie

und Angst. Bei Luka gelang ihm das fast immer.

Die Mittwochnachmittage auf der Onkologie. Davor und danach

kämpfte sich Luka von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde durch hölli-

sche Schmerzen und unerträglichen Juckreiz, durch Schlafmangel

und Übelkeit. Nie zuvor hatten mein Mann und ich von der seltenen

Krankheit Langerhanszell-Histiozytose (LCH) gehört. Als uns eine

Ärztin am Telefon die Diagnose übermittelte, hörte ich nur „Chemo-

therapie“ – ein Begriff, den ich ganz und gar nicht mit dem Baby in

meinen Armen in Verbindung bringen konnte. Chemotherapie bei

einem zwei Monate alten Säugling war für mich etwas Unvorstellba-

res. Chemotherapie – das ist Krebs, das ist Leiden, das geht dem Tod

voraus – das waren meine Gedanken. Niemals hätte ich zu diesem

Zeitpunkt gedacht, dass uns elf Monate Kampf gegen eine Krankheit

bevorstanden, an der nur sehr wenige Menschen leiden und die ei-

gentlich als gut behandelbar gilt.

Die LCH hatte bei Luka die Thymusdrüse und das Knochenmark be-

fallen, am schlimmsten jedoch seine Haut. Offene Stellen überall

dort, wo Haut Haut berührt, in der Halsfalte, hinter den Ohren, unter

den Ärmchen, in der Leiste, am Po, in den Kniekehlen, zwischen Fin-

gern und Zehen. Rücken und Bauch waren großflächig mit kleinen

Wunden übersät, entzündet, offen, nässend. Wickeln war eine Tortur.

Die Pflege eine Quälerei. Ein schreiendes, wimmerndes Baby den

ganzen Tag, die ganze Nacht. Dabei sah es nach den ersten Behand-

lungen mit dem Chemotherapeutikum Vinblastin und Kortison so

aus, als hätten wir die Krankheit vertrieben. Doch sie nutzte die grö-

ßer werdenden Abstände zwischen den Injektionen, um wiederzu-

kommen. Fast konnte man meinen, sie habe Anlauf genommen, um

unserem Kind noch mehr zu schaden. Nach sechs Wochen Behand-

lung war klar, dass Luka nicht auf die Therapie anspricht.

Wochenlange Krankenhausaufenthalte. Keine Besserung. Keine Per-

spektive. Lange dachte ich: Der liebe Gott zerrt an seinem Beinchen.

Zumal ich nicht wusste, dass es noch eine Therapiemöglichkeit gab.

Erst nachdem sie alles versucht hatten, eröffneten uns die Ärzte,

dass man es mit einer Stammzelltransplantation versuchen könnte.

Sie ist bei der Behandlung der LCH kein Standardverfahren, zumal es

sich um eine gutartige Krankheit – also nicht um Krebs – handelt. Erst

seit 2005 gibt es Erfahrungen in der Behandlung der LCH mit dieser

Therapie. Unsere Chancen standen 6 zu 1, ein Todesfall bei sechs

Transplantationen in dieser Klinik. Wir hatten keine andere Wahl, aber

wir hatten wieder Hoffnung.

Als Luka und ich auf die Transplantationsstation umzogen, hatten wir

bereits fast fünf Monate Krankenhaus hinter uns. Kurz vor Beginn der

Stammzelltransplantation haben wir ihn in der Krankenhauskapelle

taufen lassen. Ich wollte, dass er gestärkt in die vor ihm liegende an-

strengende Therapie geht, bei der sein Immunsystem komplett zer-

stört werden würde. Heute weiß ich, dass Gott in jeder Minute mit an

seinem Bett saß. Ich weiß, dass er einen wachsamen Schutzengel

geschickt hat. Heute bin ich mir im Klaren darüber, dass die Gebete

vieler Menschen ein starkes Argument für Gott waren, sein Beinchen

loszulassen.

Anfang Mai 2009 wurden Luka Stammzellen eines fremden Spenders

transplantiert. Heute geht es ihm gut. Das spürt, das sieht jeder, der

ihn anschaut. Er strahlt. Er lacht. Er ist ein Menschenfänger. Manch-

mal sehe ich mein Kind an und frage mich, wie er das nur alles ge-

schafft hat, ohne sein Lachen unterwegs zu verlieren. Auch dabei

muss wohl der liebe Gott seine Finger im Spiel gehabt haben. �

*Name von der Redaktion geändert

>> LCHDie Langerhanszell-Histiozytose ist eine seltene Erkrankung, bei der

körpereigene Zellen wuchern. Sie kann verschiedene Organe befal-

len und tritt in unterschiedlichen Risikostufen auf. Sind mehrere Or-

gane befallen, gehört der Patient einer höheren Risikogruppe an. In

der Regel kann die LCH mit Chemotherapie gut behandelt werden. In

seltenen Fällen ist eine Stammzelltransplantation notwendig.

Eine Mutter gerät vom größten Glück, der Geburt ihres Kindes, in den tiefsten Schmerz, weil sie sieht,

dass dieses Kind todkrank ist. Hier berichtet sie selbst.

>> Luka lacht

M

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