Beiträge zur Biologie der Schleiereule

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41'2 [J" f' o. k i9;~8 Beitr~ige zur Biologie tier Schleiereule. von Bernhard und Wolfgang Schneider. Wenn man liinger als 30 Jahre, wie der ~ltere von uns beidsn, neben jemand wohnt, so lernt man ihn ganz selbstver- st~ndlich, falls man sieh iiberhaupt um ihn kiimmsrt, niiher kennen. So ging es uns mit den auf den benaehbarten Kirehtiirmen hausenden Sehleierenlen, die wir naeh einander und mit einander in den gahren 1896--1900 in Geriehshain, ca. 20 km 5sflieh yon Leipzig, und yon 1901 an in nnserem jetzigen Hsimatorte Liebert- wolkwitz, ca. 12 km stid6stlich yon Leipzig fast allttiglieh beob- aehten konnten. 3Vir k6nnen nut feststellen, dal3 dis Sehleier- eule uns immer eine liebe Nachbarin gewesen ist, die uns keinerlei Verdrul3 bereitet hat. Bekanntlieh steht sie bei unserer Land- bev61kerung in iiblem Rule, weft sie angeblieh die Tanbensehl~tge pliindern oder wenigstens durelr ihren ni~&tliehen Besuch die Tanben beunrnhigen sell, und wird deshalb riieksiehtslos vsrniehtet. Eine riihmliehs Ausnahme yon diesem Aberglauben zeigte uns ein glterer Landwirt im benaehbarten Waehau, den wir im Sp~t- herbst 1909 dabei antrafen, wie er auf seinem yon M~usegiingen arg durehwiihlten Stoppelklee T-f6rmige ft61zer anbraehte ale Ansitz fiir die Euten und dabei bemerkte, dal~ eine Eule im Fe}de mehr Nutzen stifte als zehn Katzen. Unssren Schleierk~uzen ist es niemals eingefallen, dem nut ca. 40 Meter yon ihrem Brutplatz enffernten Taubensehlag, dessen Fhgloeh aueh naehts stets un- versehlossen blieb, einen unliebsamen Besuch abzustatten. Aueh jnnge Tauben, die beim ersten Ausflug sieh am Abend nieht heim- fanden und die Nacht auf dem Kirehturme oder den benaehbarten D~ctlern zubraehten, wurden niemals yon ihnen behelligt, obwohl sie, zumal wenn sie hell gef~,rbt waren, ohne Zweifel yon den Eulen bemerkt werden mul3ten. Aueh haben die GewSlhnter- suehnngen in keinem Falle das Vorhandensein yon Taubenfedern oder Knochen ergeben. Manehe 8tunde an hellen 8ommerabenden hat uns das Treiben der Eulen verseh6nt, wenn die Alten bei der Paarung sieh verfolgend und lebhaft rufend auf Biiumen und Dgchern ganz in der N~he sieh herumtrieben oder wenn spgter beim Ftittern der Jungen die SchnarehtSne der letzteren in gleieh- m~il3igen Zwisehenpausen die n~chtliche Stille unterhraehen, beim

Transcript of Beiträge zur Biologie der Schleiereule

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Beitr~ige zur Bio logie tier Schleiereule.

von Bernhard und Wolfgang Schneider.

Wenn man liinger als 30 Jahre, wie der ~ltere von uns beidsn, neben jemand wohnt, so lernt man ihn ganz selbstver- st~ndlich, falls man sieh iiberhaupt um ihn kiimmsrt, niiher kennen. So ging es uns mit den auf den benaehbarten Kirehtiirmen hausenden Sehleierenlen, die wir naeh einander und mit einander in den gahren 1896--1900 in Geriehshain, ca. 20 km 5sflieh yon Leipzig, und yon 1901 an in nnserem jetzigen Hsimatorte Liebert- wolkwitz, ca. 12 km stid6stlich yon Leipzig fast allttiglieh beob- aehten konnten. 3Vir k6nnen nut feststellen, dal3 dis Sehleier- eule uns immer eine liebe Nachbarin gewesen ist, die uns keinerlei Verdrul3 bereitet hat. Bekanntlieh steht sie bei unserer Land- bev61kerung in iiblem Rule, weft sie angeblieh die Tanbensehl~tge pliindern oder wenigstens durelr ihren ni~&tliehen Besuch die Tanben beunrnhigen sell, und wird deshalb riieksiehtslos vsrniehtet. Eine riihmliehs Ausnahme yon diesem Aberglauben zeigte uns ein glterer Landwirt im benaehbarten Waehau, den wir im Sp~t- herbst 1909 dabei antrafen, wie er auf seinem yon M~usegiingen arg durehwiihlten Stoppelklee T-f6rmige ft61zer anbraehte ale Ansitz fiir die Euten und dabei bemerkte, dal~ eine Eule im Fe}de mehr Nutzen stifte als zehn Katzen. Unssren Schleierk~uzen ist es niemals eingefallen, dem nut ca. 40 Meter yon ihrem Brutplatz enffernten Taubensehlag, dessen Fhgloeh aueh naehts stets un- versehlossen blieb, einen unliebsamen Besuch abzustatten. Aueh jnnge Tauben, die beim ersten Ausflug sieh am Abend nieht heim- fanden und die Nacht auf dem Kirehturme oder den benaehbarten D~ctlern zubraehten, wurden niemals yon ihnen behelligt, obwohl sie, zumal wenn sie hell gef~,rbt waren, ohne Zweifel yon den Eulen bemerkt werden mul3ten. Aueh haben die GewSlhnter- suehnngen in keinem Falle das Vorhandensein yon Taubenfedern oder Knochen ergeben. Manehe 8tunde an hellen 8ommerabenden hat uns das Treiben der Eulen verseh6nt, wenn die Alten bei der Paarung sieh verfolgend und lebhaft rufend auf Biiumen und Dgchern ganz in der N~he sieh herumtrieben oder wenn spgter beim Ftittern der Jungen die SchnarehtSne der letzteren in gleieh- m~il3igen Zwisehenpausen die n~chtliche Stille unterhraehen, beim

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i-Ierannahen der alten V6gel sich verst~rkten und dann in kfirzeren Zwischenpausen vernehmbar waren. Bekanntlich lgl]t sich tiber den Geschmack nicht streiten, und so mul~ten wir manche Be- schwerde tier Umwohner fiber die n~chtliche RuhestSrung zuriick- weisen, zumal wenn der Steinkauz noch mit seinen Rufen das n~chtliehe Konzert verstarkt hatte. Aber wir glauben sogar, ti~ftigen Grund zu tier Annahme zu haben, dab diese fiir manche Nachbarn unheimlichen TSne uns dadurch einen tats~chliehen Nutzen gebracht haben, da]~ zu einer Zeit, we Geflfigel- uad Obst- diebst~ble zur T~gesordnung oder ricbtiger ges~gt zur N~chtordnung gehSrten, unser GehSft und @arten, weft es dort manehem nicht ganz geheuer war, gemieden wurden.

Mir selbst, dem ~lteren yon uns beiden, ist es unvergel~lich, auf welehe Weise ich diese Bekanntschaft mit den SGhnarchtSnen der JungvSgel gemacht babe. An einem sehSnen Juniabend des Jahres 1896 kehrte ich mit dem letzten Zuge nachts 1'2 Uhr n~ch meinem da- mMigen Wohnorte Gerichshain aus Leipzig heim. Der abgektirzte Weg fi~hl"ce yon der Bahnhaltestelle fiber den Fi"iedhof. In die Leichenhalle war am Tage vorher ein Selbstm~Jrder eingeliefert worden, der sich auf der Bahnstreeke hatte tiberfahren lassen. P15tzlieh ert6nten die bis dah}n yon mir noch nie gehSrten SchnarchtSne. Ich mul~ gestehen, dnG es mir ira ersten Augenbliek eiskalt tiber den Riicken lief, merkte aber d~nn, da]] die TSne aus der HShe des Kirchturmes herabk~men und wuJ~te sie aueh nach den mir aus der Literatur bekannten Beschreibungen sofort riehtig zu deuten.

Als ich im Herbst 1900 naeh Liebertwolkwi~z versetzt ~-arde, land ich bier zu meinem gdJJ]ten Bedauern keine Schleiereulen vor. Die Ursache war einf~ch die, dal~ alas Einsteigeloeh im Boden der Turmhaube lest verschlossen war. Ein Oeffnen durch einen Nichtfachmann wa.r nioht ganz einfach und auch gef~hrlich, und ich war deshalb froh,- als im Frfihjahre 1901 ein strafent- lassener D~chdeeker um Arbeit bei mir ~nsprach. Ieh liel3 durch ihn die Luke 5ffnen, uad bereits in der folgenden Naeht hSrte ioh zu meiner Freude die kreischenden Rule der Eulen, ein Beweis dafiir, wie grol~ die Wohnungsnot bei gewissen Vogel~rten ist. Nebenbei sei beraerkt, dal~ die erwhhnte Luke ein gleieh- schenkliges Dreieck bildet, dessen Seiten 4'2 em messen. Da die Flfigelspannweite der Eulen ca. 70 cm betr~gt, so ziehen sie beim Anfluge in elegantem Sehwunge die Flfigel etwas an, w~hrend sie

aourn, f. 0rn. LXXVI. Juhrg. April 1928. 27

~JzJ: Schneider, Beitr~ige zm Bio]ogie der Schleie~eule. [ J' f" O. ~928

beim Abfluge sich kopftiber aus dem Flugloche stiirzen und dann im Schwebefluge das W eite gewinnen.

Dankbar bin ich noeh heute meinem viiterlichen Preunde und ornithologischen Lehrmeister, dem verstorbenen Prof. Dr. Vom¢, Leipzig, dal~ ieh seiner Anregung gefolgt bin und in meinen omithologisehen Tagebttchern mir genau die Brutzeiten sowie den M~iusebestand in den einzelnen Jatlren aufgezeichnet habe, Mmte ieh doch schon fl~tiher, dal3 beides in einer gewissen Beziehung zu einander stgnde.

Ni t Recht sagt E~ssT ZoLLrs:oFE~. in einem Aufsatze fiber brutbiologisehe Beobaehtungen an gefangen gehaltenen VSgeln (vgl. Beitrgge zur Fortpflanzungsbiologie der VSgel yon LvDwm SCSUST~SR 1927 Nr. 5), dal~ ,das zweimMige Briiten der Sehleier- eule bekanntlieh in der Freiheit noeh nieht einwandfrei festgesteltt ist". Um die Ergebnisse unserer ]3eobachtungen vorweg zu nehmen, so haben innerhalb yon 32 Jahren die yon uns beob- achteten Enten neunmM zweite Bruten gezeitigt, und wie Custos Sc~zxK, Budapest, in Kopenhagen in seinem dort beim VI. InternationMen Ornithologen-Kongrel~ gehaltenen Vortrage yore Hausstoreh naehwies, dab die Zahl der aufgezogenen Jungen in einem bestimmten Verh~ltnis zur jeweitigen Witterung steht, d.h. dal] nasse Jahre viel Lurche, also viel Junge bedingen, so kSnnen wir das in gleieher Weise bei der Sehleiereule nachweisen, nur dal] hier das umgekehrte Verh~ltnis stattfindet, also trockene Jahre viel M~use und daher mehrere und starke Bruten hervorbringen.

Zu den folgenden Tabellen sei nur bemerkt, dal~ yon 1896 bis 1918 das Vorhandensein der Jungvtigel nur an den SchnarchtSnen festgestellt werden konnte, da es dem ~lteren yon uns nicht mSglich war~ die Turmluke zu durehkrieehen, wShrend yon 1919 ab der jiingere yon uns Zeit und Stfirke der Gelege an Ort und Stelle festgeste]lt hat.

LXXVI- I 'Heft 2 d Beitr~ge zur Biologie der Schleiereule. 415

Jahr Schnarchende JungvSgel Nahrungsverh~Itnisse

1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 t913 1914

1916 1917 1918

Jun i Juni November Juli November

Mai

Mai

Juni Juni Mai Juli Jun i Juni Juni Juni Jun i Juli

September Juni

Oktober J~mi Juni

J tmi 28. November-Dezember (Das letzte Junge verlieg am

7. I. 1915 den Turin,) - - Oktober Juni Oktober

Juni

NormaIjahr Mgusejahr

Normaljahr

n

n

Mi~usejahr Normaljahr M~usejahr Normaliahr Normaljahr N[i~usejahr

M~;use erst im Iterbst zahlreich 3/i~usejahr Norma]jahr

Jahr Zeit der vollen Gelege Stgrke des Gelege Nahrungsverhgltnisse

1919

1920

1921 192'2 1923

1924

1925

1926

1927

II. V. 5. VI. 3. VII.

23. Ill. 21. IV. '29. V. 19. V. 13. VI.

3. IV. ~. VIII.

25. III. 23. VII.

4. IV. '20. VII.

Kein Gelege

3. VI.

4 4 6 4 8 5 8

3 (nur 2 davon ausgebrfitet)

i Normaljahr

Erst wenig, dann im Sommer viel

M~use NormMjahr

Wenig MiSuse I Erst wenig, dann

viel M~use

5~usejahr

M~usejahr

Durch gro~e N~sse fast alle M~use amgekommen

Iniblge N~sse sehr wenig MKuse

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~16 Schneider, Beitr~ge zur Biologie der Schleiereule. [ J" f" O. I928

A u s v o r s t e h e n d e n A u f z e i e h n a n g e n g e h t d e u t l i c h h e r v o r , dab Zei t~ Z a h l u n d S t ~ r k e d e r G e l e g e y o n d e r v o r h a n d e n e n N a h r u n g s m e n g e d u r c h a u s a b h ~ u g i g s in& Da die beiden ersten Gelege derJahre 1919 und 1920 zuwissenschaft- lichen Zwecken weggenommen wurden, scheiden diese beiden Jahre ftir die B erechnung der zweiten Braten natiirlich aus. Es war uns abet eine ganz besondere Freude, dal3 dieses Opfer nieht umsonst gebraeht worden ist, und dal3 das Bild einer Liebertwollcwitzer Sehleiereule im Probeheit des ,Heinroth" den Weg in wohl s~mfliche Ornitho- logenh~tuser welt und breit gefnnden hat. Aber gerade diese Naehgelege 1919/20 ebenso wie die zweiten Gelege 1923, 24, 25 zeigen die merkwiirdige Tatsaehe, dal3 bei der Sehleiereule anders als bei RTaehgelegen and zweiten Bruten anderer V6gel die St~rke des Geleges zunimmt. Im Friihjahre sind eben die Ni~usebest~tnde dutch den Winter geschw~cht and erholen sich bei gtinstiger Witterung erst im Sp~tfrtihling and Sommer; sie sind and bleiben der (kradmesser for die Brutverh~ltnisse der Schleiereale. Dal~ der Ausfa]l tier Brat i . J . 1926 nur im Fehlen tier Hauptnahrung seinen Grund hatte, beweist die yon uns festgestellte Tatsaehe, dal3 auch in Holzhausen (3 km yon hier) und in Geriehshain die sonst dort briitenden Schleiereulen im Regenjahre 1926 keine Anstalten zur Brat maehten. Der Einwand, dal3 es sieh bei unseren Beobachtungen um mehrere Brutpaare handeln kSnnte, die nach- einander den Turin als Nistst~tte benutzten, wird dadurch hin- fi~llig, dal~ es dem jiingeren yon uns gltiekte, das ~ am 3. I lL 1921 dutch Vorhalten eines Netzes vor die Turmlnke zu fangen und zu beringen. Derselbe Vogel fiel noehmals am 31. VIII . 1925, als er die Jnngen seiner zweiten Brat w~irmte, in nnsere Hi,ride, ebenso am 16. HI . 1926 und zuletzt am 8. VI. 1927, also nach 6 Jahren und 3 Monaten, ein Beweis fiir die Anhgnglichkeit an den einmal gew~hlten Nistplatz. Uebrigens ist es nieht leieht, die Eulen zu i~berlisten, da sie schon bei dem geringsten Geri~useh in den oberen R'~umen des Turmes ihren Sehlafraum sofort ver- lassen. Es wollte uns deshalb nicht gelingen, aueh in den Besitz des O ~ zu kommen~ alas uns allerdings durch seine auffallend hellere F~rbung sehon seit l~ingeren Jahren bekannt war; aber seit dem 5. IV. 1927 tr~gt auch dieses seinen Rossittener Ring. Soeben beim Abschlul] dieser Mitteilungen am 1. II. 1928 gelang es, wohl infolge des herrsehenden Sturmes, beide Eulen im Netz za fangen; es waren unsere alten FreuncIe: O ~ C Nr. 33678.

LXX~rI] Heft 2 ] Schneider, Beitr~ge zur Bio|ogie der Schleiereule. 4 ] 7

C Nr. 94468. Im ganzen sind einschlietllich der beiden Alt- v5gel 53 JungvSgel yon uns beringt worden, yon denen 15 Stiick~ also 98%, zumeist yon Schiel]ern erlegt, zuriickgemeldet wurden, ein Beweis dafiir, dai~ gTSl]ere Viigel am lneisten gef~hrdet sin& Die V e r b r e i t u n g u n s e r e r E u l e n f a m i l i e h a t s i eh i n n e r - h a l b e i n e s K r e i s e s v o l l z o g e n , desser t l~ad ius 75 km E n t f e r n u n g yon d e r N i s t s t i t t e b e t r g g t .

Im Anschlul~ hieran mtigen noch einige biologische Beob- achtungen folgen. ~Vi~hrend ira Winter der Brutraum zuraeist yon beiden AltvSgeln als Tagessehlafplatz benutzt wird, die bei St@ungen stets in einer ca. 600 m entfernten Scheune Zuflucht suchen, weilt wiihrend des Brtitens und zum W~rmen der kleineren Jungen nur eine Eule dort, die, wenn gestSrt, in benachbarten Biumen Schutz sucht und naeh Voriibergang der Stiirung sofort in den Turin zuritckkehrt. Ob such das O ~ sich beim Bditen betefligt, konnten wir bisher nicht feststellen. Sobald die Jnngen den Witrmesehutz der Alten nicht mehr brauchen, weilen letztere am Tage nicht mehr im Brutranm, vielleicht um dem G-ieren der Jungen nach Futter aus dem Wege zu gehen, da sich innerhalb der Turmhanbe keine Gelegenheit zum Hochsitzen fiir die Alb vSgel befindet. Hingetragene Vorrgte yon Nahrung fiir die Jungen haben wit niemgls gefunden, im Gegensatz zu verschiedenen Autoren, die dieses behaupten; dagegen fanden wir manchmal einige M~use neben der Brutstelle, die vielleicht der nichtbriitende Vogel seinem Genossen gebr~cht hatte. Nur in einem Falle haben wir beobachtet, da~ der alte Vogel seine Brut zu ver- teidigen suchte; sonst zeigt er beim Eindringen in den Brutr~um Bin seheues Benehmen, durch~us keine Angriffslust. Betreffs der Stimme hgben wir dieselben Beobachtungen gem~cht wie Dr. H~I~- ~oT~; in den ersten Wochen hSrten wir nur ein leises Zirpen, dem dann bis znm Ansfliegen das schon genitgend erwihnte Schnarchen folgte, bei Angst oder Unwillen ein starkes Fauchen. Beim Beringen krochen sie meistens mit dem Kopf voran in die Ecken des Brutraumes oder nahmen aueh die bekannte Ver~ teidigungsstellung der TagraubvSgel an, legten sich anf den Riicken und schlugen mit den F~tngen. In Acht nehmen lnul3 man sich ~or den nadelscharfen Krallen, und ~venn sie zngegriffen haben~ darf man den Vogel nicht yon dem geschlagenen KSrperteil weg- ziehen~ sondern mul~ ihn, um ihn zu 15sen, dagegendriicken. Die Jungen bleiben ungefahr 3 Monate nach dem Auskrieehen im

4[8 Schneider, BeitrRge zur Biologie der Schleiereule. [ •" f' O. 1928

Turin, machen Mlerdings schon nach ungef~hr 9 Wochen ihre ersten Ausfliige ~uf D~cher und Biiume in der NachbarschMt, wo die Reste ihrer verdauten Mablzeiten ihre niiehfliehen Sitz- pl~tze verraten; dann aber zerstreuen sie sich in die weitere Umgebung, denn die AltvSgel werden nunmehr wghrend des Tages allein wieder im Tunne angetroffen. Oegen das Tageslicht scheinen die alten VSge] ziemlieh unempfindlieh zu sein, anders als die Jungen, die beim Iterausnehmen aus dem dunklen Innem des Brutraumes st~indig die Augen zukneifen. Erstere wissen bei StSrungen am Tage genau die Ri&tung naeh den ihnen wohlbekannten, sonstigen Sehlupfwinkeln einzuhalten, ja am 27. VI. 1917 vorm. 11 Uhr beobaehteten wir bei hellstem Sonnenseheine eine Sehleiereule, die 20 Minuten lang in TurmhShe grSl~ere und kleinere Kreise zog, sieh f6rmlieh im Luftmeere badete, und dann, ohne sich um die heftig auf sie hassenden Sehwalben und Baehstelzen zu ktimmern, westwiirts abflog.

Bekanntlieh ist der Nutzen des Voge.ls fiir deft Haushalt des Mensehen dureh die GewSlluntersuehungen l~ngst erwiesen worden. Wir k6nnen won behaupten, dal3 wir iln letzten Jahrzehnt kaum ein Gew611e, alas wir im Turin, in seiner N~he oder unter den n~ehtli&en Sitzpliitzen tier alten und jungen VSget fanden, un- untersneht gelassen haben und wenn wir aueh mit JXcI~xns Zahlen nieht aufwarten k6nnen, der laut seiner ,,Uebersicht der VSgel Bayerns" 9472 GewSlle der Schleiereule untersueht hat, so ist uns doeh sieherlieh der zehnte Teit davon im Laufe der Jahre dnreh die H~;nde gegangen. Nur wenige F~ille yore Vorhandensein yon Vogelresten sind uns aus frtiherer Zeit in Erinnemng. Im Jahre 1926 ~tnderte sieh das Bild, u n d e s fiel uns sofort auf, dag verh~ltnismiigig viel mehr Vogelseh~idel in den GewSllen sieh zeigten. Eine genanere Untersuehnng ergab folgendes Ergebnis: Anfang Januar 1927 sammelten wit 150 GewSlle, die, wie ihre Zahl beweist, aus dem Sp~tsommer und Herbst 1926 stammten. Sie enthietten die Sch~del yon 93 VSgeln, 112 M~.usen, 8 Spitz- miiusen, 3 Wiihlratten, 12 FrSsehen. 92 der Vogelseh~idel hatten Sperlingen angehSrt, einer war der Sch~idel eines ttausrotsehwanzes. Letzterer war im September 1926 yon uns beringt worden, hatte sieh dann his Ende November wegen einer Fli~gelverletzung hier aufgehalten und war dann tier Eule vernmtlieh zum Opfer gefallen. Dal~ wit den Ring in den antersuehten GewSllen nieht fanden, ist nieht weiter verwunderlieh, da wit niemals die UeberbleibseI

LXXVI ] Schneider, Beitr~ge zur Biologic der Schteiereule. 419 Heft 2

yon Vogelfiif~en darin fanden. Die Eulen scheinen die Fiil]e ihrer Opfer vor dem KrSpfen ~bzukneifen, sowie sic such das Grot3- gefieder vorher dutch Rupfen beseitigen. Die weitere Sammhmg anfangs April 1927 ergab 85 Gew611e, darin 69 V6gel (si~mtlich Sperlinge), :32 "Pclguse, 9 Spitzm~use nnd 1.7 FrSsehe; anfangs Juli 1927:70 Gew611e, darin 70 VSgel (67 Sperlinge, 1 Grtinfink, I Turmsegler, 1 Sylvie), 13 M~use, 6 Spitzm~use, 17 Flederm~.use, 1 Frosch; anfangs Oktober 1927:90 GewSlle; darin 44 VSgel (42 Sperlinge, i Schw~lbe, 1 Feldlerche), 76 M~tuse~ 18 Spitzm~tuse, 21 Flederraiinse.

Wir sind fest davon tiberzeugt, dal~ nut der M~tusemangel in den Jghren 1926 und 1927 die Eulen zn dieser Extratour in der Nahrnngswahl verleitet hat; und dal~ ihre Opfer unter den VSgeln zu gllermeist Sperlinge w~ren, ist ihnen schliel~lich sogar als Nutzen zu verbuchen. Verschiedentlich war es uns anfgefallen, dafi unsere Schleiereulen in den beiden letzten J~hren die mit Epheu oder wildem Wein bew~chsenen H~userw~tnde abends absnchten ; sicherlich znm Zwecke der Erbeutung der dort mit Vorliebe niichtigenden Sp~tzen.

Zum Schlusse mSchten wit noch eine recht un~ngenehme Erfahrung mitteilen. Als wit die im Janu~r 1927 ges~mmelten GewSlle zur Untersuchang ins warme Zimrner gebr~cht h~t~en, dguerte es garnicht hnge, und in tier Stube schwirrte es nach wenigen Tagen yon einer schwarz-weil3 gezeichneten Mottenart. Es war Trichophaga tapetzelta, wie der Leipziger entomologisehe Sachverst~ndige H. G~oscnuPr feststellte, eine Haarmotte, deren Larve in den GewSllen lebt und sic zersehrotet. So vollzieht sich auch hier der Kreislanf der Natur: Die Eule fril3t die 5Ii~use, aus deren Ueberbleibseln entstehen GewSlle, in diesen leben die H~armotten, zerschroten sic nnd bilden dadurch den Mulm, d e r den Eiern der Eule ~ls Unterlage dient.