Bela Bartok, "Konzert für Orchester" und die Volksmusik

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BÉLA BARTÓK KONZERT FÜR ORCHESTER & VOLKSMUSIKFORSCHUNG MUSIKREFERAT 12. KLASSE JESKO HABERT

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Musikreferat zu Béla Bartók und der Volksmusik. Wissenschaftliche Verwendung nur unter korrekter Zitierung. Link zum Dokument oder meiner Seite http://derjesko.de erwünscht.

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BÉLA BARTÓK

KONZERT FÜR ORCHESTER

&VOLKSMUSIKFORSCHUNG

MUSIKREFERAT

12. KLASSE

JESKO HABERT

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INHALT

BÉLA BARTÓK – BIOGRAPHIE 3KINDHEIT & JUGEND 3FRÜHES SCHAFFEN & MITTLERE LEBENSPHASE 5EMIGRATION NACH AMERIKA 7

DIE VOLKSMUSIKFORSCHUNG 9

„KONZERT FÜR ORCHESTER“ 12HINTERGRUND 12ÜBERSICHT 13ANALYSE 14

I. SATZ: INTRODUZIONE 14II. SATZ: GIUOCO DELLE COPPIE 15III. SATZ: ELEGIA 15IV. SATZ: INTERMEZZO INTERROTTO 16V. SATZ: FINALE 17

FAZIT 17

QUELLENANGABE: 18

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BÉLA BARTÓK-KINDHEIT & JUGEND-

éla Victor János Bartók wurde am 25. März 1881 im ungarischenNagyszentmiklós geboren, welches heute zu Rumänien gehört. Erwuchs in einer sehr musikalischen Familie auf, sein Vater, Béla Bartók

senior leitete das kleine Orchester des Dorfes. Bartók zeigte schon früh Zeichenvon musikalischem Talent und wurde von seinen Eltern darin auch besondersunterstützt. Seine Mutter spielte ihm Kunstlieder auf dem Klavier vor, die sichder junge Bartók mit einem hervorragenden Gedächtnis einprägte – einmalschüttelte er so lange den Kopf, bis sein Vater zu dem Stück kam, welches er amTag zuvor gespielt hatte. Das war noch bevor er sprechen konnte. Er begleiteteKlavierstücke der Mutter im richtigen Takt mit einer kleinen Trommel undlauschte fasziniert den Aufführungen des Orchesters seines Vaters, während dieanderen Gäste gewissermaßen nichtbeachtend ihr Essen einnahmen. Nach einerdieser Vorführungen begann er am 25. März 1886 mit seinen erstenKlavierstunden.

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Am 11. Juni 1885 bekam Bartók eine Schwester, getauft auf den NamenErzsébet Clementina Paula Bartók. Ihre Mutter nannte sie später jedoch oftElisabeth, also den in Deutschland entsprechenden Namen, wogegen sich Bartókheftig wehrte, als der Faschismus sich von Deutschland aus ausbreitete.

Doch der Zeitabschnitt des häufigen gemeinsamen Musizierens endete, alsBéla Bartók senior am 4. August 1888 starb. Bartóks Mutter musste nun, umGeld zu verdienen, Lehrunterricht geben, wodurch sie weniger Zeit für ihreKinder erübrigen konnte.

Bartók ging von seinem siebten Lebensjahr an zur Elementarschule desDorfes, wo er sich schnell als Klassenbester herausstellte.

Mit neun Jahren, während er zur Bürgerschule ging, begann er mit seinenersten Kompositionen – Walzer, Polkas und andere modische Tänze für dasKlavier.

Im Alter von zehn Jahren wurde er von seiner Mutter in Budapest demMusiklehrer Károly Aggházy vorgestellt, welcher sofort sein Talent erkannte.Frau Bartók entschied jedoch, dass Bartók erst die Schulbildung am Gymnasiumvollenden sollte, bevor er speziellen Musikunterricht bekommen sollte.

Am 1. Mai 1892 trat Béla Bartók das erste Mal bei einemWohltätigkeitskonzert öffentlich auf und spielte auf dem Klavier einen Satz ausBeethovens Waldstein-Sonate sowie eine eigene Komposition: „Der Fluss derDonau“. Er titulierte die einzelnen Teile des Stückes wie in der Programmmusik,um dem Publikum klarzumachen, woran er gedacht hatte. Das Publikum warbegeistert, unter anderem der Schulinspektor der Stadt. Dank ihm bekam FrauBartók zwölf Monate Urlaub und reiste mit ihrem Sohn nach Pressburg, wo sie

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ihm endlich richtigen Musikunterricht verschaffen konnte, bei dem MusiklehrerLászó Erkel.

Nicht allzu lang nach diesem Urlaub wurde die Witwe Bartók auch nachPressburg versetzt. Pressburg war ein Zentrum von Kultur und Kunst und derZeitabschnitt in dieser Stadt hat Bartók sehr geprägt.

In Pressburg wurde Bartók nicht zuletzt Dank seines Musiklehrers Erkel auchaußerhalb seiner Schule bekannt und bekam Freikarten für Konzerte undOpernaufführungen.

Im Jahre 1896 starb Lászó Erkel, woraufhin Bartók seinen Musikunterricht beieinem anderen Lehrer fortsetzte, welcher ihm allerdings nicht annähernd sovielbeibringen konnte wie der verstorbene Lehrer. Er beendete den Unterricht,kehrte jedoch der Musik nicht den Rücken zu und verfolgte sein Ziel, Pianist zuwerden, weiterhin mit großem Eifer.

Seine Bildung in musikalischer Richtung setzte er fort, nachdem er das Abiturmit „gut“ bestanden hatte (nur aufgrund seiner Krankheit, die es ihm nichterlaubte, mehr als zwei Stunden täglich am Unterricht teilzunehmen), und zwaran der Musikakademie in Budapest im Jahr 1899 (bis 1903). Hier in Budapeststand das Musikleben sogar in noch höherer Blüte als in Pressburg. Währenddieses Studiums entschied er sich, eine Karriere zum Komponisteneinzuschlagen anstatt der eines Pianisten.

Um die Jahrhundertwende hätte Bartók seinen einjährigen Militärdienst leistenmüssen, doch er ersuchte um Pflichtbefreiung und bekam diese auch Dankseiner besonderen Begabung gestattet.

Seine Freizeit nutzte Bartók, die schöne Umgebung von Budapest zu genießen.Er war der Natur schon von klein auf sehr verbunden und machte häufig langeSpaziergänge. Diese Naturliebe ging so weit, dass er sich 1907 zum Pantheismusbekannte.

Neben der Natur bezog er seine Inspiration außerdem aus dem Interesse in dieNaturwissenschaften, der Erlernung verschiedener Sprachen (er lernte, teilweisezum richtigen Verständnis der Volksmusik verschiedener Länder, Deutsch,Englisch, Französisch, Rumänisch, Slowakisch, Russisch, Ukrainisch,Italienisch, Spanisch, Türkisch und Arabisch; er konnte viele zwar nicht flüssigsprechen, doch er konnte sie lesen und schreiben und besaß dieGrundkenntnisse) und aus seiner Sammelleidenschaft. Seit seiner Kindheitsammelte er Insekten und Pflanzen, was der Grundstein für seine ausgeprägtenVolksmusiksammlungen war.

Die Abschlussprüfungen der Musikakademie brauchte Bartók erst gar nichtablegen, da sich alle Professoren einig waren, dass sein Pianisten- undKompositionstalent außer Frage stand.

Bartók entwickelte in dieser Zeit ein starkes patriotisches Gefühl und denWillen, etwas „speziell Ungarisches“ zu komponieren. Diesem Ziel, dem „Wohlder ungarischen Nation und des ungarischen Vaterlandes“ (Zitat Béla Bartók ineinem Brief an seine Mutter) blieb er sein ganzes Leben lang treu.

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Die Zeit nach der Musikakademie verbrachte Bartók in Berlin, wo er vieleBekanntschaften machte und durch seine verschiedenen Kompositionen bekanntwurde.

-FRÜHES SCHAFFEN & MITTLERE LEBENSPHASE-

m 13. Januar 1904 wurde Bartoks „Kossuth-sinfonie“ in der BudapesterRedoute uraufgeführt. Das Werk erregte außer-ordentliches Aufsehenim positiven Sinne und er bekam größtenteils günstige Rezensionen für

das seiner Aussage nach von Straußens „Zarathustra“ inspirierte Stück. Doch beieiner der Proben fand ein Skandal statt, der sicherlich auch um Erfolg diesesWerkes beitrug. Die Sinfonie handelt vom ungarischen Freiheitskampf gegen dieÖsterreicher. In einem Teil wird mit musikalischen Mitteln die Schlachtzwischen den beiden Seiten geschildert und mit einer ungarischen Melodie undder österreichischen Nationalhymne („Gotterhalte“) ausgedrückt. Das„Gotterhalte“ ist als Ausdruck der Tyrannei verzerrt dargestellt, fast schonparodisch. Mehrere in Ungarn lebende Österreicher weigerten sich, die soverzerrte Kaiserhymne aufzuführen, doch nachdem der Dirigent den Taktstockniederlegte und den Raum verließ, konnten sie ungestimmt werden. Etwas späterwurde die „Kossuth-sinfonie“ in Manchester aufgeführt, wo Bartók auch selberanwesend war.

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Im Jahre 1904 verbrachte Bartók seinen Sommer in Vésztö als Gast seinerSchwester. Hier begegnete er das erste Mal der echten ungarischem Volksmusik,einem Bauernlied, was sozusagen der Grundstein für seine Leidenschaft derVolksmusik war. Ein Jahr später begann er mit seinen ersten Sammlungen.(siehe Volksmusik-forschung)

Seit dem war seine Aufmerksamkeit neben dem Komponieren auch derForschung und Sammlung von Volksliedern gewidmet. Bartók war auf derSuche nach dem „Urmenschen“ – dem wahren, ehrlichen und guten Menschen,der noch nicht von der sogenannten Kultur der Großstädte verschlechtert wordenwar. Er fand ihn in den Bauern auf dem Lande, welche er nun als „wahrenMenschentyp“ bezeichnete. Bartók idealisierte ihn vollkommen und wolltekeine negativen Punkte an ihm sehen. Daraus folgte natürlich die Liebe fürderen unverfälschte Musik. Er verwendete von da an häufig die Ideen und denGeist aus verschiedenen Volksliedern in seinen Stücken, jedoch nicht, wiemanche Kritiker behaupteten, weil ihm eigene Ideen für Themen fehlten. Es warja nicht so, dass er die Themen der Volkslieder nahm und sein Stück darumherum schrieb – er nahm die Melodien auf und schrieb seine Musik auf seineeigene Art verflochten mit dem Stil dieses Liedes, was, wie er selbst behauptete,sogar schwerer sei, als ganz neu zu komponieren, da man sich auf den Stil einesAnderen einlassen muss.

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Bartók bekannte, dass Beethoven, Bach, Schubert und Wagner zwar diegesamte slawische (damals) moderne Musik auf ein Nichts reduzierte (bis aufLiszt, der „selten ungarisch komponierte“ (Zitat von Béla Bartók in einemBrief), die Volksmusik Ungarns aber, verglichen mit der Volksmusik andererLänder, unübertroffen sei.

Trotz dem Erfolg seiner Kompositionen und seiner häufigen Sammlungsreisenwar Bartók finanziell eher unbemittelt. So war es ein glücklicher Zufall für ihn,als ein Musikprofessor 1907 um die Pensionierung bat, denn dasKultusministerium ernannte Béla Bartók, in Anerkenntnis an seinenkünstlerischen Erfolg und sein ehemaliges Studium an eben diesem Institut alsdessen Nachfolger. So hatte er nun ausreichende finanzielle Mittel, um jedenSommer auf Urlaubsreisen, teils zur Entspannung, teils zum Komponieren undVolksliedsammeln zu fahren. Bei seinen Kompositionen fertigte er erst nur fürihn selbst übersichtliche Skizzen an, wozu er äußerste Konzentration benötigte.Danach folgte nur noch die von ihm so genannte „handwerkliche Arbeit“, in derer die Skizzen zu einem Stück vervollkommnte.

Ein Jahr nach Bartóks Einstellung wurde zu seiner Unterstützung ZoltánKodály, Bartóks (seit dem) langjähriger Freund und Sammelgefährte, an demMusikinstitut eingestellt. Bartók blieb hier für 30 Jahre, bevor er zur Akademieder Wissenschaften versetzt wurde. (1934-40)

1908 heiratete Béla Bartók seine ehemalige Klavierschülerin Martha Ziegler.Sie gab ihm schon seit einiger Zeit die kompositorische und moralische Hilfe,die seine Mutter ihm in letzter Zeit nicht mehr hatte geben können. Zu dieserZeit hatte er ihr bereits zwei Werke gewidmet. Ein Jahr später bekam dasEhepaar Bartók einen Sohn, welcher auf den Namen Béla getauft wurde.

Im Jahre 1910 wurden an zwei Abenden hintereinander jeweils nur Stücke vonKodály und Bartók gespielt. Diese Konzerte machten beide besonders bei derjüngeren Generation populär, die (konservativen) Kritiker und Zeitungen jedochhofften, dass Bartók „solcher äußerster Ausschreitungen bald überdrüssig“würde, und dass er „bald stark genug sein“ würde, „um sich von diesen schonins Krankhafte ausartende Bizarrerien zu befreien, aus Künstelei undphantastischer Verzerrung den Weg zu einer reineren und erhebenderen Kunst zufinden“. (Zitat aus der „Pester Lloyd“, einer Bartók bis dahin wohlgesinntenZeitung.)

Von da an kam es häufiger vor, dass er in verschiedene Großstädte Europasreiste, in denen seine Stücke meist erfolgreich aufgeführt wurden. Nicht seltenbekam er auch ein hohes Honorar, weshalb er während dieser Zeit wahrhaftkeine Geldsorgen hatte.

Im Sommer 1921 bekam Bartók eine neue, talentierte Schülerin, die sich starkfür Bartók interessierte. Auch Bartók schien ihr gegenüber nicht abgeneigt.Bartóks Frau Martha brachte ihn dazu, die Scheidung einzureichen und mit derSchülerin Ditta Pásztory eine zweite Ehe einzugehen. Martha selbst bliebweiterhin in freundlichem Kontakt zu Bartók und besuchte ihn und ihren

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gemeinsamen Sohn Béla auch häufiger. Drei Jahre später wurde ihnen PéterBartók geboren.

- EMIGRATION NACH AMERIKA -

onsequent setzte Béla Bartók sich in den vierziger Jahren gegen den inDeutschland und Italien auftretenden Faschismus ein. Er veröffentlichteAntifaschistische Proklamationen und verbot jegliche Aufführung

seiner Werke in faschistischen Ländern. Das führte soweit, dass er nach dem Todseiner Mutter (welche der letzte Grund war, warum er noch nicht ausgewandertwar) am 8. Oktober nach einer kurzen Orientierungs-reise in die USAemigrierte. In seinem ungarischen Testament legte er fest, dass keine Straße undkein Platz je nach ihm benannt werden dürfe, solange es noch Plätze mit denNamen Hitlers und Mussolinis gebe (Vor kurzem war dies mit dem Oktogon-Platz und dem Rotundenplatz passiert). Er lebte von da an in New York City.Eine Konzertreise in den Jahren 1940 und 41 führte ihn in die Städte St. Louis,San Francisco, Seattle, Kansas City und Detroit.

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In Bartóks Werken seit dem „Violinkonzert“ 1938 spiegelt sich einoptimistischer Stil wieder, der in einem krassen Gegensatz zu Bartókspersönlichem (gesundheitlichem und finanziellen) Unglück sowie seinenDepressionen steht. Fast sämtliche von ihnen handeln von der Heimreise in seingeliebtes ungarisches Vaterland und zeigen eine Art Lebensrückblick. So tauchtin seinen Spätwerken eine Beziehung zu Stil und Harmonik des 19. Jahrhundertsauf, die vorher bei ihm nicht zu finden war. Wie in der Realität, wo er sich an diefriedliche Vergangenheit in Ungarn zurücksehnt, besteht Bartóks Musik nunmehr aus „Vergangenheit“ als aus „Zukunft“.

Finanziell ging es Bartók den größten Teil seiner letzten Jahre nicht sehr gut,da seine Stücke durch die „quasi Boykotierung“ (Zitat Bartók) der Orchester inAmerika kaum aufgeführt wurden. Seinen Lebensstandard konnte er durch eineStelle an der Columbia-Universität sichern. (3000 Dollar jährlich.)

Gesundheitlich ging es ihm ebenfalls immer schlechter (Béla war schon vonKind auf ein von Krankheiten geplagten Menschen). Er bekam Leukämie, wasihm seine Ärzte allerdings lange Zeit verschwiegen. Seine zeitweiligenKrankenhausaufenthalte wurden von der Komponisten, Veröffentlicher- undAutorenvereinigung ASCAP bezahlt, ebenso den mehrere Monate währendenKuraufenthalt in Saranac Lake (welcher ihm große Besserung brachte).

In Saranac Lake begann Béla Bartók 1943 mit der Komposition des Werkes„Concerto für Orchester“ für die Koussewitzky-Stiftung (siehe Konzert fürOrchester – Hintergrund). Nach dem Erfolg des Orchesterwerkes gewannBartók seine Lust am Komponieren wieder, die er einige Zeit vorher verlorenhatte.

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Nach mehreren weiteren erfolgreichen Kompositionen vollendete er die Letzte,das „III. Klavierkonzert“, wenige Tage vor seinem Tod am 26. September 1945,welcher ihn von seinen starken Leiden der Leukämie erlöste.

VOLKSMUSIKFORSCHUNG

olksmusikforschung wurde größtenteils von den Kom-ponisten derLänder betrieben, die zwar einen reichen Schatz an Volksliedern oderauch Bauernliedern haben, deren klassische und moderne Musik aber

größtenteils nach den Schemen (meist) westlicher Länder verläuft. Béla Bartókgehört zusammen mit seinem Freund Zoltán Kodály zu den größten undengagiertesten Sammlern von Volksliedern. Nachdem sein Interesse einmalgeweckt war, (siehe Béla Bartók, Frühes Schaffen & Mittlere Lebensphase)suchte er mit großem Eifer in den ländlichen Gegenden Ungarns nach demLiedgut der Bauernkultur (wozu er sowohl Arbeiter aus dem Agrargebiet alsauch aus der Minenarbeit zählte). Doch er beließ es nicht bei den ungarischenLiedern, da er der Meinung war, man könne die ungarische Volksmusik nurbewerten, wenn man auch Volksmusik anderer Länder kenne. Also sammelte erebenfalls viele rumänische, slowakische, ukrainische, bulgarische (1906-08),nordafrikanische (arabische), ägyptische und anatolische Volksmusik (bis 1942)sowie die Musik der Afroamerikaner in New York. Erst in New York, gegenAbschluss seines Lebens, kam er dazu, den Großteil der Sammlungen zu ordnenund in Büchern herauszugeben. Bei vielen kam er aber nicht einmal dazu.

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Bartók entdeckte in den gesammelten Volksliedern viele Melodie-bildungen,die er ebenso wie manche Themen der Volkslieder in seinen Werken verwendeteund verarbeitete. Zu den Melodie-bildungen gehören die Pentatonik, dasfünfstufige Tonsystem, freie Rhytmen und reiche Ornamentierungen. In seinenWerken bezog er diverse Melodien und Themen verschiedener Volkslieder mitein und verband sie (u.a.) durch die Melodiebildungen mit seinerEigenkomposition und erweiterte sie dadurch auf ein Niveau, das auch in der„höheren“ Gesellschaft gehört wurde. Er selbst schätzte die Bauermusik alsnicht minderwertiger als die Werke Mozarts oder Beethovens ein, da hier dermusikalische Gedanke quasi direkt komprimiert eingesetzt wurde. Den Bauernselbst, also die Person von der diese von ihm so geliebte Musik kam, schätzte erals „wahren“ und ehrlichen Menschen ein (siehe Béla Bartók, Frühes Schaffen& Mittlere Lebensphase). Auch fand er, dass es nicht möglich sei, dieVolksmusik als einzelnes zu sehen – sie also zu erlernen und auf herkömmlicheWeise zu verarbeiten. Man müsse, so seine Meinung, die er auch praktischumsetzte, sich in die Umgebung und die damit verbundenen Menscheneinfühlen und erfahren, was die Musik in ihrem Ursprungsgebiet bewirkt – unddann einen neuen Musikstil schaffen.

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Die Volksmusik an sich verändert sich ständig. Noch mehr als beispielsweise„herkömmliche“, also klassische oder moderne Musik, welche ja bereits beijeder Interpretation, ja bei jeder einzelnen Vorführung, anders klingt. (Bartókgibt das Beispiel eines Dirigenten, der am einen Tag gut gelaunt ist und amanderen nicht ausgeschlafen hat – das gleiche Stück klingt an den beiden Tagenunterschiedlich.) Da die Bauernmusik aber nie schriftlich festgehalten und somitfixiert wurde (auch nicht durch beispielsweise Bartóks Sammlungen – da dasBauernvolk die Lieder ja nicht nach diesen Noten singt) ist das einzelneVolkslied jedes Mal anders – ob nur in der Tonlage, einer anderen Begleitungoder gar einer anderen Melodie. Das Kunstlied, welches oftmals mit demVolkslied verwechselt wird (was Bartók sehr ärgerte – obwohl oder gerade weiler diesen Fehler auch früher gemacht hatte) ist nur im geringen Maßeveränderlich, nämlich genau so, wie auch die klassische Musik. Das Kunstliedwurde von einem Komponisten (wenn auch meist einem weniger guten)erfunden und aufgeschrieben, und wurde dann durch die leicht zu merkendeMelodie und den einfach zu singenden Text zu einem populären Lied, welchesschnell gerade von den Arbeiter und Bauernklassen aufgegriffen wird. Dadurch,dass es aber eben von einem Komponisten erfunden wurde, hat es nicht denWert des in langer Zeit entstandenen Bauernliedes, welches sich noch heute einegewisse Urtümlichkeit bewahrt hat.

Obwohl Bartók den größten Teil seines Lebens mit der Sammlung vonVolksliedern verbrachte und noch viele andere Komponisten diesem „Hobby“nachgingen, ist noch lange keine vollständige Sammlung aller Volksliederentstanden – nicht einmal von denen aus nur einem Land. Das liegt einerseits ander schier unglaublichen Menge von Volksliedern, andererseits an der ständigenVeränderung derselben sowie an der Tatsache, dass es viel Mühe ist, alleVolkslieder aufzutreiben. Manche wurden seit Jahrzehnten nicht mehr gehört,und die einzigen, die sie noch kennen, waren schon zu Bartóks Zeit alte Frauen,die sich meist nicht trauten, ihm die alten Lieder vorzusingen.

Erstaunlicherweise war die Bevölkerung der anderen slawischen Völkerhilfreicher bei der Sammlung als die von Ungarn. Oft gesellten sich ihm in denOrten Leute freiwillig hinzu, die nach Anwohnern suchten, die bestimmte Liederkannten, so dass Bartók hinter seinem Monographen alles aufzeichnenkonnte.

Wirklich definiert werden kann die Volksmusik aber nicht, da sie von Land zuLand variiert. Während sie in vielen Ländern (Deutschland, Indien u.v.m.) starkvon der klassischen Musik abgetrennt ist, so ist sie im mittleren Osten nahezudas Gleiche. An sich kann man Volksmusik weniger in der Art der Musik alseher in der „Art und Weise, wie sie unterrichtet und erlernt wird, mit ihrerrelativen Einfachheit und durch ihren Bezug zu einer ethnischen oder nationalenGruppe“ definieren. (Zitat Microsoft Encarta Professional Enzyklopädie 2002,„Volksmusik“)

Die europäischen Volksmusiken gleichen sich trotz ihrer nationalenUnterschiedlichkeit trotzdem in manchen Eigenschaften, die außereuropäische

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Volksmusik nicht besitzt, z.B. in der Strophenform: das ist die Volksliedstrophe,nach einem Reimschema von ABAB oder auch ABBA.

Volkslieder bleiben meist in ihrem Ursprungsland, wo sie sich dann auch aufgleiche Art und Weise verändern und erweitern. (Ausnahme: Verwendung vonVolksliedmotiven in klassischer Musik wie bei Bartók oder Verbreitung vonVolkliedern in anderen Ländern durch moderne Medien.) Ab und zu jedochwerden sie in Nachbarländer getragen, wo sie sich dann auf die dort herrschendeWeise verändern und sich der Kultur anpassen. (Solostücke werden im Chorgesungen u.ä.)

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„KONZERT FÜR ORCHESTER“-HINTERGRUND-

as „Konzert für Orchester“, oder auch „Concerto“, wurde von BélaBartók 1943 als Auftrag der Koussewitzky-stiftung geschrieben. Bartókging es gesundheitlich und finanziell in den ersten Jahren seiner

Emigration alles andere als gut (die finanziellen Umstände änderten sich in denfolgenden Jahren nur wenig, gesundheitlich veränderte sich die Situation nurzum Schlechteren). Doch Bartók wollte nicht die geringste Hilfe von Freundenannehmen. Darum sorgten seine Freunde (und Dirigenten) Reiner und Szigetidafür, dass der berühmte Dirigent des Bostoner Symphonieorchesters SergeKoussewitzky bei Bartók eine Komposition für seine Stiftung (Koussewitzky-stiftung) in Auftrag gab. Sie sorgten dafür, dass Bartók sie nicht in Verbindungmit diesem Auftrag brachte und (wenn auch nach einigem Zögern) den Auftragüber 1000 Dollar ($500 im Voraus bezahlt) annahm, da er so keine„Wohltätigkeits“-organisation vermutete (von der er kein Geld angenommenhätte). Koussewitzky gab Bartók den Auftrag für ein großes, sinfonisches Werkam Krankenbett. Bartóks Gesundheit verbesserte sich in den folgenden Wochenso sehr, dass er sechs Wochen später während seinem Kuraufenthalt in SaranacLake mit der Kompositionsarbeit begann. Dort schrieb er laut eigener Aussage„Tag und Nacht“ an dem „Concerto“ weiter, bis er es am 8. Oktober 1943vollendete. (Ob es ein Zufall ist oder Bartók auf diesen Termin hinarbeitete, istnicht bekannt, doch es ist auffällig, dass das von Heimweh und Sehnsucht nachseinem Vaterland Ungarns gefüllte Werk am gleichen Termin vollendet wurde,an dem Bartók und seine Frau Ditta drei Jahre zuvor eben dieses Vaterlandverließen.)

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Trotz des Titels „Konzert für Orchester“ ist das Werk eigentlich einefünfsätzige Sinfonie mit vielen melodiösen Themen (und kein Orchesterwerk).Zur Titelgebung soll hier Béla Bartók aus dem Programmheft zum „Konzert fürOrchester“ bei der Uraufführung in New York am 1. Dezember 1944 zitiertwerden:

„Der Titel rührt daher, dass im Laufe dieses in der Art eines Orchesterwerkes[komponierten Stückes] die einzelnen Instrumente und Instrumentalgruppenkonzertierend oder solistisch auftreten. Die virtuose Behandlung erscheint zumBeispiel in der Durchführung des 1. Satzes (Fugato der Blechbläser), auch indem ein Perpetuum mobile ähnlichen Verlauf des Hauptthemas im letzten Satz(Streicher) und besonders im 2. Satz, wo die Instrumentenpaare nacheinandermit virtuosen Phasen auftreten.“

Das „Konzert für Orchester“ wurde von Anfang an populär, besonders aber inden Jahren nach Bartóks Tod, also in der zweiten Hälfte der 40er Jahre.Während das Werk beim Publikum sehr gut ankam, wurde es von anderenMusikern und Kritikern als weniger wertvoll angesehen – Bartók sei im Alter

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den „Streichquartetten, der Musik, untreu geworden“. (Zitat aus JószefUjfalussy, „Béla Bartók“. Siehe Quellenangabe) Bartók hat aber schon immerfür das Publikum geschrieben und wollte eher auf dieser Ebene Erfolg haben, alsein „unverstandenes Genie“ zu sein.

Und Koussewitzky war vollkommen zufrieden mit dem Werk, an derUraufführung sagte er, es sei das beste Orchesterwerk der letzten 25 Jahre. (Vorder Aufführung hatte er 20 Jahre gesagt, doch nach der erfolgreichen Aufführungerweiterte er es auf 25 Jahre.)

Das „Konzert für Orchester“ kehrt, ebenso wie die letzten Werke davor,größtenteils zur Tonalität zurück, nachdem Bartók den größten Zeitabschnittseines Lebens weder tonal noch atonal spielte – er benutzte die „erweiterteTonalität“. Das „Concerto“ ist generell ein sehr harmonisch klingendes, wennauch pompöses Orchesterwerk, welches Bartóks Sehnsucht nach demHeimatland wiederspiegelt.

-ÜBERSICHT-

Das „Konzert für Orchester“ ist in fünf Sätzen geschrieben:⋅ I. Satz – (Introduzione) „Andante non troppo“⋅ II. Satz – (Giuoco Delle Coppie) „Allegro scherzando“⋅ III. Satz – (Elegia) „Andante non troppo“⋅ IV. Satz – (Intermezzo Interrotto) „Allegretto“⋅ V. Satz – (Finale) „Pesante-Presto“

ntroduzione“ beschreibt Ungarn in seiner grenzenloser Natur und Schönheit.Diese wird von den Flöten und Trompeten dargestellt, der Bass hingegensymbolisiert die Tragik des noch Kommenden. Das Hauptthema stürmt über

diese harmonische Umgebung hinweg. Der Satz hat eine lange Einleitung undist relativ „streng“ in seiner Art.

IDer II. Satz mit seinem umfangreichen Scherzo steht für einen Feiertag mit

Tanz in ausgelassener Festesstimmung, während der Choral zur Andachtgemahnt.

Der Satz „Elegia“ beschwört eine Finsternis hinauf, welche eine große Angstvor der Zukunft des Landes, der Natur und der Bewohner erweckt. Dermehrfach geschichtete Satz ist (Zitat Bartók) ein „herzzerreißendes Klagelied“.

Das „Intermezzo Interrotto“, welches oft als komischer Satz falsch verstandenwird, kehrt zu der Schönheit Ungarns zurück. (Mehr dazu in Analyse). Völligunerwartet bricht hier die rohe Gewalt ein, die Becken deuten Stiefeltritte an undein höhnischer Gassenhauer symbolisiert die Musik der Täter.

Im lockeren, als „kranzartige Sonate“ (Zitat Jószef Ujfalussy, „Béla Bartók“.Siehe Quellenangabe) geschriebene Satz V. schließlich beweist Bartók denAusdruck kraftvoller Lebensfreude. In der Coda erscheint ein choralartiges

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Thema, erst weitergeflüstert, dann in großem Maß um sich greifend. Nach einerkurzen Pause folgt ein ekstatischer Wirbelsturm mit der Botschaft der Freiheit –die sich Bartók für sein unter Diktatoren lebendes Heimatvolk sehnlichstwünschte.

Das „Concerto“ ist also ganz offensichtlich nach der Art der Programmmusikgeschrieben, jeder Satz steckt voll fast schon sichtbar zu machender Handlung,welche das Schicksal Ungarns schildert.

-ANALYSE-

SATZ I: INTRODUZIONE

Der erste Satz beginnt voll scharfer dynamischer und agogischer Kontraste undmit einer ernsten und strengen, sowie spannenden Einleitung (Andante nontroppo). Die Violincelli und der Contrabass intonieren eine Melodie mit Motiveneiner viertonigen Tonskala, die an Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“erinnern.

Es folgt eine größere Zahl aufsteigender Quarten mit den Violinen. In diesesphantastische Klima des ungarischen Themas (erst Flöte, dann drei Trompeten)bricht eine Dissonanz in Spannungsakkorden, wo ein deutliches, tonales Themaauftaucht. Im Forte bricht das Thema nun mit den Streichern geradezupathetisch aus, romantische Gefühle entstehen in der an Bartóks frühere Werkeerinnernden Zigeunermusik.

Die Musik führt den Hörer nun immer tiefer hinab und tragischer Ausdruckerscheint in einer fast schon melancholischen Voraussicht, bevor der Sonatenteil(Allegro vivace) mit einem heroischen ersten Thema auftritt und sofortungestüm aufwärts führend umgekehrt antwortet.

Doch mit dem zweiten Thema wechselt das Tempo plötzlich wieder in eineruhigere Stimmung. Aus den anfänglich nur zwei Tönen entsteht ein Krebsgangund ergibt ein symmetrisches Ganzes. Es folgt eine glänzende, dynamischeDurchführung die zurück zur heroischen Stimmung des ersten Themas führt.

Der Höhepunkt (laut Béla Bartók selbst) erscheint in dem polyphonenKonzertieren der Blechinstrumente direkt vor der Reprise, welche dieUmkehrung der Exposition ist.

Der erste Satz endet mit einem energischen Zwischensatzthema.SATZ II: GIUOCO DELLE COPPIE

In diesem Satz, der gewissermaßen außerhalb des eigentlichen Verlaufes desWerkes steht, verwendet Bartók viel Scherz und Finesse, und er wird oft als deroriginellste und wertvollste Teil des „Concertos“ angesehen.

Diverse Blasinstrumentenpaare spielen hier parallel in einem immer anderenIntervallabstand, so dass sich die Melodie ein klein wenig in der Höheverschiebt. Ein Trommelsolo beginnt das heitere Spiel, dass dann mit einerMelodie in parallelen Sexten der zwei Fagotte fortgesetzt wird. Die

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Linienführung des mit den Oboen gespielten, nun folgenden Teiles knüpft an dieeiner altungarischen Tanzmusik an. In kleinen Septimen folgt nun die paralleleMelodie der zwei Klarinetten, anschließend ziehen die Flöten nach.

Vor einem nun entstehenden, phantastischen Hintergrund, bestehend aus derersten Violine, der zweiten Violine und der Bratsche, spielen nun abschließendfür den Parallelfolgenteil die Trompeten in parallelen großen Sekunden.

Ein Blechchoral schließt den Satz ab, welcher den ursprünglichen Teilerweitert fortführt.

SATZ III: ELEGIA

Der Satz „Elegia“ vereint ein romantisches Pathos mit einer stimmungsvollenPhantastik. Vor den Violinen, der Harfe, den Klarinetten und der Flöte leitet dieOboe den mittleren Abschnitt ein: ein ungarisches Thema mit den Streichern,welche dieses eindrucksvoller inszenieren als es in der Einleitung des erstenSatzes der Fall war. Die Holzblasinstrumente übernehmen mit einer ähnlichenMelodie. Generell wird eine düstere Stimmung heraufbeschwört.

SATZ IV: INTERMEZZO INTERROTTO

Dieser Satz ist wohl derjenige, der am ehesten zu seinem Titel passt. Erbeginnt mit einer rumänischen Folklore, die von den Oboen in einer fröhlichenMelodie umgesetzt wird. Die Flöten entwickeln das Thema dann zu D-Moll,bevor ein Stimmungswechsel den Zuhörer in eine wehmütige Melodie führt(welches eine Stilisierung der damaligen ungarischen Populärmusik ist). Dernun folgende Stimmungswechsel bringt uns einen sarkastischen und fast schongrotesk-trivialen Polka, welcher ein ausgedehntes Zitat aus Scholastowitsch’s 7.Symphonie („Leningrader Symphonie“) ist (aus dem I. Satz). Bartók wollteanscheinend durch die Verwendung gerade diesen Teils die Naivität parodieren,die er in dem 12 Mal wiederholten Thema der Leningrader Symphonie sah.Dieses Originalthema wird darum von einem fast schon hohnlächterndenkonzertierenden Orchester unterbrochen, was mehrere Male wiederholt wird,jedes Mal schärfer als das vorherige Mal. Eine andere Meinung über diese Stelleist die, dass das Thema aus der Leningrader Symphonie das Treffen zweierVerliebter darstellt, bei dem der Verehrer seiner Geliebten eine Serenadedarbietet, welches jedoch von einer pfeifenden, johlenden, betrunkenen wüstenBande mit rohem Gelächter unterbrochen wird. Dabei soll dieVerliebtenserenade ein Hinweis auf Ungarn sein. Auf dieser Ebene will Bartókalso zeigen, wie das schöne, romantische Heimatland von den unverständigenAnderen gestört wird, so sehr, dass die Serenade ganz aufhört und nicht mehrwiederkehrt. Auf der anderen Ebene ist es, wie gesagt, eine Verhöhnung derNaivität eines Kollegen. Da einerseits Bartók dieses Stück tatsächlich währendder Kompositionszeit des „Concertos“ hörte und es nicht besonderswertschätzte, und andererseits das „Konzert für Orchester“ von Ungarn handelt,dem von außen angegriffenen Heimatland, sind beide Seiten möglich,möglicherweise hat Bartók tatsächlich beide Ebenen eingeplant. DieBratschenkantilene erinnert an die in Ungarn bekannte Operettenmelodie vonLehar. (Der letzte Absatz stammt aus drei verschiedenen Quellen, wovon jede

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eine andere Variante erwähnt, und die anderen außen vor lässt. SieheQuellenangabe)

Nach diesem „unterbrochenen Intermezzo“ folgt eine Rückkehr zur sanftenund ruhigen ungarischen Melodie. Dies ist sowohl ein starker Kontrast zur rauenMelodie der Unterbrechenden, als auch das Symbol dafür, dass, obwohl dieSerenade gestört wurde, etwas Ähnliches, Ruhiges zurückkehrt.

SATZ V: FINALE

Dieser Satz beendet das „Konzert für Orchester“ mit einer freudigen undungestümen Stimmung. Er beginnt mit einem kurzen Thema der Hörner und miteinem gleichmäßig pulsierenden Rhythmus, welcher den ungarischen,traditionellen Tänzen entnommen ist. Im Mittelabschnitt wiederholen dieHolzbläser im Fugato das Anfangsthema, bevor die Trompeten ein neues Themaeinbringen. Es folgt die Umkehrung, die Reprise und die Coda (in der einchoralartiges Thema erst weitergeflüstert, dann in großem Maße um sichgreifend gespielt wird), bevor das Werk nach einer kurzen Pause mit einemtriumphalen, majestätischen Ausruf, einem ekstatischen Wirbelsturm derFreiheit endet. Der letzte Satz ist ein Ausdruck kraftvoller Lebensfreude (wie oftbei Bartók).

Das „Concerto“ ist ein stufenweiser Übergang von einem traurigenKlagegesang des I. und III. Satzes („Finsternis“ – Ungarns Schicksal unter demFaschismus) hin zu einer klaren Lebensbejahung im IV. und V. Satz(„Verbrüderung der Völker“ – großes Tanztableau). Der II. Satz bildet einescherzhafte Ausnahme.

-FAZIT-

ch finde das Stück äußerst hörenswert. Obwohl es zu einer Zeit entstandenist, wo die atonale Musik unter den Musikern große Begeisterung fand, hieltBartók sich hier in dem Bereich der weiterhin populäreren, tonalen Musik,

auch wenn er in seiner früheren Schaffensphase frei-tonal schuf. Das „Concerto“ist ähnlich wie die Programmmusik aufgebaut, da jeder Satz fast schonüberdeutlich etwas Bestimmtes zu erzählen hat. Bartók drückt hier seineSehnsucht nach seinem Heimatland Ungarn, welches sich nach Freiheit sehnt,für alle offen zu erkennen aus und gibt ihr ein gutes Ende. Es hat mir keineProbleme bereitet, während der Bearbeitung dieses Themas das „Konzert fürOrchester“ mehrmals durchzuhören, da der Gesamtaufbau harmonisch undwohlklingend ist und sowohl spannend aufrührerisch als auch beruhigendmelancholisch ist. Am 16.12.05 hörte ich es außerdem im Konzert des „SWR-Sinfonie-Orchesters“ in Koblenz. Hier waren die Details und einzelnenInstrumente noch besser zu hören und die Stimmung des Werkes war nochintensiver nach zu empfinden, so dass es sich sehr gelohnt hat.

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QUELLENANGABE

ür dieses von Jesko Habert vorgelegte Referat zum Thema „BélaBartók – „Konzert für Orchester“ und Volksmusikfor-schung“ wurdefolgende Literatur verwendet:F

⋅ „Béla Bartok Weg und Werk“ dtv wissenschaftliche Reihe,Bärenreiterverlag, 1972 LondonISBN: 3423040858

⋅ „Bartók“ Tadeusz A. Zelinski, Atlantisverlag, 1973 ZürichISBN: 2761103980

⋅ „Béla Bartók“ Jószef Ujfalussy, Corvinaverlag, 1973⋅ „Béla Bartók – sein Leben, seine Werke“ Lajos Lesznai, Deutscher Verlag

für Musik, 1961 Leipzig⋅ „Béla Bartók“ Microsoft Encarta Professional Enzyklopädie 2002⋅ „Volksmusik“ Microsoft Encarta Professional Enzyklopädie 2002⋅ www.iro-bw.de/german/2002_programm.html ⋅ Programmheft „Musikinstitut Koblenz“, 16.12.2005 des SWR-

Sinfonieorchesters (Dirigent: Michael Gielen), Beitrag „Béla Bartók“

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