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VoIP-Terminals und Sprachqualität Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust Studienleiter: Prof. Dr. Gerd Siegmund Berichte aus der Facharbeit

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VoIP-Terminals und Sprachqualität

Untersuchungen zum Verhalten bei PaketverlustStudienleiter: Prof. Dr. Gerd Siegmund

Berichte aus der Facharbeit

Impressum

Titel:Berichte aus der FacharbeitVoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

Studienleiter und Autor: Prof. Dr. Gerd Siegmund

Redaktion: Martin Bürstenbinder (verantwortlich), Mathias Hein (Fachredaktion),Andrea Siebel (Redaktionsassistenz)

Gestaltung: Uwe Klenner, www.layout-und-gestaltung.deLektorat: Stephanie Esser, www.textschliff.de

Bildnachweise: VAF, G. Siegmund, Nextragen

Herausgeber: VAF Bundesverband Telekommunikation e.V.Otto-Hahn-Straße 1640721 Hildenwww.vaf-ev.de

1. Vorsitzender Hans A. Becker, MainzVereinsregisternummer: 30491, Düsseldorf

Copyright: VAF 2014

Alle Rechte, auch das der auszugsweisen und das der elektronischen Vervielfältigung, liegen beim VAF Bundesverband Telekommunikation e.V.

3VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

Inhalt

1 Motivation und Projektübersicht ..................................................... 4

2 VoIP-Sprachqualität ........................................................................... 52.1 VoIP-Übertragungsnetze ................................................................ 52.2 VoIP-Terminals ................................................................................ 6

2.2.1 Fehlerverschleierung ............................................................. 62.2.2 Mehrfachsenden der Pakete .................................................. 62.2.3 Jitterbuffer ............................................................................ 72.2.4 Codec ..................................................................................... 72.2.5 Länge der RTP-Pakete ........................................................... 8

3 Grundschema des Testaufbaus ........................................................ 9

4 TypischeEffektedurchVoIP-Terminals bei Paketverlust .................................................................................. 9

5 Untersuchungen an Tischtelefonen .............................................. 115.1 Testaufbau .................................................................................... 115.2 Zusammenfassung der Messungen .............................................. 11

6 Untersuchungen an WLAN-Clients ................................................ 136.1 Testaufbau .................................................................................... 136.2 Zusammenfassung der Messungen .............................................. 13

7 Schlussfolgerungen ......................................................................... 157.1 Welche Erkenntnisse erlauben die bisherigen Tests? .................. 157.2 Randbedingungen und Grenzen der bisherigen Tests ................. 157.3 Praktische Schlussfolgerungen .................................................... 15

8 Entwicklung eines kompakten Testgeräts .................................. 16

9 Anhang ............................................................................................... 189.1 Messergebnisse zu den Tischtelefonen ........................................ 18

9.1.1 Telefon A .............................................................................. 189.1.2 Telefon B .............................................................................. 189.1.3 Telefon C .............................................................................. 189.1.4 Telefon D .............................................................................. 199.1.5 Telefon E .............................................................................. 199.1.6 Telefon F .............................................................................. 199.1.7 Telefon G .............................................................................. 209.1.8 Telefon H .............................................................................. 20

9.2 Die Messergebnisse zu den WLAN-Clients .................................... 219.2.1 Client 1a .............................................................................. 219.2.2 Client 1b .............................................................................. 229.2.3 Client 2 ................................................................................ 239.2.4 Client 3 ................................................................................ 24

10 Literatur ............................................................................................. 25

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust4

1 Motivation und ProjektübersichtDie Fachdiskussion zur Sicherung von Sprachqualität im Voice-over-IP-(VoIP)-Umfeld wird von der Betrachtung der Übertragungsnetze dominiert. Zweifelsohne ist es er-forderlich, besonderes Augenmerk auf die Einhaltung von Mindestanforderungen für Dimensionierung, Design und Betrieb von IP-Netzen zu legen, wenn Echtzeitanwen-dungen wie Telefonie zum Einsatz kommen.

Jedoch stellt sich auch die Frage, welchen Einfluss die angeschlossenen Endpunk-te bzw. VoIP-Terminals selbst auf die resultierende Sprachqualität haben. Die prakti-sche Relevanz der Frage wurde durch exemplarische Untersuchungen von Professor Dr. Gerd Siegmund mit unterschiedlichen VoIP-Tischtelefonen im Jahr 2012 unterstri-chen. Die Labormessungen legten nahe, dass von starken Unterschieden zwischen im Markt befindlichen Geräten auszugehen ist. Während manche Geräte auch bei höheren Paketverlustraten noch als sehr gut wahrgenommene Sprachqualität liefer-ten, so stellte sich dies bei anderen Geräten auf verschiedene Art deutlich schlechter dar. Die damit verbundenen typischen Effekte werden hier dargestellt und erläutert.

Im Sommer 2013 wurde vom VAF eine zweite Untersuchung beauftragt, die von Prof. Dr. Gerd Siegmund als Studienleiter übernommen wurde. Das Ziel der Untersu-chungsreihe bestand darin, das Verhalten verschiedener WLAN-VoIP-Clients bezüglich Paketverlust, Delay und Jitter zu untersuchen. Ein weiteres Ziel bestand darin, die ersten Erkenntnisse der zuvor an den Tischtelefonen erfolgten Laboruntersuchungen auf eine breitere Basis zu stellen. Die Finanzierung der Untersuchung erfolgte aus-schließlich aus Mitteln des VAF. Vor-Ort-Unterstützung erbrachten die VAF-Mitglieder COMNET Communikationssysteme & Netzservice GmbH (Isernhagen), SEC-COM Sicherheits- und Kommunikationstechnik GmbH (Recklinghausen) und Telenetwork AG (Trier) durch Bereitstellung der notwendigen VoIP-Clients, der zugehörigen TK-An-lagen und durch technischen Support. Die Messungen wurden von Alexander Technau und Maximilian Weiland, beide Studenten der Hochschule Hannover, durchgeführt. Die Auswertung der Testreihen erfolgte durch Prof. Dr. Gerd Siegmund.

Technische Grundlagen und Einflussfaktoren werden in dieser Veröffentlichung lediglich als kurze, einführende Verständnishinweise vorangestellt. Hinzu kommt: Die hier behandelten Fragen der Terminaleigenschaften lassen sich für den konkreten Anwendungsfall nicht abschließend aus dem Grundlagenwissen und anschließender Lektüre technischer Datenblätter herleiten. Der interessierte Anwender bzw. Fachbe-rater ist für den Erkenntnisgewinn fallweise auf eine Prüfung durch Messung und Hörprobe angewiesen. Von November 2012 bis März 2013 wurde darum im Fachkreis Technik des VAF ein Anforderungskatalog für ein feldtaugliches Testsystem entwickelt. Die Realisierung eines dafür erforderlichen, handlichen Testgeräts erfolgte durch den Flensburger Analysespezialisten Nextragen, der das Ergebnis mit der Produktbezeich-nung PacketRaptor vertreibt.

Hilden, im Juli 2014VAF Bundesverband Telekommunikation e.V.Hans A. Becker 1. Vorsitzender

Martin Bürstenbinder Geschäftsführer

5VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

2 VoIP-SprachqualitätWelche Sprachqualität in einem VoIP-Gespräch für den einzelnen Teilnehmer realisiert wird, hängt sowohl von den technischen Eigenschaften der an einer Sitzung beteilig-ten Übertragungsnetze ab als auch von denen der angeschlossenen VoIP-Terminals. Es gibt verschiedene mehr oder weniger aufwendige Techniken, mit denen man in IP-basierten Netzen die Echtzeitkommunikation unterstützen kann. Am selben Netz mit den selben Bedingungen verhalten sich die verschiedenen Terminals sehr unter-schiedlich. Dies bedeutet, dass zwei Benutzer am selben Netz die Verbindungseigen-schaften mit unterschiedlichen Terminals völlig anders einordnen können. Was für den einen eine sehr gute Verbindung ist, stellt sich für den anderen Benutzer als eine Zumutung dar. Für den zweiten sind Verbindungen mit häufigen Unterbrechungen und einer nur schwer verständlichen Kommunikation gekennzeichnet, während der erste Benutzer davon nichts bemerkt. Probleme mit der Verständigung werden häu-fig pauschal auf das Übertragungsnetz geschoben, dies ist aber nach den vorliegen-den Untersuchungen nicht immer zutreffend.

2.1 VoIP-Übertragungsnetze

Die Übermittlung von Sprache über das Internetprotokoll (VoIP) gehört zu den Echt-zeitanwendungen, und die korrekte Übermittlung dieser Datentypen stellt für das Netzwerk im Vergleich zu klassischem Datenverkehr eine erhebliche Herausforderung dar. VoIP reagiert sensibel auf Fehler im Übertragungsnetz, was sich insbesondere durch negative Auswirkungen auf die Sprachqualität äußert. Sprachqualität beschreibt die subjektive Wahrnehmung von Sprachinformationen. Die objektiven Parameter, die die Sprachqualität beeinflussen, sind die Paketlaufzeiten (Delay), die Varianz dieser Laufzeiten (Jitter) und der Paketverlust (Packet Loss) bei der Übertragung. Jedes VoIP-Paket muss in Konkurrenz zu anderen IP-Paketen transportiert werden. An vielen Stellen sind Wartespeicher vorhanden, deren Füllstand von der augenblick-lichen Netzbelastung abhängt. Dies bedeutet, dass die Paketdurchlaufzeit von Paket zu Paket schwankt. Ist ein Paket zu lange unterwegs, erreicht es den Empfänger für die Echtzeitanwendung zu spät und geht verloren, daneben können Pakete durch Bitfehler oder vollständig gefüllte Wartespeicher verloren gehen.

In der Praxis gibt es keine vollständig oder dauerhaft fehlerfreie Datenübertragung. Dies ist in den Netzwerken und in den jeweiligen Standards auch nicht vorgesehen. Durch Belastungen im Netz kommt es immer wieder und unter Umständen nur kurz-zeitig zu großen Paketlaufzeiten, hohem Jitter und hohen Paketverlustraten. Auch in guten, leistungsfähigen Zeiten kann sporadisch ein Paketverlust von 3 bis 5 % gemes-sen werden. Die Laufzeiten variieren sehr stark, oftmals wird eine Paketlaufzeit von bis zu 150 ms als eine gute Übertragung eingeordnet. Kurzzeitig können diese Werte deutlich überschritten werden. Der ermittelte Jitter ist ein berechneter Mittelwert, der über die Laufzeitvarianzen mehrerer RTP-Pakete gebildet wird. Zur Kompensation von Paketverlusten stehen auf den höheren Protokollschichten Fehlerkompensati-onsmechanismen (beispielsweise bei TCP die Sendewiederholung) zur Verfügung. Problematisch wird jedoch eine Fehlerkompensation bei Echtzeitanwendungen. Hier besteht für Korrekturen entweder nicht genügend Zeit für ein erneutes Senden oder bei bestimmten Verfahren führt ein Wechsel auf mehrfaches Versenden zu einer Selbst-verstärkung der Netzbelastung. Bei VoIP kommt statt TCP das Protokoll UDP zum

JitterDelayPacket Loss

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust6

Einsatz, und wiederholtes Senden von verlorenen Paketen ist im Standard nicht vor-gesehen. Dies wäre auch nicht sinnvoll, weil die wiederholt gesendeten Pakete einfach zu spät das Ziel erreichen.

2.2 VoIP-Terminals

Dennoch ist es möglich, auch in diesem Umfeld etwas gegen den Paketverlust zu unternehmen. In den Terminals können Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, die verspätete oder fehlende IP-Pakete beim Empfänger ausgleichen. Hierzu gibt es ver-schiedene Verfahren, die versuchen, den Paketverlust im Vorfeld, während oder nach der Übertragung der Nutzinformationen auszugleichen.

2.2.1 Fehlerverschleierung

Eine häufig verwendete Klasse von Verfahren ist die sogenannte Fehlerverschleierung (engl. Error Concealment oder Packet Loss Concealment, PLC). Bei diesen Verfahren wird das fehlende Paket im Terminal auf der Seite des Empfängers durch ein Ersatz-signal ersetzt. Die Erzeugung eines Ersatzsignals kann auf verschiedene Arten erfolgen:

Zero Insertion. Wenn die Informationen für das Sprachsignal aus dem fehlenden Paket benötigt werden, legt der Empfänger das Signal auf Masse (do nothing). Diese Maßnahme macht sich beim Benutzer als eine klar erkennbare Unterbrechung be-merkbar.

Background Noise Insertion, d. h. Geräuscheinblendung. In diesem Fall wird beim Empfänger beispielsweise ein Rauschsignal angelegt (do almost nothing). In der Praxis wirkt das Verfahren viel besser, als es der Begriff vermuten lässt, weil das Gehirn des Hörers nun aktiv wird und versucht, die fehlenden Informationen zu ersetzen. Dieses Verfahren wird häufig auch in den Terminals der Mobilfunknetze eingesetzt. Der Effekt ist deutlich besser als eine klar erkennbare Unterbrechung.

Packet Repetition beim Empfänger. Das fehlende Paket wird durch das letzte, noch richtig empfangene Paket ersetzt. Optional kann das Signal noch mit einer Hüllkurve gedämpft, beispielsweise ein- oder ausgeblendet, werden. In manchen Fällen wird auch noch das bereits empfangene, nachfolgende Paket nach dem feh-lenden Paket zur Signalermittlung verwendet. Der Empfänger versucht zwischen dem letzten und dem übernächsten Paket zu interpolieren, das heißt Zwischenwerte zu bilden. Hierzu muss das Paket nach dem fehlenden Paket frühzeitig bereits empfan-gen werden oder ein großer Jitterbuffer sorgt beim Empfänger für eine Paketverzö-gerung. Der Effekt für den Benutzer ist oftmals verblüffend gut.

Ob beziehungsweise welche Verfahren der Fehlerverschleierung zum Einsatz kom-men, hängt von der herstellerseitigen Ausstattung des jeweiligen VoIP-Terminals ab.

2.2.2 Mehrfachsenden der Pakete

Bei diesem einfachen Verfahren werden die Nutzpakete vom Sender vorsorglich zwei-mal hintereinander oder noch häufiger gesendet, je nach Einstellung beispielsweise auch fünfmal. Tritt nun ein Paketverlust auf, folgt direkt das zusätzlich gesendete Paket und es entsteht kein Paketverlust. Da hier beim Empfänger nichts berechnet werden muss, arbeitet das Verfahren praktisch ohne Zeitverzug. Durch die Numme-rierung der RTP-Pakete sind doppelt empfangene Pakete für den Empfänger leicht zu

7VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

erkennen und werden verworfen. Bei diesem Verfahren gibt es Varianten, bei denen der Aktivierung sowie Deaktivierung der Mehrfachsendung die dynamische Erkennung der Übertragungsqualität vorangeschaltet ist. Durch die Mehrfachsendung sinkt die Verlustwahrscheinlichkeit beträchtlich, allerdings vervielfacht sich dementsprechend auch die benötigte Bandbreite. Für das Netz stellt dieses Verfahren, auch in der dynamischen Variante, eine große Belastung dar. Angewendet wird es beispielsweise bei dem Fax-over-IP-Standard T.38 oder dem Codec RTAudio, der dieses Verfahren als »Forward Error Correction« (FEC) bezeichnet.

2.2.3 Jitterbuffer

Lange Paketlaufzeiten und deren Schwankungen können durch einen Zwischenspei-cher (Buffer) auf der Empfängerseite ausgeglichen werden. Ein großer Jitterbuffer kann große Laufzeitunterschiede ausgleichen, verzögert aber alle eintreffenden Pa-kete quasi standardmäßig. In guten Netzen mit geringen Laufzeiten und kleinen Schwankungen wäre nur eine kleine Zwischenspeicherung notwendig. Wird der Buffer eher klein ausgelegt, werden die Pakete in guten Netzen nicht so stark ausgebremst. Treten dann aber doch kurzzeitig längere Laufzeiten und große Schwankungen auf, ist der Buffer nicht groß genug, um diese aufzufangen. In vielen Terminals wird daher ein dynamischer, lernender Jitterbuffer verwendet. Im Betrieb beginnt das Terminal zunächst mit einem relativ kleinen Buffer, beobachtet den Paketverlust und vergrößert den Buffer dann stufenweise. Dabei wird der Buffer so lange angepasst, wie eine Verbesserung messbar ist. Können weitere Vergrößerungen den Paketverlust nicht weiter verbessern, ist die optimale Größe des Buffers in dieser Anwendung gefunden (Bild 1).

2.2.4 Codec

Die Auswirkung unterschiedlicher Parameterkonstellationen von Paketverlust, Jitter und Delay auf die Sprachqualität ist auch vom eingesetzten Codec abhängig. Dies kann durch den Vergleich der Codecs G.729 und G.711 exemplarisch verdeutlicht werden.

Bei G.729 halten die Störungen beim Empfänger länger an. Das adaptive und band-breitesparende Verfahren von G.729 verwendet die augenblicklichen Sprachproben, um einen Vorausschauwert für die nächste Sprachprobe zu ermitteln. Bei Paketverlust fehlen jedoch die Daten für die Berechnung der Vorausschauwerte, die dann folgend übertragenen Werte sind nur Korrekturwerte zu den Vorausschauwerten. Damit wer-den die folgenden Werte beim Empfänger durch die fehlende Basis für die Berechnung falsch berechnet. Dieser Fehler korrigiert sich mit der Zeit, benötigt dann aber einige

BILD 1: Lernender Jitterbuffer, Sinuston

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust8

korrekt empfangene RTP-Pakete, um völlig zu verschwinden. In Untersuchungen konnte das Fehlen eines RTP-Paketes mit 10 ms Sprache eine Störung über einen Zeitraum von fast 100 ms ausmachen (Bild 2).

Die gleiche Störung von 10 ms bei Verwendung desselben Telefons (»Telefon H«) verursacht mit dem Codec G.711 eine Verfälschung des Signals über einen Zeitraum von nur 10 ms. Der Codec G.711 überträgt immer die Sprachproben ohne einen Bezug zu den vorherigen Werten. Die Fehler klingen damit viel schneller ab, weil jedes RTP- Paket die direkt verwendbaren Sprachproben (ohne weitere Berechnung) enthält (Bild 3).

Bei allen Messungen wurde zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse durch-gängig der Standard-Codec G.711 gewählt.

2.2.5 Länge der RTP-Pakete

Die digitalisierte Sprache wird in Gruppen von mehreren sogenannten Sprachproben mit RTP-Paketen transportiert. Bei G.711 sind es 8 bit, die alle 125 µs aus dem Ur-sprungssignal ermittelt werden. Wie viele Sprachproben mit einem Paket transportiert werden, ist im Standard nicht festgelegt. Paketgröße und Takt der Versendung sind wesentliche Einflussfaktoren, da die Ergebnisse der Fehlerverschleierung von der Länge des Zeitraums abhängen, der zu überbrücken ist.

BILD 2: Telefon H, Sinuston mit

Codec G.729

BILD 3: Telefon H, Sinuston mit

Codec G.711

9VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

3 Grundschema des TestaufbausDie Probleme bei der Übertragung in IP-basierten Netzen hängen mit der augenblick-lichen Netzbelastung zusammen. In der Praxis treten sie oft nur sporadisch auf. Nach-vollziehbare Messungen an realen Systemen sind damit kaum möglich. Um den Problemen systematisch und reproduzierbar auf den Grund zu gehen, wurde ein Messaufbau gewählt, bei dem zwischen dem Terminal und dem Kommunikations-system ein Fehlergenerator geschaltet wird. Mit dem Fehlergenerator können die wichtigen Parameter für die Paketübertragung frei eingestellt werden. Netzzustände, die in der Praxis nur selten auftreten, können so nachvollziehbar eingestellt werden und das Verhalten des VoIP-Terminals beobachtet, gemessen und dokumentiert werden. Der Messaufbau für die Messungen von VoIP-Tischgeräten und WLAN-Clients wird in den jeweiligen Abschnitten genauer beschrieben. Das verwendete Gerät zur Einstellung der Übertragungsparameter wird in einem eigenen Abschnitt beschrieben.

4 TypischeEffektedurchVoIP-Terminals bei Paketverlust

Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Terminals: diejenigen, die nichts tun (dann fehlt ein RTP-Paket mit z. B. 20 ms), und diejenigen, die versuchen, das fehlende Paket zu ersetzen. Im Folgenden werden anhand des Sinustons einige Beispiele zur Veran-schaulichung typischer Effekte dargestellt.

Bei Terminals, die nichts machen, sind die Lücken durch die fehlenden Pakete deutlich zu hören. Im Signalverlauf sieht man das fehlende Paket durch eine erkenn-bare Lücke (Bild 4).

Bei Terminals, die ein fehlendes RTP-Paket ersetzen, liegt im Signalverlauf keine klare Unterbrechung wie im ersten Beispiel vor. Die Korrektur im Signalverlauf fällt im folgenden Beispiel grafisch als gute Näherung an das Ausgangssignal aus. Die

BILD 4: Die Lücke in der Audioübertragung ist klar erkennbar und auch hörbar.

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust10

grafisch immer noch erkennbare Abweichung zum Originalton kann in der Hörprobe nicht wahrnehmbar sein (Bild 5).

In dem folgenden Bild ist das Ersatzsignal allerdings weniger gut gelungen. Im Signalverlauf sind zusätzliche Oberwellen erkennbar. Für den Benutzer ergeben sich in diesem Fall vermehrt Zischgeräusche im empfangenen Audiosignal (Bild 6).

In der folgenden Signaldarstellung sind sowohl Frequenzänderungen als auch zusätzliche Peaks auf dem Signal erkennbar. Besonders die veränderte Frequenz des Ursprungssignals wirkt sich störend in der Kommunikation aus und beeinträchtigt die Verständlichkeit (Bild 7).

BILD 5: Hier wird ein fehlendes

RTP-Paket unhörbar durch ein gut nachgebildetes

Signal ersetzt.

BILD 6: Nachgebildete

Signale mit zusätzlichen Oberwellen

BILD 7: Frequenzbeeinflussung im

Empfangssignal

11VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

5 Untersuchungen an Tischtelefonen

5.1 TestaufbauUm zu prüfen, wie ein bestimmter VoIP-Terminal auf Packet Loss, Jitter und Delay reagiert, wird für die VoIP-Tischgeräte ein Testaufbau nach folgendem Schema ver-wendet.

Ein VoIP-Tischtelefon wird über eine Ethernetschnittstelle an eine IP-TK-Anlage angeschlossen und ein Generator wird zugeschaltet, der einen kontinuierlichen Si-nuston abgibt. Durch ein zwischengeschaltetes Störsystem können die IP-Pakete in beide Richtungen beeinflusst werden, d. h. Delay, Jitter und Packet Loss werden vorgegeben. Das mit dem System verbundene Telefon erhält nun in der Echtzeitüber-tragung nicht alle Pakete (z. B. 0–25 % Paketverlust). Am Telefon wird die Verbindungs-schnur zu einem Adapter für ein Messsystem geführt. Mit einem Oszilloskop können die Signale dargestellt werden, die normalerweise zum Hörer des Telefons gelangen. Neben der grafischen Darstellung kann der Signaloutput auch akustisch aufgezeich-net und mit dem Sinuston als Referenz durch Hörprobe verglichen werden. Ebenso können Sprachproben in das Testsystem eingespeist und der Output für den akusti-schen Vergleich aufgezeichnet werden (Bild 8).

5.2 Zusammenfassung der Messungen

Die ersten Tests der Tischtelefone erfolgten ohne Einspielung von Laufzeiten und Jitter sowie ohne Paketverlust und erbrachten bei allen Terminals sehr gute Resultate.

Schon bei den ersten kleinen Beeinflussungen mit einer Paketlaufzeit von 150 ms und einem Jitter von 50 ms, aber ohne Paketverlust, zeigten einige Terminals merk-liche Beeinflussungen. Die ermittelten Störungen reichten von Auslassungen (fehlen-de Pakete durch zu lange Laufzeiten) bis hin zu mangelhaft implementierten PLC, was zusätzliche Störgeräusche, Oberwellen oder sehr störende Modulationen der Sprache

TK-Anlage

Ethernet Ethernet

WLAN

WLAN-Terminaloder

Smartphone mit WLAN

TestsystemPaketverlustDelay/Jitter

Testaufbau 1 Testaufbau 2

WiedergabeSprache und Sinus

WiedergabeSinus

Adapter Adapter

Telefon

Testaufbau 2

Testaufbau 1

AufzeichnungSprache und Sinus

Oszilloskop

Adapter (Kopfhörer/Mikro)

Adapter (Kopfhörer/

Mikro)

TK-Anlage

Ethernet Ethernet

TestsystemPaketverlustDelay/Jitter

Testaufbau 1 Testaufbau 2

Testaufbau 2

Testaufbau 1

WiedergabeSprache und Sinus

WiedergabeSinus

Adapter Adapter

Telefon Telefon

AufzeichnungSprache und Sinus

Oszilloskop

Adapter (Kopfhörer/Mikro)

Adapter (Kopfhörer/

Mikro)

BILD 8: Darstellung des Testsystems

Testaufbau 1: Konfiguration für Wiedergabe und Aufzeichnung von Sprachproben und SinussignalenTestaufbau 2: Konfiguration für Wiedergabe von Sinussignalen und Darstellung auf dem Oszilloskop

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust12

verursachte. Die Beobachtung von Störungen ergab sich also schon ohne provozier-ten Paketverlust und mit Werten für Laufzeiten und Jitter, die in der Standardisierung als »gute Bedingungen« eingestuft werden.

Mit einem Paketverlust von 5 %, der in der Praxis in jedem LAN jeder Zeit vorkom-men kann, verschärften sich diese Effekte. Von den Benutzern wurden diese Effekte als störend in der Kommunikation eingestuft. Ein Paketverlust von 15 % kommt in der Praxis in lokalen Netzen selten vor, kann aber bei größeren Netzbelastungen durchaus auftreten. Bei den Terminals, die bereits ohne Paketverlust Probleme hatten, zeigten sich diese nun verschärft, was von Benutzern als nicht akzeptabel eingeordnet wurde. Auf der anderen Seite gab es aber auch Telefone, die mit 15 % Paketverlust, 150 ms Delay und 50 ms Jitter ohne Probleme zurechtkamen. In den empfangenen Signalen waren teilweise die Korrekturen durch das aktive PLC erkennbar, aber nicht hörbar. Für die Benutzer wurde die Kommunikation als absolut störungsfrei empfun-den. Bei diesen Terminals konnte sogar ein Paketverlust von 25 % die laufende Kom-munikation kaum stören. Zwar waren nun leichte Störungen bemerkbar, aber für die Teilnehmer war immer noch eine Kommunikation mit guter Verständigung möglich. Ein Paketverlust von 25 % wird von Benutzern der Datenkommunikation, z. B. beim Surfen im Web, als ein stark verzögertes Netz und als sehr störend empfunden (Tabelle 1).

VoIP-Tischtelefone(schnurgebunden)

Loss: 0 % Delay: 0 msJitter: 0 ms

Loss: 0 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Loss: 5 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Loss: 15 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Telefon A (RTP: 10 ms) ++ – –– –––Telefon B (RTP: 10 ms) ++ ++ ++ ++Telefon C (RTP: 10 ms) ++ ++ ++ ++Telefon D (RTP: 30 ms) ++ ++ ++ +Telefon E (RTP: 20 ms) ++ ++ ++ +Telefon F (RTP: 10 ms) ++ ++ + 0Telefon G (RTP: 10 ms) ++ –– ––– –––Telefon H (RTP: 10 ms) ++ – –– –––

TABELLE 1: Subjektive Bewertung

der Hörproben, dargestellt in einem

qualitativen Spektrum

13VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

6 Untersuchungen an WLAN-ClientsNeben den zuvor betrachteten VoIP-Tischtelefonen existieren VoIP-Clients für WLAN-In-stallationen. Diese werden als lokale IP-Lösung für die mobile Kommunikation im Unternehmen eingesetzt. In einer zweiten Untersuchung im Sommer 2013 wurden mehrere VoIP-Clients für WLAN von verschiedenen Herstellern untersucht. Wie bei den Tischtelefonen konnten auch hier sehr unterschiedliche Verhaltensweisen fest-gestellt werden.

6.1 Testaufbau

Das zuvor schon skizzierte Grundschema des Testaufbaus wurde für den Untersu-chungszweck angepasst und wie nachfolgend beschrieben realisiert. Als Testsignale wurden sowohl Sinussignale als auch standardisierte Sprachproben übertragen. Im Übertragungskanal wurde der Datentransport bezüglich Paketverlust, Laufzeit und Jitter durch ein eingeschleiftes Testsystem beeinflusst und die Übertragung mit einem Oszilloskop und einer Audioaufzeichnung dokumentiert. Die Sinussignale liefern nachvollziehbare Messkurven auf dem Oszilloskop. Dabei besteht die Möglichkeit, dass die Messkurven des Oszilloskops die Paketverluste deutlich erkennen lassen, während diese Fehler bei der Sprachübertragung weniger klar erkennbar werden. Die Sprachproben und die aufgezeichneten Sinustöne wurden zu einer Datei zusammen-gestellt, dann im Testverlauf als Eingangssignal von einem MP3-Player wiedergegeben und elektrisch über einen Adapter eingespeist. Aufgezeichnet wurden die Ausgangs-signale mit einem MP3-Player, der über eine elektrische Kopplung mit dem VoIP-Cli-ent verbunden war (Bild 9).

6.2 Zusammenfassung der Messungen

Bei den Messungen handelt es sich um Stichproben mit Clients verschiedener Her-steller. Zu den jeweiligen Clients wurden nach einem Messplan die Parameter Delay, Jitter und Paketverlust feinstufig variiert. So wurden mehrere Hundert Einzelmessun-

TK-Anlage

Ethernet Ethernet

WLAN

WLAN-Terminaloder

Smartphone mit WLAN

TestsystemPaketverlustDelay/Jitter

Testaufbau 1 Testaufbau 2

WiedergabeSprache und Sinus

WiedergabeSinus

Adapter Adapter

Telefon

Testaufbau 2

Testaufbau 1

AufzeichnungSprache und Sinus

Oszilloskop

Adapter (Kopfhörer/Mikro)

Adapter (Kopfhörer/

Mikro)

TK-Anlage

Ethernet Ethernet

TestsystemPaketverlustDelay/Jitter

Testaufbau 1 Testaufbau 2

Testaufbau 2

Testaufbau 1

WiedergabeSprache und Sinus

WiedergabeSinus

Adapter Adapter

Telefon Telefon

AufzeichnungSprache und Sinus

Oszilloskop

Adapter (Kopfhörer/Mikro)

Adapter (Kopfhörer/

Mikro)

BILD 9: Darstellung des Testsystems

Testaufbau 1: Konfiguration für Wiedergabe und Aufzeichnung von Sprachproben und SinussignalenTestaufbau 2: Konfiguration für Wiedergabe von Sinussignalen und Darstellung auf dem Oszilloskop

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust14

gen generiert, deren vollständige Darstellung hier jedoch nicht sinnvoll wäre. An dieser Stelle wird eine aussagefähige Auswahl dargestellt und erläutert.

Die Messungen wurden an einer kleinen Stichprobe von Endgeräten durchgeführt:• WLAN-Terminal des Herstellers 1 (Client 1a in der Tabelle)• Softphone des Herstellers 1 (Client 1b in der Tabelle)• VoIP-Client des Herstellers 2 auf einem Samsung Smartphone• VoIP-Client des Herstellers 3 auf einem iPhone

Die Messungen zeigen kein einheitliches Bild. Der Client eines Herstellers, dessen Tischtelefon in den vorangegangenen Untersuchungen sehr gut abgeschnitten hatte, wies bei den Messungen seines WLAN-Clients überraschend schlechte Ergebnisse auf (Tabelle 2).

Client 1 Die beiden VoIP-Clients des Herstellers 1 (WLAN-Telefon, Softphone auf einem Laptop) haben jeweils sehr gute Ergebnisse geliefert. Die Sprachverständlich-keit war für beide Terminals bis zu einem Paketverlust von 10 % recht gut. Bei 15 % Paketverlust machten sich die Übertragungsfehler bemerkbar, aber störten die Sprach-verständlichkeit nur gering.

Bei Client 2 handelte es sich um eine spezielle Applikation für ein Android-Smart-phone (Samsung-Handy). Die Sprachverständlichkeit war bereits ohne Paketverlust beeinträchtigt und nahm mit steigenden Paketverlusten weiter ab.

Bei Client 3 handelte es sich um eine spezielle Applikation für das iPhone. Die Sprachverständlichkeit war ohne Paktverluste hervorragend. Bei 5 % Paketverlusten wurde die Sprachverständlichkeit eingeschränkt und bei einer Fehlerrate von 15 % sehr problematisch.

Loss: 0 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Loss: 5 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Loss: 15 % Delay: 150 msJitter: 50 ms

Client 1a (RTP: 30 ms): spez. WLAN-Handy

++ ++ 0

Client 1b (RTP: 30 ms): Softphone(Win-PC)

++ ++ 0

Client 2 (RTP: 20 ms): ClientaufSamsung(Android)

– –– –––

Client 3 (RTP: 30 ms): Client auf iPhone

++ 0 ––

TABELLE 2: Subjektive Bewertung

der Hörproben, dargestellt in einem

qualitativen Spektrum

15VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

7 Schlussfolgerungen

7.1 Welche Erkenntnisse erlauben die bisherigen Tests?Die hier vorgestellten Untersuchungen und deren Ergebnisse erbringen den Nachweis der Variabilität, mit der verschiedene VoIP-Terminals auf Paketverlust, Delay sowie Jitter reagieren, und zeigen die unterschiedlichen beobachteten Ausprägungen.

Es gibt standardkonforme Telefone (d. h. diese verhalten sich entsprechend den in den Standards festgeschriebenen Grenzen), die den Benutzer jeden Paketverlust durch entsprechende Übertragungslücken hören lassen. Andere Terminals lassen sich etwas Spezielles einfallen und überdecken so fehlende Pakete. Welche Verfahren bzw. Mechanismen eingesetzt werden, ist dabei keine Frage internationaler Standards, sondern hersteller- bzw. produktspezifischer Ausstattung und Softwareimplemen-tierung. Im günstigen Fall sind dann die fehlenden Pakete für den Benutzer – mehr oder minder – nicht wahrnehmbar. In ungünstigen Fall führen die vorgesehenen Mechanismen zu mangelhaften Effekten: Die Fehlerüberdeckung ist entweder unzu-reichend oder erzeugt ungewollte und störende Effekte.

7.2 Randbedingungen und Grenzen der bisherigen Tests

Die Randbedingungen der Testszenarien erlauben keine über die formulierten Ergeb-nisse hinausgehenden Aussagen im Sinne einer »Stiftung Warentest«. Darum wurde auf die Nennung der Produktbezeichnungen sowie Hersteller verzichtet.

Die Hörproben der empfangenen Signale wurden einer subjektiven Beurteilung unterzogen. Die hier gezeigte Dokumentation der Messungen mit Sinustönen besitzt den Vorteil, dass sich die Maßnahmen der Terminals an den Signalen sehr gut erken-nen lassen. Im praktischen Einsatz werden allerdings Sprachsignale übertragen und die Algorithmen der Terminals für die Korrektur von Sprachsignalen optimiert. Die Signalnachbildungen wurden im Test mit Sprache als besser wahrgenommen als im Test mit Sinustönen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass herstellerspezifische Terminals (Systemtelefone) nur an den Kommunikationssystemen des Herstellers getestet werden können. In diesen sind systemspezifische Basisparameter hinterlegt, welche wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse ausüben, beispielsweise die Größe und damit der Abstand von RTP-Paketen. Als Codec wurde in den Tests durchgehend G.711 verwendet, bei der Verwendung anderer Codecs können andere Testergebnis-se auftreten.

7.3 Praktische Schlussfolgerungen

Es gibt VoIP-Terminals, die Paketverlust nur sehr schlecht vertragen, und andere, die selbst bei großen Paketverlusten im Übertragungsnetz den Benutzern sehr gute Sprachqualitäten bieten. Ein und dasselbe Netz mit identischen Netzeigenschaften und gleichem Paketverlust kann sich also für zwei Benutzer mit unterschiedlichen Endgeräten völlig unterschiedlich darstellen. Während ein Teilnehmer die Übertra-gungsqualität als sehr schlecht einordnet, kann ein anderer dasselbe Netz als völlig in Ordnung einstufen. Paketverlust kommt in den Netzen immer wieder vor, es kommt auch darauf an, was man bzw. das VoIP-Endgerät daraus macht.

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust16

Auch schlechte Netze mit großen Paketverlusten und langen Laufzeiten können sich also mit guten Terminals als Netze mit durchaus brauchbaren Übertragungsqua-litäten darstellen. Überlegungen zur Qualitätssicherung einer VoIP-Lösung sollten somit nicht allein auf das Design des Übertragungsnetzes (LAN/WAN) ausgerichtet werden.

Die Tests von VoIP-Telefonen zeigen, dass der Einsatz leistungsfähiger Endgeräte einen nicht zu unterschätzenden, positiven Einfluss auf die Gesamtqualität der VoIP-In-stallation darstellt.

8 Entwicklung eines kompakten Testgeräts

Die Anforderungen für ein Testgerät, mit dem die hier vorgestellten Untersuchungen durchgeführt werden können, wurden im Fachkreis Netzwerktechnik des VAF formu-liert und in einem Pflichtenheft fixiert. Die Realisierung erfolgte durch den in Flensburg ansässigen Hersteller für Mess- und Analysetechnik Nextragen GmbH. Die Überein-stimmung mit dem Pflichtenheft wurde vom VAF geprüft und durch ein Zertifikat bestätigt. Das Gerät wird von Nextragen unter dem Produktnamen »PacketRaptor« vertrieben. Kontakt zum Hersteller und technische Daten auf: www.nextragen.de

Kurzbeschreibung Der PacketRaptor ist ein eigenes, unabhängiges Testgerät, mit dem Paketlaufzeiten, Jitter und Paketverlust simuliert werden können. Damit können definierte Betriebs-bedingungen künstlich erzeugt und für vergleichende Testzwecke reproduziert werden. Das Gerät verfügt über zwei separate Ethernetschnittstellen mit 10/100/1.000 Mbit/s (Eth0 und Eth1). Damit werden alle IP-Pakete, die über diese Schnittstellen laufen, beeinflusst. Das Testgerät ist dabei völlig transparent und überträgt unabhängig vom jeweiligen Protokoll alle Arten von IP-Paketen. Die Konfiguration erfolgt über eine webbasierte Anwendung, die per WLAN-Schnittstelle erreicht werden kann. Das Test-gerät stellt hierfür einen eigenen WLAN-Hotspot zur Verfügung. Zur Konfiguration des Testgeräts ist keine spezielle Software notwendig, man verbindet ein beliebiges WLAN-fähiges Gerät (Notebook, Tablet, Smartphone o. ä.) und startet einen gängigen Browser, danach startet sofort die Konfigurationsanwendung im Browser (Bild 10).

BILD 10: Bedienoberfläche

17VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

Nach der Einstellung werden alle Pakete von der einen Ethernetschnittstelle (Eth0) mit den vorgegebenen Verzögerungen, Schwankungen der Verzögerungszeit und dem Paketverlust zur anderen Ethernetschnittelle (Eth1) transparent weitergeleitet. Die Verzögerungen und der Paketverlust sind in beiden Richtungen wirksam. Des Weite-ren ist es möglich, im Trace-Betriebsmodus alle Ethernetpakete der Schnittstellen Eth0 und Eth1 zu einem Trace zusammenzufassen und diesen dann über das Web-interface des Testsystems herunterzuladen.

NetzwerkemulationNetzwerkemulation ermöglicht die Emulation eines Netzwerks, um zu testen bzw. vorzuführen, wie gut oder schlecht sich Netzwerkkomponenten (z. B. VoIP-Terminals) verhalten, wenn sich das Netzwerk unter Last befindet. Folgende Merkmale am Netz-werk können verändert werden (Bild 11):• Packet Loss (0–30 %)• Jitter (0– 250 ms)• Delay (0–400 ms)

Trace (Aufzeichnen)Trace ermöglicht die Erzeugung von Traces (.pcap-Datei) oder auch Mittschnitt des Netzwerkverkehrs. Hierzu wird kein TAP (Test Access Point) oder Mirror-Port eines Switches benötigt. Das Gerät speichert die Daten auf einem internen oder externen Speicher (SD-Card) zur späteren Verarbeitung mit einem Netzwerkanalysator.

PacketRaptor

VoIP-Telefon

PBX

VoIP-Telefon BILD 11: Einsatzbeispiel: Netzwerkemulation und Vergleich von zwei VoIP-Terminals

BILD 12: Geräteansicht

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust18

9 Anhang

9.1 Messergebnisse zu den Tischtelefonen

9.1.1 Telefon A

Telefon A unternimmt bei Paketverlust nichts, d. h. die Lücken sind immer direkt hörbar. Große Jitterwerte werden allerdings durch einen dynamischen Jitterbuffer ausgeglichen. Die Unterbrechungen sind genau 10 ms lang, was dem Inhalt eines RTP-Paketes entspricht. Mit zunehmendem Fehleraufkommen treten diese Unterbre-chungen häufiger auf (Bild 13).

9.1.2 Telefon B

Bei Telefon B konnten keine Beeinflussungen durch fehlende RTP-Pakete in den Hör-proben festgestellt werden. Das PLC-Verfahren arbeitet bei diesem Terminal einwand-frei. In erweiterten Versuchen war sogar mit 20 % Paketverlust eine verständliche Kommunikation möglich. Bei bis zu 15 % Paketverlust ist keine Beeinträchtigung für den Benutzer hörbar. Ein übertragenes Sinussignal zeigt bei 15 % Paketverlust auf der Seite des Empfängers geringe Beeinflussungen, die für die Benutzer jedoch nicht hörbar waren (Bild 14).

9.1.3 Telefon C

Während das zuvor betrachtete Telefon B auch bei starken Störungen sehr gute Hör-ergebnisse brachte, war beim Telefon C nicht einmal die Beeinflussung des übertra-genen Sinussignals auf dem Oszilloskop erkennbar. Alle Beeinflussungen waren für den Teilnehmer nicht hörbar. Auch große Paketverluste blieben bei diesem Gerät unmerklich für den Benutzer (Bild 15).

BILD 13: Lücken aufgrund

von Paketverlust klar erkennbar

BILD 14: Das PLC-Verfahren verschlei-

ert den Paketverlust sehr erfolgreich.

19VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

9.1.4 Telefon D

Untersuchungen an diesem Terminal zeigten deutlich Beeinflussung an Sinussigna-len; bei der Übertragung von Sprachinformationen kann der Benutzer allerdings keine Störungen feststellen. Der PLC-Mechanismus des Telefons ist also offensichtlich auf Sprachsignale mit ihren typischen Eigenschaften eingestellt, was in der Praxis absolut richtig ist (Bild 16).

9.1.5 Telefon E

Auch beim Telefon E gibt es einen großen Unterschied zwischen der Darstellung bei den Sinussignalen und dem Höreindruck in laufenden Gesprächen. Bis zu einem Paketverlust von 10 % ist die Verständigung sehr gut, mit 15 % Verlust immer noch als gut zu bewerten (Bild 17).

9.1.6 Telefon F

Fehlende RTP-Pakete werden beim Telefon F ersetzt, allerdings sind damit zusätzliche, im Ursprungssignal nicht enthaltene Oberwellen verbunden. Im Sinussignal sind diese als klare Spitzen zu erkennen, die mit dem Sinussignal auftauchen. Der Hörtest bestätigt diesen Eindruck durch zusätzliche Zischgeräusche in der Kommunikation. Diese Geräusche treten nur bei Paketverlust auf (Bild 18).

BILD 15: Keine Beeinflussung, auch bei großen Störungen

BILD 16: Deutliche Beeinflussung von Sinussignalen, übertra-gene Sprach signale sind einwandfrei

BILD 17: Der Höreindruck der Sprach-probe fällt besser aus, als es die Darstellung des gestör-ten Sinus signals vermuten lässt.

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust20

9.1.7 Telefon G

Bereits kleinere Laufzeiten (150 ms) und ein geringer Jitter (30 ms) bereiten Telefon G große Probleme. Die Probleme sind deutlich hörbar und stören in der Kommunika-tion sehr stark. Die Verständigung wird mit größerem Paketverlust immer schwerer, hörbar ist eine Art Modulation der Sprache. Diese Modulation ist auch mit den Sinus-signalen in der Aufzeichnung erkennbar. Deutlich sind Änderungen im Frequenzbereich sichtbar. Die Modulation zeigt eine eindeutige Abhängigkeit von der Sprachwechsel-spannung (Bild 19).

9.1.8 Telefon H

Auch das Telefon H zeigt bei Paketverlust deutliche Probleme. Bereits mit geringen Paketverlusten ist die Verständigung beeinträchtigt. Im Sinussignal sind Asymme trien (Bildmitte in der folgenden Darstellung) erkennbar (Bild 20).

BILD 18: Die zusätzlichen Ober wellen

sind hier in der Bildmitte klar erkennbar.

BILD 19: Erkennbare Frequenz-

modulation im Empfangssignal

BILD 20: Fehlerhaft rekonstruierte

Signale beim Telefon H

21VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

9.2 Die Messergebnisse zu den WLAN-Clients

9.2.1 Client 1a

(WLAN-Terminal des Herstellers 1)Beim Client 1 handelt es sich um ein spezielles WLAN-Telefon. Die durchweg gute Verständlichkeit ist auch aus den Messkurven zu den Sinustönen ersichtlich (Bild 21).

Werden künstliche Paketverluste von 5 % im Übertragungskanal erzeugt, zeigen sich deutliche Auswirkungen auf die Sinuskurve. Diese Fehler sind allerdings in den übermittelten Sprachproben nicht hörbar. Dieser scheinbare Widerspruch hat wahr-scheinlich seine Ursache darin, dass der im Endgerät integrierte Verschleierungsal-gorithmus für den Ersatz fehlender Pakete für Sprachsignale, aber nicht für reine Si-nussignale optimiert wurde (Bild 22).

Bei Paketverlusten von 15 % erhöhen sich die Fehler im Übertragungskanal. Diese wirken sich jedoch nicht gravierend auf die Sprachqualität aus. Die Sinussignale zeigen öfter Einbrüche der Amplitude. Die Hörproben (Übermittlung der Sprachsig-nale) waren zwar noch immer verständlich, aber es traten hörbare Beeinträchtigungen der übermittelten Sprachinformationen auf (Bild 23).

BILD 21: Sinussignale mit Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 0 %

BILD 22: Sinussignale mit Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 5 %

BILD 23: Sinussignale mit Delay: 200 ms Jitter: 80 ms Paketverlust: 15 %

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust22

9.2.2 Client 1b

(Softphone des Herstellers 1)Der Client 1b (selber Hersteller wie Client 1a) basierte auf einem Softphone, das auf einem Windows-Laptop installiert wurde. Ohne Paketverlust im Übertragungskanal war eine sehr gute Verständigung möglich. Die Sinussignale zeigten nur kleine Beein-trächtigungen, die jedoch nicht hörbar waren (Bild 24).

Werden 5 % Paketverluste auf dem Übertragungskanal erzeugt, machen sich die-se noch weniger als beim Client 1a bemerkbar. Die Messkurven der Sinustöne lassen sich daher kaum von den Messkurven ohne Paketverlust unterscheiden. Dies entspricht auch dem subjektiven Eindruck bei den Sprachproben, denn hier wurde eine sehr gute Verständigung festgestellt (Bild 25).

Auch bei 15 % Paketverlusten war mit diesem VoIP-Client immer noch eine gute Verständigung möglich, auch wenn sich hier kleine Störungen bemerkbar machten. Die Bilder zu den Sinustönen zeigen ähnliche Effekte wie Client 1a mit den gleichen Störungen (Bild 26).

BILD 24: Sinussignale mit

Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 0 %

BILD 25: Sinussignale mit

Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 5 %

BILD 26: Sinussignale mit

Delay: 200 ms Jitter: 80 ms Paketverlust: 15 %

23VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

9.2.3 Client 2

(VoIP-Client des Herstellers 2 auf einem Samsung-Smartphone)Beim VoIP-Client 2 handelte es sich um einen VoIP-User-Agent für Android-Smart-phones. Dieser VoIP-Client zeigte bereits ohne Paketverlust deutliche Beeinflussungen der Sprachverständlichkeit.

In Bild 27 sind bereits bei den Sinussignalen verschiedene Störungen erkennbar. Neben der geringfügigeren Amplitudenmodulation sind Phasensprünge im Signal sichtbar. Die Verzögerungszeit von 150 ms plus einem Jitter von 50 ms führt hier bereits zu Paketverlusten. Diese werden jedoch vom Client aufgrund seines Veschleierungs-algorithmus wieder ausgeglichen (Bild 27).

Bei einer Paketverlustrate von 5 % zeigen sich die gleichen Beeinträchtigungsmus-ter, und die Sprachverständlichkeit ist merklich beeinträchtigt (Bild 28).

Die Störungen treten bei 15 % Paketverlust verstärkt auf und resultieren in einer nicht mehr akzeptablen Verständigung (Bild 29 und 30).

BILD 27: Sinussignale mit Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 0 %

BILD 28: Sinussignale mit Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 5 %

BILD 29: Sinussignale mit Delay: 200 ms Jitter: 80 ms Paketverlust: 15 % (1)

BILD 30: Sinussignale mit Delay: 200 ms Jitter: 80 ms Paketverlust: 15 % (2)

VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust24

9.2.4 Client 3

(VoIP-Client des Herstellers 3 auf einem iPhone)Der Client 3 ist eine Applikation für das iOS-Betriebssystem. Ohne Paketverluste zeig-te der Client 3 eine sehr gute Sprachübertragung (Bild 31). Die Messkurven der Sinus-signale zeigen nur eine sehr geringe Amplitudenmodulation (vergleichbar mit Client 1a und 1b).

Bei 5 % Paketverlust zeigen die Messkurven der Sinussignale, dass der Client 3 keine Maßnahmen zur Verschleierung der Paketverluste zur Verfügung stellt. Die durch die Paketverluste verloren gegangenen RTP-Pakete fehlen logischerweise auch beim Empfänger. Dies macht sich auch bei den Sprachproben bemerkbar. Trotz der Fehler auf dem Übertragungskanal war eine Verständigung noch möglich (Bild 32).

Bei höheren Paketverlusten fehlen immer häufiger Teile des Signals, die durch den Client 3 nicht ersetzt werden. Aus diesem Grund werden auch die Lücken bei den Sprachproben deutlich hörbar und wirken sehr störend (Bild 33).

BILD 31: Sinussignale mit

Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 0 %

BILD 32: Sinussignale mit

Delay: 150 ms Jitter: 50 ms Paketverlust: 5 %

BILD 33: Sinussignale mit

Delay: 200 ms Jitter: 80 ms Paketverlust: 15 %

25VoIP-Terminals und Sprachqualität – Untersuchungen zum Verhalten bei Paketverlust

10 Literatur

Hein, M.; Siegmund, G.: VoIP-Anwendungen überraschen durch nicht dokumentierte Schummel-Features. Funkschau, www.funkschau.de/telekommunikation/artikel/103197, Nov. 2013.Siegmund, G.: Technik der Netze, Band 2. SIP in NGN und IMS. 7., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. VDE-Verlag Berlin, Offenbach, 2014. ISBN: 978-8007-3474-0.Siegmund, G.: VoIP-Telefone, Paketverlust und Sprachqualität, VAF-Report 1/2013, 36. Jahrgang, VAF Bundesverband Telekommunikation e.V., 2013, Hilden.Siegmund, G.: Sprach-Codecs: Es muss nicht immer G.711 sein, VAF-Report 2/2013, 36. Jahrgang, VAF Bundesverband Telekommunikation e.V., 2013, Hilden.

VAF Bundesverband Telekommunikation e.V.Otto-Hahn-Str. 16, 40721 Hildenwww.vaf-ev.de