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1 ZUSAMMENFASSUNG „Der Kern meiner Aussage ist, dass eine enge und kausale Beziehung be- steht zwischen den Erfahrungen eines Individuums mit seinen Eltern und seiner späteren Fähigkeit emotionale Bindungen einzugehen.“ (Bowlby, 1979, S.135) Haben die Erfahrungen, die eine Person in der Kindheit mit ihren Eltern gemacht hat, und die Art, wie diese Erfahrungen aktuell mental repräsentiert sind, einen Einfluss darauf, wie sich diese Person in ihrer Partnerschaft ver- hält bzw. welchen Blick sie auf die Beziehung hat? Diese Frage ist alt und existiert in der Geschichte der Psychologie schon lange. Bereits Sigmund Freud (1953) sah in der frühen Mutter–Kind–Beziehung einen Prototyp für spätere emotionale Beziehungen – das ist die so genannte Prototyp–Hypo- these. Wie die Übertragung vonstatten gehen soll, wird bei Freud allerdings nicht genauer spezifiziert. John Bowlby (1969/1982) hat die Prototyp–Hy- pothese in seine Bindungstheorie übernommen und sie von ihrer Mystik befreit, indem er die Existenz von internalen Arbeitsmodellen vorschlug. Diese Arbeitsmodelle sollen Vorstellungen von sich selbst und Anderen in sozialen Beziehungen beinhalten, die ihren Ursprung in der frühen Interak- tion mit Bindungsfiguren haben und fortwährend das Denken und Handeln einer Person leiten (Fremmer-Bombik, 1995). Heutzutage stützen viele Forschungsbefunde die Annahme solcher Ar- beitsmodelle oder auch Beziehungsschemata (vgl. Baldwin, 1992). Und doch bleiben viele Fragen bezüglich der so genannten Prototyp–Hypothese weitgehend ungeklärt: Gibt es ein generelles Arbeitsmodell aller emotiona- len Beziehungen oder mehrere beziehungsspezifische Arbeitsmodelle (z.B. Asendorpf, Banse, Wilpers & Neyer, 1997)? In welcher Hinsicht nehmen alte Erfahrungen Einfluss auf neue Beziehungen (z.B. Treboux, Crowell & Waters, 2004)? Welche zugrunde liegenden Mechanismen greifen dabei, und wie kann man diese erfassen (z.B. Waters, Crowell, Elliott, Corcoran & Treboux, 2002)? Beeinflussen sich die Modelle von Partnern in einer Beziehung gegenseitig? Finden sich Personen mit ähnlichen Arbeitsmodel- len überzufällig häufig in (Ehe–)Beziehungen zusammen (z.B. Owens et al., 1995)? Diese und weitere Fragen sollen im Rahmen der vorliegenden Dissertation beleuchtet und aufgrund empirischer Ergebnisse beantwortet werden. 17

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1 ZUSAMMENFASSUNG„Der Kern meiner Aussage ist, dass eine enge und kausale Beziehung be-steht zwischen den Erfahrungen eines Individuums mit seinen Eltern und seiner späteren Fähigkeit emotionale Bindungen einzugehen.“ (Bowlby, 1979, S.135)

Haben die Erfahrungen, die eine Person in der Kindheit mit ihren Eltern gemacht hat, und die Art, wie diese Erfahrungen aktuell mental repräsentiert sind, einen Einfl uss darauf, wie sich diese Person in ihrer Partnerschaft ver-hält bzw. welchen Blick sie auf die Beziehung hat? Diese Frage ist alt und existiert in der Geschichte der Psychologie schon lange. Bereits Sigmund Freud (1953) sah in der frühen Mutter–Kind–Beziehung einen Prototyp für spätere emotionale Beziehungen – das ist die so genannte Prototyp–Hypo-these. Wie die Übertragung vonstatten gehen soll, wird bei Freud allerdings nicht genauer spezifi ziert. John Bowlby (1969/1982) hat die Prototyp–Hy-pothese in seine Bindungstheorie übernommen und sie von ihrer Mystik befreit, indem er die Existenz von internalen Arbeitsmodellen vorschlug. Diese Arbeitsmodelle sollen Vorstellungen von sich selbst und Anderen in sozialen Beziehungen beinhalten, die ihren Ursprung in der frühen Interak-tion mit Bindungsfi guren haben und fortwährend das Denken und Handeln einer Person leiten (Fremmer-Bombik, 1995).

Heutzutage stützen viele Forschungsbefunde die Annahme solcher Ar-beitsmodelle oder auch Beziehungsschemata (vgl. Baldwin, 1992). Und doch bleiben viele Fragen bezüglich der so genannten Prototyp–Hypothese weitgehend ungeklärt: Gibt es ein generelles Arbeitsmodell aller emotiona-len Beziehungen oder mehrere beziehungsspezifi sche Arbeitsmodelle (z.B. Asendorpf, Banse, Wilpers & Neyer, 1997)? In welcher Hinsicht nehmen alte Erfahrungen Einfl uss auf neue Beziehungen (z.B. Treboux, Crowell & Waters, 2004)? Welche zugrunde liegenden Mechanismen greifen dabei, und wie kann man diese erfassen (z.B. Waters, Crowell, Elliott, Corcoran & Treboux, 2002)? Beeinfl ussen sich die Modelle von Partnern in einer Beziehung gegenseitig? Finden sich Personen mit ähnlichen Arbeitsmodel-len überzufällig häufi g in (Ehe–)Beziehungen zusammen (z.B. Owens et al., 1995)? Diese und weitere Fragen sollen im Rahmen der vorliegenden Dissertation beleuchtet und aufgrund empirischer Ergebnisse beantwortet werden.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Die empirische Basis der Dissertation bildet der Datensatz der DFG–ge-förderten Studie Was hält Ehen zusammen? – Bedingungen und Konsequen-zen ehelicher Stabilität (WHEZ–Projekt (Schneewind, Wunderer, Erkelenz, Ewald & de Haen, 2004)). Im Rahmen des Projektes wurden im Frühjahr 2001 insgesamt 663 Paare in den alten Bundesländern zu ihrer Langzeitehe mit Hilfe von Fragebögen befragt. Es wurde überprüft, wie viel Einfl uss ausgewählte Modellkomponenten (z.B. Persönlichkeit, persönliche Bezie-hungsgeschichte, gemeinsame Beziehungsgeschichte, Zukunftserwartun-gen) auf die Zielvariablen wahrgenommene Positivität und Konfl iktkompe-tenz haben.

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde im Anschluss an eine zweite Fragebogen–Erhebungswelle des WHEZ–Projektes 2003 mit einer Teilstichprobe (n= 60) eine vertiefende Interview–Studie durchgeführt. In dieser Arbeit wird die Transmission von frühen Beziehungserfahrungen (persönliche Beziehungsgeschichte) auf die Gestaltung und Wahrnehmung der Ehe–Beziehung untersucht (gemeinsame Beziehungsgeschichte).

Es wurde mit beiden Ehepartnern getrennt voneinander das Adult Attach-ment Interview (AAI) (George, Kaplan & Main, 1985/2001) sowie das Cur-rent Relationship Interview (CRI) (Crowell & Owens, 1998) durchgeführt. Beides sind halbstrukturierte Interviews aus der Bindungsforschung. Das AAI bildet zuverlässig die aus der Bewertung von Kindheitserfahrungen resultierende generelle Bindungsrepräsentation ab. Das CRI erfasst die spe-zifi sche Bindungsrepräsentation der aktuellen Paarbeziehung.

Neben den Zusammenhängen zwischen den generellen und spezifi schen Arbeitsmodellen wurden auch Einfl üsse auf die selbst eingeschätzte Ehe–Qualität geprüft. Die untersuchten Zusammenhänge werden sowohl auf individueller als auch auf Paar–Ebene (mittels des Actor–Partner–Interak-tions-Modells, APIM (Kashy & Kenny, 2000)) betrachtet.

Es konnte gezeigt werden, dass sowohl der mentale Verarbeitungszustand von frühen Bindungserfahrungen als auch die Güte der berichteten Kind-heitserfahrungen einen Einfl uss auf die Bindungssicherheit der Paar–Bezie-hung haben. Kohärenz und positive berichtete Erfahrungen (AAI) wirken sich positiv auf Sicherheit, Refl exionsfähigkeit und berichtete Realität der Ehe aus.

Es wurden sowohl Effekte des eigenen generellen Arbeitsmodells von Bindung (AAI) als auch des Arbeitsmodells des Partners auf die spezifi -sche Partnerschaftsbindungsrepräsentation (CRI) nachgewiesen, wobei Ge-schlechterunterschiede festgestellt wurden.

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1 Zusammenfassung

Weiterhin sagten sowohl die spezifi sche Partnerschaftsbindungsreprä-sentation (CRI) als auch die generelle Bindungsrepräsentation (AAI) die Wahrnehmung der Ehe–Qualität beider Partner vorher. Mittels Pfadanaly-sen wurde der Einfl uss von Idealisierungstendenzen in der Darstellung der Paar–Beziehung auf die Angaben bezüglich der Ehe–Qualität herausgear-beitet.

Ein kohärenter mentaler Verarbeitungszustand bezüglich der eigenen Bin-dungsgeschichte (auch von Seiten des Partners) wirkt sich bei den Frauen der Stichprobe positiv auf die Einschätzung der eigenen Ehe aus

Das methodische Vorgehen und ausgewählte Ergebnisse werden abschlie-ßend kritisch diskutiert und in die bestehende Forschungslandschaft inte-griert.

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2 THEORIE

2.1 Einführung

Wer einen Blick in die Literatur zu theoretischen Grundlagen von Paarbe-ziehungen wirft, sieht sich einer Fülle von Theorien, Modellen und Hy-pothesen gegenüber, die durch unzählige Schlagworte und Autorennamen teilweise nur notdürftig voneinander unterschieden werden. Bei genauerer Betrachtung ist diese Vielfalt der Paartheorien jedoch plausibel, denn über-wiegend handelt es sich hier nicht um alternative Erklärungen desselben Phänomens, sondern um die Thematisierung verschiedenster Aspekte von Paarbeziehungen. Während sich manche Strömungen mehr mit der Frage beschäftigen, warum Individuen bestimmte Partner wählen (z.B. evoluti-onspsychologische und psychoanalytische Ansätze), konzentrieren sich an-dere mehr darauf, welche Prozesse während einer Beziehung ablaufen (z.B. kognitiv–behaviorale Ansätze) oder warum manche Beziehungen aufrecht erhalten werden und andere nicht (z.B. austauschtheoretische Ansätze, sys-temische Ansätze).

Vor dem Hintergrund einer immer dominanter werdenden Sicht von menschlicher Entwicklung als einem dynamisch–interaktionistischen bzw. transaktionalen Geschehen, wurden in jüngerer Zeit eine Reihe von Rah-menmodellen konstruiert, die mehrere theoretische Ansätze miteinander vereinen (vgl. z.B. Bradbury & Fincham, 1989; Karney & Bradbury, 1995; Schneewind & Wunderer, 2003b). Sie betonen weniger die Struktur von Paarbeziehungen, sondern heben die prozessorientierte Perspektive hervor. Um die Fragestellungen der vorliegenden Dissertation im Gesamtkontext der Paarbeziehungsforschung zu verorten, wird zunächst das integrative Rahmenmodell der Paarbeziehungsentwicklung nach Schneewind (1997) dargestellt. Es kann als forschungsleitende Grundlage des Projektes ange-sehen werden.

Die Bindungstheorie John Bowlbys bildet den theoretischen Kern die-ser Dissertation. Sie liefert unter anderem Annahmen zu allen genannten Teilaspekten von Paarbeziehungen (Partnerwahl, Paar–Interaktion, Bezie-hungsverläufe). Deshalb werden die Grundannahmen der Bindungstheorie erläutert, mit einem Schwerpunkt auf emotionsregulierenden Mechanismen von Bindungssicherheit und dem Konstrukt des internalen Arbeitsmodells.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Die Bindungstheorie wird auf ihren Erklärungswert hinsichtlich der Pro-zesse in Paar–Beziehungen geprüft, und normative Aspekte der Bindungs-entwicklung in Partnerschaften werden dargestellt. Es werden Überlegun-gen zu der Existenz genereller und spezifi scher Arbeitsmodelle und deren Stabilität und Kontinuität angestellt.

Es folgt eine Zusammenfassung aktueller Forschungsbefunde zum The-ma Bindung und Partnerschaft, wobei besonders auf Konvergenzen und Divergenzen zwischen den unterschiedlichen Forschungstraditionen (imp-lizite versus explizite Verfahren) eingegangen wird.

Anschließend wird der Einfl uss von Bindungssicherheit auf die Qualität von Partnerschaften (Ehezufriedenheit, Konfl iktkompetenz, der Umgang mit Belastungen) beleuchtet. Unter Berücksichtigung der erarbeiteten the-oretischen und empirischen Zusammenhänge wird zuletzt das systemische Modell der Bindungssicherheit in Paarbeziehungen von Mikulincer, Flori-an, Cowan und Cowan (2002) vorgestellt, und es werden Fragestellungen und Hypothesen der vorliegenden Untersuchung daraus abgeleitet.

2.2 Das integrative Rahmenmodell der Paarbeziehungsentwicklung von Schneewind –Einordnung der Untersuchung

Das integrative Rahmenmodell der Paarbeziehungsentwicklung von Schnee-wind (1997) wurde als forschungsleitendes Modell für die vorliegende Dissertation herangezogen und wird zur Einordnung der Fragestellung im Folgenden vorgestellt: Es handelt sich um ein Prozess–Person–Kontext–Modell, d.h. es werden neben den Veränderungsprozessen der individuellen Merkmale der sich entwickelnden Person auch Merkmale des Entwick-lungskontextes berücksichtigt (siehe Abb.1).

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2 Theorie

Abbildung 1: Das integrative Rahmenmodell der Paarentwicklung von Schneewind (1997, S.10) – unter Hervorhebung der in die-ser Dissertation untersuchten Komponenten

Im Zentrum des Modells steht die Paarbeziehung mit proximalen Vari-ablen wie der Paar–Kommunikation. Wie eine Person sich in dieser Be-ziehung verhält und diese wahrnimmt, hängt einerseits von persönlichen Faktoren ab (Persönlichkeit, Werthaltungen, Lebensstil), die wiederum von der persönlichen Beziehungsgeschichte der Person und der gemeinsamen Beziehungsgeschichte des Paares geprägt werden. Zusätzlich ist der mate-rielle und soziale Kontext, in dem sich das Paar bewegt, (Finanzielle Res-sourcen, Arbeitssituation, Kinder etc.) als distale Einfl ussgröße maßgeblich an der Entwicklung der Beziehung beteiligt, ebenso wie die paarbezogenen Erwartungen und die Erfüllung von Entwicklungsaufgaben über die Zeit. Das integrative Rahmenmodell umfasst also insgesamt drei kontextuelle Ebenen: den proximalen Kontext (die Paarebene), den distalen Kontext (die Personen–Ebene und materielle und soziale Rahmenbedingungen) und den zeitlichen Kontext.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Für die vorliegende Arbeit sind alle drei Ebenen von Bedeutung: Es wer-den Einfl üsse von der persönlichen Beziehungsgeschichte, (Personen–Ebe-ne, sozialer Kontext, Vergangenheit) auf die gemeinsame Beziehungsge-schichte (Paarebene, Vergangenheit und Gegenwart) und die Wahrnehmung der Ehe untersucht.

Um die persönliche Beziehungsgeschichte zu erfassen, wurde –unter Rückgriff auf die Bindungstheorie– das generelle Arbeitsmodell von Bin-dung beider Partner erhoben. Diese Repräsentation früher Bindungserfah-rungen besteht aus bewussten und unbewussten Anteilen und beinhaltet grundlegende Vorstellungen bezüglich Nähe und Distanz (Bindung und Au-tonomie), die lebenslang die Gestaltung enger Beziehungen mitbestimmen (Bretherton, 1995). Es wird angenommen, dass ein positiver persönlicher Erfahrungshintergrund bezüglich enger Beziehungen (bzw. die Integration der eigenen Geschichte) positiv auf die Sicht der gemeinsamen Beziehungs-geschichte und den Aufbau einer sicheren Bindung an den Partner wirkt.

Um die gemeinsame Beziehungsgeschichte des Paares aus der Sicht bei-der Partner zu operationalisieren, wird ein weiteres spezifi sches internales Arbeitsmodell angenommen, welches mental die aktuelle Partnerschaft repräsentiert. Die so genannte Partnerschaftsbindungsrepräsentation (Cro-well, Fraley & Shaver, 1999) beinhaltet bindungsrelevanten Aspekte der Ehe, wie das Konzept des Partners als sichere Basis bei Herausforderungen oder das Konzept des Partners als sicheren Hafen bei Belastungen (Waters et al., 2002).

Der in diesem Projekt untersuchte Part des integrativen Rahmenmodells ist in Abbildung 1 fl ächig hinterlegt, um den teilweise unbewussten, psy-chodynamischen Charakter der internalen Arbeitsmodelle (im Vergleich zu den bewusst wahrgenommenen und subjektiv geäußerten Selbsteinschät-zungen) zu unterstreichen. Sowohl die persönliche, als auch die gemeinsa-me Beziehungsgeschichte haben ihren Ursprung in der Vergangenheit und wirken bis in die Gegenwart der Paarbeziehung hinein, was durch die Pfeil-struktur der Hervorhebung verdeutlicht werden soll.

Die Fragen, die im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden sollen, lau-ten demnach: Inwiefern beeinfl ussen sich die persönlichen Beziehungsge-schichten (die generellen Bindungsrepräsentationen) beider Partner sowie die Sicht der gemeinsamen Beziehungsgeschichte (die spezifi schen Partner-schaftsbindungsrepräsentationen) gegenseitig? Und inwiefern beeinfl ussen die persönlichen Beziehungsgeschichten und die gemeinsame Beziehungs-geschichte die aktuelle Einschätzung der Ehe–Qualität? Die Ehe–Qualität

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2 Theorie

wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation mittels Selbsteinschätzun-gen bezüglich der Ehe–Zufriedenheit, der eigenen Konfl iktkompetenz und der Konfl ikthaftigkeit in der Beziehung erhoben.

2.3 Die Bindungstheorie als Erklärungsgrundlage für Prozesse in Paarbeziehungen

In dieser Dissertation interessieren diejenigen Aspekte der Ehebeziehung, die ihre Wurzeln in der Kindheits– und Familiengeschichte beider Partner haben. Es gilt herauszufi nden, inwiefern die Repräsentation bindungsre-levanter Erfahrungen Einfl uss auf die heutige Sicht der Ehe hat. Um den gedanklichen Brückenschlag von der asymmetrischen Eltern–Kind–Bezie-hung der Vergangenheit zur symmetrischen Partnerbeziehung der Gegen-wart nachvollziehen zu können, wird im Folgenden die Bindungstheorie (Bowlby, 1969/1982, 1976, 1979) in ihren Grundzügen dargestellt.

2.3.1 Grundlagen der Bindungstheorie

Die Theorie: John BowlbyBegründer der Bindungstheorie ist der britische Psychoanalytiker und

Kinderpsychiater John Bowlby (1907-1990). Im Mittelpunkt seiner The-orie steht die Eltern–Kind–Bindung. Bowlby beschreibt die Interaktion zwischen Kleinkind und primärer Bezugsperson aufgrund der Erkenntnisse aus der Evolutionstheorie und bezieht Ethologie, Entwicklungspsycholo-gie, Kognitionswissenschaften, Kontrolltheorie und Psychoanalyse mit ein (Cassidy, 1999). Die zentrale Annahme der Bindungstheorie ist die, dass die Mutter–Kind–Beziehung durch phylogenetisch angelegte Verhaltens-systeme gesteuert wird, welche die Nähe zwischen Mutter und Kind mit Hilfe des Bindungsverhaltens sichern und regulieren (Bowlby, 1976, 1979). Das kindliche Bindungsverhalten fi ndet in dem Fürsorgeverhaltenssystem der Betreuungsperson seine Entsprechung (Bowlby, 1969/1982, zitiert nach Cassidy 1999). Aufgrund der Korrespondenz von kindlicher Suche nach Geborgenheit und mütterlicher Fürsorge bildet sich eine Bindungsbezie-hung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie persistierend wirkt und per-

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

sonenspezifi sch ist. Bindung wird demnach defi niert als ein affektives Band zwischen zwei Personen, welches Zeit und Raum überdauert (Ainsworth, 1985a; Bowlby, 1969/1982).

Die Empirie: Mary AinsworthMary Ainsworth (1913-1999) gilt als die bedeutendste Schülerin Bowlbys.

Sie übertrug die theoretischen Postulate der Bindungstheorie in die Praxis und untersuchte zuerst in Uganda und dann in den USA prospektiv die Bin-dungsentwicklung von Säuglingen in ihren Familien (Ainsworth, 1963, 1977). Mary Ainsworth konnte sowohl in Uganda als auch in Baltimore beobachten, dass bei einer (drohenden) Trennung das Bindungsverhaltens-system des Kindes aktiviert wird (ebenso bei Müdigkeit, Schmerzen, Angst, Krankheit) und es Nähe und Kontakt zur Bindungsperson sucht. Die Bin-dungsperson kann als sichere Basis wirksam werden, die Schutz bei Gefahr und Sicherheit zur Exploration im Ruhezustand bietet (Ainsworth, 1985b). Man kann sich das Verhältnis zwischen Bindungs- und Explorationsbedürf-nis wie folgt vorstellen (siehe Abb.2):

bei Missbehagen

bei Wohlbefinden

Bindung

Exploration

Bindung

Exploration

Abbildung 2: Das Konzept der Bindungs-Explorations-Balance (nach Grossmann & Grossmann, 2004, S. 133)

Die beiden Systeme sind wie eine Wippe miteinander verbunden: wenn ein System aktiviert ist, ist das andere deaktiviert. Ob und in welchem Aus-

bei Missbehagen

bei Wohlbefinden

Bindung

Exploration

Bindung

Exploration

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2 Theorie

maß die Bindungsperson auf die Bindungsbedürfnisse des Kindes eingeht, wird nach Ainsworth, Blehar, Waters und Wall (1978) durch ihre Feinfüh-ligkeit bestimmt.

Je nach den Erfahrungen mit der Bindungsperson und dem Temperament des Kindes (Pauli-Pott & Bade, 2002) bilden sich innerhalb des ersten Le-bensjahres die verschiedenen Bindungsverhaltensmuster aus, die im stan-dardisierten Fremde–Situation–Test mit 18 Monaten bestimmt werden kön-nen (Ainsworth et al., 1978).

Bindungsmuster bei KleinkindernDer Fremde–Situation–Test ist ein Verfahren, bei dem eine zweimali-

ge Trennung und Wiedervereinigung zwischen Mutter und Kind in einer fremden Umgebung und im Beisein einer fremden Person inszeniert wird (Ainsworth et al., 1978). Die Situation soll das Bindungssystem der Kinder aktivieren. Der Ablauf ist standardisiert und besonders die Episoden der Wiedervereinigung sind entscheidend für die Bestimmung des Bindungs-musters der Kinder (Grossmann et al., 1997).

Sicher-gebundene Kinder (Gruppe B) nützen ihre Bindungsperson als si-chere Basis; in Trennungssituationen sind diese Kinder gestresst, begrüßen aber bei der Wiedervereinigung die Bindungsperson aktiv und fi nden nach einer Beruhigungsphase zum Spiel zurück.

Die Kinder mit einer unsicher-vermeidenden Bindungsqualität (Gruppe A) explorieren viel und ausdauernd, zeigen minimale Stressanzeichen und vermeiden bei der Wiedervereinigung mit der Bindungsperson den Blick- und/oder Körperkontakt.

Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindungsorganisation (Gruppe C) sind durch die Trennung und die fremde Umgebung sehr stark gestresst. Bei der Rückkehr der Bindungsperson zeigen diese Kinder widersprüchliches Ver-halten, indem sie Kontakt suchen und gleichzeitig ärgerlich diesen Kontakt abwehren. Es tritt keine Beruhigung ein und die Exploration bleibt auch anschließend nachhaltig gehemmt.

Kinder, denen eine kohärente Bindungsstrategie fehlt und die stereoty-pe Bewegungen, ungerichtetes Verhalten, Phasen von Starrheit, Angst oder beiläufi ger Aggression gegenüber der Bezugsperson zeigen, werden (zu-sätzlich) als desorganisiert/desorientiert (D) bezeichnet (Main & Solomon, 1986, 1990).

Eine erstaunliche Erkenntnis ist, dass Bindungsbeziehungen sich auch dann ausbilden, wenn die physiologischen Bedürfnisse nicht befriedigt

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

werden. Kinder binden sich an feinfühlige Personen, aber ebenso an unfein-fühlige oder sogar misshandelnde Eltern (Cassidy, 1999; Crittenden, 1995; Harlow, 1961).

Die Verteilung der genannten Bindungsmuster lässt sich laut Asendorpf (2000) in Stichproben stabiler Mittelschichtfamilien folgendermaßen ein-schätzen: ca. 65% der Kinder zeigen ein sicheres Bindungsmuster in der fremden Situation. Die Quote unsicher-vermeidender Kinder liegt bei ca. 25% und die der unsicher-ambivalenten bei ca. 10%. Die Prävalenz der des-organisierten Zusatzklassifi kation liegt in normalen Stichproben zwischen 15% und 25%.

2.3.2 Bindungssicherheit und Emotionsregulation

Internationale Längsschnitt–Studien haben den Zusammenhang zwischen der Feinfühligkeit der Mutter im ersten Lebensjahr und dem Verhalten des Kindes in der fremden Situation vielfach bestätigt (Ainsworth et al., 1978; Grossmann, Grossmann, Spangler, Suess & Unzner, 1985; Thompson, 1998; Weinfi eld, Sroufe, Egeland & Carlson, 1999), auch wenn dieser Zu-sammenhang schwächer ist als ursprünglich angenommen (De Wolff & van IJzendoorn, 1997) und inzwischen weitere Faktoren identifi ziert wurden, die die Bindungssicherheit des Kindes mit beeinfl ussen (Belsky & Braun-gart, 1991; Pauli-Pott & Bade, 2002).

Nichts desto trotz resultiert aus den Erfahrungen mit der primären Bin-dungsperson im ersten Lebensjahr ein entsprechender Umgang mit den ei-genen Emotionen und ein grundlegendes Verhaltensschema in Belastungs-situationen. In Abbildung 3 ist das Spektrum möglicher Ausprägungen der Aktivierung des Bindungssystems in Abhängigkeit der Erfahrungen mit der primären Bindungsperson im ersten Lebensjahr dargestellt.

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2 Theorie

Abbildung 3: Modell der Emotionsregulation aufgrund der Interaktion mit der Bindungsperson im ersten Lebensjahr

Mütter bindungssicherer Einjähriger sind im Durchschnitt feinfühliger, d.h. sie nehmen die Äußerungen des Säuglings ernst, sind aufmerksam ihm gegenüber, trösten geduldig und fördern Erkundungswünsche (Grossmann & Grossmann, 2004). Das bedeutet, diese Kinder machen die Erfahrung, dass die Aktivierung ihres Bindungssystems eine sofortige Antwort auslöst und in Folge dessen schnell wieder deaktiviert werden kann, um anderen kognitiven und emotionalen Vorgängen Raum zu schaffen (mittlerer Pfeil in Abb. 3). Main (1990) bezeichnet dieses Verhalten als primäre Strategie (d.h. günstigste Strategie) zur Beruhigung des Bindungssystems.

Die Mütter Einjähriger mit vermeidendem Bindungsmuster sind gene-rell unfeinfühliger. Das Besondere an ihren Interaktionen ist ihre deutliche Aversion gegen die Bindungssignale des Kindes (Ainsworth et al., 1978). Andererseits werden alle Explorationen der Umwelt und das Alleinspiel der Kinder von den Müttern in einer vermeidenden Bindungsbeziehung mit Wohlwollen bedacht, allerdings oft in einer einmischenden, bevormunden-den Art (Grossmann et al., 1985). Im ersten Lebensjahr lernen diese Säuglin-ge also einerseits ihren Wunsch nach Nähe und Kontakt stark einzuschrän-

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

ken und werden häufi g in ihrem selbst bestimmten Spiel behindert, was zu Frustration führt, die zu Hause auch durchaus geäußert wird (Ainsworth et al., 1978). In der „gefährlichen“ fremden Situation jedoch zeigen diese Kin-der keinen Ärger, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, zurückgewiesen und zurückgelassen zu werden. Sie bemühen sich, allein zu spielen, um das Wohlwollen der Mutter nicht zu gefährden, allerdings zum Preis einer sehr belastenden Selbstbeherrschung wie physiologische Daten zeigen (Gross-mann & Grossmann, 2004; Spangler & Schieche, 1995). Das Bindungssys-tem wird demnach dauerhaft deaktiviert (linker Pfeil in Abb.3).

Die Mütter von Einjährigen mit unsicher–ambivalenter Bindungsorgani-sation zeigen ihre Unfeinfühligkeit auf eine andere Weise: Ihre Interakti-onen sind selten Reaktionen auf Signale des Kindes, sondern sind für den Säugling oft nicht vorhersagbar. Sie lassen sich von ihren eigenen Stim-mungen leiten und sind zwar ab und zu liebevoll, aber selten, wenn das Kind danach verlangt (Cassidy & Berlin, 1994). Diese Unvorhersagbarkeit im täglichen Umgang lehrt den Säugling, sein Bindungsverhalten äußerst stark und dramatisch zu äußern, um überhaupt Beachtung zu fi nden, das Bindungssystem ist dauerhaft hyperaktiviert (rechter Pfeil in Abb.3).

Die De– bzw. Hyperaktivierung des Bindungssystems sind laut Main (1990) sekundäre Strategien, die im Vergleich zur primären Strategie siche-rer Kinder nur die zweitbeste Lösung des Umgangs mit der Erregung des Bindungssystems darstellen.

In dieser frühkindlichen Phase der Entwicklung sind dennoch alle drei Verhaltensmuster adaptive Anpassungsstrategien an die Umwelt, welche die Wahrscheinlichkeit der Aufrechterhaltung der Bindungsbeziehung ma-ximieren sollen. Laut Bowlby (1976) führen sie im weiteren Entwicklungs-verlauf zu mentalen Repräsentationen vom Selbst und der Bindungsfi gur, die als internal working models (internale Arbeitsmodelle) bezeichnet wer-den und um die es in den folgenden Abschnitten gehen soll.

2.3.3 Internale Arbeitsmodelle

Während des ersten Lebensjahres entwickelt also der Säugling aufgrund seiner Erfahrungen mit jeder einzelnen Bindungsperson Erwartungen darü-ber, ob sie für ihn verfügbar ist und wie sie auf ihn reagieren wird (Bowlby, 1976, 1980). Zunächst sind es einfache Erwartungen in der Form, ob sie Entspannung bringen und das Leid beseitigen können. Etwas später entste-

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hen daraus laut Bowlby generelle Erwartungshaltungen und Vorstellungen von sich und nahe stehenden Anderen in sozialen Beziehungen (Gross-mann & Grossmann, 2004; Main, Kaplan & Cassidy, 1985). Bowlby baute u. a. auf den Erkenntnissen Piagets (Piaget, 1951, 1954) auf, der nachwei-sen konnte, dass Kinder in diesem Alter begreifen, dass Objekte (und auch die Eltern) fortbestehen, wenn sie außer Sichtweite sind (die so genannte Objektpermanenz). So lächeln Kleinkinder beispielsweise schon bevor sie das Gesicht des Spielpartners beim primitiven Versteck–Spiel wieder sehen (Ratner & Bruner, 1978).

Bowlby bevorzugte den Ausdruck internales Arbeitsmodell als Bezeich-nung für diese Erwartungshaltungen, gegenüber statischeren Metaphern wie image (Bild), schema (Schema) oder map (Landkarte), die aus der kogniti-ven Psychologie stammen (vgl. Punkt 2.3.4). Er übernahm den Begriff von einem Vordenker der so genannten künstlichen Intelligenz: Kenneth Craik (1943; zitiert nach Bretherton, 2001). Die Ausdrücke „Arbeit“ und „Mo-dell“ weisen darauf hin, dass ein Individuum seine Repräsentationen mental ablaufen lassen kann, um konkrete Vorhersagen und Pläne auszuarbeiten. Dies ist laut Bowlby möglich, weil Arbeitsmodelle eine Beziehungsstruktur haben, die analog zu tatsächlich erlebten Zusammenhängen in der Umwelt ist und diese vereinfacht mental nachbildet. Um in neuen Situationen nütz-lich zu sein, müssen die Arbeitsmodelle so konstruiert sein, dass man mit ihrer Hilfe neue Modelle von Interaktionen und Beziehungen verarbeiten kann (Bowlby, 1969/1982; Bretherton, 2001).

“Every situation we meet with in life is constructed in terms of the represen-tational models we have of the world, about us and of ourselves. Informati-on reaching us through our sense organs is selected and interpreted in terms of those models, its signifi cance for us and for those we care for is evaluated in terms of them, and plans of action conceived and executed with those models in mind. On how we interpret and evaluate each situation, moreover, turns also how we feel.” (Bowlby, 1980, p.229)

Die Idee internaler Repräsentationen von sozialen Interaktionen ist kei-nesfalls erst durch Bowlby entstanden. Es gibt eine Reihe verwandter Kon-zepte v. a. aus der Sozialpsychologie und der kognitiven Psychologie, die im Rahmen eines Exkurses vorgestellt werden sollen.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

2.3.4 Exkurs: Verwandte Konzepte internaler

Arbeitsmodelle

Die Vorstellungen von verinnerlichten Repräsentationen der eigenen Per-son und der Umwelt, in der man fühlt, denkt und handelt, hat in der Psycho-logie eine lange Tradition. Jean Piaget zum Beispiel nannte sie Schemata (Piaget, 1954): Schemata organisieren und regeln aktiv die Informationen, auf Grund derer man handelt. Auch in den folgenden Jahrzehnten zieht sich eine Reihe ähnlicher Begriffe durch die (v. a. kognitiv-sozialpsycho-logische) Literatur: es wird von interpersonal schemas (Safran, 1990), re-lational models (Mitchell, 1988), relational schemas (Baldwin, 1992; Pla-nalp, 1985) oder mental event representations (Nelson, 1999) gesprochen, um nur einige Beispiele zu nennen (vgl. auch Andersen & Chen, 2002; Mischel & Shoda, 1995). Auch wenn die genannten Konzepte bei genau-erer Betrachtung durchaus wichtige Unterschiede aufweisen, sollen hier ihre Gemeinsamkeiten hervorgehoben und die Grundaussagen extrahiert werden: All diese Begriffe wollen in etwa das gleiche ausdrücken: Men-schen entwickeln kognitive Strukturen, die Regelmäßigkeiten in sozialen Beziehungen abbilden. Diese Abbildungen sollen sowohl

a) Bilder des eigenen Selbst b) des (signifi kanten) Anderen sowie c) Scripts für die erwarteten Interaktionen zwischen dem Selbst und den

Anderen enthalten.

Diese Scripts sind dabei Verallgemeinerungen von wiederholten, tat-sächlich erlebten zwischenmenschlichen Interaktionen (Baldwin, 1992; Schank & Abelson, 1977). Es wird angenommen, dass sie im Langzeitge-dächtnis gespeichert und im Kontext sozialer Aktionen abgerufen werden. Zahlreiche Studien belegen, dass Personen aufgrund solcher Scripts leich-ter (soziale) Informationen wahrnehmen, die mit dem Script oder Schema konsistent sind (Bargh, 1984) bzw. uneindeutige Informationen in einer damit konsistenten Weise interpretieren (z.B. Cohen, 1981; Steele, Steele, Croft & Fonagy, 1999; Suess, Grossmann & Sroufe, 1992). Auch werden leichter solche Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen, die zu dem Schema oder Script passen (z.B. Cantor & Mischel, 1979; Kirsh & Cassi-dy, 1997; Srull & Wyer, 1986).

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2 Theorie

2.3.5 Entstehung internaler Arbeitsmodelle

Der Transfer von einfachen Erwartungen bezüglich einer bestimmten Bin-dungsperson in eine generelle Repräsentation des eigenen Selbst und nahe-stehender Anderer erfordert kognitive, emotionale, sprachliche und physio-logische Integrationsleitungen.

Auf kognitiver Ebene wird angenommen, dass im Laufe der Entwicklung einer Person eine Reihe von mehr oder weniger erfahrungsnahen, abstrak-ten mentalen Schemata entstehen, die im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden (Schank, 1982). Erlebnisse, die im Kurzzeitgedächtnis aktiv sind, werden in verschiedene schematisierte Einheiten unterteilt, welche dann im Langzeitgedächtnis (den bereits existierenden Schemata entsprechend) gespeichert werden können. Schank spricht dabei sowohl von komplexen zusammenfassenden Scripts als auch von Miniscripts (Aktionssequenzen, Rollen, Kausalbeziehungen) (vgl. auch Stern, 1994). Man kann sich die Or-ganisation dieser Einheiten als ein Netzwerk vorstellen, wobei die einzel-nen Bausteine in vielfältiger Weise untereinander verbunden sind. Dieses Netzwerk funktioniert nicht nur als bestehendes Arbeitsmodell, sondern dient auch zur Herstellung neuer Arbeitsmodelle (Bretherton, 2001; Hal-ford, 1993).

Diese Vorstellung vom mentalen Modellbau kann erklären, warum Men-schen sich an unterschiedliche Facetten einer Erfahrung auf verschiedenen Ebenen der Generalisierung erinnern können: Zum Beispiel könnte eine bestimmte Erfahrung eines Kindes mit seiner Mutter zu einem sehr erfah-rungsnahen Schema beigetragen haben, welches in etwa lautet: „Wenn ich weine nimmt sie mich auf den Schoß, ich kann mich an ihre Brust anlehnen, sie redet mit tröstender Stimme, und ich fühle mich beruhigt“. Die gleiche Erfahrung könnte aber auch zum Bau eines allgemeineren Scripts dienen, welches lautet: „Wenn ich mich traurig fühle, wird Mama mich beruhigen“. Dieses Schema kann wiederum eingebettet sein in ein noch allgemeineres, wie zum Beispiel „Meine Mutter ist immer für mich da“. Diese beschriebenen Hierarchien von Schemata entstehen im Laufe der Entwicklung (Anderson, 2001; Waters, Rodrigues & Ridgeway, 1998) und erlauben es Kindern (wenn sie eine sichere Bindungsrepräsentation entwickeln konnten), sich auch dann sicher zu fühlen, wenn die Person nicht körperlich anwesend ist.

In den letzten Jahren wurde vor allem die Rolle des sprachlichen Diskur-ses bei der Konstruktion und Funktion internaler Arbeitsmodelle hervorge-hoben (Grossmann & Grossmann, 2004; Nelson, 1999): Ein Kind zwischen

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zwei und sechs Jahren lernt pro Tag zwischen zwei und acht neue Wörter (Cole & Cole, 1993). Diese Worte, deren Bedeutung ihm vom sozialen Um-feld vermittelt wird, stiften geistige Zusammenhänge zwischen dem Erleb-ten und dem Sprechen darüber. Mit der Entwicklung der Sprache ändern sich zwar die Gefühle nicht, aber die Sprache macht klärende Gespräche über Gefühle und Bedeutungszusammenhänge möglich.

Eine weitere wichtige Komponente bei der Entwicklung generalisier-ter Arbeitsmodelle ist die sich entwickelnde Fähigkeit zu zielkorrigierten Partnerschaften. Zielkorrigiert heißt, dass die frühkindliche Phase der un-mittelbaren, direkten, spontanen Orientierung aller Signale auf die Bin-dungsperson allmählich abgelöst wird von der Betrachtung der jeweiligen Interessen und Motive der Bindungsperson (Bowlby, 1969/1982). Parallel zur Sprachentwicklung wächst also die Fähigkeit zur sozialen Perspekti-venübernahme, d.h. das Kind lernt immer besser, wie man die Ziele Ande-rer durch Argumente im eigenen Interesse verändern kann (Grossmann & Grossmann, 2004). Die Phase beginnt, wenn das Kind in etwa 3 Jahre alt ist; die grundlegende geistige Fähigkeit dazu ist gegen Ende der Vorschulzeit bei allen Kindern entwicklungsmäßig gegeben (DeRosnay & Harris, 2002). Beide Partner der Bindungsbeziehung können nun ihre Absichten kundtun und mit dem anderen über abweichende Vorstellungen verhandeln. Das Kind baut sich ein Bild von sich in der Bindungsbeziehung auf. Einerseits spielt weiterhin die Erreichbarkeit und Zuneigung der Bindungsperson eine Rolle, andererseits aber vor allem seine eigene Person als jemand, der die Zuneigung und Fürsorge der Bindungsperson verdient hat (oder eben nicht). In dieser neuen Dimension der geistigen Bilder von der Qualität der Bezie-hung zwischen sich und der Bindungsperson zeigen sich nun zunehmend die Bindungsqualitäten eines Kindes (Grossmann, 2002).

Zuletzt sollte noch erwähnt werden, dass die genannten ontogenetischen Integrationsleistungen nur durch phylogenetische Vorgaben hirnphysiolo-gischer Art möglich sind (Donald, 1991; Siegel, 1999, 2001). Die verti-kale und die horizontale Integration des Gehirns ist die Voraussetzung für die Verknüpfung emotionaler, kognitiver und motivationaler Inhalte (vgl. Grossmann & Grossmann, 2004). Vertikale Integration bedeutet die neuro-nale Verschaltung der drei übereinander liegenden Gehirnteile: dem reptili-schen Althirn, wo Ur–Emotionen und Funktionen der Lebenserhaltung be-heimatet sind, mit dem Mittelhirn (Paläomammal), das soziale Motive und das limbische System enthält, also die Wahrnehmung innerer Zustände und Gefühle, und mit –drittens– dem sprachlich–bewussten Neuhirn (Neomam-

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2 Theorie

mal) (Porges, 1997; zitiert nach Grossmann & Grossmann, 2004). Zusätz-lich gibt es die horizontale Integration des Gehirns, d.h. die beiden Gehirn-hälften (Hemisphären) sind über den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden. Dabei werden in der linken Hälfte vorwiegend logische Vorgän-ge bearbeitet und gespeichert und in der rechten vorwiegend emotionale In-halte. Sowohl die vertikale als auch die horizontale individuelle Vernetzung des Gehirns wird auf allen Ebenen mit beeinfl usst durch die Rückmeldung von und Interaktion mit (Bindungs–) Personen. Die Art der Rückmeldung beeinfl usst dann die Qualität der Integration der Ebenen: erstens der Orga-nisation von Gefühlen, zweitens der Organisation von Motiven und zielge-leitetem Verhalten und drittens der Organisation von Kognitionen.

2.3.6 Funktionen und Dysfunktionen internaler

Arbeitsmodelle

Erfolgen die geschilderten Integrationsleitungen ohne Probleme, entsteht eine kohärente kognitive Repräsentanz des Selbst in sozialen Beziehungen –ein so genanntes sicheres internales Arbeitsmodell (Bretherton, 2001). Die-ses hilft dem Individuum, seine Welt zu strukturieren, Reaktionen anderer Personen in sein Handeln mit einzubeziehen und so sein eigenes Verhalten optimal an die betreffende Umwelt anzupassen (Bretherton & Munholland, 1999). Wenn jedoch eine Diskrepanz besteht zwischen faktischen Erfahrun-gen und deren Bedeutungszuweisung (durch die Eltern, durch Schweigen, Lügen, Verleugnung, Missinterpretation usw.) kann der Aufbau einer kohä-renten Repräsentation dieser realen Erfahrungen nicht stattfi nden. Die Ge-fühle des Kindes bleiben ohne entsprechende Realität, bzw. die Erfahrungen bleiben ohne kohärente, sprachliche, bedeutsame, internale Repräsentation (Grossmann & Grossmann, 2001; Nelson, 1996). Die Psycholinguistin Ka-therine Nelson meint in diesem Zusammenhang, dass verleugnete Erlebnis-se bzw. Gefühle keine „externale Korrespondenz“ besitzen, wie das bei der sprachlichen Repräsentation von Gegenständen oder anderen Erlebnissen der Fall ist (Nelson, 1999).

Bowlby (1980) ging davon aus, dass ursprünglich besonders zwei Arten von Situationen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Abwehrprozessen füh-ren:

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

„a) wenn das Bindungsverhalten eines Kindes intensiv erregt, aber nicht beschwichtigt, sondern vielleicht sogar bestraft oder von den Eltern lächerlich gemacht wird, weil sie es für unberechtigt halten

b) wenn ein Kind etwas über die Eltern erfahren hat, was es nicht wissen soll, und die Eltern dem Kind aber verbieten, darüber zu sprechen“ (Bowlby, 1980, S. 73)

Die Ängste und Verwirrungen, die diese Widersprüche hervorrufen, kann das Kind vermeiden, indem es die eigene Erinnerung an diese Erlebnisse aus dem Bewusstsein ausschließt. Dies führt laut Bowlby zu zwei miteinan-der nicht übereinstimmenden Arbeitsmodellen (jeweils sowohl vom Selbst, als auch von der Bindungsfi gur). Das eine Modell ist das Gewünschte, das Erlaubte, das von den Eltern sprachlich übermittelte; es bleibt dem Bewusst-sein leicht zugänglich. Das andere, welches auf den tatsächlichen Erlebnis-sen basiert, wird verdrängt, obwohl es weiterhin das Verhalten beeinfl usst – es kommt zu einer Spaltung der Arbeitsmodelle (Bretherton, 2001; Geor-ge & West, 2001). Dieses Phänomen erklärt Bowlby (1980) unter anderem in Anlehnung an Tulvings´ Arbeiten über das semantische und autobiogra-phische Gedächtnis (Tulving, 1972, 1985). Bowlby schlägt vor, dass Kinder die elterlichen Interpretationen der Ereignisse im semantischen Gedächtnis speichern, das eigene Erleben dagegen getrennt davon im autobiographi-schen Gedächtnis (George & West, 2001).

Auch die bereits angesprochene Scripttheorie (Schank, 1982, vgl. Punkt 2.3.5) ist mit diesen Überlegungen kompatibel: Scripts, die dem Bewusst-sein leicht zugänglich sind, könnten im Netzwerk auf niedrigerer Hierar-chie–Ebene separat von widersprüchlichen, unangenehmen Inhalten ge-speichert werden. Die Ereignis–Schemata der alltäglichen Zurückweisung durch die Eltern bleiben auf unintegriertem, abstraktem Niveau gespeichert. Solche Abgrenzungen innerhalb der Schemata–Netzwerke verhindern eine weitere Anpassung der inneren Arbeitsmodelle, neue Information wird nicht mehr optimal verarbeitet und die Umwelt demnach in verzerrter Form wahrgenommen (Bretherton, 2001; Crick & Dodge, 1994).

Abwehr hat also das Ziel, Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken aus-zuschalten, die sonst unerträgliche Ängste und psychologisches Leiden her-vorrufen würden. Somit hat sie auf kurze Sicht adaptive und schützende Funktion (Bretherton, 2001). Werden aber die Aufnahme und Einarbeitung neuer Information in die internalen Arbeitsmodelle behindert, kann das Bin-dungssystem nicht mehr angemessen aktiviert werden, was wiederum zu

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2 Theorie

einer Fehlregulationen der Gedanken und Gefühle führen kann. Aus den vormals adaptiven Anpassungsstrategien des frühen Kindesalters sind nun kognitive Abwehrprozesse geworden, die besonders in Belastungssituati-onen keine optimale Anpassung mehr erlauben. Damit wäre ein wichtiger Transmissionsmechanismus von frühen Interaktionserfahrungen auf die spätere Informationsverarbeitung bzw. Emotionsregulation erklärt.

Inwieweit internale Arbeitsmodelle von Bindung auch in erwachsenen Paarbeziehungen eine Rolle spielen, ist Thema der folgenden Abschnitte.

2.4 Bindung in Paarbeziehungen

“Adults too need someone to look out for them and keep track of them - someone to initiate a search if they fail to show up at the expected time, to care for them when they are sick, dress their wounds, help defend them against external threats, reassure them, and keep them warm at night.” (Ha-zan & Zeifman, 1999, S. 348)

Dass das Bindungsverhaltenssystem in erwachsenen Partnerschaften eine Rolle spielt, wird besonders offenkundig in Zeiten von Krisen, wie z.B. Krankheit, Angst oder Trauer (Hazan & Zeifman, 1999). Gerade dann zei-gen auch Erwachsene die typischen Bindungsverhaltensweisen wie Nähe–Suchen oder Trennungsprotest, die Nutzung des Partners als sicheren Hafen und Trostquelle bei Bedrohung oder als sichere Basis für die Exploration in anderen Lebensbereichen (Feeney & Collins, 2004; Sydow, 2002).

Insgesamt sind mehrere Verhaltenssysteme in erwachsenen Liebesbezie-hungen aktiv: das Reproduktionssystem, das Bindungssystem an den Part-ner und das Fürsorgesystem für den Partner (Ainsworth, 1985a; Hazan & Zeifman, 1999).

Sexuelle Reproduktion ohne Bindung ist zwar möglich, alle Kulturen un-terstützen jedoch die biologische Tendenz zu Fürsorge und Bindung durch Sitten und Regeln, um sicherzustellen, dass Nachkommen versorgt und so-zialisiert und nicht nur produziert werden. Auch wirken zufrieden stellen-de Partnerschaften positiv auf die Gesundheit bzw. stellen Trennung und Scheidung ein Gesundheitsrisiko dar (Hazan & Zeifman, 1999). “Thus, in the course of normative development, the sexual mating, caregiv-ing (parenting) and attachment systems become integrate.” (Hazan & Zeif-man, 1999, S. 337)

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Trotz der Parallelen zwischen der Eltern–Kind–Beziehung und der Part-nerschaft bestehen auch wesentliche und wichtige Unterschiede: Die El-tern–Kind–Beziehung ist normalerweise asymmetrisch (das Kind ist schutz-bedürftig, der Erwachsene bietet Schutz), während zwei Erwachsene im Prinzip gleichrangig agieren und je nach Bedarf eine progressive oder eine regressive Rolle einnehmen können (sollten). D.h. beide Partner können die Rolle des Schutz-Suchenden (Care-Seeker) und die des Schutz-Gebenden (Care-Giver) wechselseitig übernehmen. Die Bindungsfi gur in Paarbezie-hungen stellt also nicht notwendigerweise eine weisere und stärkere Person dar, die Schutz in Gefahrensituationen bieten kann, physischer Kontakt ist nicht unbedingt existenziell, um sich sicher zu fühlen, und auch die Art der Situationen, die Bindungsverhalten hervorruft, ist im Erwachsenenalter anders. Unverändert ist allerdings das Ziel des Bindungsverhaltens: eine sichere Basis, die Quelle von Sicherheit und Schutz ist (Winter & Gross-mann, 2002).

Während den Annahmen der Bindungstheorie zufolge alle Kinder eine Bindung an primäre Bezugspersonen entwickeln und bindungsbezogene interindividuelle Unterschiede dabei nicht die Stärke, sondern die Qualität der Bindung refl ektieren (Ainsworth et al., 1978; Cassidy, 1999) sind Part-nerschaften im Erwachsenenalter nicht notwendigerweise auch Bindungs-beziehungen, was bei der Interpretation von differenziellen Unterschieden berücksichtigt werden muss (Fraley & Shaver, 2000; Hazan, Gur-Yaish & Campa, 2004). Dies ist vor allem vor dem Hintergrund einer der zentralen Annahmen der Bindungstheorie von Bedeutung, der zu Folge Bindungsbe-ziehungen nicht einfach nur stärker sind, sondern sich auch qualitativ von anderen Sozialbeziehungen unterscheiden.

2.4.1 Normative Aspekte von Bindung in

Paarbeziehungen

Welche Merkmale kennzeichnen eine Partnerschaft, die als Bindungsbezie-hung verstanden werden kann? Auf der Verhaltensebene ist eine Paarbezie-hung dann als Bindungsbeziehung zu verstehen, wenn (1) der Wunsch nach Nähe, (2) die Suche nach Unterstützung, Schutz oder Trost bei Belastung, Krankheit oder Überforderung, (3) die intensive Trauer als Reaktion auf Trennungen sowie (4) die Nutzung des Anderen als sichere Basis für Explo-ration vorhanden sind (Bowlby, 1969/1982). Empirische Befunde weisen

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2 Theorie

darauf hin, dass Partnerschaften erst ab einer Dauer von ca. zwei Jahren alle diese Aspekte aufweisen, wobei diese Zeitspanne in Abhängigkeit vom Bin-dungsstil variiert (Doherty & Feeney, 2004; Fraley & Davies, 1997; Hazan & Zeifmann, 1994).

In zwei Untersuchungen konnten einige dieser Verhaltensweisen bei Er-wachsenen ihrem Partner gegenüber in „natürlichen“, potenziell belasten-den Situationen nachgewiesen werden: Nähe–Suchen und Trennungs–Pro-test bei bevorstehender Trennung an einem Flughafen (Fraley & Shaver, 1998) und Nähe–Suchen und Aufsuchen eines sicheren Hafens bei Belas-tung vor einem (vermeintlich) schmerzhaften Experiment (Simpson, Rholes & Nelligan, 1992). Allerdings hängen diese Verhaltensweisen von zu vielen externen Faktoren ab wie der Beziehungsdauer (Fraley & Shaver, 1998), der Dauer der bevorstehenden Trennung (Hazan et al., 2004), ob man derje-nige ist, der geht, oder der, der bleibt, der Grund der Trennung (Vormbrock, 1993), etc., um tatsächlich einen zuverlässiger Marker von Bindung in er-wachsenen Paarbeziehungen darzustellen.

Wie sieht es mit der kognitiven Ebene aus? In erwachsenen Bindungs-beziehungen sollte das mentale Modell von Bindung bzw. vom Partner in belastenden Situationen aktiviert werden. Die Bindungsforschung bedient sich zur Überprüfung dieser These in jüngster Zeit einiger klassischer Ver-fahren aus der Kognitionsforschung, wie dem assoziativen Priming oder impliziten Assoziationstests (vgl. z.B. Maier, 2000; Mikulincer, Gillath & Shaver, 2002; Shaver & Mikulincer, 2002; Zayas & Shoda, 2005). So wurden z.B. bei Priming–Experimenten zuerst ängstigende Reize (Wörter wie Krankheit, Tod, Not) subliminal am Computer dargeboten, und im An-schluss werden die Abrufgeschwindigkeit und die Verfügbarkeit der Namen von Bindungspersonen getestet (Mikulincer, Birnbaum, Woddis & Nach-mias, 2000; Mikulincer, Gillath et al., 2002). Hierbei wurde festgestellt, dass durch ängstigende Reize der Abruf von Namen der Bindungsfi guren erleichtert wird (im Vergleich zu Namen von neutralen Personen) – egal welchen Bindungsstil die betreffende Person hatte.

Neben den genannten behavioralen und kognitiven Korrelaten von Bin-dung in Partnerschaften konnten auch physiologische Reaktionen auf die An– oder Abwesenheit des Partners gefunden werden (z.B. Carter, 1998; Gump, Polk, Kamark & Shiffman, 2001, zitiert nach Hazan et al. 2004). So hat beispielsweise die Anwesenheit des Partners in stressenden Situationen einen beruhigenden Einfl uss auf das autonome Nervensystem (z. B. den vagalen Tonus und den Blutdruck) (Diamond, 2001; Gump et al., 2001;

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Spitzer, Llabre, Ironson, Gellman & Schneiderman, 1992). Auch konnte gezeigt werden, dass bei Männern die Unterstützung durch die Partnerin in einer Stress–Situation zu einem Rückgang der Cortisol–Ausschüttung führt (Kirschbaum, Klauer, Filipp & Hellhammer, 1995). Der direkte Zusammen-hang zwischen Cortisol–Level und Bindung wurde bei Erwachsenen jedoch bisher nicht getestet (Diamond, 2001).

2.4.2 Bindung und Emotionsregulation in

Partnerschaften

Bindung in erwachsenen Paarbeziehungen nimmt also dieselbe emotionsre-gulierende Funktion ein, wie in der frühen Mutter–Kind–Beziehungen (vgl. Punkt 2.3.1), wie die Befunde auf behavioraler, kognitiver und physiologi-scher Ebene zeigen. So dienen Bindungs–Verhaltensweisen in bedrohlichen Situationen der Regulation von Angstgefühlen (Fraley & Shaver, 1998; Simpson et al., 1992), ebenso wie der bessere kognitive Zugriff auf die Na-men von Bindungspersonen bei subliminaler Darbietung ängstigender Rei-ze (Mikulincer, Gillath et al., 2002). Auch physiologische Daten deuten auf einen affektiv beruhigenden Effekt durch Kontakt mit der Bindungsperson hin (Gump et al., 2001).

Shaver und Mikulincer (2002) schlagen folgendes Modell der Aktivie-rung und Dynamik des Bindungssystems im Erwachsenenalter vor (siehe Abbildung 4).

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2 Theorie

Abbildung 4: Modell der Aktivierung und Dynamik des Bindungssystems bei Erwachsenen nach Shaver und Mikulincer (2002, S. 152)

Im ersten Schritt werden Außenreize in Abhängigkeit vom allgemeinen Aktivitäts–Level des Bindungssystems als Bedrohung wahrgenommen und als solche eingeschätzt. Im zweiten Schritt wird die Verfügbarkeit der (in-ternalisierten oder externen) Bindungsfi gur beurteilt. Je nachdem, ob der Option, die Nähe der Bindungsfi gur aufzusuchen, Erfolg beigemessen wird, werden primäre oder sekundäre Strategien eingesetzt, um mit dieser Unsi-cherheit umzugehen. Sichere (primäre) Strategien zeichnen sich dadurch aus, dass bei Aktivierung des Bindungsverhaltenssystems auf eine emotio-nal verfügbare Bindungsperson oder das internalisiertes Bild derselben zu-rückgegriffen werden kann (bzw. die eigenen Kapazitäten zur Bewältigung des Problems als ausreichend eingeschätzt werden), wodurch die Angst ver-ringert wird.

Ist dies nicht der Fall, kommen unsichere (sekundäre) Strategien zum Einsatz, die entweder zu einer Hyperaktivierung oder einer Deaktivierung des Bindungsverhaltenssystems führen. Der wiederholte Gebrauch der se-kundären Strategien wirkt seinerseits hemmend oder stimulierend auf den

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

allgemeinen Aktivitäts–Level des Bindungssystems zurück und beeinfl usst die Wahrnehmungsschwelle neuer potenziell bedrohlicher Reize.

Mikulincer und Shaver (2004) haben das Modell kürzlich um die sichere Selbst-Repräsentanz erweitert, die als Teil des internalen Arbeitmodells aus der Interaktion mit Bindungsfi guren entstanden ist und ausreichen kann, um den Stress zu reduzieren.

2.4.3 Generelle und spezifi sche internale

Arbeitsmodelle

Viel Aufmerksamkeit wurde in der Bindungsforschung in den letzten zehn Jahren der Frage geschenkt, ob es mit zunehmendem Alter ein generali-siertes Arbeitsmodell aller Bindungsbeziehungen gibt oder mehrere bezie-hungsspezifi sche (z.B. Asendorpf et al., 1997; La Guardia, Ryan, Couchman & Deci, 2000; Owens et al., 1995). Gilt die Prototyp–Hypothese, dass sich alle späteren Arbeitsmodelle an dem frühen Eltern–Kind–Modell orientie-ren (Bowlby, 1979) oder werden alte Arbeitsmodelle durch neue Erfahrun-gen überschrieben und modifi ziert?

Für das Kleinkindalter gilt, dass Bindungssicherheit als Merkmal einer bestimmten Dyade und nicht als Persönlichkeitsmerkmal angesehen werden kann (z.B. Grossmann & Grossmann, 2004; z.B. Main & Weston, 1981). Für die Annahme, dass im weiteren Verlauf der Entwicklung ein generalisier-tes Arbeitsmodell von Bindung entsteht, sprechen einerseits Befunde, die ähnliche Muster in den Beziehungen zu Eltern, Lehrern und Freunden im Schulalter fanden (Grossmann, 2002; Ryan, Stiller & Lynch, 1994; Wartner, Grossmann, Fremmer-Bombik & Suess, 1994).

Andere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass verschiedene Bezie-hungen einer Person im Erwachsenenalter (Eltern, Partner, Freunde, Kol-legen) eine hohe intra–individuelle Variabilität aufweisen (Asendorpf et al., 1997; Baldwin, Keelan, Fehr, Enns & Koh-Rangarajoo, 1996). Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass in den genannten Studien nicht nur Bindungsbeziehungen untersucht wurden. Für weniger emotionale Be-ziehungen z.B. im Arbeitsumfeld oder Bekanntenkreis gelten jedoch nicht dieselben zugrunde liegenden Funktionsmuster (z.B. Schutz oder Trost bei Belastung, intensive Trauer als Reaktion auf Trennungen) wie für Bin-dungsbeziehungen (Asendorpf & Wilpers, 2000; Sydow, 2002).

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2 Theorie

Insgesamt deutet der Stand der Forschung darauf hin, dass es eine hierar-chische Organisation mehrerer Arbeitsmodelle gibt, die sich in ihrer Spezi-fi tät unterscheiden (Overall, Fletcher & Friesen, 2003): Zwar bildet sich ei-nerseits mit zunehmendem Alter ein generelles Arbeitsmodell von Bindung, welches frühe Bindungserfahrungen und basale, grundlegende Vorstellun-gen einer Person von sich und Anderen in sozialen Beziehungen beinhaltet; zusätzlich existieren jedoch spezifi sche Arbeitsmodelle aktueller Beziehun-gen (Baldwin et al., 1996; Crowell & Waters, 2005; Fraley & Brumbaugh, 2004; La Guardia et al., 2000; Trinke & Bartholomew, 1997). Dabei können sich das generelle und die speziellen Arbeitsmodelle durchaus gegenseitig beeinfl ussen bzw. die einzelnen Modelle können sich über die Zeit verän-dern, wenn neue Erfahrungen hinzukommen, wie längsschnittliche Befunde zeigen (Crowell & Waters, 2005; Murray, Holmes & Griffi n, 1996a; Wais, Treboux & Waters, 2003).

Insofern wird angenommen, dass es eine Überschneidung der Arbeitsmo-delle gibt, aber dass sie nicht redundant sind. Bisher gibt es wenige Untersu-chungen darüber wie generelle und spezifi sche Arbeitsmodelle zusammen-wirken (Collins, Guichard, Ford & Feeney, 2004). Es bestehen mindestens drei mögliche Formen des Zusammenwirkens die in Abb. 5 vereinfacht dargestellt sind.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Abbildung 5: Mögliche Modelle des Zusammenwirkens von allgemeinem und spezifi schem Arbeitsmodell auf Beziehungsvariablen

Modell 1, das Unabhängigkeitsmodell, schlägt vor, dass das generelle und das spezifi sche Arbeitsmodell einer Person bindungsrelevante Variablen (z.B. Ehe–Zufriedenheit, Kommunikationsstrukturen) auf unabhängigem Wege beeinfl ussen.

Das bedeutet, dass beide Repräsentationen additiv auf das Verhalten und/oder die Wahrnehmung wirken und dass diese Effekte nicht konvergent sein müssen. Zum Bespiel hieße das, dass das Ausmaß, in dem eine Person in der Lage ist Unterstützung zu suchen, sowohl davon beeinfl usst wird, wie sicher oder unsicher sie aufgrund der Verarbeitung früher Bindungserfah-rungen ist (generelle Bindungsrepräsentation) und zusätzlich davon, wie sie die Verfügbarkeit des aktuellen Partners einschätzt (spezifi sche Partner-schaftsbindungsrepräsentation). Die Wirkungskraft des generellen Arbeits-modells wäre also trotz eines parallel bestehenden spezifi schen Arbeits-modells weiterhin aktiv. Empirische Unterstützung fi ndet dieses Modell in den Ergebnissen von Cozzarelli und Mitarbeitern (2000) sowie Pierce und Lydon (2001), die besagen, dass das generelle und das spezifi sche Arbeits-

allgemeinesArbeitsmodell

spezifisches Arbeitsmodell

1. Unabhängigkeitsmodell

2. Moderationsmodell

3. Mediationsmodell

allgemeinesArbeitsmodell

Beziehungsvariablen

spezifisches Arbeitsmodell

Beziehungsvariablen

Beziehungsvariablenspezifisches Arbeitsmodell

allgemeines Arbeitsmodell

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2 Theorie

modell einer Person unterschiedliche abhängige Variablen vorhersagen wie beispielsweise die allgemeine Lebenszufriedenheit einerseits (vorhergesagt durch das generelle Arbeitsmodell) bzw. die Qualität sozialer Interaktionen andererseits (vorhergesagt durch das spezifi sche Arbeitsmodell).

Eine zweite denkbare Möglichkeit ist die, dass generelle und spezifi sche Arbeitsmodelle interaktiv aufeinander einwirken. Modell 2, das Moderati-onsmodell, schlägt vor, dass die Wirkung des allgemeinen Arbeitsmodells auf Beziehungsvariablen moderiert wird durch das spezifi sche Arbeitsmo-dell der aktuellen Beziehung. So könnte eine Person mit unsicherem gene-rellen Arbeitsmodell in einer Beziehung mit einer sicher–gebundenen (und dadurch Sicherheit spendenden) Person gut funktionieren, in einer Bezie-hung mit einer unsicher–gebundenen Person jedoch käme die Vulnerabi-lität durch die unsichere generelle Repräsentation zum Tragen. So zeigen zum Beispiel schwangere Frauen mit unsicherem generellem Bindungsstil, die sich von ihrem Partner wenig unterstützt fühlen, während und nach der Schwangerschaft depressive Symptome und eine Abnahme ehelicher Zu-friedenheit, während Frauen mit unsicherem Bindungsstil, die ihre Männer als unterstützend empfanden, in diesen Bereichen (Depressivität, Ehe–Zu-friedenheit) nicht von Frauen mit sicherem Bindungsstil zu unterschei-den waren (Rholes, Simpson, Campbell & Grich, 2001; Simpson, Rholes, Campbell, Tran & Wilson, 2003).

Sowohl das Unabhängigkeitsmodell (Modell 1) als auch das Moderati-onsmodell (Modell 2) gehen von einer schwachen bzw. gar keiner Korre-lation der beiden Arten von Arbeitsmodellen aus. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass das generelle und das spezifi sche Arbeitsmodell mittelmäßig bis hoch korrelieren, kann man ihr Zusammenwirken am besten als Media-tionsmodell (Modell 3) darstellen:

Demnach würde die Wirkung des generellen Arbeitsmodells von Bindung auf Beziehungsvariablen mediiert durch das spezifi sche Arbeitsmodell der aktuellen Beziehung. Dieses Modell würde beispielsweise vorhersagen, dass Menschen, die ein unsicheres generelles Arbeitsmodell von Bindung haben eher an der Zuneigung ihres aktuellen Partners zweifeln, was wieder-um dazu führen kann, dass sie in der Partnerschaft viel kontrollierendes und misstrauisches Verhalten an den Tag legen. Das Mediationsmodelle wurde bisher in keiner Untersuchung empirisch überprüft.

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

2.5 Die Erfassung internaler Arbeitsmodelle

Aufgrund des vergleichsweise geringen Erhebungs- und Auswertungsauf-wandes bedient sich die überwiegende Mehrheit der Forscher standardisier-ter Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung genereller und spezifi scher internaler Arbeitsmodelle. Es besteht zwar Einigkeit darüber, dass die in-neren Arbeitsmodelle auch außerhalb des Bewusstseins wirksam sind und Selbstbeurteilungsverfahren nur die bewusst–deklarativen Anteile erfassen können, dennoch rechtfertigen Befürworter dieser Methoden ihr Vorgehen damit, dass Personen sich zwar möglicherweise ihrer Abwehrstruktur nicht bewusst sind, sie aber dennoch ihr Verhalten und ihre Gefühle den Eltern oder dem Partner gegenüber zuverlässig einschätzen können, was dann wie-derum Rückschlüsse auf die zu Grunde liegenden psychodynamischen Pro-zesse ermöglicht (Feeney, 2000; Shaver & Mikulincer, 2004).

Ein anderer Zugang ist der, die Repräsentationen mit Hilfe sprachlicher Narrativa in Form von Interviews greifbar zu machen. Dies ist ein Versuch, einen Zugang zu dem hypothetischen Konstrukt des internalen Arbeitsmo-dells mit seinen bewussten und unbewussten Anteilen zu fi nden (Gross-mann & Grossmann, 2004). Dabei macht sich die Forschung eine Fähigkeit zu Nutzen, die ab der kognitiven Entwicklungsstufe der formalen Denkope-ration gegeben ist: Das Individuum ist in der Lage über Gedanken nachzu-denken, also aus dem Bindungssystem gedanklich herauszutreten und seine Funktionsweise quasi von außen zu betrachten (Fremmer-Bombik, 1995).

In den letzten zwanzig Jahren haben sich also zwei –voneinander weit-gehend unabhängige– Forschungstraditionen zum Thema adult (romantic) attachment entwickelt: Auf der einen Seite eine eher sozialpsychologisch orientierte Fragebogen-Forschung und auf der anderen Seite die entwick-lungspsychologisch orientierte interviewbasierte Forschung (einen guten Überblick liefern Shaver und Mikulincer (2002) bzw. Waters et al. (2002)).

Die sozialpsychologisch orientierte Forschung hat ihren Fokus anfangs auf spezifi sche Arbeitsmodelle romantischer Beziehungen gelegt, sie ver-lässt sich in ihren Methoden auf Selbsteinschätzungen und erfasst nur die bewussten Anteile der Bindungsorganisation. Dieser bewusste oder dekla-rative Anteil von internalen Arbeitsmodellen wird Bindungsstil (attachment style) genannt.

Die entwicklungspsychologisch orientierte Tradition befasste sich an-fangs hauptsächlich mit generellen Arbeitsmodellen bzw. mit der Konti-nuität und Stabilität allgemeiner Arbeitsmodelle über den Lebenslauf und

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bezieht dabei auch unbewusste Anteile mit ein. Der Begriff Bindungsreprä-sentation (state of mind/attachment representation) umschreibt das gesamte internale Arbeitsmodell von Bindung mitsamt den unbewussten, prozedura-len Anteilen und kann nur mit Hilfe von ausführlicheren Verfahren wie z.B. Interviews erfasst werden.

Die begriffl iche Abgrenzung zwischen Bindungsstil und Bindungsre-präsentation ist wichtig und wird leider oftmals nicht eingehalten. Obwohl beide Traditionen sich auf den gleichen theoretischen Hintergrund berufen (Bowlby´s Bindungstheorie), gehen sie dennoch nicht selten von divergenten impliziten Annahmen aus, die zum Teil gar nicht mehr explizit konstatiert werden und nur sehr selten empirisch überprüft werden (Sydow, 2001).

Erhebungen und Auswertungen mittels qualitativer, narrativer Methodik sind deutlich zeitaufwendiger und teurer als die Arbeit mit Fragebögen und sie verlangen lange Trainingszeiten bzw. reliabilitätsgeprüfte Auswerter (Gloger-Tippelt, 2001b). Im Gegenzug sprechen einige der Studien dafür, dass diese Methoden reichhaltigere, validere und differenziertere Informati-onen liefern als Fragebogen–Instrumente bzw. dass sie die aus Fragebogen-daten gewonnenen Befunde ergänzen (Bouthillier, Julien, Dubé, Bélanger & Hamelin, 2002; Waters et al., 2002). Bisherige Befunde über Korrelationen zwischen den verschiedenen Messverfahren sind inkonsistent und weisen auf eher geringe Zusammenhänge zwischen Selbstbeurteilungs– und inter-viewbasierten Bindungsmaßen hin (Crowell, Fraley et al., 1999; Shaver, Belsky & Brennan, 2000; Waters et al., 2002).

Bevor diese Divergenzen zwischen den Methoden und Forschungstradi-tionen näher beleuchtet werden, werden im Folgenden der Stand der For-schung sowie die Instrumente beider Traditionen skizziert.

2.5.1 Stand der Forschung zu Bindungsstilen

erfasst durch Fragebögen

Trotz der unter Punkt 2.4 dargestellten engen inhaltlichen Verknüpfung zwischen kindlichem Bindungsverhalten und Bindung in Partnerschaften hat die wissenschaftliche Forschung erst relativ spät damit begonnen, sich überhaupt mit dem Zusammenhang zwischen Bindungsorganisation und Partnerschaft zu beschäftigen. Die ersten Publikationen zu diesem Thema erschienen Ende der 1980er Jahre (Hazan & Shaver, 1987; Shaver & Hazan, 1988; Shaver, Hazan & Bradshaw, 1988). Hazan und Shaver konzeptuali-

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

sierten darin erstmals Liebesbeziehungen explizit als Bindungsbeziehun-gen, die, von frühkindlichen Erfahrungen beeinfl usst, in drei Bindungsstilen münden, welche den Kategorien der fremden Situation angeglichen sind (Feeney, 1999a): Sie übertrugen die Kategorien sicher, unsicher–vermei-dend und unsicher–ambivalent in einen 1–Item–Selbsteinschätzungs–Fra-gebogen, in dem sich Probanden Bindungsprototypen zuordnen müssen (Abb. 6).

Abbildung 6: 1-Item-Selbsteinschätzungs-Fragebogen zur Erfassung des Bindungsstils bei Erwachsenen von Hazan und Shaver (1987) aus Höger (2002)

Die 1–Item–Messung von Hazan und Shaver (1987) wurde vielfach kriti-siert, unter anderem, weil nicht rekonstruierbar ist, wegen welcher Teilaus-sage Menschen sich einem Bindungsstil zuordnen (vgl. Abb. 6) und weil die Möglichkeiten der statistischen Analyse begrenzt sind (Höger, 2002).

Trotz dieser und weiterer Kritik blieb dieser Fragebogen bis heute beliebt und ist häufi g in Studien zur Partnerschaftsbindung eingesetzt worden (Sy-dow, 2001). Bartholomew entwickelte als Erweiterung des 3–Kategorien–Modells von Hazan und Shaver ein 4–Kategorien–Modell, das sich durch

secure (sicher): I find it relatively easy to get close to others and am comfortable depending on them. I don`t often worry about beingabandoned or about someone getting too close to me.

avoidant (vermeidend):I am somewhat uncomfortable being close to others; I find it difficult to trust them completely, difficult to allow myself todepend on them. I am nervous when anyone gets too close, and often, lovepartners want me to be more intimate than I feel comfortable being.

anxious/ambivalent (ängstlich/ambivalent):I find that others are reluctant to get as close as I would like. I often worrythat my partner doesn`t really love me or won`t want to stay with me. I want to get very close to my partner and this sometimes scares peopleaway.

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die Dimensionen Selbstbild (positiv/negativ) und Fremdbild (positiv/nega-tiv) ergibt, und ebenfalls großen Einfl uss auf die weitere Forschung ausüb-te (Bartholomew, 1990; Bartholomew & Horowitz, 1991). Zusätzlich zu diesen kategorialen Maßen wurden verschiedene dimensionale Messinstru-mente entwickelt, die eine Selbst–Einschätzung auf mehreren Dimensionen zulassen (vgl. z.B. Collins & Read, 1990; Simpson, 1990). Insgesamt wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Fülle von Fragebögen entwickelt, die Bindung im Erwachsenenalter messen. (vgl. zusammenfassend Bierhoff und Grau (1999)). Viele davon lassen sich auf zwei orthogonale Faktoren reduzieren, nämlich die Dimensionen Angst (vor Distanz und Trennung) und Vermeidung (von Nähe und Intimität). Das Erleben von übermäßiger Angst ist dabei auf ein negatives Modell des Selbst zurückzuführen, wäh-rend Vermeidung ein negatives Modell des Anderen als nicht verfügbar re-fl ektiert (Carnelley, Pietromonaco & Jaffe, 1996; Collins, 1996).

Andere Forscher aus der sozialpsychologischen Tradition dagegen bevor-zugen eine Sichtweise, in der Angst und Vermeidung als Strategien zur Ver-haltens– und Emotionsregulation konzeptualisiert werden (vgl. Abb. 5 bzw. Fraley & Shaver, 2000; Mikulincer & Shaver, 2004; Mikulincer, Shaver & Pereg, 2003). Hohe Werte in den Dimensionen Angst und/oder Vermeidung lassen auf den habituellen Gebrauch von sekundären Strategien schließen, während ein sicherer Bindungsstil durch wenig Angst und Vermeidung ge-kennzeichnet ist (Mikulincer & Shaver, 2004; Mikulincer et al., 2003). Die-ser Ansatz ist theoretisch besser mit der 3fach–Klassifi kation nach Main (Main & Goldwyn, 1984) zu vereinbaren als das Modell von Bartholomew (1990), da hier beispielsweise nicht vorausgesetzt wird, dass unsicher–ver-wickelte Personen ein positives Bild des anderen haben.

Trotzdem muss an dieser Stelle nochmals auf die geringen und inkonsis-tenten empirisch gefundenen Zusammenhänge zwischen Fragebogen– und Interviewverfahren hingewiesen werden, die eine Integration der Befunde aus diesen beiden Forschungstraditionen derzeit noch nicht zulassen.

Brennan, Clark und Shaver entwickelten 1998 faktorenanalytisch aus hunderten Items vieler Bindungs-Fragebögen einen Fragebogen (Experi-ences in Close Relationships / ECR), der von von Sydow (2001) als das derzeitige Optimum der Fragebogenforschung eingeschätzt wird (Brennan, Clark & Shaver, 1998). Im Folgenden werden einige ausgewählte Ergebnis-se zu differentiellen Unterschieden aus dem Bereich der Bindungsstil–Fra-gebogenforschung dargestellt:

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Bindung und Partnerschaft bei Langzeit-Ehepaaren

Differentielle Unterschiede bezüglich der BindungsstileMenschen, die sich selbst als sicher in ihrer Partnerschaft einschätzen,

geben an, mehr Fürsorgeverhalten (Carnelley et al., 1996; Feeney & Col-lins, 2001; Feeney & Collins, 2004) und konstruktiveres Konfl iktlösungs-verhalten (Pietromonaco, Greenwood & Feldman Barrett, 2004; Pistole, 1989) ihrem Partner gegenüber zu zeigen. Sie können ihre Gefühle in he-rausfordernden Situationen besser äußern, sich beim Partner Schutz holen und haben keine Angst vor Verbundenheit (Feeney & Noller, 1996; Fraley & Shaver, 1998). Sie geben ein größeres allgemeines Wohlbefi nden (Feeney & Noller, 1996) an als Menschen mit unsicherem Bindungsstil und mehr positiven Affekt bezüglich der Beziehung (Simpson, 1990).

Menschen, die sich selbst in ihrer Beziehung als unsicher–vermeidend einschätzen, fällt es schwer, anderen zu vertrauen (Hazan & Shaver, 1987). Ihre Beziehungsqualität ist gekennzeichnet durch ein niedriges herrschen-des Maß an Vertrauen, Zufriedenheit und Interdependenz (Rholes, Simpson & Stevens, 1998). Sie können in angstbesetzten Situationen weniger gut um Hilfe bitten und umgekehrt auch weniger gut Unterstützung bieten, wenn der Partner sie braucht (Fraley & Shaver, 1998; Simpson et al., 1992).

Menschen, die sich selbst als unsicher–verwickelt einschätzen (je nach Fragebogen oft auch als ängstlich–ambivalent bezeichnet), fühlen sich selbst oft missverstanden und nicht hinreichend gewürdigt. Sie empfi n-den das Bedürfnis, mit ihrem Partner zu verschmelzen, erleben ihn aber häufi g als unzuverlässig und distanziert. Gleichzeitig idealisieren sie den Partner (Collins & Read, 1990). Dementsprechend treten häufi ger nega-tive Gefühle auf und weniger Vertrauen und Zufriedenheit, sondern statt dessen verwickelte, eifersüchtige Formen von Liebe (Rholes et al., 1998). Personen mit diesem Bindungsstil haben eher Angst, verlassen zu werden, und verbleiben deshalb auch eher in unglücklichen Beziehungen (Davila & Bradbury, 2001).

Es gibt auch eine große Zahl an Befunden, die Zusammenhänge zwischen dem Bindungsstil und solchen Variablen nachweisen, die nicht in direktem Zusammenhang mit der romantischen Partnerbeziehung stehen:

Zum Beispiel ist das Selbstwertgefühl bei Personen, die sich selbst als sicher klassifi zieren im Allgemeinen höher als bei Personen mit unsicher–ambiva-lentem Bindungsstil (Collins & Read, 1990; Feeney & Noller, 1990). Men-schen mit sicherem und unsicher–vermeidendem Bindungsstil schätzen sich zwar als ähnlich selbstbewusst ein, aber sie geben unterschiedliche Quellen an, die dieses Selbstbewusstsein fördern: Während Personen mit unsicher–

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vermeidendem Bindungsstil angeben, ihren Selbstwert aus leistungsbezoge-nen Kompetenzen und eigener Autonomie zu ziehen, schöpfen Menschen mit sicherem Bindungsstil ihr Selbstbewusstsein aus der Interaktion mit anderen Menschen (Brennan & Bosson, 1998; Brennan & Morris, 1997).

Außerdem sind Personen mit sicherem Bindungsstil weniger neurotisch, extrovertierter und umgänglicher als Personen mit unsicherem Bindungs-stil, während es in Bezug auf die Persönlichkeitseigenschaften Offenheit und Gewissenhaftigkeit keine signifi kanten Unterschiede gibt. Trotzdem lassen sich die Bindungsstile nicht alleine durch eine bestimmte Konstel-lation von Persönlichkeitsmerkmalen ersetzen. Die Bindungsstile sagen Beziehungsstatus, Beziehungszufriedenheit und Commitment acht Monate später deutlich besser vorher, als es Persönlichkeitseigenschaften vermögen (Shaver & Brennan, 1992).

Wallace und Vaux (1993) fanden einen Zusammenhang zwischen der Ver-ankerung im gesamten sozialen Beziehungsgefüge (Eltern, Freunde, Part-ner) und dem Bindungsstil: Sichere Personen sind weniger misstrauisch, mehr eingebunden und positiver gestimmt gegenüber dem sozialen Netz-werk als Personen mit unsicherem Bindungsstil.

2.5.2 Stand der Forschung zu (Partnerschafts-) Bindungsrepräsentationen erfasst durch Interviews

Bindungsforscher aus der entwicklungspsychologischen Tradition gehen davon aus, dass die inneren Arbeitsmodelle unbewusste Regeln für die Ver-arbeitung von bindungsbezogenen Informationen beinhalten, die den Zu-gang zu diesen Informationen und den dazugehörigen Erinnerungen und Gefühlen steuern. Diese unbewussten Regeln nehmen auch Einfl uss auf die sprachliche Darstellung von Bindungserfahrungen, was sich beispielswei-se im Fehlen von Erinnerungen, der Abwertung von Bindungserfahrungen, unangemessen starkem oder fehlendem Gefühlsausdruck oder auch einer widersprüchlichen Darstellung zeigen kann. Deshalb wird zur Erfassung des generellen Arbeitsmodells im Erwachsenenalter meist das Adult At-tachment Interview eingesetzt (Main, 1995; Main & Goldwyn, 1984). Zur Erfassung der spezifi schen Bindungsrepräsentation in einer aktuellen Part-nerbeziehung entwickelten Crowell und Owens (1998) –angelehnt an das AAI– das Current Relationship Interview (CRI).