Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit...

106
Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung Netzkultur Freunde des Internets eReader Technologie- Evolution 30.November 2013 www. berlinerfestspiele.de

Transcript of Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit...

Page 1: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung

NetzkulturFreunde des Internets

eReader

Technologie-Evolution30.November 2013

www. berlinerfestspiele.de

Page 2: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

Netzkultur Freunde des InternetsEine Kooperation der Berliner Festspiele mit der Bundeszentrale für politische Bildung

— Konferenzwebseite: netzkultur.berlinerfestspiele.de Live-Stream: Am 30.11.2013 ab 13 Uhr auf der Konferenzwebseite Twitter: @_Netzkultur Hashtag: #nk1314 Facebook-Event: facebook.com/events/176365425896882

Page 3: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

InhaltProgramm 3Netzkultur. Freunde des Internets 5Grußwort Thomas Oberender 7Grußwort Thomas Krüger 9Vorwort Nikola Richter 10Juli Zeh: Offener Brief an Angela Merkel 16Geert Lovink spricht mit Petra Löffler über Zerstreuung (in English) 18Stephan Thiel/Studio NAND: Spekulative Apparaturen 32Stephan Porombka: Die nächste Literatur Anmerkungen zum Twittern 42Ranga Yogeshwar: Warum Bibliotheken im digitalen Zeitalter immer wichtiger werden 50Helena Hauff spricht mit Kristoffer Cornils über Monopole 67Sascha Kösch: Wer regiert das Internet? 69Mercedes Bunz: Wissensgesellschaft & Kolonialismus 74Daniela La Luz: Wir brauchen einen Plan B 79Biografien 81Berliner Festspiele 100 Bundeszentrale für politische Bildung 102Impressum 104

Page 4: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 3 –

ProgrammTechnologie-Evolution – Wo wir herkommen

13:00 – 13:30 / Große Bühne

„Einspruch! Technologie ist keine Naturgewalt“ — mit Juli Zeh

13:00 – 20:00 / Kassenhalle

3D-Drucken — mit Markus Schubert vom Hackerspace Raumfahrtagentur

13:40 – 17:00 und 18:00 – 18:20 / Kassenhalle

Twitter-Sprechstunde — mit Stephan Porombka

14:00 – 16:00 / Kassenhalle Workshop Remixen — mit Ella und Florian Zwietnig (UMA)

14:00 – 16:00 / Oberes Foyer Cryptoparty — mit Michael Schmidt und Christian

14:00 – 16:00 / Probebühne

Workshop 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon

14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia und Holger Hiller

15:00 – 16:00 / Oberes Foyer (Bornemann Bar)

WorkshopKultur und Überwachung— mit Michael Seemann

Page 5: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 4 –

17:00 – 18:00 / Große Bühne Vortrag „Unsichtbare Kräfte: Maschinen, Menschen, Utopien“ — von Frank Schirrmacher

18:30 – 20:00 / Große Bühne Diskussion „Computer und Kunst: Wer programmiert wen?“ — mit Ralf Bremer, Helena Hauff, Petra Löffler und Stephan Thiel — Das Gespräch führt Ranga Yogeshwar.

21:00 – 23:00 / Große Bühne

Konzerte — Anatopia (Henrietta Morgenstern & Klaus Plötzlich) — Holger Hiller (auch Palais Schaumburg) — handmade high tech pop & Elektro-Pionier

Nach dem Konzert — Daniela La Luz — House Techno Dub in Kooperation mit De:Bug

Page 6: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 5 –

Netzkultur. Freunde des Internets

„Netzkultur. Freunde des Internets“ ist ein neues diskursives Veran-staltungsformat der Berliner Festspiele in Kooperation mit der Bun-deszentrale für politische Bildung. Es trägt den Untertitel „Freunde des Internets“, um den Blick der Konferenz auf positive Auswirkungen des Netzes auf die Kultur zu verdeutlichen und um dem Pessimismus, der den Webentwicklungen aus dem Netz häufig entgegenschlägt, etwas entgegenzusetzen. Jede der drei Ausgaben der Netzkultur wid-met sich einem spezifischen Thema: „Technologie-Evolution“ am 30. November 2013, „Konzepte von Gemeinschaft“ am 18. Januar 2014, „Digitale Identitäten“ am 22. Februar 2014. Alle Veranstaltungen wer-den live gestreamt auf netzkultur.berlinerfestspiele.de.

Auf Twitter wird unter dem Hashtag #nk1314 diskutiert.

Der erste Teil der Netzkultur widmet sich der Frage, inwieweit digitale Technologien Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses geworden sind, wie sich Kulturschaffende und Künstler zu ihnen stellen, wo sie sich abgrenzen, wo sie ihr schöpferisches Potenzial nutzen. Im zweiten Teil soll es um neue Konzepte von Gemeinschaft gehen, um Kollaboration, Partizipation und die Rolle von Gruppen. Der dritte stellt digitale Identitäten in den Mittelpunkt, die Selbstinszenierung des Ichs, künstliche Intelligenz, digitales Performen. Die Netzkultur schaut auf die Produktions- und Nutzungsbedingungen von Kultur im Netz und beleuchtet die dezidiert kulturellen Entwicklungen der Netzevolution.

Die politische Dimension des Themas mit Fragen wie Datensicherheit, Überwachung, Anonymität, Schutz der Privatsphäre, aber auch neu-en Formen der schnellen Information, der journalistischen Recherche oder der Verabredung von politischen Aktionen, haben die Ereignisse um die Demonstrationen des Arabischen Frühlings und die Unru-hen in der Türkei, aber auch Figuren wie Julian Assange und Edward Snowden bewiesen.

Page 7: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 6 –

Die Bundeszentrale für politische Bildung setzt schon seit vielen Jahren auf die digitale Vernetzung von Information und Bürgern und verwendet das Netz als einen wichtigen Schnittpunkt zur Kommuni-kation eigener Inhalte. Ebenso klärt sie über netzpolitische Themen und Fragestellungen auf und arbeitet mit innovativen Konferenzver-anstaltern zusammen. Die bewusste Nutzung digitaler Werkzeuge muss daher heute Teil von politischer Bildung sein, politische Mündig-keit geht mit Internet-Mündigkeit einher. In der Zusammenarbeit mit den Berliner Festspielen soll nun der kulturelle Aspekt der digitalen politischen Welten herausgearbeitet werden, Fragestellungen, mit denen jeder Bürger, jede Bürgerin im Alltag in Berührung kommt.

Dieser Reader zur Netzkultur versammelt Artikel, Interviews, Sta-tements von Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmern, die sich ebenfalls mit Technologie, Kultur und Wandel beschäftigen, dem Thema des ersten Konferenztages „Technologie-Evolution – Wo wir herkommen“. Der Reader wird für die beiden weiteren Konferenztage zu „Gemeinschaft“ und „Digitaler Identität“ um neue Texte ergänzt.

Leiten Sie ihn weiter!

Page 8: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 7 –

Grußwort

Thomas Oberender

Das Internet verändert alles! Ich kann noch immer staunen übers Internet. Über diesen paralle-len Kontinent, den wir inzwischen so selbstverständlich bereisen und bewohnen wie die fünf anderen. Eine geschlossene Festlandmasse ist das Netz natürlich nicht, sondern eher ein immaterielles und dyna-misches Gefüge aus Energie, eigentlich etwas, in das die Menschheit von Urgedenken an umziehen wollte, dematerialisiert, vermittels von Meditationen oder Drogen oder Bestattungsriten. Übers Netz kann man nur in Metaphern sprechen, die schon veraltet sind. Zumindest geht es mir so, Veteran der Walkmanzeit, einer der ersten Geldkar-tenbesitzer damals in Ostberlin. Und weil inzwischen das Internet scheinbar selbst bedroht ist, wollen wir uns als Freunde des Internets verhalten. Lasst es uns retten vor der dunklen Seite der Macht.

Die drei sehr komplexen, happeningartigen Veranstaltungen, de-ren Entstehen auf eine Initiative der Bundeszentrale für politische Bildung zurück geht, sollen am Haus der Berliner Festspiele nach folgendem Muster ablaufen: Zunächst soll zu Wort kommen, wer auf qualifizierte Weise sagen kann, warum das Internet nicht mehr zu retten ist. Das ist der Einspruch, mit dem der Tag beginnt. Beim ersten Mal von Juli Zeh. Und dann folgt ein öffentliches Nachdenken, Experimentieren und Feiern von Ideen, politischen und künstlerischen Praktiken, die das Internet als Medium als einen Kontinent mit libe-raler Zukunft erscheinen lassen.

Wie viele Szenen, Sekten, Geheimwissenschaftler es in diesem Zwi-schennetz gibt. Aber wir möchten doch mitverstehen, mitdenken, mitreden können. Wir, die wir Experten brauchen und sehr klare, schöne Benutzeroberflächen. Wir brauchen in technischen Dingen Vermittlung. Wir brauchen Kultur. „Netzkultur. Freunde des Inter-nets“ will verschiedene Milieus von Netzaktivisten und Theoretikern

Page 9: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 8 –

zusammenbringen, mit einer freundlichen Einladung auch an die, die keine Experten sind.

Netzkultur – das ist im Grunde der vage Titel für unsere zentrale Frage: Wie verändert sich die Kultur durch das Netz? Explizit nicht geht es um eine Form kultureller Netzbotanik – um das Studium der kulturellen Artenvielfalt im Netz. Sondern uns interessiert die Frage, ob es einen Konflikt zwischen Kultur und Technologie gibt? Ob dis-ruptive Innovationen auf Seiten der Technologie auf unsere Kultur nur zerstörerisch einwirken? Oder ob es eine Chance gibt, wie etwa Frank Schirrmacher meint, alte europäische Visionen und Werte mit der neuen Technologie zu verbinden?

Wir sprechen vom kommenden „Netz der Dinge“, „perforierter Aufmerksamkeit“, dem „On-Off-Verhältnis“ des neuen Alltags, aus Worten wie diesen kristallisieren sich neue Grundfragen an die Ge-sellschaft: Was bedeutet die Entscheidungshilfe von Algorithmen für den Einzelnen? Entscheiden diese nicht längst autonom, unter Um-gehung des Menschen und jenseits demokratischer Kontrolle? Welche Konsequenzen hat das menschliche Tun noch im Netz? „Wir bezahlen mit unserem Verhalten!“, dieser Satz, von einem hochverantwortli-chen Facebook-Mitarbeiter hat mir unlängst einen Spalt im Vorhang vor der Bühne dieser neuen Kultur geöffnet. Es gibt viele solcher Sätze und sie haben alle eines gemeinsam:

Das Internet bewirkt die größte soziale und politische Umwälzung in meiner Lebenszeit. Das Netz verändert alles. Wie einst die Erfindung des Automobils alles verändert hat: die Infrastruktur, die Siedlungs-formen, Lebensweisen, das Weltbild, Landschaften, usw. Diese Er-findung hat die Welt verändert wie keine Idee oder Bewegung zuvor. Und so ist es mit dem Internet.

Page 10: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 9 –

Deshalb soll die Netzkultur, kuratiert von Nikola Richter, für ein paar Tage in unserem Haus eine Zwischenposition zwischen Kultur und Technologie etablieren und das Gespräch zwischen den Extrempositi-onen und Lagern fördern.

Wir sind Freunde des Internets.

Thomas Oberender— Intendant der Berliner Festspiele

Page 11: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 10 –

Grußwort

Thomas Krüger

Internetopia ist zerplatzt – Es lebe das Internet!Was ist nur mit dem Internet los? Diesem gegenwärtig größten aller amerikanischen Träume, der gerade dabei ist, sich – golemgleich - durch seine eigenen Erschaffer in einen Klumpen Lehm aufzulösen.

Der Hoffnung auf den herrschaftsfreien Diskurs, den geschützten un-zensierten Raum, in dem alle alles sagen können und allen alle Türen offen stehen. Dem Versprechen von wahrer Freundschaft und erfüll-ter Liebe, der Begegnung über Grenzen und Klassen hinweg. Dem Ort des Austauschs – geistiger, aber auch materieller Güter – jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik. Der neuen grenzenlosen Agora, in der nunmehr echte Partizipation aller möglich ist. Ein Ort, den sich Ernest Callenbach nicht bunter hätte ausmalen können.

All das soll nicht real sein, sondern nur eine Fassbinder‘sche „Welt am Draht“? Zuerst waren es noch kleine Störungen, die uns aufhor-chen ließen. Im scheinbar kostenlosen Raum waren unsere Daten auf einmal die Währung, Diskurse in Chats und Foren manipuliert. Schließlich ist es jeder Kontakt, jede Bewegung, jeder noch so intime Austausch, der gesehen, überwacht und in riesigen Serverfarmen im ewigen Eis Orwellscher Arsenale für die Ewigkeit gespeichert wird.

Aber bei allem Wehklagen über den „Untergang des Netzes“, wie wir meinten, es gekannt zu haben: Sind wir nicht im Netz nunmehr dort angekommen, wo wir in der realen Welt schon lange sind?

Anders als Fred Stiller in Fassbinders Film fehlt uns die Möglichkeit, am Ende in die dann hoffentlich endgültige reale und perfekte Welt „aufzusteigen“. Im Offline- wie im Online-Modus haben wir offenbar nur diese eine Welt. Und das, was wir beobachten, ist die – nunmehr auch mental nachvollzogene - Zusammenlegung zweier Welten: hier

Page 12: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 11 –

wie dort wird Geld verdient, ausgebeutet, betrogen, überwacht, aus-gegrenzt, gemobbt, begrenzt. Und hier wie dort werden Menschen von der Teilhabe an politischen Prozessen ausgeschlossen. Aber hier wie dort gab und gibt es eben auch das Gegenteil: Gemeinschaft, Beteiligung, Wissensvermehrung, Kreativität und Ermöglichung, Pri-vatheit und Öffentlichkeit, kurz Freiheit.

Internetopia zerplatzt. Aber es ist nicht das Netz, das seit einigen Monaten nicht mehr das zu sein scheint, was es einmal zu sein schien. Es ist unsere Vorstellung vom Netz. Über Netzkultur zu spre-chen heißt also, über unsere Welt zu sprechen, innerhalb und außer-halb des Netzes. Über unsere Gesellschaft, unsere Politik, die Mög-lichkeiten sich zu beteiligen und die Möglichkeiten, als Privatperson vor dem Zugriff von wem auch immer - und wo auch immer - ge-schützt zu sein. Es geht um nicht weniger als um die Rückeroberung und Wiederbelebung grundlegender Rechte und die Selbstbestim-mung durch mündige Bürger: hier wie da! Mit diesem realistischen – sicher auch kritischen - Blick lassen sich die Chancen des Internets vielleicht entspannter neu austarieren. Und dass diese Chancen er-heblich sind, das werden Sie in den kommenden Wochen und in zahl-reichen Diskussionen bei unserer Veranstaltungsreihe sehen: online wie offline! Oder mit Friedrich Hölderlin: „Komm! ins Offene, Freund!“

Thomas Krüger— Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

Page 13: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 12 –

Vorwort

Nikola Richter

Die Seeräuberjenny in meiner Timeline„Und schon hängen alle an ihren Handys.“ „Man darf ja auch den Kontakt zur Realität nicht verlieren.“ Seeräuberjenny, @LaVieVagabonde, 25.11.2013

Ich habe diesen Tweet in einer Nacht der ziellosen Recherche ge-funden. Ich war lost in googelation, bin wirr zwischen geöffneten Browserfenstern hin- und hergesprungen, habe hier eine Zeile gele-sen, dann wieder da, und auf einmal ploppte die Seeräuberjenny in meiner Timeline auf. Ich hakte mich bei ihrem Tweet unter, den sie mitten in der Nacht versendet hatte, wahrscheinlich an einige Freun-dinnen gerichtet, mit denen sie gerade Wodka trank.

Das ist das, was ich am Internet am meisten mag. Dass es überra-schen kann, dass es mir erlaubt, anders und plötzlich wahrzuneh-men, dass es Text, Bild und Ton ist, also die Sinne anspricht, dass es neue Perspektiven zeigt. Das Internet ist ein heterotoper Raum, in welchem Kreativität – trotz allem Mainstreamunsinn – möglich ist. Neue Literatur- und Sprachformen entstehen, Youtube- und Sound-cloudstars werden geboren, die Verbreitung von digitalen Artefakten ist über die Grenzen hinweg möglich, Gleichgesinnte arbeiten zusam-men, ohne dass sie an einem gemeinsamen Ort sind. Aktionen wer-den koordiniert und ausgeführt. Unliebsame Daten vielfach kopiert und damit nicht zensierbar. Aufklärung, Demokratie, Gemeinschaft-lichkeit pur. Der chinesische Künstler Ai Wei Wei hat auf seinem Blog, dessen Posts unter dem Titel „Macht euch keine Illusionen“ erschie-nen ist, geschrieben, dass er nie von Kreativität spreche, stattdessen von „Fantasie“, „Ahnung“, „Entdeckungsfreude“, „Subversion“ oder „Kritik“. Aber dann definiert er trotzdem „Kreativität“ und diese De-finition passt exakt dazu, was das Netz möglich machen kann, wenn man ihm sein utopisches Potenzial lässt:

Page 14: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 13 –

„Kreativität ist die Kraft, die Vergangenheit abzulehnen, den gegen-wärtigen Zustand zu verändern und nach neuen Möglichkeiten zu suchen. ... Nur durch unser Handeln können ersehnte Veränderungen Wirklichkeit werden.“

Der graue Alltag: Heute verbringt jeder Deutsche durchschnittlich 3,2 Stunden Zeit am Bildschirm, wie eine aktuelle Studie der Tech-niker-Krankenkasse herausfand. Der Bildschirm ist Vermittler von Welterfahrung geworden. Er ist Gerät für Innovations- und Arbeits-prozesse, für Überwachung und Zerstreuung, auf ihm bewegen wir uns meist auf vorgegebenen Trampelpfaden. Das sieht alles gar nicht nach Handlung aus, was wir da machen, wir sitzen still, meh-rere Stunden, vielleicht tippen wir etwas. Der Bildschirm und damit auch der Rechner sind neutral. Die Hardware hat keine Meinung und begehrt nicht auf. Aber das, was Handlung ermöglicht, die Software, steht zur Debatte. Und das Verhalten derjenigen, die die Software verwenden. Unser Verhalten. Die Veranstaltungsreihe „Netzkul-tur. Freunde des Internets“ will dazu anregen, alltägliche digitale Handlungen zu hinterfragen, Neues zu lernen, sei es in praktischen Workshop oder in theoretischen Vorträgen. Gleichzeitig dient sie der Sichtbarmachung einer Debatte, die bisher in Deutschland weniger geführt wurde, nämlich der Frage, wie sich eigentlich die Kultur-schaffenden zum digital turn stellen.

Nun ist das Internet zwar noch nicht so alt, einige Dekaden. Wenn es ein Mensch wäre, wäre es in seinen besten Jahren, aber eben auch nicht mehr so jung. Es hätte seine Unschuld verloren, seine Tiefschlä-ge erlitten. Und derzeit wäre es in seiner Midlife-Crisis. Außerdem wäre es arg betrogen worden, und müsste jetzt erst wieder Vertrauen in sich aufbauen. Darüber hätte es vergessen, dass es etwas erreicht hat: 30 Millionen haben in Deutschland einen Netzanschluss, welt-weit sind mehr als 2 Milliarden Menschen online, davon etwa die Hälfte in Asien.

Die junge Journalistin Wallis Azadian hat sich gerade für das Vice-Magazin für eine Woche in das Jahr 1996 zurückversetzen wol-len, in der es die ihr bekannten Geräte und die mit ihnen verknüpften

Page 15: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 14 –

technologischen Möglichkeiten nicht gab. Für sie ein Luxusspielchen (für viele auf der anderen Seite des digitalen Grabens, die, die ein-fach vom Netz abgeschnitten sind, eine bittere Realität). Sie stell-te ihr Handy aus, sie stellte das Netz ab. Ihr Experiment endete in Hilflosigkeit und Langeweile. Sie wusste nicht mehr, wie sie sich ohne Mobiltelefon und Internet verabreden sollte, einfachste Informatio-nen wie die Adresse des nächsten mexikanischen Restaurants wa-ren ihr nicht zugänglich. Die Kommentare unter dem Artikel, die ihr Dummheit vorwarfen, taten ihr dennoch Unrecht. Natürlich hatte sie es verlernt, einfach bei jemandem zu klingeln. Ebenso hatte sie noch nie die telefonische Auskunft angerufen. Ihre Realität war eine ande-re, die neue Kompetenzen erlernen und alte in Vergessenheit geraten lässt. Das selbstauferlegte „Technologievakuum“ hatte ihr nichts offenbart, sie wollte zurück in die „Modernität“.

Darüber könnte man traurig sein. Was kann diese junge Frau alles nicht mehr! Unsere Zivilisation, am Abgrund! Das Jammern darüber, dass Geräte und ihre Verwendungsmöglichkeiten uns zum Schlech-teren verändern, dass sie kulturelle Werte und Traditionen zerstö-ren, sind Zwillinge des technologischen Fortschritts – aber auch des menschlichen Wesen. Der Mensch weiß, dass früher eben alles besser war. Dabei sollten wir einfach akzeptieren, dass wir fehlerhaft sind. Schon Sigmund Freud schrieb in seiner kulturtheoretischen Studie „Das Unbehagen in der Kultur“ davon, dass der Mensch von sich aus eigentlich gar nichts könne. Um aber aber seine Schwächen zu über-winden und das Ideal, das er von sich habe, zu erreichen, entwickele er Werkzeuge: „Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott.“ Das war 1930 genauso wahr wie 2013.

Und so sitzen wir vor den hell erleuchteten Fenstern, hören das Sum-men der Lüftung, sehen die Anzeige der Batteriefülle und den Aus-schlag des Netzempfangs wie Lebenszeichen eines guten Bekannten. Die neuen Technologien sind bei uns, sie prägen uns.

Page 16: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 15 –

Wir sollten sie genauso prägen. Damit sie auch unsere Werte kennen-lernen. Gerade legte die Unesco erste digitale „Universal-Regeln“ vor. Sie fordern, dass die Menschenrechte die Basis aller Netzregeln, jeder Anwendung und jedes Dienstes bilden.

Nikola Richter— Kuratorin Netzkultur

Page 17: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 16 –

Petition von Juli Zeh

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel: Angemessene Reaktion auf die NSA-Affäre

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

seit Edward Snowden die Existenz des PRISM-Programms öffentlich gemacht hat, beschäftigen sich die Medien mit dem größten Ab-hörskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir Bürger erfah-ren aus der Berichterstattung, dass ausländische Nachrichtendienste ohne konkrete Verdachtsmomente unsere Telefonate und elektroni-sche Kommunikation abschöpfen. Über die Speicherung und Auswer-tung von Meta-Daten werden unsere Kontakte, Freundschaften und Beziehungen erfasst. Unsere politischen Einstellungen, unsere Bewe-gungsprofile, ja, selbst unsere alltäglichen Stimmungslagen sind für die Sicherheitsbehörden transparent.

Damit ist der „gläserne Mensch“ endgültig Wirklichkeit geworden.

Wir können uns nicht wehren. Es gibt keine Klagemöglichkeiten, kei-ne Akteneinsicht. Während unser Privatleben transparent gemacht wird, behaupten die Geheimdienste ein Recht auf maximale Intrans-parenz ihrer Methoden. Mit anderen Worten: Wir erleben einen his-torischen Angriff auf unseren demokratischen Rechtsstaat, nämlich die Umkehrung des Prinzips der Unschuldsvermutung hin zu einem millionenfachen Generalverdacht.

Frau Bundeskanzlerin, in Ihrer Sommer-Pressekonferenz haben Sie gesagt, Deutschland sei „kein Überwachungsstaat“. Seit den Enthül-lungen von Snowden müssen wir sagen: Leider doch. Im gleichen Zu-sammenhang fassten Sie Ihr Vorgehen bei Aufklärung der PRISM-Af-färe in einem treffenden Satz zusammen: „Ich warte da lieber.“

Aber wir wollen nicht warten. Es wächst der Eindruck, dass das Vor-gehen der amerikanischen und britischen Behörden von der deut-

Page 18: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 17 –

schen Regierung billigend in Kauf genommen wird. Deshalb fragen wir Sie: Ist es politisch gewollt, dass die NSA deutsche Bundesbürger in einer Weise überwacht, die den deutschen Behörden durch Grund-gesetz und Bundesverfassungsgericht verboten sind? Profitieren die deutschen Dienste von den Informationen der US-Behörden, und liegt darin der Grund für Ihre zögerliche Reaktion? Wie kommt es, dass BND und Verfassungsschutz das NSA-Spähprogramm XKeyScore zur Überwachung von Suchmaschinen einsetzen, wofür es keine ge-setzliche Grundlage gibt? Ist die Bundesregierung dabei, den Rechts-staat zu umgehen, statt ihn zu verteidigen?

Wir fordern Sie auf, den Menschen im Land die volle Wahrheit über die Spähangriffe zu sagen. Und wir wollen wissen, was die Bundesre-gierung dagegen zu unternehmen gedenkt. Das Grundgesetz ver-pflichtet Sie, Schaden von deutschen Bundesbürgern abzuwenden. Frau Bundeskanzlerin, wie sieht Ihre Strategie aus?

—Petition unter www.change.org/nsa Veröffentlicht am 25.07.2013 auf faz.net

Page 19: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 18 –

Geert Lovink

The Aesthetics of Dispersed AttentionAn Interview with German Media Theorist Petra Löffler

When I met Petra Löffler in the summer of 2012 in Weimar I was amazed to find out about her habilitation topic. She had just finished a study on the history of distraction from a German media theory perspective. After I read the manuscript (in German) we decided to do an email interview in English so that more people could find out about her research. The study will be published in late 2013 (in German) by Diaphanes Verlag with the title Verteilte Aufmerksam-keit. Eine Mediengeschichte der Zerstreuung (Distributed Attention, a Media History of Distraction). In October 2011, Petra Löffler replaced Lorenz Engell as media philosophy professor at Bauhaus University in Weimar. Before this appointment she worked in Regensburg, Vienna, and Siegen. Her main research areas are affect theory, media archa-eology, early cinema, visual culture, and digital archives.

With the rapid growth of the Internet, video, mobile phones, games, and text messaging, the new media debate gets narrowed down to this one question: what do you think of attention? The suppo-sed decline in concentration and inability to read longer texts is starting to affect the future of research as such. Social media only make things worse. Mankind is once again regressing, this time busy multitasking on their smart phones. Like any issue, this one must also have a genealogy – but if we look at the current literature, from Bernard Stiegler to Nicolas Carr and Frank Schirrmacher, from Sherry Turkle to Franco Berardi, and Andrew Keen to Jaron Lanier, including my own contribution, the long view is missing. Stiegler digs into Greek philosophy but also leaves out the historical media theory angle. This also counts for those who stress solutions such as trai-ning and abstinence (a field ranging from Peter Sloterdijk to Howard Rheingold). Can a contemporary critique of attention really do wi-thout proper historical foundations?

Page 20: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 19 –

While the education sector and the IT industry promote the use of tablets in classrooms (with MOOCs as the most current craze), there are only a few experts that warn against the long-term consequen-ces. The absence of a serious discussion and policy gives way to a range of popular myths. The debate quickly becomes polarised, and any unease is reduced to generational issues and technophobia. Mil-lions of computer workers suffer from damaged eyesight, ADHD and related medication problems (Ritalin), Carpal Tunnel Syndrome, as well as RSI and bad postures due to badly-designed peripherals, lea-ding to widespread spinal disk problems. There is talk of mutations in the brain (see for instance the work of the German psychiatrist Manfred Spitzer). Within this worrying spread of postmodern afflicti-on, who would talk about the ‘healing effects of daydreaming’? Petra Löffler does, and she refers to Michel de Montaigne, who, already many centuries ago, recommended diversion as a comfort against the suffering of souls. Why can we not acknowledge the distribution of attention as an art form, a gift, a high skill in fact?

Lovink: How did you come up with the idea to write the history of distraction? When you told me about your work and I read your habilitation, it occurred to me how obvious this intellectual under-taking was from a media theory perspective – and yet, I wondered why it was not done before. Would you call this history a classic black spot? You did not go along the institutional knowledge road à la Foucault, nor do you use the hermeneutical method, the La-tourian history of science approach, or mentality history for that matter. How did you come up with your angle?

Löffler: That’s a long story. Around 2000, with my colleague Albert Kümmel, I was working on an anthology about ephemeral discour-ses dealing with media dating back to the second half of the 19th century. We found a lot of interesting stuff in scientific journals from very different disciplines. Out of this rich material we developed a classification system consisting of discourse-relevant terms we found in the articles, and we published a book representing our research results (Medientheorie 1888-1933, Texte und Kommentare [2002]). One of the topics was ‘Aufmerksamkeit’ (attention). Later, I revie-

Page 21: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 20 –

wed the material, much of it unpublished, and came across a col-lection of related texts which focused on ‘Zerstreuung’ (distraction). Like you just now, I was then wondering why a conceptualisation of distraction was missing in media theory – although important early theoreticians in the 1920s and the 1930s such as Siegfried Kracauer and Walter Benjamin have formulated powerful concepts of mass entertainment, cinema, and the political role of distraction that were quoted regularly. That’s why I wanted to know more about the ‘roots’, the background of their thinking on distraction in other discourses.

Another motivation was that in the tradition of the Frankfurter Schule, which is very influential, distraction has a bad reputation. I wanted to analyse the schools of knowledge that support that bad reputation and through this reveal the ‘other’ side of distraction, its positive meaning, and its necessity. For this project I had to go back to the early reflections on modernity in the 18th century and to cross very different discourses from philosophy and pedagogy, to psychi-atry and physiology, to optics and aesthetics. There was not a single constant discourse but rather various discontinuous propositions that could not easy be summarised into a respectable object of knowled-ge. I owe a lot to Foucault’s discourse analysis and archaeology of knowledge, but for my research object stable systems of propositions did not exist, and the gaps between discourses were evident. Maybe that’s why for a long time distraction seems to be only an ephemeral side product of discourses on attention – or better, a bastard that has to be hidden.

In my study Verteilte Aufmerksamkeit. Eine Mediengeschichte der Zerstreuung, I reconstruct the modern notion of a distributed at-tention, which appeared in medical articles around 1800. In these articles the distribution of attention was regarded as necessary due to the insight that, because of higher requests from a modern medi-ated environment, attention has to switch very fast between several sensual stimuli almost simultaneously. As a consequence, attention could no longer be described as the opposite of distraction; a certain distribution of attention, that means distraction, seems to be the normal state of mind. In this regard, a distributed or distracted at-

Page 22: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 21 –

tention is not only able to react on multifarious stimuli in a very short period of time, but – and this is even more important – it is also able to anticipate certain demands. This ability of anticipation qualifies distraction as a useful technique of the body and as a common cul-tural practice necessary in modern mediated environments. Further-more, according to the philosopher Immanuel Kant, distraction in the meaning of diversion has become a necessity and even an art of living regarding the body’s need for regeneration. Interestingly, at the same time, Kant abandons modes of deep attention attributed to absorption or absentmindedness as an unsocial habit. In this per-spective distraction was assigned a social function as a leisure acti-vity. So there is no wonder that, during the 19th century, life sciences investigated with much effort into how a balance between work and leisure, between stress and relaxation, is to be reached. A lot of expe-riments were undertaken to analyse attention spans and dispersive effects. Whatever the goals of such experiments, the scientists had to accept that distraction cannot be excluded or erased.

With the rise of modern mass culture, the 19th century has also experienced the establishing of a leisure industry. That’s why I inves-tigate the relations between discourses and practices, and respective sites of distraction such as the panorama, the kaleidoscope, or the cinema. In practicing these modes of distraction the senses of users were stimulated up to extreme physical effects such as dizziness. Tom Gunning has summarised such effects and the thrills of modern mass media in general under the term ‘aesthetic of astonishment’. That means distraction must be regarded as a concrete state of the human body being an integral part of an apparatus, an ensemble of human and non-human agents. This thinking of distraction aims to develop a concept of different historical cultures or regimes of dist-raction, which depend on specific mediated environments and also on cultural as well as social values and power relations. In my study I develop a genealogy of distraction and a focus on its importance, especially for what Foucault has called taking care of oneself. By this, I show how distraction has become normalised now that network society has taken command.

Page 23: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 22 –

Lovink: You don’t seem to be bothered by distraction. Is that true?

Löffler: It depends on my temper. I really hate to get up in the middle of the night because of a terrible noise. I guess nobody wants that. But I’ve been living in big cities for decades and I accept a certain level of noise as normal – because I also estimate the various leisure time distractions every metropolis has to offer. Following philoso-phers like Kant or psychologists like Ribot, I believe that a certain level of distraction is necessary for life balance and also a common state of body and mind.

Lovink: You have a fascinating chapter in your habilitation about early cinema and the scattering of attention it would be respon-sible for. The figure of the nosy parker that gawks interests you, and you contrast it to the roaming flaneur.

Löffler: Yes, the gawker is a fascinating figure, because according to my research results it is the corporation of the modern spectator who is also a member of a mass audience – the flaneur never was part of it. The gawker or gazer, like the flaneur, appeared at first in the modern metropolis with its multi-sensorial attractions. According to Walter Benjamin, the flaneur disappeared at the moment when the famous passages were broken down. They had to make room for greater boulevards that were able to steer the advanced traffic in the French metropolis. Always being part of the mass of passers-by, the gawker at the same time looks for diversions, for accidents and incidents in the streets. This is to say that his attention is always dis-tracted between an awareness of what happens on the streets and navigating between people and vehicles. No wonder movie theatres were often opened at locations with a high level of traffic, inviting passers-by to go inside and, for a certain period of time, become part of an audience.

Furthermore, many early films were actualities showing modern city life. In these films the camera was positioned at busy streets or corners in order to record movements of human and non-human agents. Gawkers often entered the view of the camera gesticulating

Page 24: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 23 –

or grimacing in front of it. That’s why the gawker has become a very popular figure, mirroring the modern mass audience on the screen.

Today, to view one’s own face on a screen is an everyday experien-ce. CCTV-cameras in public spaces record passers-by, often without their noticing. Also, popular television shows that require real-life participation, such as casting shows, offer members of the audien-ce the opportunity to see themselves on a screen. At the same time, many people post their portraits on websites and social networks. They want to be seen by others because they want to be part of a greater audience – the network community. This is what Jean Bau-drillard has called connectivity. The alliance between the drive to see and being seen establishes a new order of seeing which differs sig-nificantly from Foucault’s panoptical vision. Today, it is no more that the few see the many (panopticon) or the many see the few (popu-lar stars) – today, because of the multiplication and connectivity of screens in public and private spaces, the many see the many. One can conclude that the gawker or gazer is an overall phenomenon, a non-specific subjectivity of a distributed publicity.

Lovink: In your study you show that, like in so many other instan-ces, the ‘birth’ of attention as a modern problem arises during the late 18th century. I am joking, but Kant seems to be the first and the last philosopher who praises distraction. What is it with this period around 1800? You studied at least two centuries worth of material. Which period is the most interesting?

Löffler: From the perspective of a media archaeologist, I would say the period around 1800, just because things look different from a di-stance. I was really surprised by regimes of distraction arising around 1800 in psychiatry, where people suffering from mental breakdown were cured with the help of sensual shocks and spectacular perfor-mances. At the same time, the need to distribute one’s attention, to react on different stimuli almost simultaneously, was increasingly regarded as necessary. This formulation of a distributed or distracted attention can be considered as an effect of the dynamics of mo-dernity, its drive to economise every part of living – even the human

Page 25: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 24 –

body. What we used to declare as the phenomena of our time, such as multi-tasking, can already be found in discussions about distracti-on 200 years ago. So it seems that changes in our mediated environ-ments regularly provoke discussions about regimes of attention and questions the role of distraction.

Today, with the ubiquitous use of information technologies, discussi-ons about distraction or distributed attention, the balance between stress and relaxation, arises again, and philosophers like Richard Shusterman consider the body’s role for that purpose. For me, Kant’s quest for distraction as an art of living resonates in such accounts.

Lovink: I can imagine that debates during the rise of mass educati-on and the invention of film are different from ours. But is that the case? It is all pedagogy, so it seems. We never leave the classroom.

Löffler: The question is, leaving where? Entering the other side (like-wise, amusement sites or absorbing fantasies)? Why not? Changing perspectives? Yes, that’s what we have to do. But for that purpose we don’t necessarily have to leave the classroom. Rather, we should re-build it as a room of testing modes of thinking in very concrete ways. I’m thinking of Jacques Rancière’s essay ‘Le partage du sensible’, and his suggestions about the power relations between teachers and pu-pils. Maybe today teachers can learn more (for instance, soft skills) from their pupils than the other way around. We need other regimes of distribution of power, also in the classroom; a differentiation of tasks, of velocities and singularities – in short, we need micro-politics.

More seriously, your question indicates a strong relationship between pedagogy and media. There is a reason why media theorists like Friedrich Kittler pointed to media’s affinity to propaganda and insti-tutions of power. I think of his important book Discourse Networks, where he revealed the relevance of mediated writing techniques for the formation of educational institutions and for subjectivation. That’s why the question is, what are the tasks we have to learn in order to exist in the world of electronic mass media? What does ‘Bil-dung’ mean for us today?

Page 26: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 25 –

Lovink: There is an ‘attention war’ going on, with debates across traditional print and broadcast media about the rise in distraction, both in schools and at home. On the street we see people hooked on their smart phones, multi-tasking everywhere they go. What do you make of this? Is this just a heightened sensibility, a fashi-on, or is there really something at stake? Would you classify it as petit-bourgeois anxieties, or a loss of attention as a metaphor for threatening poverty and a loss of status for the traditional midd-le class in the West? How do you read the use of brain research by Nicholas Carr, Frank Schirrmacher, and more recently the German psychiatrist Manfred Spitzer, who came up with a few bold state-ments concerning the devastating consequences of computer use for the (young) human brain? Having read your study one could say ‘don’t worry, nothing new under the sun’. But is this the right answer?

Löffler: Your description addresses severe debates. Nothing less than the future of our Western culture seems to be at stake. Institutions like educational systems are under permanent critique concerning all levels, from primary schools to universities. That’s why the Pisa studies have revealed a lot of deficits and have provoked debates on what kind of education is necessary for our children. It is a debate on cultural values, but also a struggle on power relations. We are living in a society of control, and how to become a subject and how this subject is related to other subjects in mediated environments are important questions.

A great uncertainty has emerged. That’s why formulas that promise easy solutions are highly welcomed. Neurological concepts are of-ten based on one-sided models concerning the relationship between body and mind, and they often leave out the role of social and en-vironmental factors. From historians of science such as Canguilhem and Foucault, one can learn that psychiatrist models of brain de-fects and mental anomalies not only mirror social anxieties but also produce knowledge about what is defined as normal. It is up to us as observers of such discourses to name those anxieties today. No-netheless, I would not signify distraction simply as a metaphor or a

Page 27: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 26 –

topos occurring regularly in media discourses. Distraction is in fact a concrete phase of the body, a state of the mind. It is real. You cannot deal with it when you call it a disability or a disease and just pop pills or switch off your electronic devices.

Lovink: Building on Simondon, Stiegler develops a theory of atten-tion that might be different from the American mainstream po-larity between dotcom utopians and social media pessimists. His ‘pharmacological’ approach is less polemic, in search of new con-cepts in order to leave behind the known clichés and dichotomies. His book Taking Care of Youth and the Generations (2008) contains pretty strong warnings about our loss of concentration in reading longer texts. What do you make of this?

Löffler: Stiegler’s approach combines different arguments – the clash of generations, the rise of marketing and entertainment industries. According to Stiegler, attention has a social function in connecting people in a society creating a community. When this kind of soci-al attention is lost due to the disconnecting psycho-power of mass media, he concludes, the social tie is in danger and repression, fas-cination, and anaesthesia are the outcome. I would question the exceptional role attention is playing in Stiegler’s considerations on community, because there are other affective modes of building social associations or adherences, such as being part of a disper-sed anonymous mass audience, being a fan or addicted to a hobby. That is to say, in my opinion, modes of distraction also have a social function. Sites and modes of distraction are a playground to mediate social relations and support individualisation.

By the way, I’m always wondering how easy philosophers like Stieg-ler or Christoph Türcke jump from ancient cultures (the Greeks, the Romans, Stone Age populations) to modern cultures of the 21st century. I view this as suspicious. Of course, reading as well as wri-ting were important cultural techniques over a long period of time, but both are techniques that have undergone several heavy changes in their history, long before media such as cinema or television en-tered the scene. Think only of the invention of mechanical printing

Page 28: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 27 –

in the 15th century, the development of the mass press in the 18th century, or the invention of the typewriter and rotary printing one century later. It is hard to imagine that these epochal events should not have had any influence on learning reading and writing. You read the columns of a newspaper or a picture book in a different way than the pages of a printed book filled with characters only. This was common knowledge even then. Techniques such as a quick scan and scroll through a text (‘Querlesen’) had become widespread, and newspaper layouts support this kind of reading. The actual hype of a deep-attention reading is, seen from a media archaeological per-spective, not simply nostalgic. It forgets its ‘dark side’, as it was seen in the civil cultures of the 18th and 19thcentury, when bored midd-le-class women were accused of being addicted to reading novels and were condemned for escaping into exciting dream worlds. Deep concentration was regarded as dangerous then, because it leads to absentmindedness and even mental confusion, making individuals unusable, particularly for a capitalist economy. Civil cultures have an interest in controlling their populations, their bodies and desires, for the sake of normalisation. In this perspective, ‘too much’ of whatever quality that can destabilise the public order has to be refused.

My sneaking suspicion is that Stiegler and Türcke are focusing only on small sections of media history, because their interest is to const-ruct almost apocalyptic scenarios of a great divide. Not surprisingly, Türcke, in his book on hyperactivity, criticises newspapers for having reduced the length of articles while at the same time having advan-ced numbers and sizes of pictures. Other changes are more import-ant and unnoticed by these philosophers. With the rise of personal computers and multi-media devices using touchscreens, tactility has again become a major human faculty. Media based on haptic opera-tions change the interplay of the senses and create new habits – and therefore writing and reading have to amplify their dimensions.

Lovink: There is (the New Age cult of) mindfulness. And there is Pe-ter Sloterdijk. What do you make of such calls to exercise, to save attention through training? It all boils down to dosage. Do you believe there is a ‘will to entropy’? Altered states that invite us to

Page 29: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 28 –

enter unknown spaces? Would it make sense to study another side of the so-called loss of attention in the drug experiences, as descri-bed from Baudelaire and Benjamin to Huxley and Jünger?

Löffler: I guess the training of our senses and the experiments of lo-sing self-control belong to the same regime of taking care of oneself. It occurs to me that one major difference between the self-expe-riments you name and what I have analysed is the isolation of the people experimenting with drugs to enter altered states of body and mind. One reason why I have studied not only discourses but also practices of distraction was the fact that most of the diversions of urban culture were built on (and for) a mass audience. To be with unfamiliar others at the same place and at the same time was an experience, a thrill people were addicted to. Today, other mass enter-tainment forms have emerged such as multiplex cinemas, public viewings, or big sports events – which are, of course, unthinkable without the rise of mass communication and mass media like televi-sion. That’s why I’m not sure if the description made by Nicholas Carr and Frank Schirrmacher that we are now living under a brutal regime of a cannibalistic monster-machine nourished by our attention – the personal computer – is telling the whole story.

Lovink: How would you situate your own work inside what is known as German media theory? History of ideas meets archaeology of knowledge? You have a strong interest in medical discourse, which is, again, very strong these days. Would you say that media steer our perception?

Löffler: Maybe I’m not the right person to answer that question. I would like to describe my work as a combination of archaeology of knowledge and media archaeology. In German media studies the epistemology and history of media has played a crucial role. In the 1980s, Kittler inaugurated a discourse analysis of media that high-lights the importance of the materiality of media, the a priori of technique, and the power of institutions. The main question is how media constitute what can be known and how media influence the ways we consider the world. Scholars like Siegfried Zielinski or Wolf-

Page 30: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 29 –

gang Ernst have developed the field of media archaeology further. Recently, interdependencies between media techniques and infra-structures in addition to cultural or body techniques are an import-ant topic of research, mostly by scholars such as Bernhard Siegert or Erhard Schüttpelz. At the same time, media philosophers everywhere rethink mediation in terms of triangular relations. In recent debates questions of media ecology and ontology, and mediated modes of existence, have gained much attention.

My strong interest in medical discourse derives from the role it plays for formulations of normality. This is, of course, a Foucaultian per-spective. The distinction between what is regarded as normal or abnormal behaviour, or sane and insane, is always a result of cultural negotiations. I’m interested in the role mass media play in these ne-gotiations. In my point of view, perception is a relay, and media can intensify the permeability of it. No more, no less.

Lovink: Seen from other areas, Germany is still the country of Schiller and Goethe, of high literature and philosophy. Students still read tons of thick and complex books, so it seems. You teach in Weimar, and that must certainly be a strange one-off muse-um experience. Is there something we can learn from the German education system, or are you as pessimistic as everyone else when it comes to the lack of books that young people read these days, the decline of the shared canon, and the long-term implications this has for the intellectual life and the level of thinking and criti-cal reflection? Do you see long-term impacts of the computer and the Internet on German theory production?

Löffler: Weimar is not only the city of Goethe and Schiller. Nietzsche lived here, and the Bauhaus had its first residence here. And there is also Buchenwald, a Nazi concentration camp. Before I came to Weimar, I was teaching in Vienna. From your point of view it seems I’m collecting strange one-off museum experiences, but one major difference between these university cities (and, by the way, bet-ween many other universities in Germany) is the fact that the Bau-haus-University of Weimar is a very young university, founded shortly

Page 31: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 30 –

after Germany’s reunification. It is not a classical alma mater; the-re is no faculty of humanities, but rather faculties of engineering, architecture, design, and media. The idea is that theoretical and practical education goes hand in hand. The curriculum offers stu-dents courses where they can train their skills in photography, film, design, or programming. The ability to develop independent solutions is regarded as very important. At the same time, Weimar is a place where a lot of research is going on, where scientists meet and theo-retical debates are initiated. That is the intellectual climate here.

German theory production has an affinity to media archaeology and the history and philosophy of cultural practices. Kittler was among the first media theorists who thought about the role of the compu-ter as a super-medium which is able to incorporate all other media. Claus Pias and Martin Warnke have just launched a research group in Lüneburg investigating the media cultures of computer simula-tions and their input for knowledge production. I think the faculties of reading and writing will be important skills in the future, but they have to be advanced by others such as working with huge amounts of data and their different representations as pictures, or circulating information of any format in order to manage the interplay of senses in computer-based environments.

Lovink: I want to come back to the Frankfurt School. Did you say that Adorno is moralistic in his rejection of the media as a light form of dispersed entertainment? If he were alive, do you think he would say the same about the Internet? I always wondered if there would be more sarcastic forms of critique, in the tradition of Ador-no and others, that is less elitist, less traditional.

Löffler: For Adorno’s thinking of negativity and the Frankfurt School, art is an autonomous and alternative sphere of society; it is art’s al-terity and autonomy that is the condition for its power to undermine the capitalist order. That is why, for these thinkers, it is not a questi-on of morality to reject the popular mass media of entertainment – it is, I would say, an ‘ontological’ question, because these media give no room for reflecting the mode of existence in capitalist society.

Page 32: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 31 –

Adorno’s position is not so definite as it first seems. I was surprised to read in Dialectics of Enlightment that, according to Adorno and Horkheimer, a total excess of distraction comes close to art in its ex-tremity. This thought resonates with Kracauer’s utopia of distraction of the 1920s, dealing with modern mass media and particularly cine-ma. In this passage of their book, Adorno and Horkheimer are saying – which is revolutionary for me – that an accumulation and intensi-fication of distraction is able to fulfill the task of negation that was originally dedicated to art, because it alters the state of the subject in the world completely. With this thought in mind it would be really funny and, at the end much less elitist, to speculate on what Adorno would say about the Internet

—Zuerst erschienen am 21. September 2013 beim Institute for Network Cultures im Blog von Geert Lovink, in überarbeiteter und hier vorlie-gender Form bei Necsus. European Journal of Media Studies, #4 Autumn 2013_‘Waste‘.

Page 33: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 32 –

Stephan Thiel/Studio NAND

The Known UnknownsThere are known knowns; there are things we know that we know. There are known unknowns; that is to say, there are things that we now know we don’t know. But there are also unknown unknowns – there are things we do not know we don’t know.

US-Verteidigungsminister a. D. Donald Rumsfeldzur Lage im Irak am 12. Februar 2002

VorwortIn dem folgenden Beitrag wird das im Jahr 2011 entstandene Projekt The Known Unknowns im erweiterten Kontext vorgestellt. Mittels spekulativer Apparaturen wird unser Verhältnis zum Zufall und der Wahrscheinlichkeit diskutiert.

EinleitungDer Zufall spielt eine entscheidende, oft unterschätzte Rolle in unse-rem Leben: In einem Zeitalter, in dem wir besessen davon sind, durch Tagesplaner, Projektmanagement-Software und To-do-Listen Ord-nung in unser Leben zu bringen, verstehen wir Wahrscheinlichkeit als etwas, das es zu berechnen gilt. Um eben diese Wahrscheinlichkeit so weit wie möglich eingrenzen zu können, soll ein etwaiges Risiko weitestgehend minimiert werden. Dabei hilft die menschliche Ange-wohnheit, Zusammenhänge und wiederkehrende Muster zu schaffen, auch dort, wo keine existieren mögen, indem wir z.B. Ereignisse im Nachhinein als absolut vorhersehbar deklarieren. Zahlen und Daten bestimmen die Basis der meisten Entscheidungsprozesse.

Betrachtet man die Disziplinen der Kryptografie, der Finanzwelt, des Risikomanagements und der Forschung, spielen auch hier der Zufall und im Konkreten Zufallszahlen eine eklatante Rolle. Ihnen wird eine besondere Aufmerksamkeit zuteil, wenn es Wahrscheinlichkeiten zu kalkulieren gilt. Mittels Simulationen und Näherungsverfahren wer-

Page 34: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 33 –

den alternative Realisierungspfade (sample paths) erzeugt, um mög-liche Ereignisse im Zeitverlauf zu untersuchen. In den Worten Nassim Talebs: „Wir wollen nicht einfach nur wissen, wo sich ein Vogel mor-gen Abend befinden könnte, sondern interessieren uns vielmehr für die verschiedenen Orte, die er bis zu diesem Zeitpunkt unter Umstän-den besuchen könnte.“(1)

Abb. 1: Studio NAND: Verteilung von Pseudozufallszahlen, Ätzung in Aluminium, 60 x 40 cm

Das Projekt The Known Unknowns thematisiert diesen Drang zur Kalkulation und zum Verifizieren („to quantify is to verify“), indem es drei unterschiedliche Zufallszahlengeneratoren für den heimischen Gebrauch propagiert. Neben einer Sensibilisierung für das Thema geht es um die Fragestellung, wie die Erzeugung von alternativen Re-alisierungspfaden im Alltäglichen unser Denken und Handeln beein-flussen würde.

Page 35: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 34 –

Vom Zufall und der WahrscheinlichkeitIn einem kurzen Abriss sollen zwei unterschiedliche philosophische Betrachtungsweisen in Bezug auf den ,Zufall‘ angesprochen werden. Zum einen wird der kausale Ansatz und die damit verbundene Nega-tion des Zufalls bei Hume thematisiert und zum anderen der radikale Ansatz Meillassoux’, in dem alles dem Zufall überlassen wird. David Hume bezieht den Begriff des Zufalls auf das mangelnde Wissen über die Hintergründe eines Ereignisses und damit auf das Fehlen einer Ursache in Bezug auf dieses Ereignis. Absolute Zufälle werden ausge-schlossen: „Obgleich es in der Welt nichts der Art wie Zufall gibt, so hat doch unsere Unkenntnis der wirklichen Ursache eines Ereignisses denselben Einfluss auf den Verstand und erzeugt eine gleiche Art von Glauben oder Meinung.“(2)

Der Zufall im erweiterten Kontext bedeutet für Quentin Meillassoux als Vertreter des Spekulativen Realismus, dass alles, was ist, auch an-ders sein könnte, einschließlich der physikalischen Naturgesetze: „Wir werden nach und nach entdecken, dass das nicht-kausale Universum genauso kohärent ist wie das kausale Univer- sum, genauso in der Lage wie letzteres, über unsere gegenwärtigen Erfahrungen Rechen-schaft abzulegen.“(3) Wenn sich die Menschen dieser Erkenntnis stellen und von einem kausalen zu einem nichtkausalen Universum übergehen, werden sie, Meillassoux’ Meinung nach, nichts verlieren – nichts außer Rätsel.

Das Projekt The Known Unknowns bezieht sich weder auf Hume noch auf Meillassoux, sondern befindet sich im Spannungsfeld zwischen selbigen. Um dies zu erläutern, soll zunächst im Konkreten auf die Generierung von Zufallszahlen nach deterministischen und nichtde-terministischen Prinzipien eingegangen werden.

A Million Random DigitsDie im Jahr 1946 gegründete amerikanische Forschungseinheit RAND Corporation befasste sich im Rahmen von Zukunftsprognosen mit unterschiedlichsten experimentellen Wahrscheinlichkeitssimulati-onen. Um diese Simulationen durchführen zu können, bedurfte es

Page 36: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 35 –

einer großen Menge an hochqualitativen Zufallszahlen, die mittels einer Art elektronischen Roulettes generiert wurden. Das Buch A Million Random Digits With 100,000 Normal Deviates,(4) das im Jahr 1955 veröffent- licht wurde, stellte lange die Standardreferenz dar und enthielt auf über 500 Seiten nichts als Zufallszahlen, die für Simulationen in der Ökonomie und Wissenschaft genutzt wurden. Die Publikation wurde als größte Ressource an veröffentlichten Zufalls-zahlen von Statistikern, Physikern, Analysten und Lotterieadministra-toren genutzt.

Nach der Einführung des Computers wurden Algorithmen zur Gene-rierung von Zufallszahlen verwendet. Bei diesen Zahlen handelte es sich allerdings um Pseudozufallszahlen (Abb. 1). Pseudozufallszahlen sind scheinbar zufällige Zahlen, die nach einem deterministischen reproduzierbaren Verfahren erzeugt werden und sich im Prinzip in der Welt der klassischen Physik vorhersagen lassen. Sie gelten als min-derqualitativ. Echte, hochqualitative Zufallszahlen hingegen werden mit Hilfe der Quantenphysik, d. h. nichtdeterministisch, generiert. Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit hält sich ein Quanten-teilchen mal an diesem, mal an jenem Ort auf und bewegt sich mit einer unvorhersehbaren Geschwindigkeit. Aufgrund mangelnden Wis-sens können die Möglichkeiten nicht berechnet werden und erschei-nen wahrhaft zufällig für uns. Es bedarf also einer hohen Qualität von Chaos, um zu präzisen Simulationsergebnissen zu gelangen.

Monte Carlo und der VogelDie Monte-Carlo-Methode ist eine signifikante Methode zur Simu-lation möglicher Ereignisse, mittels welcher die verschiedenen Auf-enthaltsorte des oben von Nassim Taleb angesprochenen Vogels bestimmt werden können: Algorithmen generieren eine Unzahl an unterschiedlichen Szenarien, die sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit liegen können. Dazu werden Zufallsexperimente, die auf Zufallszahlen basieren, in einer hohen Frequenz durchgeführt.

In seinem Buch Narren des Zufalls. Die unterschätzte Rolle des Zu-falls in unserem Leben beschreibt Taleb die Monte-Carlo-Methode als

Page 37: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 36 –

ein für ihn essenzielles Werk- zeug, um nicht nur zukünftige Ereignis-se, sondern auch sogenannte alternative Historien (5) zu simulieren, d. h., ein bestimmter Sachverhalt wird nicht ausschließlich durch sein Eintreffen bestimmt, sondern durch das Einbeziehen möglicher Alternativen: „Für die unsichtbaren Historien gibt es einen wissen-schaftlichen Namen: Man spricht von alternativen Realisierungspfa-den (sample paths) – ein Begriff aus dem Bereich der Wahrschein-lichkeitstheorie, der gemeinhin unter der Bezeichnung ‚Stochastische Prozesse‘ bekannt ist. […] Monte-Carlo-Simulationen haben mehr Ähnlichkeit mit einem Spielzeug als alles andere, was mir in meinem Erwachsenenleben bisher untergekommen ist. Man kann Tausende, vielleicht sogar Millionen von Zufallspfaden generieren und beson-ders häufig auftretende Eigenschaften einiger ihrer Attribute unter die Lupe nehmen. […] Ohne mathematische Vorkenntnisse können wir eine Monte-Carlo-Simulation für einen 18-jährigen libanesischen Christen laufen lassen, der für einen bestimmten Geldbetrag immer wieder russisches Roulette spielt, und feststellen, wie viele dieser Ver-suche ihn zu einem reichen Mann machen […].“ (6)

The Known UnknownsDas Projekt The Known Unknowns verfolgt den Drang zur Simulation und zum Erstellen alternativer Realisierungspfade, indem Zufallszah-len und ihre Bedeutung für alltägliche und private Entscheidungspro-zesse, Prognosen, Finanzsimulationen und Risikoeindämmung insze-niert und propagiert werden. Die Serie besteht aus der Cosmic Ray Chamber (Abb. 2 und 3), dem Random Event Harvester (Abb. 4) und dem Random Anemometer (Abb. 5).

Page 38: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 37 –

Cosmic Ray Chamber: Für die Wissenschaftsgläubigen

Abb. 2: Cosmic Ray Chamber, lackiertes Eisengestell, Nebelkammer, MDF, radioaktive Nadelquelle, Elektronik, 110 x 55 x 55 cm

Page 39: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 38 –

Abb. 3: Cosmic Ray Chamber, Draufsicht

Die Cosmic Ray Chamber (Abb. 2 und 3) generiert echte Zufallszah-len im Wohnzim- mer mittels kosmischer Strahlung, einer hochener-getischen Teilchenstrahlung aus dem Weltall, von der nur eine gerin-ge Menge Teilchen die Erdoberfläche erreicht.

In einer Nebelkammer werden die Spuren (Wölkchen) ionisierter Partikelbewegungen aufgezeichnet. Die Zeitabstände zwischen den Messungen können infolge der geringen Teilchenmenge bis zu zehn Minuten betragen. Erfordert die Dringlichkeit einer bestimmten Situation eine schnellere Messung, kann die Strahlung durch eine radioaktive Nadelquelle, die in der Mitte der Kammer platziert wird, verstärkt werden. So lässt sich eine mögliche wachsende Ungeduld vermeiden.

Page 40: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 39 –

Random Event Harvester: Für die Jäger und Sammler

Abb. 4: Random Event Harvester, im 3-D-Druckverfahren hergestellter Prototyp, Geigerzähler, GPS-Modul, 55x15x15cm

Im Unterschied zu der Cosmic Ray Chamber ist der Random Event Harvester (Abb. 4) transportabel. Ausgestattet mit einem Geiger-zähler und einem GPS-Modul sammelt das Gerät Zufallszahlen und deren Position in leicht strahlenden Umgebungen, wie etwa in der Nähe der zwei Kernkraftwerke im Naturschutzgebiet Dungeness in England.

Page 41: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 40 –

Random Anemometer: Für Pseudozufallszahlen

Abb. 5: Random Anemometer, 3-D-Druck, gelasertes Aluminium, Elektronik (60 x 25 x 40 cm)

Das tragbare Gerät (Abb. 5) richtet sich an Menschen, die den auf theoretischer Basis berechenbaren Pseudozufall vorziehen. In jedem der vier Kegel der analogen Apparatur befindet sich eine Windfahne. Trifft die Fahne die linke bzw. rechte Seite des Kegels, wird ein Wert zwischen 0 und 1 erzeugt und digital gespeichert.

—Erschienen in: Rauchwolken und Luftschlösser. Temporäre Räume, Dennis Paul / Andrea Sick (Hg.), Textem Verlag, November 2013

Credits und DanksagungFotos: Matthias SteffenSchauspieler: Daniel GodwardDanke an: Anthony Dunne, James Auger, Gunnar Green, Neil Usher, Tom Lynch, Stefan Schwabe

Page 42: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 41 –

Referenzen1. Nassim Nicholas Taleb: Narren des Zufalls. Die unterschätzte Rolle des Zufalls in unserem Leben, München (btb Verlag) 2013, 89.2. David Hume: Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstan-des. Abtheilung VI. Über die Wahrscheinlichkeit. Übersetzt, erläutert und mit einer Lebensbeschreibung versehen von Julius von Kirchmann, Berlin (Heimann) 1869, 1.3. Quentin Meillassoux: Nach der Endlichkeit. Versuch über die Not-wendigkeit der Kontingenz, Zürich (diaphanes) 2006, 126.4. RAND Corporation: A Million Random Digits and 100,000 Normal Deviates, Glencoe, Illinois (The Free Press) 1955.5. Taleb, Narren des Zufalls, 63.6. Taleb, Narren des Zufalls, 89.

Page 43: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 42 –

Stephan Porombka

Die nächste Literatur Anmerkungen zum Twittern

Wer verstehen will, was nächste Literatur ist, kann bei Twitter nach-schauen. Noch besser: der kann bei Twitter mitmachen.

Aber Achtung. Man erkennt die Literatur nicht sofort. Alles funktio-niert hier anders, als es die Freunde des guten Buches gewohnt sind.

Buchfreunde suchen auf der Timeline vielleicht nach Aphorismen, nach Lyrik, nach Kurzgeschichten, vielleicht nach einem Roman. Sie fahnden nach Autoren, die sie aus den Verlagskatalogen kennen. Und sie suchen Texte, die im Verlagskatalog annonciert werden können. Wer das tut, wird natürlich enttäuscht. Überhaupt wird jeder ent-täuscht, der von den alten Medien kommt und irgendwie erwartet, irgendetwas von den alten Medien zu finden. Aus dieser Perspektive erscheint, was auf Twitter läuft, einfach nur flach.

Nächste Literatur findet man bei Twitter erst dann, wenn man den eigenen Kriterienkatalog überprüft. Denn Twitter ist ein Medium, mit dem man den Wechsel von Kriterien ausprobieren kann. Und das ist bekanntlich nicht das Schlechteste, was man über Literatur sagen kann.

Was getwittert wird, ist nächste Literatur, weil hier lesend und schreibend mit Geräten experimentiert wird, die zu den Leitmedien der Gegenwart geworden sind. Die sind auf eigenartige Weise auf das „Nächste“ verpflichtet. Sie sind die Treibsätze einer Kultur, die sich immer mehr für das nächste große Ding interessiert, die Vergan-genheit entwertet und dabei vor der Gegenwart nicht Halt macht.

Das kann man gut finden. Oder auch nicht. Doch was auch immer man für Strategien entwickelt, mit dieser Gegenwart umzugehen, es gilt: Man sollte wissen, wie das Prinzip funktioniert, mit dem sie in Bewegung gehalten wird. Einfach nur „Nein“ sagen, reicht nicht. Wer

Page 44: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 43 –

aber sagt, dass alles anders werden soll und sich dafür einsetzen will, der spielt das Spiel des Nächsten schon mit. Der sollte deshalb erst recht wissen, wie es gespielt wird.

Wer Laptops, Smartphones und Tablets besitzt, wartet mit Lust und Angst darauf, dass bald die nächste Generation annonciert wird. Die draufgespielte oder über die Cloud verlinkte Software wird fast täg-lich durch Updates mit Funktionserweiterungen und –verbesserungen ersetzt. Man weiß nicht mal, ob die Plattform, mit der man gerade arbeitet, nicht ganz verschwindet oder vom Markt gekauft und auf-gefressen wird.

Unruhig sind aber auch die Geräte selbst. Sie sind darauf angelegt, geortet und an nächste Netzwerke angeschlossen zu werden und mit ihnen Daten auszutauschen. Dabei interessiert der aktuelle Zustand nur begrenzt. Wichtiger ist, nächste Zustände zu antizipieren und zu evozieren. Deshalb versorgen sie ihre User dauernd mit nächsten Angeboten, etwas Nächstes zu tun.

Wer immer auch für Netzwerke dieser Art publiziert, lernt eine Unru-he kennen, die der alten Literatur und ihren Betrieben nicht bekannt war. Nicht nur wird klar, dass man sich auf fortlaufend auf den Ein-satz neuer Hardware und Software einstellen und die Textversionen den neuen Gegebenheiten anpassen muss. Auch müssen alle Doku-mente immer so arrangiert sein, dass sie einfach zu versenden und auf allen Geräten lesbar sind. Einfach nur zur Verfügung stellen, ist zu wenig. Wichtig ist, dass man die Dokumente weiterbearbeiten und teilen kann. Die wichtigste Frage der User lautet: Was kann ich als nächstes damit tun? Wenn ich nichts damit tun kann, will ich’s nicht haben.

Twitter folgt dieser Verpflichtung aufs Nächste auf exemplarische Weise. Auf der Timeline interessiert weniger das, was bereits get-wittert worden ist. Interessant ist, was als nächstes getwittert wird. Twitterer erkennt man daran, dass sie ihre Timeline dauernd mit eigenen Tweets, vor allem aber mit den aktualisierten Tweets der an-deren nachladen. Es ist ein Spiel, das wie alle Spiele davon lebt, dass

Page 45: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 44 –

es in Bewegung bleibt. Wenn es zum Stillstand kommt, ist es vorbei. Und das wünscht sich bei Twitter keiner.

Deshalb wird bei Twitter schnell vergessen, wer nicht dabei bleibt. Es ist falsch, wenn man meint, dass man sich mit Tweets in Erinnerung ruft. Das Twittern selbst ist die Erinnerung. Der Tweet ist das Kurz-zeitgedächtnis. Er ist zugleich das Versprechen, dass das jetzt nicht die letzte Nachricht war. Der Tweet sagt nicht, dass da was war. Der Tweet sagt: Da kommt noch was.

Rund um Twitter evolvieren eine Menge Analyseprogramme. Die User nutzen sie, um genau im Blick zu haben, wann die optimalen Zeiten für das Senden des nächsten Tweets ist, wer ihn dann liest, retwee-tet und mit Sternen versieht und wann man womit neue Follower bekommen kann. Überhaupt: die Follower! Davon wollen alle immer mehr. Jeder Abgang wird beklagt. Jeder Sprung über Hunderter- und Tausendergrenzen gefeiert.

Den Texten ist diese Bewegung auf das Nächste eingeschrieben. Die Beschränkung auf hundertvierzig Zeichen macht klar: Niemand will hier bei irgendetwas lange verweilen. Kann man auch gar nicht. Die nächsten Tweets werden in der Timeline längst weiter draufgestapelt.

Die sind dann oft mit Hashtags versehen. Mit ihnen werden Schlag-wortlisten gebaut, auf die man sich per Link hinüberklicken kann, auf denen sich ebenfalls die neuen Beiträge stapeln. Stapelt sich dort nichts, klickt man sie nicht mehr an.

Noch häufiger enthalten die Tweets Links auf Beiträge im Netz. Weil nicht viel in 140 Zeichen passt, wird man zum Weiterlesen nach drau-ßen geschickt. Damit verbrennen die Tweets. Sie geben ihre Energie ab. Sie sind nur dazu da, um auf etwas anderes zu verweisen. Die blau gefärbte Verknüpfung weist darauf hin: Sie bleiben nicht. Sie wollen mit etwas Nächstem verknüpfen. Klick. Und weg.

Weil das so ist, hat sich Twitter als weltweit einzigartige Kulturum-lüftungsmaschine entwickelt. Was immer auch im Netz passiert, es wird per Tweet auf kleinsten Raum zusammengepresst, in die eigene

Page 46: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 45 –

Timeline gedrückt und dann mit großem Druck rausgeschossen. Mal an hundert, an tausend, an zehntausend und mehr Follower. Das sind Lesermassen, die zusammen kleine und große miteinander verknüpf-te und ineinander verschachtelte Öffentlichkeiten ergeben, in denen die Beiträge für kurze Zeit in Bewegung gehalten werden.

Die Aufmerksamkeitsgesetze dieser Netzwerke haben jene der mas-senmedialen Zentralöffentlichkeiten längst übertrumpft. Für die zeitungsbasierte literarische Öffentlichkeit gilt: Die alte Auseinan-dersetzung mit Büchern ist tot. Wer Rezensionen druckt, bespaßt nur noch ein paar Leser, die es morgens mental zum Briefkasten und zurück schaffen. Wer gelesen und diskutiert werden will, stellt die Sachen ins Netz und sieht zu, dass sie bei Twitter rotieren.

Mit Erfahrung, mit der richtigen Strategie und ein bisschen Glück er-reicht man dann bei Twitter die Leser, die online sind und sich gerade zum nächsten Tweet scrollen. Den sehen sie, vielleicht lesen sie ihn, vielleicht folgen sie dem Link, vielleicht machen sie eigene Tweets aus ihm, vielleicht retweeten sie einfach nur die Vorlage, vielleicht hän-gen sie einen Stern dran, der sagt: Das ist gut. Das gefällt mir. Das könnte auch den anderen gefallen.

Lady Gaga hat dreißig Millionen Follower. Wenn sie hustet, dann regnet es in den nächsten Sekunden weltweit Sterne. Aber dann ist es schon wieder vorbei. Jeder Tweet hat seine Zeit. Und wenn er nicht retweetet wird – und das heißt: von anderen Usern wieder und wieder in die Umlaufbahn geschossen wird – verglüht er schneller, als man gucken kann. Auf Twitter etwas zu verpassen, ist normal. Man sollte das unbedingt entspannt sehen.

Twitter läuft auf diese Weise immer. Wer wirklich twittert, lebt mit dem Programm. Twitter bietet keine Geschichte mit Anfang und Ende. Es ist eine Erzählmatrix, in der man drin ist und die man fort-schreibt. Immersive Storytelling und Liquid Storytelling haben die alten Erzählmuster abgelöst. Die Timeline markiert die Lebenszeit. Die Leute, denen man folgt und die einem folgen, bilden einen Kreis,

Page 47: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 46 –

der anders strukturiert ist als der im Real Life, aber oft auf intensive-re Weise funktioniert.

Auch wenn das Schreiben und Lesen hier mit großer Geschwindigkeit absolviert wird: Dieser Kreis stellt seinen dynamischen Zusammen-hang dadurch her, dass man das füreinander tut. Nur von Ich-Sen-dern zu sprechen ist deshalb im Fall von Twitter falsch. Es sind vor allem Wir- und Für-uns-Sender, die das Nächste herstellen, um den Kontakt untereinander halten. Und zwar online und offline. Auch hier sind die Verschachtelungen und Verknüpfungen so hyperkom-plex, dass jede lineare Diagnose über die Veränderung der zwischen-menschlichen Beziehungen durch Online-Kommunikationen dieser Art ignoriert werden sollten. Selber ausprobieren hilft.

Selber ausprobieren macht auch schlauer. Hört man hin und wieder, bei Twitter gibt es nur das große Rauschen, jeder darf, jeder schreibt, jeder quatscht, dann lautet die Antwort darauf: Ja, das stimmt, das macht das Medium aus. Aber der zweite Teil der Antwort lautet: Vielleicht sollte man selbst nicht so viel Quatsch reden, sondern sich Twitter mal genauer anschauen und sehen, dass man sich die Time-line mit guten Leuten und guten Sendern bestücken und alles andere unterdrücken kann. Wer ist denn so dumm und folgt tausend Usern, die alle nur dummes Zeug schreiben? Niemand. Das passiert nur in der beschränkten Phantasie von Leuten, die gar keine Ahnung von Twitter haben und selber nur dummes Zeug quatschen, das weder bei Twitter noch sonst wo jemand hören will.

Wer von außen so ein dummes Zeug erzählt, der hat vor etwas ganz Anderem Angst. Verstörend wirkt die Art und Weise, wie man mit Kul-tur umgeht. Bei Twitter wird nämlich gegeben, geteilt und geschenkt. Vor allem wird es mit dem Hinweis getan, dass man das Gegebene, Geteilte und Geschenkte weitergeben, weiter teilen und weiterschen-ken kann. Hier sagt man nie: Bewahre es auf. Alles fordert auf: Mach etwas damit, wenn Du willst.

Bei Twitter haben deshalb die Geizigen keine Chance. Wer alles nur für sich behalten und alles Licht nur auf sich lenken will, hat verloren.

Page 48: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 47 –

Nichts spüren Follower schneller und feiner als eine Form der ängst-lichen Arroganz, die nicht zum Tausch bereit ist. Wer den Flow aufs Nächste unterbricht, um nur sich selbst zu bereichern, wird entfolgt oder gar nicht erst wahrgenommen.

Mit all dem verhält sich Twitter zum Buch wie die Performance zum Ölbild. Während die gedruckte Literatur und all ihre Institutionen darauf aus sind, Bleibendes zu schaffen, gibt sich das geschriebene Wort bei Twitter der fortlaufenden Bewegung hin. Hier gilt nicht: Wer schreibt, der bleibt. Bei Twitter gilt: Wer schreibt, der verschwindet, um das Nächste vorzubereiten. Schreibend schafft man Treibstoff, der verbraucht wird. Niemand twittert mit Substanz. Aber alle twit-tern stimulierende Substanzen.

Wer sich für klassische Literatur interessiert, mag denken, dass mit den 140 Twitter-Zeichen die Tradition des Aphorismus weitergeführt wird. Tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus. Doch machen die Tweets den Unterschied ums Ganze. Denn sie lösen etwas ein, das im Aphorismus als Gedankenblitz nur angelegt war, als er noch handschriftlich notiert und dann in Bücher gedruckt worden ist.

Ein Tweet verbindet wirklich, was bis dahin noch nicht zusammen-zugehören schien. Er blitzt wirklich. Er schlägt ein. Er provoziert den Unterschied im Denken, indem er sichtbar neue Gedanken in Gang setzt. Er markiert nicht das Ende. Er ist das Material für die nächsten Ideen. Und während der Aphorismus der Buchkultur dann doch als zeitlos geflügeltes Wort der Nachwelt übergeben werden sollte, ver-flüchtigt sich der Tweet, bevor man ihn kanonisieren kann.

Und während der Aphorismus der Buchkultur den großen Geist des großen Autors in Szene setzen sollte, ist der Tweet auf etwas anderes angelegt: Er verknüpft Leute, die sich gegenseitig lesen. Das tut er nicht erst, wenn das Buch irgendwann mal gedruckt ist und den wei-ten Weg über die Läden, Bibliotheken und Privatregale zu den Lesern findet. Er tut es immer jetzt und sofort und immer als Treibsatz für das Nächste.

Page 49: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 48 –

Das klingt nach Stress. Ist es natürlich auch. Vor allem dann, wenn man diese Bewegungen aufs Nächste hin mit den Strategien jener Medien bewältigen, mit der sich die Kultur an der Vergangenheit orientiert und auf die Gegenwart verpflichtet hat. Wer Twitter wie ein Buch liest, verzweifelt. Wer Twitter als Zeitung versteht, verzweifelt nicht sofort, verpasst aber das Beste. Wer Twitter als Medium des Nächsten ausprobiert, kommt schon weiter. In den Zeitungsredak-tionen und den Buchverlagen lernen sie das gerade. Und sie wissen, dass die nächsten Bücher und die nächsten Zeitungen deshalb nicht mehr so aussehen können wie heute.

Allerdings hört man hier dann auch immer wieder die Frage: Muss man eigentlich jeden Quatsch mitmachen? Muss man von Twitter Ahnung haben oder gar mitmachen, nur weil hundert Millionen User das tun?

Nein. Natürlich nicht. Man kann immer auch irgendwas anderes tun. Oder auch gar nichts. Man muss sich nicht mit der Gegenwart beschäftigen. Man sollte dann aber auch nicht über die Gegenwart reden, als hätte man Ahnung davon.

Man soll dann übrigens erst recht nicht die Künstler und die Künste feiern, die sich im 18. Jahrhundert produktiv mit dem Buch ausein-andergesetzt haben, obwohl es Angst gemacht hat und gedroht hat, die alten Regeln der alten Gesellschaftsform sukzessive auszuhöhlen und zu erledigen. Man sollte dann auch nicht die Künstler und die Künste feiern, die sich mit Faszination auf die Fotografie, den Jour-nalismus, den Film, das Radio und das Fernsehen eingelassen haben.

Das ist klar: Wer heute Twitter nur flach findet, es nicht berühren und nicht davon berührt sein will, der benimmt sich ja nicht anders als ein armer preußischer Landgeistlicher im Jahr 1780, der immer noch darauf schwört, dass nur die Bibel das richtige Buch ist.

Wer heute Twitter nur flach findet, es nicht berühren will und nicht davon berührt sein will, schmeißt überdies die kulturellen Errungen-schaft über Bord, die dieser arme Landgeistliche nicht hatte: die Errungenschaft nämlich, auf die Massenkultur, auf das „man“, auf

Page 50: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 49 –

die Medienkultur, auf die Popkultur, auf das wilde, überfordernde, rauschende Durcheinander der Vielen nicht mit schnöder Arroganz herabschauen zu müssen, sondern sich selbst als ein Teil davon sehen zu können, von allem fasziniert zu sein und doch sich nicht auflösen zu müssen, sondern mittendrin mit sich selbst und der Gegenwart auf ebenso lustvolle wie kritische Weise experimentieren zu können, um durch sich hindurch nächste Zustände herstellen zu können.

Und für all das soll Twitter stehen? Twitter als d a s Medium, mit dem wir das alles endlich einlösen können?

Ach, Twitter. Wir leben in einer Kultur, die auf das Nächste fixiert ist. Das gilt auch in diesem Fall. Deshalb muss man ja auch nicht twit-tern. Man darf auch eine Runde aussetzen und dann in der nächsten wieder einsteigen. Vielleicht wird es gar nicht lange dauern. Hun-dertvierzig Zeichen sind ja schnell überflogen. Und dann geht’s schon wieder weiter.

Page 51: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 50 –

Ranga Yogeshwar

Bücher sind keine Schuhcreme!Warum Bibliotheken im digitalen Zeitalter immer wichtiger werden

Meine erste bewusste Erinnerung an Bibliotheken ist eng verbunden mit dem kratzigen Kitzeln von Bartstoppeln. Dann nämlich, wenn ich meinen indischen Großvater umarmte, der im Gegensatz zu meinem Vater keinen Vollbart trug und zu Hause manchmal unrasiert war. „Tataa“, wie wir unseren Großvater nannten, lebte in einem einfa-chen Haus im Stadtteil Malleswaran mitten in Bangalore. Die südin-dische Kleinstadt meiner Kindheit war noch beschaulich. Bangalore, die „Stadt der Blumen“, lag kühl auf dem Dekan-Hochplateau, eine Stadt im Aufbruch mit einer keimenden Industrie und doch noch überschaubar, eingebettet in das Grün umliegender Reisfelder und langer Baumalleen, die von neugierigen Rhesusaffen bewohnt wur-den. Schon damals träumte die Stadt von Veränderung und Fort-schritt, doch dieser war noch nicht in Indien angekommen. Banga-lore war noch nicht zur heutigen Megastadt angewachsen und der Boom von IT, Outsourcing und Geld sollte noch drei Jahrzehnte auf sich warten lassen.

Mein Großvater S. R. Ranganathan war Mathematiker und ein aner-kannter Bibliothekswissenschaftler, der das Bibliothekswesen Indiens nachhaltig prägte. Ein Intellektueller, der in Indien hohes Ansehen genoss und dennoch ganz im Geiste des großen Mahatma Gandhi in materieller Bescheidenheit lebte. Bildung und Reichtum waren nicht zwingend miteinander verbunden. In seiner festen Überzeugung war die Bibliothek weit mehr als ein Haus mit vielen Buchregalen, die möglichst gut gefüllt sein sollten. In den Bibliotheken fand sich das organisierte Wissen der Welt, und dieses Wissen gehörte allen und sollte jedem, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Kaste oder sei-nem Einkommen, zugänglich sein.

Das Indien meiner Kindheit hatte sich gerade aus den Fängen kolo-nialer Unterdrückung befreit und ich erlebte einen Kontinent auf der

Page 52: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 51 –

Suche nach seiner neuen Rolle. Überall entstanden neue Fabriken, neue Maschinen und neue Stadtteile. Das arme Indien – so der Traum – sollte durch den Genuss von Bildung zu einer starken Nation auf-blühen. Bildung war der Schlüssel, mit dem die Tür in eine blühende Zukunft aufgeschlossen werden sollte. Für meinen Großvater war die Bibliothek heilig und wie ein Tempel war sie offen für alle, ein leben-diger Ort, der die Menschen, die ihn nutzten zu mündigen und unab-hängigen Bürgern machte. Ein Ort, der jederzeit für jeden zugänglich sein sollte, ein Ort ohne Preisschilder! Als Enkel von S. R. Ranganat-han bin ich wahrscheinlich seit meiner Kindheit geprägt von der be-sonderen Rolle der Bibliotheken und über die Jahre hinweg hatte ich zudem immer wieder die Gelegenheit, mit Bibliothekaren über den Wandel der Informationswissenschaften zu diskutieren. Nach meiner tiefsten Überzeugung sollte jede aufgeklärte Gesellschaft ihr Wissen teilen.

In Deutschland gilt Karl Preusker als einer der Pioniere des öffent-lichen Bibliothekswesens. Vor rund 200 Jahren hat auch er einen ähnlichen Gedanken etabliert, der heute nach wie vor aktuell ist: Was uns als Homo Sapiens ausmacht, ist, dass wir das Wissen, das wir sammeln, auch teilen. Eine Welt, in der Wissen nicht geteilt würde, wäre eine Welt, die sich nicht weiterentwickeln könnte. Bibliotheken waren und sind dabei von zentraler Bedeutung. Nach Karl Preusker wurde die Medaille benannt, die mir im Oktober 2012 verliehen wurde und schon aus meiner persönlichen Biografie heraus ist dies für mich eine besondere Auszeichnung.

Karl Preuskers und Ranganathans Idee vom Teilen des Wissens steht heute vor einer Bewährungsprobe: Einerseits versetzt uns die Technik des Internets erstmals in die Lage, die Distribution des Wissens auf großartige Weise flächendeckend zu realisieren. Das Medium un-terstützt die Grundidee des Teilens und des Vernetzens und es wirkt noch immer wie ein Wunder, dass man von jedem Ort auf das digita-le Wissen der Welt zugreifen kann. Und doch stellt die zunehmende Digitalisierung unsere Bibliotheken vor eine existenzielle Herausfor-derung: Wie frei gestalten wir den Zugang zum Wissen? Wer partizi-piert und wer wird ausgeschlossen? Ist Wissen eine Ware oder ein frei

Page 53: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 52 –

zugängliches Allgemeingut? In den kommenden zehn Jahren werden die Weichen gestellt, und als Gesellschaft sollte uns bewusst sein, dass diese Entscheidung prägend sein wird für das fundamentale Selbstverständnis unserer Kultur und unseres Miteinanders. Biblio-theken zählen dabei zu den ersten, die diese Entscheidung zu spüren bekommen. Wird das Licht der Aufklärung womöglich zugedeckt durch eine Haltung, die zunehmend geprägt ist von materiellen und egoistischen Interessen? Apropos Licht. Mein Großvater lebte in einer Zeit, in der elektrisches Licht in Indien noch nicht weit verbreitet war. Licht ist ein Indikator für den technischen Fortschritt und noch in meiner Kindheit war Indien ein dunkler Kontinent. Doch die Welt hat sich gewandelt, und das in einem atemberaubenden Tempo. Be-trachtet man die Erde bei Nacht, so erkennt man, wie in nur wenigen Jahrzehnten ganze Kontinente zu leuchten beginnen. Das Licht ist Ausdruck für die weltweite Diffusion des technischen Fortschritts und ist gewissermaßen ein Maß für Bildung, für technischen Fortschritt, vielleicht sogar für Demokratie. Betrachtet man sich Satellitenauf-nahmen unseres Planeten bei Nacht, so kann man unmittelbar se-hen, wo und wie sich der industrielle Fortschritt in einem Jahrhundert ausgebreitet hat. Der indische Subkontinent, China und weite Teile Südamerikas leuchten immer heller, wohingegen noch immer (zu)viele Länder des afrikanischen Kontinents auf das Licht der Aufklä-rung warten...

Bibliotheken wandeln sich unaufhörlich1931 formulierte mein Großvater die „Fünf Gesetze der Bibliotheks-wissenschaft“. Sie wirken auf den ersten Blick ein wenig trivial, doch hinter den einfachen Sätzen verbirgt sich eine sehr grundsätzliche Überzeugung.

Das erste Gesetz lautet: „Bücher sind zum Benutzen da“ (Books are for use). Zunächst mag das belanglos klingen. Aber historisch be-trachtet wurden viele Bücher in Bibliotheken zur Schau gestellt. Sie repräsentierten Macht und Status, und so manche edle Bibliothek war stolz auf ihre kostbaren Sammlungen mit den vergoldeten Buch-rücken, doch bei aller „Zurschaustellung“ verfehlte man den Kern des

Page 54: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 53 –

Buches: Bücher leben nur, wenn sie auch gelesen werden, wenn ihre Inhalte stimulieren und bewegen.

Das zweite und dritte Gesetz heißt: „Jedem Leser sein Buch“ (Every reader his book) und „Jedem Buch seinen Leser“ (Every book its rea-der). Das Ordnen, Organisieren und Auffinden eines Buches war ein Prozess, der früher beschwerlich war. Armes Buch, das in einem ab-gelegenen Regal den Tod der Einsamkeit starb, wenn zum Beispiel die passende Archivkarte fehlte. Armer Leser auch, der suchte und nicht finden konnte. Gute Bibliotheken gleichen intelligenten Heiratsver-mittlern und beherrschen die sensible Beziehung zwischen Buch und Leser. Das Suchen und Finden wurde zwar durch das Internet revo-lutioniert, doch mitunter werden die Schwächen heutiger „Suchma-schinen“ offensichtlich. Noch warten wir alle auf eine intelligente „Findemaschine“, ein vielversprechendes Zukunftsfeld, welches eher auf kluge Bibliothekare, Informationswissenschaftler und Linguisten angewiesen ist als auf findige Geschäftsleute. Das gilt insbesondere, wenn man den vierten Satz meines Großvaters hinzunimmt: „Die Zeit des Lesers achten“ (Save the time of the reader).

Der fünfte Satz ist für mich der entscheidende: „Eine Bibliothek ist ein wachsender Organismus” (A library is a growing organism). Bibliotheken verändern sich kontinuierlich. Letzteres belegt auch ein kurzer Blick in die Geschichte des Buches.

Bücher waren nicht immer für alle Menschen bestimmt. Es gab Zeiten, da waren sie ein Privileg der Reichen und Mächtigen, und ich habe ein bisschen die Sorge, dass wir heute wieder auf eine solche Trennung zwischen arm und reich zusteuern. In der Geschichte des Buches gab es zunächst diejenigen, die schrieben, die Mönche. Das Kopieren von Büchern bescherte Klöstern prächtige Bibliotheken, doch ihr Zugang war nur wenigen Privilegierten vorbehalten. Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert änderte sich diese Mo-nopolstellung dramatisch. Johannes Gutenberg hatte um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Lettern in Europa erfunden. (Eine Tech-nik, die bereits zuvor in China und Südkorea erfunden worden war!) Druckereien breiteten sich in Europa rasend schnell aus. Der Buch-

Page 55: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 54 –

druck führte dazu, dass Gedanken aus dem Käfig, den die Mächtigen bewachten, ausbrechen konnten. Die Konsequenzen waren atem-beraubend. Man kann sich fragen, ob zum Beispiel Luther, ob die Reformationsbewegung ohne diese Veränderung des Mediums Buch überhaupt hätte stattfinden können. Der Buchdruck hat unser Den-ken nachhaltig geprägt und formte in den folgenden Jahrhunderten unsere Gesellschaft, unser Demokratieverständnis, das soziale Mitei-nander oder die Methodik des wissenschaftlichen Denkens.

Heute befinden wir uns in einer ähnlichen Scharnierphase wie zur Zeit der Erfindung des Buchdrucks. Das Internet breitet sich immer weiter aus. Es umfasst mittlerweile weit mehr als das, was wir In-formationsvermittlung nennen: Facebook beispielsweise hat es mit möglich gemacht, dass die Arabellion in den nordafrikanischen Staa-ten stattfand. Die Plagiatsjäger sind im Internet unterwegs und die unbequeme Transparenz von Wikileaks lehnt sich gegen die Mächti-gen auf. Die gesamte Verlagsbranche, die Grundzüge des Urheber-konzepts stehen vor einem existenziellen Umbruch und Dank Internet können zurückgefallene Nationen binnen kürzester Zeit mit anderen Industrienationen gleichziehen. Die Vernetzung des Internets greift dabei in alle Lebensbereiche: vom Einkaufen, der Partnersuche bis hin zu neuen Organisationsformen der Demokratie. Tim Berners-Lee, der Mann, der das World Wide Web am europäischen Forschungszentrum CERN erfunden hat, schilderte mir auf eindrucksvolle Weise, warum er seine Grundidee sehr bewusst nicht hat patentieren lassen: Am 30. April 1993 erklärten die Direktoren des CERN, dass die WWW-Techno-logie für alle frei verfügbar sei ohne jegliche Patentansprüche! Ohne diese bemerkenswerte Offenheit, ohne diese entschiedene Haltung, Wissen zu teilen und auf einen kurzsichtigen Gewinn zu verzichten, wäre das überwältigende Wachstum des Webs niemals erfolgt. Die Haltung des Teilens hatte gesiegt.

Es besteht jedoch ein fundamentaler Unterschied zwischen der Erfin-dung des Buchdrucks und der Erfindung des Internets. Er liegt in der Art des Zugangs und der besonderen Verfügbarkeit: Der Mensch geht nicht mehr zum Buch. Das Buch – die Information – kommt heute zum Menschen. Ein Grundkonzept übrigens, welches mein Großvater

Page 56: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 55 –

bereits in den 1930er Jahren durch die Einführung der mobilen Biblio-thek erkannte und umsetzte!

Al Gore, der einstige Vizepräsident der Vereinigten Staaten, sprach noch vom Information Highway. Heute können wir uns fragen, ob das Internet vielleicht eher ein Entertainment Highway oder ein Shopping Highway ist. Es verändert viele Lebensbereiche auf fundamentale Weise, bringt plötzlich verschiedene Disziplinen zusammen und all das geschieht rasend schnell!

Mein heutiges Mobiltelefon besitzt die Speicherkapazität eines Re-chenzentrums meiner Studentenzeit: 64 Gigabyte. Was heißt allein das für die Bibliotheken? Nehmen wir die wunderbare Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Auf einer kleinen Festplatte können wir heute den gesamten Informationsgehalt dieser Bibliothek spei-chern. Wir haben vollkommen neue technische Dimensionen, die auf uns zukommen. Diese Entwicklung ist noch längst nicht am Ende und sie offenbart ungeahnte Möglichkeiten. Allein Google unterhält auf vielen Kontinenten riesige „Datenzentren“, und im Gegensatz zu Bibliotheken wird immer unklarer, was in diesen Serverparks alles abgespeichert und weiterverarbeitet wird. Nie zuvor gab es auf unse-rem Planeten Orte solch hoher Informationsdichte, doch diese Orte stehen in einem kommerziellen Kontext...

Das Buch erlebt eine elektronische MetamorphoseDie Frage, was mit Bibliotheken im Internetzeitalter passiert, ist direkt gekoppelt an die Frage, was mit dem Buch an sich, mit unse-rer Lesekultur und mit dem Prozess der Autorenschaft passiert. Das Buch erlebt derzeit eine elektronische Metamorphose. Es wandelt sich immer öfter hin zum E-Book. Noch liegt dessen Marktanteil in einem niedrigen einstelligen Prozentbereich. Doch er wächst kontinu-ierlich. Der Buchmarkt in Deutschland sieht diese Entwicklung eigen-tümlich gelassen. Interessanterweise werden die Marktteilnehmer, die Autoren, Verleger und Händler, bei diesem Prozess noch nicht nervös. Wahrscheinlich geht es ihnen wie den Pferdekutschenbauern, als das Automobil aufkam. Auch sie waren anfangs nicht sonderlich

Page 57: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 56 –

aufgeregt. Es gäbe allerdings Grund dazu. Wir erleben momentan eine Zeit, in der sich die Dinge sehr schnell ändern. Schon jetzt wer-den „Claims“ abgesteckt, ohne dass man sich in der Branche über die Konsequenzen wirklich bewusst ist. Da empfängt der französische Präsident den Google Chef Eric Schmidt und stimmt einer fragwür-digen Vereinbarung zu, ein Deal für 60 Millionen Euro Entschädigung an Verlage und Redaktionen für die freie Verwendung von Inhalten bei Online-Projekten. Kritiker sprechen von einem Freikauf. Bildrechte wurden auf massive Weise in den vergangenen Jahren von IT-Kon-zernen erworben, von klassischen Malereien bis hin zu digitalen Satellitenbildern, und die jüngsten gerichtlichen Entscheidungen im Fall Capitol Records gegen ReDigi verbieten den Weiterverkauf von gekauften Liedern bei Itunes. Vielleicht kündigt sich das Ende der ge-erbten wunderschönen Bücher und Schallplatten von Großeltern und Tanten an, denn mit dem Tod wird der digitale Nachlass des Users womöglich gelöscht. Vielleicht findet mittelfristig ein fundamentaler Paradigmenwechsel statt: nicht mehr „besitzen“, sondern lediglich für die Nutzung zahlen. Der Erfolg von rasch wachsenden Streaming Plattformen wie Spotify unterstützt dieses Argument. Werden wir also in Zukunft eine Flatrate für den Gebrauch von Büchern bezahlen und somit auf Millionen digitaler Titel zugreifen können. Und wenn ja – was passiert dann mit den Bibliotheken? Wird es vielleicht nur noch möglich sein, die digitalen Bücher innerhalb der Wände einer Biblio-thek zu lesen, also ein örtlich begrenzter Zugang ohne eine Ausleihe? Nie zuvor wurde das Wissen durch eine so scharfe kommerzielle Brille betrachtet und alle derzeitigen Konflikte beziehen sich auf Business Modelle, auf lukrative Rechte und auf kostenpflichtige Distributi-onsmodelle. Die Bibliothek ist ein wachsender Organismus, doch das kommerzielle Umfeld droht diesen wertvollen Organismus zu infizie-ren.

Bislang war es eher so, dass die klassischen Verlage auf der ande-ren Seite des Tisches standen, wenn es um ihr Verhältnis und um Verhandlungen mit Bibliotheken ging. Im Kontext der Digitalisie-rung gibt es jedoch die neuen Player aus der elektronischen Welt. Das E-Book ist definitiv auf dem Vormarsch. Bei aller Romantik und

Page 58: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 57 –

Bibliophilie – E-Books sind praktisch: Man muss die Lesebrille nicht so oft aufsetzen, und als Vielleser bezahlt man beim Fliegen kein Übergepäck. So sehr ich das Geräusch von Papier, den Duft der Dru-ckerschwärze und die Ausstrahlung eines gut sortierten Buchregals schätze, so sehr muss ich auch einsehen, dass es gute Gründe für das neue elektronische Buch gibt. Wir stehen an der Schwelle zum Neuen, weil es vielleicht auch gute Gründe dafür gibt. Doch inmitten dieser aufregenden Entwicklung gibt es auch Aspekte, die wir kriti-scher betrachten sollten. Die Bedeutung des Teilens, die Karl Preusker betonte hat, wird in diesem Modell unterlaufen. E-Books kann man nicht ausleihen wie klassische Bücher, nicht weiterverschenken, nicht so ohne weiteres übertragen oder vererben. Der pikante Unterschied zwischen Besitz und Nutzung ist vielen Usern noch nicht klar. Wenn wir ein E-Book kaufen, erwerben wir lediglich das Nutzungsrecht auf einer sehr beschränkten Plattform. Wer morgen zum Beispiel seinen Account bei Amazon kündigt, verliert seine „gekauften“ E-Books. Auffällig ist zudem die bewusste Inkompatibilität der verschiedenen Reader.

Wer beispielsweise ein Apple iPad besitzt, hat zwar einen E-Book-Reader, kann damit jedoch nicht bei der Konkurrenz, etwa bei Amazon, einkaufen! Umgekehrt können Kindle-Besitzer keine Bücher aus dem Apple- oder Google-Reich erwerben. Die jeweiligen Anbieter schotten also ihren Markt gegenseitig ab, und so entsteht eine bedenkliche Abhängigkeit des Lesers. Die jeweiligen Anbieter bewerben zudem ihr Angebot mit Dumpingangeboten und senken somit die Einstiegsschwelle der potentiellen Käufer. Man lockt uns auf raffinierte Weise in eine neue Abhängigkeit. Wie absurd diese Entwicklung ist, zeigt z.B. die „Bestsellerliste“ von Anbietern wie Apple: Grimms Märchen als Bestseller? Und iTunes 10 auf Platz 3...? (Stand: Dezember 2011) Abgesehen von der Intransparenz ist auch das Angebot alles andere als üppig. Jeder kann es überprüfen: Viele Titel fehlen, doch dem Nutzer wird ein reichhaltiges Angebot vorge-täuscht. Die IT-Giganten wollen alles in einer Hand: Reader, Titel und den Shop, in der Hoffnung, damit schnell zu einem globalen Mono-

Page 59: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 58 –

polisten zu werden so wie Facebook, Google & Co. Hinter den Kulissen herrscht ein harter Krieg um Rechte, Preismodelle und Plattformen.

Das neue Buch verrät den Leser Unabhängig davon ist auch die Privatheit des Lesers in Gefahr. Die elektronischen Reader sind vernetzt und in der digitalen Welt wissen die Anbieter genau, was wir kaufen. Sie wissen sogar, ob wir das, was wir kaufen, auch wirklich lesen, welche Seiten wir intensiv studieren und welche Kapitel wir überspringen. In wenigen Jahren dürften un-sere Reader sogar unsere Augenbewegung registrieren! Das ist zwar praktisch, denn man muss nicht mehr weiterblättern, das geschieht dann automatisch, doch prinzipiell kann man genau erfassen, wann ich welche Passage lese, ob ich dabei aufgeregt oder gelassen blin-zele, wo ich „hängenbleibe“ und welche Textstelle ich überspringe. Wie lange braucht es dann, bis auf dieser Datenbasis neue „benut-zerfreundliche“ Bücher entstehen? Geschichten, die zuvor durch Tests des Leseverhaltens „optimiert“ wurden. Machen Sie ein Gedankenex-periment: Wann ist es soweit, dass wir einen Kriminalroman lesen, der plötzlich in unserer Straße spielt? Wann klingelt unser Telefon und unser Buch ruft uns an? Bereits mit heutigen Suchmaschinen ist das zu bewerkstelligen, denn der Anbieter weiß, wer das Buch kauft. Er kann direkt prüfen, wo der Käufer wohnt, mit wem er bei Facebook befreundet ist und für welche Inhalte er sich noch interessiert. Per Netz sind unsere Freunde, unsere Lieblingsrestaurants und unsere liebsten Urlaubsziele bekannt. Warum also nicht diese Informationen im Buch integrieren? Eine Story, zugeschnitten auf den jeweiligen Leser. Und vielleicht sagt uns das Buch sogar, dass die Geschichte nicht weiter geht, bevor wir uns zu einem bestimmten Ort begeben, denn dank Ortungsdienst weiß unser Buch auch, wo wir sind. Und für jeden Aspekt gibt es praktische Anwendungen: Ein Reiseführer etwa, der uns auf intelligente Weise die Geschichte des Kolosseums aufschlägt, wenn wir gerade davor stehen. Auf einer eingeblendeten Karte sehen wir, wer in unserer Nachbarschaft das gleiche Buch liest und der Reader lädt uns zum virtuellen Lesezirkel ein – „wir haben uns über das Buch kennengelernt...“

Page 60: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 59 –

Schon heute kann man auf Readern die Anmerkungen anderer Leser verfolgen und die stille Kultur des Lesens wird, wenn es so weitergeht, zum interaktiven Erlebnis. Die Verwertung von „Big Data“ beginnt erst, und es gibt keinen Zweifel darüber, dass dieses einen Einfluss auf den Markt, auf die Autoren und sogar auf die Inhalte haben wird. Bestseller werden eines Tages nach klaren Kriterien „optimiert“, so wie heutige Fernsehsendungen im Minutentakt den audience flow berücksichtigen. Dieser interaktive Aufwand lohnt sich natürlich nur bei Bestsellern, und wie bei der TV- und Filmindustrie schlägt dem-nächst die Stunde des lukrativen Mainstreams. Die nuancierte inhalt-liche Vielfalt wird zwangsweise ausgedünnt. Beim „Geschäft Buch“ stehen Verkaufszahlen im Vordergrund und nicht die Inhalte. Welcher einfache Titel kann sich noch behaupten, wenn die Starbücher alle mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Schon heute bewerben Ver-lage auf fast aggressive Weise die Bestseller, wohingegen andere Titel kaum sichtbar sind.

Schon heute bekommen wir einen Vorgeschmack auf die direkten Zugriffsmöglichkeiten: Der Internet-Händler Amazon etwa hatte ein rechtliches Problem mit Büchern von George Orwell. Mitte Juli 20095 löschte Amazon ohne Ankündigung diese Bücher auf den Lesegerä-ten seiner Kunden. In Deutschland kommt dies dem Tatbestand des Diebstahls gleich, so, als würde ein Buchhändler bei seinen Kunden ins Haus eindringen und im Regal ein erworbenes Buch stehlen. Im Januar 20106 verschwanden plötzlich die Titel vom Macmillan-Verlag auf der Einkaufsliste von Amazon. Hinter den Kulissen ging es dabei um Konflikte bei der Preispolitik von E-Books. Im Sommer 20107 ver-schwanden Titel wie die Erotikgeschichten „Blonde and Wet“ von Carl East aus den britischen Bestsellerlisten der meistgekauften E-Books. Apple hatte diese aus der Liste entfernt, denn – vergessen wir nicht – Apple hält sich an amerikanische Moralvorstellungen und betreibt auch schon mal indirekt Zensur. Die spärlich bekleideten Damen auf der Bildzeitung fehlen oder werden auf der Apple „BILD-App“ ent-sprechend retuschiert.

Jedes dieser Ereignisse stieß auf eine befremdlich stille Reaktion bei den politisch Verantwortlichen hierzulande, und wir alle müssen uns

Page 61: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 60 –

fragen, ob wir eine solche Art der Zensur und eine Monopolisierung der Informationskanäle akzeptieren wollen.

Und was ist mit der rechtlichen Seite? Haben wir überhaupt noch eine Handhabe gegen die Firmen hinter der neuen Technik? Apple ist amerikanisch, Amazon ist amerikanisch, Google ist amerikanisch, Microsoft ohnehin, Facebook, YouTube, Wikipedia – wenn die meisten international tätigen Informationsplattformen in den USA verankert sind, entsteht eine bedenkliche Schieflage. Bei allem Respekt, doch rein theoretisch könnten die USA über Nacht diese Zugänge sper-ren. Bücher wären nicht mehr auffindbar, soziale Netze würden uns abweisen und das Internet wäre ohne Google kaum durchsuchbar. Kultur lebt von der Unabhängigkeit und auch von nationalen Unter-schieden, und jede Kultur einer Nation braucht auch im Zeitalter des Internets seine eigene Souveränität. Dieser Aspekt wird von der Politik ignoriert. Wo zum Beispiel bleiben die Anstrengungen für eine euro-päische Suchmaschine als unabhängiger Gegenentwurf zu Google?

Unseren Verantwortlichen ist offensichtlich immer noch nicht klar, dass eine Nation über Nacht die gesamte Internet-Infrastruktur einer anderen Nation abstellen kann. Doch wir müssen gar nicht so weit gehen: Welches Recht kommt eigentlich beim Kauf der E-Books zum Tragen? Was ist wo erlaubt? Oft überlesen wir beim „Akzeptieren“ der Geschäftsbedingungen, dass wir uns per Maus-Klick US-ame-rikanischen Gesetzgebungen unterwerfen. Bei Wikipedia z.B. greift das Recht des US-Bundesstaates Florida und wenn wir bei Apple ein Buch herunterladen, dann schließen wir ein Geschäft mit dem iTu-nes Store S.A.R.L. in Luxembourg. Die digitale Bücherwelt ist rein kommerziell geprägt und operiert global. Hierbei wird zum Beispiel die in Deutschland wertvolle Buchpreisbindung einfach unterlaufen: Konkret habe ich die Preise für Steve Jobs Biografie bei I-Tunes vergli-chen:

Am 10. Dezember 2011 kostete das E-book 19,99 Euro.

Am 10. Januar 2012 kostete dasselbe Werk nur 15,99 Euro.

Page 62: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 61 –

Warum? Wer ein Buch bei iTunes kauft, schließt einen Vertrag mit der iTunes S.A.R.L., und diese Firma hat ihren Sitz in Luxemburg, ebenso Amazon. Und das nicht ohne Grund, denn Luxemburg hat seit dem 1.1.2012 den Mehrwertsteuersatz für E-Books von 15 auf 3 Prozent gesenkt. Wie gefällig man doch gegenüber dem Big Business ist...

Das heißt, in Europa gibt es, je nachdem, wo wir einkaufen, einen anderen Preis für dasselbe „Produkt Buch“. Über Nacht und erneut ohne Aufregung wurde ein wichtiger Schutz für das „Kulturgut Buch“ einfach unterlaufen. Die jeweiligen elektronischen Kindle-Editionen der Steve Jobs Biographie kosten in Deutschland 15,99€, in Frankreich 18,99€ und in Spanien 14,24€. Die Buchpreisbindung, ursprünglich ein Schutz für kleine Händler, droht sich in der elektronischen Welt auf-zulösen. Würde ich als bekannter Fernsehjournalist meinen Wohnsitz von Deutschland nach Luxemburg verlagern (und bitte vergessen Sie nicht – ich bin sogar Luxemburger!) gäbe es zu Recht einen Aufschrei, denn obwohl ich in Deutschland arbeite, würde ich meine Steuern in Luxemburg bezahlen. Doch wer bitte regt sich darüber auf, dass eine ganze Branche sich in eine Steueroase verzieht?

Natürlich könnte die Politik reagieren, denn grenzüberschreitende Beschränkungen des freien Warenverkehrs durch nationale Buch-preisbindungsgesetze aus kulturpolitischen Gründen sind laut Euro-päischem Gerichtshof zulässig! Und dennoch schweigt die Politik!

Wir erleben derzeit eine Umwälzung, die Bibliotheken genauso trifft wie kleine Händler. Wie lange wird es noch dauern, bis die gutsortier-te kleine Fachbuchhandlung schließt und das Buch Café um die Ecke Konkurs anmelden muss? Der Preis regelt den Markt und so werden Internet-Portale mit Preisvergleichen für Bücher werben. Das Buch verkommt dann zur Massenware....

Bücher sind kein Kommerzprodukt Bislang war der Buchmarkt nach einer Idee gegenseitiger Koexistenz geordnet: Autoren, Verlage und Buchhändler wurden per Gesetz ge-schützt. Kleine Verlage konnten genauso überleben wie Autoren, die nicht zum Mainstream zählten. Dadurch waren die Vielfalt im Buch-

Page 63: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 62 –

handel und die Vielfalt in der Bibliothek gesichert. Der Kunde zahlt das Buch beim Händler, der Händler beim Verlag, der Verlag bezahlt den Autoren. In den USA setzt sich nun jedoch eine neue Marktauf-teilung durch, bei der der Händler selbst, also beispielsweise Amazon, den Preis bestimmt. Diese Bestrebungen zielen darauf, Verlage und Buchhandel in großen Allianzen zu bündeln. Der klassische Verlag wird dabei beim Übergang vom Agentur- zum Wholesale-Modell aus dem Markt gedrängt. Autoren können heute schon bei Amazon ein Buch direkt verlegen, und aus Autorensicht ist die Beteiligung schein-bar attraktiver als im klassischen Modell. Es klingt so einfach: Verlag und Handel, die zu einem Ganzen verschmelzen. Doch wo bleiben in dieser Welt die klugen und kritischen Lektoren, die so wichtigen inhaltlichen Begleiter des Autors? Wo finden sich dann noch mutige Herausgeber, die auch unbequeme Titel drucken lassen? „The winner takes it all“ ist angesagt und ohne Widerstand werden nur noch we-nige große Verlage wie Amazon diesen Wandel überleben. Die Vielfalt der Buchbranche steht dann definitiv zur Disposition.

Auch mich hat Amazon bereits gefragt, ob ich an diesem Geschäfts-modell teilnehmen möchte. Ich habe bislang abgelehnt. In diesem Prozess wird es unweigerlich zu einem Verdrängungsprozess kommen – und damit auch zu einem neuen Konfliktfeld zwischen Bibliotheken und künftigen Distributoren. Dieser Konflikt wird auf einer nichteuro-päischen Basis ausgefochten. Es muss deshalb jetzt, am Beginn der Entwicklung, auch auf nationaler Ebene etwas geschehen gegen die aufziehende Kommerzialisierung des elektronischen Buchmarktes in großem Stile. Wer immer noch schweigt, verkennt eine wichtige demokratische Wahrheit: Bücher sind keine Schuhcreme, Bücher sind ein Kulturgut!

Die Aufgabe von uns Autoren, aber auch von Bibliotheken ist es, der Politik und der Gesellschaft klar zu machen, dass es bestimmte Bereiche in unserer Gesellschaft gibt, die nicht den sonst gültigen kommerziellen Gesetzen gehorchen dürfen. Der Wert von Büchern, von unabhängiger Information, von Bildung und die Philosophie des (Mit-)Teilens sind zu wichtig für unsere Gesellschaft, bilden sie doch die Basis für die Mündigkeit demokratischer Bürger. Bei allen kom-

Page 64: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 63 –

merziellen Versuchungen ist es an der Zeit, klare Grenzen zu ziehen und gesellschaftliche Prioritäten zu setzen. Die Buchwelt darf nicht nur auf die Gesetze der Marktwirtschaft reduziert werden. Bibliothe-ken funktionieren schon in ihrem festen Selbstverständnis nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. In einer Welt, die nur „good is what sells“ predigt, würde irgendwann nur noch der Mainstream überle-ben. Das, was unsere reiche Kultur ausmacht, nämlich ihre Vielfalt und ihre Zugänglichkeit, drohen dann unterzugehen.

Bibliotheken müssen Orientierung bietenIn einer zunehmend komplexen Welt brauchen wir Zonen der unab-hängigen Orientierung, Zonen, die glaubwürdig sind und es auch weiterhin bleiben. Wenn Medien immer stärker nach kommerziel-len Gesetzen operieren, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Marketing und überprüfbaren Informationen. Unter diesem Druck verblassen die kritischen Beiträge. Schon heute erleben wir einen Vorgeschmack. Das zeigt ein Beispiel, das vor einigen Monaten für viel öffentliches Interesse sorgte: der Fallschirmsprung des Österrei-chers Felix Baumgartner. Er stieg aus 39.000 Metern Höhe aus seiner Kapsel aus, um die Schallmauer zu durchbrechen und per Fallschirm zu landen. Die gesamte Aktion wurde auf großartige Weise inszeniert und eroberte mit beeindruckenden Bildern die internationale Medi-enwelt. Doch die Aktion war rein inhaltlich kaum erwähnenswert, denn der ganze Hokuspokus war nichts weiter als die Marketingkam-pagne eines Getränkeherstellers. Sondersendungen erlagen in völliger Ignoranz der Macht der Live-Bilder. Im Wettbewerb um die Gunst des Sehers steckte jeder Sender den anderen an und am Ende berichteten alle über dieses „Nicht-Ereignis“. Wo aber blieb die kritische Stim-me? Wo wurde das Ereignis eingeordnet und trotzt aller Inszenierung als clevere Werbemaßnahme entlarvt? Wo fand sich ein Sender, der sogar bewusst über diese Nebensächlichkeit schwieg? Das Beispiel Baumgartner belegt, zu welchem Grad Medien inzwischen zum Spiel-ball kommerzieller Interessen werden.

Bibliotheken stehen nicht alleine da, denn der Umgang mit Informa-tion wird überall – in den Medien, in der Buchbranche, der Musikwelt

Page 65: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 64 –

oder in den neuen Internetdiensten mit der kommerziellen Gier kon-frontiert. Noch vor hundert Jahren bestand das Problem einer auf-geklärten Gesellschaft in der Beschaffung von Informationen. Bib-liotheken übernahmen diese wichtige Rolle, doch inzwischen werden sie von den Serverfarmen kommerzieller Online-Anbieter im Volumen übertroffen. Google, Facebook und Co. sind zu den Besitzern und Ver-waltern von „Big Data“ geworden, und ihr ständiges Bestreben, auch klassische Buchbestände in digitaler Form zu übernehmen belegt, mit welcher Intensität diese Unternehmen Daten erwerben. Doch hier ist Information Teil eines Geschäftsmodells; Wissen verkommt zu einer Ware, die man verkauft und nicht kostenlos teilt. Doch welche Rolle spielen dann klassische Bibliotheken, wenn das Wissen der Welt durch Onlineportale nur zahlenden Kunden zur Verfügung steht? Wohin führt diese Zukunft: Haben wir bald eine Gesellschaft, die für Minderheiten profitabel funktioniert und die Mehrheiten im Dunkeln lässt oder eine Gesellschaft, die alle an ihren kulturellen Schätzen teilhaben lässt? Wird das information business die Grundidee des Teilens zunichte machen?

Noch nie zuvor war es möglich, selbst in abgelegenen Regionen ein umfassendes bibliothekarisches Angebot bereitzustellen. Durch das Internet verfügen wir erstmals über eine entsprechende Technologie. Mein Großvater hätte davon geträumt. Doch ausgerechnet in unse-rer vernetzten Welt, in der das Teilen von Informationen so einfach funktioniert wie nie zuvor, stellen manche den Grundgedanken der Bibliothek in Frage. Auch in der Vergangenheit gab es den Konflikt zwischen kommerziellen Interessen und dem Wohl der Allgemeinheit, doch auf klare Weise setzte man die Prioritäten: Der britische Pu-blic Libraries Act von 1850 festigte das Fundament der öffentlichen Bibliotheken, und in Art 5.1 des deutschen Grundgesetztes heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quel-len ungehindert zu unterrichten.“ Die Meinungsfreiheit und der freie Zugang sind also untrennbar miteinander verbunden.

Bibliotheken sind nach wie vor ein Garant für Demokratie. In der neuen digitalen Welt sind Bibliotheken einerseits diejenigen, die In-

Page 66: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 65 –

formationen bereitstellen. Sie sind andererseits aber auch diejenigen, die uns Bürgern Orientierungshilfen anbieten und zwar kostenlos, unabhängig und kompetent. Sie erfüllen diese Rolle in einem Land, in dem noch immer ein Konsens darüber besteht, dass es gleiche Bil-dungschancen für alle geben sollte; dass Bildung nicht von sozialem Status, nicht von Werbeinteressen oder der Macht des wirtschaftlich Stärkeren abhängen darf. Wenn unsere Gesellschaft dieses Ziel noch immer verfolgt, muss sie Bibliotheken offensiv unterstützen. Denn es gibt eine direkte Korrelation zwischen dem Bildungsstand der Men-schen und dem direkten und freien Zugang zu Informationen.

Ein 10-Punkte-Plan für die Politik Das Schicksal der Bibliotheken ist, wie erwähnt, eng verbunden mit der Entwicklung des zukünftigen Buchmarkts. Anlässlich eines Vortrags vor dem Kulturausschuss des Landtags NRW, habe ich im Januar 2012 einen 10-Punkte-Plan vorgeschlagen, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

1. Grenzübergreifende Buchpreisbindung auch für E-Books

2. Nur offene Reader (keine geschlossenen Systeme!)

3. Mehrwertsteuer richtet sich nach dem Bestimmungsland

4. Agentur-Modell und kein Wholesale-Store

5. Preisgestaltung liegt ausschließlich beim Verlag

6. Store hat kein formales oder inhaltliches Mitspracherecht

7. Store unterliegt verbindlichen Transparenzregeln

8. Für alle E-Book-Anbieter gilt nationales (deutsches) Recht

9. Datenschutz des Lesers – Lesedaten dürfen nicht verwertet wer-den

10. E-Books können über ein Voucher-System auch im Buchge-schäft angeboten werden.

Page 67: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 66 –

Im Kontext dieser Veranstaltung möchte ich diese Punkte bewusst durch einen weiteren Gedanken ergänzen: Ich denke dabei noch einmal an Karl Preusker. Er lebte in einer Zeit, in der der Zugang zu Wissen vielen Menschen verschlossen war. Seine Idee war es, allen Bürgern Wissen durch kostenlose und freie Bibliotheken zu ermögli-chen. Für diese Idee müssen wir uns auch in unserer modernen Welt stark machen.

—Rede zur Verleihung der Karl-Preusker-Medaille, 2012

Page 68: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 67 –

Helena Hauff

Ich bin nicht auf Facebook, weil mir das Internet zu wichtig istAus einem Gespräch mit und einer Einleitung von Kristoffer Cornils

Der Siegeszug elektronischer Musik war ohne Internet möglich, an-fangs waren selbst die Synthesizer noch analog. Mund-zu-Mund-Pro-paganda und Flyer reichten als Promotion, der Plattenladen hatte noch eine vorrangig soziale Funktion. Heute sieht das anders aus, seit geraumer Zeit schon. Die meisten Produzent_innen sind mit, wenn nicht sogar im Internet aufgewachsen und haben ihre ersten Tracks am Computer gebastelt und selbst puristische DJs rümpfen mittler-weile selten mit der Nase, wenn es darum geht, dass die Konkurrenz mittlerweile ausschließlich digital arbeitet.

Bei Helena Hauff liegt der Fall etwas anders. Während sich die digital natives ihrer Altersklasse mit Informationen, Inspiration und der Musik selbst im Netz versorgten, saß sie mit dem Finger auf der Aufnahme-taste am Radio, um interessante Sounds auf Kassette mitschneiden zu können. Die Mutter konnte Technik nie viel abgewinnen, von einem Internetanschluss war nicht die Rede.

Mittlerweile produziert Hauff selbst Musik und legt sie auf. Die Tracks entstehen live an analogen Synthesizern, aufgelegt wird vor allem mit Vinyl oder aber CDs. Der Computer hat sich ihr als Arbeitsinstrument nicht erschließen können. Selbst von den üblichen Selbstvermark-tungsstrategien, die in der Szene mittlerweile Gang und Gäbe sind, hält sie entschieden Abstand. Mit Technophobie hat das jedoch nichts zu tun, wie sie im Interview erklärt.

Ich bin ganz bewusst nicht auf Facebook. Das hat nichts damit zu tun, dass ich keine Computer mag, im Gegenteil: Ich bin nicht auf Facebook, weil mir das Internet zu wichtig ist. Ich finde es schwierig, was gerade passiert. Ich bin gegen die Zentralisierung des Internets,

Page 69: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 68 –

gegen die Monopole von Firmen wie Google, Facebook oder auch Soundcloud. Monopole auf Informationen, Kontaktpflege oder Mu-sik. Ich habe nichts gegen diese Seiten, aber es darf nicht passieren, dass es keine Alternativen mehr gibt, anderes nicht mehr funktio-niert, nicht mehr wahrgenommen wird. Ich habe mir einen Sound-cloud-Account angelegt, weil ich die Kontrolle darüber gewinnen wollte, auf was die Leute verlinken. Es scheint so zu sein, dass die meisten (Promoter z.B.) erst einmal nach Soundcloud-Links suchen und nicht nach privaten Internetseiten, Blogs oder ähnlichem. Ab-gesehen davon, dass viele dieser uniformen Seiten die User in ihren Ausdrucksmöglichkeiten beschränken und es schwer ermöglichen Inhalte selbst zu generieren, ist doch das gefährliche daran, dass am Ende vielleicht ihre gesamten Aktivitäten, Ideen und Materialien mit-tels einer Firma verwaltet werden, die dann das Monopol auf jegliche Information hat.

In der „realen Welt“ lehnt man das ja auch ab, man möchte lieber den kleinen Krämerladen als den Supermarkt; Und in der digitalen Welt ist alles voll von diesen Supermärkten. Man geht da rein und be-friedigt sein Bedürfnis nach Sozialleben oder holt sich seine Sounds, oder Waren und merkt gar nicht, was da passiert. Wenn man zum Beispiel ganz selbstverständlich Informationen auf Facebook teilt, die für die Öffentlichkeit gedacht sind, also allen zugänglich sein sollten, sind sie es oft nicht, da eine Firma dazwischengeschaltet ist, die Geld mit jedem einzelnen User macht. Man wird von Informationen aus-geschlossen, wenn man sich bei diesen Diensten nicht anmeldet. Du bist Teil des Clubs oder du bist komplett raus. Das ist einfach nicht richtig, so darf das nicht funktionieren. Natürlich, wenn das jemand ganz pragmatisch nutzt, um mit seinen Freunden in Kontakt zu blei-ben, meinetwegen. Es ist nicht alles nur negativ.

Aber der Umgang damit ist zu naiv. Ich bin nicht bei Facebook, weil ich mir ein demokratisches, dezentrales Internet wünsche. Das war doch irgendwann einmal die Idee, dachte ich.

Page 70: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 69 –

Sascha Kösch

Wer regiert das Internet?Aus dem Textarchiv von De:Bug. Magazin für elektronische Lebensaspekte.

Love Me Do.Oder sollte es vor allem lauten, warum? Nach „I Love You“ möchte unser etwas schüchterner Law and Order Mann und Askesedesignfan Schily jetzt am liebsten jeden noch so kleinen Pup im Netz überwa-chen lassen. Könnte ja ein böser Pup sein. Totale Kontrolle sollte man ins Grundgesetz schreiben. Wenn sich alle Probleme bereiten, dann ist die brachialste Lösung immer hoch im Kurs: Minuten, nachdem die Bundesregierung gehört hat, dass es so etwas wie Echelon gibt, will sie es selber auch machen.

Geheiminformationen, per se erst mal alle also, kennen kein Files-haring. Aber schließlich hat man es ja mit Computern zu tun, da packen wir das einfach mal so an. Die Industrie bedankt sich, weil sie vor lauter Verschlüsselungsproblemen gar nicht mehr weiß, wie das alles überhaupt gehen soll. Wenn man in einem Überwachungsstaat Geschäfte machen will, ist das schließlich ein anderes Businessmo-dell. Profitieren können bei alldem wie immer die Anwälte (finanzi-ell), Amtsinhaber (in Wählerstimmen) und Hilfspolizisten (nie wieder Streife), aber natürlich auch Sicherheitsexperten. Jeder nutzt die Situation einfach so gut er kann, nach uns die Infokalypse.

Ich bin draußen, puh.Bill Gates bringt es mit der doppeldeutigen Drohgebärde des kleinen großen Mannes auf den Punkt: Wenn ihr Microsoft splittet, dann gibt es noch viel mehr Viren. Der Mörder im Outlookexpress war natürlich der Student, ödipal im falschen Jahrhundert und auf der falschen Erdhälfte herumhinkend. Aufregend ja, schließlich sind wir „erlebnis-bereite Jugendliche“ (so die Berliner Polizei), spannend aber nur als Medienkritik, notfalls an sich selber, wenn man allen ausgehenden

Page 71: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 70 –

Mails mit Virus hinterhertelefonieren musste. Auf die Frage nach dem „Warum?“ gibt es also wie immer die typischen Antworten, die man wahlweise mit dem Wo (Medien, Gerichte, Geld) oder dem Wann (Medien, Gerichte, Geld) kreuzen kann, heraus kommt immer nur ein wackeliges, vielsagendes „Wie“.

XS4ALLAlso vielleicht doch lieber „wer“ fragen? Der allgemeine Glaube an Kontrolle (und damit an das Politische im Allgemeinen) geht bei der Frage nach einem Besitz zunächst am liebsten von zwei Optionen aus. Der Staat, die Industrie. Klar scheint zu sein, dass Kontrolle der letztliche Besitz schlechthin ist und Macht Eigentum begründet - auf mystische Weise oder nach dem psychologischen Prinzip der bösen alten Männer.

Wie aber, wenn man der Frage nach der Kontrolle (und die nach dem Besitz dieser Kontrolle und damit allem, was man besitzen kann), nicht gleich mit Antworten begegnet, die identifikatorisch nach Gut und Böse in einem System suchen, das sich in einer solchen Klassifi-zierung weder wiederfindet noch erklären lässt? Dann ließe sich das Offensichtlichste endlich als aktiver Faktor implementieren.

Löst man zum Beispiel das Internet von den es scheinbar kontrol-lierenden Mächten als aktiven Faktor ab, dann sieht man schnell, dass es nicht das In-Anschlag-Bringen des Netzes mit all den darum gebildeten Ideologemen ist, das von der einen oder anderen Seite eine gewünschte Verteilung der Macht von Staat auf Industrie oder andersherum in Gang setzt, sondern dass es sich in seiner multiplen Entwicklung und in den daraus resultierenden Geschwindigkeiten gegen beide sträubt und beide zu Handlungen zwingt, die nicht nur erstaunlich unvorbereitet („wie jetzt?“) auf beiden Seiten sind, son-dern vor allem einer Motivation folgen müssen, die von einer „Macht“ diktiert wird, hinter der keine Subjekte auszumachen sind, nicht mal eine Macht, die man als solche verstehen könnte, sondern eben das, was z.B. bei Deleuze Guattari „Agencement“ heißt, ein Rahmen, der nicht nur die Szene ist oder zeigt, auf dem sich der digitale Kapitalis-

Page 72: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 71 –

mus abspielt, sondern der die „Inhalte“ dieser Szene zum großen Teil vorgibt, der gleichzeitig Mitspieler, Spielregel und Spielfeld ist, keins davon aber in der Sicherheit einer Strategie, die man nur entdecken müsste, damit man am Ende als Gewinner dasteht.

Es wird dann durchaus plausibel, dass das Netz nicht nur einerseits die in Deutschland anhand von Einwanderung (Inder) geführten rassistischen Diskussionen verursacht und antreibt, sondern vor al-lem die Themen des Territorialen, des Nationalen, des Globalen usw. in eine Stellung bringt, in der plötzlich weder Staat noch Industrie wissen, wie sie dem begegnen sollen. Außer mit einer performativen Steigerung der eigenen Macht. (So wie das Fazit des Kongresses für „Regieren im 21ten Jahrhundert“ von keinem besser ausgedrückt wurde als von Gerhard „ich glaube“ Schröder, der schlicht, aber nicht unüberzeugend, meinte: Wir brauchen mehr Politisches.) Die Stra-tegien gegen Internetkriminalität, die Strategien für eine globale Weltwirtschaft, für das Bewahren regionaler Unterscheidbarkeiten, die Strategie Europa, Amerika usw. Alles befindet sich plötzlich in einer Weise ausgespielt, dass die Widersprüchlichkeit der Entgegnun-gen auf der Ebene der „alten Mächte“ immer offensichtlicher wird. Was früher in der Verschwiegenheit eines kalten Krieges den Einsatz verdeckt hielt, heißt heute telekommunikativ: „Hey, Putin hat ange-rufen, ob wir das mit diesen Schurkenstaaten nicht vielleicht gemein-sam machen wollen.“ Der Druck von woanders ist unübersehbar. Aber wer regiert nun eigentlich dieses verdammte Internet. Blöde Frage, aber vielleicht will man es ja einfach nur wissen.

Vorläufige AntwortenErste Antwort logischerweise also: Weiß sowieso keiner. Zweite: Alle. Dritte: Es sind immer viele. Das ist doch mal eine Grundlage, auf der man über das (Ex- ist man eigentlich schon versucht zu sagen) Inter-net und wer es kontrolliert nachdenken kann.

„Keiner“ wäre dabei die optimistisch-fatalistische Antwort, weil noch nichts wirklich entschieden ist, die Gesetze noch mit einem Kom-munikationsbegriff von vor der Nazizeit arbeiten, die „Realität“ des

Page 73: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 72 –

globalen Kapitalismus sich immer noch nicht von ihrem Spekulati-onsschock erholt hat und die User alle Microsoft Outlook benutzen. „Alle“ wäre die Businessmodell-Antwort, weil das möchte jeder gern, schließlich ist das Internet die große zu melkende Kuh am Himmel des digitalen Kapitalismus. Mutterkuh und -Milch der Zukunft sozu-sagen.

Die dritte Variante bleibt also übrig, und genau hier muss aus einer Antwort wieder eine Frage werden, die Frage nach dem „wie funktio-niert das“ und „wer funktioniert eigentlich wie“, der ein „kann auch wer funktionieren, der nicht wie ein wer funktioniert“, und vor allem ein „wie funktioniert wie“ folgen muss? Die vorläufige Szene wäre, dass das Internet uns regiert, auf noch nicht absehbare Zeit und in einer Weise, in der das Internet nicht das globale, das Eine sein kann, für das man es in den Expo-, Regierungs-, OpenSource-, Kapital-Mär-chen so hält, das der Unentschiedenheit, der Verworrenheit, in der sich am besten je nach eigenen Vorlieben Machtstrukturen so biegen lassen, dass man selber auf der guten Seite steht, sondern das Inter-net der vielen, sich ständig verändernden Vernetzungen, an dessen Knotenpunkten Software, Menschen, Musik, Kopien, Wirklichkeiten und Fiktionen nicht einfach so zirkulieren, sondern in bestimmten be-stimmbaren Arrangements, deren Bestimmung jeweils weitere neue Arrangements in Gang setzt, sich jeweils neu ausformulieren.

Ein Internet, in dem offensichtlich Napster als Programm eben soviel Impact besitzt wie die neuste EU Richtlinie oder visionäre Vernet-zungsstrategien wie Freenet. Solange auf breiter gesellschaftlicher Basis keine Kommunikation darüber stattfindet, was eine Portierung der Macht in die Netze an Veränderungen für die einzelnen, sicher geglaubten Machtobjekte wie Eigentum, Staat, Wirtschaft, Individu-um, Information usw. geben wird, solange man versucht, dem Inter-net mit Objekten und Personen, mit Mythen von Realität oder Fiktion zu begegnen, die dann eh wieder nur in ihm zirkulieren, und solange man nicht daran arbeitet, ein Verständnis der Netze zu entwickeln, das so hybrid ist wie die Netze selbst, und so aktiv selber Vernetzun-gen schafft, solange kann man sich vermutlich eben vorläufig mit der Antwort zufrieden geben, dass das Netz uns regiert, auch wenn

Page 74: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 73 –

es viele sind. Wer also, wie ich, immer schon ein ungutes Gefühl bei der Vorstellung einer Weltregierung hatte, der dürfte froh sein, dass es sie im Grunde längst gibt, vor allem aber, dass sie machbar ist, so unvorstellbar sie auch scheint.

—Erschienen bei De:Bug, Juli 2000

Page 75: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 74 –

Mercedes Bunz

Wissensgesellschaft & KolonialismusAus dem Textarchiv von De:Bug. Magazin für elektronische Lebensaspekte.

Liebe Wissensgesellschaft,

Alle Mann an Bord!

Alle paar Jahre wird die Route des Raumschiffs Kapitalismus, in dem wir es uns mittlerweile ganz gut eingerichtet haben, mit einem neu-en Begriff korrigiert. In den letzten Jahren waren wir auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft, die paradoxer Weise gleichzeitig eine Freizeitgesellschaft gewesen sein soll. Wir mutierten anschließend zur Spaßgesellschaft, konzentrierten uns dann ganz auf das Internet und wurden eine Informationsgesellschaft und - der neueste Kurs: die Wissensgesellschaft. Es sind praktische Begriffe, die gewichtig tun und dabei garantiert nichts aussagen. Sie sind mit jedem Wort-schatz kompatibel und klingen, als habe man den großen Check, denn sie sind unter Garantie so anpassungsfähig, wie die CDU das immer von sämtlichen Migranten einfordert.

Wer braucht diese Wörter eigentlich? Klarer Weise sind alle diese Wörter „Führerwörter“. Sie werden von Bundeskanzlern, Parteimit-gliedern, Arbeitgeberpräsidenten und Soziologen, die auch mitspielen wollen, gebraucht. Und von Middelhoff, schließlich hat Bertelsmann ja seit einiger Zeit den ständig in den roten Zahlen strauchelnden Daimler-Benz-Konzern von der Position der Leitunternehmenskultur verdrängt. Sie werden einem also von Leuten in die Ohren gesteckt, die Lenkungsabsichten verfolgen. Prinzipiell verdächtig, auch wenn der Begriff unglaublich humanistisch tut. Er gaukelt einem vor, dass es in Zukunft in dieser Gesellschaft darum geht, menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und kommt einem dann mit der kolonialistischen Idee, gegen den eigenen Informatiker-Mangel ganz einfach Wissens-Arbeiter zu importieren. Aus Indien, beispielswei-se. Schräg, denn prinzipiell ist man ja für die Greencard, weil sie in

Page 76: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 75 –

Deutschland das Bild vom Migranten als Last der Gesellschaft aufge-löst hat. Doch ebenso wenig darf man vergessen, dass ohne ein Ster-benswörtchen im öffentlichen Diskurs hier ausgemacht wird, ärme-ren Ländern die Eliten wegzukaufen. Kontinuität des Kolonialismus, der sich von der Ausbeutung materieller Resourcen auf immaterielle umorientiert. Im Namen der Wissensgesellschaft. Na, da bedanken wir uns doch jetzt schon mal.

Tektonische VerschiebungenBevor man nun klärt, wessen Interessen hinter Wissensgesellschaft stecken und was uns dieser Begriff vorgaukelt, ist es gut zu verste-hen, auf welcher politischen Diskussionsstruktur der Begriff aufsetzt. Denn die Verschiebungen der politischen Stellungen sind nicht ganz unwichtig. Früher zog der politische Diskurs in zwei unterschiedliche, einander gegenüberliegende Richtungen: zur Freiheit des Kapitalis-mus oder zur Freiheit des Sozialismus/Kommunismus. Oder unidealis-tisch trocken formuliert: in Richtungen im Sinne der Arbeitgeber oder im Sinne der Arbeitnehmer. Gleichzeitig kann man beobachten, dass die Art und Weise des Argumentierens bei beiden diskursiven Forma-tionen immer damit beschäftigt gewesen ist, an vergangenen Wer-ten festzuhalten bzw. sie zu erneuern. Auch links. Dort polarisierte man durch eine Tradition der Revolution, die schließlich nicht gera-de kurz gewesen ist. Rechts über die Tradition einer Kontinuität der Macht, weshalb es den Rechten immer besser gelang, die „Geschich-te“ - was auch immer das sein sollte - für sich handlicher als Zugp-ferd vor den Karren zu spannen, als das auf linker Seite funktionierte.

Mit dem „Zusammenbruch“ des Kommunismus dann, mit dem Fall der Mauer, hat es hierzulande auch noch das letzte Feuilleton ka-piert: Es gibt eine Krise der Linken. Klar, Kommunismus tot, neue Revolutionen nicht in Sicht, linke Argumentation futsch. Den immer noch andauernden chinesischen Kommunismus kehrte man ge-flissentlich unter den Teppich, Schlitzaugen können für großnasige Bleichgesichter keine Relevanz haben, das ist ja klar, wie auch. Wie-dervereinigung Deutschlands, die Kontinuität siegt, die FAZ startete hämisch die Kolumne „Was ist links?“ Der Kapitalismus hat irgendwie

Page 77: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 76 –

gesiegt. Sicher. Was jedoch bis heute totgeschwiegen wird: die politi-sche Kultur der Konservativen hat er gleich mit kassiert.

Der Sachzwang der ZukunftKein Witz. Vielleicht mag es zunächst so ausgesehen haben, als hätte die Öffnung Osteuropas nur den Linken einen „Bruch“ durch die Rechnung getrieben und ihnen unmöglich gemacht, sich auf ihre Tradition zu berufen. Doch in der Tat hat sich das gesamte Dispositiv der politischen Kultur transformiert. Nicht nur die Idee einer linken Geschichte ist gescheitert, die Figur einer linearen Geschichte über-haupt ist verschwunden, komplett, und hat das Fundament der Kon-servativen gleich mitkassiert - die Tradition, das Bewahren, das An-nehmen des kulturellen Erbes, von dem aus der Weg, der richtige Weg natürlich, gewiesen werden kann. Dass Geschichte als Bestellkatalog der politischen Interessen funktionierte, ist offensichtlich geworden. Klassisch rechte Argumentationen, die sich in Begriffen wie dem der „Tradition“ oder „Geschichte“ verfangen, haben es nur als kaiserzeit-lich veraltet über die Schwelle in dieses Jahrhundert geschafft. Was tun, wenn Leitkultur ist, dass es keine gibt?

Trotzdem die rechten Werte in der Krise sind, gibt es keinen Grund sich beruhigend zurückzulegen. Und endlich taucht in diesem Arti-kel das anfängliche Motiv der Wissensgesellschaft wieder auf. Denn in der Tat zeigt die regelmäßige Ausrufung von Gesellschaften an, dass sich das Dispositiv der politischen Kultur umgestellt hat. Um 180 Grad. Anstelle der Vergangenheit rechtfertigt nun die Zukunft die politische Handlung, die nicht mehr als politisch-ideologisch diskutiert wird, sondern als: Sachzwang. Wir können nichts dafür, die Zukunft verlangt es von uns. Politik kann man heutzutage am besten durchsetzen, wenn keiner die Entscheidung als politische in Frage stellt. Das ist natürlich gnadenlos geschummelt. Aber funktioniert. Zumindest vorerst und an der Oberfläche. Ein Wort wie Wissens-gesellschaft signalisiert zunächst einmal die „Notwendigkeit“ der derzeitigen Rechtspolitik in Bezug auf das Internet: Wir stellen um von Material auf Information. Da müssen wir erst mal die Besitzrech-te im Sinne der großen Konzerne klären. Sonst - hier drohende Mol-

Page 78: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 77 –

lorgel hindenken - geht es unser Wirtschaft schlecht, und ihr werdet alle - die Dissonanz des Akkordes schwillt an - arbeitslos. Arbeitslos, das Totschlagargument, bei dem sich jedes weitere Nachdenken von selbst verbietet. Neue ökonomische Modelle wie Open Source fallen auf Grund solcher Argumentationen gleich von Anfang an vom Tisch. Dass diese Politik gegen das blinde kontinuierliche Durchpeitschen eines Patentverfahrens aus dem 19. Jahrhundert und für die Einbin-dung von Open Source nicht mal irgendwelche ernst zu nehmenden Überlegungen zeigt, verwundert um so mehr, da ihre eigene Bun-desnachrichtenzentrale sich bekanntermaßen bei der Benutzung von amerikanischer Software wie Microsoft et. al. vor geheimen Falltüren gruselt, mit dem der CIA flugs mal eben aus Langley in die deutschen Datenbanken hinein spitzeln kann. Egal.

Alle Mann an Bord?Ein Grund übrigens, warum derzeit das Verhandeln über die Zukunft von „Informationsgesellschaft“ auf „Wissensgesellschaft“ umgestellt wird. Denn „Information“ beschreibt quasi einen Rohzustand, mit dem man so oder so verfahren kann. Sie wird prozessiert, nicht nur von Menschen, auch von Computern oder anderer Technologie, ihre Bearbeitung und ihre Zuordnung ist noch nicht abgeschlossen. Nicht der Mensch allein hat auf sie Zugriff, und ihr Besitzverhältnis ist nicht unbedingt an ein Individuum gebunden. Ein durch und durch kon-tingenter Begriff. „Woher kommt die Information?“ vs. „Wem gehört das Wissen?“. Denn „Wissen“ ist im Allgemeinverständnis unserer Sprache an ein Subjekt gebunden. Auftritt: Die Suggerierung einer Natürlichkeit von Besitzverhältnissen. Ein kluger Schachzug im Sinne der politischen Bestrebungen über die Beziehung zwischen Subjekt und Wissen ist es, das Patentrecht auszuweiten, auf Software zum Beispiel. Denn die Beziehung ist ungleich stärker als die zwischen Subjekt und Information. Gleichzeitig kehrt mit der Verschiebung der „Informationsgesellschaft“ zur „Wissensgesellschaft“ der Mensch wieder in den Mittelpunkt der Überlegungen zurück. Dabei war man hierzulande gerade mal dabei, sich mit der Technik zu versöhnen. Zu-rück zum Menschen als Mittelpunkt der Gesellschaft, da wird man ja schon mal gleich mißtrauisch. Vor allem deshalb, weil „Mensch“ als

Page 79: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 78 –

abstrakter Begriff immer an eine Idealvorstellung „Mensch“ gebun-den ist. Wir denken uns da ja nicht einen bierbäuchigen Arbeitslosen in Jogginganzug am Maschendrahtzaun hin, bei Mensch, stellver-tretend, bezeichnenderweise. Wie bei allen anderen Humanismen, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellten, dem Rechtsradikalismus oder dem Kommunismus beispielsweise, sollte man sich zwingen nachzuschauen, welche „Menschen“ gemeint sind, wenn man unsere Gesellschaft als „Wissensgesellschaft“ beschwört, und wer in diesem Wort keinen Platz hat. Bierbäuchige Arbeitslo-se etwa. Geistig Behinderte auch, die man erst gegenüber der PID schützt, nur um sie später nicht mitdenken zu müssen. Und ungefähr all das, was es auf dem Weg der Auflösung der Arbeiterkultur in den Mittelstand nicht mit geschafft hat und nun als Bodensatz der Ge-sellschaft übrigbleibt, ohne eine eigene Kultur, die man der Wissens-gesellschaft entgegenhalten könnte, ohne eine Geschichte, die man sich als Schutzschild gegenüber der Mittelschicht basteln könnte, damit man auch noch was ist, wenn man nicht dazugehört.

Und bevor wir später noch mehr aufräumen müssen, vergessen wir doch lieber diesen Begriff. Oder?

—Erschienen bei De:Bug, Juli 2001

Page 80: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 79 –

Daniela La Luz

Wir brauchen einen Plan BDie Welle (Waveform), wie wir sie aus der Musik, der Physik und vie-len anderen naturwissenschaftlichen Bereichen kennen, symbolisiert für mich persönlich u.a. die Balance geistiger, sowie greifbarer Werte und den damit verbundenem Drang und der Verantwortung, stets um die Balance der Dinge bemüht zu sein. Aus meiner persönlichen Sich gibt es in allen Lebensbereichen die Parallele der Welle, sie ist immer anwendbar, gültig und wir streben immer danach, selbst ohne es zu wissen – bei der Ernährung, in zwischenmenschlichen Beziehun-gen und eben auch im Netz.

Das Netz, sowie die Digitalisierung unserer Kommunikation ist eine immense Bereicherung des Zeitgeistes unserer Gesellschaft und den-noch ein junges Medium, welches durch seine Komplexität die Her-stellung einer Balance auf eine harte Probe stellt.

Ich liebe das Netz, die Digitalisierung und wie sehr beides mein Leben, meinen Alltag, meine zwischenmenschlichen Beziehungen und mein musikalisches Schaffen bereichert. Im Bestreben um eine gesunde Balance/Vernunft/einen Plan B bin ich jedoch der Meinung, dass unsere Gesellschaft sich neben der auf Elektrizität basierenden Digitalisierung/Vernetzung trotzdem eine Parallele aufbauen bzw. erhalten sollte, welche auch ohne das Netz auskommt und funktio-niert.

Vor kurzem hatte ich eine interessante Diskussion mit meinem Onkel genau darüber. Mein Onkel ist Historiker in Polen und fast täglich auf Bücher aus Bibliotheken angewiesen. Vor einigen Wochen war er in einer Bibliothek in Warschau, um sich für ihn wichtige Bücher auszu-leihen. Er wurde mehrere Tage hintereinander abgewiesen, da deren computergestütztes Bibliothekverwaltungs-System nicht funktio-nierte und damit niemand auf die Karteien zugreifen konnte. Andere Bibliotheken hingegen haben ihre Karteien zwar auch digitalisiert,

Page 81: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 80 –

haben jedoch parallel trotzdem ein altbewährtes Karteikartensystem auf Papier, als Plan B.

Sicher haben Sie schon einmal von „Sonnenstürmen“ gehört. Das sind extremere Explosionen (als sonst) auf unserer Sonne, welche dann (wenn sie in Richtung Erde schießen) unser Erdmagnetfeld stö-ren können, dies in der Vergangenheit schon getan haben und somit die Elektrizität lahm legen können. Mit Sicherheit haben alle Staaten der Welt diese Thematik bereits diskutiert - im Hinblick auf eventu-elle, ernstzunehmende Gefahren der öffentlichen Ordnung - welche sich in einigen Ländern fast ausschließlich auf digitale Netzwerke stützt.

Genauso sehe ich eine Parallele zur Musik; fast alle Musiker sind heutzutage auf Strom angewiesen – doch was täten diejenigen wenn es den auf einmal nicht mehr gebe?

Alles eine Sache der Balance.

Page 82: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 81 –

Biografien

Michael Aniser, geboren 1985 in Kufstein (Österreich), veranstaltet Partys und Konzerte in Berlin und arbeitet als freier Redakteur und Musikjournalist. Seine Texte sind unter anderem auf electronicbeats.net, Spex.de und in der De:Bug erschienen. Als Gründer des Noise-kölln Kollektivs verbringt er die meiste Zeit damit, sich mit Musik im Abseits zu beschäftigen - den Mainstream zu unterwandern um Un-derground mit Überbau zu generieren. Diese Fund- und Randstücke präsentiert er wöchentlich in einer Radioshow auf Berlin Community Radio. Nebenbei betreibt er das Label Noisekölln Tapes.

— berlincommunityradio.com/noisekolln— facebook.com/NoisekoellnTapes

Page 83: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 82 –

Céline Bocquillon, geboren 1973 ist vor beinah 20 Jahren von Pa-ris nach Berlin gekommen, um Zeitgeschichte zu studieren. Um die Jahrtausendwende hat sie eine Ausbildung zu Multimedia-Konzep-terin absolviert und arbeitete danach für die Bibliothèque Nationale de France. Seit 2002 arbeitet sie als Webdesignerin. Sie versteht sich genau so gut mit einem C+- Programmierer wie mit einem Sozialwis-senschaftler. Seit drei Jahren liefert sie ihren Kunden – u. a. Architek-ten, öffentlichen Institutionen, Künstlern – Wordpress-Websites oder Blogs.

— www.bocqbox.de

Page 84: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 83 –

Ralf Bremer arbeitet seit 2010 als Unternehmenssprecher für Google in Berlin und verantwortet insbesondere die politische Kommunika-tion des Unternehmens. Zuvor war Ralf Bremer als TV-Journalist bei allen großen deutschen TV-Anstalten beschäftigt. Er begann seine Karriere 1995 als Sportreporter bei SAT.1 („ran“). 1999 wechselte er als stellvertretender Redaktionsleiter in die Wirtschaftsredaktion des Nachrichtensenders n-tv. 2004 trat er in das Team der damals wichtigsten politischen Talkshow „Sabine Christiansen“ (ARD) ein. 2007 wechselte Ralf Bremer als Chef vom Dienst zu „Maybrit ILLNER“ (ZDF) und leitete dort u. a. die Serie „ILLNER intensiv“ zur Bundes-tagswahl 2009. Ralf Bremer studierte Volkswirtschaftslehre und Poli-tikwissenschaft in München. Er promovierte 1995 zum Thema Globa-lisierung, Umwelt und nachhaltige Entwicklung.

— www.google.com/culturalinstitute— www.gedaechtnis-der-nation.de— @RalfBremer

Page 85: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 84 –

Maike Hank ist Redakteurin und schreibt seit 2002 ins Netz, was in “Blogs! – Text und Form im Internet” gewürdigt wird, einer der ers-ten Buchveröffentlichungen über die deutsche Blogosphäre. Sie ist Autorin des Blogs kleinerdrei (www.kleinerdrei.org), ihr dort veröf-fentlichter Text „Normal ist das nicht!“ war mitverantwortlich für die Entstehung des Hashtags #aufschrei, unter dem über Erfahrungen mit Sexismus getwittert wurde, und der später den Grimme-On-line-Award gewann. Zuletzt hat sie mehrere Jahre für die Wochenzei-tung „Der Freitag“ gearbeitet und diverse Online-Projekte betreut. Auf Twitter ist sie zu finden unter @ruhepuls, ihre Lieblingszeit dort ist 22:22 Uhr. — www.ruhepuls.ws — @ruhepuls

Page 86: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 85 –

Helena Hauff ist DJane und Musikproduzentin aus Hamburg, wo sie die Reihe „Birds And Other Instruments“ im Golden Pudel Club veran-staltet. Ihre erste Veröffentlichung war die limitierte Kassette „Obs-cure Object“, die im Frühjahr 2013 auf Krokodilio Tapes erschien. Ihre Debut EP „Actio Reactio“ erschien im Sommer auf dem Londoner Label werkdiscs, es folgte „Prototype EP“, eine Kollaboration mit F#X auf PAN.

— www.helena-hauff.com

Page 87: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 86 –

Holger Hiller, geboren 1956 in Hamburg, studierte an der Kunst-hochschule Hamburg, wo er Walter Thielsch und Thomas Fehlmann kennenlernte und mit ihnen erste Stücke aufnahm. Mit Fehlmann gründete er 1980 die Gruppe Palais Schaumburg, in der er Sänger war. Seit 2012 tritt die Band wiedervereinigt auf. Daneben erschie-nen seine Soloarbeiten: Als einer der ersten Musiker in Deutschland arbeitete Hiller konsequent mit dem Sampler als einzigem oder hauptsächlichen Instrument. Ab 1984 lebte und arbeitete er in Lon-don unter anderem als Produzent für Mute Records. Seit 2001 wohnt Holger Hiller in Berlin.

— www.holgerhiller.com

Page 88: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 87 –

Daniela La Luz wurde 1980 in München geboren und lebt in Ber-lin. Die Musikerin mit einer polnischen Mutter und einem deutschen Vater war lange Jahre Sängerin verschiedener Indie-, Punk-, Hard-core- und 60ies-Bands. Sie brachte sich selbst die verschiedens-ten Instrumente bei und widmet sich seit 2007 fast vollständig der elektronischen Musik. Sie arbeitet als Produzentin, Live-Act und Songschreiberin und tritt seit 2009 europaweit auf (Schweiz, Italien, Großbritannien, Spanien, Belgien, Dänemark, Mazedonien, Polen u. a.). 2009 gewann sie einen Remix-Contest für COMA und 2010 einen Quartz 6 Electronic Music Award in Paris. Ihre neuesten Veröffent-lichungen sind auf dem Frankfurter Label RAWAX erschienen, wie Daniela La Luz‘ erster Longplayer, das 2x12“ Album „Based On Elec-tricity“ und der vorangegangene Pre-Sampler „Pistol Star“. Als eine Hälfte von PARALLEL, internationales Künstlerkollektiv und Agentur für elektronische Musik und Grafik, organisiert sie Veranstaltungen mit und präsentiert die PARALLEL RADIO SHOW als Spagat zwischen elektronischer und nicht-elektronischer Musik, mit wechselnden Gäs-ten.

— www.danielalaluz.de— https://soundcloud.com/daniela-la-luz

Page 89: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 88 –

Shani Leiderman kommt aus Israel und ist Performerin und Musi-kerin. Sie macht Installationen und Videos. Nach ihrem Abschluss am Amsterdam College of Arts hat sie verschiedene Projekte umgesetzt, etwa „WAX“, eine Theaterperformance (Hetveem Theater Produc-tions Amsterdam), die Popmusik-Performancegruppe Anatopia, zusammen mit Valentin von Lindeau als Klaus Plötzlich (Auftritte etwa bei Paradiso Amsterdam, Fusion Festival), und als Performerin bei verschiedenen europäischen Festivals gearbeitet, etwa bei Impuls Tanz, Vienna, Rotterdam Opera Days, Bullevard Festival and Over Het IJ Festival. Im vergangenen Jahr entwickelte sie zusammen mit ande-ren Künstlern und Business und Tech Professionals die mobile Platt-form „Capsuling“, die es ermöglicht, an bestimmten Orten digitale Inhalte zu entdecken und zu teilen.

— www.anatopia.org— www.capsuling.me

Page 90: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 89 –

Valentin von Lindenau komponierte in den vergangenen Jah-ren Musik für zahlreiche Theater-, Film- und Media-Projekte in den Niederlanden und Deutschland. Er ist Teil von klingklangklong, ei-nem Berliner Kollektiv für interaktive Musik und Klang-Installationen im Raum und auf der Bühne. Zusammen mit seiner Partnerin Shani Leidermann als Henrietta Morgenstern tritt er international als die aktive hand-made-high-tech-pop-band Anatopia auf.

— www.anatopia.org— www.capsuling.me

Page 91: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 90 –

Petra Löffler ist Film- und Medienwissenschaftlerin und hat an den Universitäten Köln, Regensburg, Wien und Siegen gelehrt. Ihre Veröffentlichungen umfassen Untersuchungen zur Archäologie der Medientheorie, zur Mediengeschichte der Mimik, zum Frühen Kino, zu Affekttheorie und visueller Kultur. Sie ist Redakteurin der Zeit-schrift für Medienwissenschaft. Seit Oktober 2011 lehrt sie Medien-philosophie an der Bauhaus-Universität in Weimar. Sie forscht zu den Themen Medienarchäologie, Bildtheorie, Early Cinema und Digitale Archive. In ihren aktuellen Forschungsprojekten befasst sie sich mit der Mediengeschichte und Medienkulturen der Zerstreuung sowie mit kollektiven Bildersammlungen im Internet. Im Januar 2014 erscheint bei diaphanes ihre Studie „Verteilte Aufmerksamkeit. Eine Medienge-schichte der Zerstreuung“.

— www.uni-weimar.de

Page 92: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 91 –

Stephan Porombka, geboren 1967 in Salzgitter, war zuerst Ger-manist, dann Literaturwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Neue Medien und Literaturbetrieb, Hypertext-Experte, Slammer, Kultur-journalist und Projektmacher. Heute ist er experimenteller Kulturwis-senschaftler und produktiver Gegenwartsbeobachter, der sich ganz besonders für die Formen und Formate des „Nächsten“ interessiert. Seit 2013 forscht und lehrt er an der Universität der Künste Berlin Texttheorie und Gestaltung. Zuvor lehrte er an der Universität Hil-desheim. Dort baute er das universitätsweite Qualitätsmanagement auf und entwickelte und leitete die Studiengänge Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus und Literarisches Schreiben. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht seither die Aufgabe, die alten, immer noch buch-basierten Konzepte literarischer, essayistischer und journalistischer Produktivität und Kreativität zu transformieren und den Bedingun-gen der neuen – vor allem: der nächsten! – Schrift- und Schreibkultu-ren anzupassen. Seine letzten twitternahen Veröffentlichungen sind die gesammelten Tweets „Der letzte macht das Buch aus“ (Froh-mann, 2013) und „Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twit-ter, Blogs, Facebook & Co“ (Dudenverlag, Mannheim 2012).

— http://twitter.com/stporombka— www.stephanporombka.de

Page 93: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 92 –

Frank Schirrmacher ist einer der fünf Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, verantwortlich für das Feuilleton. Er studier-te Germanistik, Anglistik, Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge, Yale (New Haven) und Montpellier. 1987 promovierte er mit der Dissertation „Schrift als Tradition – die Dekonstruktion des literarischen Kanons bei Kafka und Harold Bloom“ an der Universi-tät Siegen zum Dr. phil. Die amerikanische Zeitschrift „Newsweek“ rühmte Schirrmacher als einen der führenden Intellektuellen. Für sein journalistisches und gesellschaftliches Engagement wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt, u. a. dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache und dem Ludwig-Börne-Preis. Zuletzt erschein 2013 „EGO – Spiel des Lebens“.

— @fr_schirrmacher— www.faz.net/redaktion/frank-schirrmacher

Page 94: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 93 –

Michael Schmidt, 46 Jahre, studierte Wirtschaftsinformatik und war als Internetberater und Verleger tätig, heute arbeitet er als freier Lehrer. Seit den Enthüllungen Edward Snowdens widmet er sich ver-stärkt dem Internet-Aktivmus und der Kryprographie.

Page 95: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 94 –

Markus Schubert, geboren 1978 in Wriezen, studierte Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden und an der TU Berlin. Er arbeitet als selbstständiger Softwareprogrammierer und -architekt. Seit 2006 ist er Mitglied im Wiener Hackerspace Metalab, seit 2013 der Raumfahrtagentur, einem Hackerspace in Berlin. Au-ßerdem initiierte und programmierte er TOTO, eine Plattform für ein urbanes Schnitzeljagdspiel.

— http://turnonthatobject.de — www.raumfahrtagentur.org

Page 96: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 95 –

Michael Seemann, geboren 1977, studierte Angewandte Kulturwis-senschaft in Lüneburg und lebt in Berlin. Seit 2005 ist er mit verschie-denen Projekten im Internet aktiv und sagt heute von sich, seine Wohnung sei das Internet. Er gründete twitkrit.de und die Twitter-lesung, organisierte verschiedene Veranstaltungen und betreibt den populären Podcast wir.muessenreden.de. Anfang 2010 begann er das Blog CTRL-Verlust zuerst bei der FAZ, seit September auf eige-ne Faust, in dem er über den Verlust der Kontrolle über die Daten im Internet schreibt. Normal bloggt er unter mspr0.de und schreibt unregelmäßig für verschiedene Medien wie RollingStone, ZEIT Online, SPEX, SPIEGEL Online, c’t und das DU Magazin. Er hält Vorträge an Universitäten und wissenschaftlichen Konferenzen zu seinen The-men “Kontrollverlust” im Internet, “Plattformneutralität” und der “Queryology“.

Page 97: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 96 –

Stephan Thiel ist seit 2011 einer von drei Mitbegründern und Ge-schäftsführern von Studio NAND, wo er an der Schnittstelle von De-sign, Wissenschaft und Technik zusammen mit Forschungsinstituten und Firmen weltweit an neuen Anwendungen digitaler Technologien arbeitet. Vor dem Design galt sein Interesse dem Theater, was sich auch heute noch in seinem Fokus auf Datenvisualisierung und Inter-faces für den Umgang mit literarischen Werken, insbesondere denen von Shakespeare, widerspiegelt. So arbeitet er beispielsweise seit seinem Abschluss als Interface Designer (BA) an der Fachhochschule Potsdam 2010 mit Wissenschaftlern in ganz Europa an der Analy-se und Visualisierung von Übersetzungen von Othello. Parallel dazu unterrichtet Stephan Thiel seit 2008 an verschiedenen Hochschulen und setzt sich, ebenfalls mit Studio NAND, für die freie Verfügbarkeit von Wissen und einen kreativen und kritischen Umgang mit Software und Elektronik ein.

— www.nand.io— @studioNAND

Page 98: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 97 –

Ranga Yogeshwar wurde 1959 in Luxemburg als Sohn eines indi-schen Ingenieurs und einer luxemburgischen Künstlerin geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er überwiegend in Indien. Nach dem dortigen Grundschulbesuch, folgte später das Abitur in Luxemburg. Ranga Yogeshwar studierte Physik („Experimentelle Elementarteil-chenphysik und Astrophysik“) an der RWTH Aachen und arbeite-te am Schweizer Institut für Nuklearforschung (SIN), am CERN in Genf, sowie am Forschungszentrum Jülich. Der Physiker kam 1987 als Redakteur zum Westdeutschen Rundfunk Köln und leitete meh-rere Jahre die Programmgruppe Wissenschaft. Seit 2008 arbeitet er als unabhängiger Journalist und Autor. Yogeshwar hat zahlreiche TV-Sendungen entwickelt, produziert und moderiert und zählt zu den bekanntesten Wissenschaftsjournalisten in Deutschland. Seine Bücher sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ranga Yogeshwar ist Vater von vier Kindern und lebt mit seiner Fami-lie in der Nähe von Köln.

— www.yogeshwar.de

Page 99: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 98 –

Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, ist promovierte Juristin und vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin. Sie studierte Jura in Passau und Leip-zig sowie Literatur am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, an das sie später als Dozentin zurückgekehrt ist. Ihr Werk ist in 35 Sprachen übersetzt und wurde u. a. mit dem Deutschen Bücherpreis (2002), dem Solothurner Literaturpreis (2009)und dem Thomas Mann Preis (2013) ausgezeichnet. Juli Zeh äußert sich kontinuierlich in großen Zeitungen und Magazinen, ihre Essays zu Politik, Gesellschaft und Literatur sind u. a. in dem Band „Alles auf dem Rasen“ (2006) nach-zulesen. Zuletzt erschienen 2013 „Good Morning, Boys and Girls“, eine Sammlung ihrer Theaterstücke, und die Poetikvorlesungen „Treideln“.

— www.juli-zeh.de

Page 100: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 99 –

Ella und Florian Zwietnig leben in Berlin. Sie trafen sich 2008, hei-rateten und 2012 war UMA geboren. Die erste EP erschien via Seayou Records (AT) und Enraptured Records (UK) und wurde unter anderem von „Wire“ besprochen. Gerade haben sie die Aufnahmen für das ers-te Studioalbum von UMA abgeschlossen. UMA spielte bereits live in ganz Europa, u. a. beim SONAR Festival 2013, Field Day Festival 2012, Nuits Sonores und Elevate Festival. UMAs Musik könnte man als „flo-ating experimental electronic pop“ bezeichnen, der tiefe Rhythmen und Bässe mit eindringlichen Chören mischt. Zuletzt gaben sie einen Workshop zu digitaler Musiktechnologie bei den Musiktechniktagen Berlin.

— www.uma-music.net

Page 101: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 100 –

Berliner FestspieleEine Institution, zwei Häuser, hundert Formate

Ganzjährig realisieren die Berliner Festspiele im Haus der Berliner Festspiele in Berlin-Wilmersdorf und dem Martin-Gropius-Bau in Fußnähe zum Potsdamer Platz eine Vielzahl schöpferisch-kluger Festivals, exzellenter Ausstellungsprojekte und Einzelveranstaltun-gen. Im Zentrum unserer Arbeit steht das Werk zeitgenössischer und internationaler Künstler, die wir in Festivals wie MaerzMusik – Festival für aktuelle Musik, Theatertreffen, Foreign Affairs – Internationales Festival für Theater und performative Künste, Musikfest Berlin und Jazzfest Berlin, und in den großen Ausstellungen im Martin-Gropi-us-Bau präsentieren. Unsere beiden Häuser verwandeln sich rund um das Jahr ständig: sie werden zum Campus für Jugend- und Educa-tion-Programme, zum Schaufenster für die Bundeswettbewerbe der Jugend und zur gastgebenden Bühne für die Berlinale oder die Auto-ren der Welt während des Internationalen Literaturfestivals.

Übergreifendes Kennzeichen unserer Arbeit ist das Engagement für große Formate, für architektonische Interventionen und die gesell-schaftliche Relevanz künstlerischer Arbeit. Unsere Häuser sind non-chalante Oasen inmitten der Stadt. Die Festspiele bieten 365 Tage Programm. Sie setzen den Rahmen, durch den die Vielfalt zeitge-nössischer Produktion fokussiert wird, auf wegweisende Tendenzen, Ideen und Konzepte.

Page 102: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 101 –

Die Festspiele verstehen sich als Teil eines weltweiten Netzwerkes produzierender Künstler und gastgebender Institutionen, die ihren Beitrag dazu leisten, die Selbstverständlichkeiten unserer Gesell-schaft neu zu betrachten und durch die Förderung von Kreativität und politischem Engagement den Bewusstseinshorizont zu erweitern. Kunst ist unsere Arbeit und zugleich eine Lebensform, für die wir größte Achtung und Dankbarkeit empfinden.

Kontakt: www.berlinerfestspiele.de/kontakt

Page 103: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 102 –

Bundeszentrale für politische BildungDemokratie stärken – Zivilgesellschaft fördern – die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb

Die Aufgabe der Bundeszentrale für politischen Bildung/bpb ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokrati-sche Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken.

So steht es im Erlass des Bundesministeriums des Innern. Und so wird es Tag für Tag in Bonn und Berlin in die Praxis umgesetzt. Gemeinsam mit einem bundesweiten Netzwerk aus Landeszentralen, Bildungs-einrichtungen und -trägern engagiert sich die bpb für politische Bildung und Kultur – unabhängig und überparteilich.

Aktuelle und historische Themen greift sie mit Veranstaltungen, Publikationen sowie Online-Angeboten auf. Das breit gefächerte Bildungsangebot soll Bürgerinnen und Bürger motivieren und be-fähigen, sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander zu setzen und aktiv am politischen Leben teilzunehmen. Aus den Erfahrungen mit diktatorischen Herrschaftsformen in der deutschen Geschichte entsteht für die Bundesrepublik Deutschland die besondere Verantwortung, Werte wie Demokratie, Pluralismus und Toleranz im Bewusstsein der Bevölkerung zu festigen.

Page 104: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 103 –

Ihre Aufgabe erfüllt sie in eigener gesellschaftspolitischer, päda-gogischer und publizistischer Verantwortung. Sie ist überparteilich und wissenschaftlich ausgewogen. Als eine Institution der staatlich verfassten politischen Bildung fördert sie zudem Veranstaltungen von mehr als 300 anerkannten Bildungseinrichtungen, Stiftungen und regierungsunabhängigen Organisationen, die in der Bundesrepublik Deutschland in der politischen Bildung tätig sind.

Kontakt: www.bpb.de/konkakt

Page 105: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 104 –

ImpressumNetzkultur. Freunde des Internets

Kuratorin: Nikola RichterPraktikant: Victor KümelProduktionsleitung: Agata LorkowskaTechnische Leitung: Matthias SchäferAusstattung: Gitti SchererWebseite: Viktor Nübel

Digitales Programmheft

Idee Digitales Programmheft/Konzept: Nikola RichterRedaktion: Victor Kümel, Christina TilmannUmsetzung: Andrea Nienhaus, Berlin© 2013 Berliner Festspiele und Autoren

Fotos

Titelfoto: Die Straße der Lichter ist lang ©fingex-aboutpixel.deRalf Brehmer: ©Frank von WiedingMaike Hank: ©Maike HankHelena Hauff: ©Fabian HammerlHolger Hiller: ©Esther Freund 2011Michael Seemann: ©Ralf StockmannRanga Yogeshwar: ©Nora YogeshwarJuli Zeh: ©David Fink

Veranstalter

Berliner FestspieleEin Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbHGefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Intendant: Dr. Thomas OberenderKaufm. Geschäftsführung: Charlotte SiebenLeitung Redaktion: Christina Tilmann

Page 106: Berliner Festspiele Bundeszentrale für politische Bildung ... · 1 Blog in 2 Stunden — mit Céline Bocquillon 14:00 – 16:00 / Große Bühne Public Soundcheck — mit Anatopia

– 105 –

Leitung Marketing: Stefan WollmannLeitung Presse: Jagoda EngelbrechtLeitung Ticket Office: Michael GrimmLeitung Hotelbüro: Heinz Bernd KleinpaßProtokoll: Gerhild HeyderTechnische Leitung: Andreas Weidmann

Berliner FestspieleSchaperstaße 2410719 Berlin, T +49 30 254 89 0www.berlinerfestspiele.de, [email protected]

Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbHSchöneberger Straße 15, 10963 Berlinwww.kbb.eu

In Kooperation mit

Bundeszentrale für politische BildungPräsident: Thomas KrügerLeitung Koordinierungsstelle Hauptstadtaufgaben: Milena MushakLeitung Stabstelle Kommunikation: Daniel Kraft

Bundeszentrale für politische BildungFriedrichstr. 50 / Checkpoint Charlie10117 BerlinT *49 30 254504-420www.bpb.de

Wir danken unseren Partnern und Sponsoren

Programmänderungen vorbehalten / Stand November 2013