Bertinetto- Bild. Fichte Und Der Iconic Turn 2012

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Bild. Fichte und der »Iconic Turn« Alessandro Bertinetto . Iconic turn Die Frage nach dem Bild ist in den letzten ca. Jahren auf der philoso- phischen Bühne in Mode gekommen. Bücher und Aufsätze über die Bild- frage sowie den Bildbegriff und dessen Anwendungen gewidmete Kon- gresse, Tagungen, Forschungsgruppen und Webpages lassen sich nicht mehr zählen. Dies spiegelt die Steigerung der Wichtigkeit, des Wertes und des Gewichts wider, welche die Bilder bzw. die Bilddimension in unserer medialen Zeit erworben haben. Das Bild ist die Parole geworden, welche heute erforderlich zu sein scheint, um unsere Gegenwart, unsere Existenz, unsere Realität und das Wissen darüber zu schliessen. Für die Thematik des Bildes interessieren sich daher nicht nur die Ästhetik, die Kunstwis- senschaft oder die Kunstgeschichte, und auch nicht nur die Semiotik, die kognitiven Wissenschaften, die Neurowissenschaften, die Medienwissen- schaften usw. Es scheint, dass sich fast alle Disziplin für die Bildthematik interessieren. Wir leben – wie einige sagen – in der Epoche des Bildes. Mit dem Ausdruck »iconic turn« ( ikonische W ende), welcher dem eng- lischen »pictorial turn« (einem Wort, das von William J.T. Mitchell – dem Erfinder der sogenannten visual studies – geprägt wurde ) entspricht, hatte G. Boehm in seinem Aufsatz Was ist ein Bild?  , in Analogie zum »Lin- guistic turn«, den Versuch zur »Anerkennung des (für unsere mediale Vgl . Mitchel l, und Mit che ll , . G. Boehm, a.

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  • Bild. Fichte und der Iconic Turn

    Alessandro Bertinetto

    1. Iconic turn

    Die Frage nach dem Bild ist in den letzten ca. 20 Jahren auf der philoso-phischen Bhne in Mode gekommen. Bcher und Aufstze ber die Bild-frage sowie den Bildbegriff und dessen Anwendungen gewidmete Kon-gresse, Tagungen, Forschungsgruppen und Webpages lassen sich nicht mehr zhlen. Dies spiegelt die Steigerung der Wichtigkeit, des Wertes und des Gewichts wider, welche die Bilder bzw. die Bilddimension in unserer medialen Zeit erworben haben. Das Bild ist die Parole geworden, welche heute erforderlich zu sein scheint, um unsere Gegenwart, unsere Existenz, unsere Realitt und das Wissen darber zu schliessen. Fr die Thematik des Bildes interessieren sich daher nicht nur die sthetik, die Kunstwis-senschaft oder die Kunstgeschichte, und auch nicht nur die Semiotik, die kognitiven Wissenschaften, die Neurowissenschaften, die Medienwissen-schaften usw. Es scheint, dass sich fast alle Disziplin fr die Bildthematik interessieren. Wir leben wie einige sagen in der Epoche des Bildes.

    Mit dem Ausdruck iconic turn (ikonische Wende), welcher dem eng-lischen pictorial turn (einem Wort, das von William J.T. Mitchell dem Erfinder der sogenannten visual studies geprgt wurde1) entspricht, hatte G. Boehm 1994 in seinem Aufsatz Was ist ein Bild?2, in Analogie zum Lin-guistic turn, den Versuch zur Anerkennung des (fr unsere mediale

    1 Vgl. Mitchell, 1994 und Mitchell, 2002.2 G. Boehm, 1994a.

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    Epoche) strukturierenden Charakters des Bildes bezeichnet3. Boehm stellt fest, dass sich bisher keine mit der allgemeinen Sprachwissenschaft vergleichbare Wissenschaft vom Bild entwickelt habe. Eine philosophi-sche Untersuchung ber den Begriff Bild sei aber notwendig, weil die Wiederkehr des Bildes womit die Zeit der Globalisierung den vermut-lichen traditionellen Ikonoklasmus des abendlndischen Denkens und das Primat der Sprache berwinden wrde eine Verlagerung von der sprachlichen auf die visuelle Information (Sauerlnder, 2004, S. 407) mit sich bringt, welche das diskursiv-argumentive Verstehen bedroht, indem die Grenzen zwischen Bild und Abbild verschwinden.

    Boehms Aufsatz hatte das Verdienst, Gadamers Definition des Bildes als Zuwachs an Sein (Gadamer, 1960, Teil I, Kap. II 2.a.) zu erklren. Boehm versteht nmlich die Bilder als Prozesse bzw. als Darstellungen, die sich nicht darauf zurckziehen, Gegebenes zu wiederholen, sondern sichtbar zu machen (Boehm, 1994a, S. 33). Er schrieb: Bilder funktionie-ren nicht wie starre Spiegel []. Das plane Abbild ist der banalste, wenn auch der verbreiteste Ausdruck einer ganz leeren Bildlichkeit. Von wirkli-chen Bildern erwarten wir dagegen nicht nur eine Besttigung dessen, was wir schon wissen, sondern einen Mehrwert, einen Seinszuwachs (Gada-mer). Wirkliche Bilder implizieren deshalb einen inneren Proze, einen ikonischen Kontrast, dessen Momente Verkrpern versus Vertreten sind. Erst dieser, Bildern eigentmliche innere Kontrast, macht verstndlich, wie sich in bloer Materie Sinn berhaupt zu zeigen vermag. (Boehm, 1994b, S. 331)

    Dieser Kontrast ist die piktoriale bzw. ikonische Differenz, welche das Bild produziert. Sie ist basal, um das Bild zu verstehen und um es vom bloen Abbild zu unterscheiden. Das Problem liegt trotzdem darin, dass die ikonische Differenz im Gegensatz zwischen Figur und Hintergrund bestehen sollte. Mit anderen Worten: Das Ikonische, das Bildliche, beruht auf einer vom Sehen realisierten Differenz (Boehm, 2004, S. 32), wel-che die Mglichkeit stiftet, dass das eine im Licht des anderen gesehen wird, und dass wenige Striche als eine Figur gesehen werden. Also:Boehms Ansatz betrifft die sthetische, die sinnliche Wahrnehmung. Dies wird evident, wenn man folgendes Zitat bercksichtigt: Die ikonische Differenz vergegenwrtigt eine Regel der Unterscheidung des visuellen

    3 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Iconic_turn.

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    Kontrastes, in der zugleich ein Zusammensehen angelegt ist. Ikonische Synthesen sind bereits in der Struktur unserer Wahrnehmung angelegt. [] Erst das gesehene Bild ist in Wahrheit ganz Bild geworden. (Boehm, 2004, S. 41)

    Dies heit, dass Boehms nicht-prdikative Logik des Bildes eine Grund-lage fr die von Richard Wollheim4 auf die piktoriale Reprsentation ange-wendete Unterscheidung zwischen dem seeing in (d.h. das Sehen eines Objektes in einer bildlichen Darstellung) und dem seeing as (d.h. das Sehen von einem Objekt als dieses Objekt) anbieten mchte. Diese Begrif-fe bleiben aber dem transzendental-philosophischen Verstndnis des Bil-des untergeordnet. Bevor ich Fichtes transzendentale Bildtheorie schildere, lohnt es sich, den berblick ber die aktuelle Bilddebatte noch weiterzu-fhren.

    2. Bild und Bildwissenschaft heute

    Das Problem liegt m. E. darin: Wer heute ber das Bild redet, meint viel-mehr: Abbild Und der einzige sozusagen begriffliche Unterschied scheint derjenige zwischen mentalem Abbild und piktorialer Reprsentati-on zu sein. Mit anderen Worten: Die Ausbreitung der Debatte verursacht eine Art Kontraktion ihrer begrifflichen Strenge.

    In diesem Zusammenhang zeigt das von Klaus Sachs-Hombach 2005 herausgegebene Buch Bildwissenschaft, dass es heute schwierig ist, eine Disziplin zu finden, welche sich fr das Bildproblem nicht interessiert. Es ist deshalb laut Sachs-Hombach der richtige Zeitpunkt, um die Mglich-keit einer allgemeinen Bildwissenschaft auszuloten (Sachs-Hombach, 2005a, S. 9). Diese geplante Bildwissenschaft welche Boehm 1994 als eine noch nicht entwickelte sah sollte einen gemeinsamen interdisziplinren Theorierahmen anbieten, der fr die unterschiedlichen Disziplinen ein integratives Forschungsprogramm bereitzustellen erlaubt (Sachs-Hom-bach, 2005c, S. 11). Wenn aber die begriffliche Klrung, welche ein solches Unternehmen erfordert, nicht gengend ausgearbeitet wird, droht m. E. dieser Versuch zu scheitern. Sachs-Hombach behauptet einfachhin, dass Bilder wahrnehmungsnahe Medien bzw. Zeichen sind (Sachs-Hombach,

    4 Vgl. Wollheim, 1968.

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    2005c, S. 14)5. Das heit aber, die Erkenntnis, welche durch eine Reflexion ber das Bild bzw. den Bildbegriff gewonnen werden sollte, ohne eine be-griffliche Untersuchung vorauszusetzen. Auf diese Weise versteht man, warum die Philosophie in dem von Sachs-Hombach herausgegebenen Band denselben Rang und dieselbe Stellung wie die Rhetorik, die Semio-tik, die Kognitionswissenschaft, die Kunstgeschichte, die Medienwissen-schaft etc. hat.

    Um ein angmessenesVerstndnis ber den Bildbegriff zu gewinnen ge-ngt es nicht, die vermutliche Tatsache zu betonen, dass die medialen Bil-der die Realitt sozusagen konstruieren; oder dass die Politik die Manipu-lierbarkeit von Bildern benutzt, um den nicht-rationalen Anteil der ffent-lichen Meinung zu beeinflussen, und dass auf diese Weise die politische Debatte ent-rationalisiert und emotionalisiert wird. Wenig informativ fr die Erklrung des Bildbegriffs ist auch die Bemerkung, dass die neuen Me-dien und die Werbung auf die vermutliche Unmittelbarkeit der (Ab)Bilder zielen, um die menschlichen Reaktionen zu steuern. Allzu simpel ist die Behauptung der rhetorischen Potentialitt der Bilder und theoretisch we-nig berzeugend ohne eine sorgfltige begriffliche Analyse ist zu fra-gen, wie es tatschlich geschieht6, ob die Macht der Bilder so stark sein kann, dass Bilder tten knnen. Endlich erscheint der ganze Diskurs ber die virtual reality sogar unsinnig, wenn der Bildbegriff nicht erklrt wird.

    Andererseits gengt es nicht, fr die Auflsung der Kunstgeschichte in eine allgemeinere Bildgeschichte zu pldieren wie es heute viele Kunst-historiker tun, welche im Kielwasser von Aby Warburg segeln. Es kann ausserdem nicht hilfreich sein, unter neurowissenschaftlichen, kognitiven oder wahrnehmungstheoretischen Standpunkten die physikalischen Pro-zesse zu erforschen, welche die Formation eines mentalen Bildes verursa-chen. Schliesslich ist es nicht sehr erhellend, die Abhngigkeit der Bild-kompetenz vom kulturellen Kontext zu beobachten, ohne begrifflich zu erklren, was ein Bild ist.

    Lambert Wiesing hat deshalb Recht, wenn er 1. die Bildwissenschaft nicht als Begriff fr eine eigenstndige Disziplin, sondern als Sammelbe-griff versteht, der viele, inhaltlich und methodisch heterogene berle-

    5 Auch Martin Seel versteht das Bild als ein auf dem hnlichkeitsbezug gegrndetes Zeichen. Vgl. Seel, 2003, S. 255293.

    6 Vgl. Mondrain, 2005.

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    gungen ber Bilder, die aus unterschiedlichen Disziplinen entstammen, aufgrund einer Art loser Familienhnlichkeit zusammenfasst (Wiesing, 2005, S. 9), 2. drei Arten von Bildwissenschaften systematisch unterschei-det, welche sich jeweils mit dem konkreten Bild, Gruppen von Bildern und der Gesamtheit der Bilder d.h. dem Bildbegriff beschftigen und. 3. die Definition des Bildbegriffs als eine bildwissenschaftliche Aufgabe be-trachtet, welche nur philosophisch gelst werden kann. Er argumentiert diesbezglich auf folgende Weise: Wer ber alle Bilder wissenschaftlich arbeiten will, arbeitet primr ber die Frage, was aus welchen Grnden ein Bild ist []. Es geht nicht um die Erforschung dessen, was schon kategori-siert ist, sondern um die Erforschung der Kategorisierung: eben um den Begriff des Bildes (ebda., S. 1314).

    Laut Wiesing gibt es heute drei Richtungen in der Bild-Forschung: eine anthropologische, eine semiotische, und eine wahrnehmungstheoretische.

    1. Das Bild ist laut der anthropologischen Strmung deren Vertreter Hans Jonas, Vilm Flusser, J.-P. Sartre, Hans Belting sind ein menschli-ches Artefakt: Die Bedingungen der Mglichkeit von Bildproduktion sind identisch mit den Bedingungen der Mglichkeit des bewuten, menschlichen Daseins, weil nur ein Subjekt mit Vorstellungen [] auch Darstellungen erzeugen [kann]; zum Herstellen eines Bildes bedarf es der Fhigkeit zur mentalen Bildlichkeit: der Einbildungskraft (ebda., S. 19). Die bildiche Vorstellung ist laut diesem Ansatz nicht nur Bedingung der Bildproduktion, sondern die Bildproduktion ist Mglichkeitsbedingung von Bewusstsein. Mentale und figurative Bilder sind also ursprnglich dasselbe. Dieser Ansatz ist laut Wiesing deshalb zu kritisieren, weil er mentale und figurative Bilder vermischt und in eine Art Bildanthropo-morphismus umschlgt, welcher das Bild des menschlichen Krpers ge-genber anderen Bildinhalten privilegiert. In dieser von Wiesing als an-thropologisch charakterisierten Position stecken aber zwei verschiedene Richtungslinien: Die phnomenologische und bewusstseinstheoretische Position Sartres7, welche einige begrifflich und philosophisch wichtige Analysen ber den Bildbegriff im Gegensatz zu den realen Dingen bietet, und die anthropomorphische These von Hans Belting8, welche kunstge-schichtlich tiefgehend und grndlich, aber theoretisch ungengend ist.

    7 Vgl. Sartre,1980.8 Vgl. Belting, 1990 und Belting, 2001.

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    2. Die zweite Strmung ist die semiotische Linie. Sie betrachtet das Bild als eine Form von Zeichen (Peirce)9 bzw. als Symbol (Goodman)10. Es gibt aber verschiedene Meinungen bezglich der Beziehung zwischen dem Darstellenden und dem Dargestellten. Laut Peirce ist das Ikon bekanntlich dem Designat hnlich; Goodman verwirft dazu im Gegenteil die hnlich-keitsbeziehung zwischen dem Symbol bzw. dem Zeichen und dem darge-stellten Gegenstand, weil fast alles fr fast alles andere stehen und es be-zeichnen kann. Das als Zeichen verstandene Bild wird jedenfalls auf drei-fache Weise charakterisiert. Das Bild wird durch einen materiellen Zei-chentrger, durch einen Inhalt (Sinn, Designat oder Intension) und durch eine Referenz (Bedeutung oder Extension) konstituiert. Diese Dreiteilung entspricht laut Wiesing nur scheinbar der klassischen Unterscheidung von Darstellendem, Darstellung und Dargestelltem. Denn es bleibt im semioti-schen Ansatz dunkel, wie diese dreifache Beziehung funktioniert.

    3. Diese Beziehung wird, laut Wiesing, nur durch den wahrnehmungs-theoretischen Ansatz erklrt, der seinen Ursprung in Husserls Phnome-nologie hat.11 Ein Bild wird laut dieser Richtung durch drei Elemente kon-stituiert: einen Bildtrger, der ein materiales Objekt ist; ein Bildsujet, das das reale Objekt ist, auf welches bezogen wird (die semiotische Referenz); und ein Bildobjekt, welches kein reales, sondern ein intentionales Objekt ist: Das Bildobjekt ist das Objekt, welches sozusagen in der bzw. durch die Wahrnehmung ausgemacht wird. Die wahrnehmungstheoretische Position unterscheidet sich vom semiotischen Ansatz gerade dadurch, dass der se-

    9 Vgl. Peirce, Elements of Logic, 1998. Eine sehr gute Darstellung und Diskussion von Peirces Bild-Semiologie, in Beziehung auf die Wahrnehmungs- , Bild- und Repr-sentationstheorien von U. Eco, N. Goodman, R. Arnheim und E. Gombrich (u.a.) wird in Carreo, 1988 angeboten. Wie Peirce und die Semiologen, hlt Carreo das Bild fr ein Zeichen; so lst die Autorin das Problem der bildichen Referenz dank der Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren Objekt des Bildes und dem dy-namischen Objekt des Bildes: das unmittelbare Objekt ist das Objekt, welches im Bild als das vorgestellte Objekt dieses besonderen Bildes erscheint; das dynamische Objekt ist das vom Bild intendierte Objekt des Bildes, welches Gegenstand von ver-schiedenen Bildern sein kann und welches aber Objekt einer nie definitiven Inter-pretation ist. Die Besonderheit der Position von Carreo liegt aber darin, dass sie die Wechselbeziehung von visuellem Bild und Sprache als wesentliches Element von beiden (Bild und Sprache) versteht.

    10 Vgl. Goodman, 1995.11 Vgl. Husserl, 1980. ber Husserls Bildtheorie vgl. Cal, 2002.

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    miotische Inhalt bzw. Sinn nicht anschaubar ist, sondern die Regel ist, wie man sich mit dem Zeichen auf etwas beziehen kann (Wiesing, 2005, S. 31); im Gegenteil ist das intentionale Bildobjekt eine besondere Art des (anschaubaren) Gegenstands. Fr den semiotischen Ansatz werden deswe-gen Bilder gelesen, fr den wahrnehmungstheoretischen Ansatz werden Bilder gesehen. Da aber Zeichen durch Verwendung entstehen und Bilder durch Anschauung, ist nach Wiesing der semiotische Ansatz ungengend. Bilder knnen als Zeichen verwendet werden; sie sind aber keine Zei-chen.12 Der Unterschied zwischen Bild und Zeichen ist wesentlich, obwohl Bilder als Zeichen verwendet werden knnen und einige Zeichen auch Bilder sind. Das Zeichen wird funktional bestimmt: Etwas ist ein Zeichen, wenn es als Zeichen funktioniert. Dies gilt aber nicht fr das Bild. Wie Ch. Asmuth klar argumentiert hat: Das Bild ist Bild von etwas; das Zeichen ist Zeichen fr etwas (vgl. Asmuth, 2005). brigens ist die Verweisung im Bild immanent, im Zeichen aber transzendent.

    Wiesings (und Husserls) wahrnehmungstheoretische Bildtheorie hat viele entscheidende Vorteile gegenber der anthropologischen und der se-miotischen Position, insbesondere weil sie den Kontrast zwischen Bild und Objekt stark betont: Das Bild ist prinzipiell und strukturell kein Ob-jekt. Jedoch begeht diese Position den Fehler, den Bildbegriff unter den verschiedenen Modellen des figurativen Bildes und des mentalen Bildes (d.h. des Phantasie-Bildes) zu betrachten, ohne den Begriff bzw. das Wesen des Bildes als solchen genetisch zu verstehen. Es soll verstanden werden, warum das Bild kein Objekt ist. Dies Warum soll im Bild und durch das Bild begrifflich verstanden werden. Mit anderen Worten: Husserls Defini-tion des Bildes als Bewusstsein der Vergegenwrtigung eines Nichterschei-nenden im Erscheinendem13 (welche brigens Husserl nur am figurativen Bild anwendet) muss genetisch verstanden werden, damit auch die Objek-tivitt als Produkt des Bildes erscheinen kann und auch dies Erscheinen der Objektivitt als Produkt des Bildes verstanden werden kann.

    Es ist also Zeit, uns einer Bildphilosophie zu widmen, welche das Bild als Bild, also genetisch betrachtet und versteht: Fichtes transzendentale Bildtheorie.

    12 Vgl. dazu auch Brandt, 1999, insb. S. 132.13 Diese Definition ist aus dem Titel des 14 von Husserl, 1980 entnommen: Die Ge-

    gebenheit der bewuten Beziehung auf das Bildsujet durch das Bewutsein der Ver-gegenwrtigung eines Nichterscheinenden im Erscheinenden.

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    3. Fichtes Bildbegriff

    Fichte ist der Philosoph, welcher dem Historischen Wrterbuch der Philo-sophie zufolge die vollstndigste und organischste Bildtheorie der Philoso-phiegeschichte ausgearbeitet hat.14 Die Philosophie ist laut Wiesing u.a. ein Teil der Bildwissenschaft, weil die Bildwissenschaft einer Philosophie des Bildes bedarf (Wiesing, S. 16). Anders verhlt es sich mit Fichtes Wissen-schaftslehre. Fichtes Wissenschaftslehre ist Bildtheorie. Es ist daher er-staunlich, dass Fichte so wenig von zeitgenssischen Bild-Theoretikern bercksichtigt wird (Ch. Asmuth ist in diesem Zusammenhang die wichti-ge Ausnahme, welche die Regel besttigt). Wenn jedoch Fichte in eine Liste von Denkern eingereiht wird, die ber das Bild gesprochen haben, wird seine Position in einer oberflchlichen Weise dargestellt: Ich zitiere aus dem Artikel Philosophie, welchen Klaus Sachs-Hombach fr das von ihm herausgegebene Buch Bildwissenschaft verfasste: Eine Radikalisie-rung des [Kantschen] Konzepts der Einbildungskraft nahm Fichte vor, in-dem er Wahrnehmungen generell als bildhaft auffasste und den Bildbe-griff zum Zentralbegriff der Philosophie erhob. Eine so zentrale Stellung hat der Bildbegriff erst wieder in der Lebensphilosophie [] vor allem bei Bergson (1916) und Klages (1931) erhalten. (Sachs-Hombach, 2005b, S. 112)

    Nun ist korrekt, dass der Bildbegriff laut Fichte fr die Philosophie zentral ist: Aber nicht aus wahrnehmungstheoretischen, sondern aus tran-szendentalphilosophischen Grnden und gerade nicht wegen der Grnde, welche fr Bergsons und Klages Philosophie bedeutsam sind. Laut Fichte, anders als bei Bergson und Klages, sind die Intuition und das mythologi-sche Symbol oberflchliche Dimensionen des Bildes, welche die ikonische Differenz bzw. das Bild als Bild ganz verfehlen.

    Nach Fichte ist eben die ikonische bzw. die piktoriale Differenz dem Bildbegriff wesentlich; als ikonische Differenz soll aber nicht die Differenz zwischen Bild und Hintergrund gemeint werden (wie es im Gegenteil fr Bhme der Fall ist). Die Differenz von Bild und Hintergrund gilt eben nur fr die figurative Bildlichkeit. Als ikonische Differenz soll eher die wesent-liche Differenz von Bild und Sein verstanden werden, welche das Bild als

    14 Ritter, 1971, S 917 ff. Eine kurze Bibliographie ber den Bildbegriff bei Fichte: Drechsler, 1955; Janke, 1987 und 1993; Siemek, 2001; Danz, 2000; Okada, 1997; As-muth, 1997; Bertinetto, 2001, 2003, 2005 und 2009.

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    solches ausmacht und welche vom Bild selbst ausgemacht bzw. konstitu-iert wird.

    Das Bild wird bei Fichte als eine Relation verstanden, welche sich selbst als ihr Glied hat: es ist also die Relation zwischen der Relation und dem nicht-relativen bzw. nicht-abbildbaren Absoluten. Die Differenz Bild/Ab-gebildetes, welche das Bild genetisch konstituiert, ist eben dem Bild intern-immanent. Daraus folgt, dass das Bild strukturell nicht bzw. nicht exklusiv Abbild bzw. Nachahmung, Simulation oder Fiktion ist. Oder, besser gesagt: Das Abbild ist bloss das erste unmittelbare faktische Niveau des Bildes. Vielmehr ist das Bild von der Als- und Durch-Struktur gekennzeichnet. Dies bedeutet, 1. dass sich das Bild als Bild zeigen muss, um Bild zu sein, d.h., dass das Bild Ich und vice versa das Ich Bild ist (sonst, wenn das Bild sich nicht als Bild zeigte, wrde das Bild mit dem Abgebildeten verwech-selt und man htte gar kein Bild mehr); und 2. dass das Bild durch die in-terne Relation mit dem Nicht-Bildlichen konstituiert ist. Bild ist daher bei Fichte das Konzept einer Reflexion, welche die Strukturen des Den-kens deduziert, indem sie diese Strukturen nicht objektiviert, sondern in actu, rekursiv, selbstreflexiv, darstellt. Es ist das Wesen des Denkens, das elementarste Element des Denkens und stellt selbstreflexiv dieses selbstre-flexive Wesen dar. Wenn Wissen, wenn Denken, dann Bild. Die Wissen-schaftslehre, als Untersuchung der Form des Wissens oder, wie Fichte sagt, als Wesenlehre oder Formlehre (welche einer Seinslehre entgegengesetzt ist) besteht darin, die Form des Bildes zu untersuchen. Sie ist ein Wissen ber die Wissensform: Bild des Bildes als Bild.

    Das Bild ist daher bei Fichte nicht nur dem diskursiven Denken nicht entgegengesetzt (wie es bei Bhme und der Mehrheit der zeitgenssischen Bild-Forscher der Fall ist), sondern es ist als dessen einfachstes wesentli-ches Element zu verstehen. Seine Als- und Durch-Struktur ist die Struktur des Wissens als solchen.

    Man kann Fichtes transzendentalen Bildbegriff auf folgende Weise dar-stellen:

    Auf dem Niveau des empirischen Bewusstseins ist das Bild dem Sein entgegengesetzt. Sein ist aber nach Fichte ein leerer Begriff,15 weil er ohne Bestimmungen ist. Deswegen ist es dem Wissen entgegengesetzt. Sein ist Nicht-Wissen, sowie Wissen Nicht-Sein ist. Wenn man etwas weiss, hat

    15 Vgl. Logik II, S. 261.

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    man zwei Elemente: das Bild bzw. die Vorstellung und das, wovon das Bild Bild ist. Diese Zweiheit ist aber eine synthetische Einheit, weil das Sein nur durch das Bild und im Bild ist. Das Sein ist das, was im Bild abgebildet wird, und nur durch das Bild und im Bild kann es als das, was ausser dem Bild ist, betrachtet werden.

    Das Bild ist also von der einen Seite bloes Bild, d.h. Abbild oder An-schauung; von der anderen Seite ist es das als Bild reflektierte Bild, und zwar Begriff. Beide Bildformen sind in Wechselbeziehung. Es wre nm-lich unmglich zu wissen, dass das bloe Bild Bild und nicht Sein ist und dass das im Bilde gebildete Sein Sein und nicht Bild ist, wenn das Bild nicht als Bild gesetzt bzw. reflektiert wre, d.h. wenn man auf dem Niveau des blossen Abbildes bleiben wrde. Diese Reflexion des Bildes als Bild ist gerade das, was vollzogen wird, wenn man begrifflich Bild und Sein unter-scheidet. Diese Unterscheidung ist dem Bild wesentlich. Der Bildbegriff schliesst notwendigerweise die Mglichkeit seiner Selbstdarstellung als Bild ein. Um auch nur das Bild als Abbild von etwas zu verstehen, muss es als Bild gesetzt werden.

    Das Bild ist daher auf einen Schlag unmittelbare Anschauung oder Darstellung und mittelbarer Begriff oder genetisches Bild. Dieselbe Dar-stellung des Bildes als Bild, welche das Bild ausmacht weil sie die Bild-lichkeit im Gegensatz zum Sein erscheinen lsst stellt auch das dar, was dem Bild entgegengesetzt ist: das Sein. Indem das Bild sich darstellt, stellt es auch die Differenz mit seinem Anderen dar. Dies ist laut Logik II die eine u. absolute Grundlage alles Verstehens, u. alles Wissens (Logik II, S. 216). Die Bildstruktur ist also die Wechselbeziehung zwischen Einheit und Zweiheit, Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit, welche Fichte mit der sub-stantivierten Prposition Durch ausdrckt. Das Wesen des Bildes ist sei-ne Selbstdarstellung als Bild, das zugleich Darstellung von sich selbst als Bild und Darstellung eines zweiten Gliedes, bzw. des im Bilde gebildeten Seins ist. Der Unterschied von Bild und Sein ist zugleich eine Einheit, da Bild und Sein nur eins durch das andere sein knnen. Fichte nennt diese Differenz welche nichts anderes als die ikonische Differenz ist die Denkform.16

    Fichtes Bildbegriff soll nicht bloss als mental oder als figurativ verstan-den werden. Er drckt vielmehr das Wesen der Bildlichkeit berhaupt aus,

    16 Vgl. Logik II, S. 214.

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    welche Mglichkeitsbedingung des Denkens bzw. des Wissens, des Be-wusstseins, und der sthetischen Wahrnehmung ist. Dieser Bildbegriff er-klrt zum Beispiel, warum das empirische Bewusstsein Dinge und nicht Bilder bzw. Vorstellungen wahrnimmt: Das empirische Bewusstsein bleibt einfach auf dem Niveau des Abbildes, des blossen Bildes, ohne das Bild als Bild zu reflektieren. Dasselbe passiert auf jedem theoretischen Niveau, z.B. auf dem Niveau der epistemologischen Reflexion. Der Epistemologe muss seine Theorie als Bild verstehen, um sie nicht zu verdinglichen und um sich des schematischen Konstruktionsprozesses bewusst zu bleiben. Die Transzendentalitt der Philosophie besteht eben darin, die Reflexion ber ihre Denkoperationen auf jedem Niveau der schematischen Konstruktion zu vollziehen. Der Wissenschaftslehrer versteht also, dass auch diese Un-terscheidung von Sein und Bild, welche gemacht worden ist, um das erste einfachste Verstndnis des Bildbegriffes zu bekommen, dem Bild intern ist. Eigentlich hat man bloss die Unterscheidung zwischen dem Bild des Seins und dem Bild des Bildes, d.h. die Differenz zwischen dem Bild des Faktums bzw. der Bildlosigkeit und dem Bild der absoluten Genesis. Diese Differenz greift in die Bildheorie selbst ein. Mit anderen Worten: Wenn man das Wissen verstehen will, muss man sich dessen bewusst wer-den, dass man gerade in der epistemologischen Reflexion auf das Wissen, Wissen betreibt. Denn will man das Bild verstehen, muss man auch verste-hen, dass dies Verstehen ein Bild des Bildes ist. Die Struktur der Form, welche erklrt werden soll, ist dieselbe Struktur der Form der Erklrung. Ich lasse hier die transzendentallogischen Implikationen dieses Gedan-kens weg und weise nur daraufhin, dass die Einsicht der Differenz und der Einheit bzw. der DurchEinheit (Diarium, S. 257) von Bild und Sein welche die unmittelbarste Definition des Bildes bietet logischerweise die Einsicht der Selbstbezglichkeit des Bildes mit sich bringt. Dies impliziert, dass das Bild, welches als Selbstdarstellung von sich als Bild begriffen wird, den Charakter der Ichheit hat. Kein Bild ohne Ich und umgekehrt.

    Dieser Bildbegriff ist der Kern der transzendentalen rekursiven Logik Fichtes. Er kann aber auch sthetische Anwendungen im Sinne einer Theorie der bildlichen Darstellung (Prsentation oder Reprsentation) finden. In Logik II bietet Fichte ein figuratives Beispiel, um seine auf den Bildbegriff begrndete Urteilstheorie zu erklren oder besser gesagt, um sie anschaulich zu machen. Es lohnt sich folgendes Zitat zu lesen: Es sey gegeben irgendein Gegenstand: z. B. irgend ein historisches Gemlde; so ist ohne Zweifel die Anschauung des Gemldes fertig u. vollendet: alles gese-

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    hen. Ich wei aber nicht, welche Begebenheit das Gemlde vorstellt, doch voraussetzend es stelle etwas vor. Es leuchtet mir plzlich ein[:] das ists[,] z. B. Hektors Abschied[,] der mir auch schon bekannt ist. So ist das Bild weiter bestimmt durch ein andres Bild; als identisch mit demselben, durch dasselbe (diesen Begriff[,] sagen wir), gebildet, u. zu bilden: ohne doch da-durch verndert zu seyn. . So hier: Bild des Bildes, was das gezeigte Ge-mlde, Ich, | was Hektors Abschied. [/] Die weitre Bestimmung; es[,] das Bild[,] einsehen, als des Ich. (Logik II, S. 305306)

    In dieser quasi-phnomenologischen Analyse der Wahrnehmung eines Gemldes mglicherweise von J. H. W. Tischbein (17511829) haben wir eine Theorie der bildenden Knste in nuce.

    (1) Erstens soll man das Objekt welches ein Bild ist als Bild aner-kennen (Wollheims seeing as). (2) Dann wird das, was das Bild bildet der Inhalt, welcher im Bild dargestellt ist im Bild als eine bestimmte Re-prsentation, als ein bestimmtes Bild, dank dem Kontext, den figurativen Konventionen, der Symbologie, und dem Vorwissen anerkannt (Woll-heims seeing in). Auf diese Weise gewinnt der erste oberflchliche Blick an Tiefe. (3) Und letztlich gibt es einen wichtigen weiteren Schritt: die Be-ziehung des als bestimmtes Bild verstandenen Bildes zum Ich. Es wird also darauf reflektiert, dass ohne die Selbstreflexion des Ich, fr das das Bild Bild ist, es gar kein Bild, sondern nur einen Gegenstand, ein Artefakt, ge-ben knnte.

    Soviel ich wei, konnte Fichte Velasquezs Las Meninas nie betrachten; die selbstreflexive bildliche Darstellung dessen, was ein Bild ist, welche den Blick des Zuschauers im Bilde reflexiv abbildet, ist aber gerade ein wichti-ges Thema des berhmten Bildes von Velazquez, der, wie Michel Foucaults Analyse im berhmten ersten Kapitel seines Les Mots et les Choses gezeigt hat, die Struktur der bewussten Reprsentation figurativ darstellt (vgl. Foucault, 1966, Kap. 1). Es ist vielleicht berflssig, darauf hinzuweisen, dass ein groer Teil der Avantgarde-Kunst im Bild selbst diese Reflexion ber das Bild vollzogen hat, indem die Knstler angefangen haben, die Mglichkeitsbedingung des Bildens im Bild zu bilden bzw. die Bildhaftig-keit darzustellen.17 Man kann an Duchamps ready-mades denken, oder an Magrittes La Trahison des images von 1929, d.h. an die Pfeife, die keine

    17 Vgl. Gehlen, 1960.

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    Pfeife ist weil sie eben nur die Darstellung der Pfeife ist18 und an viele andere Beispiele.

    4. Abschluss

    Diese kunsttheoretische Anwendung von Fichtes Bildbegriff ist mglich und auch produktiv. Sie ist aber nicht der Kern der transzendentalen Bild-theorie. Der Kern ist m.E. folgender: Es kann gar keinen iconic turn ge-ben. Es kann, anders gesagt, gar keinen Paradigmenwechsel in der Philo-sophie geben. Denn Fichte wrde sicherlich alle diese Paradigmenwechsel von dem ontologischen Paradigma ber das bewusstseinstheoretische und das sprachwissenschaftliche Paradigma bis zum ikonischen Paradig-ma verwerfen. Die Ontologie kann ihm zufolge nur transzendentalphi-losophisch gerechtfertigt werden: also, keine Ontologie, sondern Wissens-theorie. Bewusstseintheorie bzw. Wissenstheorie ist immer schon auch Bildtheorie. Und da die Sprache nach Fichte19 auch Bild ist, stimmt auch die Sprachphilosophie mit der Bildtheorie berein. Transzendentalphilo-sophie, Wissenschaftslehre ist einfach Bildtheorie. Und die Bildtheorie ist nicht dem rationalen Diskurs entgegengesetzt, sondern gerade dessen Ba-sis.

    18 Diese ist die Interpretation, welche den grten Konsens findet. Vgl. aber auch die verschiedene Auslegung dieses Werkes, welche bei G. Bhme vorgeschlagen wird (Bhme, 2004). Er meint, dass die Bedeutung dieses Werkes nicht einfach in der vermutlichen Absicht besteht, den Unterschied zwischen Bild und Ding im Bild er-scheinen zu lassen. Sie besteht vielmehr in der Intention, nicht eine allgemeine, sondern eine ganz besondere Pfeife darzustellen. Dies ist nicht eine Pfeife bedeu-tet also laut Bhme: Dies ist nicht eine gemeine Pfeife, sondern eine Stanwell!. Magrittes Werk sei also im Rahmen der Beziehung zwischen Kunst, Werbung und Warenwelt zu verstehen. Seine Darstellung sei doch eine Pfeife. Und diese ist laut Bhme die echte Bedeutung dieses viel diskutierten Bildes: In einer Welt, in der die Dinge zu Zeichen werden, ist es berechtigt, ja gefordert, die Zeichen als Dinge anzusprechen. In der totalisierten Warenwelt braucht man schlielich auch eine Pfeife nicht mehr zu rauchen. Sie erfllt ihr gesellschaftliches Sein auch als Zei-chen, als Accessoire oder gar Abzeichen. (Bhme, 2004, S. 75). Bhmes Auslegung kann hier jedoch nicht diskutiert werden.

    19 Vgl. etwa WL 1811, S. 154: Die Sprache ist sinnlich; will man Begriffe ausdrcken, dann muss man die Sprache sinnbildlich gebrauchen.

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