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Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Abt. Jugend, Familie, Schule, Sport und Umwelt - Jugendamt (Hrsg.) ZU BESUCH IN ISRAEL UND PALÄSTINA Eine Begegnung junger Menschen aus Karmiel und Berlin Das Tagebuch der Reise vom 23. September bis zum 7. Oktober 2012 Die internationale Begegnung wurde gefördert aus Mitteln des Bundesjugendplans und des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf

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Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Abt. Jugend, Familie, Schule, Sport und Umwelt - Jugendamt (Hrsg.)

ZU BESUCH IN ISRAEL UND PALÄSTINA Eine Begegnung junger Menschen aus Karmiel und Berlin

Das Tagebuch der Reise vom 23. September bis zum 7. Oktober 2012 Die internationale Begegnung wurde gefördert aus Mitteln des Bundesjugendplans und des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf

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Vorwort - (Dieter Schneider)

Unser Besuch in Israel war Teil einer internationalen Begegnung junger Menschen aus Israel und Berlin. Sie wurde durch den Kinder- und Jugend-plan des Bundes gefördert und durch das Jugendamt Charlottenburg-Wil-mersdorf geplant, organisiert und betreut.

Die Begegnung begann im August 2011 mit dem Besuch von acht jungen Israelis und ihrem Betreuer in Charlottenburg-Wilmersdorf. Unsere Gäste wurden von mir als Vertreter des Jugendamts und einer Gruppe junger Berliner betreut. Wir wollten im Gegenzug ein Jahr später gemeinsam nach Israel reisen, um das Land und die Lebensbedingungen unserer Gäste kennenzulernen.

Leider stand dieser Gegenbesuch bereits ein halbes Jahr später in Frage, weil acht Teilnehmer/innen der Berliner Gruppe aus den unterschiedlichs-ten Gründen persönlicher Lebensplanung ihre Teilnahme absagen mussten und damit der eigentliche Charakter und Sinn einer Rückbegegnung nicht mehr gegeben waren. Die beiden Partnerstädte waren jedoch sehr daran interessiert, keinen Bruch im seit zwanzig Jahren regelmäßig stattfindenden Begegnungsprogramm entstehen zu lassen. Schließlich fanden sich neun weitere junge Menschen, die sich gemeinsam mit den beiden verbleiben-den Teilnehmern auf die Fahrt vorbereiteten und am 23. September 2012 nach Israel flogen.

Das Programm in Israel bestand aus zwei Teilen. In der ersten Woche lernte die Gruppe - nun vor Ort - bei Besichtigungen, Vorträgen und Dis-kussionen in Jerusalem, Bethlehem, Ramallah und am Toten Meer das Land und die besondere historische und politische Situation ihrer israeli-schen Gastgeber kennen und bereitete sich so auf die Begegnung in Kar-miel vor. Gleichzeitig wurde der Kontakt und Gedankenaustausch unterei-nander intensiver. Die zweite Woche verbrachte die Gruppe in Karmiel. Die Teilnehmer/innen wohnten in verschiedenen israelischen Gastfamilien und nahmen an einem von Karmiel gestalteten Programm teil, bei dem wir ge-meinsam mit den jungen Israelis Karmiel und den Norden Israels erkunde-ten.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Teilnehmer/innen der Reise für die interessierte und intensive Zusammenarbeit herzlich bedanken. Es hat Spaß gemacht, mit euch nach Israel zu reisen!

Die nachfolgenden Tagebuchnotizen sind von den jeweiligen Teilneh-mer/in-nen selbst gestaltet und geben bewusst die subjektive Meinung der Autor/innen, damit aber nicht unbedingt die Meinung des Bezirksamts oder aller Gruppenmitglieder wieder.

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Zur Gruppe gehören: Till Becker Martha Crowe Neha Dutt Mara Erlenmaier Annika Hemmerling Sophie Kundt Jannik Rade Sophia Stegmann David Steinbart Lisa Thieler Dylan White Reiseleitung: Maria Oehlmann und Dieter Schneider

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Sonntag, 23. September, 23:30Uhr – (Maria Oehlmann)

Spät ist es an diesem von Sonne geprägten Herbstan-fang, als wir uns gegen 21:30 Uhr am Terminal B des Flug-hafens Tegel treffen, uns ver-

dutzt ansehen und begreifen, dass es nun endlich soweit ist! Wochen der Vorbereitung und Vorfreude liegen hinter uns und dann – wird der Start um eine Stunde auf 23:50 Uhr verschoben, was der allge-

mein heiteren Laune keinen Abbruch tut; auf eine Stunde kommt’s nicht an, da ist so mancher bei der Deutschen Bahn ganz anderes gewohnt!

Bei Gummibärchen und Chips diskutieren wir die Formen des Hun-gers bei langen Warte-zeiten, finden 3,50 € für ’n halben Liter Wasser reichlich überzogen und füllen die Flaschen mit Leitungswasser auf.

Dann geht’s endlich los! Im Flugzeug sitzen wir ziemlich verstreut und heben ab; Berlin bei Nacht – immer wieder be-eindruckend!

Gute Nacht Berlin, Shalom Israel!

Montag, 24. September, 3:50 Uhr – (Maria Oehlmann)

Wir landen in Tel Aviv. Die Kontrollen sind human, unser Gepäck schnell zusammen-gesammelt. Mit dem Taxibus geht’s nach Jerusalem, wo wir gegen 5:30 Uhr ankommen, zunächst die Zimmer bezie-hen – und frühstücken. Ob-wohl das Hotel auf dem Öl-

berg ziemlich heruntergekom-men wirkt, befindet sich ein internetfähiger Computer in der Lobby und das Essen ist vom feinsten! Für jemanden wie mich, die noch nie in Isra-el war, sind Humus, Pita und Halfa Neuland auf dem Früh-stücksteller. Gewöhnungsbe-

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dürftig erscheint ebenso der über die Maßen gesüßte Kaf-fee. An Alternativen mangelt es nicht: schwarzen Tee mit frischer Minze lässt sich nie-mand entgehen.

Nach dem Früh-stück entschei-den sich einige von uns für zwei Stunden Schlaf, die anderen zieht's raus. Die Sonne ist schnell aufge-gangen und brennt heiß.

Vormittags ziehen wir los vom Ölberg, vorbei am jüdischen Friedhof und dem Garten Gethsemane in Richtung Alt-stadt und den reich besuchten Märkten, wobei wir mehrfach die Via Dolorosa kreuzen. Hier teilt sich die Gruppe. Die ei-nen schlendern über die Märk-te und feilschen um beste Preise. Die anderen arbeiten sich im dichten Verkehr zum im westlichen Teil Jerusalems liegenden Nationalmuseum Israels durch. Sehr beeindru-ckend stellt eine der jüngsten Ergänzungen des Museums das Zweite Tempel Esra Mo-

dell von Jerusalem dar. Das Modell rekonstruiert die Topo-graphie und den architektoni-schen Charakter der Stadt, wie er vor 66 n. Chr. war, dem Jahr, in dem der große Auf-

stand gegen die Römer aus-brach, der schließlich zur Zer-störung der Stadt und des Tempels führte. Das Modell enthält auch eine Nachbildung des Tempels des Herodes.

Der fehlende Schlaf der letz-ten Nacht zehrt an den Kräf-ten. Immer wieder sind Es-sens- und Ruhepausen nötig, um all die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Nachmittags tref-fen wir wieder aufeinander und wandern, vorbei an den Märkten und der Klagemauer, zurück in unsere Unterkunft auf den Ölberg. Der Ausblick über Jerusalem ist beeindru-ckend!

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Im Hotel erwartet uns ein her-vorragendes Abendessen. Er-schöpft sind nach 21 Uhr kei-ne Berliner mehr auf den Flu-

ren zu sehen. Wir freuen uns auf die Betten und einen spannenden neuen Tag in die-sem beeindruckenden Land!

Dienstag, 25. September – (David Steinbart)

Sein Name ist Sternberg, Claude Sternberg. Der kleine Mann mit der Lizenz zum Re-den, der auf den ersten Blick mit seinem Cowboy-Hut auch ein amerikanischer Tourist sein könnte, beschallt mit Un-terstützung seines Bauch-Lautsprechers den kleinen Hotelgarten, in den er uns geführt hat, um seine „Ein-läuterungen“ zu sprechen.

Am zweiten Tag unserer Reise steht am Vormittag nach dem hervorragenden Frühstück in unserem Ho-tel also erst einmal die Einleitung in das Thema an, die Claude, unser Gui-de, auf seine ganz eigene Art gestaltet. Er startet mit einem kurzen Abriss über die Geschichte Jerusalems, wobei er besonders auf die Rolle Davids bei der Eroberung der Stadt um 997 v. Chr. eingeht: Obwohl er die Stadt eroberte, kaufte König David das

Grundstück, auf dem er einen Altar und später Salomo den Tempel baute, was als „Quit-tung“ auch heute noch in der Bibel nachzulesen sei. Dieser Umstand wird bis heute zur Untermauerung des jüdischen Besitzanspruches auf den Tempelberg angesehen.

Anschließend begeben wir uns zum nahe gelegenen Aussichtspunkt über der Alt-stadt. Direkt vor uns liegt vor dem Tempelberg der größte und älteste jüdische Friedhof, der sich als riesiges Areal steinerner Gräber den Ölberg

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hinunter bis zur Stadt-mauer erstreckt, in der wir auch das zugemau-erte achte Stadttor, das "Goldene Tor", erken-nen können, das sich nach jüdischem Glau-ben erst bei Beginn der messianischen Epoche wieder öffnet, zeitgleich zur Auferstehung der Toten.

Aus dem Bus heraus werfen wir einen kleinen Blick auf die moderne Innenstadt Jerusalems, immer mit Clau-des gefärbten Erklärungen im Ohr. Eine willkommene Ab-wechslung ist der leider nur kurze Besuch auf dem Maha-ne-Yehuda-Markt, der mit sei-nen zahlreichen Obstständen, Backwaren und Süßigkeiten verführt.

Nach einem Schlenker zur Knesset lässt sich Claude zu Hause absetzen. Für ihn ste-hen nun die Vorbereitungen des morgigen Feiertages Jom Kippur an, für uns die Fahrt in das benachbarte Bethlehem, das sich im palästinensischen Autonomiegebiet befindet.

Kurz nach der Ankunft im Ho-tel „Nativity“, das die Spirituali-tät des Ortes durch Panflöten-musik zu untermauern ver-sucht, geht es für uns weiter in das „International Center of Bethlehem“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche.

Dieses Kulturzentrum möchte mit zahlreichen Angeboten (Musik, Theater, Bildende Kunst; aber auch Bildungsan-geboten) der großen Gruppe der palästinensischen Jugend-lichen eine Perspektive geben und versucht einen Ausbruch aus dem „täglichen Desaster“, wie uns bei einer Führung durch das weitläufige Gebäu-de von Angie erklärt wird. An-gie, die etwas älter als wir ist

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und offenbar sehr engagiert im International Center arbei-tet, freut sich sichtlich, dass wir in Bethlehem nicht nur die Geburtskirche besichtigen, sondern auch Interesse am Leben der Palästinenser zei-gen. Dieses Leben gestalte sich insbesondere für die jun-gen als relativ große Heraus-forderung, da ihr Land durch die israelischen Siedlungen und Checkpoints zerklüftet wie ein Schweizer Käse sei.

Besonders anschaulich wird ihre Beschreibung des „Ge-fängnisses“, als sie darauf verweist, dass sie überall hin in die Welt reisen könne, ihr der Besuch im 18 Autominu-ten entfernten Jerusalem je-doch nach wie vor verwehrt bleibe. So ist auch der Aus-tausch mit Israelis nahezu unmöglich.

Einen sehr unerfreu-lichen Kontakt mit Israelis zeigt uns Angie an einer Wand im Erdgeschoss: Im Zuge der Besetzung des Westjordanlan-des im Jahr 2002 drangen Soldaten in

das „International Center“ ein und hinterließen neben uni-verseller Zerstörung auch den Abschiedsgruß „We will be back“.

Die Reaktion des „Internatio-nal Center“ auf die schwierige momentane Situation bestehe in einer umfangreichen Frie-densarbeit, die Kindern, Ju-gendlichen und Erwachsenen aller Konfessionen zugute-komme, wie Angie betont. Auf das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Bethlehem angesprochen, spricht sie von gegenseitigem Respekt füreinander, der sich unter anderem darin äußere, dass es akzeptiert sei, ohne Kopftuch auf der Straße zu laufen.

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Als letzten offiziellen Pro-grammpunkt erwartet uns da-nach der Besuch der Geburts-kirche. In der weitläufigen Kir-che, die man nur durch einen sehr niedrigen Eingang betre-ten kann, halten sich die Pil-ger vor allem in der Geburts-grotte auf, wo auch im Spät-sommer unter Tränen „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesun-gen wird.

Der Tourismus ist auch in der Kirche offensichtlich eine luk-rative Geldquelle. So wird anfangs versucht, uns mit polizeilicher Unterstützung einen Guide aufzudrängen, und vor dem Verlassen der

Kirche wartet natürlich der professionelle Bettler, dessen präsentiertes Leiden sich rasch verbessert, als er sei-nem Chef die Einnahmen in allen möglichen Währungen überreichen muss.

Zum Abschluss dieses sehr interessanten und eindrucks-vollen Tages zieht es einige von uns nach einem umfang-reichen Abendessen wieder in die palästinensische Nacht, die wir in einer noch gar nicht offiziell eröffneten Shisha-Bar hoch über Bethlehem bei ex-trem aufmerksamer Bedie-nung genießen.

Mittwoch, 26. September – (Neha Dutt)

Leider wurde am Vorabend der geplante Besuch bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ramallah we-gen der erwarteten Straßen-sperren am Jom Kippur abge-sagt. Die Vertretung bleibt geschlossen. So beginnen wir den heutigen Tag zunächst einmal gemütlich mit einem Frühstück um neun Uhr und setzen uns danach zusam-men, um ,,Feedback‘‘ über die

Das Herodion aus der Luft, wie wir es natürlich nicht sahen. Wir konnten lediglich bis auf den Parkplatz unten links vordringen.

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Eingang zum Aida Camp

bisherigen Tage zu geben. Die Rücksprache gibt ein sehr positives Bild. Als Ersatzplan für den Vormittag beschließen

wir, das nicht weit entfernte Herodion zu besichtigen, eine Festungs- und Palastanlage, die von Herodes dem Großen errichtet wurde und in der er auch begraben ist. Erst im Jahr 2007 wurde sein Grab entdeckt.

Leider ist die Anlage, obwohl im Palästinen-sergebiet gelegen, wegen des Feiertags ebenfalls geschlossen. So können wir lediglich den großen Ausblick über die judäische Wüste genießen und über jüdische und ara-bische Siedlungen in

der Nähe, die erstaunlich na-he beieinander liegen.

Da wir noch Zeit haben, besu-chen wir die Hirtenfelder, auf denen die Hirten die Botschaft von der Ge-burt Jesu empfangen haben sollen, und be-sichtigen die entspre-chende Kirche. Auf die Milchgrotte, die Stelle, an der Maria angeblich einen Milchtropfen verlor und an der jetzt eine Kapelle zu finden ist,

verzichten wir.

Um 14:00 Uhr geht es, nun wieder programmgemäß, zum AL-Rowwad Zentrum im Aida Camp. Das Aida Camp ist ein Flüchtlingslager mit ca. 4.000 Bewohnern aus verschiede-

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nen Regionen des Landes. Viele haben 1948 oder später 1967 ihre Häuser und Dörfer in Palästina verlassen müssen und durften bisher nicht wie-der zurück.

Wir werden über den Wasser- und Elektrizitätsmangel infor-miert. Wasser kommt bei-spielsweise sehr unregelmä-ßig. So müssen die Bewohner des Lagers Wasserbehälter auf den Dächern ihrer Häuser auffüllen, um zumindest not-dürftig mit Wasser versorgt zu sein. Aus statischen Gründen können keine weiteren Behäl-ter aufgestellt werden. Es gibt zwei Schulen mit mehreren hundert Schülern und Schüle-rinnen. Das Al-Rowwad Cen-ter existiert seit 1998 und fing als Theater-Workshop für pa-lästinensische Jugendliche im Aida Camp an.

Al-Rowwad wurde gegründet, um den harten und hässlichen Realitäten und der Gewalt der militärischen Besatzung etwas Schönes, etwas Gewaltfreies entgegenzusetzen (beautiful resistance) und den Kindern mit den Mitteln der Selbstdar-stellung eine größere Belast-

barkeit zu geben. Jugendliche, die teilnehmen und entweder tänzerisch, schauspielerisch oder künstlerisch tätig sind, werden zum Teil ausgebildet. Sie setzen sich mit ihrer pa-lästinensischen Herkunft und Kultur sowie der politischen Situation im Land auseinan-der. Sie verreisen in andere Länder wie Belgien, Frank-reich oder in die USA, um ihre Stücke vorzuführen.

Heute ist Al-Rowwad ein Ort, an dem vor allem junge Men-schen und Frauen aus dem

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Aida Camp eine Plattform finden, um ihre Geschichten zu erzählen, sich an Tanz-, Musik-, Fotografie- und Theaterwork-shops zu beteili-gen, sich mit Gleichaltrigen zu engagieren, neue Fähigkeiten zu er-lernen und Selbst-wertgefühl und Ver-trauen aufzubauen.

In der Frauen-Ab-teilung des Zent-rums hilft man den Frauen in der Region, einen Job zu be-kommen, und bestärkt sie, unabhängig zu werden.

Wir erhalten ein sehr leckeres palästinensisches Mittagessen im Zentrum. Anschließend zeigt man uns die Räume des Gebäudes und erklärt, was dort stattfindet. Besonders stolz ist man auf den Compu-terraum und die Bibliothek.

Auf unserer Tour durch das Lager fällt mir besonders ein Laden auf, in dem traditionelle Handwerke verkauft werden.

Nach dem erneut vorzüglichen Abendessen in unserem Hotel

fahren wir zum zweiten Mal in das International Center, denn dort findet eine Theatervorfüh-

rung des Theaters von Al-Rowwad in Zusammenarbeit mit einem kanadischen Autor statt.

Dass arabisches und deut-sches Zeitverständnis nichts miteinander zu tun haben, wird uns gleich zu Beginn deutlich. Das Stück beginnt mit ca. 60-minütiger Verspä-tung.

Von der angekündigten visuel-len Synchronübersetzung in englischer Sprache ist leider nichts zu sehen. So reimen wir uns den Inhalt des ara-bisch gesprochenen Drei-Mann-Stücks zusammen, denn wir haben nachmittags

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eine kurze Zusammenfassung durch den Autor erhalten. Eine Auflösung gibt es schließlich in der anschließenden Dis-

kussion, die mit dem kanadi-schen Autor zusammen statt-findet und deshalb in engli-scher Sprache geführt wird.

Donnerstag, 27. September – (Martha Crowe)

Heute ist unser vierter Tag in Israel. Wir fahren zurück nach Jerusalem, um die Altstadt zu erforschen. Mir wird immer klarer, wie stark diese Stadt, dieses Land, mit seiner Ge-schichte verbunden ist. Uns wurde schon erzählt, dass der aktuelle Konflikt tausende Jahren alt ist. Und nach mei-nen Erlebnissen heute ver-stehe ich inzwischen mehr.

Bereits der Plan der Stadt spiegelt einen Teil seiner Ge-schichte wider. Die Altstadt von Jerusalem ist in vier Teile gegliedert: das armenische, jüdische, arabische und christ-liche Viertel. Hier leben die verschiedenen religiösen Gruppen getrennt voneinan-der, eine gebliebene Erinne-rung an die Verteilung dieses Landes.

Wir beginnen an der Klage-mauer. Diese Mauer ist nur ein Teil der ursprünglichen

Stützmauer, die Herodes der Große errichten ließ, um das Plateau des Tempelbergs zu

vergrößern, als er den zweiten Tempel prächtig ausbauen ließ. 70 nach Chr. wurde der Tempel durch die Römer voll-ständig zerstört. Dennoch blieb während der gesamten Zeit des Exils und auch heute noch Jerusalem mit dem Tempelberg eine heilige Stadt der Sehnsucht nach Gott. An der Klagemauer, die am Rand des jüdischen Viertels liegt, ist man dem ehemaligen Tempel am nächsten. Damit wird die

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Klagemauer zum "heiligsten Kommunikationspunkt mit Gott", wie Claude es scherz-haft ausdrückt.

Claude erklärt uns, dass alle Synagogen in Israel zum Tempelberg ausgerichtet sind. Es gibt ein Sprichwort in Isra-el, das hier gut passt: "In Haifa wird gearbeitet, in Tel Aviv gespielt und in Jerusalem ge-betet". Überall sind Menschen in Kommunikation mit ihrem Gott. Die Männer und Frauen beten getrennt, die Kleider-ordnung (lange Ärmel, auch Beine und Kopf bedeckt) strikt eingehalten.

Als wir ein paar Schritte weitergehen, kommen wir zu einem Ort von ähnlicher Bedeutung innerhalb des Islam, der Al-Aksa-Mo-schee, der drittwichtigsten Moschee im Islam, und dem Felsendom. Was mich am meisten an diesem Ort beeindruckt, sind nicht die Unterschiede der Religio-nen, der Rituale, der Architek-tur, sondern die Gemeinsam-keiten: der menschliche Wunsch, mit Gott zu kommu-nizieren.

Wir können die Gebäude nur von außen bewundern. Der Felsendom ist wunderschön mit seiner goldenen Kuppel, die in der Sonne glänzt, und den aufwendigen Verzierun-gen der Wände. Aber es ist die Gleichheit, die Atmosphä-re und nicht die visuelle Schönheit, die mich am meis-ten beeindruckt.

Wir verlassen diese Andachts-orte und kommen zu den Ausgrabungen an der David-stadt. Unser Reiseführer er-zählt uns, wie die Stadt vor 3.000 Jahren aussah. Ich füh-le mich selbst ein bisschen

wie eine Archäologin beim Abtragen der Oberfläche von Jerusalem, während Touristen durch Basare laufen und Eis essen, bis zu dem spirituellen

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und historischen Zentrum die-ser alten Stadt.

Unsere nächste Aktivität ver-stärkt dieses Gefühl, denn wir laufen zu Fuß durch den

Hiskija-Tunnel. Dieser Tunnel wurde 701 v. Chr. gebaut, um bei dem erwarteten assyri-schen Angriff die Wasserver-sorgung Jerusalems von au-ßerhalb der damaligen Stadt sicherzustellen. Wir schwap-pen durch das eher kühle Wasser, es ist stockdunkel, wir hören das Echo, Lachen und ich fühle die glatten Stei-ne unter meinen Füßen. Die-ser Tunnel, der jetzt als Aben-teuer für Touristen benutzt wird, zeugt von den früheren Konflikten dieser Stadt und dieses Landes.

Danach tauchen wir für eine Weile in den Basar ein, denn unsere Mägen sind laut zu hören, auf der Suche nach etwas „Humusartigem“ zu essen.

Nach dem Essen ziehen wir zu unserer letzten Station des Tages, der Grabes-kirche. Nach dem Besuch der Heiligen Orte von zweien der drei hauptmonotheis-tischen Religionen ist dies unser letzter Stopp.

Mit dem Geruch vom Kerzen-wachs und opulenten Malerei-en wirken die verwinkelt inei-nander gebauten Gebäude sehr grandios. Die meisten christlichen Glaubensrichtun-gen besitzen hier zumindest einen Raum zum Beten. Inte-ressanterweise aber verwaltet eine muslimische Familie die Schlüssel, um Konflikte oder auch Hierarchie zu vermeiden.

Mir fällt ein, dass Menschen, die einen Ort lieben, egal wel-chen Grund sie dafür haben, manchmal jemand anderen

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brauchen, der ihnen hilft, ihre Angelegenheiten zu regeln. Dies sollte auch in Jerusalem so sein. Aber wie sollte man

einen Vermittler finden, der die unterschiedlichen Positio-nen versteht und sich nicht wild in die Stadt verliebt?

Freitag, 28. September – (Lisa Thieler)

Der Tag beginnt mit der Ab-fahrt zur Deutschen Vertre-tung in Ramallah. Zuerst tut sich die Frage auf: Wo ist die Deutsche Vertretung? Des-halb habe ich hier eine Karte beigelegt:

In der Deutschen Vertretung werden wir freundlich emp-fangen. Beim Betreten des sehr angenehmen Hauses bemerken wir sofort das Port-rait des derzeitigen Bundes-präsidenten Gauck, der uns entgegen lächelt.

Uns fällt auf, dass die Innen-architektur in „Deutschem Stil“ gehalten ist, viele aus unserer Gruppe meinen gleich: „Ist ja wie Zuhause!"

Wir nehmen im Konferenz-raum an einer langen Kaffee-tafel Platz und bekommen eine äußerst detaillierte Karte der Westbank, die wir zu un-serer großen Freude behalten dürfen.

Wir stellen viele Fragen und unterhalten uns ausgiebig mit unserem Vertreter.

Wir reden über die umstrittene Siedlungspolitik Israels, den Gazastreifen und die Rolle der Deutschen Vertretung vor Ort. Wir stellen unserem Gastge-

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ber unter anderem persönli-che Fragen wie zum Beispiel, ob er denke, er könne hier den Menschen vor Ort helfen, oder wie er sich fühle, wenn er mal nicht helfen könne. Er schildert uns, dass es in sei-nem Dienstbereich hauptsäch-lich um die qualitative Bericht-erstattung geht. Sein Lieb-lingswort ist, wie uns nach dem langen Gespräch auffällt, der Begriff „de facto“.

WAS SAGT DER DUDEN ZU DEM

WORT DE FACTO?

BEDEUTUNG: TATSÄCHLICH, NACH LAGE DER

DINGE, DEM VERHALTEN NACH

BEISPIELE: DAS PARLAMENT ÜBT NICHT

NUR DE JURE, SONDERN AUCH

DE FACTO POLITISCHE MACHT

AUS.

EINE SACHE DE FACTO ANER-

KENNEN (DURCH SEIN VERHAL-

TEN DIE ANERKENNUNG EINER

SACHE ZUM AUSDRUCK BRIN-

GEN)

Hier noch einmal die offizielle Stellungnahme der Deutschen Vertretung in Ramallah zum

Nachlesen: "Das Bemühen um einen gerechten und dau-erhaften Frieden im Nahen Osten ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt deutscher Au-ßenpolitik. Die deutsche Nah-ostpolitik ist dabei eingebettet in die europäische Politik für die Region. Bedingt durch sei-ne Geschichte trägt Deutsch-land eine besondere Verant-wortung für die Sicherheit des Staates Israel. Gleichzeitig erkennt Deutschland das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat an. Eine nachhaltige Lösung des israe-lisch-palästinensischen Kon-flikts ist nach Überzeugung Deutschlands und seiner Partner nur durch Verhand-lungen zu erreichen, die zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen: Einem Staat Israel und einem unabhängigen, demo-kratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben."

Yad Vashem besuchen wir in unserem durch den Feiertag ein wenig durcheinander ge-würfelten Programm unmittel-bar nach unserer Rückkehr in

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Die Halle der Namen

Jerusalem. Zuvor nehmen wir Claude wieder an Bord, der aus versicherungsrechtlichen

Gründen beruflich nicht "in die Gebiete" reist. Yad Vashem ist das bedeutendste jüdische Mahnmal für den Holocaust. weltweit.

Wir beginnen unseren Besuch im Denkmal für Kinder. Am Eingang dieser Gedenkstätte befinden sich mehrere weiße Steine, die an einigen Stellen abgebrochen sind. Diese Steine symbolisieren den ab-rupten Abbruch des Lebens der getöteten Kinder.

Besonders berührend ist das Denkmal der drei Kerzen: Von unserem Guide Claude wer-den wir in einen Raum ge-führt, in dem sich drei Kerzen tausendfach spiegeln. Diese

Darstellung soll für die 1,5 Millionen Kinder und Jugendli-chen stehen, die während der Shoah ums Leben kamen. Während man diese Kerzen betrachtet, werden die Namen der ermordeten Kinder und Jugendlichen von einem Ton-band vorgelesen.

Leider haben wir nur noch eine halbe Stunde Zeit, um uns das übrige Museum an-zuschauen, das wegen des hereinbrechenden Sabbats und der vorzeitig eingeläute-ten Winterzeit heute früher schließt.

Sehr beeindruckt uns auch der Garten der Gerechten in dem seit 1996 für nichtjüdi-sche Retter und Retterinnen Bäume gepflanzt und Platten mit Namen angebracht wer-den.

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Der Besuch in Yad Vashem ist sehr bewegend und hat si-cherlich jeden von uns mit seinen persönlichen Gefühlen zurückgelassen.

Nach längerer Fahrt ohne bemerkenswerte Vorkomm-nisse erreichen wir schließlich am frühen Abend das Bedui-nenlager „Kfar Hanokdim“.

Auch wenn wir anfangs ein wenig von der modernen Aus-stattung des Lagers überrascht sind, erleben wir dort ei-nen wunderschönen Abend.

Gleich nach dem Eintreffen und Ent-laden des Gepäcks in unser riesiges Zelt geht es zum Kamelrei-

ten. Wir sind alle sehr aufge-regt und zu zweit geht es dann aufs Kamel. Wir reiten ein Stückchen in die Wüste hinein und kehren nach ca. einer halben Stunde wieder zurück..

Besonders beeindruckend ist die Höhe dieser Tiere. Beim Absteigen ist es uns allen

dann doch etwas unbe-haglich, da das Kamel so abrupt auf die Knie fällt. Nach so einem Nervenkit-zel kommt uns das riesige Abendessen, ein tolles Buffet, gerade recht.

Als es dunkel wird, ver-sammeln wir uns alle am Lagerfeuer zum „story telling with Claude“. Die-

ses Treffen, in dem Claude seine Vorstellung der messianischen Epo-che präsentiert, ist geprägt von ver-schiedenen Mei-nungen und hefti-gen Diskussionen. Ich glaube, es wird uns allen noch in langer Erinnerung

bleiben.

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Samstag, 29. September – (Annika Hemmerling)

Nach einer Nacht unter freiem Himmel im Bedui-nenlager und einem super leckeren und wie immer ausgiebigen Frühstück pa-cken wir unser Hab und Gut zusammen und steigen in den Bus, um die berühmte Festung Masada zu besich-tigen. Der Berg, auf dem die Festung Masada gebaut ist, gehört zum Judäischen Gebirge und liegt zwischen dem Toten Meer und der Judäischen Wüste. Die Fes-tung wurde zwischen 40 und 30 v. Chr. auf Befehl von Kö-nig Herodes I, auch dem Gro-ßen genannt, erbaut, am Ende des Jüdischen Kriegs jedoch, wie wir von Claude erfahren, von den Römern belagert und nur durch den Bau einer lang ansteigenden Rampe einge-nommen, über die Rammbö-cke und Belagerungsmaschi-nen an die Mauern heran-geführt wurden. Die Zeloten, die den Römern zuvor einen langen Partisanenkrieg gelie-fert und sich an diesen als unbezwingbaren Ort zurück-gezogen hatten, verübten kol-

lektiv Selbstmord, ehe sie von den Römern bezwungen wur-den.

Mit unseren Sonnenhüten, Sonnencreme und Wasserfla-schen bepackt treten wir den steinigen und steilen Weg über die Rampe nach oben auf die Festung an, um uns das prachtvolle Werk von na-hem anzuschauen. Oben an-gekommen, heißt uns eine wunderschöne Aussicht will-kommen. Soweit das Auge reicht, sieht man Gestein, Wüste und im Westen blickt man auf das Wadi Ben-Jair, im Osten und Süden das Wadi Masada. Die Ruinen der Fes-tung strahlen etwas sehr Prachtvolles, Edles aus und die Einflüsse der Römer wäh-rend und nach ihrer Belage-

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rung lassen sich unschwer erkennen. Die eindrucksvollen Römischen Bäder, die alten Zisternen, die von den Zeloten als Wasserspeicher genutzt wurden, erinnern an eine ein-drucksvolle Zeit. Die Mauern, die Belagerungsrampe, auf der wir hochgekommen sind, und Claudes Erzäh-lungen geben der Festung eine noch größere Bedeu-tung.

Dieser Ort symbolisiert die Zähigkeit und den Mut des jüdischen Volkes, nicht nur ihre Festung, sondern be-sonders ihren Glauben vor den Römern zu beschützen. Masada wurde für das heutige Israel zum Symbol. "Nie wie-der darf Masada fallen!" Mit dieser Formulierung wurden in den 1990er Jahren die Rekru-ten an diesem traditionsrei-chen Ort vereidigt.

Nach einem ausgiebigen Rundgang, der Besichtigung einer Zisterne und eines römi-schen Bads steht die Mittags-sonne unmittelbar über uns und prallt auf unsere Köpfe. Im Schatten auf einem Stein sitzend lauschen wir den letz-

ten Worten von Claude, stär-ken uns nochmal mit Wasser, bevor wir den langen stufigen Weg nach unten nehmen. Nach einer Dreiviertelstunde sind wir erschöpft, mit roten Gesichtern, doch glücklich unten angekommen.

Einigermaßen gestärkt geht es dann mit dem Bus weiter zu einem schmalen Wasser-weg, der uns zu einem Was-serfall führt. Es ist Feiertag und dementsprechend voller junger Familien und Jugendli-chen, die sich an diesen be-liebten Ausflugsort tummeln.

Lange halten wir uns dort nicht auf, sondern beeilen uns, wieder zurück zum Bus zu kommen, denn jetzt soll es endlich soweit sein - wir fah-ren zum Toten Meer.

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Claude erklärt uns, dass der durchschnittliche Salzgehalt bei 28% liegt, und das Nächs-te, an das ich mich erinnern kann, ist, wie ich auf einmal über die Wasseroberfläche schwebe. Was für ein Ge-fühl, absolute Schwerelo-sigkeit, wie ein Astronaut auf dem Mond versuchen wir uns im Wasser fortzu-bewegen. Das Wasser schmeckt furchtbar bitter und ein weißer Salz-Film be-deckt den Boden und die Steine. Da schweben wir nun 442 Meter unter dem Meeres-spiegel und träumen vor uns hin. Eindrücke der letzten Ta-ge, Tagträumerei, wie ein Le-ben zu Zeiten Herodes hier ausgesehen haben müsste. Was wohl den Menschen, die auf der Festung Masada ge-lebt hatten, in den letzten Ta-ge vor der Übernahme der Römer durch den Kopf ge-gangen ist?

Aus dem Wasser gekommen, habe ich das Gefühl, in jeder Pore meines Körpers wäre

Salz. Abgeduscht und er-schöpft steigen wir zurück in den Bus und werden von Mus-tafa in den Kibbuz Kalia ge-fahren. Nachdem die Bunga-lows verteilt sind, machen wir einen kurzen Rundgang durch den Kibbuz und nehmen an-schließend unser Abendessen im Speisesaal ein. Nach die-sem anstrengenden und er-lebnisreichen Tag sind wir alle glücklich, den Abend gemüt-lich auf der Terrasse unserer Bungalows ausklingen zu las-sen.

Sonntag, 30. September – (Dieter Schneider)

Die Nacht ist mit über 30° Celsius eigentlich nur mit Un-terstützung der Klimaanlage

zu überleben. Das reichhaltige Frühstücksbuffet bringt uns aber in die richtige Verfassung

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für das, was auf uns zukommt. Denn heute geht es nach Karmiel; dort werden wir in Gastfamilien verteilt.

Wir haben die verschlüsselt vorgetragene Botschaft von Claude, dem Interessenvertre-ter seiner selbst und des Bus-fahrers, deutlich verstanden und beginnen unsere heutige Fahrt um 8:45 Uhr im nahe gelegenen Qumran-Shop, wo "Best Dead Sea Products at best prices" auf unsere Kauf-lust warten.

Claude muss wohl zufrieden sein, denn er hat auch eine kleine Tüte mit Produkten ergattert. Zu Beginn unserer Weiterfahrt erinnert er noch einmal daran, dass 1947 hier in Qumran in Höhlen 2.000 Jahre alte Pergamentschrift-rollen gefunden wurden, die sich als die ältesten Abschrif-ten des Alten Testaments er-wiesen. Andere Rollen geben Auskunft über das Leben der Essener um die Zeitenwende und weisen manche Parallele zum Leben der urchristlichen Gemeinde auf, auch wenn Jesus mit keinem Wort Er-wähnung findet.

Unsere Fahrt führt uns durch das Jordantal nach Norden. Claude erklärt uns, dass das Grenzgebiet zu Jordanien vermint sei, um Terroristen abzuwehren, nicht aber eine jordanische Armee. Mit dem Staat Jordanien lebe man in Frieden und pflege in der Landwirtschaft einen regel-rechten Technologieaus-tausch. Insbesondere habe man biologische Methoden entwickelt, wie Schädlinge von den Plantagen ferngehalten werden.

Um 11:30 Uhr erreichen wir Beth Shean, einen bedeuten-den Ort während der ersten Jahrtausende vor und nach der Zeitenwende, denn es liegt in einer fruchtbaren Ge-gend am Ende der Jezreel-ebene, die sich vom Mittel-meer südlich von Haifa bis hierher zieht. Die meisten Er-

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oberer zogen durch dieses Tal, so dass hier strategische Stützpunkte aufgebaut wur-den. Seit den 1980er Jahren brachten Ausgrabungen eine antike Stadt (3. Jh. vor bis 8. Jh. nach Chr.) zum Vorschein. Wir besichtigen die Ausgra-bungsstätte, insbesondere das Römische Theater.

Nach 6 km Fahrt erreichen wir um 13 Uhr den Kibbuz Beth Alfa am Fuße des Berges Gilboa, in dem 1929 der Mo-saikfußboden einer Synagoge aus dem 6. Jahrhundert ent-deckt und freigelegt wur-de. Zu sehen sind Bilder und Szenen aus der Bibel wie die Opferung Isaaks. Aber der eindrucksvollste Teil des Mosaiks ist der große (persische) Tier-kreis. Ein interessant ge-machter kurzer Film zeigt den Konflikt der jüdischen Gemeinde im 6. Jahrhundert, trotz des alttestamentlichen Bilderverbots das Mosaik zu erstellen. Die Juden assimi-lierten die persische Kultur und änderten sie. Die Tier-kreiszeichen erhielten speziel-le jüdische Bedeutungen. Der

Löwe wurde der königliche Löwe Davids, die Zwillinge wurden Kain und Abel usw.

Wieder nicht weit entfernt liegt der Nationalpark Gan HaShlo-sha (Sachne) mit Teichen, natürlichen Wasserfällen und Picknickplätzen. Wir haben Glück, denn wegen des be-ginnenden Sukkots (Laubhüt-tenfest) ist er nicht überlaufen, da die religiösen "Praktikan-ten" keine Zeit für Ausflugszie-le haben. Wir essen zu Mittag und gehen anschließend Ba-den. Im unteren See haben es

uns besonders die knabbern-den kleinen Fische angetan, die offensichtlich auf abge-storbene Hautpartikel (beson-ders an den Füßen) aus sind - das kitzelt.

Wegen des Sukkotbeginns sollen wir möglichst schon um

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16 Uhr in Karmiel sein. Claude lässt es sich dennoch nicht nehmen, uns noch eine "Aus-läuterung" zu geben und zu-sammenzufassen, was ihm wichtig war uns zu vermitteln. Hier sollen nur zwei Punkte erwähnt werden:

Geschichten, die im Neuen Testament erzählt werden, haben sehr häufig ihren Ursprung in alttestamentli-chen Erzählungen und sind nicht neu erfunden.

"Von Zion kommt die Lehre heraus und das Wort Got-tes von Jerusalem." (Jesaja 2 Vers 3) Dieser Spruch sei in vielen Synagogen zu le-sen und weise darauf hin, dass das Judentum mit seiner heiligen Stadt Jeru-salem als ältere Schwester des Christentums und des Islam eine große Verant-wortung habe, die es bereit sei zu übernehmen. Hier ist der Bezug zur messiani-schen Epoche unverkenn-bar - offenbar einer Zentra-le in Claudes Theoriege-bäude.

Wir wundern uns, lassen sei-ne Aussagen aber unkom-

mentiert stehen. Diskussionen über sein Bild einer messiani-schen Epoche hatten wir be-reits zu Genüge.

Mit einer Verspätung von ei-ner halben Stunde kommen wir in Karmiel an, wo bereits unsere Gastgeber auf uns warten. Sophie, Till und ich sehen als Überbleibsel der Gruppe des Vorjahres be-kannte Gesichter wieder; für die übrigen Zehn ist alles neu.

Ich fahre mit Judith zu ihr nach Hause, wo ihr Mann Dodo bereits auf uns wartet. Ich bekomme "mein" mir ver-trautes Zimmer zugewiesen und nach einer kurzen Rast machen wir uns auf zu Freun-den, um in einer Sukka den Beginn des Festes zu feiern. Sukkot geht auf die Wüsten-zeit des jüdischen Volkes nach dem Auszug aus Ägyp-ten zurück und basiert auf der Anweisung Jahwes in 5. Mose 16: "Wenn nicht nur die Ge-treide-, sondern auch die Weinernte eingebracht ist, sollt ihr sieben Tage lang das Laubhüttenfest feiern. Begeht es als Freudenfest mit euren Söhnen und Töchtern, euren

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Sklaven und Sklavinnen und mit den Leviten in eurer Stadt, den Fremden, die bei euch leben, den Waisen und Wit-wen." - Nun, offensichtlich bin ich einer der hier aufgezähl-ten.

Ich hatte erwartet, dass die Sukka aus Zweigen und Laub errichtet ist, aber im modernen Israel reicht offensichtlich ein wenig Laub auf dem Dach zur Definition der Laubhütte. Die "Laubhütte" der Freunde er-weist sich als riesiges bemal-tes und geschmücktes Zelt, das bis zu 100 Personen be-herbergen kann. Heute sind es nur 50 Personen. Sukkot-beginn wird nur noch von reli-giösen Juden ernsthaft gefei-

ert. In den meisten jüdischen Familien ist es vor allem ein Kinderfest, denn bestimmte Traditionen werden aufrecht erhalten. Es werden Bibeltexte vorgelesen und es wird viel gesungen. Schließlich wird das Brot gebrochen und der spezielle (unendlich süße) Sabbatwein herumgereicht - und dann kann das Festmahl beginnen.

Da ich mir in der eingangs beschriebenen klimatisierten Nacht offensichtlich eine hüb-sche Erkältung zugezogen habe, die mir zunehmend zu schaffen macht, bin ich doch froh, als wir nach zwei Stun-den wieder aufbrechen und ich mich hinlegen kann.

Montag, 1. Oktober – (Dylan White)

Es ist unser mittlerweile neun-ter Tag in Israel und unser erster Ausflug mit unseren Gastgebern. Wir besuchen die Golanhöhen, ein Hochplateau im Nord-Osten des Landes und eine der umstrittenen Siedlungsregionen Israels. Der Golan gehörte lange zu Syrien und wurde von den Syrern als militärischer Stütz-

punkt genutzt, von dem aus immer wieder israelische Ge-meinden im Norden Israels beschossen wurden. Im Sechstagekrieg wurde er von Israel besetzt, was mit der Vertreibung von nahezu der gesamten arabischen Bevöl-kerung (ca. 120.000) aus die-sem Gebiet einherging, wäh-rend die Drusen zum größten

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Teil wohnen bleiben konnten. 1981 wurde das Gebiet offizi-ell annektiert und zunehmend durch jüdische Siedler besie-delt. Mit seinen einzigartigen geographischen Begebenhei-ten wird das Gebiet heute auf verschiedenste Weise ge-nutzt. Es ist eine der wichtigs-ten Wasserquellen Israels und beherbergt gleichzeitig das einzige israelische Skigebiet auf dem 2.814 Me-ter hohen Hermon.

Unser Tag beginnt ungefähr um 8:30 Uhr. Wir steigen in unseren Shuttle Bus und fahren nach kurzer Zeit durch eine karge, steinige und hüge-lige Landschaft auf einer kleinen Land-straße. Wiederholt kommen wir an Militärstütz-punkten vorbei und meine israelischen Sitznachbarn, Lev und Boris, erklären mir, dass im „Golan“ viele Militärübun-gen stattfinden und auch sie hier einen Teil ihres dreijähri-gen Militärdienstes verbracht haben. Auch gebe es hier

noch viele Mienen seit den beiden Kriegen (s.u.), erzäh-len sie mir und scherzen da-rüber, wie diese einige Wild-schweine immer wieder zu medium-rare Steaks verarbei-ten.

Unser erster Halt gilt einem Militärdenkmal, das abgese-hen von einem echten Panzer in einer kargen, aber idylli-

schen Landschaft liegt. Nach-dem wir uns an einer „Audio Station“ ein paar wenig aufklä-rende Funksprüche israeli-scher Soldaten während des Jom-Kippur-Kriegs angehört haben, setzen wir uns unter einige Olivenbäume und be-ginnen eine Vorstellungsrun-

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de. Die Stimmung ist schön und gelassen und wir essen unsere (größtenteils) Humus-Brote, bevor wir wieder in den Bus steigen.

Wir fahren zu einer Art Tou-rismuszentrum. Vom Park-platz gehen wir direkt in einen Kinosaal und bekommen ei-nen effektreichen, auf 15 Mi-nuten ausgedehnten Touris-musfilm über „Golan“ zu se-hen, der mit spektakulären Nah- und Zeitlupenaufnahmen aus der Natur des Golans und wiederholten Sprüchen wie „See Golan. Taste Golan. Feel Golan. Hear Golan“ und ech-ten Wind- und Wasserspritzef-fekten uns zu echten „Golan-Fans“ zu machen versucht.

Etwas belustigt über den un-glaublich spektakulär aufge-machten, aber wenig aussa-gekräftigen Film bewegen wir uns ins nächste Zimmer, das die nächste Show für uns be-reithält.

Diese stellt sich als wesentlich weniger lustig, als in diesem Moment erwartet, und letzt-endlich als ziemlich fragwürdig dar. Das ca. 5 x 20 m große

Modell, das wir hier zu sehen bekommen, zeigt nicht nur eine sehr vereinfachende, sondern auch äußerst israe-lisch-patriotische Version der Geschichte der Golanhöhen. Mit per Scheinwerfer projizier-ten israelischen Flaggen, ro-ten und blauen Panzern, ei-nem Kommentar aus dem Off und abwechselnd patriotischer und bedrohlicher Musik wird uns eine Geschichte dieser umkämpften Region darge-stellt, nach der man die israe-lische Annektierung als Sie-geszug gegen die „bösen Sy-rer“ verstehen soll.

Während die Besatzung nie als solche erwähnt, sondern als Verteidigung Israels dar-gestellt wird, erscheinen die Syrer lediglich als rote Panzer mit bedrohlicher Musik, die hinterlistig in Israel einzudrin-gen versuchen. Derweil fällt kein einziges Wort über die ca. 120.000 vertriebenen Ara-ber.

Natürlich kann man die syri-schen Aktionen auf diesem Gebiet, die dem Sechstage-krieg vorausgegangen sind, nicht einfach rechtfertigen,

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aber nach dieser Lichtshow fühle ich mich zumindest mehr wie in einem Propagandafilm des israelischen Militärs als in einem Tourismuszentrum.

Nachdem einige von uns Bier, Wein und andere regional produzierte Waren im anlie-genden Laden eingekauft ha-ben, steigen wir wieder in den Bus und fahren zu ei-nem Aussichts-punkt an der Gren-ze zu Syrien. Von dem Berg, der ei-nen original erhal-tenen israelischen Bunker aus dem Jom-Kippur- oder vielleicht auch Sechstagekrieg beherbergt, kann man weit in die unter uns liegende Ebene herabblicken, die zu dem von der UN ver-walteten syrischen Gebiet gehört, in dem auch die „Geis-terstadt“ Qunaitra liegt.

Diese einst größte Stadt der Golanhöhen wurde von der israelischen Armee während des Sechstagekriegs besetzt. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 wurde die Stadt durch syri-

sche Truppen zwischenzeitlich zurückerobert. Nach syrischen Angaben, die durch die UN bestätigt wurden, so verrät mir später das Internet, mussten die 37.000 Einwohner 1974 Qunaitra verlassen und an-schließend zerstörte die israe-lische Armee die Stadt, bevor sie sich zurückzog. Seitdem

gehört Qunaitra zu den durch die UN verwalteten Gebieten. Nach israelischer Darstellung ist Qunaitra jedoch bereits im Jom-Kippur-Krieg 1973 von syrischer Artillerie zugerichtet worden. Die Stadt wurde bis heute nur zu geringen Teilen wieder aufgebaut.

Lev erklärt mir seine israeli-sche Version, dass die Syrer ihre Bevölkerung zwangen, die Stadt zu verlassen, und

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alle Hinterbliebenen umbrach-ten, um Israel wie die „bad guys“ aussehen zu lassen.

Unser nächster Stopp ist ei-nes der vier Dörfer im Norden des Golan, in denen 17.000 israelische Drusen leben. Die nur im Nahen Osten prakti-zierte „Religion der göttlichen Einheit“ findet sich vor allem in Syrien und dem Libanon wie-der, wurde allerdings durch die Annektierung der Golan-höhen auf Seiten Israels 1981 zu einer weiteren Religion im Mischpott Israels. Wir be-schränken uns im Prinzip auf den Kern eines dieser Dörfer, das sich, abgesehen von den arabischen Schriftzeichen, kaum von den israelischen Dörfern unterscheidet.

Im Dorfkern essen wir in ei-nem nicht ganz billigen, aber sehr gut besuchten arabi-schen Restaurant die wohl beste Falafel der Reise für 13 Shekel, also ca. 2,60 Euro. Es läuft das syrische Staatsfern-sehen mit frischen Bildern von Kampfübungen, die die Schlagfertigkeit der syrischen Armee unterstreichen sollen.

Irgendwann auf dem Weg zurück nach Karmiel kommt das Gespräch zwischen Lev, Boris und mir auf das Thema Politik und ich spüre die Angst der Israelis. So erklärt mir Lev sein Verständnis der Absich-ten von Fatah und Hamas: Während die Fatah demnach erst eine starke Wirtschaft aufbauen und dann Israel zer-stören möchte, möchte die Hamas es genau andershe-rum machen. Deshalb sei ihm die Fatah immerhin lieber als die Hamas. Boris fügt hinzu, dass man den Palästinensern Angst machen müsse, denn Frieden sei ja schließlich nicht möglich.

Als wir langsam nach Karmiel hereinfahren, bin ich froh, wieder so viele neue Eindrü-cke an diesem Tag gesam-melt zu haben. Wie ernst die Lage in den Golanhöhen aber eigentlich ist, insbesondere in Bezug auf jüngste Entwick-lungen in Syrien und Libanon, ist mir jetzt erst klarer gewor-den.

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Dienstag, 2. Oktober – (Jannik Rade)

Am Morgen treffen wir uns mit dem Bürgermeister von Kar-miel im Park gegenüber vom Rathaus. Jede/r von uns er-hält ein Geschenk (Notizblock samt Kugelschreiber und USB-Stick) und er erzählt uns, dass Karmiel, eine Stadt von 50.000 Einwohnern, eine sehr fortschrittliche Stadt sei, deren Wachstum Bezirk für Bezirk geplant ist. Danach führen uns Miri und Yuval durch die gro-ße, gepflegte Parkanlage, die voll mit zeitgenössischer Kunst (vor allem Skulpturen) von lokalen Künstlern ist.

Im Bus geht es weiter und Miri thematisiert am Mikrofon den Raketenbeschuss Karmiels durch die libanesische Hisbol-lah 2006, in dem die Stadt von ca. 200 Raketen getroffen wurde, die jedoch keine zivilen Opfer forderten. Wir halten am Denkmal „Holocaust to Resur-rection“. Zu sehen sind drei Gruppen von Skulpturen: Die erste zeigt die Deportation der Juden in die Vernichtungsla-ger, die zweite die Vernich-tungslager und den Tod und die dritte, eine Mutter, die ein

Baby in die Luft hält, symboli-siert die Wiederauferstehung und die Hoffnung.

Am frühen Nachmittag werden wir in der Stadtverwaltung von Ma'alot-Tarshika mit Süßkram und Softdrinks erwartet. Ma'a-lot-Tarshika ist die verwal-tungsmäßige Zusammenle-gung einer jüdischen und ei-ner arabischen zu einer nun jüdisch-arabischen Stadt von mehr als 20.000 Einwohnern. Da sich die muslimischen und christlichen Araber, die die Mehrheit der Stadt bilden, nicht auf einen Kandidaten

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festlegen können, ist der Bür-germeister Jude, sein Stellver-treter, der mit uns spricht, christlicher Araber. Zusam-menfassend ist die eigentliche Aussage des Gesprächs, dass Juden, Christen und Muslime in dieser israelischen Stadt friedlich zusammenleben.

Dann besuchen wir das Offe-ne Museum im „Tefen Indus-triepark“. Leider bleibt mir der rote Faden bei den ausgestell-ten Autos, Skulpturen und der Glasmanufaktur verborgen, da sich Yuval mit Erklärungen zurückhält. Erst hinterher er-fahren wir, dass hier "saubere Industrie" (vorwiegend High-Tech) und Kunst zusammen-gehören. Ziel des Gründers des Industrieparks, des In-dustriellen Wertheimer, ist es, junge Firmen zu fördern und ihnen für die ersten fünf Jahre

ihrer Existenz die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Schließlich kehren wir zurück nach Karmiel zum größten Spielplatz der Stadt, wo wir schon von unseren Gastfami-lien erwartet werden. Abends werden wir in die Schwimm-halle und anschließend zu reichlich Pizza eingeladen.

Mittwoch, 3. Oktober – (Mara Erlenmaier)

Ich habe mich noch immer nicht an die extreme Gast-freundschaft in Karmiel ge-wöhnt. Am Morgen steht, wenn ich aufstehe, das Früh-stück schon bereit und meine

Gastschwester Naomi drückt mir eine dampfende Tasse Kaffee in die Hand. Ich fühle mich richtiggehend verwöhnt!

Naomi hat beschlossen, heute mitzukommen, da wir abends

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ein Theaterfestival in Akko besuchen werden.

Wir fahren, wie gewohnt, alle gemeinsam mit dem Bus los und machen uns auf den Weg zum Kibbuz Eshbal. Anders als die traditionell land-wirtschaftlichen und industriellen Kibbuzim lebt diese Gemein-schaft von der erziehe-rischen Arbeit: Es ist sozusagen ein Bil-dungskibbuz. Hierbei handelt es sich um eine Art Lehrerkommune, welche ein Internat sowie eine Schule für schwer erziehbare und integrierbare Kinder aufgebaut hat. Mithilfe von Kreativität, Pferden und der Möglichkeit des sozialen Engagements möchten die Kibbuzbewohner das Selbstwertgefühl und so-mit die Zukunftsperspektiven der Jugendlichen fördern.

Ich finde es sehr interessant, diese moderne Form einer sozialistischen Idee gelebt zu sehen, doch während das Projekt von den Deutschen sehr positiv aufgenommen wird, sind die meisten Israelis

sehr skeptisch, da ihnen we-sentliche Elemente eines Kib-buz fehlen.

Gegen Mittag fahren wir wei-ter nach Rosh Hanikra, den weißen Felsenhöhlen direkt an der libanesischen Grenze. Als wir ankommen, sind wir so beeindruckt von dem türkis-blauen Wasser, den gleißend weißen Felsen und einem Murmeltier ähnlichen Nager, dass wir beschließen, unsere Lunchpakete vor dieser Aus-sicht zu verzehren. Boris, ei-ner der Israelis, erklärt mir, dass man hier auf gar keinen Fall ins Wasser dürfe, da das Militär diese Stelle streng be-wacht, um ungewollte Grenz-übergänge zu verhindern.

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Rosh Hanikra ist ein Geflecht von Kalksteingrotten, die über Jahrtausende durch die Kraft des Meeres ge-schaffen wurden. Heute ist es hier leider extrem voll, so dass man die magische Stimmung der Höhlen nicht wirklich auskosten kann. Wenn nicht gerade Sukkot wäre, so erklärt mir Lev, könnte man den Wind in den Grotten heulen hö-ren und beobachten, wie das Wasser je nach Lichteinfall verschiedenste Muster auf die Wände wirft.

Etwas später fahren wir weiter nach Akko, einer wunder-schönen Hafenstadt mit klei-nen Gässchen und einem großen Markt. Hier werden noch schnell letzte Mitbringsel gekauft, während einige von uns dem Meer entgegen-laufen. Wir setzen uns auf einen Kai und essen unsere Falafel. Laute Popmusik von Touristenbooten mischt sich mit dem Gesang des Muezzin und der Himmel färbt sich gerade rosarot. Dieser Mo-

ment ist eigentlich zu kitschig, um wahr zu sein.

Als es dunkel wird, beginnt das Theaterfestival und die Straßen füllen sich mit Schaulustigen und Clowns. Schauspieler laufen als Blumen verkleidet durch die Menge. An jeder Ecke gibt es verschiedene Vorführungen und selbst ohne Hebräisch-Kenntnisse kann man viele davon gut verfolgen. Man kann sich einfach in der Menge von einem Stück zum nächsten treiben lassen.

Auf der Rückfahrt schlafen so gut wie alle. Die Sonne und die Menschenmassen haben uns ganz schön müde gemacht.

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Donnerstag, 04. Oktober – (Sophie Kundt)

Heute machen wir uns auf den Weg nach Haifa. Um 9 Uhr starten wir, wie jeden Morgen, von dem Parkplatz vor dem Rathaus und fahren etwa 40 Minuten Richtung Haifa. Schon auf dem Weg erklärt uns Judith, eine der Organisa-torinnen der Karmieler Grup-pe, einiges über unser nächs-tes Ziel: die hängenden Gär-ten der Bahai. Bahai ist eine weltweit verbreitete Religion, die auf den Religionsstifter Baha'ullah zurückgeht und ursprünglich aus dem Iran stammt.

Die hängenden Gärten der Bahai gelten als Friedens-

symbol und Ort der Ruhe in-mitten der Großstadt Haifa.

Der angelegte Garten und der dazugehörige Tempel befin-den sich auf dem Berg Kar-mel. Sie zusammen sind das weltweite Zentrum der Bahai- Religion.

Besichtigen kann man den Garten nur mit einem Tour-guide. Von der obersten Ter-rasse hat man einen guten Ausblick über die Stadt Haifa und ein bisschen unterhalb starten wir mit unserer Füh-rung. Welche Bedeutung der Tempel und der umliegende Garten haben, bleibt leider unklar, dafür werden wir aber über jegliche Blumen- bzw. Pflanzenarten und Blütezeiten

aufgeklärt. Trotzdem ist der angelegte Garten beeindru-ckend und man hat ja die schöne Aussicht auf Haifa.

Von dem Garten bringt uns unser Bus-fahrer ans Meer. Zum Glück gibt es an diesem Tag Wellen

und wir haben genügend Zeit, im Meer zu sein, am Strand zu

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liegen und all die Sachen zu machen, die man halt am Meer so machen kann.

Gegen Nachmittag geht es wieder zurück in das Zentrum Haifas.

Wir besuchen ein Straßenfest und wir alle freuen uns über die viele Musik, das viele Es-sen und die Tanzgruppen, die dort aufführen. Nachdem An-

nika noch mit ihren Feuerpois eine kleine Aufführung macht und Mara mit einer brasiliani-schen Tanzgruppe Kapoera

tanzen darf, sollen wir aber auch schon wieder zurück zu unserem Bus. Wir entschei-den dann aber zum Glück, mit Boris und den übrigen orts-

kundigen Karmielern noch länger dazublei-ben, und tanzen bis 23 Uhr zu brasilianischer Musik. Der Heimweg ist dann leider länger

als gedacht, da wir nun mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück nach Karmiel müssen. Nach fast zwei Stunden kom-men wir endlich an.

Freitag, 05. Oktober – (Till Becker)

Heute fahren wir zum See Genezareth. Hier am See gibt es viel zu sehen und so geht’s erstmal zu einer Kirche. Mar-tha beschreibt den Grund, warum hier eine Kirche steht,

recht passend mit „So ein Ding Jesus said gesegnet sind die so und so sind“. Was den Grund für den Kirchenbesuch klar macht: Jesus war hier.

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Weiter geht’s zur Brotvermehrungs-kirche. An dieser Stelle soll Jesus Brot und Fische gesegnet haben, so dass diese ausreichten, um 5.000 Menschen satt zu machen. Beeindruckend - und noch beeindruckender ist, dass auch hier eine große Kirche steht. Freundlicherweise bitten die Franziskaner auch gleich um eine Spende, um ihre zu klein gewordene Kirche erwei-tern zu können.

Aber mit Kirchen ist es für diesen Tag noch nicht genug. Die letzte christliche Station ist Kapernaum. Wir besuchen nicht die über „dem Haus von Simon Petrus“ errichtete Kir-che, sondern die heilige Stätte der christlich-orthodoxen Kir-che, an der ganz viele Pfauen und Tiere herumlaufen und ein wunderbar verwucherter Garten zum Ausruhen einlädt. Außerdem versteckt sich auf einer Terrasse ein Ausblick über den See Genezareth.

Um diesem Kir-chentrip etwas

entgegenzuset-zen, geht es nun zum Shoppen und Eisessen nach Tiberias. Hier ist zwar schon Nebensai-son, dafür gibt es

Eis für zwei Euro und Ge-räuschuntermalung vom Ha-fenhotel, das gerade sein Fit-nessprogramm für die Gäste durchführt.

Anschließend zeigt sich der See Genezareth von seiner besten Seite und lädt mit warmem Wasser zum Erholen ein.

Zurück im Bus riecht es nach KAUGUMMI?

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Samstag, 6. Oktober: – (Sophia Stegmann)

Unsere zweiwöchige Israelrei-se neigt sich dem traurigen Ende zu. Der letzte Tag wird von uns und unseren Gastge-schwistern nach Belieben sel-ber gestaltet und ein Teil un-serer Gruppe verabredet sich zum Humus Frühstücken und anschließendem Rafting in der Nähe des Jordan Rivers. Wir treffen uns vormittags in ei-nem kleinen Geheimtipp-Humusrestaurant und erleben mit dem frisch zubereiteten Humus das krönende Ge-schmackserlebnis unserer Reise.

Glücklich und mit vollem Ma-gen begeben wir uns auf die lange Autofahrt zu einem Freizeitpark. Dort angekom-men teilen wir uns in zwei Vierergruppen auf, die jeweils ein Schlauchboot besetzen. In gemütlichem Tempo trudeln wir den angenehm kühlen Fluss entlang, wobei von „Wildwassersport“ allerdings nicht die Rede sein kann, da sich das Boot nur in mittelmä-ßig schnellen Schlangenbah-nen fortbewegt und immer wieder gegen die Uferseiten

stupst. Langeweile kommt jedoch nicht auf, da sich das ruhige Tempo dazu anbietet, Nachbarboote zu kentern und die dazugehörige Besatzung nass zu spritzen. Nach die-sem kleinen Abenteuer geht es wieder zurück nach Kar-miel und es ist an der Zeit, Koffer zu packen und sich auf den Abschied vorzubereiten.

Abends trifft die gesamte Gruppe mit Gastgeschwistern, Reiseleitern und Organisato-ren zusammen und es werden Eindrücke, Erlebnisse und Meinungen ausgetauscht und festgehalten. Wir werden einer nach dem anderen befragt, was uns im Rückblick auf die Israelreise am besten gefallen bzw. was uns am meisten beeindruckt hat. Zudem disku-tieren wir, wie das Programm noch weiter verbessert wer-den kann. Anschließend wird viel Pizza gegessen und Unterhaltungen finden in klei-neren Grüppchen statt, bis es für uns wieder in die Gastfami-lien geht. Es folgt der große Abschied und wir bedanken uns für die Gastfreundlichkeit,

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die jedem von uns entgegen-gebracht wurde.

Spät am Abend bringt uns der kleine, nach rosa Kaugummi riechende Reisebus nach Tel Aviv zum Flughafen.

Unsere Gruppe hat sich in-nerhalb der zwei Wochen sehr liebgewonnen und der Ge-danke an eine plötzliche Trennung ist uns so unange-nehm, dass wir schon auf der Rückfahrt ein Nachtreffen ver-einbaren, das bereits zwei Tage später erfolgt.

Am Flughafen angekommen, erleben wir beim Check In eine sehr unangenehme, an-gespannte Sicherheitskontrol-le. Wir werden bezüglich un-seres Aufenthaltes befragt, unsere Pässe werden über-prüft und Mitglieder unserer Gruppe beiseite genommen. Die Atmosphäre ist sehr be-

klemmend und man hat das Gefühl, bei allem, was man sagt oder tut, verdächtigt oder zumindest beobachtet zu wer-den.

Es ist schon sehr spät, wir sind alle ziemlich müde und versuchen uns von dieser merkwürdigen Situation zu distanzieren, indem wir im Duty Free Bereich stöbern und unser letztes Geld für Süßigkeiten und Humus-Mitbringsel ausgeben.

Der Rückflug verläuft sicher und schneller, als uns lieb ist, befinden wir uns wieder im kalten, grauen Berlin.

Die Reise und vor allem auch die Gruppe war fantastisch und es gibt so viele tolle Erin-nerungen und Eindrücke, die wir niemals vergessen wer-den. Vielen Dank!

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Anmerkung zur Sicherheitskontrolle am Flughafen Ben Gurion

(Dieter Schneider)

Uns war der Sinn und Zweck der Sicherheitskontrolle beim Abflug – insbesondere auf einem israelischen Flughafen – durchaus be-wusst: Es geht um unsere eigene Sicherheit! Die Befragungen einzelner Gruppenteilnehmer/innen kreisten deshalb im Wesentli-chen darum, ob man aus "verdächtigen" Gebieten kommt, ob man Geschenke erhalten hat, deren Tragweite man u.U. selbst nicht real einschätzen kann, usw. Kurzum es soll sichergestellt werden, dass wir nicht durch eine Unbedachtheit unser Leben und das anderer aufs Spiel setzen.

Dennoch erzeugten das Warten in der Schlange, die gefühlten Verdächtigungen und die Machtpräsenz des Sicherheitspersonals eine Spannung, die über unsere Erwartungen hinausgingen und zum Abschluss dieser Reise nach der erlebten Gastfreundschaft leider sehr unangenehme Gefühle hervorrief. Die spontane Un-mutsäußerung einer Teilnehmerin nach ihrer Befragung zu einer Freundin in englischer Sprache - sie ist Britin - heizte schließlich die Situation noch an: Die Sicherheitsangestellte, die die Bemer-kung, die in ähnlicher Situation an jedem beliebigen Flughafen hätte fallen können, ebenso hörte, zischte in scharfem Ton: „Six Million!“, griff zum Funkgerät und informierte ihren Chef, der die junge Britin erneut zu sich rief und schließlich mir zu meiner Ver-blüffung empfahl, über unsere Vergangenheit nachzudenken.

Was hat die genervte Äußerung einer Jugendlichen mit dem Ho-locaust zu tun? Definieren israelische Sicherheitsangestellte sich und ihr Verhältnis zu Deutschland immer noch über den Holo-caust? Ich habe den Eindruck, hier wurden Vorurteile bedient, die der gegenseitigen Verständigung wenig dienlich sind.

Ich habe mich entschieden, diesen Vorfall in Berlin der israeli-schen Botschaft mitzuteilen. In einem Telefonat bedauerte der Abteilungsleiter, Herr G., die Reaktion des Sicherheitspersonals

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ausdrücklich, führte sie aber ebenso wie die Anlass gebende Äu-ßerung auf individuelle nervliche Beanspruchung der Beteiligten zurück.

Seine Einladung an uns zu einem Gespräch mit ihm über Aufga-ben der israelischen Botschaft und Ziele israelischer Politik wer-den wir sehr gerne annehmen. Impressum:

Herausgeber: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin - Abt. Jugend, Familie, Schule, Sport und Umwelt, - Jugendamt - [email protected] Fotos: Bilder der Gruppenteilnehmer/innen, 3 Internetfotos Auflage: 40 Exemplare Druck: Farbdigitaldruck Layout: Alle Gruppenteilnehmer/innen Redaktion: Alle Gruppenteilnehmer/innen