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Betrachtungsweisen von Bewegungen Bewegung von außen und von innen - Außenaspekt und Innenaspekt - Definitionen, Bewegung versus Motorik - Betrachtungsweisen (ganzheitlich, empirisch-analytisch, funktional) Morphologische Betrachtungsweise - Ansatz, drei Stufen der Bewegungsbeobachtung - allgemeine Grundstruktur (zykl. – azykl.), qualitative Bewegungsmerkmale Funktionsanalytische Betrachtungsweise - Ansatz der Aufgabenanalyse - ablaufrelevante Bezugsgrundlagen, Funktionsphasen Biomechanische Betrachtungsweise - Abgrenzungen (Mechanik, Kinematik, Dynamik) - Kinematik (räumliche und zeitliche Charakteristik) - Dynamik (Statik, Kinetik, Newton´sche Gesetze) - Biomechanische Prinzipien Handlungstheoretische Betrachtungsweise - Handlung als zielgerichteter komplexer Prozess - Grundstrukturen von Handlungen (3 bis 5 Phasen) Dr. Peter Wastl Institut f ür Sportwissenschaft Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Teilgebiete: B 3; C 2 Dr. P. Wastl Außen- und Innenaspekt der Bewegung 1. Außenaspekt – Standpunkt des objektiven Beobachters § Wie lässt sich eine Bewegung beschreiben? § Welche Bedeutung haben Bewegungen? § Welche mechanischen Voraussetzungen gibt es? 2. Innenaspekt – Standpunkt des Sportlers / der Sportlerin § Welche Steuerungs - und Regelungsprozesse laufen in dem sich bewegenden Sportler ab? § Welche Funktionsprozesse laufen in dem sich bewegenden Sportler ab? § Wie werden Bewegungen gelernt, gesteuert, reguliert?

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Betrachtungsweisen von Bewegungen

• Bewegung von außen und von innen- Außenaspekt und Innenaspekt- Definitionen, Bewegung versus Motorik- Betrachtungsweisen (ganzheitlich, empirisch-analytisch, funktional)

• Morphologische Betrachtungsweise - Ansatz, drei Stufen der Bewegungsbeobachtung- allgemeine Grundstruktur (zykl . – azykl .), qualitative Bewegungsmerkmale

• Funktionsanalytische Betrachtungsweise- Ansatz der Aufgabenanalyse- ablaufrelevante Bezugsgrundlagen, Funktionsphasen

• Biomechanische Betrachtungsweise- Abgrenzungen (Mechanik, Kinematik, Dynamik)- Kinematik (räumliche und zeitliche Charakteristik)- Dynamik (Statik, Kinetik, Newton´sche Gesetze)- Biomechanische Prinzipien

• Handlungstheoretische Betrachtungsweise- Handlung als zielgerichteter komplexer Prozess- Grundstrukturen von Handlungen (3 bis 5 Phasen)

Dr. Peter WastlInstitut f ür SportwissenschaftHeinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Teilgebiete: B 3; C 2

Dr. P. Wastl

Außen- und Innenaspekt der Bewegung

1. Außenaspekt – Standpunkt des objektiven Beobachters§ Wie lässt sich eine Bewegung beschreiben?§ Welche Bedeutung haben Bewegungen?§ Welche mechanischen Voraussetzungen gibt es?

2. Innenaspekt – Standpunkt des Sportlers / der Sportlerin§ Welche Steuerungs - und Regelungsprozesse laufen in dem sich

bewegenden Sportler ab?§ Welche Funktionsprozesse laufen in dem sich bewegenden Sportler ab?§ Wie werden Bewegungen gelernt, gesteuert, reguliert?

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Bewegung versus Motorik

MotorikBewegungSchnabel (1965)Meinel/Schnabel (1987)Grosser (1987)

MotorikFetz (1972, 1979)

Bewegung als ProzessBewegung als Produkt

Göhner (1992)

Bewegung ? MotorikMahrhold (1965)Gutewort/Pöhlmann (1966)

BewegungFetz/Ballreich (1974)Buytendijk (1956)

Bewegung = MotorikMeinel (1960, 1966)

InnenaspektAußenaspektBegriffsumfang------------------------------------------------------------------

Hauptvertreter

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Bewegung versus Motorik

Bewegung= Motorik

Motorik

Bewegung

Motorik

BewegungBewegung

Motorik

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Bewegung als Gegenstand der Bewegungslehre

(nach Olivier & Rockmann, 2003, S. 19)

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Bewegungslehre

Bewegungslehre des Sports

Sportliche Bewegung als Produkt Sportliche Bewegung als Prozess

Die Aufteilung der Gegenstandsbereiche der Bewegungslehre des Sports in mehrere Teilbereiche (nach Göhner 1992, 27)

Bewegungsaufgabe Bewegungslösung Einzelausführung Mehrfachausführung

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Bewegung - Definitionen

Die sportliche Bewegung ist eine Orts- und Positionsveränderung des menschlichen Körpers oder von Körperteilen in seiner Umgebung.

è Struktureller Phasencharakter(z. B. Vorbereitungs-, Haupt- und Endphase)

Die sportliche Bewegung ist ein zielgerichteter komplexer Prozesse .

è handlungstheoretischer Phasencharakter(Antriebs-, Orientierungs-, Entscheidungs-, Ausführungs-und Ergebnisphase)

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Bewegungen im Sport

Bewegungen betrachten, beobachten und bewerten• naiv vs. wissenschaftlich • unsystematisch vs. systematisch• ganzheitlich vs. empirisch-analytisch• von außen vs. von innen

Allen sportlichen Bewegungen sind zwei Aspekte gemeinsam:

1. Alle Bewegungen haben bestimmte vorgegebene Ziel- und Aufgabenstellungen

2. Alle Bewegungen gehen mit einer raum -zeitlichen Veränderung einher

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Dr. P. Wastl

Betrachtungsweisen von Bewegungen

Was ist eine sportliche Bewegung?

• von außen, von innen betrachtet-----------------------------------------------------------------------

• ganzheitlich (zusammenhängend) betrachtet

• empirisch-analytisch (zergliedernd) betrachtet

• funktional (aufgabenbezogen) betrachtet

Wie kann ich eine sportliche Bewegung beschreiben und analysieren?

Betrachtungsweisen sportlicher Bewegungen

Dr. P. Wastl

Außensicht Innensicht

MorphologieSystemdynamisch ...Konnektionismus ...

... ganzheitliche Betrachtungsweisen ...

Biomechanik

Anatomisch-physiologisch

Fähigkeits-orientiert

... empirisch-analytische Betrachtungsweisen ...

Funktions-analysen

... funktionale Betrachtungsweisen ...

Informationsver-arbeitung....

Handlungs-theorien

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Meinel sche Bewegungslehre

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Morphologie als ganzheitliche Betrachtungsweisevon Bewegungen

Ausgangssituation:• sportliche Bewegung unter „pädagogischem Aspekt“• Gebiete:

1. Merkmale sportlicher Bewegungsabläufe2. Bewegungsentwicklung (Ontogenese)3. Motorisches Lernen

... geht zurück auf MEINEL (1960)

Morphologischer Ansatz:• Prinzip der ganzheitlichen Bewegungsbetrachtung• subjektbezogen• Funktionalität und Intentionalität der Bewegungshandlungen• pädagogisch ausgerichtet• „die Sprache der Praktiker“

Dr. P. Wastl

Bewegungslehre als Lehrdisziplin

Meinel sche Bewegungslehre

• Grundlagen für die Lehrpraxis der Sportlehrer, Übungsleiter und Trainer

• äußere Gestalt = morphologische Betrachtungsweise

• „Bewegungssehen“è Analyse - Beurteilung - Anweisung

• „Qualitative“ Bewegungsmerkmale

(Meinel & Schnabel, 1960-1998)

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3 Stufen der Bewegungsbeobachtung

Morphologische Betrachtungsweise

1. Stufe: Erkennen der allgemeinen Grundstruktur der Bewegung (zyklisch, azyklisch, kombiniert)

3. Stufe: Erkennen der elementaren qualitativen Merkmaleder Bewegungsaufgabe (Präzision, Konstanz, Fluss, Umfang, Stärke, Tempo)

2. Stufe: Erkennen der dynamischen Bewegungsaufgabe(Bewegungsrhythmus und Bewegungskopplung)

Dr. P. Wastl

Zusammenhang zwischen verschiedenen Merkmalen der Meinel schen Bewegungsbeobachtung

StärkeTempo Umfang

Bewegungskopplung: mechanisch- physi -kalische Sichtweise, Kraft- Zeit-Parameter

zyklisch azyklisch kombiniert

FlussGenauigkeitKonstanz

Bewegungsrhythmus:biologisch-energe-tische Sichtweise

Raum-Zeit-Parameter als allgemeine Grundstruktur

1. Schritt 2. Schritt 3.Schritt

Morphologische Betrachtungsweise

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Erste Stufe der Analyse:

Allgemeine Grundstruktur sportmotorischer Bewegungen

Im Prinzip besteht jede einzelneBewegungsaufgabe aus drei oder zwei Phasen:

• Vorbereitungsphase → Hauptphase → Endphasebei azyklischen Bewegungen

• Zwischenphase → Hauptphase → Zwischenphasebei zyklischen Bewegungen

Die Bewegungsphasen gehen meist ineinander über, die Übergänge der Phasen sind fließend.

Morphologische Betrachtungsweise

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a) azyklische BewegungsaufgabenHandstand, Handstützüberschlag, Weitsprung, Weitwurf,...

Phasenstruktur der Bewegung

b) zyklische BewegungsaufgabenLeichtathletischer Sprint, Brust-, Kraul-, Delphintechnik beim Schwimmen

c) kombinierte Bewegungsaufgaben- Felgaufschwung → Felgumschwung → Unterschwung zum Stand am Reck - Handballspiel: Tempogegenstoß → TW wirft langen Paß zum sich

freilaufenden AL → dieser fängt & dribbelt & wirft mit Sprungwurf auf das Tor

- Tanz- oder Gymnastikkür

Morphologische Betrachtungsweise

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Azyklische Bewegungen

• Das Bewegungsziel wird durch eine einmalige Aktionerreicht

• Die Reihenfolge der Bewegungen ist nicht umkehrbar

• Es lassen sich Vorbereitungs-, Haupt-, und Endphaseunterscheiden

Morphologische Betrachtungsweise

Dr. P. Wastl

Grundstruktur azyklischer Bewegungen:

w Vorbereitungsphase (Auftakt)Zunächst müssen günstige Voraussetzungen für das Lösen der Bewegungsaufgabe geschaffen werden (Gegenbewegung zur Hauptbewegungsrichtung)

w Hauptphase (Akzent)In der Hauptphase wird die eigentliche Bewegungsaufgabe gelöst.

w Endphase (Abfangen/Abtakt)Zum Abschluss muss der Körper wieder in eine Gleichgewichtsposition gebracht bzw. abgebremst werden

Morphologische Betrachtungsweise

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Phasenstruktur azyklischer Bewegungen und ihre Relation:

Morphologische Betrachtungsweise

(Olivier & Rockmann, 2003, S. 76; modif. nach Schnabel, 1998a, S. 83)

Dr. P. Wastl

Beziehungen der azyklischen Bewegungsphasen zueinander

Zweckrelationen: Funktionen der einzelnen Phasenw Lösung der eigentlichen Aufgabew günstige Winkelverhältnisse schaffenw Einleiten einer neuen Bewegungw optimaler Beschleunigungswegw Bewegungsimpuls schaffen w optimale Anfangskraft

Morphologische Betrachtungsweise

Beispiele

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Beispiel:Kugelstoßen (Standstoß)

Beispiel:Spannstoß Fußball

Morphologische Betrachtungsweise

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Der Bewegungsablauf wiederholt sich mehrfach. Dabei fällt die Endphase des vorhergehenden Zyklus mit der Vorbereitungsphase des folgenden zusammen.Insofern haben wir hier eine zweiphasige Bewegung: Hauptphase -Zwischenphase

Zyklische Bewegungen

Morphologische Betrachtungsweise

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Dr. P. Wastl

Unterarten der zyklischen Bewegungen

a) symmetrisch (nicht-alternierende): Rudern, Sackhüpfen

b) alternierend: Laufen, Gehen, Fahrradfahren, Kraul-schwimmen (kontinuierlicher Antrieb)

c) asynchron alternierend: Diagonalschritt im Skilanglauf, Brustschwimmen, Kraulschwimmen (Arme: links-rechts, Beine: 3er-Rhythmus)

Morphologische Betrachtungsweise

Dr. P. Wastl

Bewegungskombinationen

Sukzessivkombination:Kombination von zwei oder mehreren Bewegungsakten (Fangen und Werfen, Turnübungen, Verbindung Lauf und Sprung, Sprung und Pass)

• Umdeuten der Endphase als Vorbereitungsphase (Antizipation!)

• Verschmelzen ungleichartiger Bewegungen

• Nur bei gleichrangigen Aufgaben

Morphologische Betrachtungsweise

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Bewegungskombinationen

Simultankombination:

gleichzeitige Ausführung, Lokomotionsbewegung mit Erteilung Bewegungsimpuls (Fangen und Werfen im Lauf, Hindernislauf …)

Beispiel: Hindernistechnik und Hürdentechnik als kombinierte zyklische Bewegungen

Morphologische Betrachtungsweise

Dr. P. Wastl

Anwendung für die Lehr- und Übungspraxis

Gehe immer aus von der

aufgabenbezogenen allgemeinen Grundstruktur,

d.h. von den drei Grundelementen eines Bewegungsaktes und den zwischen ihnen bestehenden Beziehungen!

Morphologische Betrachtungsweise

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Zweite Stufe der Analyse:

Dynamik der Bewegungsaufgabe:Kraft-Zeitstruktur der Bewegungen

(1) Bewegungsrhythmus:zeitliche Dynamik des Kräfteeinsatzes sowie für Anspannung und Entspannung von Muskelgruppen.

(2) Bewegungskopplung:absichtlich gesteuerte Übertragung von Impulsen im System der menschlichen "Gliederkette".

Morphologische Betrachtungsweise

Dr. P. Wastl

è Rhythmus ist Ausdruck für die zeitliche Dynamik des Kräfteeinsatzes sowie für Anspannung und Entspannung von Muskelgruppen.

è Rhythmus kennzeichnet die dynamisch-zeitliche Gliederung der Kraftakzente.

Beispiel aus dem Skifahren:Kurzschwünge: Hopp - Hopp - Hopp - Hopp -

Bewegungsrhythmus

Morphologische Betrachtungsweise

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Bewegungsrhythmus: Lehr- und Übungspraxis

Morphologische Betrachtungsweise

(1) Lehrender: Bestimmung des anzustrebenden Rhythmusmusters(Höhepunkt Krafteinsatz, Entspannungsphasen, Wechsel der Bewegungsrichtung, Schrittgestaltung, Arm-Beinkoordination, Zeittakt von Zykluswiederholungen)

(2) Lernender: Aufnehmen und Erfassen des Bewegungsrhythmus

(3) Vermittlung:- optischer Zugang – Hervorheben (Demo, Video)- akustischer Zugang – Sprechweise, Instrumente- taktil- kinästhetischer Zugang – „Erfühlen“ der Struktur, Wechsel

Spannung und EntspannungErarbeiten der Bewegungsrhythmen im gesamten Lehr- und Lernprozess:- Fehler erfassen durch ideomotorisches Nachvollziehen- Einsatz der Sprache und akustischer Hilfsmittel (Rhythmusgeber,

Metronom, Musik)- Gruppenrhythmus erfahren (Skilauf, Tänze, Mannschaftserw ärmung)

Dr. P. Wastl

Bewegungskopplung

Morphologische Betrachtungsweise

Absichtlich gesteuerte Übertragung von Impulsen im System der menschlichen "Gliederkette"

Analyse nach Kraft-Zeit-Parametern

1. Phänomenologischer Ansatz: proximal - distal

2. Biomechanischer Ansatz:Vier Prinzipien nach Wiemann (1979)- optimaler Beschleunigungsweg- maximale Anfangskraft- Koordination von Teilimpulsen- Kinetion und Modulation

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Bewegungskopplung

Morphologische Betrachtungsweise

(1) Phasenverschiebung – Phasenbeginn zu unterschiedlichen ZeitpunktenBeispiele: Speerwurf, Delphinschwimmen u. a.

(2) Schwungübertragung – Schwungbewegung der Arme oder Beine, das Abbremsen der Muskeln der schwingenden Extremitäten überträgt die Bewegung …Beispiele: Schwungbein- oder Schwungarmeinsatz beim Springen, Knieumschwung am Reck u. a.

Zwei Variationen der Bewegungskopplung:

Dr. P. Wastl

Dritte Stufe der Analyse:

Elementare qualitative Merkmale der Bewegungsaufgabe

Morphologische Betrachtungsweise

(1) Fluss = Kontinuität im Bewegungsverlauf

(2) Genauigkeit= Übereinstimmung von Plan und Ergebnis

(3) Konstanz= Wiederholungsgenauigkeit

(4) Stärke = Krafteinsatz

(5) Tempo = Schnelligkeit

(6) Umfang= räumliche Ausdehnung

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Dr. P. Wastl

Morphologische Betrachtungsweise

(1) Fluss – Merkmal der Kontinuität im Bewegungsverlaufräumlich – rund, kurvig, eckigzeitlich – allm ählich, nicht plötzlich, nicht sprunghaft dynamisch – fließend, nicht abrupt im KraftverlaufObjektivierung in Weg-, Weg-Zeit, Kraft-Zeitverläufen(Turnübung, Schwungbewegungen, Schwimmen)

(2) Genauigkeit – Übereinstimmung von Plan und ErgebnisTreffgenauigkeit, Ablaufgenauigkeit(Boxen, Fechten, Sportspiele)

(3) Konstanz – Merkmal der WiederholungsgenauigkeitGleichm äßigkeit zyklischer oder azyklischer BewegungenBewegungskombinationenObjektivierbar: Standardabweichung, Variabilitätskoeffizient(Schwimmen, Wurf-, Stoß-, Sprungbewegungen, Golf)

Dritte Stufe der Analyse:

Elementare qualitative Merkmale der Bewegungsaufgabe

Dr. P. Wastl

Morphologische Betrachtungsweise

Dritte Stufe der Analyse:

Elementare qualitative Merkmale der Bewegungsaufgabe

(4) Stärke – Merkmal des KrafteinsatzesSchärfe beim Wurf, Stärke bzgl. Absprungimpuls Objektivierung durch dynamographische und elektromyografischeVerfahren

(5) Tempo – Merkmal der SchnelligkeitBewegungsgeschwindigkeiten und FrequenzenObjektivierung durch vergleichende Beobachtung, Kinemetrie

(6) Umfang – Merkmal der räumlichen AusdehnungOptimum durch die Bewegungsaufgabe vorgegeben (Schrittlänge, Weite des Brustbeinschlags)Objektivierung durch vergleichende Beobachtung, Kinemetrie

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Betrachtungsweisen sportlicher Bewegungen

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Außensicht Innensicht

MorphologieSystemdynamisch ...Konnektionismus ...

... Ganzheitliche Betrachtungsweisen ...

Biomechanik

Anatomisch-physiologisch

Fähigkeits-orientiert

... empirisch-analytische Betrachtungsweisen ...

Funktions-analysen

... funktionale Betrachtungsweisen ...

Informationsver-arbeitung....

Handlungs-theorien

Dr. P. Wastl

Funktionale Bewegungsanalyseals funktionale (aufgabenbezogene) Betrachtungsweisevon Bewegungen

Funktionale Bewegungsanalyse

Ausgangssituation:Alle Bewegungsveränderungen haben eine Funktion (Aufgabe/ Bedeutung) bzgl. eines Zieles einer Aufgabe

Methode der funktionalen BWA:… ist die Aufgabenanalyse äußerlich sichtbarer Produkte: Bewegungsaufgaben werden in Teile, Abschnitte, Phasen, Unteraufgaben zerlegt, um den Lernprozess kontrollieren zu können

Bewegungsanalyse als Lehrstoffanalyse oder desLehrstoff-Aufgabenbezuges („Wozu“):

è der zu lernenden Sacheè des zu lehrenden Stoffes

.. geht zurück auf GÖHNER (1979)

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Funktionale Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Aufgabenanalyse sportlicher Bewegungen

Ziel der Lehrstoffanalysen ist das Aufgliedern der Techniksollwerte in einzelne Bestandteile

Kriterium ist die Benennung von Funktionen,d. h. abgrenzbare Abschnitte (Funktionsphasen)

Funktionale Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Aufgabenanalyse sportlicher Bewegungen

(1) Klassifikation von Aufgaben nach allgemeinen MerkmalenAblaufrelevante Bezugsgrundlagen:

a) Bewegungsziele b) Movendumattribute

c) Bewegerattributed) Umgebungsbedingungen e) Regelbedingungen

(2) Funktionsphasenanalyse als Ablaufanalyse undStrukturanalyse

a) Gliederung der Bewegungsabläufe in funktionale Verlaufsbestandteile (Prozess)

b) Funktionale Bewegungseigenschaften (Struktur)

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Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

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(nach Göhner, 1979, S. 71)

(1) Klassifikation von Aufgaben nach allgemeinen Merkmalen

Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

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BewegungszieleAufgaben im Sport enthalten eine Zielstellung, die vor allem durch die Bewegungen vorgegeben wird.

(1) elementar und situationsspezifische Ziele… beziehen sich auf die Situation selbst.

(2) situations-unspezifische Ziele…dabei geht es um die Verbesserung, die Erhaltung oder die Wieder-herstellung der Belastbarkeit bzw. der motorischen Eigenschaften, bestimmter psychischer Befindlichkeiten oder sozialer Verhaltens weisen

Vergleichsziele… Überbietung, Erstellung einer Rangordnung, Wettkampf (schneller, weiter, höher)

Erreichungsziele… Erreichen einer möglichst optimalen Bewegungsausführung, spannende, schwierige oder schöne Bewegungsabfolgen

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Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

(1) elementare und situationsspezifische Bewegungsziele im Sport

(nach Göhner, 1979)

è Schwierigkeitssteigerung (Eiskunstlaufen)

è Fehlerminimierung (Turnen)

è Distanzmaximierung (Weitsprung, Speerwurf)Vergleichsziele

è Trefferoptimierung (Fechten)

è Zeitminimierung (Sprint, Schwimmen)

è Form (Tanz)

è Fertigkeit (Akrobatik)Erreichungsziele

è Erhaltung (Surfen, Skateboard)

resultatorientiert ó verlaufsorientiert

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Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

(1) elementare und situationsspezifische Bewegungsziele im Sport

(nach Göhner, 1979, S. 86)

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Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

(2) situations-unspezifische Bewegungsziele im Sport

Fairness, HilfestellungErhaltung sozialer Verhaltensweisen

Freude, WohlbefindenAktualisierung psychischer Befindlichkeiten

Fitness, KonditionWiederherstellung, Erhaltung oder Verbesserung dermotorischen Belastbarkeit

(nach Göhner, 1979)

Dr. P. Wastl

Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

MovendumattributeDie Erreichung eines Bewegungsziels ist stets an der raum-zeitlichen Veränderung von materiellen Gr ößen festgemacht („der Ball ins Tor“, der Springer über die Latte“ ...).

Eigenschaften des zu bewegenden Objektes

passiv-reaktiv aktiv-reaktiv aktiv sich selbsbewegend

z. B. Ball, Speer, Kugel, Frisby …

z. B. Judo, Ringen, Tennis …

z. B. Schwimmer, Läufer, Radfahrer …

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Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

BewegerattributeDas Movendum wird im Sport stets durch einen Sportler, d. h. durch einen Menschen bewegt. Demnach gibt es Merkmale des Bewegers, die bei der Aufgabenlösung von Bedeutung sind.

Göhner unterscheidet jedoch nur ganz allgemeine, äußerliche Attribute wie (a) Partner und (b) Instrumente. Keine Klassifikation nach Geschlecht, Alter, Gewicht, Handicap, Leistungsniveau, etc.

Tennisspieler, Handballspieler BoxerFechter

Tennis-DoppelTrampolin-SynchronEiskunstläufer

BogenschützeBiathlet, Triathlet Orientierungsläufer Nordic-WalkerRadfahrer, Inliner

mit

RingerJudoka

Tanzgruppe, Tanzpaar Akrobat

Langläufer, Walker Schwimmer

ohne

gegen Partnermit Partnerohne PartnerInstrument

Instrumentell-unterstützt – partnerunterstützt – gegnerbehinderte Beweger

Dr. P. Wastl

Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

Umgebungsbedingungen (Bewegungsraum)Bewegungsaufgaben im Sport werden unter ganz bestimmten Umgebungsbedingungen realisiert.

(a) typische UmgebungssituationenWasser-, Luft-, Winter-, Bergsport (→ Natur) und Technik

„out door“ vs. „in door“

(b) Aufgabenschwierigkeit 1) neutrale (Plätze, Hallen, Felder)2) unterstützende (parabolisch geformte Tenniswand)3) behindernde Bedingungen (Eskimotieren im Wildwasser)

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Dr. P. Wastl

Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

RegelbedingungenDas Erreichen eines Bewegungsziels ist im Sport an bestimmte Regelbedingungen gebunden.

Für jede Sportart gibt es Regeln und Wettkampfvorschriften

Man unterscheidet:

(a) Konstitutive resp. konstituierende (notwendige) und

(b) regulative (den Ablauf regelnde, veränderbare) Regeln.

Konstituierende Regeln erfassen: Ziele (Spielidee), Beweger, Movendum .

Regulative Regeln: Erlaubte sowie verbotene Operationen und Sanktionen.

Dr. P. Wastl

Ablaufrelevante Bezugsgrundlagen

Zusammenfassung:

Bewegungsziel, Movendumbedingungen,Bewegungssystem (Personengruppe, erlaubte vs. verbotene Operationen):konstitutive, regulative Regeln

Regelbedingungen

Natur, Technik; Komplexität (Aufgabenschwierigkeit)Umgebungsbedigungen

instrumentell-unterstützend, partner-unterstützend, gegner-behindernd (direkt-indirekt)

Bewegerattribute

passiv -reaktiv, aktiv-reaktiv, aktiv sich selbst bewegendMovendumattribute

Klasse I: elementar & situationsspezifischresultatorientiert - verlaufsorientiert - Kombination (Treffer/Zeit/Distanz), Fehler, Schwierigkeit

Klasse II: situations-unspezifisch (Wiederherstellung …)

Bewegungsziele

Variation der ablaufrelevanten Bezugsgrundlagena) … um das Erlernen einer sportlichen Bewegung zu vereinfachenb) … um spezielle technische Elemente zu trainierenBeachte: Transferproblem

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Funktionsphasenanalyse

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Folgende Fragen gehen auf den Kern einer funktionalen Bewegungsanalyse ein:

è Welche Bewegungsaufgabe ist zu lösen (Aufgabenanalyse, Typ)?

è Welche Funktionsphasen lassen sich bestimmen(1. und 2. Schritt der Ablaufanalyse)?

è Durch welche Aktionen können die Funktionen erfüllt werden (3. Schritt der Ablaufanalyse)?

è Welche besonderen Merkmale sind sonst noch zu beachten (individuelle Voraussetzung)?

(2) Funktionsphasenanalyse als Ablaufanalyse undStrukturanalyse

a) Gliederung der Bewegungsabläufe in funktionale Verlaufsbestandteile (Prozess)

b) Funktionale Bewegungseigenschaften (Struktur)

Hierarchie der Bewegungsausführung

Dr. P. Wastl

3. vor

1. vor

2. vor

Üb./End

Üb./End

Üb./End

Hauptphase (simultan)

Meinels Ablaufanalyse

Vorphase Hauptphase Endphase

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Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

1) Ablaufanalyse (deduktiv) - Prozessanalyse

Phaseneinteilung nach Haupt- und HilfsfunktionenBeschreibung der Hauptfunktionen bzgl. der Ziele

2) Strukturanalyse (deduktiv) - Prozessmomente

Kennzeichnung der Hilfsfunktionena) Vorbereitung der Hauptfunktionenb) Unterstützung der Hauptfunktion (simultan)c) Überleitung zur nächsten Hauptfunktion oder Beendigung

3) Genaue Beschreibung und Unterteilung der Phasen inAktionseinheiten (induktiv) Detailanalyse :

→ Positionen, Raumlagen, zeitliche Sukzessionen, Impulsverlagerungen, ...

Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

Hauptfunktionsphasen (HP)

Aktionen übernehmen in dieser Phase keine Hilfsfunktion für andere abgelaufene, noch folgende oder simultan ablaufende Aktionen, um das Bewegungsziel zu erreichen.

Sie repräsentiert das Wesentliche, den Kern (resp. den Knotenpunkt) der Fertigkeit.

Wird die HP weggelassen, ersetzt oder umgestaltet, dann wird die Fertigkeit in ihrem Wesen verändert. Die HP hat eine unmittelbare, die Hilfsfunktionsphasen haben eine mittelbare Funktion bzgl. des Bewegungsziels.

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Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

(nach Göhner, 1979, S. 184-193)

Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

Beispiel: Phasenstruktur Felgumschwung vorlings rückwärts am Reck

1a Erste einleitende Funktionsphase:Im Stütz vorlings: Hüftbeugung – Füße und Schultern gehen nach vorn

1b Zweite einleitende FunktionsphaseEnergische Hüftstreckung mit Abfedern von der Reckstange – Rückschwingen des Körpers mit leichter Schulterverlagerung nach vorn (Gleichgewicht)

2 Überleitende FunktionsphaseRückverlagerung der Schultern – beginnendes Heranschwingen des Körpers an die Reckstange

3 HauptfunktionsphaseVollständiges Heranziehen der Hüfte an die Reckstange, leichtes Hüftbeugen –weiteres Zurückführen der Schultern (aktive Drehung)

4 Aussteuernde FunktionsphaseWirken lassen des Drehimpulses und Beginn der bremsenden Hüftstreckung (die unter Umständen schon in der Hauptfunktionsphase beginnen kann) – Einnehmen der Endstellung (Stütz vorlings)

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Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

Beispiel: Kraulschwimmen

Phasenstruktur (bezogen auf den rechten Arm)

w Zwischenphase (a-c)a) Ausheben des Armsb) Vorschwingenc) Eintauchen

w Hauptphase (d-f)d) Wasser fassene) Zugf) Abdruck

Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

Beispiel: Skilauf: Ablaufanalyse in drei Schritten

Erster Schritt

Phaseneinteilung nach groben Merkmalen(a) Hauptfunktionsphase → Ziel: Richtungsänderung im Skifahren;

Aktion: Drehen und Kanten

(b) Hilfsfunktionsphase: Entlastung, Stockeinsatz ...

Zweiter Schritt

Unterscheidung der Hilfsfunktionsphasen nach Besonderheiten, um konkrete Anweisungen für Operationen geben zu können → Strukturanalyse

a) Unterstützende HFP simultan1. direkte Unterstützung: Rumpfeinsatz „Seitfallen“2. indirekte Unterstützung: bei der Schrägfahrt eines Skianfängers rät man:

"Oberkörper talwärts neigen". Dadurch wird der Kantengriff der Skier an der Bergseite verbessert. Man rutscht nicht mehr talwärts.

b) Überleitende HFPBeschreibung wie bei Meinel/Schnabel: Ruhelage od. neue Bewegungen werden vorbereitet.

Dritter SchrittDetailanalyse: Weitere Unterteilung der Phasen in Aktionseinheiten

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Funktionsphasenanalyse

Dr. P. Wastl

Beispiel: Skilauf:

Betrachtungsweisen sportlicher Bewegungen

Dr. P. Wastl

Außensicht Innensicht

MorphologieSystemdynamisch ...Konnektionismus ...

... ganzheitliche Betrachtungsweisen ...

Biomechanik

Anatomisch-physiologisch

Fähigkeits-orientiert

... empirisch-analytische Betrachtungsweisen ...

Funktions-analysen

... funktionale Betrachtungsweisen ...

Informationsver-arbeitung....

Handlungs-theorien

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Dr. P. Wastl

Biomechanische Bewegungsanalyseals empirisch-analytische Betrachtungsweisevon Bewegungen

Biomechanische Bewegungsanalyse

Biomechanik des Sports:... die Wissenschaft von der mechanischen Beschreibung und Erklärung der Erscheinungen und Ursachen von Bewegungen im Sport unter Zugrunde-legung der Bedingungen des Organismus.

(WILLIMCZIK 1999)

Methodischer Ansatz:... Zerlegung von beobachtbaren Bewegungen in einzelne quantitative Merkmale, zu deren Erfassung kinematographische und dynamographischeMessverfahren eingesetzt werden (= empirisch-analytische Denkweise)

(ROTH/WILLIMCZIK 1999)

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Ausdifferenzierung der Biomechanik des Sports

è LeistiungsbiomechanikTechnikanalyse und TechnikoptimierungBeispiel: Erklärung der Sprungweite beim Weitspringen

è Anthropometrische BiomechanikEignungsdiagnose und LeistungsprognoseBeispiel: Körperbaumerkmale

è Präventive BiomechanikBelastungsanalyse und BelastungsgestaltungBeispiel: Hebetechniken

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31

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Erscheinungen von Bewegungenraum-zeitliche Charakterisierung von Bewegungen

Ursachen von BewegungenUntersuchung der Kräfte, die der Bewegung zugrunde liegen

MECHANIK

KINEMATIK DYNAMIK

StatikGleichgewichtder Kräfte

KinetikBeschleunigungder Kräfte

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Erscheinungen von Bewegungenraum-zeitliche Charakterisierung von Bewegungen

MECHANIK

KINEMATIK

… also Ortsveränderungen von Körpern bzw. Körperpunkten in der Zeit, wobei Körpermasse und angreifende bzw. zugrunde liegende Kräfte unbe-rücksichtigt bleiben

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Biomechanische Bewegungsanalyse

Erscheinungen von Bewegungenraum-zeitliche Charakterisierung von Bewegungen

MECHANIK

KINEMATIKBewegungsarten

Translation Rotation

Räumliche Charakteristik

Zeitliche Charakteristik

Bewegungsarten

gleichförmig ungleichförmig

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

KINEMATIK Räumliche Charakteristik der Bewegung

Bewegungsarten

FortschreitendeBewegung

êTranslation

DrehendeBewegung

êRotation

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Biomechanische Bewegungsanalyse

Translation und Rotation

Translation… fortschreitende Bewegung aller Punkte eines Körpers um dieselbe Streckenlänge auf geraden oder gekrümmten Bahnen

Rotation… um eine Drehachse bzw. einen Dreh-punkt, wobei der Drehpunkt auch außer-halb des Körpers (z. B. Riesenfelge am Reck) liegen kann.

Translation und Rotation… bei den meisten Bewegungen kommen Translationen und Rotationen gleichzeitig vor bzw. überlagern sich

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

KINEMATIK Zeitliche Charakteristik der Bewegung

Bewegungsarten

gleichförmigeBewegungê

v = konstanta = null

ungleichförmigeBewegungê

v = variabel

Gleichmäßig beschleu-nigte Bewegung

êa = konstant

ungleichmäßig be-schleunigte Bewegung

êa = variabel

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Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Ursachen von BewegungenUntersuchung der Kräfte, die der Bewegung zugrunde liegen

MECHANIK

DYNAMIK

StatikGleichgewichtder Kräfte

KinetikBeschleunigungder Kräfte

... erklärt die wirklichen Bewegungen eines Körpers unter Berücksichtigung der Körpermasse und der Wirkung von Kräften.

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Newton´sche Gesetze bzw. Axiome

Newton (1643 – 1727) begründete die klassische Mechanik

Axiome entsprechen der beobachtbaren Wirklichkeit.... sie sind nicht beweisbar, sondern nur aus der Wirklichkeit bzw. aus dem physikalischen Experiment verifizierbar... aus ihnen können durch rein logisches Schließen weitere Aussagen hergeleitet werden

Drei hauptsächliche Axiome:

• Trägheitssatz

• Beschleunigungssatz

• Gegenwirkungssatz

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Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

1. Newton´schesGesetz = Trägheitssatz

... besagt, dass jeder Körper im Zustand der Ruhe oder einer gleichförmig gradlinigen Bewegung verharrt, wenn er nicht durch von außen wirkende Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern.

... damit ist die Trägheit eines Körpers gemeint, die wiederum durch seine Masse bestimmt wird.

... je größer die Masse eines Körpers, desto größer ist seine Trägheit und desto größer muss die einwirkende Kraft sein, um seinen Zu-stand nachhaltig zu ändern.

... es wird eine Beziehung zwischen der einwirkenden Kraft und der Massedes Körpers hergestellt.

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

2. Newton´schesGesetz = Beschleunigungssatz

... besagt, dass die Änderung der Bewegung der einwirkenden Kraft proportional ist und in der Richtung derjenigen geraden Linie verläuft, in der die äußere Kraft wirkt.

Kraft = Masse x Beschleunigungm x a (kg x m/s2 bzw. N)

Grundgesetz der Mechanik

... es wird eine Beziehung zwischen der einwirkenden Kraft und der an dem Körper erzielten Beschleunigung hergestellt.

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Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

3. Newton´schesGesetz = Gegenwirkungssatz

... besagt, dass die Kraftwirkungen zweier Körper aufeinander stets gleich groß und von entgegengesetzter Richtung sind.

actio = reactio

... die Kraftwirkungen eines Körpers auf einen anderen und sich selbst sind immer gleich groß und von entgegengesetzter Richtung.

... es wird eine Beziehung zwischen den einwirkenden Kräften und den Massen zweier Körper hergestellt

Biomechanische Bewegungsanalyse

Dr. P. Wastl

Kräfte, die in sportlichen Bewegungen auftreten

... am Äußeren des Körpers gemessen

... im Inneren des Körpers entstehen, bedingt durch die Hebelverhältnisse oft weitaus höhere Kräfte

ca. 6.000 bis 10.000 NJudoFall nach einem Wurf

1.337 N1.793 N1.650 Nca. 2.400 N

Dreisprung HopStep

JumpHochsprung

ca. 4.500 N (bis zum 8-fachen KG)ca. 2.000 Nca. 1.700 Nca. 900 N

Landung beim HürdenschrittBeschleunigungsphase SprintJoggingGehen

ca. 3.000 N (2-4-fache Gewichtskraft)ca. 4.000 N (bis zur 5-fachen Gewichtskraft)

Einfacher HockstrecksprungAbsprungLandung

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Biomechanische Prinzipien

Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit sportlicher Techniken sind Kriterien erforderlich, die anhand des zeitlichen Verlaufs mechanischer Parameter eine entsprechende Bewertung des Bewegungsablaufs erlauben.

Im deutschen Sprachraum besonders bekannt sind die als biomechanische Prinzipien von Hochmuth (1969, 1981) eingeführten Kriterien.

… allgemeine Aussagen über die Zweckmäßigkeit sportlicher Bewegungen

Heftige Diskussion um deren Geltungsbereich.

Biomechanische Prinzipien

Dr. P. Wastl

Allgemeine Aussagen über die Zweckmäßigkeit sportlicher Bewegungen

Sie enthalten „die allgemeinsten Erkenntnisse über das rationale Ausnutzen der mechanischen Gesetze bei sportlichen Bewegungen. Sie stellen gewissermaßen die auf die Bewegungen des Menschen angewandten mechanischen Gesetze unter einer bestimmten Zielsetzung dar“

(Hochmuth, 1967, S. 187)

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Biomechanische Prinzipien

Dr. P. Wastl

Bei sportlichen Bewegungen gelten mechanische Gesetze unter Berücksichtigung biologischer Besonderheiten des menschlichen Körpers.

Physikalische Begriffe wie Kraft, Masse, Tr ägheit, Geschwindigkeit etc. sind bei der Beschreibung auch sportlicher Bewegung erforderlich.

Biologische Grundlagen sind durch die Struktur und Funktion des passiven Bewegungsapparates vorgegeben:

• Abmessungen und Eigenschaften von Knochen, Sehnen, Bändern

• Freiheitsgrade der Bewegung in den Gelenken • mechanische Eigenschaften der Muskeln in den verschiedenen

Arbeitszuständen

Biomechanische Prinzipien

Dr. P. Wastl

Man unterscheidet 6 Biomechanische Prinzipien:

(1) Prinzip der Anfangskraft

(2) Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges

(3) Prinzip der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf

(4) Prinzip der zeitlichen Koordination von Teilimpulsen

(5) Prinzip der Impulserhaltung

(6) Prinzip der Gegenwirkung

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Biomechanische Prinzipien

Dr. P. Wastl

Prinzip 1

Prinzip der maximalen Anfangskraft

Eine Körperbewegung, mit der ein großer Kraftstoß erreicht werden soll, ist durch eine entgegengesetzt gerichtete Bewegung einzuleiten.

Durch das Abbremsen der Gegenbewegung ist zu Beginn der Zielbewegung bereits eine positive Kraft (Anfangskraft) für die Beschleunigung vorhanden. Dieses vergrößert den Kraftstoß, wenn Brems- und Beschleunigungskraftstoß dabei in einem optimalen Verhältnis stehen.

Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Prinzip 2

Prinzip des optimalen Beschleunigungswegs

Soll im Laufe einer sportmotorischen Fertigkeit der Körper des Sportlers oder eines Sportgerätes auf eine hohe Endgeschwindigkeit gebracht werden, muss der Beschleunigungsweg eine optimale Länge haben und geradlinig oder stetig gekrümmt sein.

Bei Körperbewegungen, mit denen eine möglichst hohe Endge-schwindigkeit erreicht werden soll, ist ein optimal langer Beschleunigungsweg auszunutzen.

Dabei soll der geometrische Verlauf des Beschleunigungsweges gradlinig oder stetig gekrümmt sein.

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Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Prinzip 3

Prinzip der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf

Die größten Beschleunigungskräfte sollen am Anfang der Beschleunigungsphase wirksam werden, wenn es darum geht, schnellstmöglich hohe Kräfte zu entwickeln (Bsp. Boxen).

Sollen hohe Endgeschwindigkeiten erreicht werden, liegen die größten Beschleunigungen am Ende des Beschleunigungsweges(Beispiel leichtathletische Wurfdisziplinen).

Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Prinzip 4

Prinzip der zeitlichen Koordination von Teilimpulsen

Bei sportlichen Sprüngen vergrößern die Schwungbewegungen den Absprung-Kraftstoß, indem ihre reaktive Wirkung die Zeitdauer des Kraftstoßes der Beinstreckung verlängert

Das Ziel heißt: Schwungübertragung:Durch plötzlich abgebremste Ausholbewegungen wird Energie nicht vernichtet, sondern in einer Gliederkette weitergeleitet.----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Bei vielen sportlichen Bewegungen ist es möglich, den Gesamtimpuls durch das Hintereinanderschalten mehrerer Einzelimpulse zu erhöhen.Wesentlich ist dabei, dass der Impuls durch Abbremsung von einem Körperteil auf ein anderes übertragen werden kann.Dabei sollen die Beschleunigungsmaxima der Körperteile zeitlich nacheinander auftreten ...

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Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Prinzip 5

Prinzip der Impulserhaltung

Das Prinzip der Impulserhaltung beruht auf dem Drehimpuls-erhaltungssatz. Danach bleibt der Drehimpuls einer Bewegung konstant, wenn keine äußeren Kräfte wirken.

Diese Gesetzmäßigkeit erlaubt einem Sportler die aktive Kontrolleseiner Drehgeschwindigkeit.

Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Prinzip 6

Prinzip der Gegenwirkung (und des Drehrückstoßes)

Das Prinzip der Gegenwirkung besagt, dass bei Bewegung im freien Fall oder Flug die Bewegung einzelner Körperteile notwendigerweise die Gegenbewegung anderer Körperteile zur Folge hat.

Dieses beruht auf dem dritten Newtonschen Gesetz („actio et reactio“).

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Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

Kritische Anmerkungen

Die Prinzipien basieren ausdrücklich auf mechanischen Über-legungen, schließen dabei in ihre Aussagen die mechanische Erscheinung der biologisch bedingten Sachverhalte, die sich in den Bewegungsabläufen widerspiegeln, mit ein, ohne jedoch die biologische Begründung dafür angeben zu können".

Die Allgemeingültigkeit sämtlicher Prinzipien wird durch sportart-spezifische Bedingungen eingeschränkt, was dem Charakter eines Prinzips widerspricht. Mit diesen Prinzipien - soweit es sich nicht um mechanische Gesetze handelt - konkurrierende Kriterien schränken die Anwendbarkeit dieser Art von Prinzipien weiter ein.

Dr. P. Wastl

Biomechanische Prinzipien

„Die dargestellten Prinzipien sind bei kritischer Anwendung hilfreiche Leitlinien bei der Beurteilung sportlicher Techniken.

Prinzipien im strengen Sinne allgemeingültiger Grundsätze sind es nicht. Die biologischen Charakteristiken fehlen vollständig."

(Baumann, in: Willimczik 1989, S.98)

Kritische Anmerkungen

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Betrachtungsweisen sportlicher Bewegungen

Dr. P. Wastl

Außensicht Innensicht

MorphologieSystemdynamisch ...Konnektionismus ...

... ganzheitliche Betrachtungsweisen ...

Biomechanik

Anatomisch-physiologisch

Fähigkeits-orientiert

... empirisch-analytische Betrachtungsweisen ...

Funktions-analysen

... funktionale Betrachtungsweisen ...

Informationsver-arbeitung....

Handlungs-theorien

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Handlung

Als Handlung bezeichnet man Verhaltensweisen bzw. deren Ergebnis, denen eine Intention zugeschrieben wird.Durch sie erscheint eine Handlung als sinnhaft, ziel- oder zweckorientiert, aus (bewussten oder unbe-wussten) Motiven oder Antrieben gewollt.

Der Hinweis auf eine Intention ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber bloßem Ver-halten.

(RÖTHIG 1992)

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Die sportliche Bewegung ist ein zielgerichteter komplexer Prozess.è handlungstheoretischer Phasencharakter

(Antriebs-, Orientierungs-, Entscheidungs-, Ausführungs- und Ergebnisphase)

Die funktionsanalytischen Betrachtungen des Produktbereichs der Bewegung werden durch Erklärungsmodelle für den Prozessbereich ergänzt (= innere Funktionsanalyse).è Dem Ziel wird ebenso wie bei der äußeren Funktions-

analyse eine größere Bedeutung zugeschrieben.è hinzu kommt die Reflexion der Realisierungs-

bedingungen einer Bewegung

Handlungstheorie

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Zielorientierung:è ein Bewegungsvollzug wird stets bewusst durchgeführt und ver-

folgt einen bestimmten Zweck, nämlich die Bewältigung einer Bewegungsaufgabe

Komplexität:è eine Bewegung setzt sich zusammen aus:

- physikalischen, anatomischen und energetischen Bedingungen- physiologischen und psychisch-kognitiven Steuerungs- und

Regelungsvorgängen

Prozess:è eine Bewegung zeichnet sich durch einen Phasencharakter und

ständige Rückmeldungen über die einzelnen Handlungsschritte und Handlungsresultate aus

Zielgerichteter komplexer Prozess

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Kriterien einer Handlung

• ausgehend von einem Subjekt

• Beziehung zwischen Subjekt und Umwelt

• Komplexer Prozess

• Ziel- und Zweckgerichtetheit

• Ideelle Vorwegnahme von Handlungsverlauf und

Handlungsergebnissen

• Kontrolle und Bewertung der Handlungsergebnisse

• Soziale Determiniertheit (Kommunikation/Kooperation)

Sich Bewegen als Beziehung betrachtet = Bewegungshandeln

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Sportliche Bewegungen als Handlung

… sind demzufolge„komplexe psycho-physische Wirkungsgefüge, die sich aus einem Prozess ständiger Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt ergeben“

(WILLIMCZIK/ROTH 1983)

Handlungstheoriensind letztendlich Erklärungsmodellefür den Prozessbereich der Bewegung, d.h. für die innere Organisation menschlicher Aktivitäten.

(GROSSER u.a. 1987)

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Erklärungsmodelle - Handlungstheorien

Unterschiedliche handlungstheoretische Ansätze:

• Unterscheidung in drei bis fünf Phasen

• Zeitliche und funktionale Strukturen einer HandlungTriadische Grundstruktur: Antizipieren – Realisieren -Interpretieren (NITSCH 1986)

Funktionale Struktur: Antrieb – Orientierung – Entscheidung -Ausführung - Bewertung (BAUMANN u.a. 1984)

Rubikon-Modell: Wählen und Entscheiden – Planen und Abschirmen – Ausführen – Bewerten (HECKHAUSEN 1989)

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Zeitliche Struktur einer Handlung

• Handlungsvorbereitung (Antizipationsphase): Zielsetzung, Planung, Kalkulation, Programmbildung

• Handlungsvollzug (Realisationsphase): Bewegungsteil, Motorische Realisation der Handlung, Regulation

• Handlungskontrolle (Interpretationsphase): Soll-Ist-Wert-Vergleich, Bewertung, Kontrolle, Korrektur, Evaluation

Triadische Grundstruktur: Antizipieren – Realisieren - Interpretieren

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Das Drei-Phasen-Modell des Bewegungshandelns:vereinfacht nach NITSCH 1986

AntizipationPlanung

á âKalkulation

RealisationProzessregulationá â

Basisregulation

InterpretationKontrolle

á âEvaluation

ObjektiveHandlungsbedingungen

subjektiveHandlungsbedingungen

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Triadische Grundstruktur:

Antizipationsphase• die geplante Bewegung wird gedanklich durchgespielt• in „Kalkulationsprozessen“ werden Person, Umwelt und Aufgaben-

faktoren auf ihre situationsspezifische Bedeutung geprüft• in „Planungsprozessen“ werden Bewegungsentwürfe erstellt

Realisationsphase• die geplante Bewegung wird ausgeführt• der prozessuale Ablauf entsteht durch eine serielle Folge einzelner

Teilziel-Intervalle• Die einzelnen Teilziele (z.B. Anlauf, Absprung ...) werden nacheinander

abgerufen

Interpretationsphase• Ist-Sollwert-Vergleich zwischen den erwarteten und den tatsächlich

eingetretenen Handlungsfolgen• Verlauf und Effekt der Handlung werden subjektiv bewertet

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Funktionale Struktur einer Handlung:

Antriebsteil:Motivation, Emotion, Volition

Orientierungsteil:Perzeption, Kognition

Ausführungsteil:Koordination, Kondition

Bewertungsteil:Rückinformation, Interpretation

Entscheidungsteil:Kognition, Initiierung

emotionale Ebene

kognitive Ebene

sensomotorische Ebene

(BAUMANN/REIM 1984)

Dr. P. Wastl

Prozesse während der Bewegungshandlung

Antriebs-teil

Orientie-rungsteil

Entschei-dungsteil

Ausfüh-rungsteil

Ergebnis-teil

Kognitive Prozesse auf der Grundlage der Fähigkeiten: Informationen differenziert aufzunehmen, sich zu orientieren, gespeicherte Kennt-nisse und Erfahrungen abzurufen und zu verwerten

Motivationsprozesse / emotionale Prozesse(im Zusammenhang mit Erlebnisfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Entschlusskraft, Willensausdauer, Beharrlichkeit, Funktionslust)

Handlungs-planerstellunganhand äuße-rer und innerer Gegebenheiten

Abruf des erstellten Handlungs-plans

Ausführungsregula-tion bei gleichen bzw. geänderten äußeren und inne-ren situativenGegebenheiten

Gedankliche Beurteilung und emotionale Be-wertung der Handlung

Steuerungs- und Regelungsprozesse zur Bewegungsausführung auf der Grundlage von koordinativen und konditionellen Fähigkeiten

BAUMANN/REIM 1984

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Beispiel Skilaufen/Snowboarden:

... reizvoller Hang - Einschätzung eigener Fähigkeiten - leistungsmotiviert -Freude auf die bevorstehende Abfahrt è Antriebsteil

... Wahrnehmung der situativen Gegebenheiten (Schnee- und Gelände-verhältnisse) – Routen- bzw. Spurplan unter Einschätzung des eigenen Fahrkönnens è Orientierungsteil

... Entscheidung für einen Handlungsplan è Entscheidungsteil

... Abfahrt – Aufmerksamkeit auf äußere Vorgänge (Schnee, Gelände, andere Fahrer ...) – Aufmerksamkeit auf innere Vor-gänge (Ermüdungserscheinungen ...) – dementsprechend Steuerung der Bewegungshandlungen è Ausfürungsteil

... Beurteilung der eigenen Fahrt ggf. über das „Spurbild“ – even-tuell Antrieb zu einer weiteren Fahrt ... è Bewertungsteil

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Rubikon-Modell

Motivation

WählenEntscheiden

PrädezisionalePhase

Volition

PlanenAbschirmen

PräaktionalePhase

R

U

B

I

K

O

N

Volition

Ausführen

AktionalePhase

Motivation

Bewerten

PostaktionalePhase

Intentions-Bildung

ê

Intentions-Initiierung

ê

Intentions-Desaktivierung

ê

(HECKHAUSEN 1989)

Intentions-Realisierung

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Rubikon-Modell:

1. Phase (Wählen und Entscheiden)

Funktionale Zielbezüge= Handlungs-Ergebnis-Erwartungen• Mit welcher Wahrscheinlichkeit kann mit der Handlung in der

gegebenen Situation das angestrebte Resultat erreicht werden?• Beispiel: „Führt der Torschuss zum Erfolg?

Instrumentelle Zielbezüge= Ergebnis-Folge-Erwartungen• Selbst- oder Fremdbewertung (Glück bzw. Lob)• zukünftige Folgen ...

Normative Sinnbezüge= Vereinbarkeit mit gesellschaftlichen Werthirarchien

... ob man etwas bestimmtes tut (z.B. Torschuss)

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Rubikon-Modell:

2. Phase (Planen und Abschirmen)

Planungsprozesse• Einzelne Planelemente als Knotenpunkte• Handlungspläne weisen eine hierarchisch-sequentielle

Organisationsstruktur auf (Bsp.: komplexe Spielhandlung)

... wann man etwas bestimmtes tut (z.B. Torschuss)

... wie die Realisierung genau aussehen soll

Abschirmungsprozesse• Abschirmung der Zielintentionen gegenüber konkurrierenden

Intentionen

... Entschluss für den Ausführungsbeginn („jetzt“)

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Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Rubikon-Modell:

3. Phase (Ausführen)

Prozessregulation• nach dem Regelkreisprinzip• Willkürmotorik

... dass man etwas tut (z. B. Torschuss)

Basisregulation• keine Willkürmotorik• Wachheitsgrad, allgemeine Aufmerksamkeit

Dr. P. Wastl

Handlungstheoretische Betrachtungsweise

Rubikon-Modell:

4. Phase (Bewerten)

Evaluationsprozesse• Operativer Mittelbezug (War der Handlungsplan ausreichend,

situativangemessen oder verbesserungsbedürftig?)• Funktionaler Zielbezug (War das Ziel überhaupt erreichbar oder

vielleicht zu niedrig angesetzt?)• Instrumenteller Zielbezug (Hat das Ergebnis zu dem erwarteten

Effekt geführt?)

• Normativer Sinnbezug (Wird der Wert oder der Nutzen der Ergebnisse so erlebt, wie er eingeschätzt wurde?)

... Blick zurück und nach vorne