Betriebliche Altersversorgung: Vorsorge mit Potenzial. · 2016. 10. 21. · Vorsorge mit Potenzial...
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Betriebliche Altersversorgung: Vorsorge mit Potenzial.
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Inhaltsverzeichnis Zur Sache:
Verschmähte Chancen ��������������������������������������������������������������������������������������������������4
Gesprächsrunde:
Vorsorge mit Potenzial ���������������������������������������������������������������������������������������������������6
Meinung:
Bewertung von Pensionsverpflichtungen: Aller guten Dinge sind drei ���������������������������11
Bei der Betriebsrente sind Ideen gefragt ����������������������������������������������������������������������19
Chancen zur Reform vertan? ���������������������������������������������������������������������������������������20
Wir brauchen einen rechtssicheren Rahmen ���������������������������������������������������������������26
Fakten:
Moderne bAV-Produkte - warum Garantie nicht alles ist �����������������������������������������������22
Die „neue Klassik“ in der betrieblichen Altersversorgung ���������������������������������������������24
Schlusspunkt:
Betriebsrenten brauchen einen Neustart ���������������������������������������������������������������������28
Impressum �����������������������������������������������������������������������������������������������������������������30
IM FOkUS
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 3
15 Jahre nach der letzten Reform des Betriebsrentengesetzes ist die
Luft raus aus der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Der bevor-
stehende Neustart ist dringend notwendig, denn bei der bAV handelt
es sich um die attraktivste Form der Altersvorsorge, deren Potenzi-
ale noch zu großen Teile gehoben werden müssen.
Die optimistische Bilanz besagt, dass rund 60 Prozent der Be-
schäftigten in Deutschland über Anwartschaften aus der be-
trieblichen Altersversorgung verfügen. Diese Zahl wird geschönt
durch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Legt man je-
doch nur die Arbeitnehmer zugrunde, dann kann nur die Hälfte
in Zukunft auf Leistungen aus einer Betriebsrente hoffen. Aber
auch das beschönigt die Lage. Denn unter den vier Millionen Be-
schäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) haben
2,8 Millionen bisher keine Anwartschaften.
Dort liegt das Problem, das Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften
und Versicherungswirtschaft erkannt haben. Unterschiedliche
Meinung bestehen dahingehend, woran es liegt, dass die bAV-
Verbreitung trotz aller Fortschritte seit der letzten Betriebsrenten-
reform im Jahr 2002 jetzt stagniert. Die meisten Marktteilnehmer
sind sich darüber einig, dass vor allem mangelnde Informationen
und sogar falsche Informationen zu einem großen Teil dafür ver-
antwortlich sind, dass die bAV nicht auf breitere Zustimmung
stößt. Diese Defizite sind sowohl auf Seiten der Arbeitgeber als
auch der Arbeitnehmer zu finden. So geben Arbeitnehmer häu-
fig an, kein Geld für einen bAV-Beitrag erübrigen zu können. In
das gleiche Horn stoßen Arbeitgeber, die Kostenbelastungen gel-
tend machen. Dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer
mit der bAV Lohnsteuern beziehungsweise Sozialbeiträge sparen
und damit die bAV aufwandsneutral gestalten können, scheint
in weiten Teilen der Wirtschaft nicht angekommen zu sein. Au-
ßerdem muss man davon ausgehen, dass das seit 2002 verbriefte
Recht auf Entgeltumwandlung entweder nicht bekannt ist oder
ignoriert wird.
Das ist gleich in mehrerer Hinsicht erstaunlich. Den Deutschen
geht normalerweise der Ruf voraus, dass sie sich die Nutzung
einer Steuerersparnis nicht entgehen lassen. Bei der bAV tun sie
es. Für die deutschen Sparer steht Sicherheit im Mittelpunkt, die
bAV ist sicher. Die Haftung der Arbeitgeber steht auf dem Papier,
die Versicherungswirtschaft nimmt sie ihnen faktisch ab. Und
was den Ertrag betrifft, so lohnt sich die bAV auch dann noch,
wenn die Rendite bei der Anlage null Prozent beträgt, der Brutto-
Netto-Effekt macht es möglich.
Arbeitnehmer wollen Sicherheit
Die Erwartungen der Arbeitnehmer an die bAV sind vor allem
vom Sicherheitsgedanken geprägt. „Die Garantien in der betrieb-
lichen Altersversorgung sollten so bleiben wie sie sind. Ich neh-
ZUR SACHE
4 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Verschmähte Chancen
men in Kauf, dass meine Renditechancen dadurch in der Regel
geringer ausfallen, dafür aber gesichert sind.“ Dieser Meinung
sind sieben von zehn Arbeitnehmern, so das Ergebnis einer Be-
fragung durch das Deutsche Institut für Altersvorsorge. Nur 32
Prozent der Befragten wären bereit, zugunsten einer möglichst
hohen Rendite auf einen Teil der Beitragsgarantien zu verzichten,
selbst auf die Gefahr hin, dass die künftigen Rentenansprüche bei
schlechten Kapitalmarktbedingungen sinken könnten.
Wie auch in der privaten Rentenversicherung sowie bei geförder-
ten Altersvorsorgeprodukten haben alternative Produkte die bAV
erreicht. Denn angesichts der unter dem Einfluss der Zinskrise
sinkenden Erträge und der bevorstehenden erneuten Absenkung
des Rechnungszinses ist mit konventionellen Deckungsstockver-
sicherungen nicht mehr zu gewinnen. Namhafte Lebensversi-
cherer sind aus der klassischen Produktwelt schon ausgestiegen.
Folglich spielen auch in der bAV Hybridprodukte und Indexpoli-
cen eine zunehmende Rolle. Ob dieser Konstrukte der bAV neue
Impulse verleihen können, bleibt abzuwarten. Zwar ergeben sich
aus ihnen theoretisch höhere Renditechancen, weil die Anleger
über einen Index an der Kapi-
talmarktentwicklung beteiligt
werden. Doch es geht lediglich
um die Anlage der Überschüsse,
auch bei Indexpolicen fließt der
Sparbeitrag in den klassischen Deckungsstock des Versicherers.
Was die Sicherheit betrifft, so kommen diese Produkte mit der
Bruttobeitragsgarantie, dem Ausschluss von Verlusten aus der
Indexpartizipation und dem Sicherungsverfahren für die erziel-
ten Erträge den Wünschen der Anleger entgegen. Doch weil die
Konstruktion der Hybrid- und Indexprodukte je nach Anbieter
– Rentenfaktoren, Schlussüberschusszahlungen, Indizes, Partizi-
pationsquoten, Kappungsgrenzen, Indexstichtage – sehr unter-
schiedlich ist, leidet die Transparenz. Die Hybrid- und Indexpro-
dukte sind kaum mehr vergleichbar.
Unabhängige Vermittler sehen Chancen
Für die Vermittler hat die Bedeutung der bAV in den vergangenen
Jahren zugenommen. Für 57 Prozent der Makler spielt sie eine
große bis sehr große Rolle, so die jüngste Studie „Asscompact
Award – Betriebliche Altersversorgung 2016“. Was die Zukunft
der bAV betrifft, so sind viele Vermittler optimistisch. 41 Prozent
erwarten einen Anstieg der Courtage-Einnahmen, 36 Prozent
rechnen mit gleichbleibenden Einnahmen. Auch in der Fünfjah-
resprognose rechnen die meisten Makler mit einer großen oder
sehr großen Rolle der bAV in ihrem Geschäft.
Die Versicherer haben in jüngster Zeit viel in die bAV investiert.
Dies zeigt sich auch im Urteil der Makler. Für sie sind bei der Di-
rektversicherung die Allianz, Volkswohl-Bund und Alte Leipziger
die beliebtesten Anbieter. Bei der Unterstützungskasse sind dies
ebenfalls die Allianz, die Nürnberger und die Alte Leipziger. Vor
einigen Wochen hat das Institut für Vorsorge und Finanzplanung
die Kompetenz der Versicherer in der betrieblichen Altersver-
sorgung untersucht. Neun von 29 Rating-Teilnehmern erhielten
die Höchstbewertung mit fünf Sternen, weitere elf verfehlten die
Höchstnote nur knapp. Hans Pfeifer
ZUR SACHE
Quellen: GDV, Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2016
Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung (Bestandsverträge in Millionen)2002 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Direktversicherungen 5,38 6,75 7,11 7,41 7,53 7,64 7,74
Rückdeckungsversicherungen 1,80 2,76 2,86 2,99 3,06 3,17 3,28
Pensionskassen 0,45 3,38 3,50 3,61 3,66 3,72 3,75
Pensionsfonds 0,02 0,32 0,34 0,46 0,49 0,51 0,53
Gesamt 8,1 13,2 13,8 14,5 14,7 15,0 15,3
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 5
Vorsorge mit Potenzial
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist eine tragende Säule der Altersvorsorge in
Deutschland. Seit der Novellierung des Betriebsrentengesetzes im Jahr 2002 ist die bAV
in Deutschland gut vorangekommen. Dass heute rund die Hälfte der Arbeitnehmer über
einen Betriebsrentenanwartschaft verfügt, ist ein Erfolg. Unübersehbar ist aber auch,
dass die Dynamik bei der Verbreitung der bAV so gut wie zum Erliegen gekommen ist.
Vor allem in kleinen und mittleren Betrieben kommt die Verbreitung zu schwer voran.
Das ist umso bedauerlicher, als die bAV für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur Vorteile
hat. Auch in der Zinskrise ist die bAV Dank des Brutto-Netto-Effekts lohnend.
Die Betriebsrente steht vor einem weiteren Reformschritt. Portfolio international disku-
tierte mit Experten aus Versicherungen und Vertrieb darüber, was die bessere Verbreitung
von betrieblichen Versorgungssystemen hemmt, welche Veränderungen der bAV neuen
Schwung verleihen können und worauf es bei der Betriebsrentenreform ankommt
Im Bild zu sehen von links nach rechts:
Rudolf Enßlen, Makler
Dr. Stefanie Alt, Leiterin Produkt- und Marktmanagement Leben der Nürnberger Versicherung
Fabian von Löbbecke, Vorsitzender des Vorstands der Talanx Pensionsmanagement AGI
Uwe Buchem, Mercer Deutschland GmbH, Head of Retirement Central Europe und Partner
Hans Pfeifer, Ressortleiter Vorsorge und Versicherung portfolio international
GESPRÄCHSRUNDE
6 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
>
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 7
IM FOKUS: Fast 15 Jahre nach der letzten
Reform des Betriebsrentengesetzes stag-
niert die betriebliche Altersversorgung
(bAV). Unstrittig ist unter allen Beteilig-
ten, dass bei kleinen und mittleren Unter-
nehmen (KMU) die Durchdringung am
geringsten ist. Strittig ist, woran es liegt.
Da reichen die Meinungen von: „Arbeit-
nehmer haben kein Geld“ über „Arbeit-
geber stören sich an der Haftung“ bis hin
zu „Die ganze Sache ist zu bürokratisch“.
Worin besteht aus Ihrer Sicht das Kern-
problem bei der bAV?
Dr. Alt: Im Grunde haben Sie die Ursachen
schon genannt. Für die Arbeitnehmer ist
zunächst die Finanzierbarkeit ein zent-
rales Kriterium. Darüber hinaus werden
die durchaus komplexen Rahmenbedin-
gungen der bAV häufig nicht richtig ver-
standen und damit die Vorteile der bAV
im Vergleich zu anderen Vorsorgeformen
verkannt. Viele Arbeitnehmer bewegt die
Frage, ob die bAV im Rentenalter auf die
Grundsicherung angerechnet wird und ob
ein Engagement unter diesem Blickwin-
kel überhaupt lohnt. Für die Arbeitgeber
stellt sich vor allem die Frage, ob sie die
bAV mit einem vertretbaren Aufwand
verwalten können. Vor dem Hintergrund
der Gutachten, die durch die Bundesregie-
rung eingeholt wurden, stellt sich so man-
cher Arbeitgeber auch die Frage, wie die
neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen
für die bAV aussehen werden.
von Löbbecke: Wir haben in der Vermitt-
lung auch das Problem der Komplexität
der bAV sowie der mangelnden Informa-
tion. Viele Menschen wissen gar nicht,
was sie mit der betrieblichen Altersver-
sorgung konkret gewinnen können, wel-
che Gestaltungsmöglichkeiten sie haben.
Und wir haben ein regulatives Thema,
weil die Betriebsrente zum einen auf die
Grundsicherung angerechnet wird und
zum anderen der vollen Beitragspflicht in
der Kranken- und Pflegeversicherung un-
terliegt. Das spricht sich herum in den Be-
legschaften und verhindert, dass die Ver-
breitung der bAV in dem Maße erfolgt,
wie es angemessen wäre.
IM FOKUS: Was ist der Hauptgrund für
die Informationsdefizite?
von Löbbecke: Ob es einen Hauptgrund
gibt, weiß ich nicht. Der Rechtsanspruch
auf Entgeltumwandlung steht schon seit
2002 im Gesetz. Ich wette, dass immer
noch ganz viele Menschen das nicht wis-
sen, geschweige denn, dass sie wissen,
wie man ihn beim Arbeitgeber einfordern
kann. Ich glaube auch, dass viele Arbeit-
geber nicht genau wissen, was betriebli-
che Altersversorgung im Detail eigentlich
darstellt, wie einfach es sein kann, wie
komplex es aber auch manchmal sein
kann. Ich glaube, dass da auf beiden Sei-
ten viel Unsicherheit herrscht. Es ist un-
sere Aufgabe, hier zu vermitteln und die
Vermittler zu unterstützen.
Buchem: Wenn wir über die kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU) sprechen,
dann reden wir ja über 99,5 Prozent der
Unternehmen in Deutschland. Es gibt nur
knapp 12,5 Tausend Unternehmen, die
mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen
und 3,6 Millionen, die weniger beschäf-
tigen. Allerdings entfallen nahezu 50 Pro-
zent der sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten auf die Großunternehmen. In
rund 3,3 Millionen Kleinstunternehmen
mit weniger als zehn Mitarbeitern haben
von rund vier Millionen Beschäftigen nur
30 Prozent einen Betriebsrentenanspruch,
bleiben also knapp 2,8 Millionen, die kei-
nen haben. Es ist offensichtlich, dass bei
zwei bis drei Mitarbeitern im Unterneh-
men oftmals der Aufwand für die Imple-
mentierung der bAV einfach zu hoch ist.
Darüber hinaus stimme ich der Aussage
zu, dass in KMU das Informationsdefizit
das Hauptproblem darstellt. Natürlich
spielen auch die Kostensituation sowie
eine erhöhte Fluktuation, insbesondere
in vielen Dienstleistungsbereichen, eine
Rolle.
Aber ich denke, es ist auch zu einfach,
wenn wir immer nur auf die kleinen Un-
ternehmen schauen. In vielen großen Un-
ternehmen wurden Versorgungssysteme
für neue Mitarbeiter geschlossen. Davon
ist durchaus eine große Anzahl von Mit-
arbeitern betroffen. Da sind die Gründe
nur andere: Kosten, Planbarkeit der Kos-
ten et cetera. Alles zusammen führt dazu,
dass momentan 50 Prozent der Beschäf-
tigten in der privaten Wirtschaft keinen
Anspruch auf eine Altersversorgung ha-
ben.
8 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
IM FOKUS: Herr Enßlen, wie sehen Sie
das aus der vertrieblichen Praxis?
Enßlen: Ich bin hauptsächlich in Betrie-
ben mit weniger als 100 Mitarbeiter tätig.
Dort besteht häufig das Problem, dass
ich keinen Ansprechpartner finde, weder
der Geschäftsführer noch der Buchhal-
ter wollen sich mit dem Thema bAV be-
schäftigen. Ein weiteres Problem sind die
sogenannten Uhu-Verträge, das sind die
unter-hundert-Euro-Verträge, die Leute
glauben, dass sie schon einen bAV-Ver-
trag haben und wollen sich nicht weiter
damit beschäftigen. Die Verbreiterung
der Betriebsrente im Unternehmen nutzt
allein wenig, wenn es dabei nicht gelingt,
das Bewusstsein dafür zu wecken, dass
die Leistungen auskömmlich sein müssen.
Da es die Dynamik bei der Beitragsbemes-
sungsgrenze (BBG) nicht von Anfang an
gegeben hat, habe ich über mehrere Jahre
massive Anstrengungen unternommen,
um alle Bestandsverträge nach § 3 Nr. 63
Einkommensteuergesetz auf die förder-
fähige Grenze von vier Prozent anzuhe-
ben und mit BBG-Dynamik auszustatten,
damit bei diesen Verträgen in Zukunft
immer automatisch der Höchstbetrag
umgewandelt wird. Ich kann aus dieser
Erfahrung sagen, dass das sehr schwer ist.
Die Leute fühlen sich geradezu belästigt,
wenn ich ihnen vorschlage, ihre Einzah-
lungen zu erhöhen, damit sie nicht auf die
Förderung verzichten. Oftmals denken die
Beschäftigten, ich wolle ihnen etwas weg-
nehmen. Im Bewusstsein vieler Arbeitneh-
mer sind die Vorteile des Brutto-Netto-
Effekts bei der bAV, unabhängig davon,
ob der Arbeitgeber etwas beisteuert oder
nicht, noch nicht angekommen.
Und ich habe genauso viele Anstrengun-
gen unternommen, dass Arbeitgeber zu-
mindest den größten Teil der ersparten
Sozialversicherungsanteile als Beitragszu-
schuss weitergeben. Ich habe ein Konzept
entwickelt, bei dem durch die additive
Nutzung der Durchführungswege – vier
Prozent Direktversicherung und vier Pro-
zent Unterstützungskasse – ein hohes Ein-
sparpotential für die Arbeitgeber entsteht.
Diese Ersparnis können Arbeitgeber als
freiwilligen Beitragszuschuss weitergeben.
Aber trotzdem war es nicht möglich, eine
Teilnahmequote von mehr als 25 Prozent
zu erreichen, was für mich völlig unver-
ständlich ist.
IM FOKUS: Die Versicherer behaupten,
die bAV sei ein wirksames Mittel, um
wertvolle Arbeitskräfte zu gewinnen und
zu binden. Ich habe den Verdacht, das
kommt gar nicht an. Ist das so?
Buchem: Das ist schon ein sehr valides Ar-
gument. Wir stellen ja fest, dass viele Un-
ternehmen es nicht schaffen, ihre Ausbil-
dungsplätze zu besetzen. Wir sehen auch,
GESPRÄCHSRUNDE
„Das Argument der sinkenden Renditen infolge der Nied-
rigzinsphase sticht nicht wirklich. Selbst wenn wir eine
Nullverzinsung unterstellen, bleibt immer noch ein syste-
mischer Vorteil der bAV von ungefähr 20 Prozent.“
Fabian von Löbbecke, HDI
dass einige Branchen händeringend nach
Fachkräften suchen. Zweifelsohne ist die
bAV immer noch der attraktivste Benefit
für die Unternehmen, auch aus Sicht der
Mitarbeiter. Die bAV ist attraktiver als
Firmenwagen oder Gesundheitsleistun-
gen und ähnliches. Das große Problem
ist, das wir gerade durch die Niedrigzins-
phase erleben, dass die Versorgungslücke
der Mitarbeiter deutlich größer wird und
dass man deutlich mehr aufwenden muss,
um diese Versorgungslücke zu schließen.
Bei den meisten ist angekommen, dass die
Leistungen der gesetzlichen Rentenversi-
cherung rapide sinken – von 53 Prozent
des letzten Einkommens im Jahr 2000
auf 43 Prozent im Jahr 2030. Da reden
wir immerhin beim Durchschnittsver-
diener von einem Rückgang von 1.530
Euro auf 1.240 Euro, wenn wir heute das
Rentenniveau von 2000 zu Grunde legen
würden. Das sind fast 300 Euro weniger.
Und um diese Lücke zu schließen, müs-
sen Vorsorgesparer je nach angebotenem
Leistungsplan und der Dauer der Anspar-
phase rund 150 bis 300 Euro monatlich
aufwenden, wenn die Inflation noch aus-
geglichen werden soll. Ich bin absolut
der Überzeugung, dass die betriebliche
Altersversorgung genau der richtige Weg
ist. Bei vielen jungen Mitarbeitern ist es
allerdings besonders schwierig, die Not-
wendigkeit eines frühen Konsumverzichts
zu Gunsten der Altersversorgung zu er-
klären, da die Gründung einer Familie,
Wohneigentum et cetera. bereits Kosten
generiert, die erst einmal geschultert wer-
den müssen. Trotzdem: Wenn Sie mit Ar-
beitnehmern und Arbeitgebern sprechen,
dann merken Sie, dass die bAV nicht nur
ein wichtiges Instrument für die Mitarbei-
terbindung, sondern auch für die Mitar-
beitergewinnung darstellt.
IM FOKUS: Da kommen wir jetzt zu ei-
nem weiteren Problem: Lohnt sich die
bAV überhaupt noch? Denn sie hat ja bis-
lang nur auf das zurückgegriffen, woran
Lebensversicherer eben gewohnt sind –
auf Rentenversicherungen konventionel-
len Zuschnitts. Damit ist in der Niedrig-
zinsphase nichts mehr zu holen.
von Löbbecke: Da muss ich massiv wi-
dersprechen. Wenn Arbeitnehmer hören
– aus der Presse oder von Kollegen – die
bAV lohne sich nicht, dann wird es ext-
rem schwer, das Gegenteil zu beweisen
und einen Kontakt zu finden. Aber wir
dürfen da nicht müde werden. Deshalb
ist Beratung auch so wichtig: durch Men-
schen, die das Thema verstehen oder auch
durch Produktanbieter, die beweisen kön-
nen, warum es sich doch lohnt. Es lohnt
schon allein durch die Steuer- und Sozial-
versicherungsersparnis.
Das Argument der sinkenden Renditen
infolge der Niedrigzinsphase sticht nicht
wirklich. Selbst wenn wir eine Nullver-
zinsung unterstellen, bleibt immer noch
ein systemischer Vorteil der bAV von
ungefähr 20 Prozent. Wenn das Produkt
selber eine Rendite abwirft, dann steigen
die Vorteile auf bis zu 30 Prozent, in Ein-
zelkonstellationen sogar noch höher. Das
heißt, wir haben in der bAV einen Ren-
diteeffekt, der unabhängig vom Zins ist.
Das ist ganz wichtig! Das gilt nicht in 100
Prozent der Fälle, aber das gilt in 90 bis
95 Prozent der Fälle. Wenn wir es dann
noch schaffen, den Arbeitgeber zu moti-
vieren, aus seinen Steuer- und Abgabener-
sparnissen „on top“ noch etwas drauf-
zulegen, dann ist der Vorteil der bAV so
enorm, dass da eigentlich niemand mehr
dran vorbeikommt.
Enßlen: Die Aussage „Die bAV lohnt sich
nicht“ ist schlicht und ergreifend falsch.
Leider gibt es viele Marktteilnehmer –
auch Kollegen – die gegen die bAV einge-
stellt sind. Ich habe Makler erlebt, die die
bAV ablehnen, weil sie das für ein staatli-
ches Geldvernichtungsprogramm halten.
Ich stimme Herrn von Löbbecke völlig
zu: Allein der Brutto-Netto-Effekt in der
bAV macht sie zu einer lohnenden Sache.
Sie ist zudem die einzige Altersvorsorge-
Sparmaßnahme, bei der sich der Arbeitge-
ber mit einem Beitragszuschuss beteiligen
kann.
IM FOKUS: Warum hat es denn die Versi-
cherungswirtschaft oder warum haben es
die Vertriebe nicht geschafft, das infor-
mell zu transportieren?.
Dr. Alt: Die bAV lohnt, das ist Fakt. Wie
bereits besprochen ist die Komplexität
oftmals das Hindernis. Dennoch sehen
wir, dass spezialisierte Vermittler große
>
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 9
10 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Erfolge erzielen und die Vorteile der bAV
einfach und kompakt transportieren. Die
bAV muss für den Arbeitnehmer erlebbar
gemacht werden. Mit Vorher-Nachher-
Berechnungen anhand der konkreten
Gehaltsabrechnung des Arbeitnehmers
werden die Effekte einfach und verständ-
lich aufgezeigt. Der Arbeitnehmer erlebt
den Aha-Effekt. Er sieht unmittelbar, wie
viel Netto ihn der bAV-Beitrag kostet und
welche Rente er damit erzielen kann. Bei
den erfolgreichen Versorgungssystemen
ist der Arbeitgeber immer im Boot und
steht hinter der bAV. Mit ihm steht und
fällt die bAV im Unternehmen.
Buchem: Die Arbeitgeber sind die ent-
scheidenden Akteure. Wenn wir es auch
noch schaffen, das Problembewusstsein
bei den Mitarbeitern zu schärfen, wäre
das natürlich ein zweiter Ansatzpunkt.
Wenn es gelänge, eine unabhängige, säu-
lenübergreifende Information über die Al-
tersvorsorge, also über die zu erwartenden
Leistungen aus der gesetzlichen Renten-
versicherung, aus der privaten Vorsorge
und aus der betrieblichen Altersversor-
gung auf die Beine zu stellen, wäre der
Vorsorge in Deutschland insgesamt ge-
dient. Dann würden auch sehr viel mehr
Arbeitnehmer ihre Chefs auf Betriebsren-
ten ansprechen. Wir sollten dabei nicht
nur an reine Altersversorgung denken,
sondern auch an die Absicherung bei Be-
rufsunfähigkeit und im Todesfall. Überall
dort bestehen Vorteile, wenn sie über Kol-
lektive mit vereinfachten Gesundheitsprü-
fungen und günstigeren Kostenstrukturen
abgesichert werden können.
Dr. Alt: Für die Zukunft sehe ich eine
große Chance darin, mit der betriebli-
chen Berufsunfähigkeitsabsicherung noch
mehr junge Mitarbeiter zu erreichen.
Wir sollten uns also auch in der bAV als
Biometriespezialisten positionieren. Eine
Absicherung gegen das Risiko der Berufs-
unfähigkeit ist unglaublich wichtig und
bereits in jungen Jahren erforderlich. Die
BU-bAV ist deshalb genau für diese Ziel-
gruppe sehr attraktiv. Denn durch die ge-
setzliche Förderung über den Paragraph
3 Nr. 63 EStG kommt der junge Arbeit-
nehmer zu günstigen Konditionen an eine
Berufsunfähigkeitsabsicherung. Eine Er-
gänzung der Beratungsgespräche um das
wichtige Thema BU macht also gerade in
den Betrieben Sinn.
von Löbbecke: Ganz richtig: Der syste-
mische Vorteil der bAV bezieht sich nicht
nur auf die Altersrente, sondern auch auf
die Berufsunfähigkeitsabsicherung (BU).
Wenn man das BU-Risiko über die bAV
absichert, kann man im Vergleich zu einer
privaten Absicherung – bei gleicher Leis-
tung – 30 Prozent Prämie netto sparen.
Und da bin ich bei Frau Dr. Alt, das ist ein
Anreiz für junge Menschen, die sich mit
ihrer BU-Absicherung beschäftigen, sich
auch der bAV das erste Mal zu öffnen.
Dr. Alt: Im Kontakt mit den Personalab-
teilungen stellen wir immer wieder fest,
GESPRÄCHSRUNDE
„Die Verbreiterung der Betriebsrente im Unternehmen
allein nutzt wenig, wenn es dabei nicht gelingt, das
Bewusstsein dafür zu wecken, dass die Leistungen aus-
kömmlich sein müssen.“
Rudolf Enßlen, Makler
MEINUNG
Uwe Buchem, Mercer Deutschland GmbH, Head of Retirement Central Europe und Partner
Bewertung von Pensionsverpflichtungen: Aller guten Dinge sind drei!
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 11
Die unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen nach Handelsgesetz
und Einkommensteuergesetz belastet Unternehmen mit Pensionszu-
sagen. Da der Gesetzgeber bisher nicht handelt, müssen Unterneh-
men nach alternativen Strategien suchen
Der Gesetzgeber hat durch das Bilanzrechtsmodernisierungsge-
setz (BilMoG) im Jahr 2010 die handelsrechtliche Rechnungs-
legung zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen reformiert.
Dabei wurde die Chance verpasst, die Regelungen zur Bewertung
von Pensionsverpflichtungen zu vereinheitlichen, zu vereinfachen
und an die Realität anzupassen. Mit dem BilMoG wurde der
Rechnungszins nach Handelsgesetzbuch (HGB) an einen Sieben-
jahres-Durchschnitt des Marktzinses gekoppelt. Dies führte zu
deutlichen Unterschieden von HGB- und der Bewertung laut Ein-
kommensteuergesetz (EStG). Denn der
Paragraf 6a EStG fordert die realitäts-
ferne Abzinsung mit sechs Prozent.
Mit der Verlängerung der Durch-
schnittsbildung von sieben auf zehn
Jahre zu Beginn dieses Jahres hat man
zumindest das rapide Absinken des
HGB-Bewertungszinses abgefedert.
Derzeit liegt er bei 4,13 Prozent und
wäre ohne Anpassung bereits bei 3,45
Prozent angelangt. Noch sehr viel stär-
ker hinterlässt die Finanzkrise ihre
Spuren bei Unternehmen, die nach in-
ternationalen Bewertungsvorschriften
bilanzieren. Denn hier ist ein echter
Marktzinssatz anzusetzen. Dieser sank
in den ersten sieben Monaten dieses
Jahres von 2,4 auf 1,4 Prozent und
belastet damit alleine die Pensionsver-
pflichtungen der DAX-Unternehmen
mit einem zusätzlichen Betrag von
etwa 65 Milliarden Euro.
Trotz der Niedrigzinsphase hat der Besetzgeber auch diese zweite
Chance zur Anpassung ungenutzt verstreichen lassen. Es bestraft
damit alle Unternehmen, die eine Pensionszusage gewählt haben.
Offensichtlich gibt es dafür auch nur einen einzigen Grund: Die
Vermeidung von (vorübergehenden) Steuerausfällen. Damit wird
hingenommen, dass ein Großteil der Belastungen durch niedrige-
re Zinsen steuerlich nicht abgesetzt werden kann. Dies schadet
gerade den Unternehmen, die noch traditionelle und leistungs-
starke Versorgungswerke haben.
Nach der Redewendung „aller guten Dinge sind drei“ hat der Ge-
setzgeber nun noch einen Versuch. Ob dieser im Rahmen der ge-
planten Reform der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gelingt,
darf bezweifelt werden. Unternehmen, die sich bereits jetzt ganz
oder teilweise gegen Zinsänderungseffekte immunisieren wollen,
können jedoch unabhängig davon und
sofort handeln. So kann Versorgungs-
anwärtern eine Kapitalisierungsoption
eingeräumt werden, die bei Auswahl
zur Entlastung der Bilanz führt. Durch
den Wechsel des Durchführungsweges
hin zu Unterstützungskasse oder Pensi-
onsfonds kann das Passivierungswahl-
recht genutzt werden. Zuführungen zu
den Pensionsrückstellungen werden
vermieden und der Zinsänderungsef-
fekt spielt sich nur noch im Anhang der
Handelsbilanz ab. Die Zinssensitivität
der Versorgungszusagen kann auch
durch eine Planumstellung reduziert
werden. So sind die Zinsänderungsef-
fekte bei Kapitalzusagen geringer als
bei Rentenzusagen. Bei reinen wertpa-
piergebundenen Versorgungszusagen
haben Zinsänderungseffekte keinen
Einfluss mehr auf die Gewinn- und
Verlustrechnung.
„Der Gesetzgeber bestraft Un-
ternehmen, die eine Pensions-
zusage als Durchführungsweg
gewählt haben.“
Uwe Buchem, Mercer Deutschland
GESPRÄCHSRUNDE
12 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
das selbst kleine Unternehmen für die das
Thema Berufsunfähigkeit ein offenes Ohr
haben. Dort gibt es eine Betroffenheit
oder ein Risikobewusstsein. Die Frage,
was passiert, wenn jemand, nicht mehr
arbeiten kann, aber eine Familie ernähren
muss, bewegt die Menschen. Wir erleben
deshalb großes Interesse für die BU-bAV.
Enßlen: Aus meiner Praxis muss ich leider
widersprechen. Ich erlebe kein zusätzli-
ches Interesse, wenn ich das Thema BU
anspreche. Ich erlebe eher das Gegenteil,
dass die Leute schon während der Erklä-
rung von der bAV abschaltet und wenn
ich dann noch mit der BU, mit Diensto-
bliegenheitserklärung, mit vereinfachte
Gesundheitsprüfung komme, dann sind
die schon ganz weit weg. Für die Vermitt-
ler ist das sehr viel Aufwand. Ich kann zu
dem Thema bAV nicht noch so komplexe
Themen wie BU kommunizieren.
Hinzu kommt: Die Gegner der bAV haben
leichtes Spiel, wenn sie mit Beitragspro-
blemen im Fall von Arbeitslosigkeit oder
Krankheit argumentieren. Seit Jahren for-
dere ich von den Versicherern vergeblich
einen Tarifbaustein, der Beitragsbefreiung
für bAV-Beiträge im Falle von Arbeitslo-
sigkeit, Krankheit und BU vorsieht.
von Löbbecke: Ich glaube, wir müssen das
irgendwie schaffen, die bAV-Botschaft so
pointiert zu senden, dass wir eine emoti-
onale Bindung beim Arbeitgeber schaf-
fen. Wir müssen es schaffen, dass er sich
für das Thema interessiert. Und das darf
leider nicht eineinhalb Stunden, sondern
höchstens eine halbe Stunde dauern. Wir
arbeiten alle schon sehr lange daran, diese
gute Botschaft so zu transportieren, dass
sie auf fruchtbaren Boden fällt. Immer-
hin, ganz ohne Erfolg waren wir nicht.
Wir haben 16 Millionen Verträge in der
bAV platzieren können.
IM FOKUS: Der Gesetzgeber arbeitet am
Betriebsrenten-Stärkungsgesetz. Was
würden Sie sich denn wünschen, falls es
denn in diesem Herbst noch das Licht der
Welt erblicken sollte?
Dr. Alt: Ich erwarte ein klares Bekennt-
nis zur Betriebsrente und wünsche mir
zugleich weniger Komplexität. Was das
wichtige Thema „Abbau von Garantien“
angeht, so halte ich die derzeit diskutier-
te „Pay-and-Forget-Lösung“ im Rahmen
des sogenannten Sozialpartnermodells
für kritisch. Wir rütteln damit an den
Grundfesten der bAV. Die betriebliche
Altersversorgung in Deutschland ist tra-
ditionell mit Garantien ausgestattet. Wir
als Versicherungsbranche nehmen diese
den Arbeitgebern ab. Natürlich wird die
Höhe der Garantie durch die Entwicklun-
gen an den Kapitalmärkten stark beein-
flusst. Dem Grunde nach ist die Garantie
jedoch zentraler Bestandteil der bAV. Da-
rüber hinaus ist es aus unserer Sicht wich-
tig die Autonomie des Arbeitgebers auch
für die Zukunft zu erhalten. Jede Art der
„Zwangs-bAV“ ist kontraproduktiv.
Enßlen: Es muss einfacher werden! Zwang
oder Pflicht helfen nicht. Im Gegenteil,
das stärkt nur den Widerstand, der aus
der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft
kommt.
Ich möchte noch eine Gruppe erwähnen,
die mir besonders am Herzen liegt: das
sind die Frauen und hier ganz besonders
die teilzeitbeschäftigten, geringverdienen-
den Frauen. Die Renten dieser Frauen,
werden das große Problem der Alters-
vorsorge in Deutschland. Hier sind alle
aufgefordert, nach Lösungen für diese
Personengruppe zu suchen. Mit meinem
bAV-Konzept haben sogar Teilzeitbe-
schäftigte die Möglichkeit, mit wenig
Nettoaufwand hohe Bruttobeiträge für
ihre Betriebsrente einzahlen zu können.
IM FOKUS: Und wie stehen Sie zu Garan-
tien?
Buchem: Was die Reform des Betriebsren-
tengesetzes betrifft, so müssen wir nicht
nur die steuerlichen Bedingungen be-
trachten, sondern auch die arbeitsrecht-
lichen. Beim Sozialpartnermodell geht es
um ein neues Angebot über die tarifschlie-
ßenden Parteien. Wir wissen alle, dass
letztendlich nur 50 Prozent der Arbeitge-
ber einem tarifschließenden Arbeitgeber-
verband angehören. Damit erreicht man
nicht alle, aber doch einen Großteil. Ich
denke, dass der Ansatz mit einer reinen
Beitragszusage durchaus richtig ist. Gera-
de die Niedrigzinssituation zeigt: Traditi-
onelle Garantien kosten sehr viel Rendite-
chancen. Wir müssen aber die Menschen
stärker am Produktivkapital beteiligen,
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 13
um angemessene Erträge zu erzielen. Die
Deutschen sind zwar Aktienmuffel, aber
über eine kollektive Kapitalanlage besteht
die Möglichkeit, Risiken zu streuen und
zu steuern und somit die Chancen auf
sehr viel höhere Rentenleistungen zu ge-
nerieren. Je mehr wir die Mitarbeiter über
eine effiziente Beteiligung am Produktiv-
kapital beteiligen, desto höher ist auch die
Chance für die 50, 100, 150 Euro Beitrag
das Doppelte bis Dreifache später heraus-
zubekommen. Und dann entsteht wirk-
lich ein Mehrwert für die Mitarbeiter. Der
zweite Punkt bei Garantien ist Solvency
II und Insolvenzsicherung. Das verursacht
zusätzliche Kosten, die letztendlich die
Renditen schmälern.
Dr. Alt: Ich bezweifle, dass eine Abschaf-
fen der Garantie und der Übergang zum
„Pay-und-Forget-System“ die bAV-Durch-
dringung fördern würde. Die Versicherer
nehmen durch die Produktgestaltung den
Arbeitgebern bisher die Garantie ab. Kein
Arbeitgeber ist praktisch in der Verpflich-
tung, für die Garantie aufkommen zu
müssen. Deshalb stellt sich mir die Frage,
ob die Abschaffung der nur theoretischen
bestehenden Arbeitgeberhaftung die Ver-
breiterung stärken würde.
Die derzeitige Kernfrage lautet: „Wie
können wir im heutigen Kapitalmark-
tumfeld Renditen erzielen?“ Diese Fra-
ge ist die zentrale Frage im Rahmen der
Produktentwicklung. Eines scheint klar
zu sein: Wir werden den Einsatz konven-
tioneller Rentenprodukte in der betrieb-
lichen Altersversorgung nicht mehr emp-
fehlen können. Das heißt, wir müssen den
Schwenk hin zu modernen Altersvorsor-
geprodukten vollziehen. In der bAV ha-
ben wir hier noch Aufholbedarf. Arbeit-
geber und Mitarbeiter müssen moderne
Altersvorsorgeprodukte verstehen und
Vertrauen entwickeln.
von Löbbecke: Noch einmal zur Komple-
xität in der bAV. Ich habe einen Mitar-
beiter neulich beauftragt herauszufinden,
wie viele bAV-Varianten es heute gibt. Sie
werden es kaum glauben: Allein aus dem
ersten Paragraphen des Betriebsrentenge-
setzes lassen sich 550 Varianten bilden,
also welche Zusagen, welche Durchfüh-
rungswege, welche Finanzierungsarten.
Ich wünsche mir deshalb nicht, dass die
Betriebsrentenreform die bAV um wei-
tere 110 Varianten erweitert. Ich möch-
te nicht zwei Parallelsysteme haben. Ich
finde, dass die Politik sich auf ein System
verständigen und einen Rechtsrahmen
schaffen sollte, in dem alle Beteiligten
gleichberechtigt agieren können.
IM FOKUS: Was erwarten Sie in der Ga-
rantiefrage?
von Löbbecke: Was soll der Gesetzgeber
da eigentlich vorgeben? Da muss man un-
terscheiden zwischen Zinsgarantien und
Langlebigkeitsgarantien. Ich glaube, be-
triebliche Altersversorgung sollte immer
das Element der Langlebigkeitsgarantie,
>
„Wir haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet.
Ich sehe die bAV in fünf Jahren als zentrales Element der
Altersversorgung eines jeden Menschen.“
Dr. Stefanie Alt, Nürnberger
14 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
also der lebenslangen Rente beinhalten.
Daran dürfen wir auf gar keinen Fall rüt-
teln. Ich finde, Herr Buchem hat schön
ausgeführt, welche Chancen sich bieten,
wenn man auf Garantien in der Kapital-
anlage verzichten kann. Und deswegen
finde ich das Konzept der Defined Am-
bition, das zurzeit diskutiert wird, einen
guten Ansatz. Man definiert eine Zielren-
te, die aufzeigt, wo man hin möchte, was
man mit gutem Gewissen auch erreichen
kann, wenn die Märkte sich normal ver-
halten. Da kann man drüber reden, wel-
che Zinsgarantien man zu so einer Defi-
ned Ambition braucht. Aber das soll dann
bitte ein Regelwerk für alle sein und nicht
nur für die Tarifvertragsparteien.
Dr. Alt: Da stimme ich Herrn von Löbbe-
cke grundsätzlich zu. Aus unserer Sicht
sollte sich der Gesetzgeber bei den Re-
formvorhaben immer wieder bewusst
machen, um was es eigentlich geht. Ziel
ist es, die bAV-Verbreitung in KMU zu
steigern. Ist dies mit dem Sozialpartner-
modell möglich? Zu beachten ist, dass
die tarifvertraglichen Regelungen in den
KMU allenfalls über Allgemeinverbind-
lichkeitserklärungen ankommen. Diese
stellen jedoch die Autonomie des Arbeit-
gebers massiv in Frage. Eine Stärkung der
bAV in KMU durch die diskutierten Neu-
erungen erscheint mit also wenig wahr-
scheinlich
Buchem: Aus Sicht der Versicherer kann
ich nachvollziehen, dass sie einen Rechts-
rahmen haben möchten, der für alle gilt.
Ich denke, dass es allerdings momentan
sehr stark auf die tarifschließenden Par-
teien ankommen wird. Das hat natürlich
auch damit zu tun, dass bei einem Garan-
tieverzicht im Rahmen des Defined-Am-
bition-Modells der Gesetzgeber den Tarif-
vertragsparteien am ehesten zutraut, die
Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass
die Interessen der Arbeitnehmer und der
Arbeitgeber am besten verwirklicht wer-
den. Versetzen Sie sich in die Position ei-
nes Gewerkschaftsmitglieds. Der Wegfall
von Garantien muss glaubhaft begründet
werden. Das Vertrauen in die Tarifpartner
ist üblicherweise zumindest so groß, dass
man diesen Weg als ersten Schritt in die
richtige Richtung gehen kann.
IM FOKUS: Ein Thema bei der bAV-Re-
form ist das Opting-out. In anderen Län-
dern funktioniert das, warum haben wir
Deutsche etwas dagegen?
Dr. Alt: Ich glaube nicht, dass wir Deut-
schen etwas gegen diese Systematik haben.
Der Teufel liegt eben wie immer im De-
tail, denn ein Opting-out könnte entwe-
der als gesetzliche Verpflichtung aller Ar-
beitgeber oder als gesetzliche Flankierung
betriebsindividueller Systeme ausgestaltet
werden. Die gesetzliche Verpflichtung
aller Arbeitgeber zur Installation eines
Opting-outs wird von den Arbeitgeber-
verbänden kritisch gesehen, da steigende
Verwaltungskosten befürchtet werden.
Darüber hinaus würde das betriebliche
Versorgungssystem dann keine wirkliche
Anreizwirkung mehr entfalten. Es wäre
Standard und damit kein betriebsindivi-
dueller Vorteil mehr im Kampf um Fach-
und Führungskräfte. Die zweite Art der
Ausgestaltung wäre die noch bessere ge-
setzliche Flankierung eines betriebsindi-
viduellen Opting-outs. Bei einem solchen
System könnte jeder Arbeitgeber selbst
entscheiden, ob er dies in seinem Unter-
nehmen für sinnvoll erachtet. Mit solchen
Modellen haben wir sehr gute Erfahrun-
gen gemacht. Der Arbeitgeber steht dann
voll hinter dem System. Die Beteiligungs-
quoten sind in aller Regel sehr hoch.
von Löbbecke: Es gibt ja ein schönes Pra-
xisbeispiel für Opting-out. Und zwar bei
den Mini-Jobbern, die grundsätzlich ren-
tenversicherungspflichtig sind und sich
Anwartschaften aufbauen können. Sie
können aber auch darauf verzichten. 80
Prozent der Mini-Jobber haben die Ren-
tenversicherung abgewählt. Ich befürchte
das auch für die betriebliche Altersversor-
gung bei einem Opting-out. Wenn sich in
Betrieben eine Anti-bAV-Stimmung breit-
macht, kann das ganze Thema kippen.
Glücklicherweise ist die bAV mehrheitlich
positiv besetzt, ein Zwang könnte dies ins
Gegenteil verkehren. Opting-out-Modelle
führen vielleicht zu einer höheren Verbrei-
tung, aber nicht zu einer bedarfsgerechten
Versorgung.
Buchem: Es obliegt den Sozialpartnern,
dies durch Tarifverträge, beziehungsweise
den Unternehmen, dies durch Betriebsver-
einbarungen zu regeln. Aber ein Aspekt
GESPRÄCHSRUNDE
Mitarbeiter motivieren, finanzielle Belastungen senken – das sind nur zwei von vielen Argumenten, die für eine betriebliche Altersversorgung sprechen. Als einer der führenden bAV-Versicherer unterstützen wir Unternehmen mit zukunftsfähigen Konzepten, flexiblen Produkten und weitreichenden Services.
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ist noch wichtig: Es ist erwiesen, dass Ver-
luste in der Wahrnehmung der Mitarbei-
ter höher bewertet werden als gleich hohe
Gewinne. Also wenn Sie einen Verlust des
Barlohns gegen den Gewinn der Altersver-
sorgung betrachten, wird der Verlust des
Barlohns höher bewertet. Wenn Sie jetzt
diese Automatik umkehren, wird der Ver-
lust der Altersversorgung höher bewertet
als der Gewinn des Barlohns. Das heißt,
es steckt schon von der reinen Methodik
etwas hinter dem Opting-out oder besser
gesagt dem Auto-Enrollment. Das Opti-
onssystem als freiwillige Leistung finde
ich absolut naheliegend.
Dr. Alt: Für ein betriebsindividuelles
Opting-out-Modell brauchen wir vom
Gesetzgeber saubere rechtliche Rahmen-
bedingungen. Vielleicht noch eine Anmer-
kung: Die Tarifvertragsparteien hatten
bereits in der Vergangenheit die Möglich-
keit im Rahmen der Tarifverhandlungen
Teile einer anstehenden Gehaltserhöhung
fix zugunsten der Altersversorgung zu
verwenden. Das sollten sie stärker nutzen.
Das ginge auch ganz ohne große rechtli-
che Regularien und neue Systeme.
Buchem: Da stimme ich Ihnen zu. In der
Vergangenheit stand in der Tat die Erhö-
hung der Vergütung im Mittelpunkt der
tariflichen Diskussion. Eine Einführung
oder Optimierung der betrieblichen Al-
tersversorgung war dann oftmals nicht
mehr Gegenstand der Verhandlungen,
soweit der Verteilungsspielraum bereits
ausgeschöpft wurde.
Dr. Alt: Ich hoffe, dass die bAV zukünf-
tig bei den Verhandlungen der Tarifver-
tragsparteien stärker in den Vordergrund
gestellt wird. Und hoffe auch, dass das
diskutierte Pay and Forget nicht kontra-
produktiv wirkt.
Buchem: Der Köder muss dem Fisch
schmecken, nicht dem Angler. Das heißt,
wenn Sie jetzt einen Köder auswerfen und
die Tarifparteien ihn nicht aufnehmen,
dann wird sich durch das Sozialpartner-
modell wenig verändern. Im Ergebnis sind
aber neben den Tarifvertragspartien alle
Arbeitgeber gefordert, Maßnahmen zu
einer stärkeren Verbreitung der betriebli-
chen Altersversorgung aufzugreifen.
IM FOKUS: Für Bundsarbeitministerin
Andrea Nahles gilt die Arbeitgeberhaf-
tung als Haupthindernis, das Gutachten
im Auftrag des Bundesfinanzministeriums
spricht dagegen. Stimmt das?
Enßlen: Im meinem 15 Jahren bAV-Bera-
tung war die Arbeitgeberhaftung nie ein
Thema.
von Löbbecke: Das glaube ich auch. Wenn
man sich unter Experten umhört, auch
unter Arbeitgebern oder Arbeitnehmern,
was hemmt euch eigentlich, bAV zu ma-
chen, dann ist die Arbeitgeberhaftung sel-
ten dabei. Es gibt manche, die sagen, es
sei relevant. Ich halte es auch für wenig
relevant.
16 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
„Traditionelle Garantien kosten sehr viel Renditechancen.
Wir müssen aber die Menschen stärker am Produktivkapi-
tal beteiligen, um angemessene Erträge zu erzielen.“
Uwe Buchem, Mercer
GESPRÄCHSRUNDE
IM FOKUS: Welches sind dann die Lösun-
gen?
von Löbbecke: Ich glaube, es geht viel
einfacher, die bAV attraktiver zu machen.
Wir haben als HDI einen Zehn-Punkte-
Plan vorgeschlagen – einfache Dinge,
die viel bewirken können. So sollte zum
Beispiel die volle Beitragspflicht auf Be-
triebsrenten in der Kranken- und Pfle-
geversicherung wieder geändert und
die Anrechnung auf die Grundsicherung
aufgehoben werden, um die bAV für Ge-
ringverdiener attraktiver zu machen. Der
Dotationsrahmen sollte auf bis zu zehn
Prozent der Beitragsbemessungsgrenze
ausgeweitet werden. Und wenn man am
Ende dieses Prozesses merkt, das reicht
jetzt immer noch nicht, dann können wir
ja vielleicht auch mal ganz neue Wege be-
schreiten. Aber Sie haben vorhin so schön
gesagt, der Stein muss erst mal ins Rollen
kommen. Ich habe so ein bisschen Angst,
dass der jetzt den falschen Weg runterrollt
und dass wir ihn den Berg wieder hoch-
schleppen müssen. Und das würde ich
gerne vermeiden.
Dr. Alt: Die Menschen sind durch die der-
zeitige Entwicklung an den Kapitalmärk-
ten sehr verunsichert. Man merkt das im-
mer wieder in den Beratungsgesprächen.
Wir müssen alles tun um das Vertrauen in
die bAV zu stärken.
Buchem: Mehr Flexibilität in der Gestal-
tung der bAV würde auch einige Probleme
lösen. Ich möchte hier nur einige nennen:
Den engen Hinterbliebenen-Begriff auch
bei der Entgeltumwandlung könnte man
zum Beispiel etwas weiter fassen, in dem
man im Todesfall auch an Eltern oder er-
wachsene Kinder Leistungen auszahlen
kann. Abfindungsmöglichkeiten oberhalb
der derzeitigen Bagatellgrenzen sowie eine
befreiende Übertragung von Pensionsver-
pflichtungen auf eine Direktversicherung,
auch ohne Liquidierung des Unterneh-
mens, würden ebenfalls helfen.
Enßlen: Alleinerziehende Frauen fallen
mir da auch ein. Wenn man hier eine
Öffnung machen würde, so dass Kin-
der immer berechtigt sind, im Todesfall
die eingezahlten Beiträge zu bekommen,
wäre das sicher für diese Zielgruppe ein
Argument, in der bAV mitzumachen.
IM FOKUS: Indexpolicen wird eine wach-
sende Bedeutung als Alternative zu kon-
servativen Konstrukten beimgemessen.
Können sie die bAV „retten“?
Dr. Alt: In der bAV kommen wir aus der
konventionellen Welt. Wir als Nürnber-
ger bieten konventionelle Produkte auch
weiterhin an, wir können sie nur nicht
mehr empfehlen. Die Zeit ist also reif für
moderne Produktgestaltungen wie zum
Beispiel die „Nürnberger DAX-Rente“.
Es ist sinnvoll, diese Modelle nun auch
verstärkt in der betrieblichen Altersver-
sorgung einzusetzen.
von Löbbecke: Da müssen wir auch auf-
passen. Die bAV muss ja nicht gerettet
werden, sondern wir wollen sie stärken.
Und die Frage ist: Wie heben wir diesen
Widerspruch auf, der darin besteht, dass
wir einen Ordnungsrahmen haben, der
im Wesentlichen Kapitalerhalt vorsieht,
wir aber gleichzeitig nach renditestarken
Alternativen Ausschau halten müssen?
Mit der „modernen Klassik“ oder Index-
policen wird versucht, genau diese Rah-
menbedingungen abzubilden, indem man
weiterhin Rentenleistungen garantiert.
Enßlen: Einwand aus der Praxis: Die Po-
litik und die Verbraucherschützer wollen
ja, dass ich mich als Vermittler bei mei-
nem Kunden, der bei mir ein Altersver-
sorgungsprodukt abschließt, vergewisse-
re, dass er das Produkt auch verstanden
hat. Und jetzt gehen Sie mal mit mir in
die Betriebe zum Arbeitnehmer oder zur
Arbeitnehmerin, erklären zuerst bAV
und dann erklären Sie die Indexpolice.
Wie viel Arbeitnehmer sagen am Ende:
„Jawohl, habe alles verstanden“? Da ist
niemand mehr dabei. In einem Workshop
kam dazu ein Zwischenruf: „Mit Index-
policen bekommen dann die Dummen
keine bAV mehr“.
Buchem: Aber das ist die Kunst. Dass
es einfach ist, hat keiner behauptet. Der
Trend ist erkannt und das ist auch der ab-
solut richtige Weg. Aus meiner Sicht führt
kein Weg daran vorbei, die Mitarbeiter
von den Vorteilen kapitalmarktorientier-
ter Produkte zu überzeugen. Wir müssen
die Mitarbeiter – da wiederhole ich mich
– stärker am Produktivkapital beteiligen
als es heute der Fall ist. Dennoch brau-
chen wir in der bAV auch weiterhin die
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 17
>
18 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
konventionellen Produkte, insbesondere
bei Rückdeckungsversicherungslösungen
im Zusammenhang mit Pensionszusagen
und Unterstützungskassen. Aber da spre-
chen wir in erster Linie mit den Arbeitge-
bern, die wissen, dass sie bei Bundesan-
leihen bestenfalls 0,1 Prozent bekommen
und daher mit einem konventionellen
Produkt mit einem Garantiezins von 1,25
Prozent, ab 2017 0,9 Prozent zuzüglich
Überschüssen, auch unter dem Blickwin-
kel der Planbarkeit und Absicherung der
biometrischen Risiken eine nach wie vor
gute Lösung zur Finanzierung ihrer Ver-
sorgungsverpflichtungen haben.
Enßlen: Von Warren Buffett gibt es ein
Zitat: „Es scheint da einen gewissen per-
versen menschlichen Charakterzug zu ge-
ben, der gerne einfache Dinge kompliziert
macht“. Das passt natürlich wie die Faust
aufs Auge zu den inzwischen 13 bis 15
Indexpolicen.
Buchem: Und für uns als Makler wird es
immer schwieriger, die fondsgebundenen
Produkte miteinander zu vergleichen.
Man muss in die Kapitalanlagestrategie
der Produkte einsteigen, wenn man es
wirklich richtig machen möchte. Wir in
unserem Haus haben zum Glück Kapital-
anlageexperten, die das tun können. Aber
das ist sicher die Ausnahme. Demzufolge
wird es immer schwieriger, eine eindeuti-
ge Empfehlung auszusprechen. Mit den
Garantieprodukten hatten wir es da et-
was einfacher.
Dr. Alt: Das verstehe ich. Die Entwicklung
wird nur leider nicht umkehrbar sein. Wir
tun alles um transparente Produkte auf
den Markt zu bringen und unterstützen
unsere Vermittler wo es nur geht.
IM FOKUS: Wo sehen Sie die bAV in fünf
Jahren?
Dr. Alt: Wir haben in den letzten Jahren
gute Arbeit geleistet. Ich sehe die bAV in
fünf Jahren als zentrales Element der Al-
tersversorgung eines jeden Menschen. Die
Niedrigzinsphase zwingt uns dazu, die
bAV voranzutreiben. Und ich hoffe auf
ein einfaches und klar verständliches Sys-
tem, bei dem Fehlanreize behoben sind.
von Löbbecke: Ich betreibe seit 15 Jahren
betriebliche Altersversorgung mit Herz-
blut und glaube nicht nur, sondern ich
weiß, dass bAV vorteilhaft für die meisten
Arbeitnehmer ist. Deshalb wünsche ich
mir, dass es uns gelingt, diese Botschaft
auch wirklich ins Volk zu tragen, dass
viele Menschen die Möglichkeiten der be-
trieblichen Altersversorgung auch nutzen,
und dass uns die Politik dabei unterstützt
und das Ganze nicht noch komplexer ge-
staltet als heute.
Buchem: Die Politik droht ja gelegentlich
mit einem Obligatorium, soweit es uns
nicht gelingen sollte, die notwendige Ver-
breiterung der bAV zu erreichen. Ich bin
sicher, dass dies mit einer Verbesserung
der steuerlichen und arbeitsrechtlichen
Rahmenbedingungen vermieden werden
kann. Ich bin gleichfalls zuversichtlich,
dass alle Beteiligten die Zeichen der Zeit
erkannt haben und aktiv an Lösungen ar-
beiten. Diese mögen sicherlich sehr viel-
fältig sein, aber unsere Wirtschaft ist es
auch. Die fünf Durchführungswege haben
schon in der Vergangenheit ihre Berechti-
gung gehabt und werden sie weiterhin ha-
ben. Ich glaube, dass wir mit den aktuell
diskutierten Maßnahmen eine Stärkung
der zweiten Säule erreichen können.
Enßlen: Ich wünsche mir natürlich ver-
einfachte Rahmenbedingungen. Es wäre
auch wünschenswert, wenn die Produkt-
anbieter für die Personalentscheider ver-
ständlichere Unterlagen anbieten würden.
Da sind in der Kreativität keine Grenzen
gesetzt.
GESPRÄCHSRUNDE
MEINUNG
Rudolf Enßlen, Versicherungsmakler
Bei der Betriebsrente sind Ideen gefragt
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 19
Mit dem richtigen Konzept gelingt es, Arbeitgeber und Arbeitneh-
mer für die betriebliche Altersversorgung zu erreichen. Wenn alle
Steuer- und Abgabenvorteile ausgeschöpft werden, führt dies für die
Beschäftigten zu Betriebsrenten, die wirklich lohnen.
Als Makler, der betriebliche Altersversorgung für kleine und mitt-
lere, nicht tarifgebundene Unternehmen betreibt, bin ich häufig
mit den üblichen Problemen konfrontiert. Arbeitgeber wimmeln
ab, sie wollen weder Zeit noch Geld opfern. Viele Arbeitnehmer
kennen ihre Rechte nicht, was die Einrichtung einer bAV betrifft,
und wenn doch, sind sie meistens nur bereit, Minibeträge zu in-
vestieren. Dadurch werden die künftigen Leistungen zu gering
sein, um die Rentenlücke wirksam zu schließen. Leider muss ich
auch immer wieder feststellen, dass Makler die bAV schlechtre-
den. Ich kann das nicht verstehen. Wer
sich mit der Materie beschäftigt, muss
einsehen, dass die bAV unter allen
Vorsorgemöglichkeiten die beste, ef-
fektivste, und auch noch preiswerteste
ist. Das gilt auch in Zeiten, in denen
Niedrigzinsen Renditen aufzehren.
Angesichts der Schwierigkeiten auf die
Makler treffen, wenn sie bAV-Geschäft
machen wollen, habe ich mir vor eini-
gen Jahren überlegt, wie man die Sache
am bestehen angehen kann. Die selbst-
gestellte Aufgabe lautete: Ein Konzept
für eine betriebliche Altersversorgung
zu finden, bei dem mit einem gerin-
gen administrativen Aufwand im Un-
ternehmen für die Angestellten eine
Möglichkeit geschaffen wird, die ma-
ximalen staatlichen Förderungen für
den Aufbau der eigenen Betriebsrente
auszuschöpfen. Gleichzeitig sollte der
Arbeitgeber aus den Einsparungen bei
den SV-Abgaben in die Lage versetzt werden, freiwillig einen ho-
hen Beitragszuschuss zu zahlen, ohne dass sich dadurch die Per-
sonalkosten erhöhen. Meine Lösung heißt „Enßlen bAV-Cuvée“,
was einerseits der Tatsache geschuldet ist, dass zu meinen Kun-
den vor allem württembergische Winzergenossenschaften zählen,
und dass es sich um eine Verbindung aus Direktversicherung und
Unterstützungskasse handelt. Für alle Arbeitnehmer-Bruttoein-
kommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenver-
sicherung ergibt sich aus diesem Konzept die höchstmögliche
Steuer- und Sozialversicherungsersparnis. Der Arbeitgeber erzielt
durch die Entgeltumwandlung aus dem Bruttoeinkommen in
Höhe von zweimal vier Prozent eine Ersparnis bei den Sozialver-
sicherungsbeiträgen, mit der er sich durch einen hohen Zuschuss
an den Arbeitnehmerbeiträgen beteiligen kann. Das ist für den
Arbeitgeber aufwandsneutral.
Bei Rentenbeginn erhält der Arbeit-
nehmer aus der Direktversicherung
eine lebenslange Rente. Der Clou ist
aber die Kapitalauszahlung aus der
Unterstützungskasse. Durch sie be-
kommt der Arbeitnehmer bei Renten-
beginn sofort mehr Geld zurück, als er
netto während der Beitragszeit in alle
Verträge eingezahlt hat.
Viele Markteilnehmer glauben, die
Unterstützungskasse wäre vor allem
etwas für die Bedürfnisse von Fach-
und Führungskräften mit hohen Ein-
kommen. Das ist nicht der Fall, sofern
der Arbeitgeber die bAV dazu nutzt,
um Arbeitnehmer im Unternehmen zu
halten. Die wichtigste Voraussetzung
für den Einsatz einer Unterstützungs-
kasse ist deshalb ein von beiden Seiten
auf Dauer angelegtes Beschäftigungs-
verhältnis.
„Die bAV ist unter allen Vor-
sorgemöglichkeiten die beste,
effektivste und auch noch
preiswerteste.“
Rudolf Enßlen, Versicherungsmakler
MEINUNG
Knapp 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
in Deutschland besitzen eine betriebliche Altersversorgung (bAV).
In kleineren und mittelständischen Unternehmen ist es sogar nur
ein Drittel der Arbeiter und Angestellten. Daher will die Große Koali-
tion die bAV gerade in diesen Unternehmen stärken.
Die größten Hemmnisse, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer von
der Betriebsrente abhalten, hat ein Gutachten von Dirk Kiese-
wetter, Wirtschaftsprofessor an der Universität Würzburg, jüngst
noch einmal bestätigt: Geringverdiener haben zu wenig Geld,
kleinen Unternehmen mangelt es an Anreizen und auf beiden
Seiten sind kaum Kenntnisse über die Betriebsrente vorhanden.
Dazu kommt die Angst vor der Komplexität und dem vermeint-
lichen Verwaltungsaufwand. So die Ergebnisse der im April 2016
erschienenen Umfrage, die Professor Kiesewetter im Rahmen sei-
nes Gutachtens durchführte.
Nun sollte man meinen, die Bundesregierung reagiere auf diese
Erkenntnisse, indem sie einen Gesetzesentwurf vorlegt, der die
bAV vereinfacht, die Geringverdiener stärkt und den Verwal-
tungsaufwand für Unternehmen verringert. Weit gefehlt. Andrea
Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, hält unbeirrt
an ihrem Vorhaben fest, ein sogenanntes Sozialpartnermodell
einzuführen. Danach sollen Gewerkschaften mit Arbeitgeberver-
bänden über Tarifverträge gemeinsame Versorgungsträger grün-
den, über die dann alle Beschäftigten der Tarifunternehmen eine
Betriebsrente erhalten sollen.
Das heißt, neben die bestehende bAV mit ihren bestehenden fünf
Durchführungswegen soll eine zusätzliche, neue Tarifrente gesetzt
werden - komplett haftungsfrei für die Arbeitgeber. Die Garantie
der eingezahlten Beiträge, die bisher der Arbeitgeber übernahm,
soll nach Vorschlag von Professor Peter Hanau und Dr. Marco
Arteaga, Gutachter im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums,
zugunsten eines „Zielrentenmodells“ entfallen.
Zielrente sollte für alle gelten
Bei dem Zielrentenmodell gibt es eine feste Beitragszusage; die
spätere Leistung wird jedoch nicht verbindlich festgelegt, son-
dern nur gewissenhaft geschätzt. Eigentlich eine gute Idee, wenn
man sie für alle Durchführungswege der bAV öffnete. Denn in
Zeiten von Nullzinsen werden Beitragszusagen mit Mindestleis-
tung immer schwerer kalkulierbar. Zielrenten könnten da ein gu-
ter Mittelweg sein, wenn man reine Beitragszusagen vermeiden
möchte. Wenn der Gesetzgeber den Versicherern ebenfalls die
Möglichkeit einräumte, solche Systeme anzubieten, könnten sie
kapitaleffizientere Produkte in der bAV anbieten, die eine höhere
Rendite in Aussicht stellen. Allein, Frau Nahles will das nicht.
Das neue Zielrentensystem soll nur für die Tarifrente eingeführt
werden. Überhaupt wird für die „Nahles-Rente“ ein völlig neues
System geschaffen – mit eigenen Regeln und Vorschriften. Ein
eigenes Rechtssystem führt jedoch zu ungleichen Wettbewerbs-
bedingungen. Das ist nicht fair. Der Rechtsrahmen sollte für alle
bAV-Anbieter gleich sein. Zudem macht er die bAV mit einem
sechsten Durchführungsweg noch komplexer.
Dafür soll es für Geringverdiener künftig Anreize geben, eine
bAV abzuschließen. Ein „bAV-Förderbetrag“ soll Arbeitgeber
anregen, Arbeitnehmern unterer Gehaltsklassen einen Zuschuss
Chance zur Reform vertan?
Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der Talanx Pensionsmanagement und verantwortlich für bAV bei HDI
20 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
zu zahlen. Von dem Zuschuss erhal-
ten die Unternehmen dann 30 Prozent
über die Lohnsteuer zurück. Weniger
bürokratisch und zielführender wäre
freilich, die Anrechnung von Betriebs-
renten auf die Grundsicherung zu
streichen und Betriebsrenten von der
Kranken- und Pflegeversicherungs-
pflicht zu befreien. Denn wer verzich-
tet schon freiwillig auf Gehalt, wenn
er nicht weiß, ob er im Alter davon
profitieren wird?
Chance zur Vereinfachung ungenutzt
Um den Verwaltungsaufwand für Un-
ternehmen zu verringern, wäre es auch
besser gewesen, den Förderrahmen zu
vereinfachen. Zurzeit müssen Arbeit-
nehmer verschiedene Durchführungs-
wege kombinieren, um die maximale staatliche Förderung zu
erhalten. Dies führt bei Arbeitgebern zu einem unnötigen Ver-
waltungsaufwand. Hier hätte der Gesetzgeber ansetzen und den
Förderrahmen vereinheitlichen können. Stattdessen plant er ei-
nen weiteren Förderbeitrag, der den Verwaltungsaufwand für die
Firmen weiter erhöht.
Was hätte die Bundesregierung nicht alles tun können, um der
bAV neue Impulse zu verleihen: Sie hätte die Komplexität redu-
zieren können, indem sie ermöglicht, dass die volle Förderung auf
einen Durchführungsweg konzen triert
werden kann. Sie hätte für höhere
Renten sorgen können, indem sie den
Förderrahmen auf bis zu zehn Prozent
der Beitragsbemessungsgrenze (West)
erhöht. Sie hätte vereinfachen können,
indem sie Arbeitgeber verpflichtet,
ihre Sozialversicherungsersparnis als
Zuschuss an den Arbeitnehmer weiter-
zugeben.
Stattdessen will sie lieber ein Parallel-
universum neben die bewährte bAV set-
zen, sodass Arbeitgeber künftig sechs
verschiedene Durchführungs wege
verwalten müssen. Bei Arbeitnehmern
kann die „Nahles-Rente“ dazu führen,
dass sie denken, sie hätten ausreichend
vorgesorgt, obwohl ihre Versorgungs-
lücke noch weit klafft. Und bAV-Ver-
mittler wird sie arbeitslos machen, denn eine Beratung durch
Experten ist bei der Tarifrente nicht vorgesehen – um Kosten zu
sparen. Ob das Ganze überhaupt legal ist, werden womöglich
Gerichte klären. Professor Schwintowski von der Humboldt-
Universität hält das Sozialpartnermodell für europarechtswidrig,
weil es massiv in die Wettbewerbsfreiheit eingreifen würde.
Noch bleibt die Hoffnung, dass die Vernunft siegt. Denn noch
können Betroffen mit ihrem Bundestagsabgeordneten sprechen.
Und ein Gespräch wirkt oft Wunder.
„Der Rechtsrahmen sollte für
alle bAV-Anbieter gleich sein.
Ein sechster Weg macht die
bAV noch komplexer.“
Fabian von Löbbecke, Talanx Pensions-
management, Verantworlicher für bAV bei HDI
MEINUNG
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 21
FAktEN
Moderne bAV-Produkte - warum Garantie nicht alles ist
Dr. Stefanie Alt, Leiterin Produkt- und Marktmanagement Leben der Nürnberger Versicherung
22 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Spätestens durch die erneute Absenkung des Höchstrechnungs-
zinses zum 1. Januar 2017 auf 0,9 Prozent wird auch den größten
Verfechtern konventioneller Versicherungstarife bewusst, dass eine
Beitragserhaltungsgarantie kalkulatorisch kaum noch möglich ist.
Mindestlaufzeiten von 25 Jahren und länger bedeuten, dass Ar-
beitnehmer ab einem Alter von 42 Jahren im Normalfall nicht
mehr an der betrieblichen Altersversorgung (bAV) teilnehmen
könnten. Damit wäre für fast die Hälfte der Erwerbstätigen in
Deutschland der Abschluss einer bAV unmöglich. Die voraus-
sichtlich weiter anhaltende Niedrigzinsphase erfordert deshalb
auch in der bAV eine moderne Produktgestaltung, um der Nach-
frage nach einer rentierlichen Altersvorsorge unter den aktuellen
Kapitalmarktbedingungen gerecht zu werden. Einen innovativen
Ansatz, auch im Hinblick auf die Positionierung des Arbeitgebers
im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte, stellt dabei die Neu-
ausrichtung konventioneller Garantiekonzepte zugunsten lang-
fristig höherer Ertragschancen für den Arbeitnehmer dar.
Rechtlich gibt das Betriebsrentengesetz eine Mindestgarantie
dabei nur ausdrücklich für die Beitragszusage mit Mindestleis-
tung (BZML) vor, während der Gesetzeswortlaut für die bei-
tragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) insoweit keine Aussage
enthält. Insbesondere beim Aufbau
einer bAV im Wege einer Entgelt-
umwandlung ist hier jedenfalls das
Wertgleichheitsgebot des Paragra-
fen 1 Absatz 2 Nr. 3 des Gesetzes
zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung (BetrAVG) beziehungsweise der vom Bundes-
arbeitsgericht (BAG) formulierte Gedanke der Werthaltigkeit der
bAV zu beachten. Nach Ansicht der Arbeitsrechtler ist es dabei
nicht zu beanstanden, wenn Verwaltungskosten eines externen
Versorgungsträgers (in der Regel der Versicherer) bei der Höhe
der Anwartschaft abgezogen werden, da ein derartiger Rech-
nungsposten ohnehin Bestandteil jeder versicherungsmathemati-
schen Kalkulation ist.
Betriebsrentenrechtliche Grundlagen
Auch ausgeurteilt ist die Frage, ob Abschlusskosten den Vertrag
durch die „Zillmerung“ zu Beginn belastet werden dürfen. Eine
angemessene Verrechnung der Abschluss- und Verwaltungskos-
ten mit der Versorgungsanwartschaft steht somit dem Erforder-
nis der Wertgleichheit grundsätzlich nicht entgegen. Gleiches gilt
auch für den Abzug der Risikobeiträge, da diese Teil der Kalku-
lation sind. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass arbeitsrechtlich
meines Erachtens nach nicht der Bruttobeitrag für die Bestim-
mung der Wertgleichheit betrachtet werden muss, sondern nur
die Nettobeitrag.
In weiten Teil des BAV-Schrifttums wird als Maßstab für eine
BOLZ aber eine Verzinsung des Nettobeitrags mit einer marktüb-
liche Mindestverzinsung zu Grunde
gelegt. Zur Frage der marktüblichen
Verzinsung hatte sich das BAG vor
wenigen Wochen geäußert und da-
bei einen sehr großen Spielraum ein-
geräumt. Nach Ansicht der Richter
Quelle: Nürnberger
Garantien für den Nettobeitrag
Bruttobeitrag
Kosten für den Abschluss, die Verwaltung und das Risiko
Nettobeitrag „angemessene“ Verzinsung
FAktEN
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 23
obliegt es dem Unternehmen, welchen
Markt es für die Üblichkeit der Verzin-
sung heranzieht und welchen konkre-
ten Zinssatz es festgelegt. Er muss sich
jedoch am Rahmen billigen Ermessens
nach Paragraf 315 BGB messen lassen
(so Aktenzeichen 3 AZR 272/15).
Demnach ist es aber zulässig, für die
Verzinsung eines Versorgungskapitals
auf die Sicherheit der Anlage abzu-
stellen. Aufgrund der hohen Sicher-
heiten in den Versicherungsprodukten
sprechen meines Erachtens nach keine
rechtlichen Gründe dagegen, den Zins-
satz an die Rendite für Nullkuponan-
leihen der Bundesrepublik Deutsch-
land anzulehnen. Diese rentieren
aktuell bis zu einer Laufzeit von fast
15 Jahren im negativen Bereich. Von
den Arbeitgebern kann deshalb nicht gefordert werden, dass sie
bei Versorgungszusagen im Wege der BOLZ mehr als den Erhalt
der Nettobeiträge zusagen müssen, zumal sie höhere Zinsen in
der Direktversicherung oder bei einer rückgedeckten Unterstüt-
zungskasse nicht selbst erwirtschaften, sondern über den Versor-
gungsträger ausfinanzieren.
Ausgangspunkt für die Frage der Wertgleichheit muss damit al-
lenfalls der Erhalt der Nettobeiträge sein. Wir gehen nicht davon
aus, dass dadurch generell ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf
den Bruttobeitragserhalt im aktuel-
len Zinsumfeld in der bAV bestehen
kann.
Chancen durch Indexbeteiligung
Stattdessen können aber alternative
Produkte gewählt werden, die nicht
zwingend die Garantieverzinsung des
Lebensversicherers erhalten müssen,
aber mindestens den Erhalt der einge-
zahlten Nettobeiträge sicherstellen. Ist
dies durch die Produktgestaltung ge-
währleistet, stellt die BOLZ bei pass-
genauer Abstimmung der Versorgungs-
zusage auf das Versicherungsprodukt
aus hiesiger Sicht auch künftig ein gu-
tes Instrument zur Vermeidung einer
Auffüllpflicht des Arbeitgebers dar. Im
Hinblick auf den vom BAG betonten
Vorsorgecharakter der bAV dürften demgegenüber solche Pro-
dukte rechtlich riskant sein, deren Garantieleistung nur einem
Bruchteil der Summe der Nettosparbeiträge entspricht.
Eine attraktive Produktalternative zum konventionellen Ga-
rantieprodukt können hier Indexpolicen, wie beispielsweise die
„Nürnberger Dax-Rente“ sein. Diese stellt ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen dem Beitragserhalt auf der einen Seite und
einer attraktiven Renditechance durch die Möglichkeit der In-
dexpartizipation auf der anderen Seite her.
„Indexpolicen stellen ein aus-
gewogenes Verhältnis zwischen
Beitragserhalt und Rendite-
chancen durch die Möglichkeit
der Indexpartizipation her.“
Dr. Stefanie Alt, Nürnberger
24 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Die Niedrigzinsphase und Solvency II stellen hohe Anforderungen
an die Lebensversicherungsbranche und an die Produktwelt: Es
wird schwieriger, mit reinen Klassikprodukten sinnvoll eine eigene
Altersversorgung aufzubauen.
Doch welche Produkte können die bisherigen klassischen Ver-
sicherungsprodukte, die oft perfekt das Streben nach Sicherheit
vieler Menschen in Deutschland befriedigten, im gegenwärtigen
Markt ablösen? Im Idealfall sollten sie Sicherheit und Rendite-
chance auf sich vereinen und einfach zu handhaben sein. Am Le-
bensversicherungsmarkt etabliert sich hier gerade die Indexpolice
als neuer Produktstandard. Das Prinzip ist einfach: Ein „klassi-
scher Motor“ – das heißt die Anlage in einem Deckungsstock des
Versicherers – wird ergänzt durch die sogenannte Indexpartizi-
pation, die auch noch jährlich variiert werden kann. Zur Wahl
stehen eine klassische Überschussbeteiligung oder das Investment
in eine Indexbeteiligung. Und auch die Indexbeteiligung selbst
ist nochmals mit einer Sicherheitsoption versehen: Eine negative
Entwicklung des Vertragsguthabens ist ausgeschlossen. Damit ist
dieses Produkt der sogenannten „neuen Klassik“ eine gute Opti-
on für den sicherheitsorientierten Kunden, der gleichzeitig höhe-
re Renditechancen nutzen will.
Untersuchungen des renommierten Instituts für Vorsorge- und Fi-
nanzplanung (IVFP) kommen zu dem Schluss, dass gut gemachte
Indexpolicen, wenn der Kunde die Indexpartizipation stets nutzt,
nicht nur mit klassischen Produkten mithalten, sondern sie sogar
deutlich übertreffen können. So beispielsweise mit der Stuttgar-
ter Indexrente „Index-safe“.
Doch wie sieht es mit dem Einsatz der neuen Indexprodukte in
der betrieblichen Altersversorgung (bAV) aus? Gleich einmal vor-
weg: Auch hier eignen sich Indexprodukte hervorragend. Wich-
tig ist, dass gerade bei der Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer
so zu informieren ist, dass er eine gute Entscheidungsgrundlage
für beziehungsweise gegen die betriebliche Altersversorgung hat.
Arbeitnehmer umfassend informieren
Vier Dinge muss er nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes
wissen:
1. Wer ist der Versorgungsträger?
2. Welcher Durchführungsweg wird ihm angeboten?
3. Welche Zusageart wird ihm angeboten (Beitragsorientierte
Leistungszusage oder Beitragszusage mit Mindestleistung)?
4. Wie ist das angebotene Produkt / die Versorgung
ausgestaltet? (Aushändigung aller Versichererunterlagen /
Versorgungsordnung des Unternehmens)
Bei nicht-klassischen Produkten kommt für die Entscheidungs-
findung des Arbeitnehmers meines Erachtens auch noch eine
konkrete Information zur Art und Funktionsweise des Produktes
hinzu.
Vielfach bieten mittlerweile Firmen dem Arbeitnehmer auch meh-
rere Produktarten zur Auswahl an. Erfolgt dazu, wie meist, eine
Beratung zum Beispiel durch den vom Arbeitgeber beauftragten
Makler, sollte dieser auch entscheidungsrelevante Informationen
dazu geben, wie sich die angebotenen Produktarten voneinander
unterscheiden. Denn wie sonst soll sich der Arbeitnehmer ent-
scheiden können? Die Stuttgarter hat dazu als Hilfestellung eine
FAktEN
Die „neue Klassik“ in der betrieblichen Altersversorgung
Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte für die bAV der Stuttgarter Lebensversicherung a.G.
FAktEN
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 25
Übersicht der Unterschiede zwischen
den verschiedenen Produktarten und
Tarifen der Stuttgarter zusammenge-
stellt.
Last but not least sollte der Arbeitgeber,
der als Versicherungsnehmer zunächst
einmal alle Gestaltungsrechte des Ver-
sicherungsvertrags innehat, durch eine
Vollmacht den Arbeitnehmer ermäch-
tigen, zum Beispiel die Änderung der
Indexbeteiligung, selbst vorzunehmen.
Schließlich geht es um das Geld des
Arbeitnehmers, das der Arbeitgeber
treuhänderisch in eine betriebliche Al-
tersversorgung umwandelt.
Hilfreich ist es auch, wenn in der Ent-
geltumwandlungsvereinbarung und
in den entsprechenden Anlagen alle
wichtigen Stichpunkte zur Versorgung zusammenfassend aufge-
führt sind. Das erleichtert die Dokumentation für den Makler
und schafft einen sicheren Rechtsrahmen für Arbeitgeber und
Arbeitnehmer.
Vermittler brauchen umfangreiches Know-how
Da die betriebliche Altersversorgung ein komplexes Konstrukt
ist, hat sich eine nach Rubriken zusammengefasste Information
des Arbeitnehmers bewährt. Damit hat der Arbeitgeber zum Bei-
spiel in Streitfällen immer eine Dokumentation zur Hand.
Das Indexprodukt hat – in der betrieb-
lichen Altersversorgung richtig einge-
setzt – noch einen weiteren Vorteil: Es
kann auch in der Unterstützungskasse
als Rückdeckungsprodukt eingesetzt
werden. Damit eröffnet sich auch in
diesem Durchführungsweg eine gute
Option neben der Klassik.
Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass
sich mittlerweile die Produktland-
schaft für den Kunden aufgefächert
hat: Klassik, Index, Hybrid, um nur
die großen Varianten zu nennen. Für
den Vermittler bedeutet das auch, dass
er hier mit gutem Fachwissen punkten
kann. Eine stete Fortbildung zu den
Entwicklungen und unterschiedlichen
Ausprägungen in der Produktwelt ist
mittlerweile ein „Muss“. Und genau dahin geht auch die Reise
mit PIB / PRIIP ab 1. Januar 2016 und IDD (voraussichtlich) ab
1. Januar 2017: Der Vermittler muss Produkt und Kundenprofil
„matchen“ – und das setzt gute Produktkenntnisse zwingend vo-
raus. Gleichzeitig ist das auch der Bereich, in dem der Vermittler
überzeugen kann.
Fazit: Die betriebliche Altersversorgung wird durch die neuen
Produktarten vielfältiger und auch komplexer. Es eröffnen sich
dadurch neue Chancen für gut ausgebildete Vermittler, für die
der Markt der Altersvorsorge weiterhin weit offen steht.
„Der Vermittler muss Produkt
und Kundenprofil ‚matchen‘ –
und das setzt gute Produkt-
kenntnisse zwingend voraus.“
Dr. Henriette Meissner, Stuttgarter
„Wir brauchen einen rechtssicheren Rahmen für den Durchführungsweg Direktversicherung“
Interview mit Dr. Henriette Meissner, Ge-
schäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-
Management GmbH und Generalbevoll-
mächtigte für die bAV der Stuttgarter
Lebensversicherung a. G.
Frau Dr. Meissner, welches sind nach Ih-
ren Erkenntnissen die größten Hürden für
die stärkere Verbreitung der bAV in klei-
nen und mittleren Unternehmen (KMU)?
Wenn man sie anspricht, sind viele davon
bereit, eine Betriebsrente anzubieten und
die Sozialversicherungsersparnis als Zu-
schuss zu geben. Gerade die Chefs von
KMU sind oft sehr sozial eingestellt. Der
Knackpunkt ist die Ansprache und die
Kommunikation. Hier hat uns Großbri-
tannien gezeigt, wie man auch den letzten
Arbeitgeber mobilisiert. Dort gab es für
die flächendeckende Einführung der Be-
triebsrenten eine hervorragende Kommu-
nikationskampagne, bei der die Aufsichts-
behörde (The Pension Regulator) und die
Chambers of Commerce (das britische
Pendant zu den Industrie- und Handels-
kammern) intensiv zusammengearbeitet
und informiert haben. Zusätzlich würde
in Deutschland die Möglichkeit helfen,
rechtssicher ein für beide Seiten freiwilli-
ges Opting-Out anbieten zu können.
Wie sollte die Betriebsrentenreform aus-
fallen, um die Verbreitung der bAV ent-
scheidend zu verbessern?
Die bisher bekannt gewordenen Pläne
zielen vor allem auf große tarifvertraglich
organisierten Bereiche. Dort gibt es aber
meist schon eine gute Betriebsrente.
Den im Koalitionsvertrag avisierten KMU
und den geringer verdienenden Arbeit-
nehmern hingegen wird dadurch nicht
geholfen. Die in diesem Zusammenhang
thematisierte Allgemeinverbindlichkeits-
erklärung passt nicht zum Mittelstand,
unserem Jobmotor, wo die mangelnde
Tarifbindung und die damit verbundene
Flexibilität zum Erfolgsmodell gehören.
Dazu sind nötig: ein rechtssicheres freiwil-
liges Opting-out für KMU mit 10 bis 250
Mitarbeitern, ein sicherer Rechtsrahmen
für die Direktversicherung, die pauscha-
le Weitergabe der Sozialversicherungser-
sparnis sowie eine flächendeckende po-
sitive Kommunikation der Betriebsrente,
zum Beispiel durch die Industrie- und
Handelskammern sowie die Bundesregie-
rung. Für Arbeitnehmer: der Verzicht auf
die Anrechnung auf die Grundsicherung,
eine Entlastung bei der Verbeitragung im
Alter und ein staatlicher Zuschuss für die
Niedrigverdiener. Insgesamt braucht es ei-
nen rechtssicheren einfachen Rahmen für
den einfachen Durchführungsweg Direkt-
versicherung.
Welche Bedeutung hat das bAV-Geschäft
für die Stuttgarter?
Die Stuttgarter ist im Maklermarkt als
kompetenter, solider Partner etabliert.
Das Geschäftsfeld bAV ist für uns ein her-
vorragendes Wachstumsfeld, auf das wir
uns fokussieren. Es hat uns sehr gefreut,
dass wir uns im aktuellen bAV-Kompe-
tenzrating des Instituts für Vorsorge- und
Finanzplanung (IVFP) nochmals verbes-
sern konnten. Wir haben die bestmög-
liche Auszeichnung „exzellent“ mit der
Gesamtnote 1,2 erhalten. Und unsere Ge-
schäftszahlen zeigen, dass die Makler uns
das Geschäft anvertrauen.
Welche Schwerpunkte setzt die Stuttgar-
ter bei der bAV-Vertriebsunterstützung?
Wir haben von Anfang an auf exzellenten
persönlichen Service gesetzt. Die Makler
schätzen unsere Vertriebsunterstützer,
weil sie eine hohe Wissens- und Verkaufs-
kompetenz haben. Wir sind stolz darauf,
dass wir sehr schnell helfen.
Stellt die Entwicklung hin zu immer kom-
plexeren Produkten (Stichwort: Indexpo-
licen) eine neue Hürde für die bAV dar?
Ein klares Nein. Die neuen Produkte ha-
ben meist eine Basis im Deckungsstock
mit einem Add-on, durch das der Kun-
de stärker an den Märkten partizipiert.
Nicht umsonst spricht man von „neuer
Klassik“. Das verstehen die Kunden, weil
sie ja von der Niedrigzinsphase selbst be-
troffen sind.
Allerdings ist es wichtig, dass die Vermitt-
ler hier auf „Augenhöhe“ mit ihren Kun-
den sprechen und die neuen Produkte gut
erklären können. Bei unserer Road-Show
haben wir daher großen Wert auf eine
neutrale Information zur Funktionsweise
unseres Indexproduktes gelegt.
26 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
FAktEN
Wohlstand neu denken
Christine Graeff, EZB, über Kommunikation als Instrument der Geldpolitik
Prof. Dr. Lars Feld über Migration, Demografi e und Nullzinsen
Jochen Wermuth zur Relevanz vonImpact Investing
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Für alle, die Vermögen verantworten
Prof. Dr. Lars Feld Jochen WermuthChristine Graeff
Frankfurt am 15.11. 2016
Die betriebliche Altersversorgung ist und bleibt die lukrativste
Möglichkeit des Sparens fürs Alter. Es ist die einzige Form der Al-
tersvorsorge, bei der der Arbeitgeber etwas dazugibt. Zwar ist die
bAV-Bilanz auch in Niedrigzinszeiten positiv, künftig wird es aber
stärker ankommen, die Chancen der Aktienmärkte zu nutzen.
Unsere Expertenrunde bestätigte, dass sich die betriebliche Al-
tersversorgung in einer entscheidenden Phase befindet, in der die
Weichen neu gestellt werden. Die Meinungen waren so unter-
schiedlich wie die Bedürfnisse der Akteure des bAV-Marktes. Die
„Knackpunkte“ sind das Ausmaß von Garantien, die Haftung
der Arbeitgeber, die Ausdehnung des Anlagespektrums auf den
Aktienmarkt, die Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen,
die Form der Leistungszusagen sowie der Grad der Verbindlich-
keit der Einbeziehung von Arbeitnehmern in Betriebsrentenver-
einbarungen. Durch die Neuregelungen des Betriebsrentenstär-
kungsgesetzes wird die bAV vielfältiger, aber auch chancenreicher
werden. Ob diese neuen Möglichkeiten die Sache für Arbeitge-
ber, Arbeitnehmer und Vermittler nicht noch komplexer machen,
als sie mit fünf Durchführungswegen bisher ohnehin schon war,
kann man beklagen, wird jedoch kaum zu vermeiden sein.
Im Vorfeld des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wurde die Dis-
kussion kontrovers ausgetragen. Die Versicherungswirtschaft, die
die bAV bisher im Wesentlichen bestritten hat, war der Meinung,
dass Korrekturen am bestehenden System die bAV einfacher und
attraktiver machen könnte: Mehr Anreize für Arbeitnehmer mit
geringem Einkommen und Freibeträge für bAV-Leistungen bei
der Inanspruchnahme der Grundsicherung gehören dazu. Ebenso
die Abschaffung der vollen Beitragspflicht in der Kranken- und
Pflegeversicherung auf bAV-Leistungen. Die Anhebung des För-
derrahmens war längst überfällig.
Neue Regeln und neue Chancen
Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales favorisierte
Betriebsrentenmodell setzt hingegen auf Vereinbarungen zwischen
den Tarifpartnern, die gemeinsame Einrichtungen zur Durchfüh-
rung der betrieblichen Altersversorgung bilden sollen. Das ist
im Grund nichts Neues, denn es gibt erfolgreiche Vorbilder wie
die Chemie Pensionsfonds AG, die Metallrente oder die Klinik-
Rente. Trotzdem kommt mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz
ein Paradigmenwechsel. Die Arbeitgeber werden auch formal
aus der Haftung entlassen. Diese bestand bisher allerdings nur
auf dem Papier, denn die Versicherungswirtschaft hat sie bisher
übernommen. Die bAV krankte bislang an vielen Gebrechen,
die Arbeitgeberhaftung gehörte nicht dazu. Kritiker befürchten
deshalb, dass das Prinzip „Pay and forget“ nicht unbedingt eine
vertrauensbildende Maßnahme für die bAV darstellt. Verbunden
mit der Reform der bAV sein wird ein stärkeres Engagement am
SCHlUSSPUNkt
28 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Betriebsrenten brauchen einen Neustart
Kapitalmarkt. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, denn es be-
freit die bAV aus der eisigen Umklammerung der Niedrigzinsen.
Wenn die Beiträge teilweise oder sogar überwiegend am Akti-
enmarkt angelegt werden können, erhöht das die Aussicht auf
höhere Renditen und am Ende natürlich auf höhere Renten. Die
damit in Zusammenhag stehenden Risiken kann man in Kauf
nehmen, denn bei der bAV handelt es sich um langfristige Spar-
verträge, die die Beschäftigen im Idealfall ihr ganzes Arbeitsleben
lange begleiten sollen. Langfristige Sparprozesse eignen sich für
Aktienengagements besonders gut, denn im Laufe der Zeit – so
besagt die Erfahrung noch immer – werden selbst Börseneinbrü-
che immer wieder ausgeglichen und wettgemacht. Gegenüber der
traditionellen versicherungsförmigen bAV mit ihren vielen teuren
Garantien und wenig ertragreichen Anlagen stellt die neue Be-
triebsrente also einen Vorteil dar.
Auch bei der Art der Leistungszusagen werden sich Arbeitneh-
mer an neue Zeiten gewöhnen müssen. Nicht mehr eine be-
stimmte Rentenhöhe wird künftig garantiert sein, sondern eine
Beitragshöhe und ein Leistungsziel. Allerdings setzt die Zielrente
bei Arbeitnehmern ein Umdenken voraus: Sie müssen sich an den
Gedanken gewöhnen, dass die Rente bei schlechter Börsenent-
wicklung auch mal zeitweise fallen kann. Das wird angesichts
des vorherrschenden Sicherheitsbewusstseins schwer zu vermit-
teln sein. Was die geplante Ausweitung des Förderrahmens be-
trifft, so soll die Bemessungsgrundlage für den Paragrafen 3 Nr.
63 Einkommensteuergesetz verbreitert werden. Das entspricht
einer Forderung der privaten Versicherungswirtschaft. In der
Praxis wird es aber darauf ankommen, dass dieser Förderrahmen
– beispielsweise 6,5 statt bisher vier Prozent des Bruttoverdiensts
– tatsächlich ausgeschöpft wird.
Einfacher wird es wohl nicht werden
Schließlich wird die neue Betriebsrente Anreize schaffen, damit
sich Arbeitgeber stärker an der bAV beteiligen. Daran haben
beide Seiten ein Interesse. Die Unternehmen können sich als
attrak tive Arbeitgeber präsentieren, die mit ihren Sozialleistun-
gen Fachkräfte gewinnen und an sich binden können. Für die
Arbeitnehmer ist ein Arbeitgeberbeitrag zur bAV seit jeher ein
Argument, selbst aktiv zu werden. Ein Zuschuss vom Arbeitge-
ber, so gaben 61 Prozent der Befragten in einer Untersuchung
Umfrage- und Analyseinstituts Yougov an, würden eine bAV ab-
schließen, wenn der Arbeitgeber einen Zuschuss leisten würde.
Hoch im Kurs stehen als Abschlussmotiv auch mehr und bessere
Informationen über die bAV sowie eine bessere Beratung.
Dies ist ein deutlicher Wink an alle, die künftig Beratungen zur
betrieblichen Altersversorgung durchführen. Denn die bisherigen
Ergebnisse besagen, dass die private Versicherungswirtschaft gro-
ße Teile der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vor allem in kleinen
und mittleren Unternehmen (KMU), nicht
erreicht hat. Die bAV ist und bleibt kom-
plex. Das kann man auch als Chance sehen.
Denn in der Wirtschaft herrscht Vielfalt. In-
sofern bleibt die bAV eine anspruchsvolle
Angelegenheit. Hans Pfeifer
SCHlUSSPUNkt
Mehrheit für Erhalt von Garantien (Zustimmung in Prozent)
Trifft voll und ganz zu
Trifft eher zuTrifft eher nicht
zuTrifft überhaupt
nicht zu
Die Garantien in der bAV sollten so bleiben wie sie sind�
19 51 23 7
Die optimale Lösung wäre eine Zielrente�
11 44 32 13
Zugunsten einer höheren Ren-dite würde ich auf einen Teil der Beitragsgarantie verzichten�
5 27 43 26
bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016 29
gekürzt Quellen: DIA
30 bAV IM FOkUS, Ausgabe 05-2016
Herausgeber:
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Diese Sonderpublikation ist eine Verlagsbeilage der portfolio Verlagsgesellschaft mbH mit freundlicher Unterstützung von: Nürnberger VersicherungStuttgarter VersicherungHDI
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Autoren:Dr. Stefani Alt, Uwe Buchem, Rudolf Enßlen, Fabian von Löbbecke, Dr. Henriette Meissner, Hans Pfeifer
ISSN 1613-6764
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Trends und Wandel
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der im Kommen? Mit Ausblick gerade bei
Fixed Income
– Daten, die neue Asset-Klasse: Wie ist der
Stand rund um das Thema Big Data in der
Finanzbranche?
Die nächsten Ausgaben erscheinen
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Die Stuttgarter bAV-Lösungen.
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