betterplace lab trendreport 2013

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2013 betterplace lab Trendreport

Transcript of betterplace lab trendreport 2013

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2013betterplace lab

ISBN 978!3!00!042251!5

Die Geschichte des Trendreports geht so: Das kleine betterplace lab hat " eißig Trends und Cases gesammelt, um die Menschen zu inspirieren. „Hui, interessant!“, frohlocken viele. Das macht das kleine lab glücklich. Doch weil es mit dem Trendreport kein Geld verdient, würde es sich sehr über eine kleine Spende freuen. Dann wird der nächste Trendreport noch schöner und be" ügelt von guten Ideen, verbessern die Men-schen weiterhin die Welt.Danke für Deine Spende auf trendreport.betterplace.org

2013

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lab

Trendreport

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Gute Geschichten machen neugierig S. 13 !

Kathleen Ziemann
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Gesunde Handys, digitale Geschichten und Daten für gute Taten – der betterplace lab Trendreport 2013Ein Vorwort von Dr. Joana Breidenbach und Dr. Mark Speich

Vor einem Jahr brachten wir die erste Ausgabe des betterplace lab Trendreports als Buch heraus – und freuten uns über motivie-rendes Lob für unsere Arbeit. Wir hörten von NGOs und Stiftun-gen, die digital-soziale Inspirationen aufgri"en, von Agenturen, die den Trendreport als Basis ihrer Arbeit für gemeinnützige

Organisationen verwendeten, von Wissenschaftlern und Journalisten, die unsere Beispiele weiterverbreiteten. Jetzt freuen wir uns, Euch das Ergebnis eines weiteren Jahres weltweiter Recherche zu präsentieren. Zwölf neue Trends, von Digitalanekdoten über DocHandy bis Big Data 4 Good, haben wir mit den besten neuen Fallbeispielen (Cases) illustriert, ein Kondensat der mittlerweile über 460 Cases auf trendreport.betterplace-lab.org. Der Trendreport 2013 zeigt: Die Digitalisierung im sozialen Sektor schreitet weiter voran. Vor allem die Entwicklung mobiler Anwendungen wird immer wichtiger. So konnte betterplace.org dank der Unterstützung durch Vodafone eine Spen-den-App herausbringen, über die auch Ehrenamt koordiniert werden kann. Und in Afrika ist die Verbreitung von Handys so #ächendeckend, dass der Kontinent zum zentralen Innovationstreiber weltweit geworden ist – ob über Rinderma-nagement per SMS (siehe case/iCow) oder Mikroversicherungen auf dem Handy (siehe case/Changamka). Der betterplace lab Trendreport bietet vor allem eines: neues Wissen. Dieses Wissen hilft zivilgesellschaftlichen Organisationen, sich auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Sich den digitalen Gegebenheiten anzupassen. Unterstützer zu mobilisieren. Das Potential neuer Technologien zu nutzen. Denn Wissen ist auch Macht, Gutes zu tun.Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Jahr zusätzliche Unterstützer für den Trendre-port gewinnen konnten. Das Vodafone Institut für Gesellscha"t und Kommunikati-on ist uns mit seiner unverzichtbaren Unterstützung als Hauptförderer treu geblie-ben. Neu hinzu kommen Förderungen durch die BMW Stiftung Herbert Quandt und die Bertelsmann Stiftung, die eine Patenschaft für einen Trend übernommen hat. Wir verstehen den betterplace lab Trendreport als einen digital-sozialen Seismo-graphen. Nutzt ihn, um euch zu informieren und zu orientieren. Am besten geht ihr noch einen Schritt weiter, experimentiert mit Ideen und setzt Erfolgsbeispiele um. Gemeinsam können wir den notwendigen sozialen Wandel noch produktiver und wirksamer gestalten.

Vorwort

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Making-ofTransparenz ist ein Megatrend. Das betterplace lab macht mit und zeigt glasklar (siehe glasklar/Trendreport online), was beim betterplace lab Trendreport 2013 wie viel gekostet hat.

Konzeption und Layoutca. 6.600 $

Illustrationenca. 300 $ pro Stück

Druckkostenca. 9.200 $

Gestaltung visueller Index ca. 600 $

Papier315 g/m2 Korsnäs White115 g/m2 Munken Print white 15

Einwohner der %nnischen Gemeinde, nach der das Umschlag-papier benannt ist 2.233

Distanz von der %nnischen Gemeinde, in der unser Illustrator wohnt, bis zu unserem Büro in Berlinca. 1.560 km

Kostenloses Seitenplan-Programm, das wir benutzt haben#atplanapp.com

Au#age3.000

Redaktionsschluss15. Mai 2013

Zahl der Arbeitsstunden für den Trendreport on- und o&ine von Dennis, Joana und Kathleen ca. 2.000

Potenzielle Trendreport-Sponsoren, die wir ohne Erfolg ange-sprochen haben 4

Euro, die für Produktion und Versand des Trendreports 2012 gespendet wurden: ca. 1.200 (für diesen Trendreport kann man sich hier bedanken: trendreport.betterplace.org)

Zahl der Case-Schreiber6

4

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InhaltVorwort ' S. 3

Making-of ' S. 4

Übersicht S. 6 !

Der soziale Sektor S. 9 !

Anleitung S. 11 !

1 Digitalanekdoten S. 13 !

Cases S. 17 !

2 Trade statt Aid S. 21 !

Cases S. 25 !

3 Digitalkampagnen S. 29 !

Cases S. 33 !

4 Direkt-Feedback S. 37 !

Cases S. 41 !

5 Digitalskalieren S. 45 ! Cases S. 49 !

6 Doc Handy S. 53 !

Cases S. 57 !

7 Karma statt Kohle S. 61 !

Cases S. 65 !

8 O!ene Innovationen S. 69 !

Cases S. 73 ! / Insight S. 76 !

9 Echtzeit S. 81 !

Cases S. 85 !

10 Bildung für alle S. 89 !

Cases S. 93 !

11 Big Data for Good S. 97 !

Cases S. 101 ! / Insight S. 104 !

12 Datenspenden S. 109 !

Schlusswort S. 115 !

Impressum S.116 !

Förderer S.117 !

Index S. 118 !

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Digital-anekdoten

Gute Geschichten nehmen neue Wege über soziale Netzwerke

und transportieren die eigene Botschaft.

1

Digital-skalieren

Im Internet % nden sich immer mehr Werkzeuge, mit denen Organisa-

tionen wachsen und ihren Wir-kungskreis vergrößern können.

5

Digital-kampagnen

Über Digitalkampagnen kann jeder die Massen für sein Anliegen

mobilisieren.

3

Trade statt Aid

Milliarden Menschen haben kaum Geld aber ein Handy. Sie nutzen

es, um in einem neuen Markt Jobs zu % nden.

2Doc Handy

Mobile-Health-Inno-vationen kommen vor allem aus Afrika lassen

den Westen alt aussehen.

6

Direkt-Feedback

Digital organisiert, werden Begünstigte in Zukunft in Hilfs-

projekten eine aktivere Rolle übernehmen.

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6

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EchtzeitLive-Kommunikation: Wer sich im Internet zu viel Zeit lässt, provo-

ziert Gähnen statt Begeisterung.

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Karma statt Kohle

Immer mehr Organi-sationen bieten ihre Mitmach-Möglichkei-

ten auch online an.

7

Big Data for Good

Wachsende Datenmen-gen werden NGOs zu datengetriebenen Er-

kenntnissen und Entscheidungen verhelfen.

11

Bildung für alle

Das Internet bricht alte Strukturen im Bildungs -sektor auf – online ist das

neue Klassenzimmer.

10

O! ene Innovationen

Ideen-Wettbewerbe: Weil sich Menschen und Ideen übers Internet

einfach koordinieren lassen, nutzen immer mehr Organisati-onen das Wissen der Crowd.

8

Daten-spenden

Je stärker sich Daten als Wirtschaftsgut etablieren, desto näher

rückt auch eine Datenphilan-thropie.

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Bildung Bildung

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So funktioniert der Trendreport

Im Internet sprießen jeden Tag zahlreiche neue digitale Anwen-dungen und Projekte – wie Setzlinge in einem Gewächshaus. Im betterplace lab Trendreport sammeln wir diese digitalen P# änz-chen – wir nennen sie CASES – und leiten daraus TRENDS ab. Auf www.trendreport.betterplace-lab.org haben wir bereits über 450 CASES

zusammengetragen: von der App zur besseren Kuhhaltung bis zur Online-Krisen-karte im Katastrophenfall. Die gesammelten CASES untersuchen wir nach gemeinsamen Merkmalen und Eigenschaften und identi% zieren so neue digitale TRENDS für den sozialen Sek-tor. Wenn wir immer mehr CASES % nden, bei denen die Begünstigten die Gele-genheit bekommen, per Handy Feedback zu Hilfsprojekten zu geben und so die Arbeit der sozialen Organisationen zu verbessern, schließen wir auf den TREND 4/Direkt-Feedback und gucken uns das Phänomen genauer an. Oder wenn sich zeigt, dass NGOs neue Wege ausprobieren, Geschichten zu erzählen und zu verbreiten – dann nennen wir den TREND 1/Digitalanekdoten. Hinzu kommen große TRENDS wie 11/Big Data for Good oder 8/O" ene Innovationen, die als Grundlage in viele weitere TRENDS ein# ießen. Innerhalb der Trendbeschreibungen versuchen wir, sowohl die Perspektive der Geldgeber (Stiftungen, Spender etc.) zu berücksich-tigen als auch jene der ausführenden sozialen Organisationen. Abschließend fassen wir dann die Chancen und Risiken der jeweiligen TRENDS zusammen.Weil die TRENDS unterschiedlich weit entwickelt sind, teilen wir sie in drei Wachs-tumsstadien ein: Am Anfang muss sich noch zeigen, ob junge TRENDS weiter sprießen, später sind schon erste Triebe zu erkennen und schließlich sind sie fast schon ein Baum und kaum auszureißen.

Zwölf TRENDS sind hier versammelt, online erweitern wir den Trendreport stetig. Einige CASES sind so interessant, dass wir ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken. Wenn die Weltbank beispielsweise von einem reinen Geldinstitut zur Wissensbank wird und nun auch Informationen zur weltweiten sozial-politischen Entwicklung verö" entlicht, dann schreiben wir ein sogenanntes INSIGHT und analysieren aus-führlich, welche TRENDS und Mechanismen dahinterstecken, sprechen mit Ex-perten und zeigen, was man aus dem Fall lernen kann.Der Trendreport funktioniert also als Dreiklang aus CASES, TRENDS und INSIGHTS.

PS: Wir kennen uns ja jetzt schon seit dem Trendreport 2012. Deshalb stört es dich ho" entlich nicht, dass wir dich ab jetzt duzen.

S. 97 ! / S. 69 !

S. 37 !

S. 13 !

2. 3.1. Dieser Trend steht am Anfang seiner Entwicklung

S. 104 !

2. Dieser Trend wächst heran

3. Dieser Trend ist etabliert

1.1.1. 2.2. 3.3.

Anleitung

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Und so nutzt du die Trends für deine Arbeit

Viele CASES aus dem Trendreport erscheinen auf den ersten Blick vielleicht speziell. So mag beispielsweise die Frage aufkommen: Was kann ich damit anfangen, wenn in Peru medizinische Fern-diagnose per SMS erfolgt? Oder wenn die Bewohner des Slums Kibera auf einer Online-Plattform von ihrem Leben berichten?

Die Antwort darauf %ndet man, indem man die Idee und ihr Potenzial von der ursprünglichen auf die eigene Situation überträgt. Vielleicht könnte man auch in Deutschland SMS für Feedback-Zwecke nutzen, für sehr junge Mütter, die Fragen zum Umgang mit ihrem Kind haben? Oder ein Projekt ins Leben rufen, das denen online eine Stimme gibt, die sonst nicht gehört werden – zum Beispiel Obdachlosen. Wenn man die Bedürfnisse und Motivationen hinter einer Idee oder einem neuen Produkt versteht, werden die Mechanismen deutlich und lassen sich adaptieren. Deshalb %nden sich auch einige Beispiele im Trendreport, die nicht aus dem klassischen sozialen Sektor stammen (Sproxil) – die aber so gute Ideen sind, dass sie auch im sozialen Sektor einen Platz %nden sollten. Weil das Internet an sich eine immer zentralere Rolle im Leben der Menschen spielt, ist es auch wichtig, dessen allgemeine Entwicklungen wie Schnelligkeit (9/Echtzeit), Transparenz oder Nutzerfreundlichkeit zu berücksichtigen. Auch Organisationen des sozialen Sektors können diese Strömungen nutzen. Wenn dich nun ein Beispiel aus dem Trendreport besonders inspiriert oder du eine Idee hast, mit der du einen Trend konkret anwenden willst – dann probier es aus! Es lohnt sich, denn Trends können über einzelne Experimente hinaus auch die Vi-sion deiner Organisation und deiner Arbeit beein#ussen. Lass dich dazu anregen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bei bestehenden Initi-ativen mitzuwirken. Auf diese Weise können neue Geschäftskonzepte und sek-torübergreifende Partnerschaften entstehen, die dazu beitragen, die Arbeit im sozialen Sektor zu verbessern. Hab den Mut, zu experimentieren und Risiken ein-zugehen – falls du dabei Unterstützung brauchst, zapf all die cleveren Menschen da draußen für gute Ideen an. Denn auch das ist ein Trend (8 / O"ene Innovationen).

Dies ist bereits die zweite Ausgabe des betterplace lab Trendreports. Viele der Trends aus der Ausgabe 2012 sind auch noch heute spannend und werden im Text erwähnt (siehe Trendreport online). Du %ndest alle bisherigen Trends auf www.trendreport.betterplace-lab.org/trends

Anleitung

S. 59 !

S. 81 !

S. 6 !

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„Die Mehrheit der Deutschen ist noch nicht in der digitalen Gesellschaft angekommen“, sagte der Internetforscher und Vizepräsident der Initiative D21, Robert Wieland, im April 2013. Wir fügen hinzu: „Die Mehrheit der deutschen Organisationen des sozialen Sektors ist noch nicht in der digitalen Gesellschaft

angekommen.“ Denn wenn wir nach Innovationen suchen, %nden wir sie oft in Afrika, in den USA, in Asien, Südamerika und einigen europäischen Ländern. Aber kaum in Deutschland. Unser Eindruck: Weltweit ist eine starke Dynamik zu spüren, überall wird mit neuen Apps, Websites oder digitalen Erzählformaten experimentiert. Doch nennenswerte Cases aus Deutschland konnten wir für den Trendreport nur wenige %nden.Wieso zögern deutsche Organisationen, wenn es um neue Internetanwendun-gen geht? Unsere Studie „NGOs im Netz“ zeigt: Es sind besonders die großen Organisationen, die Probleme haben, ihre vielen Mitarbeiter für Online-Kommu-nikation zu begeistern, und die bei Internet-aversen Chefs in der Prioritätenlis-te nicht vorankommen. Kleinere Organisationen wie etwa Viva von Agua oder Shelterbox sind hingegen #exibler und experimentierfreudiger (Unsere Studie: betterplace-lab.org/projekte/digitalisierungsstudie).Trotzdem: Insgesamt mangelt es dem deutschen sozialen Sektor an digitalen Innovationen. Beth Kanter, Social-Media-Guru für NGOs in den USA, nennt jene Organisationen, die noch am Anfang ihrer digitalen Entfaltung stehen, Craw-ler (Krabbler). Diese Organisationen nutzen soziale Medien noch gar nicht und haben auch keine Strategie, um ihr Netzwerk auszubauen. Walker sind schon auf Facebook etc., allerdings ohne Kommunikationsstrategie. Runner und Fly-er sind entsprechend fortgeschritten und haben verschiedene Online-Kanäle ganz oder teilweise auch in die Organisationskultur integriert.Wie viele Organisationen in Deutschland Online-Kanäle wie professionell nut-zen, ist weitgehend unklar – ein Grund, warum das betterplace lab mit dem NGO-Meter ein erstes Benchmarking durchführt. Doch die oben erwähnten wenigen deutschen Cases zeigen, dass es hierzulande nur wenige Runner und Flyer wie etwa Save the Children gibt. Ein Grund für die Zurückhaltung mag die „allgemeine Einstellung“, die „Kul-tur“ in deutschen Organisationen sein. Ein weiterer ist, dass es hier keine pro-gressive Förderlandschaft wie etwa in den USA gibt. Die Omidyar Foundation, die Hewlett Foundation, die Knight oder die Case Foundation sind nur wenige Beispiele für Förderer, die sich der digital-sozialen Entwicklung verschrieben haben. Ausnahmen in Deutschland sollen nicht ungenannt bleiben: Vodafone unterstützt das Zeitspenden- und Mobile-Projekt von betterplace.org und Te-léfónica fördert mit Think Big über digitale Wege das Engagement von Jugend-lichen. Als wir aber beispielsweise SMS-Feedback pilotieren wollten, sagte uns eine Stiftung, dass das noch zu weit vorne sei.

Wie und warum das better-place lab den sozialen Sektor in Deutschland verändern möchte

Der soziale Sektor

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Wir haben zwar kein Geld, mit dem wir Organisationen der Zivilgesellschaft bei digital-sozialen Projekten unterstützen können. Aber wir haben Wissen aggre-giert, das als Inspiration dienen soll. Dass als Motivation dienen soll, mit Inno-vationen zu experimentieren. Sicher, wer experimentiert, kann scheitern. Doch hier denken wir ähnlich wie die Case Foundation (USA) mit ihrer Be-Fearless-Kampagne: Take risks, be bold, fail forward.Denn nur wer sich traut, Neues auszuprobieren, kann lernen. Der Trendreport soll in dieser Hinsicht Mut machen. Die Trends und über 450 Cases (trendre-port.betterplace-lab.org) verscha"en Orientierung und einen ersten Über-blick der Möglichkeiten. Sie zeigen, was andere schon ausprobiert haben und was dabei herausgekommen ist. Der soziale Sektor in Deutschland – NGOs, CSR-Abteilungen, Stiftungen bzw. zi-vilgesellschaftliche Organisationen (ZGOs), wie wir es zusammenfassen – möge sich diese Beispiele anschauen und wenn möglich adaptieren. Wir möchten die ZGOs mit dem Wissen des Trendreports ermutigen, ihre Zurückhaltung bezüg-lich der digitalen Möglichkeiten abzulegen. Im besten Falle lernen die ZGOs da-bei transparent und ö"entlich und somit von- und miteinander.Wir sind optimistisch. Denn im Vergleich zum letzten Jahr steigen die Anfragen nach Workshops und Studien zu Social Media und Internetnutzung für den gu-ten Zweck. Selbst aus Ministerien und großen Institutionen der Entwicklungs-zusammenarbeit wird das entsprechende Wissen nachgefragt.Mit dem betterplace lab Trendreport 2013 verö"entlichen wir unser aktuelles Wissen, auf dass mehr und mehr ZGOs nicht nur in der digitalen Gesellschaft ankommen, sondern sie auch aktiv mitgestalten. Viel Spaß beim Experimentie-ren, Lernen und besserwerden.

Der soziale Sektor

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Digitalanekdoten

Ob als NGO, Stiftung, CSR-Abteilung oder Ministerium: Jeder möchte mit seiner Botschaft möglichst viele Menschen erreichen. Weil das nicht einfach ist, gibt es viele Kommunikations- und PR-Agenturen. Doch auch als kleine Organisation kann man seine Geschichte verbreiten. Digitale Werkzeuge machen es einfacher, seinen eigenen kleinen Film halbwegs professionell zu produzieren, und soziale Netzwerke sind ein kostenloser Kanal der Verbreitung. Wie Geschichten rezipiert und verbreitet werden, hat sich durch die Digitalisierung verändert – man spricht von Digital Storytelling. Während früher nur wenige Produzenten die Mittel hat-ten, um Bücher, Fotos oder Filme zu produzieren und zu verbreiten, kann dies heute jeder Smartphonebesitzer, der Internetzugang hat.

Im Trend Digitalanekdoten tri! t moderne Technologie auf ein uraltes Phänomen. Seit es Sprache gibt, erzählen Menschen sich Geschichten. Diese Geschichten verbreiten sich über das Internet und multimediale Formate heute auf neuen Wegen. Geschich-ten sind wichtig, denn über Geschichten geben Menschen den Dingen einen Sinn. Und weil diese Dinge immer komplexer werden und wir über das Internet mit immer mehr Informationen konfrontiert werden, müssen Geschichten diese abstrakten Zusammen-hänge auf den konkreten Boden der Tatsa-chen zurückholen. Daten und Informationen kann man, wenn man sich bemüht, verstehen. Geschichten aber gehen tiefer.

Digitalanekdoten ! Trend

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Allerdings entspricht der geringe Aufwand meist auch der kurzen Aufmerksamkeits-spanne im Internet. Wenn der Inhalt nicht gerade außergewöhnlich ist (etwa Handy-Videos von Unruhen in Ägypten, Syrien oder Iran), erreicht man mit hochwertigeren Produktionen auch mehr Menschen über einen längeren Zeitraum. So erzählt die erfolgreiche Wasserinitiative charity: water (siehe Yellow Thunder) ihre Geschichten nicht nur inhaltlich und dramaturgisch auf hohem Niveau, sondern investiert auch viel Geld in Kameratechnik und -experten. Damit auch finanziell schwache Grass-root-Organisationen mit professionellen Fotos beeindrucken können, bringen Platt-formen wie PhotoPhilanthropy sozial engagierte Fotografen und NGOs zusammen.

Menschen verstehen Menschen, nicht Organisationenoch im Internet muss man sich nicht auf den einen großen Film oder die eine Kampagne beschränken. Wichtig ist auch, Ge-schichten des Alltags kontinuierlich zu erzählen. Der Trend heißt Digitalanekdoten, weil gerade diese neue Art der täglichen Kom-munikation über Facebook, Twitter und andere Netzwerke in

Form von Geschichtenschnipseln abläuft. Ein Tweet ist maximal 140 Zeichen lang und auch bei Facebook muss die Botschaft pointiert rüberkommen, wenn sie sich in der Flut der Meldungen behaupten soll.Diese Anekdoten haben oft Ka!eeklatschcharakter: Sie sind gerade erst pas-siert, umgangssprachlich formuliert und unterhaltsam. Menschen verstehen Men-schen, und Organisationen bekommen ein Gesicht und werden greifbar, wenn sie die Anekdote des Wasserrohrbruchs oder des verrückten Ka!eevollautomaten erzählen, der immer erst nach einem Schlag auf die Seite funktioniert. Durch solche leicht verdaulichen Geschichten werden die ernsthaften, anstrengenden Botschaften aufgelockert.Der Unterschied zwischen abstrakter Organisation und interessantem Mensch wird an diesem Beispiel deutlich: Die Biographie Mountains beyond Mountains über Paul Farmer, Gründer der NGO Partners in Health, verkaufte sich milli-onenfach, und Umfragen zeigen, dass jeder Zweite, der für Partners in Health spendet, von dem Buch inspiriert wurde. Farmers eigenes Buch über seine Arbeit in der Organisation hat dagegen nur ein paar Tausend Leser gefunden.

Die eigentliche Kunst des Geschichtenerzählens: Unwichtiges aussortieren.ie Kunst ist also, Geschichten so zu erzählen, dass sie für die Zielgruppe oder darüber hinaus einen Mehrwert haben, sodass die Menschen die Geschichten weitererzählen. Durch das Wei-tererzählen gewinnen die Geschichten dann an Authentizität und Glaubwürdigkeit. Denn nicht die NGO, die im eigenen Interesse

kommuniziert, sondern quasi neutrale Menschen empfehlen und teilen mit uns Inhalte. Oft sogar Menschen, die wir kennen und denen wir vertrauen. Wer das Handwerk des Geschichtenerzählens beachtet, kann sich in den neu-en Formaten ausprobieren. Über Anwendungen wie Storify lassen sich Tweets, YouTube-Videos und andere Streams auch leicht zu einer stringenten Gesamt-geschichte vereinen. Videos eignen sich grundsätzlich gut, um komplexe Zusam-menhänge verständlich zu machen, und bei YouTube lassen sich auch verlinkte Anmerkungen einbauen. Aber gerade Animationen sind auch mit finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Der Film über betterplace.org wurde ehren-amtlich animiert, würde aber normalerweise rund 15.000 " kosten.Fotos sind nach wie vor wichtig für das visuelle Wesen Mensch, und sie können dank

S. 87 !

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Smartphones von überall authentisch Geschichten mit Live-dabei-Gefühl erzählen. Wenn beispielsweise eine NGO eine Schule einweiht, sollte sie ihren Spendern so zeit-nah wie möglich per Video und Fotos diese Geschichte erzählen. Bei Live-Eindrücken geht es dann auch weniger um die technische Perfektion der Aufnahmen. Der Boom der digitalen Formate bedeutet aber nicht, dass Druckerzeugnisse aussterben. Das haptische Erlebnis eines hochwertigen Heftes wirkt meist sogar langfristiger und verbindlicher. Allerdings sind gedruckte Geschichten meist auch teurer.Egal ob digital oder analog: Wichtig ist, dass die Rezipienten Möglichkeiten ha-ben, sich mit der Geschichte zu identifizieren. Setzt sich eine NGO beispielswei-se für blinde Mütter in Indien ein, so besteht zunächst das Problem, dass die meisten potenziellen Unterstützer keinen Zugang zu dem Thema haben, weil sie selbst keine blinde Mutter sind. Es muss also Relevanz und Verständnis geschaf-fen werden. Das funktioniert am besten, indem das Problem auf Einzelschicksale heruntergebrochen und anschaulich gemacht wird. Anekdoten über Alltagssitua-tionen einer blinden Mutter scha!en Nähe und sind verständlicher als abstrakte systemische Gesamtzusammenhänge des Phänomens „Blinde Mütter in Indien“. Diese Reduktion von Komplexität ist wichtig, damit Menschen ein Problem als lösbar betrachten und entsprechend handeln, weil sie Teil der Lösung sein wollen.

Mit leichter Kost locken, um an schwere Themen heranzuführenomplexitätsreduktion ist also einerseits wichtig, um gehört zu werden. Andererseits ist sie auch immer eine Gratwanderung: Was kann ich weglassen, ohne dass der Kern der Geschichte ver-zerrt wird? Die Kony2012-Kampagne ist ein Paradebeispiel für Komplexitätsreduktion. Doch für die Gleichung „Uganda minus

Kony gleich alles wird gut“ hat die NGO Invisible Children viel Kritik einstecken müssen. Sie hat aber auch so viele Menschen wie nie zuvor mit einem Thema in Kontakt gebracht, das speziell und schwer zugänglich ist.Doch Organisationen können ihre Geschichten nicht nur professionell erzählen und verbreiten. Sie können auch Geschichten von ihren Unterstützern und Unter-stützten sammeln. Besonders die Anekdoten der Hilfsempfänger bergen ein großes Lernpozential. Über Expertendialoge und Feedback-Formulare können diese Men-schen kaum erreicht werden. Wenn man sie aber einfach ihre Geschichte erzählen lässt, bekommen die Organisationen wertvolle und tiefer gehende Erkenntnisse. So hat Global Giving 36.000 Geschichten von Begünstigten gesammelt, aufbereitet und ausgewertet. (Mehr zu diesem „Story-Hearing“ im Trend Direkt-Feedback.) Mit Geschichten lassen sich aber nicht nur Unterstützer, sondern auch Unterstütz-te erreichen. In Kenia klärt das Projekt I-Call die Bevölkerung mit SMS-Seifenopern zu Themen wie Gesundheitsvorsorge oder Umweltschutz auf. In Geschichten verpackt kommt das Wissen nicht von oben herab, sondern wird unterhaltsam zugänglich und von den Menschen auch gewollt.

Chancen

Glaubwürdigkeit und Ö!entlichkeit.

etc.), aus denen Organisationen lernen können (Welche Geschi-chten funktionieren besonders gut?).

kostenlos.

S. 19 !

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Risiken

Filmen und Fotografieren erfordern entsprechende Grund-kenntnisse und redaktionellen Aufwand.

Geschichten finden. Sonst droht ein Übermaß an Oberfläch-lichkeit.

-bar. Zwar lassen sich Klicks und Kommentare zählen – das daraus resultierende Engagement aber nur indirekt.

FazitStiftungen, CSR-Abteilungen und NGOs nutzen das Potenzial ihrer Geschichten bislang kaum. Chris Hughes, Facebook-Mit-gründer und Mastermind des Obama-Online-Wahlkampfes, gab als maßgeblichen Grund des Scheiterns der von ihm gegründeten Plattform Jumo an, dass die NGOs nicht die Art von Geschichten erzählen könnten, die Unterstützer begeistern und binden. Doch besonders soziale Organisationen müssten so viel zu erzählen haben von ihrer Arbeit mit Menschen – emotionale, packende und dringende Geschichten. Doch das Handwerk will gelernt sein. Für die meisten NGOs würde es sich aber durchaus lohnen, in Digital Storytelling zu investieren: Junge Menschen haben ei-nen guten Zugang zu den Tools, andere können Grundlagen in Schreibworkshops vermitteln (wie in diesem How-To-Digitalan-ekdoten des betterplace lab). charity: water macht es vor, und immer mehr NGOs erzählen online – nicht nur Erfolgsgeschichten (siehe Produktiv scheitern/Trendreport online). Denn über kontinuierliche Digitalanekdoten bleibt eine NGO im Bewusstsein ihres Unter-stützerkreises, zeigt, dass sie auch nur aus Menschen besteht, und scha!t so Nähe und Glaubwürdigkeit.

Digitalanekdoten ! Trend

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Das Storytelling-Projekt von Ärzte ohne Grenzen ist eine virtuelle Reise durch sieben reale Slums. Die medizinische Nothilfe-Organisation betreibt dort Gesundheitsprojekte und will mit dem Mul-

timedia-Projekt das Leben in den Slums greifbar machen. Zum ersten Mal in der Geschichte lebt mehr als die Hälfte der Welt-bevölkerung in Städten. Die schnelle und dauerhafte Urbani-sierung führt dazu, dass bestehende Slums anschwellen und in vielen Städten neue Siedlungen aus Wellblechhütten und Plas-tikverschlägen entstehen. Die Lebensbedingungen sind oft sehr schlecht. Es gibt kein sauberes Trinkwasser, kaum Toiletten oder Zugang zu medizinischer Hilfe. Als Besucher der Website Urban Survivors kann man durch Filme, Soundschnipsel, Sta-tistiken, Interviews und Fotostrecken eine virtuelle „Reise“ in die Slums unternehmen. Über die vielen verschiedenen Kanäle werden interessante Geschichten über die Bewohner erzählt und so alltägliche Probleme aufgezeigt. Auf diese Weise lernen die Nutzer das Leben eines großen Teils der Bevölkerung auf der ganzen Welt kennen, zum Beispiel in Guatemala, Honduras oder Südafrika. Das ist von Profis gemachtes Digital Storytel-ling auf hohem Niveau.

Urban Survivorswww.urbansurvivors.org

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Die Welthungerhilfe macht Landraub zu einem Spiel und zeigt mit einer guten Portion Humor, wie ernst das Thema ist. Bei „das kostet die Welt“ schlüpft der Spieler in die Rolle eines Investors

und möchte möglichst viele Länder in seinen Online-Waren-korb legen. Als ra!gieriger Spekulant muss der Spieler dabei darauf achten, dass die geraubten Länder ertragreiches Acker-land, gute Wasserversorgung und möglichst hohe Korruption aufweisen. Landraub im Kongo lohnt sich beispielsweise rich-tig – dafür gibt es über 2.000 Punkte. Sobald der Warenkorb gefüllt ist, wird der Punktestand angezeigt und der Spieler wird je nach Erfolg als Kleinkrimineller oder Global player in ein Ranking aufgenommen.Gleichzeitig bekommt der Nutzer bei der Auswertung seiner Land-Grabbing-Erfolge Informationen über die Folgen von Landraub: Angefangen beim sinkenden Grundwasserspiegel durch zu hohen Wasserverbrauch bis hin zur Misere der Klein-bauern, die von ihrem Land vertrieben werden. Um dem Spieler nach seinem Raubzug die Möglichkeit zu bieten, selbst etwas zu verändern, wird ihm ein zu seinem Punkteergebnis proportio-naler Betrag angeboten, den er an die Welthungerhilfe spenden kann. Je erfolgreicher der Raubzug, desto höher die Spende!

Das kostet die Welt www.das-kostet-die-welt.de

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In Kenia sammelt das Projekt I-Call lehrreiche Erfolgsgeschichten aus den Bereichen Umwelt und Gesundheit. Dabei wird auf die Basisfunkti-on eines jeden Handys zurückgegri!en – den Spra-

chanruf. Über ein Mailboxsystem entstehen so kleine Seifen-opern, die unter einer kostenlosen Telefonnummer angehört werden können. Per Tastendruck kann der Zuhörer interaktiv dem Verlauf der Story folgen, beispielsweise der Geschichte von Purity, die durch Recycling ihren Lebensunterhalt sichern kann. Am Ende der Story steht also ein Happy End mit Vorbild-charakter, das andere zu ähnlichen Ideen inspirieren soll. Da fast 30 Millionen Menschen in Kenia ein Handy besitzen, kön-nen per Sprachanruf viele Menschen erreicht werden. 2012 hat das Projekt I-Call den deutschen eLearning Award gewonnen.

I-Callwww.common-sense.at/en/mobile-awareness-raising

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Die Base-of-Pyramid (BoP) nimmt ihr Schicksal zunehmend selbst in die Hand: Gemeint sind jene zwei bis vier Milliarden Menschen, die weniger als zwei US-Dollar am Tag zur Verfügung haben und bislang in unternehmerischen Wert-schöpfungsketten vernachlässigt wurden. Diese Menschen zählen auch zu den Hilfsempfängern der NGOs bzw. des sozialen Sektors und der Entwicklungszu-sammenarbeit. Doch entstehen immer mehr neue Geschäftsmodelle, die es sich zunutze machen, dass diese Zielgruppe zwar eine geringe individuelle Kaufkraft hat, aber aggregiert einen Massenmarkt darstellt, für den es sich lohnt, Produk-te und Dienstleistungen zu entwerfen. Viele BoP-Konzepte richten sich an arme Menschen als Kunden, z. B. indem man ihnen kleine Packungen Haarshampoo oder Waschpulver verkauft oder ihnen einen Mikrokredit gibt, mit dem sie eine Bewässerungsmaschine kaufen können.

Digitale Technologien bergen ein großes wirtschaftliches Potential für arme Bevölke-rungsgruppen. Dank Internet und Mobil-funk können viele derer, die wir bislang die Begünstigten nennen, ihre Interessen selbst in die Hand nehmen und sich von Hilfs-strukturen und NGOs emanzipieren. Men-schen, die bislang aus Wirtschaftskreis-läufen ausgeschlossen waren, bekommen nun durch digitale Technologien Zugang und können ihre Lebensverhältnisse eigenver-antwortlich verbessern.

Trade statt Aid Trade statt Aid ! Trend

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Schon Jack Welch, ehemaliger Chef von General Electric, sagte: „Control your own destiny. Or someone else will.“ Ebendiese Selbstbestimmung ermöglichen BoP-Ideen, die arme Bevölkerungsgruppen integrieren, so dass sie ausreichend Einkommen erwirtschaften können. Beispielsweise bietet das Sozialunternehmen Solar Sisters Afrikanerinnen ein Solar Start Kit, welches sie nach einer Schulung und mit Marketing-Unterstützung in ihren Netzwerken an Nachbarn, Familie und Freunde vertreiben. Modell: Tupperparty für Solarenergie.

Ansätze wie diese werden auch von Entwicklungsökonomen unterstützt, denn Jobs sind ein besseres Instrument zur Armutsbekämpfung als Hilfeleistungen. Bezahlte Arbeit führt zu einer Reihe positiver Folgen: Sie macht Menschen unabhängig, gibt ihnen Würde, spornt an, eigene Fähigkeiten weiterzuentwickeln, und stärkt die Kaufkraft im Land. Untersuchungen bestätigen, dass Arbeit der wichtigste Hebel ist, um Fami-lien aus der Armut zu holen (s. Buch Poor Economics). Auch die etablierte EZ sucht immer mehr nach marktwirtschaftlichen Ansätzen, um Armut zu beseitigen. So star-teten Devex und USAID die Online-Community Devex Impact, auf der sich über 4.000 Entwicklungsexperten und Unternehmer austauschen und Kooperationen initiieren.

Online Zugang zu Mikrokrediten und Vorfinanzierungnternetplattformen wie Kiva, MyC4 oder Zafén vermitteln Mik-rokredite an Kleinunternehmer, die damit wichtige Investitionen tätigen können. Von dem Billiardtisch für eine Kneipe in Baku, der den Umsatz steigern soll, bis zur Nähmaschine für eine Township-Bewohnerin im südlichen Afrika unterstützen mittlerweile schon

Millionen von sozialen Investoren über solche Online-Plattformen Menschen dabei, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Auch Crowdfunding- und Spendenplattformen wie Kickstarter, Indiegogo oder betterplace.org werden von Kleinunternehmern genutzt, um Startkapital zu sammeln oder Produkte vorfinanzieren zu lassen.Besonders Handys haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, Menschen aus der Armut zu holen. Mehrere Studien zeigen, dass mit der Zahl der genutzten Mo-biltelefone in einem Land auch dessen Bruttoinlandsprodukt wächst (das Tempo ist besonders in Entwicklungsländern hoch). Viele Entwicklungsexperten sehen in Mobiltelefonen das wohl wichtigste Entwicklungswerkzeug. Allein in Afrika haben bereits 80 Prozent der Menschen ein Handy, Prognosen gehen davon aus, dass es 2017 über eine Milliarde Handynutzer auf dem Kontinent geben wird. Und Herstel-ler wie Huawei entwickeln günstige Smartphones für diesen Markt: Es wird davon ausgegangen, dass diese Modelle 2016 einen Anteil von 43 Prozent weltweit haben.

Mobilfunk revolutioniert unternehmerisches Handelnm Zuge des Trends Trade statt Aid werden Mobiltelefone fürs Banking, die Vergabe von Krediten, den Abschluss einer Versi-cherung oder die Verbreitung von aktuellen Marktinformationen genutzt. Das Vorzeigeland für mobiles Banking ist Kenia mit dem SMS-Bezahl-Service M-Pesa. Mittlerweile können mehr als 15

Millionen Kenianer über ihr mobiles M-Pesa-Konto Geld transferieren. So haben Menschen, die bislang als „unbanked“ galten, da herkömmliche Banken zu hohe

Die Zeit der passiven Hilfeempfänger ist vorbei

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Gebühren und Sicherheiten für die Erö!nung eines Kontos verlangen, erstmals Zugang zum Finanzsystem. Auch in Asien gibt es immer mehr Mobile-Banking-Angebote, etwa die Dutch Bangla Bank in Bangladesch. Weil dort mehr als die Hälfte der Menschen ein Handy hat, wuchs die Zahl der Kontoinhaber unter den Einkommensschwachen von 13 auf 33 Prozent. Auch Versicherungsleistungen stehen dank digitaler Technologien armen Zielgruppen vermehrt zur Verfügung. So können kenianische Kleinbauern bei Kilimo-Salama eine kostengünstige Versi-cherung gegen Ernteausfall abschließen.

Kühe per SMS managennformationstransfer per App oder SMS wird immer populärer. So bietet die App iCow, entwickelt von einem ostafrikanischen Bau-ern, Zuchtinformationen für Kühe. Der Nutzer registriert seinen Viehbestand bei iCow und erhält SMS, die ihn an Impftermine und Melkzeiten erinnern sowie wertvolle Information zu Futter und

Zucht beinhalten. iCow wurde als Alternative zu Hilfsleistungen, die die Bauern sonst erhalten hätten, mit Unterstützung einer englischen Stiftung entwickelt. Dessen Geschäftsführer schreibt: „Farmers have been empowered to improve their own lives through accessing critical agricultural information as opposed to depending on aid“.Immer mehr digitale Dienste bieten Informationen für Bauern und Händler an. Reuters Market Light versorgt Millionen indische Bauern für 90 Cent im Monat mit Informationen zu Wetter und aktuellen Marktpreisen sowie mit Saat- und Ernteanleitungen. Ein indischer Bauer, der auf Mittelsmänner angewiesen ist, die seine Ware zum nächstgelegenen Markt bringen, kennt so den Durchschnittspreis für das Kilo Getreide, das er gerade geerntet hat, und kann vom Zwischenhänd-ler nicht mehr so leicht übers Ohr gehauen werden.

Das Internet als Jobhighwayber Samasource können Menschen weltweit und unabhängig direkt von ihrem Wohnort digital für Firmen arbeiten. Auf der Plattform verö!entlichen IT-Unternehmen wie eBay oder Lin-kedIn Mikrojobs, etwa das Taggen von Bildern, die u. a. von Bewohnern des größten Flüchtlingslagers Dadaab in Nordke-

nia erledigt werden. Auch in Industriestaaten gibt es mittlerweile Plattformen für Mikro-Jobs. Auf Taskrabbit werden in den USA meist lokal ausgerichtete Alltagsjobs – vom Einkaufen über den Zusammenbau eines Ikearegals bis zum Gassigehen mit dem Hund – ausgeschrieben und gegen geringe Bezahlung von Interessierten erledigt.

Chancen Digitale Medien, mit deren Hilfe Jobs und Infrastrukturen für Handel gescha!en werden, sind für Geldgeber und NGOs be-sonders förderungswürdig. Eine technologische Infrastruktur für Trade statt Aid gibt es in den meisten Ländern schon, sei es über weitverbreitete Mobil-telefone oder kommunale Internet-Kioske. Die Kosten für digitale Medien sinken, die Kommunikations-infrastruktur wird weiter ausgebaut. In vielen Fällen bieten sich Kooperationen mit Akteuren aus der Telekommunikationsindustrie an, die die erforderlichen Budgets bereitstellen können und mittelfristig selbst von den

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geknüpften Netzwerken und dem Imagegewinn profitieren. Geldgeber aus dem sozialen Sektor und der EZ können die An-schubfinanzierung für Trade-statt-Aid-Projekte bereitstellen.

Oft werden die spannendsten Trade-statt-Aid-Projekte in Ent-wicklungsländern selbst entwickelt. Technologieexperten und Unternehmer vor Ort wissen am besten, welche digitale Infra-struktur benötigt wird. Über direkte Feedbackschlaufen zwi-schen Tech-Unternehmern und Nutzern können die Angebote passgenau weiterentwickelt werden.

Risiken Nicht jeder Mensch ist ein Unternehmer und bereit, Risiken einzugehen und flexibel seine Dienstleistungen an die Nachfra-ge anzupassen. Die gemischte Bilanz der Mikrokredite zeigt, dass Trade statt Aid kein Allheilmittel ist. Studien haben gezeigt, dass viele Mi-krokredite nicht in den Unternehmensaufbau, sondern in das Stopfen von Löchern (Medizin in ärztlichen Notfällen, Schul-geld etc.) fließt. Um einen e#zienten und gerechten Handel zu ermöglichen, muss das Welthandelssystem umgebaut, d. h. protektionistische Maß-nahmen vor allem der USA und Europa abgebaut werden. Dies ist in Industriestaaten ein solch massives Politikum, dass ein schneller Umbau unrealistisch erscheint.

FazitDer soziale Sektor tut viel Gutes. Besonders nach Katastrophen sind NGOs und Nothilfe unverzichtbar. Doch bei der Bekämp-fung „allgemeiner Armut“ führen Spenden und Sachgeschenke auch zu Abhängigkeitsverhältnissen. Genau das Gegenteil, näm-lich Selbstständigkeit, kann erreicht werden, wenn Menschen Möglichkeiten bekommen, ihr eigenes Geld zu verdienen. Es gibt zwar nicht zwei Milliarden o!ene Stellen, die die Ärmsten nur per SMS annehmen müssen. Aber über Mobilfunk und Internet entstehen Infrastrukturen, die so günstig nutzbar sind, dass sie auch im Mikrobereich und bei kleinen Beträgen den Austausch von Angebot und Nachfrage ermöglichen. So kann an der Base of the Pyramid ein gewisser Wohlstand entstehen. Diese selbst erarbeitete Lebensverbesserung wirkt auch psychologisch besser (Stolz) als „Almosen“. Besonders der weitverbreitete und auch in armen Ländern viel genutzte Mobilfunk treibt den Trend Trade statt Aid weiter voran. Noch wird viel experimentiert, aber mehr und mehr Dienste überleben, da sie wirtschaftliche Probleme der „kleinen Leute“ lösen und sich dann groß verbreiten.

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Bei Kilimo Salama („sichere Ernte“) können Kleinbau-ern ihr Saatgut gegen Dürre oder Überschwemmung unkompliziert versichern. Bereits zusammen mit dem Saatgut können die Versicherungen für zusätzliche

fünf Prozent des Kaufpreises erworben werden. Das heißt, die Bau-ern müssen nicht erst mit Versicherungsvertretern verhandeln. Ist die Versicherung in Kraft und der Bauer als Kunde regist-riert, beobachten solarbetriebene Wetterstationen die Klimaver-hältnisse in seiner Anbauregion. Wenn es dann zu wenig oder zu viel Regen gibt, erhält der Bauer über M-Pesa automatisch eine Zahlung, die ihn für die Kosten seines Saatguts entschädigt.Kilimo Salama nutzt also gleich eine Reihe von Innovationen und spart am Administrationsaufwand; Kontrollbesuche, Scha-denserhebungen und langwierige Abrechnungen entfallen. So wird die Versicherung auch für Kleinbauern, die gerade mal ein paar Felder bewirtschaften, erschwinglich: 2012 waren in Kenia und Ruanda bereits 73.000 Bauern versichert. Außerdem setzt das Projekt auf Nachhaltigkeit: Die Informationen der Wetterstationen werden ausgewertet, um Erkenntnisse zu regi-onalen Wettertrends zu sammeln. Mit diesen Informationen, die per SMS verbreitet werden, können sich die Bauern besser auf die Klimaentwicklung einstellen und ihre Ernte entsprechend planen.

Kilimo Salamakilimosalama.wordpress.com

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Die App gibt Bauern in Kenia per SMS Tipps zur Kuhhaltung. Nachdem jede Kuh einzeln registriert wurde, bekommen die Bauern SMS oder Voicemail-Nachrichten, die sie etwa daran erinnern, wann sie

ihre Kühe melken oder impfen sollten. Auch bietet iCow Infor-mationen über regionale Tierpfleger, künstliche Befruchtung, oder allgemeine Hilfe zur Vieh-Fütterung und besseren Milch-produktion – ein einfacher Weg zu mehr Nahrung in ländlichen Gebieten. Die App ist so gestrickt, dass die Nutzer dafür kein Smartphone brauchen und auch nicht lesen können müssen. Sowohl die Dateneingabe als auch die Auswertung funktionie-ren auch per Sprachnachricht.Von der kenianischen Bäuerin Su Kahumbu initiiert und von der britischen Stiftung Indigo Trust unterstützt, soll iCow den Bauern zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. Nur neun Wochen nach dem Start von iCow nutzten schon über 100 Bauern die App, 2010 gewann sie den Wettbewerb Apps4Africa.

iCowwww.icow.co.ke

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Cellbazaar ist ein virtueller Marktplatz in Bang-ladesch. Per Handy wird dort alles Erdenkliche verkauf und gekauft – von Haustieren oder Reis-saat über Computerteile bis hin zu Autos. Es gibt

auf dem digitalen Basar aber auch diverse Dienstleistungen, zum Beispiel Sprachunterricht und Job-Angebote. Der Service ist kostenlos und funktioniert ähnlich wie eBay-Kleinanzeigen, nur über SMS. Sowohl Ankauf als auch Verkauf werden über einen SMS-Fragenkatalog abgewickelt, der die Details des Pro-dukts bestimmt. Für Käufer und Verkäufer ist von Vorteil, dass mit Cellbazaar über die normalen Nachbarschaftskreise hinaus gehandelt werden kann, auch ohne Internetzugang oder teu-re Zeitungsanzeigen. So werden die Preise über Angebot und Nachfrage geregelt – unabhängig vom Standort der Ware. Die meisten Cellbazaar-Angebote sind aus Bangladeschs Haupt-stadt Dhaka, aber das Netzwerk erstreckt sich auch über andere Städte des Landes.Der Anbieter von Cellbazaar, Grameenphone, ist Marktführer in Bangladesch und erreicht deshalb große Teile der Bevöl-kerung. Die Umsetzung in Ländern, wo es viele verschiedene Telekommunikationsanbieter gibt, wäre vielleicht schwieriger.

Cellbazaarwww.cellbazaar.com

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Digital-kampagnen

Noch nie war es so einfach und günstig, viele Menschen zu mobilisieren und mit ihnen im Dialog zu bleiben. Fast drei Viertel der Deutschen (54 Millionen) nutzen das Internet, 43 Prozent von ihnen sind in privaten sozialen Netzwerken wie Fa-cebook und Twitter unterwegs (ARD/ZDF-Onlinestudie 2012). Über diese Kanäle lassen sich Petitionen leicht zeichnen und weiterverbreiten – niemand muss mehr mit dem Zettel in der Fußgängerzone stehen und Unterschriften sammeln. Digital-kampagnen passen besser zur heutigen Art der Kommunikation. Während profes-sionelle Kampagnen bisher vor allem aus großen Organisationen kamen, wachsen die Angebote, mit denen auch kleine NGOs E-Petitionen oder komplette Kampa-gnen-Webseiten gestalten können: bewegung.taz.de, Change.org, Avaaz.org, SignOn oder frei zugängliche Kampagnensoftware wie Krautbuster brechen das Monopol der Themensetzung auf. Jedes noch so spezielle Anliegen kann Gehör fi nden.

Online-Botschaften verbreiten sich schnell, günstig und mit etwas Glück sogar viral. Deshalb setzen immer mehr Organisationen auf digitale Kampagnen. Sie nutzen nicht nur zentralisierte Datenbanken, sondern können auch direkter mit ihren Unterstützern kommunizieren. Der Prozess der Meinungs-bildung wird dadurch demokratischer, denn die Zielgruppen gestalten die Kampagnen mit.

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Digital-Digital-kampagnen kampagnen

Noch nie war es so einfach und günstig, viele Menschen zu mobilisieren und mit Noch nie war es so einfach und günstig, viele Menschen zu mobilisieren und mit ihnen im Dialog zu bleiben. Fast drei Viertel der Deutschen (54 Millionen) nutzen ihnen im Dialog zu bleiben. Fast drei Viertel der Deutschen (54 Millionen) nutzen das Internet, 43 Prozent von ihnen sind in privaten sozialen Netzwerken wie Fa-das Internet, 43 Prozent von ihnen sind in privaten sozialen Netzwerken wie Fa-cebook und Twitter unterwegs (ARD/ZDF-Onlinestudie 2012). Über diese Kanäle cebook und Twitter unterwegs (ARD/ZDF-Onlinestudie 2012). Über diese Kanäle lassen sich Petitionen leicht zeichnen und weiterverbreiten – niemand muss mehr lassen sich Petitionen leicht zeichnen und weiterverbreiten – niemand muss mehr mit dem Zettel in der Fußgängerzone stehen und Unterschriften sammeln. Digital-mit dem Zettel in der Fußgängerzone stehen und Unterschriften sammeln. Digital-kampagnen passen besser zur heutigen Art der Kommunikation. Während profes-kampagnen passen besser zur heutigen Art der Kommunikation. Während profes-sionelle Kampagnen bisher vor allem aus großen Organisationen kamen, wachsen sionelle Kampagnen bisher vor allem aus großen Organisationen kamen, wachsen die Angebote, mit denen auch kleine NGOs E-Petitionen oder komplette Kampa-die Angebote, mit denen auch kleine NGOs E-Petitionen oder komplette Kampa-gnen-Webseiten gestalten können: bewegung.taz.de, gnen-Webseiten gestalten können: bewegung.taz.de, oder frei zugängliche Kampagnensoftware wie oder frei zugängliche Kampagnensoftware wie Themensetzung auf. Jedes noch so spezielle Anliegen kann Gehör fi nden. Themensetzung auf. Jedes noch so spezielle Anliegen kann Gehör fi nden.

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Per Digitalkampagne das Internationale Olympische Komitee bezwungenuf der großen Petitionsplattform Change.org (siehe case/Change.org) hat zum Beispiel der sudanesische Marathonläufer Guor Marial eine Petition gestartet, da er vom Internationalen Olympischen Komitee vom Marathon der Spiele 2012 ausgeschlossen werden sollte – Sudan war nicht als o#zielles Land anerkannt. 3.390

Unterschriften später wurde Marial zugelassen. Shanene Thorpe, eine allein-erziehende Mutter, die die journalistischen Methoden der BBC als beleidigend empfand, konnte erreichen, dass der britische Fernsehkanal sich o#ziell entschul-digte. Und die rechtliche Verurteilung des Mörders von Trayvon Martin, einem 19-jährigen Afroamerikaner, wurde von den Gerichten in Florida erst angegangen, nachdem über zwei Millionen Unterstützer eine Petition unterschrieben hatten.Bei professionellem E-Campaigning geht jedoch es um mehr als Petitionen und soziale Medien. Für die Video-Kampagne Kony2012 sammelte Invisible Children jahrelang Kontakte, bevor die Organisation das Video verö!entlichte: Mit einer Datenbank von über 200.000 Unterstützern war das anfängliche Multiplikations- und Verbreitungspotenzial sehr hoch. Dieses Verbreitungsprinzip ist bewährt. Eine Woche bevor der Protest gegen die Internet-Regulationsgesetze SOPA in den USA startete, bereiteten SalsaLabs eine Datenbank mit über 400.000 Kontakten vor, die auf ihre Region zugeschnittene Mails bekamen, in denen aufgefordert wurde, den eigenen Senator anzuschreiben. Der Rücklauf war so stark, dass bis zu 60.000 neue Kontakte täglich einflossen und insgesamt 1,7 Millionen E-Mails an die regional zuständigen Senatoren gesendet wurden. Doch massenweise E-Mails an Politiker zu schicken ist nicht immer sinnvoll. Campact, Deutschlands größte Online-Petitions-Plattform, hat beispielsweise festgestellt, dass Massen-Mails an Politiker auf Bundesebene oft eher negativ wirken. Landes- und Regionalpoli-tiker hingegen sind bemüht, auf die Forderungen ihrer Gemeinde einzugehen.

Mit dem Bildschirm auf dem LKW Nestlé in Frankfurt die Mei-nung twitternbwohl online vieles e#zienter geht, bleibt es eine Herausforde-rung, auf Online-Wellen zu reiten. Denn hier wird in beide Rich-tungen kommuniziert, und es muss Aufwand in Kauf genommen werden, um den Dialog mit den Unterstützern zu managen. Das kann vor allem in kleinen Organisationen phasenweise zu Über-

stunden führen. Doch die Vorteile überwiegen meist: Potenzielle Unterstützer fühlen sich gehört bzw. wertgeschätzt, und treue Unterstützer bleiben aus den gleichen Gründen verbunden.Da einfache Klicks nicht besonders verbindlich sind, sollten Digitalkampagnen auch immer in ein O$ine-Engagement münden bzw. eine O$ine-Komponente haben, da auch gerade Fotos von Ereignissen aus der „echten“ Welt besser für die Pressebe-richterstattung taugen. So hat Greenpeace beispielsweise 2010, nachdem Néstle nicht auf Waldrodungskritik reagiert hatte (das blutige Kit-Kat-Video), vor der Néstle-Zentrale in Frankfurt eine Live-Twitterwall auf einem LKW installiert. Verbraucher konnten so über eigene Twitter-Meldungen ihre Botschaft direkt an die Konzern-zentrale senden. Zwei Monate später übernahm der Konzern Mitverantwortung für die Waldrodung.

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Während NGOs verhandelten, sammelte Avaaz 1 Million US-Dollar Spenden für Burmaiedrigschwelliges Online-Engagement wurde lange Zeit etwas ab-schätzig als Klicktivismus oder Slacktivismus bezeichnet. Eine Aktion oder Kampagne anzuklicken oder weiterzuleiten sei kein wirkliches Engagement, heißt es immer wieder auf Fachkonferenzen. Ricken Patel von der großen Petitionsplattform Avaaz (20 Millionen Mitglie-

der in 194 Ländern) findet die Idee eines Klicktivismus unsinnig. Gandhi praktizierte auch keinen Walkivismus, nur weil er Märsche als politisches Mobilisierungswerkzeug einsetzte. Die Erfahrungen bei Avaaz würden zeigen, dass Online-Aktivismus wie ein Katalysator wirke, der dazu führt, dass Menschen spenden, auf die Straße gehen oder sich in einer lokalen Initiative engagieren. So sammelten Avaaz-Mitglieder, nachdem 2008 große Teile Burmas von einem Zyklon verwüstet worden waren, innerhalb einer Woche eine Million US-Dollar, die sie direkt an burmesische Mönche weitergaben. Diese Agilität der neuen, digitalen Organisationen ist ein wesentliches Unterschei-dungsmerkmal zu älteren, relativ trägen Organisationen wie Amnesty International. Weitere Unterschiede zwischen Neu und Alt sind, dass die Online-Organisationen:

Mitgliedschaft nicht mehr über zahlende Anhänger, sondern über Empfänger ihrer E-Mails definieren und so wesentlich hö-here Mitgliederzahlen erreichen. kleinere Teams haben, die sie bei Bedarf aufstocken. So arbeiten nur 20–25 Mitarbeiter fest für MoveOn, für besondere Kampa-gnen werden weitere Kurzzeit-Mitarbeiter aktiviert. niedrige Fixkosten haben. MoveOn beispielsweise praktiziert eine radikale Dezentralisierung: Es gibt kein zentrales Büro, und jeder Mitarbeiter arbeitet von zu Hause oder von einem Café aus. Mitarbeiter kommunizieren miteinander via Google-Chat, E-Mail und Handy. eine ausgeprägte Test-Kultur haben. Alternative Test-E-Mails werden zuerst an eine kleine Untergruppe versandt. Die Vari-anten mit guten Ö!nungs- und Click-Through-Rates gelangen dann an alle Mitglieder.

Wird klicken langweilig? Aktionen auf der Straße dürfen nicht vernachlässigt werdeninerseits ist klar, dass jeder Klick auf eine Petition und jede Wei-terleitung einer Webseite oder eines Blogeintrages die Reichwei-te einer Kampagne vergrößert. Andererseits gibt es den Wunsch nach Entschleunigung. Es sei zwar gut und notwendig, dass es verschiedene Mitmachangebote gebe, aber „immer mehr Men-

schen suchen nach Angeboten, die nicht auf ‚schnell mal mitmachen‘ abzielen, sondern auf intensivere Kontakte setzen“, so Matthias Fellner von der Kampag-nenberatung Firmamente. „Die Leute wollen sich wirklich als Teil von etwas füh-len und nicht nur als Ressource genutzt werden.“Chris Rose, Autor des Standartwerks „How to Win Campaigns“, schrieb uns, es sei auch eine Frage der Aufmerksamkeitsspanne. Die Anzahl an Beteiligungsmöglichkei-ten im Internet bleibe begrenzt, das sei ein Nullsummenspiel. „In den 80- und 90er-Jahren merkten Campaigner, dass intensive Berichterstattung in konventionellen Medien nur begrenzt wirkt. Ganz ähnlich werden nun nach anfänglicher Begeiste-rung für das Internet direkte Aktionen in der physischen Welt immer mehr gefragt.“

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Chancen Mit Kampagnensoftware können auch kleine NGOs schon bei kleinen Kampagnen viele neue Kontakte gewinnen. Durch Kontaktdatenbanken kann gezielt mobilisiert werden, um gesellschaftliche Veränderung schnell, massenhaft, aber ziel-gruppengerecht zu befördern. Es gibt immer mehr Angebote, mit denen man auch mit wenig Know-how eine eigene Petition oder gar komplette Kampagnen-website aufbauen kann. Unterstützer, die wenig Zeit für gesellschaftliches Engagement haben, können sich an niedrigschwelligen Aktionen beteiligen. Viele der Kampagnenanwendungen sind kostenlos und mitei-nander kompatibel.

Risiken Die kontinuierliche Arbeit mit neuen Medien und der regel-mäßige Dialog mit Unterstützern können personal- und damit kostenintensiv werden. Man sollte sich fragen, welche der neuen technologischen Werk-zeuge man wirklich braucht und welche eher Spielereien sind.

Online-Werkzeuge für die Massen garantieren noch nicht, dass auch die schwer vermittelbaren Themen ankommen. Wenn sich eine Online-Diskussion verselbstständigt, kann der Diskurs an Kraft ge-winnen, aber von den Zielen der eigenen Organisation abweichen. Die Macht technologischer Mittel wie Online-Petitionen hängt davon ab, ob es gesellschaftliche Systeme gibt, durch die Ver-änderung möglich ist.

FazitDas Internet kann zur breiten Mobilisierung genutzt werden. Die Herausforderung für Stiftungen, NGOs, CSR-Abteilungen oder Privatpersonen liegt darin, zentrale Kontaktdatenbanken e!ektiv zu nutzen und dabei eine tiefere persönliche Bindung mit den Unterstützern herzustellen. In Zukunft werden einzel-ne große Organisationen weiter massenhaft mobilisieren, viele kleine Organisationen werden parallel aber auch tiefer gehendes Engagement ermöglichen. Dabei gilt es, verschiedene Mitmach-Möglichkeiten anzubieten und die Balance zwischen Professio-nalisierung und Mobilisierung „von unten“ zu finden. Wird aus Kampagnen eine soziale Bewegung, verliert die Ursprungs-Or-ganisation darüber die Kontrolle und kann den direkten Erfolg nicht mehr messen, hat aber die Leidenschaft für breite gesell-schaftliche Veränderung geweckt.

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Zu Beginn der How-big-is-yours-Kampagne, die in der Türkei lief, verö!entlichte Greenpeace ein Video, in dem sich ein Promi-Paar im Bett darü-ber unterhielt, „wie groß denn deiner“ sei. Erst am

Ende des Films wurde klar, dass es dabei um einen Fisch ging. Das war so witzig, dass sich das Video viral verbreitete. Weite-re Kampagnenelemente waren Gratis-Lineale zum Testen der Fischgrößen in Restaurants und auf Märkten. Es gab auch ein Smartphone-Spiel mit dem Titel „Make my Fish“, das einen Fisch so lange wachsen ließ, bis er die fanggerechte Größe erreicht hatte. Außerdem wurde während der Kampagne die Handy-App Foursquare eingesetzt. Die Aktivisten checkten mit Foursquare in über 1.000 Fischrestaurants ein. Die so versendeten Meldun-gen legten eine virtuelle Spur zur Kampagne. Aber auch eher klassische Kanäle spielten eine Rolle: Mit einem Klick konnten die Aktivisten ein vorgefertigtes Fax an das zuständige Minis-terium senden. Bis zu 13.000 Faxe kamen so zusammen. Insge-samt erreichte die Kampagne etwa 720.000 Menschen.

How big is yours www.kacsantim.org

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Auf Change.org suchen Internetnutzer aus aller Welt Unterstützung für ihre Anliegen. Zum Bei-spiel die Mutter aus Berlin -Prenzlauer Berg, die sich für eine Familienkasse ohne Zigaretten und

Gummibärchen im Supermarkt einsetzt. Mit Erfolg: Die Kai-sers-Filialen in Berlin setzen die Idee um. Auch Anliegen mit internationaler Reichweite werden auf Change.org als Peti-tionen verbreitet: Durch eine Initiative der Journalistin Hani Yousuf wurde die Aktivistin Malala Yousafzai, die in Pakistan von den Taliban schwer verletzt wurde, für den Friedensnobel-preis nominiert. Diese Geschichten zeigen: Während früher nur wenige Menschen die Ressourcen hatten, große Kampagnen zu starten, ist Change.org heute eine Möglichkeit, kostenfrei und schnell Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Petitionsplattform hat weltweit mittlerweile 25 Millionen Nutzer (rund 500.000 in Deutschland). Jede Woche werden in Deutschland rund 65 Petitionen gestartet. Weltweit werden auf Change.org 15.000 Petitionen pro Monat gestartet, von denen im Schnitt 9,6 pro Tag als „erfolgreich“ gemeldet werden – das entspricht einer Quote von knapp zwei Prozent.

Change.orgwww.change.org

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Krautbuster ist eine Software aus der Kampagnen-schmiede Campact. Die Open-Source-Software wird stetig weiterentwickelt und auf die Bedürf-nisse von NGOs zugeschnitten. Mit Krautbuster

kann man Webseiten gestalten, Unterstützerprofile anlegen, Newsletter versenden und einen strategischen Userflow ein-richten. Mit einem guten Userflow oder einer Userjourney holt man die Internetnutzer in ihrem Klickverhalten so ab, dass sie möglichst viele Informationen bekommen: Klickt der Nutzer auf ein fünfminütiges Info-Video, wird ihm im Anschluss eine Petition gezeigt, die zu weiteren Informationstexten führt. Wei-tere Funktionen sind eine besonders hohe Datensicherheit für Aktivisten, ausgiebige Analysen der Wirksamkeit und die Ein-bindung verschiedener externer Anwendungen. Krautbuster bedient drei Anwendungsfälle: Es kann sowohl in Websyste-me wie Drupal und Typo3 eingebunden oder als Hauptsystem genutzt werden. Krautbuster ist seit August 2012 bei Campact im Betrieb. Im Januar 2013 ist die Pilotphase zum Softwaretest durch andere NGOs gestartet.

Krautbusterwww.krautbuster.org

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Direkt-Feedback

Die 30 sozialen Organisationen waren sich schon 2010 in New York beim Work-shop Markets for Giving einig: Um soziale Arbeit zu verbessern, müssen vor al-lem die Begünstigten stärker eingebunden werden. Oder wie es der Mitarbeiter einer großen englischen NGO formulierte: „Wir brauchen in Hilfsprojekten nicht mehr Geld, sondern besseres Feedback.“Während Wirtschaftsunternehmen durch einen Blick auf die Verkaufszahlen oder anhand von Beschwerden schnell erfahren, ob ihr Produkt oder ihre Dienstleis-tung beim Kunden gut ankommt, ist die Feedbackschleife in der Hilfsindustrie unterbrochen. Bill Gates hat diesen Unterschied im Jahresrundbrief der Gates Foundation 2009 so beschrieben: „Man hat keine Kunden, die einen fertigma-chen, oder Konkurrenten, die einem die Kunden wegschnappen, wenn Dinge falsch laufen. Es gibt keine natürliche Feedbackschleife.“ In den seltensten Fällen

Handys machen stark. Besonders in Entwi -cklungsländern verhelfen sie den Menschen zu einem unabhängigen, selbständigen Leben. Menschen mit Handys sind erreich- bar und können direkter ihre Meinung äußern. Diese kostengünstigen Kommunika-tionsmittel geben auch den Begünstigten sozialer Dienstleistungen und Hilfspro-gramme eine Stimme und rücken sie ins Zentrum des philanthropischen Systems. So werden Begünstigte zukünftig im gesamten Projektzyklus eine aktivere Rolle spielen; sie werden ihre Bedürfnisse besser artikulieren und priorisieren, laufende Projekte selbst managen und Ergebnisse mit evaluieren.

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haben Begünstigte die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern von Moskitonet-zen oder Brunnenbauern. Ebenso haben Geldgeber (Spender etc.), die ja Käufer einer Leistung sind, welche die Hilfsorganisationen erbringen sollen, kaum direk-ten Kontakt zu Begünstigten und wissen nicht, ob das „Produkt“ zufriedenstel-lend ist. Aus einer Reihe von Erhebungen geht hervor, dass viele Hilfsangebote nicht angenommen werden und NGOs oft erschreckend schlecht über die Bedürf-nisse ihrer „Kunden“ informiert sind (siehe Case/Flow). Dann liegen Moskitonetze unbenutzt in der Ecke, und Brunnen rotten vor sich hin. Um soziale Missstände beseitigen und Hilfsprogramme e!ektiv durchzuführen zu können, ist es jedoch unerlässlich, dass Begünstigte – seien es die Bewohner eines indischen Dorfes, in dem eine neue Gesundheitsstation aufgebaut wird oder Teilnehmer eines Anti-Rassismus-programms an einer Brandenburger Schule – mit ihren Interessen und Bedürfnissen mehr Gehör finden.

Begünstigte müssen gehört werden – sonst mangelt es an Seifentwicklungspolitische Institutionen fordern schon seit den 90er-Jahren routinemäßig, die Meinungen der Hilfsempfänger stärker zu berücksichtigen. Doch bislang scheiterte eine großflächige Umsetzung in der Praxis. Eine desillusionierende Fallstudie do-kumentiert das Buch „Weit hergeholte Fakten“ von Richard Rot-

tenburg. Und die Agentur Humanitarian Accountability Partnership (HAP), die humanitäre NGOs beim Qualitätsmanagement berät und zertifiziert, kommt zu dem Schluss, dass nur wenige Begünstigte in der Praxis die Möglichkeit haben, sich über die Arbeit einer Organisation zu beschwere und die Partizipations-möglichkeiten stark eingeschränkt sind. So erhielten Frauen nach dem Zyklon Sidr in Bangladesch von der zuständigen Organisation zwei Monate lang keine Damenbinden und Seife, weil niemand sie nach ihren Bedürfnissen gefragt hatte. Auch das Weltbank-Projekt Voices of the Poor, eine Initiative, die in 60 Ländern mit 60.000 Menschen Gespräche geführt hat, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die meisten Empfänger sagen, dass sie den Hilfsorganisationen machtlos aus-geliefert sind und diese nicht dazu bringen können, ihnen gegenüber Rechen-schaft zu leisten.

Digitale Medien als Turbo für Direkt-Feedbackoch die Situation ändert sich mit der wachsenden Verbreitung digitaler Medien. In der Wirtschaftswelt sehen wir, wie Internet-Feedbacksysteme aus dem Boden schießen: Auf Qype bewerte ich das Restaurant, auf eBay den Lieferanten, bei Amazon die Buchautorin, auf Holidaycheck das Hotel, auf Patient Opini-

on den behandelnden Arzt, und auf How is my Feedback kann ich Ratingsites Feedback geben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Evaluationsmechanismen wie Meinungsumfragen oder Fokusgruppen erreichen technologiegestützte Feedback-Kanäle potenziell viel mehr Menschen und sind kostengünstiger und schneller.So ist zu beobachten, wie im sozialen Sektor neue, bislang nicht ö!entlich wirk-same Stimmen Gehör finden. Noch vor wenigen Jahren hätte eine kontraproduk-tive Hilfsaktion wie One Million Shirts unwidersprochen ihren Lauf genommen. Ein gut meinender, aber uninformierter Amerikaner sammelte 1 Million T-Shirts für Bedürftige in Afrika. Übers Internet erfuhr ein ugandischer Blogger davon: Im Laufe des Dialogs konnte der Amerikaner ö!entlich davon überzeugt werden, dass Afrikaner keine alten T-Shirts brauchen. One Million Shirts wurde einge-stellt. Ein weiteres Beispiel: Während des Medienhypes um Kony2012 waren in

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den ersten Tagen nur westliche Aktivisten zu vernehmen. Doch die Artikel von ugandischen Bloggern auf Global Voices und eine von Al-jazeera aufgesetzte Seite gaben den ugandischen Bürgern eine Plattform, von der aus sie sich kritisch zu der Kony-Kampagne der NGO Invisible Children äußern konnten. Die Al-Jazeera-Plattform wiederum bediente sich der Ushahidi-Software, die entstanden war, um die Stimme von Bürgern während des Gewaltausbruchs nach den Wahlen in Kenia 2007/2008 zu verstärken (siehe Ushahidi/Trendreport online).

Begünstigte erzählen in 60.000 Geschichten von ihren Bedürfnissenin großflächiger Versuch, die Meinungen von Begünstigten für NGOs zu nutzen, ist das Storytelling Project (siehe Digitalanekdoten) von Global Giving. In Kenia haben Freiwillige mittlerweile fast 60.000 Geschichten gesammelt, in denen Bürger die Frage be-antworten: „Tell us about a time when a person or an organi-

sation tried to change something in your community.“ Mit dieser o!enen Frage versucht Global Giving herauszufinden, welche Bedürfnisse in den Gemeinden von wem (Kirche, Nachbarn, Politiker, NGOs etc.) auf welche Art und Weise befriedigt werden und welche Hilfsaktivitäten bei der Bevölkerung gut ankom-men. Die Geschichten werden mithilfe der Komplexitätsmanagement-Software Sensemaker analysiert, um Muster und quantifizierbare Ergebnisse zu erhalten. In Zukunft sollen Projektmacher, die über Global Giving Gelder einsammeln, die Ergebnisse ihrer Community präsentiert bekommen und so ein besseres Gespür für deren Belange entwickeln.

Direkt-Feedback als weiteres Evaluationswerkzeugigitale Technologien sind wichtig für die Entwicklung und Ver-breitung von Direkt-Feedback. Noch wichtiger sind die Haltun-gen und Verhaltensweisen jener Institutionen, die das Feedback empfangenen. Diese müssen sich aktiv um die Meinungen ihrer Begünstigten bemühen und auf die geäußerten Bedürfnisse und

Kritiken eingehen. Da die bestehenden Machtunterschiede zwischen Geldgebern und NGOs auf der einen Seite und Begünstigten auf der anderen oft sehr groß sind, kann es eine längere Zeit des Vertrauensaufbaus brauchen, um ehrliche Mei-nungen zu erhalten. Dann kann niedrigschwelliges und schnelles Direkt-Feedback als zusätzliches Werkzeug eingesetzt werden, um soziale Arbeit zu evaluieren.

Chancen Die größere Meinungsvielfalt ermöglicht es, besser Probleme zu erkennen und Bedarfe zu analysieren.

Betro!ene können an Problemlösungen mitwirken. Ressourcen können gezielter verteilt werden. Echtzeitkommunikation ermöglicht es, Missmanagement und Betrug schneller aufzudecken. Geldgeber bekommen authentische Zusatzinformationen zu den Projekten, für die sie gespendet haben.

Die Frage nach der Wirksamkeit von sozialen Projekten kann besser und konkreter beantwortet werden.

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Risiken Es ist schwierig, ehrliches Feedback von Begünstigten zu be-kommen, da der Machtunterschied zwischen NGOs und Emp-fängern groß ist. Die Empfänger wollen den Ast, auf dem sie sitzen, nicht absägen. Organisationen müssen die richtigen Anreizsysteme scha!en, um Feedback zu erhalten.

Von den vielen Pilotprojekten hat bislang noch keines skaliert. Direkt-Feedback darf nicht nur als Technologie verstanden werden, sondern muss integraler Bestandteil der Organisati-onskultur werden. Direkt-Feedback kann für Organisationen eine böse Überra-schung bedeuten: Sie müssen lernen, für Kritik zugänglich zu sein und konstruktiv darauf zu reagieren. Andernfalls droht die Vertrauenskluft zwischen Begünstigten und Organisatio-nen zu wachsen.

FazitDirekt-Feedback mittels Internet oder Mobiltelefonie hat großes Potenzial, die Projektqualität und das Vertrauen zwischen den Stakeholdern (Geldgeber, Mittler/NGOs und Begünstigte) zu verbessern. So können die Begünstigten entwicklungspolitischer Arbeit selbst Auskunft über positive und negative Wirkungen der jeweiligen Programme geben. Momentan werden weltweit viele Pilotprojekte aufgesetzt, doch noch keines ist massentauglich. Das wird sich ändern: Immer mehr Menschen sind es mittlerweile gewohnt, online über alle möglichen Produkte, Dienstleistungen und Institutionen ihre Meinung abzugeben. Diese Erwartungs-haltung wird auch den sozialen Sektor zunehmend prägen und institutionelles Verhalten weltweit verändern. So hat auch die große NGO Plan International nun einen Community-Feedback-Spezialisten eingestellt. Institutionen wie Stiftungen, NGOs oder Unternehmen, aber auch Politiker sollten sich überlegen, wie sie das Feedback ihrer „Kunden“ einbeziehen können.

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FrontlineSMS hilft dabei, Kommunikation und Hilfsleistunegn zu organisieren. Die Open-Sour-ce-Software wurde 2005 von der NGO kiwanja entwickelt, die durch bessere Informations- und

Kommunikationstechnologie die Arbeit von sozialen Organi-sationen weltweit erleichtern möchte. FrontlineSMS kann die Handynachrichten mehrerer Sender und Empfänger bündeln und koordinieren. Laptop und Mobiltelefon werden durch die Software unkompliziert zur Sende- und Empfangsstation umge-wandelt, um damit SMS massenweise zu empfangen oder zu verschicken. Das ist besonders praktisch für die Erhebung von Bedürfnissen der Menschen vor Ort. Umfragen zur Situati-on vor Ort, beispielsweise zu Lebensmittelpreisen oder zur Trinkwasserversorgung, können einfach per SMS an Tausen-de Menschen verschickt werden. Dank der Menge der SMS können Aussagen auch zuverlässig überprüft, bestätigt und verbreitet werden. So hilft die Software in Zimbabwe bei der Aids-Aufklärung und in Nigeria ist sie ein Tool zur Wahlbeob-achtung. Da es in vielen Ländern nur eingeschränkten Zugang zum Internet gibt, aber auch dort fast jeder ein Handy besitzt, hat FrontlineSMS großes Potenzial.

FrontlineSMSwww.frontlinesms.com

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Direkt-Feedback mit Mobiltelefonen wird in der Demokratischen Republik Kongo genutzt, um Zivilgesellschaft und Staat zu vernetzen. Das von der Weltbank initiierte Projekt in der Provinz South

Kivu informiert Bürger mit regional gestreuten SMS und holt sich so Feedback über die Bedürfnisse der Menschen in einem bestimmten Gebiet. So funktioniert’s: Ausgewählte Textnach-richten mit Informationen oder Umfragen werden an alle Handys, die sich in einer Region befinden, versendet, sodass beispiels-weise lokale Versammlungen angekündigt werden können. Per SMS-Umfrage können die Bürger auch über politische Themen in der Regionen abstimmen – die Ergebnisse über die Abstim-mungen werden ohne Umwege an die Zuständigen weiterge-leitet. Außerdem werden ausgewählte Projekte, beispielsweise die Ausstattung des neuen Gesundheitszentrums, durch regel-mäßiges Feedback evaluiert. Das ICT4Gov-Programm scheint gut anzukommen: Mehr als 250.000 SMS wurden bereits im Rahmen dieses Projektes versendet.

Cell Phones for Citizen Engagement wbi.worldbank.org/wbi/stories/cell-phones-citizen-engagement-drc

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Wo kommt Wasser in welcher Qualität aus der Erde? Die o!ene Plattform flow kartiert Brunnen und informiert so über deren Zustand. Zahlreiche Wasserprojekte leiden unter mangelnder E#zienz

und Nachhaltigkeit: Zum Teil funktionieren die Anlagen nicht richtig, werden schlecht gewartet oder fallen aus. Flow will dieser Entwicklung mit besserem Monitoring entgegenwirken. Das Projekt der NGO Water for People setzt dabei vor allem auf Kartismus (siehe Kartismus/Trendreport online) und Direkt-Feedback: Wasserquellen und Brunnen werden auf einer Karte verortet, der jeweilige Zustand ist durch Symbole kategorisiert. Ein Klick drauf zeigt ein Foto und weitere Informationen wie die Zahl der Haushalte, die damit versorgt werden, oder das Baujahr. Mit Mobiltelefonen, die auf Android-Software laufen und mit GPS sowie Google Earth ausgestattet sind, können die Men-schen vor Ort den Zustand von Wasseranlagen überwachen und via Internet kommunizieren. Die Website vermittelt einen detaillierten Einblick über Wasserquellen in momentan elf Län-dern, vor allem in Südamerika und Afrika. Wachstum ist der Website nur zu wünschen, denn die weltweite Kartierung und Beschreibung von Wasserquellen ist wertvoll für die Planung von Entwicklungsprojekten.

flowwww.watermapmonitordev.appspot.com

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Digitalskalieren

Deshalb fällt in den letzten Jahren in NGO- und Sozialunternehmerkreisen das Wort „Skalierung“ immer häufi ger. Unter Skalierung verstehen wir aber nicht nur Wachstum und die Verbreitung von Dienstleistungen und Produkten, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Im Idealfall kommt es zu einem grundle-genden Systemwandel. Indem neue Ideen und Wirkungsmechanismen verbreitet werden, entsteht in der Gesellschaft eine neue progressive Norm.Zur Verbreitung sozialer Innovationen durch digitale Medien gibt es vier ver-schiedene Strategien.

Eine der wichtigsten Fragen, die sich Organisationen des sozialen Sektors stellen müssen: Wie kann ich mich und meine Innovationen, Ideen und Konzepte so ver-breiten, dass sie möglichst vielen Menschen zugutekommen, sich also mein Wirkungs-kreis vergrößert? Denn die meisten Probleme wie Bildungsmangel, fehlende Sanitäran-lagen oder unzureichende Gesundheitsver-sorgung sind global. Doch aus Mangel an Skalierungserfahrungen verbreiten sich lokal entwickelte soziale Innovationen nicht. Stattdessen werden oft bereits bestehende Lösungen neu erfunden. Der Markt frag-mentiert, und viele Probleme bleiben unge-löst. Außerdem werden ohnehin schon sch-male Ressourcen mehrfach beansprucht.

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1. FinanzierungImmer mehr NGOs und Sozialunternehmen nutzen Crowdsourcing- und Spenden-plattformen wie Kickstarter, Indiegogo, betterplace.org oder startnext, um nicht nur Prototypen, sondern auch ihr Wachstum zu finanzieren. Diesen Aspekt behandelt der Trend „Online Fundraising“ tiefer gehend (siehe Online Fundraising/Trendreport online).

2. PetitionenÜber Petitionsplattformen wie MoveOn, Avaaz, Change oder Campact mobilisie-ren NGOs Interessengemeinschaften für neue Politiken, Gesetze und Standards. Mom’s Rising setzt sich beispielsweise für Mütter ein. Dazu nutzt die NGO aus den USA nicht nur Petitionen, sondern macht die entsprechenden Werkzeuge auch ö!entlich nutzbar, damit jeder selbst eine Petition starten kann. So füh-ren Petitionen zu einem Wachstum der Unterstützerzahl und bei erfolgreichen Petitionen auch zur Verbreitung neuer Normen und Verhaltensweisen.

3. Ehrenamtliche MitarbeiterEs gibt zahlreiche Plattformen für die Zusammenführung (Matching) von so-zialen Organisationen und Freiwilligen, wie beispielsweise Volunteer Match oder Sparked in den USA oder Gute Tat in Deutschland (siehe 7/Karma statt Kohle). Organisationen, die maßgeblich von freiwilligen Mitarbeitern unterstützt wer-den, verwenden digitale Medien auch, um ihr Netzwerk zu managen. Viva con Agua, eine Organisation mit einem kleinen Mitarbeiterteam in Hamburg, orga-nisiert über 2.000 ehrenamtliche Mitmacher über seine Organisationsplattform Pool. Das Leitungsteam schätzt, dass der Kommunikationsaufwand so um 40 % reduziert werden konnte. In den USA ist die Surfrider Foundation ein gutes Bei-spiel dafür, wie Kampagnen-Tools und interaktive, für Einträge o!ene Karten dabei helfen, 50.000 Mitglieder zu koordinieren.

4. ProjektdesignBesonders interessant sind digitale Medien für soziale Organisationen, die ihr Organisationsmodell und ihre Wirkungsmechanismen verbreiten möchten und ihr Projektdesign danach ausrichten. Die verschiedenen Modelle sind:

4a. Strategische Online-Kooperationen mit reichweitestarken PartnernEinige kleine NGOs oder Sozialunternehmen kooperieren mit Partnern, die online eine große Zielgruppe erreichen. So ar-beitet betterplace.org mit Payback, Deutschlands größtem Bo-nuspunkteprogramm, in der Payback-Spendenwelt zusammen. Weil Payback-Kunden ihre Bonuspunkte auf betterplace.org spenden, skalierte betterplace.org seine soziale Innovation – die Möglichkeit, transparent auch kleine und mittelgroße Hilfs-organisationen online zu unterstützen – auf über 3 Millionen Payback-Karteninhaber. Refugees United ist ein weiteres Bei-spiel für eine junge, innovative Organisation, die durch die Part-nerschaft mit großen und etablierten Organisationen (Rotes Kreuz und UNHCR) die Reichweite für ihre Online-Dienstleis-tungen steigert.

4b. Digitale Medien als Organisationsrückgrat für Netzwerk-OrgasDie deutsche Mentorenorganisation Rock Your Life! (RYL!) nutzt ei-ne softwarebasierte Infrastruktur, um ihre 25 Vereine mit 600

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Mitgliedern zu koordinieren. Die lokalen Vereine setzen für ihre eigene Arbeit weitere Tools wie dropbox, google.docs oder die Software Salesforce ein. Über die neue Plattform JUNity können nun auch die Prozesse der Gesamtorganisation abgebildet und organisiert werden.

4c. Kein Leben ohne PlattformEinige Organisationen nutzen ausschließlich digitale Werkzeuge, um ihr Modell zu verbreiten. Beispiel Awesome Stiftung: Jeder, der eine Awesome Zelle in seiner Stadt organisieren will, kann sich online anmelden und seine Mitglieder organisieren (siehe Case/Awesome Foundation). Ein weiteres Beispiel für ein sehr o!enes und auf Verbreitung angelegtes Projektdesign ist Carrotmob. Das Netzwerk stellt Anleitungen online zur Verfügung, und je-der kann seine Ideen für einen eigenen Flashmob einreichen.

4d. Digitale Medien als Organisationsrückgrat für Netzwerk-OrgasInteressant sind digitale Werkzeuge auch für Organisationen, die ihre Idee als eigenständiges Produkt anbieten. Ein gutes Beispiel ist das Encore Fellowship Network (EFN): Manager er-halten ein Stipendium für eine sinnstiftende zweite Karriere im sozialen Sektor. NGOs bekommen diese sonst kaum bezahlbaren kompetenten Personen zur Seite gestellt. Innerhalb von nur 18 Monaten ist EFN von einem Piloten mit zehn Fellows und neun NGOs zu einem Netzwerk aus 120 NGOs in zwölf amerikani-schen Städten angewachsen. Während EFN seine Projektpartner engmaschig kontrolliert und verpflichtet, die Marke „Encore“ zu pflegen, stellen andere Organisationen ihr Wissen und ihre Software interessierten Partnern ohne ihre Marke zur Verfügung. iMentor interactive hat beispielsweise auf der Basis der eigenen Arbeit mit Mentoren und Schülern in New York eine Software entwickelt, mit deren Hilfe Schulen und soziale Organisationen eigene Mentorenprogramme aufsetzen können. Die Software ist als Blanko-Lösung (White Label) in das bestehende Angebot für Lizenznehmer integriert.

Was kostet digitale Skalierung?elbst wenn ein Machbarkeitsbeweis („Proof of Concept“) vorliegt, sträuben sich die meisten Geldgeber im sozialen Sektor, relevante Summen in IT-Infrastruktur zu investieren. Das gilt besonders für Deutschland. So stammt die erste maßgebliche Finanzierung für Rock Your Life (RYL!) von einer britischen Unternehmensstiftung.

Weitere soziale IT-Förderer sind Social Venture Fonds (z. B. der Acumen Fund), die Bertelsmann Stiftung und Sozialunternehmernetzwerke (Ashoka, Schwab).Die Kosten für Digitalskalierung variieren enorm. Die Tools des Encore Fellow-ship Network sind sehr günstig. Zwei Vollzeitmitarbeiter betreiben das ganze Netzwerk und nutzen vor allem kostenlose Standardprogramme. Auch Viva con Aguas Plattform Pool ist günstig. Im Vergleich dazu sind die geplanten Kosten bei RYL! wesentlich höher. Doch RYL! ho!t auf Erlöse durch die Lizenzierung der Plattform für andere Organisationen – wie auch iMentor interactive, deren IT-Plattform um die 1,5 Millionen US-Dollar gekostet hat.

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Chancen Schnelles Wachstum auch geografisch weit entfernter „Satel-liten“ möglich. Qualitätskontrolle über einheitliche Evaluationstools und Me-triken.

schnelle, punktgenaue Verbesserung durch Feedbackloops kann kostengünstig sein, eventuell können Kosten über Lizenz-gebühren wieder reingeholt werden.

Risiken Digital benachteiligte Gruppen sind schwer zu erreichen. Besonders in Deutschland ist es schwer, digitale Skalierungs-infrastruktur finanziert zu bekommen, da Förderinstitutionen in diesem Bereich noch keine Kompetenz haben.

Eine strenge Markenpolitik und Kontrolle des Programms kön-nen die Verbreitung verlangsamen. Viele Organisationen stehen Tools aus Datenschutzgründen kritisch gegenüber.

FazitFür das Wachstum von Organisationen und die Verbreitung von Ideen lassen sich über das Internet geografische Distanzen ein-fach überwinden. Potenzielle Unterstützer können über soziale und andere Netzwerke eingebunden und globale Netzwerke koor-diniert werden. Eine Organisation wächst auf diese Art meist umso schneller, je weniger sie die einzelnen Zellen kontrollieren will. Eine gewisse Gesamtkoordination ist jedoch immer notwendig. Hierzu taugen entweder die zahlreich verfügbaren kostenlosen Werkzeu-ge oder es müssen individuelle Lösungen programmiert werden. Dies kann zu entsprechenden Kosten führen. Für das Wachstum und die Verbreitung einer sozialen Innovation, die dem Wohl der Gesellschaft dient, sind diese Kosten oft jedoch lohnenswert.Doch besonders in Deutschland sträuben sich Geldgeber im so-zialen Sektor noch, in „IT for Good“ zu investieren, auch weil die Entwicklung dieses Bereiches noch am Anfang steht und Un-wissenheit zu Unsicherheit führt. Das Potenzial digitaler Werk-zeuge für die Skalierung von Konzepten, die dem Allgemeinwohl dienen, ist jedoch enorm und sollte dringend erforscht und ge-nutzt werden.

Trendpate und Sponsor dieses Trends ist die Bertelsmann Stif-tung mit ihrem Projekt „E!ekt hoch n – Wachstum und Wirkung in der Zivilgesellschaft“.

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Mit Kawumm baut diese Nachbarschaftsinitiati-ve in den USA Tausende Spielplätze – und zwar hauptsächlich mit freiwilligen Helfern. Der Mas-terplan von KaBOOM! ist, dass irgendwann jedes

Kind einen Spielplatz in der Nachbarschaft hat, wo es zu Fuß hingehen kann und auf dem es gerne spielt. Damit diese Idee Wirklichkeit wird, sind vor allem freiwillige Helfer und gutes Fundraising gefragt. Dabei lässt KaBOOM! die Interessierten nicht allein, sondern bietet Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Video-Tutorials und Checklisten auf seiner Website an. Zum Beispiel Online-Trainings zu Themen wie: „Wie man Schulen motiviert“ oder „Was ist gute Pressearbeit?“ und „Wie werde ich der beste Fundraiser?“. Wer einen Spielplatz verschönern will, der findet auch einfache Bauanleitungen, etwa für ein Sonnen-dach. Diese „take it and run“-Strategie skaliert: Insgesamt wur-den seit 2009 über 15.000 Spielplätze errichtet oder verbessert. Auf jeden von KaBOOM! initiierten Spielplatz kommen mittler-weile zehn, die selbstständig nach Online-Anleitung entstehen.

KaBOOM!www.kaboom.org

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„Awesomeness im Universum zu verbreiten“ ist die Mission der Awesome Foundation. Um die-ses Ziel zu erreichen, schließen sich jeweils zehn Menschen in einer Stadt zusammen und zahlen

monatlich 100 US-Dollar in einen Fördertopf. Anschließend werden Menschen mit wilden Ideen dazu aufgerufen, sich um das Geld zu bewerben. Das Projekt, welches die meisten Mit-glieder „awesome“ finden, bekommt die 1.000 US-Dollar über-reicht – und zwar sehr unfeierlich in einer braunen Papiertüte. Diese unkomplizierte Förderung ist das Markenzeichen der Awe-some Foundation. Über die Verwendung ihres Preisgeldes müs-sen die Gewinner keine Rechenschaft ablegen. Jenseits bürokra-tischer Strukturen werden auf diese Weise kreative, sinnvolle oder spektakuläre Projekte unterstützt. So konnten beispielswei-se Zahnhygiene-Programme in Ulan-Bator oder ein Umwelt-Pro-jekt, das Drachen mit Luftsensoren ausstattete, gefördert werden.Die Awesome Foundation ist auch bei ihrer Verbreitung ein Musterbeispiel für Niedrigschwelligkeit: Prinzipiell kann jeder ein eigenes Chapter gründen, also die Awesome Foundation vervielfältigen. Dank einer zentralen digitalen Infrastruktur kann die Awesome Foundation beliebig skalieren. Mittlerweile gibt es Chapter in rund 70 Städten weltweit.

Awesome Foundationwww.awesomefoundation.org

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ROCK YOUR LIFE (RYL!) ist ein Coaching-Pro-gramm für sozial benachteiligte Schüler. Die Teil-nehmer werden während ihrer letzten zwei Schul-jahre von einem dafür ausgebildeten Studierenden

begleitet. Dabei geht es vor allem darum, den Schülern bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder beim Einstieg in eine weiterführende Schule zu helfen. Dieses Konzept ist so gut, dass RYL! 2009 Sieger des Wettbewerbs startsocial wurde.Damit der Start ins Berufsleben für die Schüler auch wirklich klappt, sind gute Kontakte zu Unternehmen wichtig. Das wird meist von jedem Coach in Eigenregie gemacht. Der Nachteil dabei: Die Zentrale in Friedrichshafen weiß oft nicht, welche Unternehmen schon angesprochen wurden. Auch fehlte bislang eine Dokumentation der Mentorenpaare: Welches Paar funk-tioniert gut? Welches braucht zusätzliche Unterstützung? Um den Wissenstransfer innerhalb der Organisation zu stärken, hat RYL! nun eine Online-Plattform, JUNity, eingeführt, über die alle Anfragen, Evaluierungen und Event-Planungen lau-fen sollen. So kann die Organisation die Arbeit der über 600 dezentral verteilten Coaches koordinieren und erkennen, was gut funktioniert und was nicht.

ROCK YOUR LIFE!www.rockyourlife.de

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2005 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Mitgliedsstaaten, Information Communication Technology (ICT) in der Gesundheitsversorgung einzusetzen, um die Reichweite und Qualität der Patientenversorgung zu ver-bessern. Unter den Stichworten mHealth und eHealth (mobile bzw. elektronische Gesundheit) werden seitdem Gesundheitsleistungen zusammengefasst, die vor allem über Handys und Apps funktionieren. Neben Regierungen haben auch NGOs und Unternehmen das Potenzial von ICT in verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung erkannt: in Administration und Management, (Weiter-) Bildung, Diagnose und Prävention und natürlich in der Behandlung. In der Welt-bankstudie IC4D wird das mHealth-Potenzial bezi! ert: Die Kosten des Daten-sammelns reduzierten sich um fast ein Viertel, ebenso die für die Altenpfl ege. Die Muttersterblichkeit sinke um 30 Prozent und die Behandlung von Tuberkulose verbessere sich deutlich.

Nächstes Jahr wird es so viele Mobiltelefone wie Menschen geben. Die Marktabdeckung wird dann in Entwicklungsländern bei 89 Prozent liegen. Es gibt immer mehr Mobil-funk anbieter, die Netze werden ausgebaut, Kosten für Telefonate und Datentransfers sinken und immer mehr Apps für immer mehr Smartphones kommen auf den Markt. Das führt vor allem in Entwicklungsländern, zu vielen Innovationen, die den Westen alt aussehen lassen. Nicht nur im Agrar-, Finanz- oder Regierungssektor, sondern gerade im Gesundheitsbereich profi tieren viele zuvor ausgeschlossene Menschen vom Mobilfunk.

Doc HandyDoc Handy

2005 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Mitgliedsstaaten, 2005 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Mitgliedsstaaten, Information Communication Technology (ICT) in der Gesundheitsversorgung Information Communication Technology (ICT) in der Gesundheitsversorgung einzusetzen, um die Reichweite und Qualität der Patientenversorgung zu ver-einzusetzen, um die Reichweite und Qualität der Patientenversorgung zu ver-bessern. Unter den Stichworten mHealth und eHealth (mobile bzw. elektronische bessern. Unter den Stichworten mHealth und eHealth (mobile bzw. elektronische Gesundheit) werden seitdem Gesundheitsleistungen zusammengefasst, die vor Gesundheit) werden seitdem Gesundheitsleistungen zusammengefasst, die vor allem über Handys und Apps funktionieren. Neben Regierungen haben auch allem über Handys und Apps funktionieren. Neben Regierungen haben auch NGOs und Unternehmen das Potenzial von ICT in verschiedenen Bereichen der NGOs und Unternehmen das Potenzial von ICT in verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung erkannt: in Administration und Management, (Weiter-) Gesundheitsversorgung erkannt: in Administration und Management, (Weiter-) Bildung, Diagnose und Prävention und natürlich in der Behandlung. In der Welt-Bildung, Diagnose und Prävention und natürlich in der Behandlung. In der Welt-bankstudie IC4D wird das mHealth-Potenzial bezi! ert: Die Kosten des Daten-bankstudie IC4D wird das mHealth-Potenzial bezi! ert: Die Kosten des Daten-sammelns reduzierten sich um fast ein Viertel, ebenso die für die Altenpfl ege. Die sammelns reduzierten sich um fast ein Viertel, ebenso die für die Altenpfl ege. Die Muttersterblichkeit sinke um 30 Prozent und die Behandlung von Tuberkulose Muttersterblichkeit sinke um 30 Prozent und die Behandlung von Tuberkulose verbessere sich deutlich.verbessere sich deutlich.

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Es gibt weltweit mittlerweile circa 4 Milliarden Menschen, die ohne Zugang zu einem Gesundheitssystem leben. Um diesen Missstand zu beheben, bedarf es einer bezahlbaren und zugänglichen Gesundheitsversorgung, die lokale Gegebenhei-ten berücksichtigt. Hier zeigt ICT und vor allem der Einsatz von Mobiltelefonen neue, e#ziente Wege auf, um den bislang Unterversorgten Zugang zu Gesund-heitsdiensten zu ermöglichen und ländliches Gesundheitspersonal in seiner Ar-beit zu unterstützen. Viele der mHealth-Innovationen entstanden in Afrika und Südasien, weil dort die großen Lücken im Gesundheitssystem mit dem enormen Wachstum des Mobilfunkmarktes zusammentrafen (90 Prozent der Menschheit haben mittlerweile Handyempfang, 75 Prozent haben Zugang zu einem Handy, 63 Prozent zu funktionierenden Sanitäranlagen).

Die meisten Innovationen entstehen direkt in den Entwick-lungsländernm Bereich Informations- und Wissensmanagement etablierte die African Medical and Research Foundation in Kenia eine Virtual Nursing School, um 20.000 Krankenpfleger auszubilden und das Gesundheitspersonal im Land zu verdoppeln. Die eHealth-Initiative der ägyptischen Regierung zielt neben der Aus- und Weiterbildung

darauf ab, bessere Diagnosedienstleistungen in ländlichen Gegenden anbieten und eine Datenbank für medizinische Patientenakten aufbauen zu können. Hierbei helfen das Open Medical Record System oder EpiSurveyor, die das klassische Klemmbrett für Datensammlungen ersetzen. Sie ermöglichen Gesundheitskräften, Daten über Patientinnen oder Krankheiten und deren Behandlungsoptionen zu speichern oder abzurufen. In Nicaragua wurde mittels ICT das nationale Impfprogramm verein-heitlicht und die pränatale Versorgung sowie die Versorgung chronisch Kranker ausgeweitet und überprüfbar gemacht. Und Gesundheitspersonal in Peru kann web-basiert auf Tuberkulose-Laborergebnisse ihrer Patienten sowie Informationen zur Behandlung zugreifen und erhält automatisch Informationen zu Risikopatienten.

In Uganda hat die erste Telemedizinklinik erö!netach einem ähnlichen Prinzip funktioniert die Telemedizin und Ferndiagnose. Auch hier können Handys die Gesundheitsversor-gung verbessern und Kosten sparen. Statt eines teuren Ultraschall- Magnetresonanz- oder Röntgengeräts, gibt es mittlerweile tragbare und viel billigere Geräte, die an Handy oder Laptop angeschlossen

werden können. Community Health Worker leiten die Daten zur Auswertung an zentrale Stellen weiter, sodass umgehend eine Diagnose erfolgen kann. Ein Beispiel hierfür bietet die Firma Mobisante, die tragbare medizinische Bildgebungsmaschi-nen entwickelt und deren Ziel es ist, bald pro Scan nicht mehr als 1 US-Dollar in Rechnung stellen zu müssen. In Indien können durch das Aravind Eye Care System via Kameras und Datenübertragung circa 27 Millionen Menschen pro Jahr augen-ärztlich behandelt werden. Lokales Personal kann Sehtests durchführen und kranke Augen behandeln, ohne dass eine Spezialistin vor Ort sein muss. Und in Uganda ö!net die indische Krankenhausgruppe Apollo Hospitals die erste Telemedizinkli-nik, die ein Informationszentrum und telemedizinisches Netzwerk anbietet. Der Einsatz von ICT hilft durch eine verbesserte Informationskette auch beim Kampf gegen Korruption. Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zehn Prozent der Arzneimittel gefälscht, in einigen Regionen in Entwicklungs-ländern bis zu 30 Prozent. Mithilfe von Sproxil können Handybenutzerinnen in Nigeria nun feststellen, ob ein Medikament original ist.

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Deutschland nur auf einem mittleren Platz beim mHealth-Rankingine WHO-Studie zeigte 2011, dass Gesundheits-Callcenter, kosten-lose Notfall-Handydienste, mobile Telemedizindienste und mobi-le Katastrophendienste zu den am häufigsten genutzten eHealth-Angeboten zählen. Laut der Studie ist Großbritannien führend in der Nutzung von eHealth und verwaltet medizinische Infor-

mationen und Daten seit über 10 Jahren zentral elektronisch. Aus Großbritannien stammen auch sehr erfolgreiche Patientenplattformen wie Health Unlocked, die Patienten und Angehörige unterstützt und ein Forum für Ratschläge und Erfah-rungsberichte sowie die Verbindung zu Ärzten bietet. Deutschland belegt in der Liste der untersuchten Länder nur einen Mittelplatz, da vor allem Diskussionen zu Datenschutz und Sicherheitsfragen zentralisierter Datensicherungssysteme die Entwicklung verlangsamen.

Dynamik von mHealth: Angegeben ist die Zahl der Länder, in denen mindestens ein mHealth-Programm umgesetzt wird. Aus der Weltbankstudie IC4D (2012).

Sprachnachrichten funktionieren besser als SMSeben Regierungen wollen nun auch NGOs und Unternehmen die Wirkung von ICT nachweisen. So führten WellDoc in den USA, Weltel in Kenia oder Project Mwana (UNICEF) in Sambia als eine der ersten Studien durch und wiesen Verbesserungen bei der Einnahme von Medikamenten durch SMS-Erinnerungen

nach. Gerade bei der HIV/AIDS-Aufklärung und -Behandlung sind Mobiltelefone sehr wirksam. Hier bietet ein Handy oder das Internet die Möglichkeit für einen anonymen und manchmal auch spielerischen Erstkontakt zu aufklärenden Or-ganisationen. Vergleiche zwischen Text- und Sprachnachrichten haben gezeigt, dass Nutzerinnen Sprachnachrichten bevorzugen, da viele ihre Mobiletelefone mit Familie oder Freunden teilen oder einige nicht lesen und schreiben können. Lange Zeit war die Entwicklung von eHealth technologiegetrieben. In einer ersten Phase exportierte der Westen Technologien in entwickelnde Länder. In einer zwei-ten Phase entstanden Innovationen durch externe Spezialistinnen. Die Entwicklun-gen aus jener Zeit sind sogenannte „disease-centered Stand alone“-Geräte, die die Komplexität des realen Lebens vor Ort nicht berücksichtigten. Mittlerweile sind partizipative und „people-centered“ Entwicklungen in den Vordergrund gerückt.

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Europa & Zentralafrika

Südafrika

Ostasien und Pazi%k

Mittlerer Osten & Nordafrika

Lateinamerika & Karibik

Subsahara-Afrika

Entwickelte Länder

Quelle: Adapted from GSMA mHeath Tracker 2012

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Chancen ICT bietet großes Potential, dem Mangel an Gesundheitsper-sonal entgegenzuwirken und bislang Unerreichte und Unter-versorgte in die Gesundheitsversorgung einzubinden.

Durch mHealth kann man Kosten für die Diagnose und Behand-lung reduzieren und so mehr Patientinnen behandeln. Patienten werden durch Zugang zu Informationen und Mög-lichkeiten des Austauschs gestärkt.

Risiken Das Wissen über die zahlreichen eHealth-Innovationen wird noch zu wenig geteilt (Best Practice) und die Produkte zu wenig evaluiert, sodass Qualität und Nachhaltigkeit oft nicht nach-gewiesen werden können. Der persönliche Kontakt, der vor allem bei chronisch Kranken sowie Älteren wichtig ist, geht zum Teil verloren.

Die Fernbeobachtung und Telemedizin fordern von Ärzten neue Kompetenzen und setzen fähige Patienten voraus, was nicht bei jedem Krankheitsbild oder Bildungsstand gegeben ist.

FazitICT ist in der weltweiten Gesundheitsversorgung mittlerweile zu einem Standardinstrument geworden. Skalierungsmöglichkeiten sollten aber bei der Entwicklung und Pilotierung von eHealth-Innovationen mitgedacht werden. Um die Trendwende hin zur gemeinde- bzw. hausbasierten Gesundheitsversorgung besser ge-stalten zu können, ist eine Zusammenarbeit von ö!entlicher und privater Hand in Forschung und Umsetzung wichtig. Das heißt partizipative und „people-centered“ Lösungen zu verbreiten, tra-ditionelle und lokale Versorgungsmöglichkeiten zu integrieren und sich besser zu vernetzen. So können auch einheitliche Stan-dards für Evaluationen gescha!en werden.

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Das Projekt in Peru unterstützt schwangere Frau-en per SMS. Per Textnachrichten werden sie über die verschiedenen Phasen ihrer Schwangerschaft informiert. Die Experten-Tipps helfen bei der rich-

tigen Ernährung und erklären, was gerade gut oder schlecht für das Baby ist. Bei akuten Problemen oder Fragen können die Frauen über eine automatisierte Hotline oder per SMS einen Symptom-Check machen und mit Ärzten verbunden werden. 2010 wurde das System in einer kleinen Gemeinschaft von ca. 5.000 Menschen in der Nähe von Lima getestet, mittlerweile nutzen 13 Gesundheitszentren das System und es soll national ausgeweitet werden. Als Public Private Partnership wird Wawa-Red von der lokalen Regierung, Telefónica Mobil in Peru und UNICEF unterstützt.

WawaRed www.wawared.org

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Die Mikroversicherung ist auf Gesundheitsdienst-leistungen ausgerichtet und arbeitet mit dem mobilen Geldtransfersystem M-Pesa. Changamka (Swahili für „werde aktiv“) ermöglicht Millionen

von Kenianerinnen, die bisher vom medizinischen Versiche-rungssystem ausgeschlossen waren, einen Zugang zu grundle-gender Gesundheitsversorgung. Das System basiert auf einer Smartcard, die rund 4,50 Euro kostet. Ein Startguthaben von vier Euro ist bereits aufgeladen und gleichzeitig das Minimum, mit dem man grundlegende Gesundheitsversorgung für die ganze Familie in kooperierenden Krankenhäusern und Kliniken in Anspruch nehmen kann. Im Gegensatz zu Versicherungen, die regelmäßige Einzahlungen erfordern, bietet Changamka einen Sparplan, der die Gesundheitsversorgung an die Höhe des Ersparten koppelt. Abgedeckt sind Kosten für ärztliche Beratung und Behandlung, Labortests und Medikamenten-Rezepte. Um die Einzahlung in das Versicherungssystem zu erleichtern, ist Changamka mit M-Pesa, einem weitverbreiteten mobilen Geldtransferdienst in Kenia, verbunden.

Changamkawww.changamka.co.ke

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Die WHO schätzt, dass rund 30 Prozent der vertrie-benen Medikamente Fälschungen sind. Vor allem im Bereich der Malariabehandlung und der Medi-kamente für Kinder sind viele Präparate unter-

wegs, die keine Wirksto!e, sondern Salz, Kalk oder getrocknete Farbe enthalten. Sproxil hilft, die Fälschungen zu erkennen: Auf dem Medikament ist ein Code, den man frei rubbelt, via SMS an eine länderspezifische Nummer schickt und sofort die Ant-wort bekommt, ob das Medikament echt ist oder nicht.Sproxil wurde 2010 in Ghana und Nigeria und 2011 in Kenia und Indien eingeführt und arbeitet mit internationalen Pharmaun-ternehmen wie Johnson & Johnson, Glaxo Smith Kline und Merck zusammen. 2012 nutzten nach Angaben der Firma mehr als eine Million Menschen den Service.

Sproxilwww.sproxil.com

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Karma statt Kohle

Hackathons, bei denen ehrenamtliche Programmierer in wenigen Tagen Soft-ware für eine bessere Welt entwickeln (z. B. Random Hacks of Kindness), und die Krisen-Karten der Standby Taskforce sind Beispiele für neue ehrenamtliche Ar-beitsfelder, die sich im Internet auftun. Neu ist auch, dass die Freiwilligen nicht mehr vor Ort sein müssen, sondern sich von überall aus engagieren können. Indem sie mithilfe von Plattformen wie zum Beispiel Sparked oder Global Gi-ving Time Texte übersetzen, Newsletter erstellen oder Kommunikationskonzepte erarbeiten. Das Online-Ehrenamt zeichnet sich dabei häufi g durch kurzfristige, unregelmäßige Beiträge aus, die sich vor allem an den Fähigkeiten der Ehren-amtlichen orientieren. Auch die zahlreichen Wikipedia-Autoren, Foren-Adminis-tratoren oder Video-Tutorial-Macher könnte man als Ehrenamtliche bezeichnen. Denn sie arbeiten unentgeltlich und leisten mit ihrem Engagement einen Beitrag für die Gesellschaft. Das Internet bietet ihnen dabei die entsprechende Struktur, ihr Können anderen weiterzugeben und genau die Menschen zu erreichen, von denen sie gebraucht werden.

Noch während der Wirbelsturm Sandy im Herbst 2012 wütete, programmierten Men-schen auf der ganzen Welt blitzschnell Online-Karten und Apps mit wichtigen Info-rmationen zu Wasserständen und Notun-terkünften. Dank dieser auch per Handy lesbaren Karten konnten sich viele Menschen schnell in Sicherheit bringen. Ohne diese Katastrophenhilfe 2.0. wären die Informa-tionen für Betro! ene und Helfer vor Ort nicht so schnell verfügbar gewesen. Im und durch das Netz ergeben sich also viele neue Wege, anderen zu helfen – für Karma statt Kohle.

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Kleine Ehrenamts-Schnipsel: Micro-Volunteeringiele der Ehrenamts-Aufgaben im Netz sind in kleine Häppchen zerlegt. Daher die Bezeichnung Micro-Volunteering. Die Ehren-amts-Plattform (siehe Sparked) bietet dieses Mikro-Ehrenamt an. Die Idee dahinter: Viele Menschen, die viele kleine Aufgaben er-ledigen, können Großes. Bei Sparked engagiert sich jeder Nutzer

im Schnitt nur 7 Minuten – wenn das aber die 70.000 Registrierten tun, kommt doch eine Menge Zeit zusammen.Über Volunteering-Apps wie die von The Extraordinaries kann jeder, der ein Smartphone besitzt, freie Zeit sinnvoll einsetzen. Statt auf den Bus zu warten, können Extraordinaries zum Beispiel für die Spielplatzinitiative (siehe KaBOOM!) Fotos von kaputten Spielgeräten schießen und auf einer Karte verorten. Wenn genug Einträge zusammenkommen, startet KaBOOM eine Renovierungsinitiative. Andere Volunteering-Apps (z. B. +U) melden automatisch, wenn sich der Nutzer in der Nähe einer Organisation befindet, die gerade Hilfe sucht. Auch interessant ist die App Give Work. Unternehmen stellen dort kleine Auf-gaben wie Daten sortieren, Bilder taggen usw. online. Die Arbeit der Ehrenamt-lichen App-Nutzer wird mit den Ergebnissen von bezahlten Mitarbeitern in Ke-nia abgeglichen. Die App-Volunteers fungieren als Fehlerkontrolle und sorgen so dafür, dass Menschen in Kenia einen Job haben, von dem sie sich zusätzliche Lebensmittel leisten können. Rund 20.000 Aufgaben hat die internationale Ar-beitsgemeinschaft aus Freiwilligen und Flüchtlingen bereits gelöst.

Online-Volunteering erschließt neue Tätigkeitsfelderuch größere Organisationen haben das Potenzial von Online-Volunteering erkannt. So haben beispielsweise die UN mit der Plattform UN-Volunteering die Grundlage für Online-Engage-ment in ihren Programmen gescha!en. Eine Herausforderung ist, die Leistungen der Volunteers angemessen zu belohnen und

sichtbar zu machen. UN-Volunteering löst das mit UN-Zertifikaten, die auch für die Jobsuche Türen ö!nen können. Andere Plattformen verleihen virtuelle Orden und Awards für ganz besonders Fleißige.Entscheidend für den Erfolg von Online-Engagement ist die passgenaue Vermitt-lung von Freiwilligen und ihren Fähigkeiten an Initiativen und deren Aufgaben. Die Matching-Plattform VolunteerMatch löst das mit einem einfachen Fragebo-gen, den alle Freiwilligen bei der Registrierung ausfüllen müssen und der nach Interessen, Fähigkeiten und Ideen fragt. Mit über 80.000 NGOs und rund 2,5 Millionen registrierten Mitgliedern ist VolunteerMatch das größte Freiwilligen-Netzwerk im Internet. Seit der Gründung 1998 haben die registrierten Nutzer Arbeit im Wert von rund 3,8 Milliarden US-Dollar geleistet.Auf diesen Erfolgen ruht sich die Plattform aber nicht aus – sie nutzt das Web geschickt für ihre Verbreitung. Dazu gehört neben der 2010 verö!entlichten App (siehe Volunteer Match App) auch, dass sie bei eigentlich als Online-Fundraising ge-dachten Events, wie dem #GivingTuesday (ja, der Hashtag gehört zum Namen), ganz gezielt auch Volunteers ansprechen und Ehrenamts-Aufgaben unter dem Hashtag auf Twitter, aber auch Facebook, Pinterest und Instagram verbreiten. Die Aktion GivingTuesday erhöht das Spendenaufkommen in den USA um bis zu 113 Prozent – schön, wenn sich diese positiven E!ekte auch auf das Ehren-amt übertragen ließen.

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Managen von Freiwilligen: Obama als Beispielhrenamtliches Engagement war ein Kernstück der erfolgreichen Präsidentschaftskampagne von Obama. Zum Beispiel gab es ein Volunteer-Recruiting-Widget, das man per Embed-Code in die eigene Website einbauen konnte. Die Volunteers wurden mithilfe einer Volunteer-Plattform koordiniert, auf der sie Profile anlegen

und miteinander kommunizieren konnten. Im Rahmen der Wahlkampagne gab es auch mehrere Möglichkeiten, sich ausschließlich online für Obama einzusetzen. Man konnte sein Profil auf Facebook oder Twitter spenden – ein Mini-Ehrenamt, vergleichbar mit dem Austeilen von Flyern. Diese Idee haben auch NGOs über-nommen (z. B. youAlarm von Save the Children).In Deutschland gibt es ebenfalls Plattformen, die ehrenamtliche Aufgaben ver-mitteln, und es werden mehr. Seit 2013 kann man auch bei betterplace.org Zeit spenden. Andere Online-Projekte wie Sternenfischer, die Freiwilligenagentur oder GuteTat.de fungieren ebenfalls als Ehrenamts-Vermittlung. Bisher bieten sie kein Online-Volunteering an, sondern sind vor allem Schnittstelle zwischen Menschen, die ein Ehrenamt suchen und Organisationen, die Aufgaben zu vergeben haben. Dabei spielt auch in Deutschland das Internet mittlerweile eine größere Rolle im Ehrenamt: Der Freiwilligensurvey vom BMFSFJ ergab 2009, dass 59 Prozent der Engagierten das Internet für ihre Tätigkeiten nutzen (2004: 44 Prozent) – dabei standen allerdings Koordinierungs- und Austauschmöglichkeiten im Vor-dergrund, Online-Volunteering tauchte in den Statistiken bisher nicht auf.Es gibt auch immer mehr Unternehmen, die im sozialen Sektor umsonst beraten – ein Trend, der in den USA recht ausgeprägt ist. Beispiele in Deutschland sind die Programme von Detecon International, McKinsey und Roland Berger. Das Encore-Fellowship-Programm basiert auch auf diesem Prinzip: Bereits rund 400 Experten aus profitorientierten Wirtschaftszweigen haben ihr Wissen in amerika-nischen NGOs für ein halbes Jahr eingebracht. Beispielhaft sind auch die Angebote der Taproot-Foundation. Sie ist ein Sammelbecken für Initiativen von Unterneh-men, die soziale Organisationen mit ihrem Expertenwissen unterstützen wollen.

Mal anders: Laien unterstützen ehrenamtlich Expertens geht auch andersherum. In England gibt es eine große Fülle an ehrenamtlichen Bürger-Projekten, die sich mit Flora und Fauna beschäftigen. Beispielsweise, indem Ehrenamtliche Vögel zählen. In einem Report hat nun die britische Regierung die tragende Rolle der Ehrenamtlichen bei der Beobachtung und Bewertung

der Umwelt unterstrichen. Rund 230 Citizen-Science-Projekte wurden unter die Lupe genommen. Ein Fazit dabei: Die durch Laien gesammelten Daten waren oft von sehr guter Qualität und für professionelle Forschungsprojekte verwertbar. Übrigens vertraut auch die NASA Ehrenamtlichen. Das Clickworkers-Projekt ar-beitet mit Hobby-Astronomen, die online Mars-Krater klassifizieren und so zur Kartierung und Erforschung des Mars beitragen.

Chancen Kurzfristiges, ungebundenes und spontanes Engagement wird möglich.

Online-Volunteering ist unabhängig vom Ort. Ein paar Mona-te später sprudelt vielleicht Wasser aus einem neu gebohrten Brunnen in Nigeria, für den in Deutschland ein Förderantrag übersetzt wurde.

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Die Einstiegshürden für neue Ehrenamtliche sind durch Mikro-Aufgaben niedriger. Durch Präsenz auf Matching-Plattformen kann die NGO ihre Bekanntheit vor Ort erhöhen. Und gleichzeitig gute Leute fin-den, die sie braucht. Frischer Wind: Neue Volunteers (aus vielleicht fremden Berei-chen) bringen neue Ideen mit. Das führt zu innovativen Lösungen.

Risiken Beziehungsmanagement mit Volunteers kostet Ressourcen. Nicht jeder Bedarf, den eine NGO hat, lässt sich online vermitteln. Viele NGOs wissen gar nicht, welche Aufgaben sie an Freiwillige abgeben können und welche online erledigt werden könnten.

Planbarkeit von Freiwilligen wird schwieriger, da kurzfristiges Engagement und Spontanität im Netz beliebt sind.

Freiwillige wollen das Gefühl haben, dass sie mit ihrer Arbeit etwas bewegen. Allgemeine Aufgaben (etwa Buchhaltung), die über das Internet vermittelt oder erledigt werden könnten, sind oft unbeliebt.

FazitDas Internet bietet Gestaltungsräume, die es den Menschen möglich und leichter machen, zu partizipieren (siehe Mitmachen/Trendreport online) und sich ehrenamtlich zu engagieren. Die virtuellen Volunteering-Angebote erreichen auch diejenigen, die von den bisherigen Bar-rieren des klassischen „Vor-Ort-Ehrenamts“ abgehalten wurden, beispielsweise durch räumliche Distanzen oder Schul- und Ar-beitszeiten. Soziale Organisationen sollten dieses Potenzial nut-zen, indem sie sich Gedanken darüber machen, welche Aufgaben mit und über das Internet gelöst werden können, und diese an-bieten. Dabei ist allerdings nicht zu unterschätzen, dass auch ein Online-Ehrenamt Beziehungsarbeit bedeutet.

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Sparked vernetzt Menschen, die helfen wollen, mit sozialen Organisationen. Dabei ist Sparked die Plattform für Online- und Mikrovolunteering, mit der schnellsten und unkompliziertesten Nut-

zer-Registrierung. Über einen farblich geordneten Fragebogen geben die Freiwilligen ihre Interessen und Fähigkeiten ein. Mit einem Facebook-Account kann man sich ohne Umschweife ein-loggen. Die NGO auf der anderen Seite gibt an, wen sie für wel-che Aufgabe braucht: Webseiten übersetzen, Logos designen, Texte redigieren. Für beide Seiten macht Sparked Vorschläge. Sparked ist unter den Online-Volunteering-Plattformen der Klassiker und vermittelt Aufgaben von rund 6.500 NGOs an 70.000 Freiwillige. Die Vermittlungssoftware wird in Zusam-menarbeit mit großen Unternehmen wie SAP, Microsoft oder LinkedIn auch von anderen Projekten benutzt. Zum Beispiel von KoodoNation oder GlobalGiving.

Sparkedwww.sparked.com/about/micro

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Die Standby Taskforce ist so etwas wie ein Krisen-stab im Internet. Ein gut organisiertes, weltweites Netzwerk von Freiwilligen hilft, die Flut von Infor-mationen bei Katastrophen zu bündeln und auf

Karten zu veranschaulichen. Dabei verwenden die freiwilligen Programmierer, Hackerinnen und Analysten die Open-Source-Plattform Ushahidi. Sobald es Bedarf gibt, operiert die Stand-by Taskforce in Teams frei im Netz. Beim Erdbeben auf Haiti, den Unruhen in Libyen oder Syrien: Schnellstmöglich werten sie Informationsmaterial, Social-Media-Ströme und Meldungen aus. Daraus entstehen Karten, wie die Webseite Syria Tracker, die Gewalt auf der Straße, Verhaftungen und Verschleppungen mel-det – alles verortet auf einer interaktiven Karte. Diese besonders für Hilfsorganisationen sehr nützliche Arbeit wurde im August 2011 mit dem Technology and Innovation Award der Internationa-len Organisation für Katastrophenschutz (IAEM) ausgezeichnet.

Standby Taskforceblog.standbytaskforce.com

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Freiwillige können jetzt in Sekundenschnelle per App Orte zum Mithelfen finden.Die Macher von VolunteerMatch sind einfach Pro-fis: Nun haben sie auch eine VolunteerApp heraus-

gebracht, die mit den Vorteilen der bereits seit 1998 bestehenden Online-Plattform aufwartet. Die hinterlegte Datenbank der App ist riesig, die Aufgaben- und Anforderungs-Tabelle sehr über-sichtlich. Über die Eingabe-Maske wird man entweder per GPS lokalisiert oder kann zunächst die Postleitzahl eingeben. Die Entfernung zum nächsten Volunteer-Spot wird nach der Suche angezeigt und der Nutzer kann über den Button „I want to help“ Kontakt mit der entsprechenden Organisation aufnehmen. Die Suchergebnisse kann man auch via Facebook oder Twitter mit Freunden teilen. Darüber hinaus kann man Fotos der Organisa-tion ansehen und sogar Bewertungen anderer Freiwilliger lesen. Die App kommt gut an: Mehr als 91.000 NGOs beteiligen sich an der App, die bisher nur für iPhones verfügbar ist.

VolunteerMatch Appwww.volunteermatch.org/volunteers/services/iphoneapp.jsp

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Der Grundmechanismus ist einfach und alt: Man benennt das Problem, lädt ei-ne große Menge von Menschen dazu ein, es zu lösen, und bietet als Anreiz einen Preis für den Gewinner. So wird nicht nur die Intelligenz in der eigenen Organi-sation und von Experten genutzt, sondern auch an den Rändern, dem Long Tail. Beispielsweise hatte 1714 das englische Parlament 20.000 Pfund Preisgeld aus-gelobt, um eine Methode zu fi nden, mit der die Längengrade bestimmt werden und so Schi! e besser navigieren können. Experten hatten jahrzehntelang keine Lösungen gefunden, doch der Wettbewerb erreichte auch den Uhrmacher und Dorfschreiner John Harrison, dessen neue schi! staugliche Uhr den Längengrad sehr genau ermitteln konnte.Damals hat die Kommunikation des Wettbewerbs noch so manches Pferd und manchen Boten zum Schwitzen gebracht. Heute läuft Ideen-Crowdsourcing on-line ab (siehe Webbewerbe/ Trendreport online) und bringt Menschen dazu, ihr Wis-sen zum Beispiel für solch hilfreiche Plattformen wie Wikipedia oder Ushahidi

Je mehr Menschen zur Lösung eines Pro-blems beitragen, desto besser. Schon Sun-Microsystems-Gründer Bill Joy sagte: „Die meisten cleveren Menschen arbeiten nicht für dich.“ Und so stellt sich die Frage, wie man das Potenzial all der cleveren Menschen da draußen für die eigene Sache anzapfen kann. Zum Beispiel, indem man Innovationsprozesse für Außenstehende ö! net. Doch weil zu viele Köche auch den Brei verderben können, muss die Koordi-nation der Köche gemeistert werden. Das geht übers Internet schon ziemlich gut.

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(siehe Ushahidi/Trendreport online) zu teilen. Und in der Wirtschaft haben in den letz-ten Jahren besonders Unternehmen begonnen, o!ene Innovationsprozesse für die Produktneuentwicklung systematisch einzusetzen. Firmen wie Lego, Unilever, General Electric, IBM und Nokia rufen Mitarbeiter, Zulieferer und Kunden auf, ihre Ideen für neue Produkte über Online-Plattformen einzureichen. Sie verge-ben oft hohe Preisgelder an die Gewinner und entwickeln die besten Ideen mit Investitionen in Millionenhöhe weiter.Mittlerweile gibt es zahlreiche Online-Plattformen, auf denen Internetnutzer aus der ganzen Welt an bestimmten Aufgaben arbeiten:

für wirtschaftliche und wissenschaftliche Herausforderungen (Innocentive oder Hypios),

für Webdesign und Logos (Crowdspring oder Choosa) und für Kreativprojekte (Berliner Startup Jovoto).

Ideenwettbewerbe zu sozialen, gesundheitlichen und umweltpolitischen Heraus-forderungen werden immer beliebter. Auftraggeber o!ener Innovationen im so-zialen Sektor können staatliche oder internationale Organisationen ebenso wie sozial engagierte Unternehmen, Universitäten und Stiftungen sein. Beispielsweise starteten die Vereinten Nationen CrowdOutAids, um mehr junge Menschen für den Kampf gegen Aids zu mobilisieren. Über 5.000 Teilnehmer aus 79 Ländern stellten ihre Empfehlungen und Kommentare für eine e!ektive Bekämpfung der Krankheit auf der Plattform ein. Daraus resultierten sechs Schlüsselempfehlun-gen, die UNAIDS in sein aktuelles Strategiepapier aufnahm.

Obama spornte Kommunen an, Ideenwettbewerbe zu startenn den USA spornte Obamas Open Government Initiative Re-gierungsbehörden und Kommunen an, ö!entliche Ideenwett-bewerbe auszurufen, um Innovationen im trägen ö!entlichen Sektor zu fördern. Auf der Plattform Challenge.gov fragen Ideen-wettbewerbe, wie Veteranen besser psychologisch betreut wer-

den können oder wie die Polizei Fluchtautos möglichst gefahrlos stoppen kann. Der Lösungsvorschlag für letzteres Problem zeigt, dass Innovationen oft aus unerwarteten Ecken kommen: Ein peruanischer Ingenieur entwickelte ein fern-gesteuertes Fahrzeug, das Luft unter das Fluchtauto pumpt, es so vom Boden abhebt und dann lenken kann. In Deutschland führt Hyve Kreativ- und Ideen-wettbewerbe für Kommunen und soziale Organisationen durch und hat eine eigene Innovation Community.Innovationswettbewerbe können wesentlich günstiger und schneller sein als her-kömmliche Vergabeprozesse für Problemlösungen. So kostete der erste Apps for Democracy Wettbewerb die Stadt Washington DC 50.000 US-Dollar. Die inner-halb eines Monats entstandenen 47 Web-, iOS- und Facebook-Anwendungen, die das Leben in der Stadt verbessern, hätten die Stadt ansonsten geschätzte 2 Millionen US-Dollar gekostet. Und ein Manager von Unilever sagt über eine Challenge im Sanitärbereich, dass sein dreiköpfiges Team neun Monate recher-chiert hatte für Wissen, das online innerhalb von zwei Wochen von Hunderten von Menschen zusammengetragen wurde.Die größten Plattformen für o!ene soziale Innovationen sind OpenIDEO und Change-makers. Auf OpenIDEO, der gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Designfirma IDEO, kamen innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre mehr als 45.000 Mitglieder aus mehr als 170 Ländern zusammen, um über 3.000 Konzepte für soziale Probleme

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zu entwickeln. Das Themenspektrum reicht dabei von der Frage, wie Elektromüll umweltverträglich vermieden und entsorgt werden kann, bis hin zu Jamie Olivers Herausforderung, wie wir Kindern gesundes Essen schmackhaft machen können.

OpenIDEO ist auch die Plattform mit dem wahrscheinlich besten Prozess. Nach-dem der Auftraggeber die Herausforderung formuliert hat, startet die Inspira-tionsphase, zu der eine möglichst große Gruppe von potenziellen Mitmachern aus unterschiedlichen Disziplinen und Sektoren eingeladen wird. Jeder kann mitmachen. Die Inspirationsphase dient dazu, den Kreativitätsprozess sehr o!en zu beginnen und die Fragestellung aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen. 100 bis 700 Beiträge kommen pro Challenge in dieser Phase zusammen. Diese verdichten sich in der darauf folgenden Konzeptphase, in der konkrete Ideen für die Lösung des Problems eingereicht werden. Dann können die Konzepte von der Gemeinschaft kommentiert und bewertet werden, bevor OpenIDEO zusammen mit den Auftraggebern eine Shortlist von ca. 20 Ideen erstellt. (Das Feedback der Gemeinschaft wird dabei berücksichtigt.) Die ausgewählten Projekte kön-nen ihre Ideen dann verfeinern, bis schließlich die Challenge-Ausrichter die Ge-winner küren. Der gesamte Prozess dauert drei bis vier Monate (ein Zeitraum, der sich auch für andere Ideenwettbewerbe bewährt hat). Im Anschluss daran folgt eine Implementierungsphase, die oft in dem Bau eines Prototyps besteht, der mit Endnutzern getestet wird. Während in traditionellen Innovationsprozes-sen um die 5 Prozent der Ergebnisse umgesetzt werden, sind es bei OpenIDEOs Challenges 30 Prozent.OpenIDEO zeichnet sich durch große Transparenz und viele Hilfestellungen entlang des Ideenfindungsprozesses aus. Alle Konzepte werden unter Creative Commons Lizenz verö!entlicht. Im Gegensatz zu Changemaker-Challenges, bei denen die Teilnehmer auf Preisgelder zwischen 10.000 und 100.000 US-Dollar sowie Seedfunding für besonders überzeugende Konzepte spekulieren können, baut OpenIDEO auf die intrinsische Motivation der Teilnehmer, von denen An-ne Kjaer Richert einen in ihrer Masterarbeit zitiert: „Ich glaube nicht, dass ich alleine die Welt verändern kann, aber eine Gemeinschaft wie OpenIDEO gibt mir die Möglichkeit, meinen Teil auf eine sehr befriedigende Weise beizutragen. Es geht mir nicht ums Gewinnen. Es geht darum, Teil eines größeren Ganzen zu sein, bei dem viele kleine Handlungen zu großen Ergebnissen führen können.“

Chancen Über o!ene Innovationen kann eine große und vielfältige Grup-pe von Menschen außerhalb der eigenen Organisation zur Lö-sung eines Problems beitragen. Dadurch werden neue Pers-pektiven sichtbar und innovative Lösungen wahrscheinlicher. Gute Ideen können sich schneller verbreiten, da sie auf einer o!enen Plattform für alle zugänglich sind.

Gleichgesinnte Menschen und Organisationen, die an ähnlichen

„Es geht darum, Teil eines größeren Ganzen zu sein, bei dem viele kleine Handlungen zu großen Ergebnissen führen können.“

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Themen arbeiten, können sich schnell finden, zusammenarbei-ten und sich gegenseitig unterstützen. Ideenplattformen können mit relativ begrenzten Ressourcen umgesetzt werden. So beschäftigt OpenIDEO drei Vollzeit- und zwei Halbzeitkräfte, die von drei verschiedenen Kontinenten (England, USA, Neuseeland) aus arbeiten.

Risiken Es ist nicht einfach, Menschen dazu zu motivieren, bei Inno-vationswettbewerben mitzumachen. Plattformmanager müssen den Prozess on- und o$ine antreiben. Auch Kollaboration muss gefördert werden. Auf vielen Platt-formen sind die Gewinnerprojekte nicht die, die sich besonders viel mit anderen ausgetauscht haben, obwohl gerade Kollabo-ration Innovation fördert. Es ist schwierig zu messen, wie erfolgreich die Methode wirk-lich ist. Sie ist erst in der Probephase. Bislang sind die Teilnehmer der o!enen Innovationsprozesse noch nicht wirklich divers, sondern kommen aus einer design- und innovationsa#nen westlichen Bildungsschicht. Es ist eine Herausforderung, auch Begünstigte und Endnutzer der Dienst-leistungen mit einzubeziehen. Ideenwettbewerbe auf etablierten Plattformen wie IDEO sind nicht billig. Unternehmen und Plattformen verlangen zwischen 20.000 und 50.000 Euro.

FazitInnovationen lassen sich schwer planen; sie entstehen meist dann, wenn viele Ideen aus unterschiedlichen Perspektiven ge-neriert und vermischt werden. Online-Ideenplattformen zeichnen sich dadurch aus, dass Wissen zu einem Thema von diversen Ak-teuren aus verschiedenen Orten an einer Stelle zusammengetra-gen wird. Das gibt Menschen und Organisationen die Möglich-keit, sich kennenzulernen, Best-Practice-Beispiele untereinander auszutauschen und eigene Innovationen zu skalieren. Dabei ist unerheblich, ob die Teilnehmer ausgewiesene Experten in ihren Themenfeldern sind oder als Außenseiter kreative Ideen einbrin-gen. Die erfolgreichen o!enen Innovationsplattformen zeichnen sich durch transparente Prozesse und klare Regeln aus. Sie neh-men die Teilnehmer an die Hand und haben Engagementleiter, d. h., die Teilnehmer wissen in jeder Phase, was von ihnen ver-langt wird. Alle Ideen können transparent diskutiert werden und die beste Idee gewinnt.

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Hier sind kreative Köpfe gefragt. Ob Experte oder Laie, bei OpenIDEO kann jeder seine Ideen einbrin-gen. Von besseren Lernbedingungen in Entwick-lungsländern über den Aufbau einer Knochenmark-

Spendedatei bis hin zu gesünderem Essen für Kinder – NGOs und Unternehmen können ganz unterschiedliche Herausforderun-gen aus dem sozialen Bereich auf der Ideenplattform einstellen. Anschließend startet ein fünfstufiger Entwicklungsprozess, der o!en für alle ist: In der Inspirationsphase werden zunächst mög-lichst viele Ideen gesammelt, aus denen anschließend Konzepte mit Lösungs- und Handlungsstrategien entwickelt werden. Dann werden die Konzepte evaluiert und das Beste wird nach Möglich-keit umgesetzt. In jeder der Phasen hilft die Plattform dabei, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, indem sie Zusammenfas-sungen bereitstellt und den Prozess begleitet. Auch gut: Es kann stets kommentiert werden. Insgesamt eine spannende Sache, die Kreativität aus dem Netz in Projekte verwandeln kann. Wer die Plattform für eigene Wettbewerbe, im eigenen Look und unab-hängig von IDEO nutzen möchte, muss allerdings rund 50.000 US-Dollar Lizenzgebühren für die sogenannte White-Label-Ver-sion bezahlen. Außerdem wäre es besser, würden auch Umset-zung und Wirkung der Projekte auf der Plattform dokumentiert.

OpenIDEOwww.openideo.com

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Jeden Tag infizieren sich rund 3.000 junge Men-schen zwischen 15 und 24 Jahren mit HIV. Um bes-ser aufzuklären und weitere Infektionen zu verhin-dern, hat die UN-Institution UNAIDS im Oktober

2011 das kollaborative Projekt CrowdOutAids.org gestartet. Ziel des Projektes war es, eine neue Kommunikationsstrategie zum Thema HIV zu entwickeln. Damit diese Strategie gut wird, hat UNAIDS den Entwicklungsprozess für alle geö!net und über eine Online-Plattform organisiert. 5.000 Autoren haben so zu dem Strategie-Konzept beigetragen, indem sie gemeinsam Texte geschrieben, kommentiert und redigiert haben sowie das Konzept mit ihren Ideen bereicherten. Die dabei entstandene CrowdOutAIDS-Strategie war das erste crowdgesourcte UN-Dokument. Im April 2012 wurde das 32 Seiten lange Papier verö!entlicht – lesen kann man es zum Beispiel auf der Pub-likationsplattform Issuu. Die Empfehlungen des Papiers werden nun von UNAIDS umge-setzt. Dazu gehört unter anderem die Berufung eines Youth Advisory Board, eine kleine Online-Kampagne unter dem Titel Crowdmap, Bildungsförderung und eine Online-Community (die allerdings voll mit Spam ist).

CrowdOutAids www.crowdoutaids.org/wordpress

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Die Plattform für Ideenwettbewerbe Challenge.gov entstand im Rahmen der von Obama 2009 beschlos-senen „Strategie für amerikanische Innovationen“. Die Idee: Regierung und Bürger lösen die Heraus-

forderungen der USA des 21. Jahrhunderts gemeinsam – dank Internet und Preisgeldern. Regierungsbehörden wie die NASA oder die Umweltbehörde stellen „Challenges“, also Herausfor-derungen, auf die Website und rufen die Ö!entlichkeit dazu auf, Ideen und Innovationen einzureichen. So können Bürger aktiv an der Lösung von Problemen teilhaben – indem sie lan-desweit diskutieren, Talente einbringen und gute Ideen unter-stützen. Für die erfolgreiche Lösung einer Challenge werden die Teilnehmer mit (monetären oder nicht monetären) Preisen belohnt. Das ist für die Regierungsbehörden sehr kostene!ek-tiv. Die rund 200 eingestellten Probleme rangieren von leichten Aufgaben wie dem Erstellen eines Logos bis hin zu komplexen, beispielsweise einen Robonauten für die NASA zu entwickeln.

Challenge.govwww.challenge.gov

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Die Knight Foundation hat es als Erste gewagt und sich lange vor anderen Stiftungen auf einen web-basierten Innovationswettbewerb eingelassen. Die Knight News Challenge hat die Art, wie die Knight

Foundation arbeitet, fundamental verändert. Für die USA sind die Erfahrungen der Knight Foundation schon heute gute Indika-toren für die Veränderung des Stiftungssektors. Aber auch deut-sche Stiftungen müssen sich auf solche Veränderungen einstellen.

Mit der Knight News Challenge fördert die Knight Foundation seit 2006 innovative Projekte der Berichterstattung und Informationsvermittlung mit bis zu fünf Milli-onen US-Dollar jährlich. Wenn Knight-Mitarbeiter den Wettbewerb zur digitalen Zukunft des Journalismus auf Konferenzen oder im persönlichen Gespräch vorstel-len, beginnen sie allerdings nicht mit solchen Fakten, sondern mit der Geschichte des Journalismusstudenten David Cohn und seines Projekts Spot.us. Als einer der Ersten reichte er eine Idee bei der Challenge ein, die Idee einer Crowdfunding-Plattform, bei der die Ö!entlichkeit mit kleinen Beträgen investigativen Journa-lismus unterstützen kann. Innerhalb der Knight Foundation hatte Spot.us für viel Diskussion gesorgt: Wäre das nicht Scheckbuch-Journalismus? Würden dadurch nicht möglicherweise Interessengruppen zu viel Einfluss auf die Berichterstattung ausüben? Oder könnte tatsächlich ein Modell entstehen, das Bürger an der Zukunft des Journalismus beteiligt? Und sollte eine innovative und risikofreudige Stiftung nicht gerade diesen Antrag finanzieren, der bei allen Beteiligten solches Unbehagen auslöste, wie Jury-Mitglied Susan Mernit es formuliert? Knight hat sich letztendlich dafür entschieden, und Spot.us ist mittlerweile eine erfolgreiche Web-Plattform, die regelmäßig Crowd-finanzierte Geschichten in den traditionellen Medien, etwa der „New York Times“, unterbringt. Nicht nur diese Anekdote belegt einen Wandel der Stiftungsarbeit. Wenn man die Projektphasen eines klassischen Stiftungsprojekts mit denen der Challenge abgleicht, kann man ebenfalls Veränderungen feststellen.Abgeleitet aus der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie des operativen Projekt-managements sind die meisten Stiftungsprojekte in vier Phasen eingeteilt:

1. Themensetzung (Projektidee)2. Projektentwicklung und Bewilligung3. Projektdurchführung4. Projektabschluss

Jede der vier Phasen unterscheidet sich bei der Knight News Challenge von denen eines klassischen Stiftungsprojekts.

1. ThemensetzungDie Idee für ein Projekt entspricht im klassischen operativen Stiftungsprojektma-nagement fast immer dem Willen eines Stifters oder der Geschäftsführung. Denn intern wird davon ausgegangen, dass die Stiftungsmitarbeiter über ausreichend

Knight Foundation www.knightfoundation.org

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Wissen, Expertise und Netzwerke verfügen, um die besten Ansätze zur Lösung gesellschaftlicher Probleme selbst zu entwickeln. Mit der Knight News Challen-ge gesteht sich die Knight Foundation ö!entlich ein, nicht zu wissen, wie die di-gitale Zukunft des Journalismus oder die der richtigen Förderansätze aussehen könnten. Sie überlässt die Themensetzung beziehungsweise Projektentwicklung der Ö!entlichkeit und stellt lediglich Infrastruktur sowie finanzielle Ressourcen zur Umsetzung zur Verfügung.Für die Knight Foundation ist das ein gravierender Einschnitt: Als ehemalige He-rausgeberdynastie setzte sich die Knight-Familie schon seit den 1940er-Jahren für Qualitätsjournalismus und mehr kommunale Bürgerbeteiligung ein. Bis 2006 hatte Knight dabei vor allem Journalismus-Professuren an Elite-Universitäten gefördert und in dieser Förderung von Multiplikatoren der akademischen Lehre den wichtigsten Hebel für Qualitätsjournalismus gesehen. Die Entwicklungen des Mediensektors verfolgend, traf die digitale Wende auch die Stiftung hart. Es galt, neue digitale Modelle für die Zukunft des Journalismus zu entwickeln. Der Ansatz, akademischen Qualitätsjournalismus zu fördern, reichte nicht mehr aus, sagt Knight-CEO Alberto Ibargüen: “Our programs prepared the best and the brightest not only for jobs that might not exist, but for a world we couldn't honestly say we understood and neither could the universities. We didn't know exactly how this was going to a!ect things. I thought, ‘Let’s use technology to ask the question of anybody who might have an answer. Let’s ask the crowd’.“

2. ProjektentwicklungBei Stiftungsprojekten gibt es eine Auswahl an Formaten, die im Rahmen der Stif-tungsarbeit üblicherweise eingesetzt werden und bestimmte Funktionen erfüllen, also beispielsweise Veranstaltungsreihen für den Wissenstransfer und Aufbau von Netzwerken oder Stipendienprogramme für die Arbeit mit Multiplikatoren. Die Knight News Challenge basiert auf einem völlig neuen Projektansatz, der zuvor in der Stiftungs- und NGO-Welt noch nicht erprobt wurde: Inspiriert durch die Innovationskultur der Softwarebranche sollte die zukünftige Challenge als Web-bewerb (siehe Webbewerb/Trendreport online) entwickelt werden, bei dem die Stiftung lediglich die Infrastruktur und Finanzierung für neue Ansätze zur Verfügung stellt. Das Beratungsunternehmen Arabella Philanthropic Investment Adviser hat dafür in einer Meta-Studie 29 Web-Contests, unter anderem NetSquared von TechSoup Global und die Sunlight Lab Apps for America analysiert, um die richtige Kombination aus Weisheit der Massen und Expertenjurys zu entwickeln.

3. ProjektdurchführungAnders als im klassischen Stiftungsantragsprozess, der oft zwei- bis dreistufig aufgebaut ist und mehrseitige Antragsschreiben beinhaltet, wurden bei der Knight News Challenge die Hürden für eine Projektbewerbung so niedrig wie möglich gehalten, um neue Zielgruppen ansprechen zu können. Es sollte nur drei Regeln für den Wettbewerb geben: Das Projekt basiert 1. auf Nachrichten- oder Infor-mationsvermittlung, 2. auf einer digitalen Open-Source-Plattform und richtet sich 3. an eine geografisch definierte Gemeinschaft.Anstelle eines oft als aufwendig und undemokratisch empfundenen Prozesses wurde auch das Online-Bewerbungsverfahren sehr übersichtlich und transpa-rent. Eine Bewerbung im Rahmen der Knight News Challenge ist nur für einen begrenzten Zeitraum über eine Online-Plattform möglich, auf der Antragsteller zunächst nur knapp zehn Fragen beantworten und ihre Projektidee umreißen. Die Community diskutiert und bewertet die etwa 2.000 Anträge und ungefähr

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500 Bewerber werden dann aufgefordert, vollständige Anträge einzureichen, die von einer externen Jury begutachtet werden. Diese Jury setzt sich je nach Schwer-punkt unterschiedlich zusammen, aktuell sind zum Beispiel DivX-Gründer Jordan Greenhall, Wikipedia-Geschäftsführerin Sue Gardner oder RisingVoices-Blogger David Sasaki dabei. 50 Bewerbungen scha!en es in die finale Auswahlrunde und werden von einer Jury, bestehend aus Knight-Mitarbeitern und Experten, noch einmal einzeln besprochen. Hier geht es oft darum, nicht nur die Idee zu bewer-ten, sondern die Anträge auch auf Machbarkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen. Die Vorschläge für die Gewinner werden schließlich in einem letzten Schritt dem Board der Knight Foundation zur Bewilligung vorgelegt.Auch bei der Ausschreibung des Wettbewerbs schlägt die Knight Foundation neue Wege ein. Üblicherweise würden Stiftungen wahrscheinlich eine Anzeige schalten oder Verteiler mit E-Mails beliefern. Knight hat sich stattdessen für die sozialen Medien entschieden und hauptsächlich über Twitter (@knightfdn) und Google Plus geworben sowie Videos für YouTube und Vimeo produziert.

4. ProjektabschlussNormalerweise verö!entlichen Stiftungen Ergebnisse erst nach Abschluss der Projekte, selbst wenn es eine projektbegleitende Evaluation gab. Doch sowohl on- als auch o$ine setzt die Knight Challenge auch in Sachen Community-Building und Wissenstransfer neue Maßstäbe. Jedes Frühjahr tre!en sich beispielsweise alle NewsChallenge-Gewinner am Center for Future Civic Media des MIT, um von einander zu lernen und die Ergebnisse ihrer Arbeit auszutauschen. Die Konferenz sowie die Präsentation der Gewinner wurden auf dem eigenen Livestream übertra-gen. Auf dem Idea Lab-Blog findet der Wissenstransfer im Netz (5/Digitalskalieren) statt und ermöglicht durch die Kooperation mit dem TV-Sender PBS die Anbin-dung an eine größere Ö!entlichkeit. Interessant ist auch, dass der Hauptkommu-nikationskanal zwischen den Stiftungsmitarbeitern und den Challenge-Teilneh-mern Twitter ist – schnell, direkt und transparent. Unter der Rubrik „What We Are Learning“ verö!entlicht Knight darüber hinaus auf seiner Website regelmäßig Aktuelles aus dem Projekt, zum Beispiel Zwischenevaluationen.

Drei Phasen und vier Kriterien des ErfolgsDie Knight News Challenge ist ein gutes Beispiel für institutionelles Lernen und sogenanntes iteraktives Projektmanagement. In der Managementlehre und Soft-wareentwicklung spricht man von Iteration, wenn im Entwicklungszyklus von Pro-jekten mehrere Feedback-Schleifen zur Überprüfung und Anpassung vorgesehen sind. Bei der News Challenge lassen sich durch den kontinuierlichen Wissen stransfer und die Weiterentwicklung drei Phasen ausmachen: Auf die Phase des Experimen-tierens folgt die Phase der Unterstützung erfolgreicher Ansätze, die in die Phase der Prototypisierung und Inkubation erfolgreicher Modelle übergeht. Für die Knight News Challenge hat die Stiftung vier Erfolgskriterien definiert, die für die erste Phase des Projekts (2006–2008) bereits durch die Strategieberatungs-gruppe Learning for Action evaluiert wurden: 1. den Lebenszyklus der Projekte, 2. die Weiterentwicklung des Modells, 3. die finanzielle Tragfähigkeit und 4. die Weiterverwendung des Open-Source-Codes. Von den 31 Projekten, die bis 2008 mit 17 Millionen Dollar bewilligt wurden, laufen fast drei Viertel immer noch, über die Hälfte wird skaliert (z. B. VillageSoup) oder weiterverbreitet (z. B. EveryBlock), fast zwei Drittel konnten zusätzliche Finanzierung einwerben und von mindestens einem Drittel ist bekannt, dass der Code für andere Projekte verwendet wurde.Stiftungsintern wird die Challenge als Erfolg gewertet, und das Projektdesign

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setzt sich durch. Mittlerweile gibt es sechs Challenges, darunter zum Beispiel die 24-Millionen-US-Dollar-Community Information Challenge und die 20-Millionen-Dollar Knight Artsm Challenge. Wenn man sich die Liste der Gewinnerprojekte ansieht, kann die Stiftung auch extern belegbaren Erfolg vorweisen: Unter den 79 Challenge-Gewinnern sind bekannte Plattformen wie DocumentCloud, Ushahidi (Trendreport online) oder FreedomFone, die die Zukunft des Journalismus vorantreiben.

Webbewerbe jetzt auch bei Bertelsmann, Bosch und Co.?Während Challenges in den USA mittlerweile auch von anderen Organisationen erfolgreich für gemeinnützige Ziele eingesetzt werden – die bekanntesten Beispie-le sind die Pepsi-Refresh-Kampagne und die Case Foundation mit der Americas Giving Challenge –, gibt es in Deutschland bisher keine vergleichbaren Stiftungs-Webbewerbe. Vielleicht liegt das daran, dass viele Stiftungen nicht bereit sind, Entscheidungen aus der Hand zu geben und ö!entlich einzugestehen, dass sie die Lösungen für gesellschaftliche Probleme auch noch nicht kennen. Die Betei-ligung an stiftungsinternen Entscheidungsprozessen erfordert außerdem einen Kulturwandel, auf den sich viele Stiftungen nur bedingt einlassen wollen. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in Sachen Bürgerbeteiligung und Demokratisierung von Expertise (siehe zum Beispiel Thomas Saretzkis 1997 erschienenen Beitrag „Demokratisierung von Expertise? Zur politischen Dyna-mik der Wissensgesellschaft“ oder Claus Leggewies Beitrag „Demokratisierung der Expertise über Internetdiskurse?“) ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, wann die Ö!entlichkeit einfordert, auch über Entscheidungsprozesse von Stif-tungen transparent informiert und daran beteiligt zu werden.Die Nähe zum disruptiven Mediensektor und zur Softwarebranche machte die Knight Foundation, die Case Foundation und die Sunlight Foundation zu Innova-tionstreibern. Da in Deutschland bisher keine der großen Stiftungen das Thema Netzpolitik oder Zukunft des digitalen Journalismus auf der Agenda hat, bleibt abzuwarten, ob und wie schnell sich der Sektor wandelt. Vielleicht kommen die neuen Ideen ja auch aus einer anderen Richtung. Die Berliner Stiftung Entrepre-neurship hat beispielsweise gemeinsam mit Google einen Wettbewerb namens Gründer-Garage zur Förderung von Geschäftsideen in Deutschland gestartet. Das Beispiel des Knight News Challenge soll Mut machen und zeigen, dass sich diese O!enheit und Risikofreudigkeit lohnen kann.

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Echtzeit

Zunächst zur besseren Arbeit: Kommunikationsdienste wie Twitter sind ein gutes Frühwarnsystem für Krisen, weil eine neue situative Aufmerksamkeit in Echtzeit entsteht. Dank Twitter-Meldungen kann die US-Katastrophenbehörde FEMA zwölf bis 24 Stunden schneller als zuvor auf Wirbelstürme reagieren. Das Live-Mapping der Open-Source-Software Ushahidi (Trendreport online) hat sich im Katastrophenfall bereits hundertfach bewährt. Hilfsorganisationen und Bürger vor Ort senden ortspe-zifi sche Informationen, die auch für eine Gesamtschau der Situation wichtig sind. Und nach Hurrikan Sandy entwickelte das America Red Cross eine App, über die Betro! ene aktuelle Meldungen und Hilfsangebote beziehen konnten. Die FEMA stellte ihre Satellitenbilder ins Netz, und Hunderte ehrenamtliche Internetnutzer halfen dabei, die größten Verwüstungen zu lokalisieren.

Schnelle Informationen bedeuten ein schnelles Leben. Wer morgens die Papier-zeitung aufschlägt, kennt die Schlagzeilen schon seit gestern aus dem Internet. Die Demonstrationen in Tunesien und Ägypten liefen in Echtzeit auf unseren Geräten ab. Über Statusmitteilungen in sozialen Netz-werken nehmen Freunde live an unserem Leben teil. Mit Apps wie Transfi re können wir Sprachen simultan übersetzen und dank Lokalisierungsdiensten wie Foursquare wissen wir, welche unserer Freunde gerade am Mailänder Flughafen oder um die Ecke sind. Selbst die Bahn schickt uns Verspätungs-meldungen aufs Handy. Im sozialen Sektor ist Echtzeit ein wichtiger, aber auch ambi-valenter Trend.

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Plattformen wie Aid Data oder Washfunders, die aktuelle Informationen zur stark fragmentierten Hilfsindustrie bereitstellen (wer macht was wo?), sorgen für eine bessere Orientierung und Koordination von Hilfsprojekten. Ebenso können Politi-ker, Wissenschaftler und Aktivisten entstehende Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent mithilfe von Informationen, die auf dem CCAPS Conflict Dashboard einfließen, verfolgen. Das Sentinel-Projekt wiederum beobachtet Menschenrechts-vergehen in Darfur in Echtzeit. Echtzeit bedeutet dabei nicht unbedingt „im sel-ben Augenblick“, sondern bezieht sich darauf, dass Informationen innerhalb eines Zeitraums generiert und verbreitet werden, der kurz genug ist, um eine adäquate Reaktion bzw. Feedbackschlaufe zu ermöglichen.

Organisationen, die schnell kommunizieren, können Unterstüt-zer besser bindenchtzeit-Informationen bieten auch für Menschen, die der sozia-le Sektor bislang als Begünstigte betrachtet, Chancen für einen verbesserten Lebensstandard jenseits der Hilfsindustrie. Aktu-elle Wettervorhersagen gibt’s in Kenia per SMS von Kilimo Salama, sodass Bauern bessere Ernten einfahren. Aktuelle Marktpreise

in Indien vermittelt Reuters Market Light und bricht damit das Informationsmo-nopol von Zwischenhändlern, die früher hohe Margen kassierten. In weniger lebensbedrohlichen Situationen erleichtern Meldungen in Echtzeit die Arbeit von Hilfsorganisationen, weil sie die Erfolge oder Misserfolge von Hilfs-programmen schneller messen können als zuvor. Dieses Direkt-Feedback (siehe 4/Direkt-Feedback) ermöglicht es, Hilfsprojekte kurzfristig und während ihrer Lauf-zeit zu optimieren (was bislang aber noch kaum umgesetzt wird).Für die Kommunikation mit Geldgebern und Unterstützern wird ebenfalls eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit erwartet. Menschen haben sich im Zuge der Digitalisierung des Alltags daran gewöhnt, dass sich Informationen fast so schnell verbreiten, wie es das Netz hergibt. Während sich frühere Spendergenerationen mit dem Jahresbericht einer Organisation zufriedengaben und nur selten zum Briefpapier oder Telefonhörer gri!en, ist der Kontakt heute mit einem Klick hergestellt – Unterstützer erwarten eine Antwort innerhalb weniger Stunden. Institutionen, die schnell auf Anfragen reagieren, können sich dadurch einen Sympathiebonus holen. Manchen gelingt es sogar, ihre Unterstützer mitwirken zu lassen. Denn Kommunikation in Echtzeit ermöglicht es, Geschichten partizi-pativ zu erzählen (siehe 1/Digitalanekdoten). Wenn ich für eine Schule in Sierra Le-one spende, kann ich innerhalb von Stunden über den Projektfortschritt zeitnah in Wort und Bild über soziale Netzwerke, die Website der Organisation oder auf der Spendenplattform informiert werden. Bei charity:water werden Brunnenbohrungen sogar per Video-Stream live über-tragen und man ist hautnah dabei, wenn in der Demokratischen Republik Kongo mit schwerem Gerät nach Wasser gesucht wird. (Auch Misserfolge werden so transparent gemacht, siehe Produktiv Scheitern/Trendreport online.) Und bei einer in-donesischen Hilfsorganisation kann der Spender, der bedürftigen Familien eine Ziege geschenkt hat, bei der Schlachtung via Live-Stream dabei sein. Es geht bei diesen Live-Eindrücken weniger um technisch perfekte Aufnahmen, sondern um das Gefühl, unmittelbar an einem Ereignis am anderen Ende der Welt teilzuneh-men. Echtzeit vermittelt Authentizität, Spontanität und Empathie. Auch für die Vermittlung von Wissen setzen sich Live-Streams immer mehr durch. Viele große Konferenzen im sozialen Sektor, von der NTEN Fundraising Kon-ferenz bis zur SOCAP, können heute von Zuschauern weltweit am Bildschirm

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„besucht“ werden. Das Gleiche gilt für Webinars, beispielsweise vom Standford Social Innovation Review, über die mehr Teilnehmer einbezogen werden können als bei einer herkömmlichen Präsenzveranstaltung.

Schnelle Katastrophenmeldungen erfordern schnelle Spenden-möglichkeitenchnelligkeit spielt auch im Online Fundraising (siehe Online-Fund-

raising/Trendreport online) eine wichtige Rolle. Gerade im Katastro-phenfall ist es Spendern wichtig, ihrem Geberimpuls unmittelbar folgen zu können, etwa indem sie Hilfsorganisationen per SMS oder über Online-Portale unterstützen. So spendeten neun Pro-

zent der US-amerikanischen Bevölkerung nach dem Erdbeben in Haiti via SMS, und auch in Deutschland nehmen Onlinespenden zu. Die Direktheit von Echtzeitkommunikation könnte NGOs auch Konkurrenz ma-chen: Warum sollte eine Spenderin nicht mit der Person, die sie unterstützen möchte, direkt kommunizieren? Ihr direkt Hilfe zukommen lassen, ohne den Um-weg über die NGO? In diese Richtung weist Give Directly, eine Organisation, die direkte Spenden auf das M-Pesa-Konto einer Begünstigten in Kenia ermöglicht.

Erhöhte Kommunikationsrate erfordert auch ein dickes Felleben diesen positiven Aspekten stellt Echtzeit soziale Organi-sationen auch vor einige Herausforderungen. Neben viralen Überraschungserfolgen können zivilgesellschaftliche Organisa-tionen (ZGO) auch von lawinenartiger Kritik getro!en werden (Shitstorms). Denn noch nie war es so einfach, Fakten, Meinun-

gen und Gerüchte zu verbreiten. Konnten Hilfsorganisationen früher ihr Image über Jahresberichte, Briefwurfsendungen und prominente Fürsprecher mehr oder weniger kontrollieren, so ist heute jeder Internetnutzer ein potenzieller Kritiker. So wurde die Komen Stiftung Anfang 2012 nach einer Protestlawine auf Blogs, Twitter und Facebook gezwungen, ihre Förderpolitik zu revidieren. Auch die Knight Stiftung erlebte jüngst ihren ersten Social-Media-Eklat, als be-kannt wurde, dass sie einem umstrittenen Journalisten ein hohes Rednerhonorar gezahlt hatte. In Deutschland musste sich der WWF gegen eine digitale Kriti-kerschar behaupten, die auch die Massenmedien auf den Plan rief. Für soziale Organisationen ist es also wichtig, die Meinungen im Netz kontinuierlich zu beobachten und im Ernstfall schnell und adäquat zu reagieren. Echtzeit bringt es daher mit sich, dass Kommentare und Reaktionen nicht in einem langsamen Top-down-Prozess genehmigt werden können, sondern von vielen Mitarbeitern verantwortet werden.

Chancen:

werden.-

gebieten.-

den (nicht erst nach einer Ex-Post-Evaluation Monate nach Abschluss eines Programms).

und Begünstigten können enger und persönlicher gestaltet wer-den. Das birgt Potenzial für Spenderbindung und Fundraising.

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Risiken:

Handlungen: Änderungen in Hilfsprogrammen umzusetzen, braucht Zeit. Deshalb ist es schwierig, die auf sofortige Be-dürfnisbefriedigung ausgerichtete Erwartungshaltung der Kon-sumenten zu befriedigen.

gewöhnt, schnell auf Anfragen und Meinungen zu reagieren. Kommunikationsabteilungen und ganze Organisationen müs-sen sich umstellen wenn plötzlich nicht-hierarchische Kommu-nikation in die Ö!entlichkeit möglich sein soll.

ebenso Ressourcen, wie die Produktion von entsprechenden Inhalten (Videos, Status-Updates etc.).

FazitDigitale Kommunikation ist schnelle Kommunikation. Menschen bekommen heute über ihr Handy nicht nur Echtzeitinformati-onen zur Pünktlichkeit ihrer Zugverbindung. Deshalb gilt: Wer seine Spender warten lässt, verliert sie auch. Feedback und Ant-worten auf Fragen müssen heute innerhalb von Stunden gegeben werden, Berichte über Ereignisse und Neuigkeiten wenn nicht live gestreamt, dann doch zeitnah gebloggt werden. Zeitlich nah dran bedeutet auch emotional nah dran: Über Echtzeitkommu-nikation können Unterstützer (ein)gebunden werden. Und nach Katastrophen lassen sich die Abertausenden Stimmen in sozialen Netzwerken nutzen, um schnell lebenswichtige Informationen zu erhalten. Diese direkte Art der Kommunikation kostet zwar Ressourcen – doch für einen beweglicheren sozialen Sektor, der besser auf tatsächliche Begebenheiten reagieren kann, lohnt es sich, die Brieftaube durch ein Handy zu ersetzen.

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Voice of Kibera ist der direkte Draht in den Slum Kibera in Nairobi. Bürger berichten hier täglich von den schönen und auch schlimmen Dingen, die sie erleben – per Video, Tweet, Blogpost oder Foto.

Über ein einfaches Eingabe-Formular können sie ihre Berich-te posten und verschiedenen Kategorien zuordnen. Alle Bei-träge werden auf einer täglich aktualisierten Karte lokalisiert und ergeben so einen guten Einblick in das tägliche Leben in Kibera. Die Citizen Reporter sind fleißig: Täglich kommt eine Handvoll Meldungen hinzu, die bei größeren Ereignissen auch durch externe Medienberichte aus Kenia ergänzt werden. So konnte man über Voice of Kibera die Wahlen in Kenia zeitnah und umfassend verfolgen. Denn auf der Plattform kommen auch diejenigen ohne Umwege zu Wort, die nicht im „Weltspiegel“ oder in der „Tagesschau“ zitiert werden.Voice of Kibera ist ein Partnerprojekt von Map of Kibera, eine Kartismus-Initiative (siehe Kartismus/Trendreport online), über die Bewoh-ner von Kibera Informationen zur Infrastruktur, beispielsweise Sanitäreinrichtungen oder Trinkwasserstellen, sammeln.

Voice of Kiberawww.voiceofkibera.org

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Eyes on Darfur wurde im Juni 2007 von Amnesty International und der American Association for the Advancement of Science (AAAS) ins Leben geru-fen, um dem Konflikt im Sudan mehr Aufmerksam-

keit zu verscha!en. Auf der Website konnte man quasi live die aktuelle Situation von zwölf Dörfern in Darfur über Satellitenbil-der beobachten. Menschenrechtsverletzungen oder Brandschat-zungen konnte jedermann sehen, die Bilder waren der Beweis. Auf Eyes on Darfur kann man auch persönliche Berichte von Augenzeugen lesen. Die Zahl der Besucher war mit ca. 85.000 pro Tag recht hoch, ebenso die Besuchszeit von sechs bis sieben Minuten. Die Aktion ist mittlerweile beendet, und Südsudan ist eine unabhängige Republik. Die Satellitenbilder sind immer noch abrufbar, werden aber nicht mehr aktualisiert. Wer wis-sen will, wie es aktuell um den Südsudan steht, der wird auf die Südsudan-Seite von Amnesty International USA weitergeleitet. In Zukunft könnten solche Initiativen unter dem Motto „Die Welt sieht zu“ Informationen aus erster Hand generieren und gleichzeitig Druck auf die Beobachteten ausüben.

Eyes on Darfurwww.eyesondarfur.com

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charity: water ist eine NGO, die bereits viel mit dem Thema Echtzeit experimentiert. Zum Beispiel kann man auf der Website den Brunnenbohrer Yellow Thunder mithilfe einer Google-Earth-Karte

verfolgen und weiß anhand von GPS-Daten immer ganz genau, wo gerade eine neue Trinkwasserstelle eingerichtet wird. Außerdem Twittert der Bohrer unter dem Namen @cwyellowthunder neue Informationen. Per Tweet teilt er jede aktuelle Bohrung und seinen genauen Standort den über 1.000 Followern mit. Auf diese Weise wird die Arbeit von charity: water transparent nachvollziehbar. Dazu gehört auch, dass die Organisation Misserfol-ge o!enlegt und evaluiert (etwa wenn Live-Bohrungen schief-gehen). Die Mitarbeiter der NGO sind einfach über Twitter und Facebook zu erreichen, um Fragen schnell zu beantworten – auch diese direkte Erreichbarkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Echtzeit-Trends.

Yellow Thundercharitywater.org/yellowthunder

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Bildung für alle

Online-Bildungsangebote überwinden entlang der Internetleitungen geografi sche Hürden und bieten auch armen Menschen Bildungsmöglichkeiten. So transportie-ren kostenlose Bildungsportale und Online-Kurse die Chance, Bildung als Allge-meingut der ganzen Weltbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Projekte wie „One Laptop per Child“ investieren bereits seit 2005 in die Verbreitung von Laptops und Lernsoftware – überwiegend in Entwicklungs- und Schwellenländern. Auf diese Weise soll zukünftig allen Kindern der Welt mit spezieller Hard- und Soft-ware eine Grundschulausbildung gewährleistet werden. Gleichzeitig erlernen die Schüler den Umgang mit Technologien, die heute immer unerlässlicher werden. Das ruft auch Microsoft auf den Plan. Im Dezember 2012 hat der Konzern ange-kündigt, 75 Millionen US-Dollar zu investieren, um Menschen in Afrika einen di-gitalen Zugang zu Bildungsmaterialien zu ermöglichen und zum Beispiel „Skype in the classroom“ nutzen zu können. Mit diesem Programm kann man Gastspre-cher oder Lehrer auf der ganzen Welt per Mausklick ins Klassenzimmer holen.

Was hinter Quantenmechanik oder dem kleinen Einmaleins steckt, lernt man im digi-talen Zeitalter nicht mehr nur in der Schu-le. Mehr und mehr Plattformen bieten im Internet meist kostenlose Kurse, Tutorials und Übungen an. Und die UN fordern: Grundbildung für alle! Befi nden wir uns also inmitten einer Bildungsrevolution? Ist das Internet der Schlüssel zu einer gerech-teren Welt, die Bildung für alle bietet und so für globale soziale Gerechtigkeit sorgt?

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Mit MOOCs, MOODLEs und OERs in Harvard lernen tatt Vorlesungen vor einer exklusiven Hörerschaft von Studen-ten zu halten, erreichen hochkarätige Professoren mit Massive Online Open Courses (MOOCs) – organisierte, o!ene Kurse im Internet – viel mehr Zuhörer. Als Auslöser der MOOCs-Welle wird oft der ehemalige Finanzanalyst Salman Khan genannt. Um

seine entfernt wohnende Cousine in Mathematik zu unterstützen, hat er ihr via YouTube kurze, unterhaltsame Nachhilfevideos geschickt. Was 2006 als eher private Nachhilfestunde begann, hat sich zu einer der größten Lernplattformen entwickelt: Die Khan Academy umfasst mittlerweile über 250 Millionen Videos, die sich rund sechs Millionen Nutzer im Monat ansehen.Während MOOCs zeitlich unbefristet sind, stellen Moodles (Modular Object-Ori-ented Dynamic Learning Environment) die Vorlesungsvideos und Dokumente nur für begrenzte Zeit zur Verfügung. Bei beiden E-Learning-Programmen lernen die Teil-nehmer anhand von Videos und Tests und helfen sich gegenseitig in Foren und Blogs. Ein weiteres Element der o!enen Online-Bildung sind Open Education Ressour-ces (OER) – lizenzfreie Lehr- und Lernunterlagen zu diversen Themen. Denn die-se können vor allem in den USA oft noch mehr kosten als die Studiengebühren selbst. Eine Vielzahl von Stiftungen, Initiativen und die Regierung treiben die OER-Bewegung in den USA voran. Die Hewlett Foundation finanziert seit 2001 das Open-Courseware-Programm des MIT mit seinen über 2.000 Kursen unter freien Creative-Commons-Lizenzen. Auch die Gates Foundation investiert in den digitalen Bildungssektor. So wundert es nicht, dass die USA bei den OER-Themen im Vergleich zu anderen Ländern stark in Führung liegen.

Abschluss oder Abbruchas MIT bietet seit Kurzem auch seine aktuellen, laufenden Kur-se online an (siehe edX). Parallel zu den Unikursen können die Online-Lerner nun die Vorlesungen und Seminare in Echtzeit über das Internet verfolgen und zur selben Zeit wie die Studen-tinnen ihre Prüfung absolvieren. Das Angebot, so ein kostenloses

Zertifikat von einer der besten Unis mit renommierten Profs zu bekommen, lockt viele an ihre Rechner. Die Abbruchraten sind dagegen ernüchternd: Nur 4 % der Online-Studenten schließen den Kurs mit Zertifikat ab.

Demokratisierung der Bildung in besonders erfolgreiches Beispiel hingegen ist das MOOC von Sebastian Thrun, Professor der Stanford-Universität, zu künst-licher Intelligenz. Im Auditorium erreichte er mit der Vorlesung rund 200 Studenten – übers Internet 160.000 Online-Hörer aus 200 Ländern –, immerhin 14 Prozent der Teilnehmer haben den

Kurs auch beendet. Bemerkenswert dabei ist, dass unter den Top 400 Absolventen des Thrun-Kurses kein einziger Stanford-Student war, sondern eine breite Mi-schung aus sehr begabten Studenten weltweit. Bestärkt durch diesen Erfolg gründete er die Plattform Udacity. Intelligenz ist eben weltweit verstreut, und nur wenige Menschen können sich die 250.000 US-Dollar für ein Studium in Stanford leisten. MOOCs tragen so auch zur Demokratisierung der Bildung bei. Ein zusätzlicher Vorteil von Online-Kursen: Nutzer können sich ein Video so oft angucken, bis sie wirklich alles verstanden haben. Außerdem lassen sich der Quiz und Übungsaufgaben in der Community einfacher lösen. Eine individuelle Erfolgsmessung motiviert zusätzlich, die Kurse ehrgeizig anzugehen.

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Online Lernen in Deutschland: Plattformen ja, Lernmaterialien neinuch in Deutschland sind einige Unis, etwa die Ludwig-Maximili-an-Universität München (LMU), mit ihren Kursinhalten im Inter-net vertreten. Die LMU bietet Videos, Podcasts und Textdateien über die (teilweise kostenlose) Bildungsplattform iTunes U an. Auch die Uni Bremen verzeichnet hohe Zugri!szahlen auf ihr E-

Learning-Angebot. Dieser Bereich ist jedoch nur für Uni-Zugehörige verfügbar. Und das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam hat bereits eine Plattform mit MOOCs. Bei der Entwicklung und Bereitstellung von o!enen Lernmaterialien (OER) erscheint Deutschland neben den sehr aktiven Ländern Großbritannien, Niederlande, Polen, Spanien und den USA allerdings eher unscheinbar.

Revolution im verstaubten Klassenzimmerer Ruf nach einer Revolution im Bildungssektor hallt schon lange durch verstaubte Klassenzimmer und überfüllte Hörsäle. Doch die meisten Lern-Angebote sind abgefilmte Vorlesungen: alte Methoden, die dank technischem Fortschritt aufgepeppt, aber nicht neu überdacht wurden. Was also sind die revolutionären

Bildungsangebote im Internet? Beispiel „Flipped classes“: Die wertvolle Zeit, die Schüler und Studenten mit ih-ren Lehrern haben, können sie besser nutzen, wenn sie die Vorlesungen vorab per Video sehen. Das Grundwissen und die harten Fakten werden schon vorher vermittelt, im gemeinsamen Unterricht ist dann Zeit für einen fruchtbaren Aus-tausch zwischen Experten und Schülern und die Anwendung und Vertiefung des Wissens. Stanford hat dieses Modell in einem Biochemie-Kurs pilotiert. Mit dem eindeutigen Erfolg, dass von den eingetragenen Kursteilnehmern statt der üblichen 30 % fortan 80 % anwesend waren. Der größte Unterschied zwischen den Online-Bildungsplattformen und dem klas-sischen Lehrbetrieb sind die verschiedenen Lerntheorien dahinter. MOOCs und andere E-Learning-Angebote bauen auf Lernautonomie, Austausch, kontrolliertes Chaos und Produktion statt Rezeption. Hier steht eine neue Lerntheorie im Zen-trum: Der Konnektivismus – man lernt nicht mehr für sich allein, sondern kann sich mit anderen Lernenden oder auch klassischen Wissensquellen wie Büchern weltweit vernetzen. „Wissen wie“ und „wissen was“ wird durch „wissen wo“, also das nötige Wissen zu finden, ergänzt.

Chancen Kostenlose Online-Bildungsangebote können gleichen Bil-dungszugang für alle ermöglichen.

Vielen Bildungstools fehlt es an echter Innovation, oftmals han-delt es sich um abgefilmte Vorträge. Vielfältige Interaktionsmöglichkeiten zwischen Lernenden, Lehrenden und Experten aus aller Welt.

Präsenz-Kurse an Unis können e!ektiver genutzt werden, wenn Vorlesungen bereits online gelaufen sind (flipped classes).

Geeignetes Bildungsinstrument für Menschen mit Behinderungen. Lernen von überall aus per App wird möglich.

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Risiken E-Bildung ist an Internetzugang und lernstrategische Kompe-tenz gebunden (viele Teilnehmer scheitern aufgrund mangeln-der Lernkompetenz).

Vielen Bildungstools fehlt es an echter Innovation, oftmals han-delt es sich um abgefilmte Vorträge. Keine sichere Identitätsüberprüfung im Internet bei Online-Prüfungen und keine gültigen Zertifikate (Lösungen: lokale Prüfungs-Zentren, Abgleich der Anschlagstechnik der Tastatur, Einsatz von Web-Cams). individuelles Lernverhalten und die Lerngeschwindigkeit wird analysiert und u. U. auch an Interessenten, z. B. potenzielle Ar-beitgeber, weitergegeben.

Sprachbarriere: viele Bildungsplattformen werden nur auf Eng-lisch angeboten.

Fazit„Bildung ist ein Schlüssel für eine gerechtere Welt. Wer Wissen hat, wer lesen, schreiben und rechnen kann, wer sich informie-ren kann, ist weniger auf andere angewiesen, weniger anfällig für Ausbeutung und kann Gelegenheiten nutzen, sich selbst aus der Armut zu befreien.“ So beschreiben die Vereinten Nationen ihr Millenniumsziel „Grundbildung für alle“ als ein wichtiges Werkzeug zur Armutsbekämpfung. Ist die digitale Entwicklung im Bildungsbereich die Lösung? Der Zugang zu Bildungsange-boten für alle Internetbenutzer ist sicher ein zukunftsweisender Schritt. Denn so werden aus Eliteunis ö!entlich zugängliche Bil-dungsstätten für Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichem Wissensstand. Umso wichtiger, dass nicht nur die digitale Kluft geschlossen wird, sondern auch neue Lehr-methoden gefunden werden. Bislang sind wirklich innovative Bildungsplattformen noch rar. Eine Vorlesung bleibt eine Vor-lesung – auch wenn der Frontalunterricht über ein Video läuft. Und: Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung von Online-Bildungsangeboten ist eine solide Grundbildung. Ob jedoch eine Grundschulbildung einzig über Bildungs-Plattformen vermittelt werden kann, ist fraglich. Denn gerade zu Beginn der schuli-schen Laufbahn werden – über Schreiben, Rechnen und Lesen hinaus – grundlegende Kompetenzen vermittelt. Selbstorganisa-tion, Lernstrategien und Eigenmotivation sind neben Zuspruch und sozialem Kontakt mit Gleichaltrigen Vorteile, die ein Klas-senverband o$ine bietet. Bislang ist Deutschland noch nicht besonders weit im Online-Bildungs-Bereich. Stiftungen und NGOs sollten dennoch das Ru-der in die Hand nehmen und in Kooperation mit Regierung, dem Privatsektor sowie Pionieren aus der ganzen Welt die digitale Bil-dungszukunft mitgestalten. (Nationale) Vielfalt und Multiperspek-tivität sind für Bildungsthemen einer globalen Welt enorm wichtig.

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Salman Khan, Gründer der Khan Academy, hat eine Online-Bibliothek mit mehreren Tausend Videos aufgebaut, die man auf YouTube oder einer Inter-netseite kostenlos ansehen kann.

Gestartet ist das Projekt als private Mathe-Nachhilfe, doch bald stellte sich heraus, dass auch viele andere sich für die einfach gestalteten Erklärvideos auf YouTube interessierten. Khan kün-digte seinen Job und gründete eine NGO, die bald prominente Geldgeber fand: Bill Gates und Google unterstützen das Pro-jekt – die Khan Academy konnte sich professionalisieren, die Videos haben aber noch ihren ursprünglichen Charme erhalten: Die improvisierten, virtuell gemalten Grafiken werden größten-teils immer noch von Salman Khan selbst anschaulich und lus-tig erklärt. Mittlerweile sehen sich rund sechs Millionen Nutzer im Monat die Videos an, die fast alles von einfacher Multipli-kation bis hin zur Kurvendiskussion oder Programmiersprache erklären. Die Website bietet auch ein Übungssystem, das für die Schüler Übungsaufgaben abhängig von ihrem Wissensstand generiert. Mit anschließenden Tests können die Schüler sich vir-tuelle Trophäen verdienen, aber keine gültigen Zeugnisse erwer-ben. Dass Khan keine pädagogische Ausbildung hat, macht ihn angreifbar für Kritiker – vor allem, weil er auch Themen online vermittelt, für die er nicht Experte ist, etwa die Evolutionstheorie.

Khan Academywww.khanacademy.org

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Mit edX haben die renommierten US-Universitäten Harvard und das Massachusetts Institut für Tech-nologie (MIT) eine Plattform für eLearning entwi-ckelt, die frei von Raum, Zeit und Geld jedem zur

Verfügung steht. Einzig ein Internetanschluss wird benötigt, um einen der mittlerweile 33 Kurse, die seit Mai 2012 online sind, zu besuchen. Egal ob Philosophie, Statistik, Physik oder Chemie – für jeden ist was dabei, wobei die MINT-Fächer noch überwiegen. Wer die Kurse regelmäßig besucht, hat genau wie an der O$ine-Universität die Möglichkeit, ein Zeugnis zu erhal-ten. Diese sind momentan noch kostenlos, eine Art Schutzge-bühr ist aber leider in Planung. Das Angebot von edX umfasst neben den Onlinekursen und weiteren eLearning-Tools auch Studien zum Lernverhalten von Studierenden und wie Techno-logie das Lernen on- und o$ine verändert. edX kommt gut an: Mehr als 150.000 Studenten aus über 160 Ländern nahmen an dem ersten Kurs Schaltungen und Elektronik/Elektronik-kreislauf teil. Insgesamt haben bereits mehr als 675.000 Men-schen (Stand: Februar 2013) Kurse besucht, davon stammten 75 Prozent aus dem Ausland.

edXwww.edx.org

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Das E-Learning-Programm der African Virtual University (AVU) will den Zugri! auf internatio-nale Bildungsressourcen für Menschen aus Afrika möglich machen. Ziel der Uni ist es, dass die vir-

tuell ausgebildeten Absolventen als qualifizierte Arbeitskräfte die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Heimatländer fördern. Aktuell bildet die AVU in Webinars, Selbstlern-Programmen und Diplomkursen unter anderem in den Fächern erneuerbare Ener-gie, Biologie und Technik aus. Die Kurse sind nicht kostenlos, es gibt aber eine Reihe an Stipendien, für die sich die Studenten bewerben können. Die Unterrichtssprachen für die verschiede-nen Angebote sind Englisch, Französisch und Portugiesisch. Bereits 1997 wurde das Projekt durch die Weltbank angestoßen und die AVU in Washington gegründet. Mittlerweile ist die Zentrale in Kenia. 15 weitere afrikanische Regierungen, zum Beispiel aus Ghana, Südsudan und Mali, unterstützen die Arbeit der AVU. Ein wirklich großes und langfristiges Projekt: Seit 1997 haben 43.000 junge Menschen an der Universität gelernt.

African Virtual Universitywww.avu.org

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Die Wirtschaft schaut auf Google, Facebook und Amazon, deren Imperien auf einem Fundament aus Daten stehen. Viele Unternehmer fragen sich, wie auch sie ihre Daten nutzen können. Regierungen hadern, ob sie ihre riesigen Daten-mengen über das Volk der Ö! entlichkeit zur Verfügung stellen sollen, so wie es die Open-Data-Bewegung fordert (siehe Daten für alle/Trendreport online). Digitale Da-ten beeinfl ussen immer mehr Bereiche des Lebens. Während dem Unternehmer die Dollarzeichen in den Augen stehen, wenn er an Prozessoptimierung, mehr E# zienz und Voraussagen über die Zukunft denkt, geht es hier vielmehr um die Frage: Wie können wir die Daten für das Allgemeinwohl nutzen? Wie können wir im sozialen Sektor bessere, datengestützte Entscheidungen tre! en?

Big Data ist eines der großen Buzzwords dieser Zeit. Die mit der Digitalisierung des Alltags wachsende Datenmasse verspricht mehr E# zienz, völlig neue Erkenntnisse und sogar Voraussagen über die Zukunft. Die Daten stammen von uns allen. Wir erzeugen sie mit jedem Klick im Internet, beim Einkauf und Online-Banking, wenn wir das Navi nutzen oder mit dem Handy telefonieren. Dazu kommen vermehrt Daten aus dem „Internet der Dinge“, von Sensoren an Frachtcontainern, Wettersta-tionen oder unserem neuen Kühlschrank. Auch für den sozialen Sektor und das Gemeinwohl bergen diese Daten ein enor-mes Potenzial.

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Big Data for Good hilft heute schon, Ereignisse besser vorherzusagen. Google Flu nutzt die Häufigkeit bestimmter Suchbegri!e, um die Wahrscheinlichkeit von Grippeerkrankungen und deren Ausbreitung abzuleiten. Die Vorhersage ist so tre!end wie die der US-amerikanischen Seuchenbehörde CDC – jedoch schneller. Social-Media-Analysen in den USA und Irland konnten drei Monate vor dem An-steigen der o#ziellen Arbeitslosenstatistik zeigen, dass viele Menschen um ihren Job fürchteten. Und die Zahl der Tweets aus Indonesien, die den Preis von Reis erwähnten, korrelierten eng mit realen Preiserhöhungen, die sich aus o#ziellen Statistiken wesentlich später ergaben.Diese Vorhersagen zu Arbeitslosigkeit und Reispreisschwankungen sind dem Institut Global Pulse zu verdanken. Es wurde 2009 vom UN-Generalsekretariat gegründet, um die Auswirkungen von globalen Krisen nicht erst Monate später beschreiben, sondern vorhersagen zu können. Daten können im Moment ihrer Entstehung ausgewertet werden, sodass noch genug Zeit zum Handeln bleibt. Kaufen Menschen in einer Region plötzlich weniger Handy-Gesprächsguthaben oder greifen auf ihr Erspartes zurück und verzeichnen Wettersensoren kaum Niederschlag, so sind das Indikatoren einer bevorstehenden Krise.Richard Kirkpatrick, Leiter von Global Pulse, sagt: „Die Analyse von Mustern in Big Data kann die Art und Weise revolutionieren, wie wir auf globale Krisen wie ökono-mische Schocks, Seuchen oder Naturkatastrophen reagieren. Wir formulieren und testen Hypothesen und entwickeln Methoden, mit denen wir Echtzeitdaten ernten und ein Echtzeitverständnis von menschlichem Wohlbefinden bekommen können.“Wichtige BigDataAnalysen stammen aus dem Gesundheitsbereich: Eine Analyse der Mobiltelefone von 15 Millionen Kenianern zeigte die Verbreitungsmuster von Malaria, anhand derer genauere Präventionsprogramme entwickeln wurden. Auch gelang es Wissenschaftlern, die Daten von zwei Millionen SIM-Karten in Haiti nach dem Erdbeben 2010 auszuwerten und damit die Bewegungsmuster von über 600.000 heimatlosen Bewohnern von Port-au-Prince zu verfolgen. Als später im Jahr die Cholera ausbrach, konnte das gleiche Team die Migrationsbewegungen nachvollziehen und vorhersagen, wo neue Ausbrüche der Krankheit zu erwar-ten waren. Und die US-Behörde FEMA schickte während der Wirbelsturmsaison 2011 viel schneller als sonst Rettungsteams in Regionen, aus denen sie Social-MediaWarnungen erhielten. Die Teams hatten einen Vorsprung von zwölf bis 24 Stunden, im Vergleich zu früher, als FEMA noch auf verifizierte Lageberichte gewartet hatte – ein Zeitgewinn, der lebensrettend sein kann.

Vision: EZ und NGOs legen ihr gesammeltes Wissen über sozi-alen Fortschritt o!enIn vielen Bereichen ist das Potenzial von Big Data im sozialen Sektor sogar größer als in der Wirtschaft. Denn während viele Unternehmen schon lange zahlen- und datengetrieben arbeiten, mangelt es im sozialen Sektor in den meisten Fällen selbst an grundlegenden Daten. NGOs, Stiftungen und Geldgeber bemü-

hen sich, Gutes zu tun. Dabei sind viele aber so intransparent, dass sie nicht voneinander lernen können. Sie stochern mit ihrer eigenen Arbeit im Dunkeln, und besonders kleinere, aber auch größere Organisationen verstehen nicht ein-mal ihre eigenen Zahlen. Es mangelt auch an einer gemeinsamen Informationsin-frastruktur, über die man sich abstimmen könnte – wenn man denn wollte. (Die Angst vor Wettbewerbsnachteilen im Kampf um Spenden ist groß.)Initiativen wie die International Aid Transparency Initiative (IATI) oder Washfun-ders werben bei internationalen Entwicklungsorganisationen und NGOs darum, dass

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sie ihre Daten ö!entlich zur Verfügung stellen. Denn nur so können Projekte gut koordiniert werden, Partner gefunden und Missbrauch und Korruption aufgedeckt werden. Um nur zwei Erfolgsbeispiele für die Eindämmung von Missbrauch durch Big Data zu nennen: Im Zuge der SubsidiosalCampo-Kampagne in Mexiko wurden eine Fülle von Datensätzen zu landwirtschaftlichen Subventionen auf einer Karte ö!entlich zugänglich gemacht. Dabei kam heraus, dass einige hohe Regierungsbe-amte und Agrar-Konzerne unberechtigterweise große Zahlungen erhalten hatten. Ebenso deckte eine Datenanalyse das systemische Versagen des Arzneihandels im südlichen Afrika auf: Im Rahmen des Tendai-Projekts wurde deutlich, dass in den verschiedenen Ländern die gleichen Medikamente zu völlig unterschiedlichen Prei-sen vertrieben werden und oft nicht verfügbar waren. Die Analysen werden jetzt genutzt, um politische Reformen für eine e!ektivere Gesundheitspolitik zu nutzen.

Bessere NGO-Arbeit durch gezielte Datenanalysenine Big-Data-untermauerte Philanthropie kann NGOs helfen, wirksame Hebel für ihre Arbeit zu identifizieren und passge-nauere Programme zu entwerfen. So analysiert DoSomething.org, eine Organisation, die Jugendliche ermächtigt, sich sozial zu engagieren, kontinuierlich die eigene Performance und op-

timiert sie anhand der digitalen Datenlage. Die Auswertung der Datennutzung von 300.000 mobilen Abonnenten zeigte, dass in ihrer Zielgruppe SMS 30-mal e!ektiver waren, Teilnehmer für Aktionen zu mobilisieren, als E-Mails. Große Datenmengen dienen Organisationen aber auch dazu, die Lebensumstände ihrer Zielgruppen besser zu verstehen und Muster und Zusammenhänge sozialer Probleme zu erkennen. Das Justice Mapping Center in New York aggregierte die Adressen aller amerikanischen Gefängnisinsassen. Die Karten zeigen sogenann-te Million-Dollar-Blocks, Straßenzüge, aus denen so viele Gefangene kommen, dass ihre Gefangenschaft über eine Million US-Dollar jährlich kostet. Dank der Datenanalyse kann in den betro!enen Wohngebieten gezielter in Jugendzentren, Drogenbetreuung oder Nachbarschaftshilfen investiert werden.

Wer engagiert sich wann, wie, wieso?igDataAnalysen ermöglichen auch Erkenntnisse über Spenderver-halten, die genutzt werden können, um e!ektiver zu mobilisieren. Bislang wissen wir wenig darüber, warum Menschen sich für ein bestimmtes Thema engagieren und eine bestimmte Organisati-on unterstützen. Welchen Einfluss haben Freunde und Bekannte,

Prominente und andere Fürsprecher und Multiplikatoren? Wie entwickeln sich Spenderbiografien? Wird aus dem Einmalspender im Katastrophenfall mit der Zeit ein kritischer Spender, der nicht mehr nur einem emotionalen Fernsehappell folgt, sondern strategisch in sozialen Wandel investiert? Wie ist das Verhältnis zwischen ehrenamtlicher Mitarbeit und Geldspenden? Über Daten können wir herausfinden, wer wo und wie oft ehrenamtlich arbeitet, und eine Engagementlandkarte erstellen. Noch ist das ein Zukunftsszenario, aber Analysen wie die von Kickstarter und In-diegogo zur Nutzung ihrer Plattformen weisen in eine vielversprechende Richtung.

Chancen Daten können als Frühwarnsystem bei Krisen fungieren. Sie ermöglichen eine bessere Informationsinfrastruktur und Zusammenarbeit von Geldgebern und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

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Gut aufbereitete Datenvisualisierungen können neue Zusam-menhänge und Erkenntnisse einfach zugänglich machen. Durch die Zusammenarbeit von sozial engagierten Bürgern, NGOs, Entwicklern, Datenanalysten und Designern kann das Potenzial von Daten voll ausgeschöpft werden.

Risiken Es bedarf spezieller Fähigkeiten, Daten zu analysieren und zu interpretieren.

Korrelationen dürfen nicht mit Kausalitäten verwechselt werden. Eine datengetriebene Philanthropie darf die politische Dimen-sion jedes Problems nicht vergessen und nicht in Technokra-tie verfallen.

Beim Sammeln von Daten darf der Schutz der Privatsphäre nicht vergessen werden. Wem gehören die Daten? Wie können Diskri-minierung, Repressionen oder Überwachung vermieden werden?

FazitDaten haben für gute Taten ein großes Potenzial. Doch noch ist der Trend nicht ausgereift und zahlreiche Hürden sind zu beachten. Eine Herausforderung wird sein, die Daten zu verste-hen. Die Berater von McKinsey schätzen, dass allein in den USA 140.000 bis 190.000 Menschen mit datenanalytischer Expertise auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Weil es an Datenkompetenz man-gelt, werden immer mehr Hackathons veranstaltet, auf denen Datenbesitzer mit Datenauswertern zusammenkommen. So or-ganisiert die NGO Code for America die Begegnung zwischen Stadtverwaltungen und Programmierern, damit diese gemeinsam überlegen, welche digitalen Werkzeuge dem ö!entlichen Sek-tor helfen, urbane Herausforderungen zu meistern. Für solche Datenanalysen müssen Geldgeber zukünftig auch Fördergelder bereitstellen, denn NGOs alleine sind damit überfordert und können auch Mehrkosten nicht tragen.

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Diese Initiative sammelt und verö!entlicht Daten, die zeigen, wie es Kindern in Washington geht. Das gemeinsame Projekt der Kinderhilfsorganisation DC Action for Children und der NGO DataKind

hilft sozialen Einrichtungen bei der Datenanalyse. So entstand beispielsweise ein intelligenter Datenkatalog aus o#ziellen Sta-tistiken und eigenen Erhebungen. Gemeinsam mit den Profis von DataKind gelang es auch, interaktive Stadtkarten zu erstellen, auf denen erstmals die Lebensbedingungen in verschiedenen Vierteln entlang verschiedener Dimensionen sichtbar wurden.Die Analyse beantwortete etwa die Fragen: Wie verhalten sich Durchschnittseinkommen und der Anteil alleinerziehender Müt-ter zu Schulnoten und Jugendarbeitslosigkeit? Gibt es eine Kor-relation zwischen der Häufigkeit von Lebensmittelläden und Gang-Gewalt? Ein Muster stach in den Analysen besonders her-vor: In den Stadtvierteln, die über eine Vorschulinfrastruktur verfügten, schlossen die Schüler doppelt so gut in Rechnen und Lesen ab wie die in den Vierteln ohne Kindergärten und Vor-schulen. Der Bürgermeister brachte daraufhin eine Gesetzesvor-lage ein, nach der zukünftig in der ganzen Stadt in Vorschulen investiert werden soll.

DC Action for Childrenwww.dcactionforchildren.org

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Immer mehr Menschen weltweit haben Zugang zu Handys und Internet. Als Nebenprodukt dieser Digitalisierung fallen riesige Datenmengen an, die wichtige Informationen über das Wohlbefinden

der Menschen enthalten. Hier setzt das vom UN-Sekretariat initiierte Projekt Global Pulse an. In den Global Pulse labs in Jakarta, New York und Kampala erforschen UN-Einrichtungen, Regierungen und NGOs, wie sich diese Datenmassen für Ent-wicklungsarbeit nutzen lassen. Neben der Erforschung und Entwicklung neuer Indikatoren zum Messen des gesellschaft-lichen Wohlergehens setzt Global Pulse auch auf Partnerschaf-ten mit Unternehmen und Organisationen, die über die nötige Big-Data-Expertise verfügen. Global Pulse will den Akteuren (Regierungen, NGOs) in der Entwicklungsarbeit schneller und direkter zeigen, was wo und wie in welcher Gesellschaft passiert.

Global Pulsewww.unglobalpulse.org

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Mithilfe von Mobiltelefondaten konnte eine Studie der Harvard School of Public Health die Verbrei-tung von Malaria in Kenia dokumentieren. Wich-tige Partner waren das Kenya Medical Research

Institute (KEMRI) und das Malaria Atlas Project. Die Studie ist die bislang größte ihrer Art und analysiert die anonymisier-ten Bewegungsmuster von 15 Millionen Menschen zwischen Juni 2008 und Juni 2009. Die Resultate zeigen, dass Malaria während dieses Zeitraumes in der Region des Viktoriasees aus-brach und von dort nach Osten, Richtung Nairobi wanderte. Das heißt: Die Verbreitung hätte eingedämmt werden können, wenn Malaria-Behandlung und -Prävention sich auf die Vikto-riasee-Region konzentriert hätten. Die Karten ermöglichten es Ärzten, die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, wann Bewohner oder Besucher bestimmter Regionen sich anstecken würden. Ärzte und Gesundheitseinrichtungen wissen jetzt also besser, auf welche Landesteile sie ihr Hauptaugenmerk bei Malaria-kontrollprogrammen richten sollten, und können Menschen via SMS warnen, sobald sie in eine Malaria-Region kommen.

Data Malariawww.hsph.harvard.edu/news/press-releases/cell-phone-data-malaria/

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Das Ziel der Weltbank ist die weltweite Armuts-bekämpfung. 1945 gegründet, um den Wiederauf-bau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Staaten zu finanzieren, war die Kreditvergabe bislang das

Kerngeschäft. Doch seit etwa zehn Jahren entwickelt die Welt-bank ein neues Profil: Sie wandelt sich zur Wissensbank. Eines der besten Beispiele dafür ist das OpenDataProjekt, mit dem die Weltbank seit 2010 Informationen zur weltweiten sozial-politischen Entwicklung verö!entlicht. Wie kam dieser Wan-del zustande? Und wie beeinflusst die Ö!nung der Datenbank den sozialen Sektor?

Das OpenDataProjekt überwältigt mit einer Fülle von Daten. Auf Online-Karten lassen sich über 2500 Weltbankprojekte aus 140 Ländern einsehen. Drei Klicks und man sieht Zahlen zum Straßenbau im Norden Indiens oder über Gesund-heitseinrichtungen im Süden Argentiniens. Nutzer können die Datenmassen selbst visualisieren und auf Karten anzeigen, sich mit Kommentaren einbringen und neue Korrelationen verschiedener Datensätze simulieren. Die Daten lassen sich auch nach Ländern sortieren, nach Themen (etwa Bildung oder Urbane Entwick-lung), nach Indikatoren (wie CO%-Emissionen oder HIV-Verbreitung) oder nach zusammengestellten Datenkatalogen (etwa zu globalen Finanzströmen). Der Mi-crodata Catalogue ist eine Sammlung von über 700 Studien und fast 500.000 Variablen, etwa zur Funktionalität von serviceorientierten Projekten oder den Zusammenhängen von Geldsendungen und Migration. „Es geht darum, die Weltbank und ihre Projekte geografisch zu verorten und Daten zu generieren, die eine bessere Analyse, Planung und ein besseres Moni-toring ermöglichen, auch mit direktem Engagement der Bürger vor Ort, die uns präzise Daten liefern können“, sagt Aleem Walji, Innovation Practice Manager des Weltbank-Instituts und Mitinitiator des OpenDataProjekts. Das Portal ist gefragt: Seit dem Launch 2010 hat die Website etwa 30.000 Zugri!e täglich, das sind etwa ein Drittel der Zugri!e des gesamten Weltbankportals.Das mag auch daran liegen, dass für ausgewählte Datenkataloge Programmier-schnittstellen eingerichtet wurden, mit denen Softwareentwickler eigene Websites und Apps erstellen können. Google legte sofort los und übersetzte die Indikato-ren in 39 Sprachen, eine Arbeit, für die die Weltbank etwa fünf Jahre eingeplant hatte. Weniger als zwei Wochen nach Launch der Datenbank hatte eine andere Gruppe die Seite Blind Data errichtet, die aufzeigt, in welchen Regionen und zu welchen Themen die Weltbank keine Daten hat bzw. verö!entlicht – was auch als Feedback für die Weltbank wertvoll ist.

OpenDataProjekt der Weltbank http://www.worldbank.org/projects

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Datenaufbereitung: Wie finde ich die Nadel im Datenhaufen?Daten für alle zu ö!nen ist der erste Schritt, sie verständlich zu machen der zwei-te. Der Wettbewerb Apps for Development lud über die oben genannte o!ene Programmierschnittstelle ein, die Daten der Weltbank nutzerfreundlicher auf-zubereiten. Dadurch entstanden unter anderem StatPlanet, eine App, die Welt-bankdaten auf Weltkarten und Grafen visualisiert, und Development Timelines, wo Daten graphisch in einen historischen Kontext gestellt werden. 2012 ging der Wettbewerb in die zweite Runde, diesmal mit den Apps for Climate, die Daten zum Klimawandel zugänglich machen sollten.Eine Form der Kartografie hat die Firma HarperCollins als eAtlas verö!entlicht, beispielsweise mit Daten zu Genderverhältnissen. Auch beim Data Visualiser kön-nen Indikatoren zu sozialen, ökonomischen, finanziellen, technologischen oder klimatischen Themen visualisiert werden, ganz ähnlich wie bei Hans Roslings Organisation Gapminder Foundation. „Wir sind über die Weltbank-Politik sehr froh“, sagt Rosling. „Der Wandel in Richtung o!ener und demokratischer Daten-verwaltung verändert auch die Einstellungen anderer Organisationen“. Auch der Finanzsektor profitiert vom Open Data Projekt. World Bank Finances verö!ent-licht immer mehr Daten, im März 2012 beispielsweise über Geber und Empfän-ger der Treuhänderfonds der Weltbank.

Die Hintergründe – wie es zum Wandel der Weltbank kamWie kommt die Weltbank dazu, ihr Wissen so o!ensiv mitteilen zu wollen? „Die Weltbank und andere große staatliche Institutionen haben oft Fehler gemacht. Dabei wurde aber immer davon ausgegangen, dass wir die großen Probleme allei-ne lösen sollten“, sagt Aleem Walji, Innovation Practice Manager des Weltbank-Instituts. Er unterstreicht den Unterschied zwischen Kunden und Nutzern der Weltbank: „Unsere Kunden sind nur eine Handvoll Länder, die sich Geld von uns leihen. Aber viele andere suchen vor allem Informationen. Und wir haben Mas-sen an Informationen. Doch die sind nicht leicht zu finden.“ Damit weist Walji auf die Hauptaufgabe des OpenDataProjekts hin: das Wissen zu ordnen. Je zu-gänglicher die Datenbanken werden, umso mehr Nutzer klinken sich ein, um die großen Probleme gemeinsam zu lösen. „Wir wissen, dass die meisten Leute bei Drittanbietern wie Google mit ihrer Re-cherche aufhören“, sagt der Mathematiker und Statistiker Neil Fantom, heute Leiter des OpenData Projekts. Es mussten 1,5 Millionen US-Dollar pro Jahr an

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zusätzlichen Ausgaben für das Projekt umgeplant werden, und die Einnahmen durch zuvor zahlende Abonnenten der Datenkataloge fielen weg. „In diesem Busi-ness Modell gibt es einfach null Einkünfte“, sagt Fantom. Aber die Zugri!e auf die Open Data Webseite haben sich in den letzten beiden Jahren vervierfacht. „Auf den zweiten Blick habe ich die Möglichkeiten gesehen.“Sein Kollege Tariq Kokhar kann diese Möglichkeiten im Detail erklären. Kokhar, der in der Weltbank andere Abteilungen für den Open Data Wandel sensibilisiert, kommt von der International Aid Transparency Initiative (IATI). Auf seiner Visi-tenkarte steht „Open Data Evangelist“. Warum die Weltbank so ein unwirtschaft-liches Modell einführen sollte, liegt für ihn auf der Hand. „Eine Organisation die global aus ö!entlichen Geldern finanziert wird, sollte auch global frei zugängli-che Güter herstellen“ Er findet es unsinnig, Kunden über Bezahl-Abos quasi zwei mal zahlen zu lassen. Noch wichtiger seien aber die Kosten, die entstehen, wenn man seine Daten nicht ö!net. „In der Organisation leidet dann die Koordination und somit E#zienz.“ In Zukunft soll der gesamte Inhalt der Weltbankwebseite unter der Creative Commons oder ähnlich o!enen Weltbank-Lizenzen laufen.

Wer nutzt Open Data?Wer und wie viele Leute genau die Open Data Seiten nutzen, sei schwer zu messen, sagt Kokhar, da man sich nicht mehr als Abonnent anmelden muss. „Aber man kann es einschätzen, da die Zugri!szahlen genau mit den Semesterferien von Akademikern und Forschern zusammenfallen. Der Großteil der Zugri!e kommt aus ökonomisch reichen Ländern. Aus ärmeren Ländern gibt es noch wenige Zugri!e, die meisten davon kommen aus Indien, Indonesien und den Philippinen. Über den Daumen ge-peilt sind von den bisher etwa 12 Mio. Gesamtzugri!en 60% Forscher und der Rest eine Mischung aus allgemeiner Ö!entlichkeit, Journalisten und Entwicklern.“Langfristig, so die Ho!nung, könnten sich auch Menschen aus den Ländern des globalen Südens einbringen und die Daten liefern und mitgestalten. Es wäre geradezu revolutionär, wenn das Wissen nicht mehr allein von externen Ent-wicklungshelfern, sondern von den Menschen vor Ort selber produziert würde.

Die Weltbank im Überlebenskampf?„Die Weltbank kämpft um ihre raison d'etre“, sagt Weltbank-Experte Erich Vogt. Er konzipierte mit dem ehemaligen Weltbank-Präsidenten Wolfensohn den Wan-del von der Weltbank zur Wissensbank und lehrt heute Internationale Entwick-lungspolitik an der George Washington University in Washington, D. C. „Ange-sichts der Finanzströme, die derzeit über privaten Kapitalmarkt laufen, ist die Rolle der Weltbank im Finanzsektor unbedeutend geworden. Die Middle Income Countries können sich Kredite bei den privaten Anbietern ohne die lästigen con-ditionalities abholen.“ Mit conditionalities meint Vogt Strukturanpassungspro-gramme, zu denen die Kreditnehmerländer von der Weltbank verpflichtet werden. Die Länder müssen Anweisungen der Weltbank umsetzen, die meistens ausländi-sche Investoren und eine Privatisierung des sozialen Sektors fördern. „Bei dem Open Data Projekt geht es um die Zukunft der Weltbank und die liegt weniger im Kapitalmarkt als vielmehr im enormen Wissen der Institution“, sagt Vogt.

Aleem Walji, Innovation Practice Manager des Weltbank Instituts, ho!t noch detailliertere Daten aus den Massen extrahieren zu können. Er vergleicht sei-ne Pläne wieder mit Programmen wie Qype, über die man in jeder westlichen Großstadt per Smartphone Restaurants und andere Einrichtungen bewerten kann. So ähnlich könnten auch Krankenhäuser und Schulen des globalen Südens

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aufgelistet und bewertet werden. Aufgrund dieser Bewertungen könnte dann ein Eindruck gewonnen werden, in welchen Regionen entwicklungspolitischer Handlungsbedarf besteht.Das Open-Data-Projekt der Weltbank zeigt:

O!enes Wissen ermächtigt. Mit den neuen Möglichkeiten des Open Data Projektes können NGOs und Forschergruppen sich auf detaillierte Analysen stüt-zen und soziale und ökonomische Zusammenhänge nachvollzie-hen. Um die Daten zu verarbeiten und zu interpretieren benötigt man allerdings auch Ressourcen.

O!enes Wissen wirkt von innen nach außen. jede Strukturveränderung zunächst ein Kraftakt. Doch die Welt-bank wurde inne e#zienter, da die verschiedenen Abteilungen einfacher miteinander kommunizieren konnten. Nach außen ent-stand ein Mehrwert für andere Organisationen. In Deutschland ist jedoch fraglich, ob dieser Wandel gelingen kann, da hier staatliche Stellen Open Data noch skeptisch gegenüber stehen.

O!enes Wissen kommt mit Interessen. Die Weltbank sollte nicht die alleinige Quelle für entwicklungs-politische Daten bleiben. Auch die Priorisierung der Datenbe-stände und dessen Interpretation durch Weltbankmitarbeiter sollte immer in ihrem historischen Kontext und mit Blick auf die institutionelle Agenda reflektiert werden.

Das größte Potential des Open Data Projekts ist bislang jedoch kaum erschlossen: dass der globale Süden als Akteur bei der Entwicklungszusammenarbeit stär-ker einbezogen wird und Daten nicht nur nutzt, sondern auch selbst generiert. Mit der Ö!nung ihrer Daten geht die Weltbank einen Schritt in Richtung dieser möglichen Kollaboration und scha!t sich gleichzeitig eine neue Daseinsberechti-gung. Das OpenDataProjekt fordert außerdem andere Institutionen heraus, sich diesem neuen Trend anzuschließen.

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Das Banale braucht man nicht zu schälen: Wissen ist Macht. Wissen erhält man, indem man Informationen auswertet. Informationen erhält man, indem man Da-ten sammelt. Diese Daten fallen heute vor allem als Späne der digitalen Kommu-nikation an: wenn man einen Suchbegri! eingibt, online einkauft oder mit dem Handy Zeit und Raum seines Lauftrainings aufzeichnet. Und da sich Computer mehr und mehr in den Dingen des Alltags verstecken, fallen Daten demnächst auch an, wenn man Auto fährt, den Kühlschrank ö! net oder auf den Lichtschalter drückt. Wer also aus solchen Daten Informationen extrahieren und daraus Wis-sen ableiten kann, der hat Macht. Und der hat auch die Macht, viel Gutes zu tun.

Dies ist eher eine Prognose als ein Trend. Während wir bei einem Trend anhand von Cases zeigen können, wie er sich konkret manifestiert, gibt es zum Thema Daten-spenden noch fast keine Beispiele. Trotz-dem sind wir der Meinung: Nicht nur Geld, Zeit und Dinge, sondern auch Daten werden in Zukunft gespendet. Das liegt auch daran, dass es so viele von ihnen gibt und es immer mehr werden. Für die einen – die Spender – sind es Nebenprodukte, für die anderen – die Empfänger – kön-nen aus den Daten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden.

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Wenn Daten das „Blut des Internets“ sind, wie es Europas Justizkommissarin Vi-viane Reding ausdrückt – warum gibt es dann noch keinen Datenspendedienst? Denn wie Blut können gespendete Daten anderen Menschen helfen. Jeder Ein-zelne von uns kann seine Daten direkt spenden. Oder Unternehmen, bei denen die Daten vieler Menschen lagern (wie Facebook oder Google), spenden sie für den guten Zweck. Noch bedeutet soziales Engagement vor allem, Geld, Dinge oder Zeit (Ehrenamt) zu spenden. In Zukunft wird die Datenspende als weiterer Pfeiler heranwachsen.

Während Daten in der Wirtschaft als Grundlage für bessere, objektive Entschei-dungen hoch geschätzt werden – seit dem Weltwirtschaftsforum 2012 gelten sie als eigenständige Assetklasse –, mangelt es im sozialen Sektor aber in den meisten Fällen selbst an grundlegenden Daten. NGOs, Stiftungen und Geldge-ber bemühen sich, Gutes zu tun. Dabei sind viele aber so intransparent, dass sie nicht voneinander lernen können. Sie stochern mit ihrer eigenen Arbeit im Dunkeln, und besonders kleinere, aber auch größere Organisationen verstehen nicht einmal ihre eigenen Zahlen. Es mangelt auch an einer gemeinsamen Infor-mationsinfrastruktur, über die man sich abstimmen könnte – wenn man denn wollte. (Die Angst vor Wettbewerbsnachteilen im Kampf um Spenden ist groß.)Staatliche Institutionen sind da weiter: Einige Staaten haben bereits Datenpor-tale, etwa data.gov.uk, data.gov (USA) oder opendata.go.ke in Kenia. Und auf dem Datenportal Metroboston Datacommon werden Daten gezielt für die Allge-meinheit aufbereitet und visualisiert, um die Lebensbedingungen in der Regi-on transparent zu machen und sie zu verstehen. Stadtplaner, Journalisten oder Bürger können so fundierte Entscheidungen tre!en.Daten werden also vom Staat zunehmend freigesetzt. Es wird Zeit, dass sie zum Wohle der Allgemeinheit genutzt werden. Eine der eloquentesten Fürsprecher eines datengetriebenen sozialen Sektors ist die amerikanische Philanthropiebera-terin Lucy Bernholz. In ihrer Vision legen Stiftungen, NGOs und internationale Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur ihre Geldströme, sondern ihr gesamtes Wissen über sozialen Fortschritt o!en und tragen aktiv zu einer transparenten Informationslandschaft bei. Denn je mehr Daten sie haben, desto bessere Arbeit können NGOs und Sozialunternehmen leisten.

Auch Patrick Meier vom weltweit erfolgreichsten Open-Source-Kartierungsdienst Ushahidi (siehe Trendreport online)fordert eine „Big-Data-Philanthropy“. So entsteht bei-spielsweise bei Katastrophenhilfe (Ushahidi wurde auch nach dem Erdbeben in Haiti genutzt) Big Data, das via Social-Media-Plattformen wie Twitter generiert und geteilt wird. Diese Daten werten dann viele digital kompetente Menschen

Es wird Zeit, dass Daten auch zum Wohle der Allgemeinheit genutzt werden.

So viele Daten, so wenig Menschen, die sie verstehen.

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ehrenamtlich aus. Zugleich gibt es eine Reihe von Dienstleistern, die sich auf Soci-al-Media-Analysen spezialisiert haben (Unternehmen wie Crimson Hexagon, Geo-feedia, Netbase oder Social Flow). Diese könnten sich zu einer Art digitalen CSR-(Corporate Social Responsibility-)Gruppe für humanitäre Notfälle zusammentun. Eine Herausforderung wird sein, die Daten zu verstehen. Die Berater von McKin-sey schätzen anhand ihrer Daten, dass allein in den USA 140.000 bis 190.000 Menschen mit datenanalytischer Expertise auf dem Arbeitsmarkt fehlen – sowie 1,5 Millionen Manager, die aufgrund von Datenanalysen Entscheidungen tre!en können. Weil es an Datenkompetenz mangelt, werden immer mehr Hackathons veranstaltet, auf denen Datenbesitzer mit Datenauswertern zusammenkommen. So organisiert die NGO Code for America die Begegnung zwischen Stadtverwaltungen und Programmierern, damit diese gemeinsam überlegen, welche digitalen Werk-zeuge dem ö!entlichen Sektor helfen, urbane Herausforderungen zu meistern.

Um nun Privatmenschen oder Unternehmen anzuregen, Daten zu spenden, müs-sen auch neue Institutionen, Gesetze und Prozesse gescha!en werden, die vor allem eines sicherstellen: dass ein Datenspender dem Empfänger vertrauen kann. Denn Menschen haben Angst, ihre Daten weiterzugeben, weil sie damit auch ein Stück ihrer Privatsphäre weitergeben. Und weil digitale Daten im Gegensatz zu etwa einem Tonband kaum mit letzter Gewissheit vernichtet werden können, muss sich der Datenspender sicher sein können, dass er anonym bleiben kann. Ähnlich wie bei einem Anwalt, Steuerberater oder Arzt könnte ein Datenverwal-ter dafür sorgen (und dafür Verantwortung tragen), dass Daten des Einzelnen durch ihn geprüft und nur über ihn weitergegeben werden. Auch Zertifikate können sicherstellen, dass kein Schindluder mit den eigenen Daten getrieben wird – eine Art Daten-TÜV.Sind die Prozesse sicher und vertrauenswürdig, muss dem Spender noch plausi-bel gemacht werden, warum seine Daten so wichtig für das Allgemeinwohl sind. Es könnte ein ö!entlicher Datenpool für gesellschaftlich und sozial relevante Themen entstehen, der von Aktivisten, Politikern und Geldgebern verwendet würde, um bessere Entscheidungen tre!en zu können. (Ein erster Ansatz ist das Projekt Open Data Commons, das ähnlich wie die Creative Commons Struktu-ren für freie Daten scha!en will.) Meinungen und Spekulationen werden so von einer neuen Datenobjektivität verdrängt. In der Arztpraxis hängt dann ein Plakat: „Spenden Sie Ihre Diagnose-Daten, und verhelfen Sie sich und anderen zu besseren Therapien“. Was das genau bedeu-tet, ist variabel, denn aus Daten lässt sich verschiedenes Wissen ableiten. Ob das Krebsregister davon profitiert, das in Deutschland für 2013 geplant ist, oder Leberspezialisten – die Muster der Erkenntnis sind in Daten anfangs oft unklar, und vielleicht ergibt sich erst später, wenn neue Analysemethoden vorliegen, ein neuer Zusammenhang. Denn im Gegensatz zu Geldspenden können Daten nicht ausgegeben werden: „Sagen Sie Ja zur Datenspende und helfen Sie bei 1001 Pro-blemen!“ Bei jeder Datenspende könnte sich der Spender entscheiden: Sollen die Daten nur an gemeinnützige Organisationen oder auch an Unternehmen gehen,

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die die Daten eventuell sogar weiterverkaufen? Und dürfen gemeinnützige Orga-nisationen mit meinen Daten kostenpflichtige Dienste und Anwendungen füttern, die zur Refinanzierung der NGO beitragen? Der Einzelspender kann also im Alltag zertifizierten Stellen oder direkt den NGOs Daten spenden: Bei der Spendenplattform betterplace.org würden Menschen neben Geld oder Zeit (Ehrenamt) beispielsweise auch ihre Daten spenden. Wer möchte, lässt sich beim mobilen Spenden orten oder erlaubt am Rechner die Aufzeichnung der Mausbewegung. Einige digital a#ne NGOs sind schon aktiv auf der Suche nach Datenspendern. „Wir werden an verschiedene Datenanbie-ter herantreten und fragen, ob sie uns Daten spenden können“, sagt Christoph Bünte, Programmierer bei Wheelmap.org. Die Online-Karte zeigt, basierend auf Daten der Open Streetmap, welche Orte für Rollstuhlfahrer problematisch sind. „Wenn jemand viele Daten über die Barrierefreiheit von Orten hat, könnte eine Spende helfen, die Daten bei uns aufzubereiten und zu aggregieren.“

Die Datenspende wird auch Teil des CSR-Engagements vieler Unternehmen. Fotos von Übergaben großer Pappschecks funktionieren vielleicht noch für die Sparkasse in Klein Disnack. Wichtiger ist jedoch die langfristige Geschichte, die durch gesellschaftliches Engagement entsteht. Und die lässt sich mit Daten gut erzählen: Wenn eine Supermarktkette anonymisierte Informationen zu Einkäufen freigeben würde, könnten Hacker diese mit weiteren o!enen Daten korrelieren und beispielsweise neue Muster bei Fettleibigkeit unter Teenagern erkennen.So spendete Twitter 2010 sein komplettes Archiv der ö!entlichen Tweets an die Library of Congress. Die Milliarden von Kurznachrichten sind ein echter Daten-schatz. Der Bibliothekar der Library of Congress, James Billington, spricht von einem „außergewöhnlichen Potenzial für die Erforschung unseres Alltags“. Die große Herausforderung ist nun, Erkenntnisse, die über 140 Zeichen hinausgehen, aus der Datenmasse zu extrahieren. (Bei solchen Daten aus sozialen Netzwerken muss beachtet werden, dass hier vor allem die allgemeine Wahrnehmung reflek-tiert wird und nicht unbedingt die objektive Realität. Aber Wahrnehmungen ge-stalten Realität mit, weshalb sie durchaus relevant sind.)Weltweit fordern Bürger und Regierungen mehr Datensicherheit. Die großen Unter-nehmen stehen unter Druck, dem Einzelnen größere Kontrolle über seine Daten zu geben, da sie sonst rechtliche Schwierigkeiten bekommen werden. Ben Scott, ehe-maliger Innovation Adviser von Hillary Clinton und zurzeit Fellow der Stiftung neue Verantwortung in Berlin, glaubt, dass es zu einem der folgenden Systeme kommen wird: Als Nutzer von Google, Amazon, Facebook oder Ähnlichem wird man nach dem Einloggen gefragt, ob man erstens seine Daten dem Unternehmen zur Verfü-gung stellt und dafür alle Dienstleistungen (z. B. Google Earth) kostenlos erhält, oder ob man zweitens die Daten behält, dann aber für Dienstleistungen zahlt. Als zusätzliche Option ist ein Button denkbar, auf dem etwa steht: „Spenden Sie Ihre Daten dieser Organisation und helfen ihr so, das Problem des Analphabetismus zu lösen.“ So würde das Unternehmen gemeinsam mit dem Einzelnen Gutes tun.Daten werden also auf zwei Ebenen gespendet: Bei Unternehmen wird der Staat weiter auf Ö!nung der Datenbestände drängen und dabei das Interesse der

Twitter spendete sein komplettes Tweet-Archiv an die Library of Kongress

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Ö!entlichkeit als Argument anführen. Einige CSR-Abteilungen werden dem zu-vorkommen und ihre nicht sensiblen Daten in den Datenpool einzahlen. In Daten-Hubs (die große Cloud-Service-Anbieter wie Cisco oder IBM betreiben) werden die Daten vorsortiert und zur weiteren Verwendung aufbereitet. Auf der indi-viduellen Ebene wird die Datenspende zum Verschwinden des „komischen Ge-fühls“ beitragen. Viele Menschen gruselt die Vorstellung, dass Nike die eigenen Jogging-Daten speichert oder Apple sogar das genaue Bewegungsmuster des Handynutzers der letzten drei Monate. Ein vertrauenswürdiger Datenanwalt etwa in Form einer App wird dafür sorgen, dass die Datenmengen für den Einzelnen verständlich bleiben – eine Art private Datensammelstelle, die dem Nutzer je-derzeit zeigt, welche Daten er wofür und an welche Organisation gespendet hat. So kann Vertrauen aufgebaut werden.Wie in einer Art Chronik sind dort dann auch die Erfolge gelistet, die mit den eigenen Daten erzielt wurden:

Dank Ihrer Datenspende beim Arzt ist das Krebsregister nun noch aussagekräftiger.

Dank Ihrer Datenspende beim Bezahlen im Supermarkt können wir ernährungsbedingte Volkskrankheiten besser verstehen. Dank Ihrer Website-Nutzungsdaten können wir Online-Lern-angebote verbessern. Dank Ihrer Kühlschrankdaten können wir Geräte mit höherem Wirkungsgrad bauen.

Noch sind technische Entwicklungen, juristische Prozesse und Wissensmanage-ment mit der Fülle von Daten überfordert. Doch je stärker sich Daten als Wirt-schaftsgut etablieren, desto näher rückt auch eine Datenphilanthropie, die aus Daten das Beste für die Allgemeinheit herausholt.

Datenspenden ! Trend

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Zu den Unterschieden zwischen E-Mails und Eseln

Vor 30 Jahren nähten Hilfsorganisationen in Afghanistan noch ihre Medikamentenbestellungen in die Kleidung von Laufbur-schen ein, die dann auf Eseln mehrere Wochen zum nächsten Telefon ritten. Heute genügt eine E-Mail oder manchmal sogar schon eine Ferndiagnose per SMS (6/Doc Handy). Informationen

lassen sich über das Internet problemlos vervielfältigen und in Bruchteilen von Sekunden um die Welt schicken (9/Echtzeit). Diese fast kostenlose Überwindung von Zeit und Raum führt auch zu einem neuen Maß an Transparenz (Glasklar/Trendreport online) und bricht alte Strukturen in vielen Bereichen unseres Lebens auf. Das bedeutet auch, dass traditionelle Geschäfts- und Arbeitsmodelle in der Wirtschaft und im sozialen Sektor in Frage stehen. Neue Akteure werden sichtbar und diejenigen, die bisher keine Stimme hatten, kommen heute zum Beispiel per Handy zu Wort, bewerten Brunnenprojekte per SMS (siehe Case/#ow) und stellen Fragen an ihre Regierungen (4/Direkt-Feedback). Noch nie war es so leicht, zu partizipieren und sein Anliegen ö"entlich zu machen. Die Grenzen zwischen Zivilgesellschaft, ö"entlichen Institutionen und Unterneh-men zer#ießen und werden überwindbar – ein guter Nährboden für Innovationen und neue Kollaborationen. Hier will der betterplace lab Trendreport eine Lücke schließen und mit Hilfe des Internets Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen zusammenbringen. Damit soziale Ideen besser und größer werden und so zur nachhaltigen Entwicklung im sozialen Sektor beitragen. So wollen wir die Welt zu einem gerechteren, schöneren und besseren Ort machen. Das ist eine große Herausforderung. Aber die Reise hat erst begonnen. Unsere Online-Version trend-report.betterplace-lab.org hat bisher 17.000 Menschen erreicht und mehr als 450 innovative Ideen in Form von Cases aus der ganzen Welt verö"entlicht. Und in diesem Jahr wollen wir noch näher an die digital-soziale Schnittstelle rücken. Als mobiles Forschungslabor wollen wir die Gewächshäuser digital-sozialer Initi-ativen auf der ganzen Welt %nden, besuchen und mehr über die Erfolgsfaktoren sozialer Ideen lernen. Wer dazu mehr wissen möchte, der abonniert am besten unsere labnews betterplace-lab.org/de/newsletter. Wir freuen uns über alle, welche die hier aufgezeigten Trends ausprobieren und unterstützen wollen – zum Beispiel als Trendpate. Denn wir wollen, dass noch mehr Menschen von unserer Forschungsarbeit pro%tieren können – also das Lab und den Trendreport skalieren (5/Digitalskalieren).

' S. 81

' S. 43, S. 57

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Schlusswort

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Impressumbetterplace lab Trendreport 2013

Herausgeber betterplace lab, Schlesische Straße 26, 10997 Berlin www.trendreport.betterplace-lab.org

Autoren Dr. Joana Breidenbach, Dennis Buchmann, Julia Eisenberg, Uta Hergenröther, Jean Peters, Kathleen Ziemann

Redaktion Dennis Buchmann, Kathleen Ziemann

Korrektur Axel Fischer

Art-Direktion, Layout und Illustrationen onlab, Nicolas Bourquin, Matthieu Huegi, Boudewijn van Diepen, Josh Schaub

Druck Ruksaldruck GmbH & Co. KG, Berlin - Mariendorf

ISBN 978-3-00-042251-5

Über das betterplace labAls Forschungsabteilung der Spendenplattform betterplace.org untersucht das bet-terplace lab, wie Internet und Mobilfunk den sozialen Sektor verändern. Der Fokus liegt dabei auf dem Potenzial von Innovationen. Das betterplace lab gibt aber auch Studien zum deutschen Spendenmarkt heraus oder misst die Leistungsfähigkeit von Online-Fundraising in vergleichenden Benchmarks (NGO-Meter). www.betterplace-lab.org | www.trendreport.betterplace-lab.org

Über die AutorenJoana Breidenbach ist promovierte Kulturanthropologin und Mitgründerin von Deutschlands größter Spendenplattform betterplace.org. Sie leitet das betterplace lab.

Dennis Buchmann ist Diplom-Biologe und Absolvent der Deutschen Journalistenschule. Seit der Gründung des betterplace lab (2010) ist Dennis dort Kreativredakteur.

Julia Eisenberg ist auch Biologin und arbeitet bei betterplace.org u.a. als Com-munity-Managerin für die Jugendplattform Think Big. Sie hat den Trend Bildung für alle geschrieben.

Uta Hergenröther hat Ethnologie, Afrika- und Politikwissenschaften studiert. Sie arbeitet in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und ist Autorin des Doc Handy-Trends sowie unzähliger Cases.

Jean Peters ist Politikwissenschaftler und Aktivist. Er hat sich auf die Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und humorvollen Aktivismus spezialisiert. Für das better-place lab hat er den Trend Digitalkampagnen geschrieben.

Kathleen Ziemann ist Kulturwissenschaftlerin und hat unter anderem über Minder-heitensprachen auf Facebook geforscht. Seit September 2012 ist sie Trendreporterin im betterplace lab.

Impressum

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Das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation hat schon die Trend-report-Website und den Trendreport 2012 ermöglicht. Auch dieser Trendreport wird maßgeblich vom Vodafone-Engagement getragen.Das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation zeigt, wie mobile Kom- munikationstechnologien Gesellschaften verändern. Mit Studien, Forschungskoope- rationen, Publikationen und Veranstaltungen fördert das Vodafone Institut den Di- alog zwischen Wissenschaft, Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik sowie der Gesellschaft. Es wurde 2011 als eigenständige GmbH von Vodafone Deutschland gegründet und hat seine Arbeit zu Beginn des Jahres 2012 aufgenommen.www.vodafone-institut.de

Die BMW Stiftung Herbert Quandt ist dem betterplace lab schon länger verbunden. 2013 hat sie explizit die Produktion des betterplace lab Trendreports unterstützt. Die BMW Stiftung inspiriert und unterstützt Menschen, sich für das Gemeinwohl und für eine zukunftsfähige Gesellschaft einzusetzen. Dazu arbeitet sie weltweit mit Partnern zusammen. Gemeinsam suchen wir in Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft nach innovativen Lösungsansätzen, die Menschen und Kulturen miteinander verbinden und den sozialen Zusammenhalt stärken.www.bmw-stiftung.de

Trendpatenschaft Die Bertelsmann Stiftung hat mit ihrem Projekt „E"ekt hoch n“ die Patenschaft für den Trend Digitalskalieren (S. 45) übernommen.Gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen begann die Bertels-mann Stiftung im Jahr 2009 eine systematische Analyse von Transferstrategien in Deutschland. Denn obwohl gemeinnützige Organisationen einen steigenden Bedarf an sozialen Leistungen bedienen und viele von ihnen nachweislich wirkungsvoll ar-beiten, sind nur wenige in der Lage, ihre lokal erfolgreichen Ideen überregional oder sogar international in die Breite zu tragen. Das Projekt E"ekt hoch n möchte den Zugang zu wissenschaftlich fundiertem und praktisch relevantem Methodenwissen ermöglichen, das dem Sektor mehr Wachstum und Wirkung ermöglicht.google: Bertelsmann E"ekt hoch n

Der Trendreport wurde mit insgesamt ca. 76.000 Euro gefördert. Da die Produkti-onskosten ca. 95.000 Euro betragen, sind wir für %nanzielles Feedback auf unserer Spendenaktion sehr dankbar: www.trendreport.betterplace.org

Förderer

Förderer

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App Arzt, Ärzte Atlas Project Awesome Foundation Begünstigte Big Data Cellbazaar Challenge.gov Changamka change.org Changemakers charity: water Citizen Engagement, Reporter, Science Code for America Commons CrowdOutAids Crowdsourcing CSR Das kostet die Welt Daten Datenspende Digitalanekdoten Digitalkampagnen Digitalskalieren Direkt-Feedback Doc Handy Echtzeit E(zienz Entwicklungszusammenarbeit Eyes on Darfur Facebook Fehler Flow Foursquare FrontlineSMS Geldgeber Glasklar Global Giving Global Pulse Global Voices Greenpeace Haiti How big is yours IATI-Initiative (International Aid Transparency Initiative) iCow Ideen Innovationen, o"ene Insight Issuu KaBOOM Karma statt Kohle Kartismus Katastrophenhilfe Kenia Kilimo Salama Krautbuster Long Tail Malaria Data Map Map Kibera Marketing Messen MobilfunkM-Pesa Online Fundraising

S. 3, 10, 23, 26, 53, 61, 62, 67, 70, 91, 113S. 17, 38, 54, 57, 103, 111, 113S. 103S. 47, 50S. 15, 21, 37, 38, 39, 40, 72S. 3, 97, 98, 99, 110S. 27S. 70, 75S. 3, 58S. 29, 30, 34S. 70S. 14, 16, 87

S. 42, 63, 85, 86S. 100, 111S. 71, 90, 106, 111S. 70, 74S. 46, 69S. 11, 13, 16, 32, 111, 112, 113S. 18S. 3, 13, 55, 62, 63, 97, 98, 99, 100, 101, 104, 105, 106, 107, 109, 110, 111, 112, 113S. 109, 110, 111, 112, 113S. 3, 8, 13, 14, 15, 16, 39, 82S. 29, 30, 116S. 45, 78, 117S. 8, 15, 38, 39, 40, 42S. 3, 53, 116S. 9, 39, 81, 82, 83, 84, 87, 90S. 43, 97, 106S. 11, 21, 107, 110, 116S. 86S. 10, 14, 16, 29, 62, 63, 65, 67, 70, 83, 87, 97, 110, 112, 116S. 62, 105S. 38, 43, 111S. 33, 81S. 41S. 8, 23, 24, 38, 39, 40, 47, 48, 82, 83, 93, 98, 99, 100, 110, 111S. 4S. 15, 39, 61S. 98, 102S. 39S. 30, 33S. 66, 83, 98, 110S. 33S. 98, 106

S. 3, 23, 26S. 3, 9, 19, 22, 45, 47, 48, 50, 62, 64, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 79, 117S. 8, 9, 10, 11, 25, 45, 53, 54, 56, 69, 70, 71, 72, 75, 116S. 76, 77, 78, 79, 104, 105, 106, 107, 115S. 74S. 49, 62, 74S. 46, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67S. 43, 85S. 61, 110S. 15, 19, 22, 25, 26, 34, 54, 56, 58, 59, 62, 82, 83, 85, 95, 98, 103, 110S. 82, 25S. 29, 35S. 69S. 59, 98, 103S. 81, 99, 85S. 85S. 22S. 102S. 21, 22, 24, 53, 54, 116S. 22, 25, 58S. 46, 83

Index

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Open Data Open Government OpenIDEO Partizipation Philanthropie / Philanthropy Produktiv Scheitern Random Hacks of Kindness Rock Your Life Samasource Satellite Sentinel Scheitern SMS Social Entrepreneurship Sozialer Sektor Sparked Spender Sproxil Standby Taskforce Stiftung Transparenz Trade statt Aid Twitter UN UNAIDS Urban Survivors Ushahidi Venture Philanthropy Video Voice of Kibera Volunteer Match Volunteering Wasser WawaRed Webbewerbe Weltbank Wiki(pedia)/(media) Yellow Thunder

S. 105, 106, 107, 111S. 70S. 70, 71, 72, 73S. 38S. 14, 99, 100, 110S. 82S. 61S. 46S. 23S. 81, 82, 86S. 16, 82S. 3, 9, 10, 15, 22, 23, 24, 25, 27, 41, 42, 56, 57, 59, 82S. 79S. 3, 8, 9, 10, 11, 21, 24, 38, 40, 45, 47, 48, 63, 70, 71, 79, 81, 82, 84, 97, 98, 100, 104, 106, 110, 111, 115, 116, 117S. 46, 61, 62, 65S. 8, 15, 38, 82, 83, 84, 99, 109, 111S. 9, 55, 59S. 61, 66S. 3, 8, 10, 11, 13, 23, 26, 32, 40, 47, 48, 70, 77, 78, 79, 83, 90, 92, 98, 110, 112, 117S. 4, 9, 71S. 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27S. 14, 29, 30, 62, 63, 67, 78, 81, 83, 87, 110, 112S. 62, 74, 89, 98, 102S. 70, 74S. 17S. 39, 66, 69, 70, 79, 81S. 47S. 14, 15, 30, 33, 35, 49, 61, 78, 82, 84, 85, 90, 91, 92, 93, 115S. 85S. 46, 62S. 62, 63, 64, 65S. 14, 18, 43, 61, 63, 82S. 57S. 69, 79S. 8, 38, 42, 53, 54, 55, 95, 104, 105, 106, 107S. 61, 69, 78S. 14, 87

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