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    3. Ursachen und Folgen des Bevlkerungswachstums

    Ursachen des BevlkerungswachstumsDie Ursachen des Bevlkerungswachstums in Entwicklungslndern sind vielfltig

    und in den einzelnen Gesellschaften von unterschiedlicher Relevanz.

    Bevlkerungswachstum basiert auf einem Ungleichgewicht zwischen

    Sterblichkeits- und Fruchtbarkeitsrate.38Im folgenden sollen durch die Einteilung

    in gewollte (Wunschkinder) und ungewollte Schwangerschaften die Ursachen des

    Bevlkerungswachstums genauer untersucht werden.39

    a) Gewollte Schwangerschaften (Wunschkinder)

    Funktion der Kinder im Sozialsystem: Kinder als Arbeitskrfte,

    Miternhrer der Familie und als Versorger der Eltern bei Krankheit und

    im Alter. In den meisten Entwicklungslndern gibt es fr die armen

    Familien keine Mglichkeit der privaten Kapitalbildung, um fr Krank-

    heitsflle und andere Notsituationen vorzusorgen. Ein Sozial- und

    Krankenversicherungssystem ist, wenn berhaupt, nur fr Besser-

    verdienende zugnglich. Hohe Kindersterblichkeit fhrt dazu, da Eltern versuchen, mglichst viele

    Nachkommen zu haben, um damit das berleben einer Mindestzahl zu

    sichern. So ist es nicht verwunderlich, da in Regionen mit den hchsten

    Fruchtbarkeitsraten auch die Kindersterblichkeit am hchsten ist. In Afrika

    betrgt die Kindersterblichkeit bei Mdchen unter fnf Jahren 138, bei den

    Jungen 152,40wobei es auch hier sehr unterschiedliche landesspezifische

    Werte gibt. Trauriger Spitzenreiter ist hier Liberia, wo jedes dritte Kind

    seinen fnften Geburtstag nicht mehr erlebt. In diesem Land betrgt die

    Kindersterblichkeit 334 fr Jungen und 330 fr Mdchen pro 1000

    Lebendgeburten. In Asien ist die Kindersterblichkeit im Vergleich zu

    Afrika um fast die Hlfte geringer: 75 fr Jungen und 80 fr Mdchen. In

    38Regional wird das Bevlkerungswachstum zustzlich d. Wanderungsbewegungen beeinflut, vgl. Kap 2.39Fr die Ursachenanalyse vgl. u.a. BMZ (1991), S. 3 f. Leisinger (1993), S. 75-198.

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    Lateinamerika und der Karibik betrgt die Kindersterblichkeit weniger als

    ein Drittel (51 fr Jungen und 41 fr Mdchen) der Kindersterblichkeit auf

    dem afrikanischen Kontinent. In den Industrielndern sterben von 1000

    Lebendgeburten durchschnittlich noch 15 Jungen bzw. 11 Mdchen vor

    dem Erreichen ihres fnften Geburtstags.

    Unterschiedliche religise und kulturelle Normen in verschiedenen Gesell-

    schaftsformen: So wird z.B. in Gesellschaften, in denen der Glaube an die

    Wiedergeburt einen wichtigen Teil ihrer Religion ausmacht, durch die

    Geburt eines Kindes die Verbindung zwischen Verstorbenen und Gegen-

    wart hergestellt.41 Die individuelle Entscheidung junger Mnner und

    Frauen in Entwicklungslndern ber den Heiratszeitpunkt mu sich oft

    kulturellen Normen und Rollenbildern unterordnen. Das Heiratsalter hat

    wesentlichen Einflu auf das Alter der Frau bei ihrer ersten Geburt und

    somit auf die Gesamtanzahl der Geburten.42

    b) Ungewollte Schwangerschaften

    Der Zeitpunkt von Schwangerschaften kann von Frauen oft nicht frei und

    eigenverantwortlich entschieden werden. In dem Weltbevlkerungsbericht

    von 1997 werden Ergebnisse von Befragungen angefhrt, die besagen, da

    ber 40 % der jhrlichen Gesamtzahl von Schwangerschaften ungewolltsind.43Das Ergebnis sind u.a. 45 Millionen Schwangerschaftsabbrche pro

    Jahr.

    Traditionelle Methoden der Familienplanung gehen zurck, und moderne

    Methoden sind zum Teil noch nicht vorhanden bzw. nicht fr alle

    zugnglich. Trotz zunehmender Verfgbarkeit von Verhtungsmitteln in

    Entwicklungslndern44verfgen zwischen 120 und 150 Millionen Frauen

    immer noch nicht ber wirksame Mittel, um die Anzahl ihrer Schwanger-

    schaften zu verringern bzw. die zeitlichen Abstnde vergrern zu knnen.

    40DGVN (1998a) a.a.O. Statistischer Anhang. Die Kindersterblichkeit ist bezogen auf Kinder unter 5 Jahrenpro 1000 Lebendgeburten in einem Jahr. Zur Definition siehe auch Glossar.

    41Vgl. E. Engelhardt / I. Spiller, Hrsg. (1991): Bevlkerungspolitik, Explizit Nr. 36. Bad Honnef. S. 10.42 Vgl. Mnz/Ulrich (1994): Bevlkerungswachstum und Familienplanung in Entwicklungslndern. In

    Demographie aktuell. Heft Nr. 4. Lehrstuhl Bevlkerungswissenschaft. Humboldt-Universitt Berlin. S.25.

    43DGVN (1997) a.a.O. S. 1.44Ebd. S. 34

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    Der Zugang zu Bildungseinrichtungen ist fr die arme Bevlkerung -

    insbesondere fr Frauen - unzureichend. Die Benachteiligung von

    Mdchen bei der Bildung wird insbesondere in der hohen Rate von

    Analphabetinnen deutlich. So knnen ca. 600 Millionen Frauen auf der

    Welt weder schreiben noch lesen. Bei den Mnnern hingegen sind es 320

    Millionen.45 Der Zusammenhang zwischen Bildung der Frauen,

    reproduktivem Verhalten und selbstbestimmtem Leben ist mittlerweile gut

    dokumentiert.46

    Informationsdefizit: Informationen ber moderne Verhtungsmethoden

    sind nur teilweise zugnglich bzw. beruhen auf Gerchten und Falsch-

    meldungen.

    Neben der hier vorgenommenen Einteilung in gewollte und ungewollte

    Schwangerschaften gibt es noch weitere Faktoren, die als Ursachen fr ein hohes

    Bevlkerungswachstum genannt werden knnen. Dies ist zum einem der hohe

    Anteil von Jugendlichen an der Bevlkerung, der eine zuknftige hohe Geburten-

    rate erwarten lt. Trotz rckgehender Fertilittsraten leben laut Weltbevl-

    kerungsbericht von 1998 mehr als 1,05 Milliarden junge Menschen zwischen 15

    und 24 Jahren auf der Erde. Diese Zahl, die noch nie so hoch war, wird dafr

    sorgen, da die Bevlkerungszahl weiter steigen wird. Hinzu kommt, da auch dieGeneration der ber 60jhrigen in den Entwicklungslndern anwachsen wird. Dies

    stellt die Regierungen in diesen Lndern vor immense Herausforderungen, die sie

    ohne Hilfe von auen nicht werden bewltigen knnen.

    Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die in den einzelnen Lndern vorherr-

    schenden institutionellen Rahmenbedingungen. So knnen das Verbot von

    Kinderarbeit und die Einfhrung der allgemeinen Schulpflicht fr Kinder den

    konomischen Nutzen einer hohen Kinderzahl fr eine Familie erheblich

    reduzieren. Weiterhin wird in gleichem Mae, wie eine gesicherte Alters-

    45Ebd. S. 2.46 Vgl. u.a. Jejeebhoy, Shireen J. (1995): Womens Education, Autonomy, and Reproductive Behaviour:

    Experience from Developing Countries. International Studies in Demography Series. New York. Fr diePhilippinen vgl. Kapitel 7.1 dieser Arbeit und NSO/MI (1994a): S. 27.

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    versicherung in einem Land existiert, die Funktion der Kinder als Alterssicherung

    an Bedeutung verlieren.47

    Die Ursachenanalyse zeigt, da eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen

    Faktoren besteht und somit Familienplanung wesentlich effektiver ist, wenngleichzeitig eine Verbesserung der Lebensverhltnisse eintritt.48 Aus diesem

    Grunde wird in dem Frderkonzept des Bundesministeriums fr wirtschaftliche

    Zusammenarbeit die Bedeutung der Doppelstrategie im Rahmen der

    Bevlkerungspolitik betont.

    Die Ursachenanalyse macht deutlich wie sehr Armut mit Bevlkerungswachstum

    verbunden ist: Fehlender Zugang zu Kontrazeptiva, Funktion der Kinder im

    Sozialssystem, hohe Kindersterblichkeit, mangelnder Zugang zuBildungseinrichtungen, Informationsdefizite und Rckgang traditioneller

    Familienplanungsmethoden sind Ursachen, die am strksten in der armen

    Bevlkerungsschicht zum Tragen kommen. Der Einflu sozio-konomischer

    Bedingungen auf die Fruchtbarkeitsrate einer Gesellschaft ist keine neue

    Erkenntnis.49Da die Ursachen schon lnger bekannt sind und trotzdem ein starkes

    Bevlkerungswachstum zu verzeichnen ist, stellt sich die Frage, ob gegen die

    Ursachen nicht zielgerichtet gehandelt wurde bzw. mit inadquaten Mitteln oder

    ob vielleicht nicht alle Ursachen in Erwgung gezogen wurden. Durch die

    folgende Wirkungsanalyse werden Selbstverstndnis und Machtverhltnisse

    ersichtlich, die sich hinter internationalen Bevlkerungspolitiken verbergen.

    Folgen des Bevlkerungswachstums

    Wie die Ursachen, so sind auch die Folgen des Bevlkerungswachstums in ver-

    schiedenen Gesellschaften und Lndern unterschiedlich stark ausgeprgt. In der

    bevlkerungspolitischen Diskussion kann zwischen Bevlkerungsoptimisten und

    -pessimisten unterschieden werden. Die optimistische Sichtweise verneint die

    negativen Auswirkungen des Bevlkerungswachstums in Entwicklungslndern

    47 Vgl. hierzu Mnz/Ulrich (1994). Hemmer, H.-R. und Bohnet, F.: Die Schlsselrolle der Armut bei derErklrung des schnellen Bevlkerungswachstums, in: Schfer, Hans-Bernd, Hrsg., (1995):Bevlkerungsdynamik und Grundbedrfnisse in Entwicklungslndern. Schriften des Vereins frSocialpolitik, Band 241. Berlin. S. 145-171.

    48Vgl. BMZ (1991), S. 4 f.

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    und sieht in einer wachsenden Bevlkerung die Mglichkeit einer tieferen

    Arbeitsteilung bei gleichzeitiger Erhhung von Produktion und Stckzahlen.50

    Weiterhin wird der menschliche Erfindungsgeist gefrdert, und knappe

    Ressourcen knnen besser genutzt werden.

    Die Auseinandersetzungen zwischen Bevlkerungsoptimisten und -pessimisten

    beschrnken sich im wesentlichen auf den akademischen Bereich. Betrachtet man

    die Diskussion innerhalb groer Geberorganisationen (WB, UNFPA, UNDP,

    USAID, BMZ etc.), so wird deutlich, da berwiegend die negativen

    Auswirkungen des Bevlkerungswachstums auf der Tagesordnung stehen. Dies

    ergibt sich auch aus der Realitt des Alltags und der Aufgabenstellung dieser

    Organisationen. Aus diesem Grunde wird im folgenden das Frderkonzept des

    BMZ fr die Folgenanalyse herangezogen. Im wesentlichen werden nachstehendaufgefhrte Folgen des Bevlkerungswachstums genannt:51

    Die Befriedigung von Grundbedrfnissen, welche heute schon unzureichend

    ist, wird zustzlich erschwert.

    Erreichter wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt geht zurck bzw. stagniert.

    Gefhrdung der sozialen und politischen Stabilitt in Entwicklungslndern.

    Die bermige Inanspruchnahme der natrlichen Ressourcen zur Versorgung

    der Bevlkerung mit Nahrungsmitteln, Wasser und Energie gefhrdet einerseits

    die Umwelt in den Entwicklungslndern selbst (z.B. Bodenerosion, Waldzer-

    strung, Desertifikation, Verschmutzung der Gewsser) und trgt andererseits

    in zunehmenden Mae zur weltweiten Umweltgefhrdung bei (z.B. Klima-

    vernderung durch Emission von Kohlendioxid und Methan)...52

    49 Vgl. H.J. Diesfeld, Hrsg. (1980): Medizin in Entwicklungslndern. Demographische und sozialeWirkungen von Familienplanung. Bd. 5, Frankfurt/M. et al. S. 12 f.

    50Mnz, Rainer u. Ulrich, Ralf (1994) a.a.O., S. 21. Lachman gibt einen kurzen historischen berblick berdie Bewertung des Bevlkerungswachstums vom Merkantilismus bis in die heutige Zeit, in Lachman, W.(1997): Entwicklungspolitik. Binnenwirtschaftliche Aspekte der Entwicklung. Band 2. Mnchen. S. 5-9.Ein Vertreter der Bevlkerungsoptimisten in jngster Zeit war J. Simon, der in zahlreichenVerffentlichungen die den Wachstumsmodellen zu Grunde liegenden Annahmen in Fragen stellte und freine andere Betrachtungsweise mit vernderten Wertvorstellungen pldiert. Simon, Julian (1978), (1981),(1986).

    51Vgl. BMZ (1991), S. 5 f. Die Folgenanalyse des BMZ ist im wesentlichen identisch mit der von UNFPA.Zu den Auswirkungen hohen Bevlkerungswachstums vgl. auch Leisinger (1993) S. 93-198.

    52BMZ (1991) ebd.

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    Schlielich kann besonders hoher Bevlkerungsdruck unkontrollierte

    Wanderungsbewegungen in andere Lnder und damit auenpolitische

    Konflikte auslsen, die den Weltfrieden gefhrden knnen.53

    Die Argumentation des Bevlkerungsfonds der Vereinten Nationen ist grten-teils mit den o.a. Ausfhrungen identisch. Im Weltbevlkerungsbericht 1990 wird

    das Bevlkerungswachstum als Hauptursache fr die Zerstrung des Bodens in

    den meisten Entwicklungslndern genannt.54 Als weitere direkte und indirekte

    negative Folgen des Bevlkerungswachstums werden Waldrodungen, Klima-

    nderungen und die Erwrmung der Erdatmosphre genannt. Obwohl zuvor in

    dem Bericht auch erwhnt wurde, da die Industrielnder durch extremen

    Ressourcenverbrauch und hohe Abfallproduktion mit den daraus resultierenden

    negativen Folgen fr die Umwelt hauptverantwortlich sind,55 so wird nun das

    Bevlkerungswachstum als Hauptgrund fr die Umweltzerstrung genannt. In

    neueren Publikationen, insbesondere im Bericht ber die menschliche

    Entwicklung 1998, vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen

    herausgegeben, werden die Verursacher von Umweltproblemen an Hand von

    Datenmaterial beim Namen genannt. Es sind in erster Linie die heutigen

    Konsummuster in den Industrielndern, die eine Bedrohung fr den Bestand der

    Umweltressourcen darstellen.56

    In der wissenschaftlichen Diskussion dient das konomische Wachstumsmodell

    dazu, das Bevlkerungswachstum als eine Bedrohung des erreichten Wohlstands

    an den Pranger zu stellen - ein Wohlstand, der grtenteils lediglich von einer

    Minderheit der Weltbevlkerung erreicht wurde. Die Diskussionen um die Folgen

    des Bevlkerungswachstums sind letztlich sehr stark von den Wertvorstellungen

    und Inhalten abhngig, die man den einzelnen Faktoren (Ressourcen, Nahrung,

    Landflche, Umweltverschmutzung, Geburtenraten, Verhtungsmethoden,

    Lebensstandard, Bevlkerungspolitik etc.) beimit.

    53Ebd. S. 6.54DGVN, Hrsg. (1990): Weltbevlkerungsbericht 1990. Entscheidungen fr das nchste Jahrhundert. Bonn.

    S. 10-17.55DGVN (1990), S. 4.56DGVN (1998b).

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    Es sind auch die Wertvorstellungen und die wissenschaftliche Neutralitt, die

    Kritiker von Malthus Bevlkerungstheorie noch heute anzweifeln. So sieht Rott

    in Malthus Schlufolgerungen eine ideologische Implikation,57 in der das

    Bevlkerungswachstum gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Ursache fr die

    zunehmende Armut der Arbeiterschaft angefhrt und die Lage der Arbeiterdadurch als selbstverschuldet erklrt wird. Weiterhin wird die Einteilung in

    Besitzende und Nichtbesitzende in den frhen Auflagen von Malthus Schrift

    kritisiert. Die Armen werden auf ihre Funktion als verwertbare Arbeitskrfte

    reduziert.58 Seine Feststellungen und das Zusammenbringen verschiedener

    Faktoren in bezug auf die Endlichkeit von Ressourcen ist nach wie vor aktuell.

    Die Schere zwischen einer zunehmenden Bevlkerung und abnehmenden

    Lebensgrundlagen ffnet sich immer mehr.59 Diese Aussage geht von der

    Prmisse aus, da der erreichte Wohlstand in den Industrielndern und die damiteinhergehende Lebensweise als Mastab fr die nachholende Entwicklung in

    Entwicklungslndern verwendet wird. Betrachtet man die Ursachen- und

    Wirkungsanalysen und die daraus resultierenden Schlufolgerungen von

    nationalen und internationalen Organisationen, die sich mit dem

    Bevlkerungswachstum beschftigen, so wird deutlich, da das

    Bevlkerungswachstum in Entwicklungslndern als die einzige zu beeinflussende

    Variable betrachtet wird. Eine Hinterfragung des wirtschaftlichen

    Wachstumsmodells und dessen Unfhigkeit, auf eine Bevlkerungszunahme

    menschenwrdig zu reagieren, findet nur selten und zgerlich statt. Ein Zitat aus

    dem Weltbevlkerungsbericht von 1990 soll diese Aussage verdeutlichen:

    Ganz gleich, ob Industrielnder oder Entwicklungslnder: je mehr Menschen,

    desto mehr Verschmutzung. Auf jeder Entwicklungsstufe verbrauchen mehr

    Menschen mehr Ressourcen und produzieren mehr Abfall.60 Wrde diese

    Argumentationskette auf die Industrielnder bertragen, htte dies zur Folge, da

    ber die Forderungen nach sauberen Technologien, effizienterer Energiewirtschaft

    und Erhaltung der Ressourcen hinaus ein Bevlkerungsrckgang in den

    Industrielndern zu fordern wre, denn weniger Menschen verbrauchen weniger

    57 Rott, Renate: Bvlkerungskontrolle, Familienplanung und Geschlechterpolitik, in: Peripherie. Zeitschriftfr Politik und konomie in der Dritten Welt. Nr. 36 (1989). Berlin. S. 7-24.

    58Ebd. Vgl. auch Ausfhrungen von Leisinger a.a.O. S. 96f.59Vgl. Hauser (1990) u. Leisinger (1993) a.a.O. S. 97.60DGVN (1990) a.a.O.

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    Ressourcen und produzieren weniger Abfall. Die Behauptung, da eine

    Verbindung zwischen Umweltzerstrung und Bevlkerungswachstum besteht,

    kann als globaler Ansatz keine Gltigkeit erlangen, da jeweils lokal verschiedene

    Faktoren das Bevlkerungswachstum und die Umweltzerstrung beeinflussen.61

    Der Pro-Kopf-Konsum stieg in den Industrielndern in den vergangen 25 Jahren

    um ca. 23 % jhrlich an.62 Ostasien und Sdasien wiesen in diesem Zeitraum

    6,1% bzw. 2 % Wachstum auf. Auf dem afrikanischen Kontinent sah die

    Entwicklung anders aus. Der afrikanische Durchschnittshaushalt konsumiert heute

    20 % weniger als vor 25 Jahren.

    Die rmsten 20 % der Weltbevlkerung waren von der Konsumexplosion

    praktisch ausgeschlossen. Von 4,4 Mrd. Menschen in Entwicklungslndernverfgen etwa 2,64 Mrd. nicht ber einfache Sanitreinrichtungen. 1,45 Mrd.

    Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Moderne

    Gesundheitsdienste sind fr ein Fnftel der Menschen nicht zugnglich. Ein

    Viertel hat keine ausreichende Unterkunft. Auf der anderen Seite entfallen auf die

    20 % der Weltbevlkerung in den Lndern mit dem hchsten Einkommen 86 %

    der gesamten privaten Konsumausgaben. Die rmsten 20 % mssen sich mit

    mageren 1,3 % begngen.

    Als Beweis dafr, da mehr Konsum nicht unbedingt glcklicher bzw. zufriedener

    macht, wird in dem UNDP-Bericht ein Prozentsatz der Amerikaner, die sich als

    glcklich bezeichnen, angefhrt. Demzufolge erreichte das Gefhl des

    Glcklichseins 1957 seinen Hhepunkt in der amerikanischen Bevlkerung.

    Seither hat sich der Konsum jedoch verdoppelt.63 Im UNDP Bericht wird die

    Forderung erhoben, da der Verbrauch von Luxusgtern zu Gunsten einer

    Befriedigung von Grundbedrfnissen eingeschrnkt werden sollte.

    61 Vgl. Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, ASW, Hrsg. (1990): Kinder oder Fortschritt. Eine frag-wrdige Bevlkerungspolitik. Materialsammlung. Berlin. S. 57 f. Die internationale UmweltorganisationENDA kommt in einer Untersuchung ber das Verhltnis zwischen Bevlkerungsdruck und Umwelt zuder Schlufolgerung, da ... Gebiete mit den grten Umweltzerstrungen keineswegs [ ] identisch [sind]mit denen, wo das strkste Bevlkerungswachstum stattfindet. Ebd.

    62 UNDP (Hrsg.): Human Development Report 1998. New York. Deutsche Fassung hrsg. von DeutscheGesellschaft f. d. Vereinten Nationen (DGVN): Bericht ber die menschliche Entwicklung 1998. Bonn.Der Bericht ber die menschliche Entwicklung von 1998 beschftigt sich mit existierendenKonsummustern und deren Auswirkung auf die menschliche Entwicklung.

    63Ebd. S. 2.

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    Bei der Schilderung der globalen Auswirkungen des Bevlkerungswachstums

    werden zugleich globale Machtverhltnisse deutlich und die Widersprchlichkeit

    in der Argumentationskette erkennbar. Die Entwicklungslnder wrden ihre natr-

    lichen Ressourcen bermig beanspruchen und somit die Umwelt in ihrem

    eigenen Land wie auch weltweit gefhrden. Industrielnder, wie dieBundesrepublik Deutschland, das auf Importe von Rohstoffen angewiesen ist und

    das selbst mit zu dem Kreis von Lndern gehrt, die hauptverantwortlich fr die

    weltweite Umweltzerstrung sind, maen sich an, den Entwicklungslndern eine

    bermige Beanspruchung ihrer Ressourcen vorzuwerfen. Die Industrielnder,

    die weltweit den grten Ressourcenverbrauch haben und nur ein Fnftel der

    Weltbevlkerung darstellen, mahnen die Entwicklungslnder zu sorgfltigerem

    Umgang mit Ressourcen. Hier sind Machtverhltnisse klar ersichtlich.

    Obwohl die Industrielnder als Hauptverantwortliche fr die weltweite

    Umweltzerstrung genannt werden,64 wird von den Entwicklungslndern ein

    verantwortungsvollerer Umgang mit ihren Ressourcen gefordert, um die weltweite

    Zerstrung der Umwelt zu verlangsamen. Es wird zwar eingerumt, da das

    Bevlkerungswachstum nicht monokausal fr die Entwicklung in der Dritten Welt

    herangezogen werden kann, jedoch wird mit unkontrollierten

    Wanderungsbewegungen - ausgelst durch einen hohen Bevlkerungsdruck -

    argumentiert, die schlielich den Weltfrieden gefhrden knnten. Selbst wenn die

    Bedrohung des Weltfriedens noch im Konjunktiv steht, so wird hier doch der

    Versuch unternommen, mit der Konstruktion solcher Horrorszenarien ein Bewut-

    sein zu schaffen, das fast jegliches Handeln legitimiert. Die wirklichen Ursachen

    des Bevlkerungswachstums und der Armut in Entwicklungslndern werden

    somit nicht bekmpft. Die Kausalkette von sozialen, konomischen, kologischen

    und politischen Faktoren belegt, da hohes Bevlkerungswachstum zugleich

    Ursache und Folge der zunehmenden Armut in Entwicklungslndern sein kann.

    Neben den bereits erwhnten Folgen hohen Bevlkerungswachstums fr eine

    Gesellschaft gibt es eine Reihe von Folgen auf individueller Ebene, die das

    Ausma dieser menschlichen Tragdie verdeutlichen. Obwohl Frauen in

    Entwicklungslndern immer weniger Kinder bekommen, sterben, Schtzungen

    64BMZ (1991), S. 6; DGVN (1990) S. 4; DGVN (1998b).

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    zufolge, jhrlich ber 585.000 Frauen (eine pro Minute) an Erkrankungen in

    Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, fast alle davon in

    Entwicklungslndern.65 120-150 Millionen Frauen, die eine Schwangerschaft

    hinauszgern oder die Anzahl der Schwangerschaften verringern wollen, verfgen

    ber keinen Zugang zu Verhtungsmethoden. Jhrlich gibt es ca. 175 Mio.Schwangerschaften. Schtzungen zufolge sind 75 Mio. davon ungewollt. Folge

    davon sind 45 Millionen Schwangerschaftsabbrche und 30 Millionen

    Lebendgeburten.66 70.000 Frauen sterben jedes Jahr an unsachgem

    durchgefhrten Abtreibungen.

    Neben den Frauen, die am meisten unter den Folgen einer hohen Anzahl von

    Schwangerschaften zu leiden haben, ist es vor allem die junge Altersstruktur in

    Entwicklungslndern, die zustzliche Bemhungen erfordert, um derheranwachsenden Generation die Dienste der reproduktiven Gesundheit frhzeitig

    zu ffnen und gezielt auf die spezifischen Interessen und Bedrfnisse dieser

    Altersgruppe einzugehen. Gegenwrtig betrgt der Bevlkerungsanteil der unter

    15jhrigen in den am wenigsten entwickelten Gebieten 43 %. Betrachtet man die

    Gesamtheit aller Entwicklungslnder, in denen der Groteil der Bevlkerung lebt

    (4,7 Mrd.), so sind 34 % der Bevlkerung jnger als 15 Jahre. In den

    Industrielndern betrgt der Anteil dieser Bevlkerungsgruppe an der

    Gesamtbevlkerung weniger als ein Fnftel (19,5 %).67

    Der Weltbevlkerungsbericht von 1998 zhlt nicht nur die erforderlichen

    Vernderungen und Investitionen fr die nchste Generation auf. Neben der

    nachkommenden Generation ist es vor allem die zunehmende Zahl lterer

    Menschen, die aufgrund besserer gesundheitlicher Versorgung und

    Lebensbedingungen ein hheres Lebensalter erreichen und dadurch entsprechende

    soziale Untersttzung und finanzielle Absicherung im Alter bentigen. In

    Entwicklungslndern, die in der Regel ber kein staatliches System der

    Altersversorgung verfgen, sind ltere Menschen nach wie vor auf die

    Untersttzung ihrer Familienangehrigen angewiesen.

    65Die Angaben zu den Todesfllen stammen aus DGVN (1997): S. 1.66DGVN (1997): S. 35 f.67DGVN (1998a): S. 10.

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    3.1 Manahmen zur Verringerung des Bevlkerungswachstums

    Manahmen zur Regulierung des Bevlkerungswachstums waren schon immer

    ein Teil der Politik von Staaten. War man frher eher bemht, das Bevlkerungs-

    wachstum zu steigern, um mehr Menschenmaterial fr knftige Kriege zur Ver-

    fgung zu haben oder die Anzahl von Arbeitskrften zu erhhen, um die Wirt-

    schaft anzukurbeln, so tritt seit Mitte dieses Jahrhunderts immer mehr die

    Forderung nach Begrenzung des Bevlkerungswachstums in den Vordergrund -

    eine Begrenzung vor allem in den Staaten der Dritten Welt. Da eine Begrenzung

    des Bevlkerungswachstums stattfinden mu, ist angesichts der jhrlichen

    Wachstumsraten und den geschilderten negativen Folgen des Bevlkerungs-

    wachstums unausweichlich. Die Frage ist nur, ob Bevlkerungspolitik in den

    Entwicklungslndern unter dem Aspekt betrieben wird, da dadurch den Lndern

    des Sdens die Mglichkeit zu einer nachholenden dauerhaften Entwicklung

    gegeben wird oder ob das Bevlkerungswachstum als Bedrohung fr den

    Lebensstandard und das Gesellschaftsmodell einer Bevlkerungsminderheit

    gesehen wird.68

    Mit der Verwendung von Begriffen wie Bevlkerungsexplosion, Bevlkerungs-

    bombeund Metaphern wie das Boot ist voll oderZeitbombe Mensch69droht durch

    die Berichterstattung in den Medien und durch die Informationsverbreitung in

    Schulen ein Gefhl von Angst und Bedrohung zu entstehen. An einem Beispiel

    aus den USA soll dies kurz erlutert werden. Kasun70beschreibt zu Beginn ihres

    Buches, wie an amerikanischen Schulen Mitte der 70er Jahre das Thema

    Bevlkerungspolitik behandelt wurde. Den Schlern wurde beigebracht, da die

    Erde wie ein Raumschiff wre oder wie ein berflltes Rettungsboot. Eine

    Wanderausstellung fr Schulkinder mit dem TitelPopulation: The Problem Is Us,

    entwirft eine Reihe von Horrorszenarien: Menschen die vom Hungertod bedroht

    sind, die schlielich dazu getrieben werden, Hunde und Katzen zu essen, ja

    letztendlich sogar ihre eigenen Kinder. Als Erluterung zur Ausstellung heit es

    68Vgl. Stellungnahme von ASW (1991): Geburtenplanung oder Bevlkerungspolitik? Warum wir das einebefrworten und das andere ablehnen. Berlin. S. 2

    69Vgl. R. Klver, Hrsg. (1993): Zeitbombe Mensch. berbevlkerung und berlebenschance. Mnchen. P.Ehrlich (1971): Die Bevlkerungsbombe. Mnchen.

    70Vgl. Kasun, J. (1988): The war against population. The economics and ideology of population control. SanFrancisco. S. 21.

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    u.a.: ... there are too many people in the world. We are running out of space. We

    are running out of energy. We are running out of food. And, although too few

    people seem them to realize it, we are running out of time.71Weiter behauptet

    das Szenario, da berbevlkerung nicht nur zu Hunger und Kannibalismus,

    sondern auch zu Brgerkrieg und Nuklearkrieg fhren wrde. Mit diesem -sicherlich extremen - Beispiel wird die Art und Weise deutlich, wie ansatzweise

    versucht wird, ein Bewutsein zu schaffen, das fast jedes Handeln akzeptiert, um

    die Katastrophe (weiteres Bevlkerungswachstum) noch einmal abzuwenden.72

    Um das Bevlkerungswachstum zu verringern arbeiten Regierungen und Nich-

    tregierungsorganisationen im wesentlichen im Rahmen von zwei Strategien: 1)

    den bestehenden Bedarf an Familienplanungsleistungen abzudecken (unmet need,

    service delivery) und 2) die Nachfrage nach Familienplanungsleistungen zuerhhen (demand creation). Auf internationaler Ebene beschftigt man sich seit

    Grndung der UN im System der Vereinten Nationen mit Fragen zur Bevlkerung

    und Bevlkerungsentwicklung. Im Oktober 1946 wurde eine

    Bevlkerungskommission durch den ECOSOC (Economic and Social Council)

    eingerichtet. Die Aufgabe dieser Kommission bestand darin, die

    Bevlkerungsentwicklung zu beobachten und den ECOSOC und Sonderor-

    ganisationen in demographischen Fragen zu beraten.73Seit Beginn der 60er Jahre

    wurde das Bevlkerungswachstum in Regierungen und UN-Organen strker

    thematisiert. So wurden von 1962-72 eine Reihe von Resolutionen ber Bevl-

    kerungsentwicklung in den Vereinten Nationen angenommen. Die Befrworter

    und Initiatoren dieser Resolutionen kamen fr gewhnlich aus westlichen

    (einschl. Schweden und USA) und aus asiatischen (einschl. Indien) Lndern.74Sie

    sahen in einem raschen Bevlkerungswachstum eine ernsthafte Behinderung der

    Entwicklung und forderten Bevlkerungs- und Familienplanungsprogramme.

    Zunchst kam im Gegenzug, v.a. aus katholischen, sozialistischen und afri-

    kanischen Lndern, heftige Kritik an diesen Forderungen. In den 60er Jahren

    nderte sich jedoch zunehmend die Haltung der Regierungen dieser Lnder.

    71Ebd.72Vgl. hierzu P. Ehrlich (1971), S. 136: Diese Operation [die Reduzierung des Bevlkerungswachstums in

    Entwicklungslndern; C.J.] wird viele offensichtlich brutale und herzlose Entscheidungen verlangen undviel Leid verursachen.

    73Vgl. Wolfrum, R. Hrsg. (1991): Handbuch Vereinte Nationen. Mnchen. S. 1038.74Vgl. Baldeaux, D. (1985): Bevlkerungspolitik der Entwicklungslnder. Beurteilung der Manahmen seit

    der Weltbevlkerungskonferenz 1974. Forschungsberichte des BMZ. Bd. 66. Kln. S. 63 f.

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    Dadurch kam es zu den bereits erwhnten Resolutionen, die zwar immer

    Kompromisse waren, schlielich aber dazu fhrten, die Familienplanung zu

    legitimieren. Hierdurch wurde das Ziel - das Bevlkerungswachstum, als Teil der

    Entwicklungspolitik, zu begrenzen - nach und nach von den meisten Regierungen

    akzeptiert.75

    Auf internationaler Ebene markierte das Jahr 1974 einen Umschwung bei der

    Behandlung der Bevlkerungsproblematik. Auf der Weltbevlkerungskonferenz

    1974 in Bukarest verabschiedeten Vertreter aus 136 Staaten den Weltbe-

    vlkerungsaktionsplan (WPPA, World Population Plan of Action).76 Den

    Vereinten Nationen wurde eine eigene aktive Rolle bei der Behandlung der Bevl-

    kerungsprobleme zuerkannt. Whrend der Konferenz wurden unterschiedliche

    Sicht- und Interpretationsweisen deutlich. Aus den Reihen der Vertreter vonEntwicklungslndern wurde der Vorwurf geuert, die Konzentration auf das

    Bevlkerungswachstum sei ein Versuch der Industrielnder, von anderen

    Entwicklungsproblemen abzulenken. Diese Annahme, die im Verlauf der

    Konferenz zu einem groen Teil ausgerumt werden konnte, ist ein Beweis dafr,

    wie das Problem des Bevlkerungswachstums bis zu diesem Zeitpunkt von einem

    Groteil der betroffenen Lnder betrachtet wurde. Bevlkerung und Entwicklung

    betrachtete man als zwei voneinander getrennte Sachverhalte.77Ein Verdienst der

    Konferenz ist es, da am Schlu die wechselseitige Beziehung und Bedeutung

    von soziokonomischen und demographischen Faktoren auf die

    Gesamtentwicklung eines Landes erkannt wurde. So lautet die Schlufassung der

    Prambel: The World Population Conference having due regard for human

    aspirations for a better quality of life and for rapid socio-economic development,

    and taking into consideration the interrelationship between population situation

    and socio-economic development, decides on the following World Population

    Plan of Action as a policy instrument within the broader context of the

    internationally adopted strategies for national and international progress.78 Die

    letzte Weltbevlkerungskonferenz, die 1994 in Kairo stattfand, fgte der

    75Ebd.76Die Konferenz kam hauptschlich auf Initiative der USA, einigen westeuropischen und asiatischen Staaten

    zustande. Vgl. Baldeaux (1985) a.a.O., S. 60.77 Zu den Schilderungen der Auseinandersetzung whrend der Weltbevlkerungskonferenz von 1974 und

    dem Weltbevlkerungsaktionsplan vgl. Baldaux (1985) a .a.O. S. 76-116.78 Zitiert aus Baldaux (1985) a.a.O. S. 77. An gleicher Stelle wird auch die ursprngliche Fassung der

    Prambel aufgefhrt.

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    Auseinandersetzung mit dem Bevlkerungswachstum noch eine kologische

    Dimension hinzu. Entsprechend dem Stand der internationalen

    Entwicklungsdiskussion wird nun eine nachhaltige Entwicklung gefordert. Was

    darunter zu verstehen ist, wird im nachfolgenden Kapitel errtert. Zuvor sollen

    jedoch noch zwei groe internationale Organisationen (UNFPA und Weltbank),die im Bereich Familienplanung und Entwicklung zu den finanzkrftigsten

    gehren, kurz untersucht werden.

    Der Bevlkerungsfonds der Vereinten Organisationen (United Nations Population

    Fund, UNFPA) ist die grte und einflureichste Organisation der Vereinten

    Nationen, die sich mit Fragen des Bevlkerungswachstums und deren

    Auswirkungen beschftigt. Innerhalb der Vereinten Nationen gibt es ber 20

    Organisationen und Abteilungen, die zu diesem Themengebiet arbeiten.79 DieBevlkerungsabteilung des UN-Sekretariats ist berwiegend in der

    demographischen Forschung und Analyse ttig. Diese Abteilung leistet durch eine

    weltweite Datensammlung und entsprechende Projektionen die Voraussetzungen

    dafr, da das Problem des Bevlkerungswachstums den politischen

    Entscheidungstrgern analytisch vorgelegt werden kann.

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat durch ihre medizinischen und

    wissenschaftlichen Expertisen die technische Fhrung im Bereich der

    reproduktiven Gesundheit. Der Kinderfonds der Vereinten Nationen (UNICEF)

    hat durch weltweit durchgefhrte Immunisierungskampagnen und durch die

    Bekmpfung von Durchfallerkrankungen zu einer Verbesserung des

    Gesundheitszustandes von Suglingen und Kindern beigetragen. In jngster Zeit

    hat auch UNICEF einzelne Bereiche der reproduktiven Gesundheit in sein

    Programm mit aufgenommen.

    Der Bevlkerungsfonds ist die einzige Organisation, die sich ausschlielich mit

    Fragen der reproduktiven Gesundheit und Familienplanung beschftigt. Neben

    79Vgl. Conly, Shanti, R. (1996): Taking the Lead. The United Nations and Population Assistance. PopulationAction International. Washington. Bei den Ausfhrungen zu UNFPA wird berwiegend auf diese StudieBezug genommen. Eine Beschreibung der Arbeit anderer UN-Organisationen, die sich mit Fragen derBevlkerungsentwicklung beschftigen, findet sich bei Population Action International (1996): Profiles ofUN Organizations Working in Population. Population Action International. Washington. PopulationAction International ist eine private Organisation, die sich ausschlielich aus Spendengeldern finanziertund bewut auf finanzielle Untersttzung durch Regierungsbehrden verzichtet.

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    einzelnen Projekten, die UNFPA in Entwicklungslndern durchfhrt, soll der

    Bevlkerungsfonds auch eine Koordinierungsfunktion innerhalb des Systems der

    Vereinten Nationen wahrnehmen. Nach der Weltbevlkerungskonferenz von 1994

    ist UNFPA die berwachung der aufgestellten Ziele des Bevlkerungs-

    aktionsplans und deren Implementierung bertragen worden. Die Bedeutung undder Stellenwert von UNFPA innerhalb wie auerhalb des Systems der Vereinten

    Nationen hat seit ihrer Grndung stark zugenommen. In den Zeitrumen von

    1971-1995 hat UNFPA bevlkerungspolitische Programme in 167 Lndern im

    Gegenwert von 3,4 Milliarden US Dollar untersttzt.80

    Die finanziellen Mittel erhlt UNFPA aus freiwilligen Beitrgen einzelner

    Geberlnder. Die amerikanische Entwicklungsbehrde (USAID) war bislang der

    grte Geber von Finanzmitteln fr UNFPA. Die Gefahr, da ein Geberland zugroen Einflu gewinnt, wurde in der zweiten Hlfte der 80er Jahre deutlich, als

    die amerikanische Entwicklungsbehrde ihre Zahlungen einstellte. Grund dafr

    waren die restriktiven Geburtenkontrollprogramme in China. Selbst als UNFPA

    klarstellen konnte, da sie keine Gelder fr diese Programme an China vergibt,

    hat es doch bis 1993 gedauert, bis die amerikanische Untersttzung wieder

    einsetzte. Neben UNFPA untersttzt USAID eine Vielzahl von privaten

    Organisationen, die zu den Bereichen Reproduktive Gesundheit, Familienplanung

    und Bevlkerungsentwicklung arbeiten. Dies hat dazu gefhrt, da USAID, neben

    UNFPA, eine fhrende Rolle bei der Implementierung von

    Familienplanungsprogrammen eingenommen hat.

    Die Internationale Konferenz ber Bevlkerung und Entwicklung von 1994 und

    das verabschiedete Aktionsprogramm hatten eine wesentliche Steigerung der

    Aktivitten von UNFPA zur Folge. Dem Bevlkerungsfonds wird eine flexibleres

    und besseres Management als anderen UN-Organisationen attestiert.81

    80Conly, S., R. (1996) a.a.O. S. 8.81Ebd. S. 9.

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    Das groe Netz von Regionalbros (mehr als jede andere UN-Organisation) bildet

    fr UNFPA die Grundlage, um die Regierungen in den Entwicklungslndern in

    ihrem Bemhen, das Bevlkerungswachstum zu reduzieren, zu untersttzen.

    Gleichzeitig bernimmt UNFPA eine Brcken- und Koordinierungsfunktion

    innerhalb des UN-Systems.

    Die Herausforderung fr UNFPA besteht darin, da die gesteckten Ziele im

    Aktionsprogramm der Konferenz ber Bevlkerung und Entwicklung auf lokaler

    Ebene in den einzelnen Lndern umgesetzt werden knnen. Um dies erreichen zu

    knnen, sollte UNFPA seine Fhrung bei der Politikberatung und

    Strategieentwicklung in den Entwicklungslndern ausbauen. Weiterhin sollte eine

    verbesserte Zusammenarbeit mit anderen UN-Organisationen und der Weltbank

    stattfinden, um in Zeiten knapper werdender finanzieller Mittel bessereSynergieeffekte erzielen zu knnen.82

    Die Weltbank sollte nach Ansicht einer Studie, die von Population Action

    International durchgefhrt wurde, eine grere Rolle im Bereich von

    reproduktiven Gesundheitsprogrammen in Entwicklungslndern spielen.83Es wird

    ein strkeres Engagement der Weltbank bei der Umsetzung des Aktionsplans der

    Konferenz ber Bevlkerung und Entwicklung gefordert. Die Weltbank, als der

    weltweit grte Geber von Krediten fr Entwicklungslnder, sollte seine fhrende

    Rolle bei Regierungsberatungen und -verhandlungen strker nutzen und mehr

    Programme zu Familienplanung und reproduktiver Gesundheit untersttzen.

    Bislang erfolgt eine einseitige Ausrichtung der Weltbank auf die Untersttzung

    von Verbesserungen der Infrastruktur in Entwicklungslndern. Projekte in

    Bereichen von Familienplanung und reproduktiver Gesundheit machen etwas

    mehr als 2 % des gesamten Kreditgeschfts der Weltbank aus.84 Um die

    Effektivitt der Aktivitten der Weltbank im Bereich der reproduktiven

    Gesundheit zu verbessern, fordert die Studie u.a. eine Aufstockung des Personals

    fr die einzelnen Bereiche.

    82 Die Empfehlungen stammen aus Conly, S. R. (1996) a.a.O. Hier finden sich auch noch weiterekonstruktive Vorschlge, um die Effektivitt von UNFPA zu verbessern.

    83Conly, S. R, und Epp, J. E., Population Action International (1997): Falling Short. The World Banks Rolein Population and Reproductive Health. Population Action International. Washington.

    84Ebd. S. 20.

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    In der Studie werden weitere Lsungsanstze und Verbesserungsvorschlge

    genannt, um das Engagement der Weltbank in Bereichen der reproduktiven

    Gesundheit und Familienplanung zu verstrken. Viele Regierungen in

    Entwicklungslndern knnen bzw. wollen zum Teil auch nicht einen zustzlichen

    Kredit fr den Bereich reproduktive Gesundheit und Familienplanung aufneh-men.85Auf die Risiken, die entstehen knnen, wenn internationale Organisationen

    zu groen Einflu auf einen Sektor haben, wird in Kapitel 6.2 eingegangen.

    Nachfolgend soll nun das Aktionsprogramm von Kairo, das fr Entwicklungs-

    lnder wie auch fr bi- und multilaterale Organisationen zur Handlungsanleitung

    gemacht worden ist, nher untersucht werden.

    3.2 Das Aktionsprogramm von Kairo

    Die Internationale Konferenz ber Bevlkerung und Entwicklung, die 1994 in

    Kairo mit Vertretern aus 180 Staaten stattfand, baut nicht nur auf den vergangenen

    zwei Weltbevlkerungskonferenzen von 1974 in Bukarest und 1984 in Mexiko

    auf. Sie ist in ihrer Thematik umfassender als die vorangegangenen Konferenzen

    ber Bevlkerung und ihr Mandat wurde wesentlich weiter gefat. Die

    Zusammenhnge zwischen Bevlkerungsentwicklung, Armut, Produktions- und

    Konsumverhalten sowie Umweltgefhrdungen waren Gegenstand der Diskussion.

    Mit der wachsenden Erkenntnis, da weltweite Wechselwirkungen zwischen

    Bevlkerungs-, Entwicklungs- und Umweltfragen bestehen, ist die Gelegenheit,

    angemessene makro- und soziokonomische Grundsatzregelungen zur Frderung

    eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums im Rahmen einer tragfhigen

    Entwicklung in allen Lndern einzufhren und Humanressourcen und Finanz-

    mittel fr die Lsung globaler Probleme zu mobilisieren, noch nie gnstiger

    gewesen. Noch nie hatte die Weltgemeinschaft so viele Ressorucen besessen, so

    viel Wissen und solch leistungsfhige Technologien zur Verfgung gehabt, die bei

    85Diese Auffassung vertrat ein ehemaliger Gesundheitsminister auf den Philippinen, der sich sehr intensiv frdie Strkung des nationalen Familienplanungsprogramms einsetzte. Als die philippinische Regierung mitder Weltbank ber ein mehrere Millionen Dollar umfassendes Programm fr ein Mutter-Kind-Projektverhandelte, lehnte der Gesundheitsminister zunchst dankend ab; mit der Begrndung, da zustzlicheKreditaufnahmen im Gesundheitssektor fr ihn nicht verantwortbar wren. Die philippinische Regierungentschied sich fr das Projekt. Es kam zu einer Mischfinanzierung aus Krediten und Zuschssen.

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    einer sachgerechten Neuausrichtung ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und

    eine tragfhige Entwicklung frdern knnten.86

    Wie immer bei internationalen Konferenzen, mute man sich auf den kleinsten

    gemeinsamen Nenner einigen, der zum einen die ntigen Handlungsanweisungennennt und gleichzeitig gengend Spielraum fr die individuellen Vorgehens-

    weisen der einzelnen Staaten lt. Folgende Zielsetzungen werden in dem

    Aktionsprogramm genannt: nachhaltiges Wirtschaftswachstum im Rahmen einer

    tragfhigen Entwicklung; Bildung, insbesondere fr Mdchen; Gleichstellung und

    Gleichberechtigung der Geschlechter; Senkung der Suglings-, Kinder- und

    Mttersterblichkeit; und Ermglichung des allgemeinen Zugangs zu Diensten fr

    reproduktive Gesundheit, einschlielich Familienplanung und sexueller Gesund-

    heit.87 Die bevlkerungs- und entwicklungspolitischen Zielsetzungen sollen ineinem Zeitrahmen von 20 Jahren unter Mithilfe von Nichtregierungsorgani-

    sationen und smtlichen Gruppen einer Gesellschaft verwirklicht werden.

    Fr den Gesundheitsbereich und das Angebot an Familienplanungsmethoden

    lautet der Grundsatz: Jeder hat das Recht darauf, den hchsten erreichbaren

    Standard krperlicher und geistiger Gesundheit zu genieen. Die Staaten sollten

    alle angemessenen Manahmen treffen, um auf der Basis der Gleichstellung von

    Mnnern und Frauen universalen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen

    sicherzustellen, einschlielich jener, die sich auf die Versogung in bezug auf

    reproduktive Gesundheit beziehen, wozu Familienplanung und sexuelle Gesund-

    heit gehren. Programme fr die Versorgung in bezug auf reproduktive Gesund-

    heit mssen ohne jegliche Form von Zwang das grtmgliche Angebot von

    Diensten bieten. Alle Paare und Einzelpersonen haben das Grundrecht, frei und

    eigenverantwortlich ber die Anzahl und den Geburtenabstand ihrer Kinder zu

    entscheiden und die dafr ntigen Informationen, Aufklrung und Mittel zu

    haben.88

    Die Ziele und vorgeschlagenen Manahmen des Aktionsplans gehen teilweise

    86 Zitat aus Prambel des Aktionsprogramms 1.1. DGVN (1994c): Aktionsprogramm der Konferenz derVereinten Nationen ber Bevlkerung und Entwicklung (ICPD). Kairo, 5.-13. September 1994. DGVN.Bonn. S. 5.

    87DGVN (1994c) a.a.O. S. 9, Ziffer 1.18.88Ebd. S. 13, Grundsatz 8.

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    ber die Forderungen der ersten Weltbevlkerungskonferenz von 1974 in

    Bukarest hinaus. Dabei ist festzustellen, da die Verfgbarmachung von

    Informationen, Bildung und Mitteln an Ehepaare und Personen, damit sie frei und

    verantwortlich ber die Zahl und die zeitlichen Abstnde ihrer Kinder entscheiden

    knnen, bereits damals gefordert wurde.89

    Auch die Integration vonBevlkerungsmanahmen und programmen in umfassende soziale und kono-

    mische Plne und Programme wurden schon damals in den Forderungskatalog

    aufgenommen. Der eigentlichen Stellenwert der Konferenz und des Aktionsplans

    von 1994 ist darin zu sehen, da das Thema Bevlkerungswachstum seit der

    Konferenz als Querschnittsthema betrachtet wird und in die Agenda anderer

    Konferenzen mit aufgenommen wurde. Insbesondere ist dies auf dem Weltgipfel

    ber soziale Entwicklung in Kopenhagen (1995) und der Weltfrauenkonferenz in

    Beijing (1996) zu beobachten. Anders als auf den vorherigen Bevlkerungs-konferenzen gab es bereinstimmung darber, da das Bevlkerungswachstum

    fr viele Lnder zu einem Problem geworden ist. Die Lsungsanstze sind jedoch

    komplexer geworden. Hervorzuheben bei dem Aktionsplan von 1994 ist nicht nur

    die quantitative Zielsetzung, sondern auch, da die Vertreter aus 180 Lndern eine

    zeitliche Zielerreichung vorgegeben haben. Auf der Weltbevlkerungskonferenz

    von 1974 hatte man sich gegen solch konkrete Zusagen noch verwahrt.90

    Im Aktionsplan von 1994 werden unter anderem Zielvorgaben fr die

    Reduzierung von Suglings-, Kinder-, und Mttersterblichkeit genannt. Ebenso

    wird eine Erhhung der Lebenserwartung bei der Geburt gefordert. Diese

    Zielvorgaben knnen mit relativ einfach zu erhebenden Indikatoren berprft

    werden. Die unterschiedliche Ausgangssituation einzelner Lnder wurde bei der

    Aufstellung der Ziele bercksichtigt. Alle fnf Jahre sollen Zielerreichung und

    Aktivitten in den einzelnen Lndern untersucht werden. Um die Zielvorgaben

    erreichen zu knnen, wurden bentigte finanzielle Mittel fr die einzelnen

    Komponenten festgelegt. Fr das Jahr 2000 wurden Kosten in Hhe von 17,0

    Mrd. US $ errechnet; bis zum Jahr 2005 schtzt man den Bedarf auf jhrlich 18,5

    Mrd. US $, ab 2010 20,5 Milliarden US $, und ab dem Jahr 2015 sollen Kosten

    von 21,7 Mrd. US $ pro Jahr entstehen. Diese Kostenvoranschlge beziehen sich

    auf folgende vier Komponenten: a) Familienplanung; b) Reproduktive Gesundheit

    89Zu den Forderungen der Konferenz von 1974 wird Bezug genommen auf Baldeaux (1985): a.a.O. S. 91.

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    (ohne die Versorgungssystemkosten, die unter der Komponente

    Familienplanung zusammengefat sind); c) Verhtung von durch

    Geschlechtsverkehr bertragenen Krankheiten und HIV/AIDS; d)

    Grundlagenforschung, Daten und die Bewertung von bevlkerungs- und

    entwicklungspolitischen Konzeptionen.91

    Zwei Drittel der Kosten soll von denLndern selbst getragen, den Rest aus externen Mitteln finanziert werden.

    Mittlerweile liegt eine erste Studie von Population Action International vor, die

    Aufschlu darber gibt, inwiefern einzelne Geberstaaten ihren Verpflichtungen

    nachgekommen sind.92Gemessen an den Ausgaben fr 1996 fr bevlkerungs-

    politische Entwicklungsprogramme bleiben Entwicklungs- und Industrielnder

    weit hinter ihren Zusagen zurck. Insgesamt haben nur vier Lnder (Dnemark,

    die Niederlande, Norwegen und Schweden) ihre Zusagen nahezu vollstndigerfllt. Eine grere Gruppe von Lndern, darunter auch die Bundesrepublik

    Deutschland, USA und Japan, haben ihre Zusagen zwar leicht erhht, bleiben

    jedoch weit hinter ihren Zusagen von 1994 zurck. Eine dritte Gruppe von

    Lndern (u.a. Frankreich, sterreich, Spanien, Italien) zeigt nach wie vor geringes

    Interesse, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die Bundesrepublik Deutsch-

    land hat ihre Zusagen fr bevlkerungsrelevante Programme von 1990-1995

    beinahe verdreifacht. Nach dem Bericht von Conly stiegen die deutschen Beitrge

    von 47,5 Mio. US $ 1990 auf 145 Mio. US $ 1995. Fr das Jahr 1996 wurden nur

    noch 96 Mio. US $ fr diesen Bereich zur Verfgung gestellt. 93Die unterschied-

    liche Definition der jeweiligen Manahmen macht eine eindeutige Zuordnung der

    Gelder fr diese Bereiche schwierig. Das BMZ beziffert die bi- und multilateralen

    Regierungszusagen fr Vorhaben der Reproduktiven Gesundheit fr 1996 auf

    227,8 Mio. DM. Werden weitere bevlkerungsrelevante Manahmen der

    bilateralen Regierungszusagen hinzu addiert, ergibt sich eine Gesamtsumme von

    477,8 Mio. DM fr das Jahr 1996.94 Festzuhalten bleibt, da die Zusagen der

    90Vgl. Baldeaux (1985) a.a.O., S. 80 ff.91 Aktionsprogramm der Konferenz der Vereinten Nationen ber Bevlkerung und Entwicklung (ICPD)

    Kairo, 5 -13. September 1994 Kapitel XIII, Abschnitt C, 13.15 in DGVN (1994c).92Conly, S.R. und de Silva, S. (1998): Paying their fair share? Donor countries and international population

    assistance. Population Action International. Washington.93Conly, S.R. und de Silva, S. (1998), a.a.O. S. 40.94BMZ (1999): Umsetzung des Aktionsprogramms der Weltbevlkerungskonferenz von Kairo 1994. BMZ

    aktuell Nr. 095/Januar 1999. Bonn.

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    Bundesrepublik Deutschland in den 90er Jahren fr bevlkerungsrelevante

    Manahmen erheblich gestiegen sind.

    Von dem fr das Jahr 2000 geschtzten Betrag von 17,0 Mrd. US $, die jhrlich

    fr die Umsetzung des Aktionsplans bentigt werden, wurden 1996 nur 9,9 Mrd.US $ ausgegeben. Hiervon entfielen 7,9 Mrd. US $ auf Ausgaben von

    Entwicklungslndern, und 2,0 Mrd. US $ wurden von Industrielndern zur

    Verfgung gestellt.95Die Studie hebt auch hervor, da die globalen Ausgaben fr

    Entwicklungshilfe ihren niedrigsten Wert seit 50 Jahren erreicht haben. Von dem

    1970 gesteckten Ziel, 0,7 % des Bruttosozialprodukts fr Entwicklungshilfe zur

    Verfgung zu stellen, hat man sich weiter entfernt. 1997 betrug der Anteil der

    globalen Ausgaben fr Entwicklungshilfe im Durchschnitt 0,22 % des Brutto-

    sozialprodukts der Industrielnder. Unter diesen Gegebenheiten scheint dieVerwirklichung des Aktionsplans zu einer noch greren Herausforderung zu

    werden.

    95Conly/de Silva (1998) a.a.O. S. 4f.