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Bewegungsapparat Paracelsus – Naturheilpraxis – Psychologie – Tierheilkunde Nr. 03 / 2009 26 Psychosomatik der Rückenprobleme Wie sich die Psyche auf den Rücken schlägt – Neue Erkenntnisse & Therapieansätze Obwohl Rückenprobleme bisher nicht zu den klassischen von der Schulmedizin anerkannten psychosomatischen Krank- heiten gehören, werden in Fachkreisen immer mehr Stimmen laut, die mit dem Rücken verbundene Symptome auch unter psychischen Gesichtspunkten refe- rieren. So lassen sich laut Prof. Dr. Gröne- meyer „die körperlichen und seelischen Wurzeln von Rückenschmerz nicht ausei- nander definieren.“ Ärzte der Uniklinik Heidelberg haben den Dauerstress am Arbeitsplatz mit für Rückenprobleme verantwortlich gemacht und psychothe- rapeutische Programme erfolgreich ein- gesetzt. Auch Dr. Rüdiger Dahlke ist sich sicher, dass der psychischen Genese der Volkskrankheit Nr. 1 „Rückenschmerzen“ eine wesentliche Bedeutung zukommt, die jedoch in den meisten Praxen zu kurz kommt. Die wahre Bedeutung von Rückenproblemen Rückensymptome sind oft schwerer als seelisch bedingte Probleme (z.B. Magen- schmerzen) zu erkennen, die ja gerade nach Beachtung „schreien“. Entweder sind Rückenbeschwerden eher lästig und werden von Betroffenen heruntergespielt, oder sie sind so gravierend, dass Hexen- schuss oder Bandscheibenprobleme eine offensichtliche somatische Ursache haben und psychische Hintergründe oft nicht abgeklopft werden. Eine andere Schwierigkeit besteht darin, dass sich Probleme oft „hinter dem Rü- cken“ des Bewusstseins manifestieren und sich dann als Beschwerden in den Vorder- grund schieben wollen, wo sie die betref- fende Person ja gerade nicht haben will. Die mit dem Rücken verbundenen seeli- schen Themen sind oft ins Abseits ver- drängte Gefühle. Für die Betroffenen ist es besonders schwierig, sich diese einzuge- stehen. Aus der Vielfalt der mit dem Rücken ver- bundenen psychosomatischen Themen möchte ich hier die Beschwerdebilder/ Krankheiten auswählen, die mit „Hal- tungsfehlern und Haltungsschäden“, also mit strukturellen Ungleichgewichten ver- bunden sind. „Bandscheibenprobleme“ und „Hexenschuss“ z.B. lassen sich aus dieser Betrachtungsweise ableiten. „Hal- tung“ hat auch mit „Aufrichtung“ und „Aufrichtigkeit“ zu tun. Da die Wirbelsäu- le über die Spinalnerven mit allen Körper- bereichen und Organen vernetzt ist, wir- ken sich psychosomatisch verursachte Rückenprobleme auf den gesamten Orga- nismus aus. Ebenso wirken Ungleichge- wichte im Rest des Körpers unmittelbar auf den Rücken zurück. Im Wort „Haltung“ erkennen wir eine wesentliche seelische Bedeutung des Rückens. Menschen nehmen „Haltung“ zu einer Situation ein, sie beziehen Position, setzen sich damit auseinander. Diese Haltung kann starr, windelweich, flexibel und klar sein. So wie Menschen derartige „Haltungen“ (Einstellungen) dem Leben gegenüber einnehmen, so wird sich auch ihr Rücken formen. Im Extremfall mag manchen Menschen in der Kindheit ihr Rückgrat „gebrochen“ worden sein, sie haben sich daher in der Folge sehr schwer getan, ihre eigene Meinung, ihren eigenen „Standpunkt“ zu entwickeln. Ein solcher „Bruch“ ist oft auch in der WS zu sehen. Menschen beschreiben dann, dass sie sich meist im unteren Rücken „wie abgebro- chen“ fühlen. Bei haltungsbedingten Rückenthemen geht es oft darum, inwieweit sich der betreffende Mensch herauswagen kann aus der Burg seiner Panzerungen und Verstecke und Wahrheiten und Erkennt- nisse preisgeben darf. Inwieweit macht sich dieser Mensch „klein“, wie sehr glaubt er, sich „krumm legen“ zu müs- sen. Ein Rundrücken oder gar ein „Bu- ckel“ weist auf diesen Aspekt hin. Wie sehr muss ein Mensch „buckeln“, sich anbiedern oder andienen, um - wie er glaubt - genügend Achtung seitens seiner Mitwelt zu bekommen. In unserer Gesell- schaft scheint die Frage der Aufrichtung (= „Aufrichtigkeit“) immer mehr zu einer zentralen gesellschaftlichen und individu- ellen Frage zu werden. Wie weit verste- cken sich die Menschen hinter Trends und Moden, ohne sich wirklich um existen- zielle Fragen („Wer bin ich?“, „Wozu bin ich hier?“ etc.) ernsthaft zu kümmern. Krumme Rücken und daraus entstehende ernsthafte Erkrankungen können direkt zu den Ursachen und möglicherweise Lösungen der Probleme führen. Eine der Hauptursachen für Rückenprobleme liegt nämlich in einer chronischen Überlastung des Gesamtsystems und speziell des Rückens als tragende „Säule“ im Orga- nismus. Der Rücken ist von Natur aus dafür ange- legt, viel tragen zu können. Früher waren es körperliche Lasten, heute geht die Tendenz immer mehr dahin, seelische Lasten zu „ertragen“. Es ist durch Studien nachgewiesen, dass der Dauerstress am und um den Arbeitsplatz, aber auch im Privat- und Freizeitbereich hauptsächlich für die Zunahme von chronischen Rücken- problemen verantwortlich ist. Die im Men- schen angelegten „Kampf- oder Fluchtre- aktionen“ führen dazu, wenn nicht körper- lich immer wieder abgebaut, dass sie sich als Stressmuster in Muskelverspannungen und dann auch in Wirbelproblemen chro- nifizieren. An diesem Punkt trifft sich die moderne Stressforschung mit der bereits vom Vater der Körpertherapie Wilhelm Reich in den 30er Jahren postulierten seelisch bedingten chronischen Muskel- verspannung. Verbindet sich die Überbelastung des seelischen Systems mit einer eingefleisch- ten Zu“rück“haltung der unliebsamen Gefühle (meist nicht ausgedrückte Ag- gressionen), dann sprechen Rücken-

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Psychosomatik der RückenproblemeWie sich die Psyche auf den Rücken schlägt – Neue Erkenntnisse & Therapieansätze

Obwohl Rückenprobleme bisher nicht zuden klassischen von der Schulmedizinanerkannten psychosomatischen Krank-heiten gehören, werden in Fachkreisenimmer mehr Stimmen laut, die mit demRücken verbundene Symptome auchunter psychischen Gesichtspunkten refe-rieren. So lassen sich laut Prof. Dr. Gröne-meyer „die körperlichen und seelischenWurzeln von Rückenschmerz nicht ausei-nander definieren.“ Ärzte der UniklinikHeidelberg haben den Dauerstress amArbeitsplatz mit für Rückenproblemeverantwortlich gemacht und psychothe-rapeutische Programme erfolgreich ein-gesetzt. Auch Dr. Rüdiger Dahlke ist sichsicher, dass der psychischen Genese derVolkskrankheit Nr. 1 „Rückenschmerzen“eine wesentliche Bedeutung zukommt,die jedoch in den meisten Praxen zu kurzkommt.

Die wahre Bedeutung von RückenproblemenRückensymptome sind oft schwerer alsseelisch bedingte Probleme (z.B. Magen-schmerzen) zu erkennen, die ja geradenach Beachtung „schreien“. Entwedersind Rückenbeschwerden eher lästig undwerden von Betroffenen heruntergespielt,oder sie sind so gravierend, dass Hexen-schuss oder Bandscheibenprobleme eineoffensichtliche somatische Ursache habenund psychische Hintergründe oft nichtabgeklopft werden.

Eine andere Schwierigkeit besteht darin,dass sich Probleme oft „hinter dem Rü-cken“ des Bewusstseins manifestieren undsich dann als Beschwerden in den Vorder-grund schieben wollen, wo sie die betref-fende Person ja gerade nicht haben will.

Die mit dem Rücken verbundenen seeli-schen Themen sind oft ins Abseits ver-drängte Gefühle. Für die Betroffenen ist esbesonders schwierig, sich diese einzuge-stehen.

Aus der Vielfalt der mit dem Rücken ver-bundenen psychosomatischen Themenmöchte ich hier die Beschwerdebilder/Krankheiten auswählen, die mit „Hal-tungsfehlern und Haltungsschäden“, alsomit strukturellen Ungleichgewichten ver-bunden sind. „Bandscheibenprobleme“und „Hexenschuss“ z.B. lassen sich ausdieser Betrachtungsweise ableiten. „Hal-tung“ hat auch mit „Aufrichtung“ und„Aufrichtigkeit“ zu tun. Da die Wirbelsäu-le über die Spinalnerven mit allen Körper-bereichen und Organen vernetzt ist, wir-ken sich psychosomatisch verursachteRückenprobleme auf den gesamten Orga-nismus aus. Ebenso wirken Ungleichge-wichte im Rest des Körpers unmittelbarauf den Rücken zurück.

Im Wort „Haltung“ erkennen wir einewesentliche seelische Bedeutung desRückens. Menschen nehmen „Haltung“ zueiner Situation ein, sie beziehen Position,setzen sich damit auseinander. DieseHaltung kann starr, windelweich, flexibelund klar sein. So wie Menschen derartige„Haltungen“ (Einstellungen) dem Lebengegenüber einnehmen, so wird sich auchihr Rücken formen. Im Extremfall magmanchen Menschen in der Kindheit ihrRückgrat „gebrochen“ worden sein, siehaben sich daher in der Folge sehr schwergetan, ihre eigene Meinung, ihren eigenen„Standpunkt“ zu entwickeln. Ein solcher„Bruch“ ist oft auch in der WS zu sehen.Menschen beschreiben dann, dass sie sichmeist im unteren Rücken „wie abgebro-chen“ fühlen.

Bei haltungsbedingten Rückenthemengeht es oft darum, inwieweit sich derbetreffende Mensch herauswagen kannaus der Burg seiner Panzerungen undVerstecke und Wahrheiten und Erkennt-nisse preisgeben darf. Inwieweit machtsich dieser Mensch „klein“, wie sehrglaubt er, sich „krumm legen“ zu müs-sen. Ein Rundrücken oder gar ein „Bu-ckel“ weist auf diesen Aspekt hin. Wie

sehr muss ein Mensch „buckeln“, sichanbiedern oder andienen, um - wie erglaubt - genügend Achtung seitens seinerMitwelt zu bekommen. In unserer Gesell-schaft scheint die Frage der Aufrichtung(= „Aufrichtigkeit“) immer mehr zu einerzentralen gesellschaftlichen und individu-ellen Frage zu werden. Wie weit verste-cken sich die Menschen hinter Trends undModen, ohne sich wirklich um existen-zielle Fragen („Wer bin ich?“, „Wozu binich hier?“ etc.) ernsthaft zu kümmern.Krumme Rücken und daraus entstehendeernsthafte Erkrankungen können direktzu den Ursachen und möglicherweiseLösungen der Probleme führen. Eine derHauptursachen für Rückenprobleme liegtnämlich in einer chronischen Überlastungdes Gesamtsystems und speziell desRückens als tragende „Säule“ im Orga-nismus.

Der Rücken ist von Natur aus dafür ange-legt, viel tragen zu können. Früher warenes körperliche Lasten, heute geht dieTendenz immer mehr dahin, seelischeLasten zu „ertragen“. Es ist durch Studiennachgewiesen, dass der Dauerstress amund um den Arbeitsplatz, aber auch imPrivat- und Freizeitbereich hauptsächlichfür die Zunahme von chronischen Rücken-problemen verantwortlich ist. Die im Men-schen angelegten „Kampf- oder Fluchtre-aktionen“ führen dazu, wenn nicht körper-lich immer wieder abgebaut, dass sie sichals Stressmuster in Muskelverspannungenund dann auch in Wirbelproblemen chro-nifizieren. An diesem Punkt trifft sich diemoderne Stressforschung mit der bereitsvom Vater der Körpertherapie WilhelmReich in den 30er Jahren postuliertenseelisch bedingten chronischen Muskel -verspannung.

Verbindet sich die Überbelastung desseelischen Systems mit einer eingefleisch-ten Zu“rück“haltung der unliebsamenGefühle (meist nicht ausgedrückte Ag-gressionen), dann sprechen Rücken -

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schmerzen auch die Sprache einer hand-festen Depression. Was immer wiederherunterge“drückt“ werden muss, tauchtwieder als depressionsbedingte Rücken-schmerzen auf. Die Aggression und dieSchwermut wenden sich gegen den Men-schen, der sie dauerhaft nicht zum Aus-druck bringen kann und belagern ihn mitun“erträglichen“ Schmerzzuständen.Ungelebte Gefühle und schwierige Le-benssituationen können Menschen auchso weit zusammen“stauchen“, dass dieinnen weichen Bandscheiben nachgebenund vorfallen.

Die einzelnen Abschnitte desRückens und ihre BedeutungDer Rücken kann in verschiedeneAbschnitte eingeteilt werden, die jeweilsverschiedene Themen ansprechen. Durchdie S-Kurve der Wirbelsäule ergeben sichVerbindungen zwischen Kreuzbein undmittlerer Brustwirbelsäule und zwischenLendenwirbelsäule und Halswirbelsäule.

Die Schmerzen, wie sie oft im „Kreuz“be-reich auftreten, können durch einen zustarken Knick zur Lendenwirbelsäule oderauch durch das Gegenteil, ein zu steilgestelltes Kreuz, ausgelöst sein. Das 1. Chakra (Wurzelchakra), das in der Nähedes Steißbeins angesiedelt ist, hat mitexistenziellen Themen zu tun: Sicherheit,Lebensenergie, Vitalität. Das „Kreuz“ isteine Schnittstelle zwischen der Vertikalenund der Horizontalen und dadurch beson-ders anfällig für Probleme, die mit Themeneinhergehen, die das Meistern des Lebensin seinen grundsätzlichen existentiellenDimensionen (z.B. Umgang mit Finanzen)betreffen.

Die Schnittstelle zwischen Kreuzbein undLendenwirbelsäule ist anatomisch undemotional empfindlich für Drucksituatio-nen, und im Bereich L5/S1 sind die meis-ten Bandscheibenvorfälle zu finden. Hierbeginnt ein besonders anfälliger Bereichdes Rückens, die Lendenwirbelsäule. Sie istdie Domäne des 2. Chakras, des Sexual-chakras. Abweichungen in diesem Bereichsind das „Hohl“kreuz und der übergeradeuntere Rücken. Hier schießt auch schoneinmal die „Hexe“ hinein, eine zu schnelleBewegung kann diesen Bereich lahmlegen und zu einem muskulären Hart-spann führen. „Hexenschuss“ verdeutlichtein zu viel oder zu wenig an Lebensener-gie. Das „Hohl“kreuz verrät (nach Dahlke)„den bemüht durchs Leben eierndenBiedermann, der versucht, es allen rechtzu machen und einen guten Eindruck zumachen“. Nach bioenergetischen Grund-sätzen ist dieser Bereich „überladen“, diesexuelle Energie kann nicht abgeführtwerden. Der Gegentyp mit der übergera-den LWS wirkt eher mit zu wenig Energieaufgeladen. Man spricht vom „eingezoge-nen Schwanz“, was auf Ängste hinweist,die mit Existenzthemen und Blockaden dersexuellen Energie zusammenhängenkönnen.

Wenn wir den Rücken weiter nach obenwandern, gelangen wir an einen weiteren„Knick“ im psychosomatischen System.Der Übergang von der Lendenwirbelsäulezur unteren Brustwirbelsäule ist dem 3.Chakra (Solarplexus) zugeordnet und hatdamit zu tun, wie Menschen mit Machtund Ohnmacht umgehen. Ein „gebroche-nes Kreuz“ wird sich hier in Schwächeoder starrem Festhalten manifestieren. DieMuskeln, die im Bereich der BWS beson-

ders gefordert sind, sind die Rückenstre-cker neben der WS. „Mit kräftigen Rücken-streckern und aufrechtem Kreuz wird manein freiheitlicher Mensch. In den Rücken-streckern liegt die Souveränität, das Kö-nigtum als Mensch.“ (Ludwig Schmitt)Wenn diese so wesentlichen Muskeln, dieAufrichtung garantieren, speziell im Brust-wirbelbereich fixiert und überspannt sind,entsteht ein Rundrücken und ein richtigerBuckel. Die WS wird in diesem Bereichnach hinten gezogen. Menschen „bu-ckeln“ oder machen sich „krumm“, um esdenen „da oben“ recht zu machen. DasBild des „Radfahrers“ wird häufig zitiertund versinnbildlicht ein nach oben Bu-ckeln und nach unten Treten. Diese oppor-tunistische Haltung geht mit einem Man-gel an Eigenwillen und Aufrichtigkeiteinher. Krankheitsbilder in diesem Bereichist die Scheuermann’sche Krankheit undder Morbus Bechterew, die eine Verstei-fung und mangelnde Fähigkeit, flexibelmit den Gegebenheiten des Lebens umzu-gehen, anzeigen.

In dem Bereich, in dem die Beugung nachhinten am stärksten ausgeprägt ist, befin-det sich das 4. Chakra, das Herzzentrum.So hat ein Rundrücken noch eine weitereBedeutung: Er stellt eine Art Schutz vorVerletzungen des Herzens dar, ein „Schild-krötenpanzer“, der die zarte Vorderseiteschützt. Oftmals sind Menschen in diesemBereich besonders hart und unempfind-lich, aber auch sehr wenig beweglich.Entweder halten sich Menschen in diesemBereich des Herzens sehr „zurück“, sodass dieser Bereich der BWS hinter dieoptimale Schwerkraftlinie fällt, oder derRücken ist hier so gekrümmt, dass dieVorderseite um den Bereich der Brust undSchultern stark nach innen einzogen er-scheint. In diesem Fall tun sich solcheMenschen oft schwer, ihre Arme und Hän-de zu anderen hin auszustrecken undLiebe zu geben und zu empfangen.

Um den 1.Brustwirbel/7.Halswirbel herumfinden wir den „Witwenhügel“, eine sehrmassiv von Muskeln und Bindegewebeverbackene Stelle, die den Knick zur Hals-wirbelsäule stark hervorhebt. Hier sam-meln sich oft „Trauer und Resignation“.Die oberen Lungenbereiche, mit Kummerassoziiert, werden vorne durch eine engeFührung der Rippen eingeengt. Von die-sem Bereich nach oben entlang der Hals-

Abb. 1: Vor der ersten und nach der fünften Behandlung in Integrativer Rückentherapie (IRT).Links: Es ist für mich anstrengend Haltung zu bewahren. Rechts: Ich fühle mich mehr in meinerMitte, kraftvoller und selbstbewusster.

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wirbelsäule ist der Bereich des 5. Chakras,des Kommuikationschakras, der für„Selbstvertrauen oder Minderwertigkeit“steht. Wenn jemand den Kopf einzieht,drückt er Angst und Depression aus oderer versteift sich und wird „halsstarrig“oder reagiert „hartnäckig“ auf eineschwer zu bewältigende Situation. Eskann aber auch sein, dass er den Kopfnach oben reckt und arrogant wird.

Direkt am Übergang vom Hals/Nackenzum Kopf findet sich eine letzte Schnitt-stelle des Rückens. Der 1. Halswirbel, der„Atlas“ symbolisiert eine oft sehr überlas-tete Stelle. Wenn er nur leicht verschobenist, hat das meist gravierende Auswirkun-gen auf die gesamte Statik des Körpers, dader Wirbelkanal dadurch eingeengt wer-den kann. Der griechische Titan Atlasmusste aus Strafe die ganze Weltkugel aufseinen Schultern tragen. Das dichte undverspannte Bindegewebe entlang desHinterhauptes kompensiert Ungleichge-wichte in diesem Bereich. Hier drückt sichoft eine übermäßige Kontrolle der Kopf-entscheidungen über den gesamten Restdes Organismus aus.

Die psychosomatische Bedeutung der SkolioseAn einer seitlichen Abweichung einergeraden Wirbelsäule sind ca. 90 % derBevölkerung betroffen, wir sprechen von

einer leichten oder mittelschweren Skolio-se. Neben der Schwäche der tiefen Mus-keln des Rückens und der häufigen Ver-drehungen am Arbeitsplatz (Bildschirmar-beit) sind möglicherweise gerade diepsychosomatischen Hintergründe für dieSkoliosen verantwortlich. Skoliosen stel-len immer eine besondere Belastung fürden Rücken und die WS dar, besondereMuskelverhärtungen und Wirbelverschie-bungen können Folge sein. Oft sind Sko-liosen mit einem Beckenschiefstand ver-bunden und beeinflussen die Körperstatik.Seelisch gesehen handelt es sich hier umeine „unbewusste Abweichung von derMitte“, der Mensch muss sich „winden“und „verbiegen“, um seine Ziele zu errei-chen. „Vor allem geht es hier um krummeTouren, die den Betroffenen gar nichtauffallen. Wie sie sich auch drehen undwenden, der Fehler liegt hinter ihremRücken.“ (Dahlke). Unbewusst drehensich diese Menschen von einer Seite wegund wenden sich dadurch einer anderenzu.

Die rechte Körperhälfte entspricht dermännlichen, die linke der weiblichen Seite.Durch das Familienstellen sind wir fürfamiliäre Systeme sensibilisiert. So kannuns eine Skoliose etwa anzeigen, ob sichder Mensch in seiner Familie von einemElternteil abwenden und sich damit demanderen zuwenden musste und welcheDynamiken und Hintergründe damit ver-bunden waren. Wir können uns eine sol-che „Abweichung“ geradezu räumlichklarmachen und manche auch seelische„Verdrehtheiten“, die ein Mensch lebenmuss, besser verstehen lernen. So wirddeutlich, dass bestimmte Teile in einemselbst im Dunkeln bleiben, nicht wirklicherhellt und gelebt werden. Erst eine be-wusste, auch körperlich vollzogene Hin-wendung zu einer oder der anderen Seitekann ein neues körperliches und seeli-sches Gleichgewicht schaffen.

Ganzheitliche RückentherapiePsychotherapeutische Hilfestellung, sohaben Untersuchungen gezeigt, kannRückenprobleme deutlich verbessern. EineVerhaltenstherapie, von Kassen getragen,kann den Teufelskreis von „Auslöser –Schmerz – Ängste – mehr Schmerz“durchbrechen helfen. Auch Entspannungs-

therapien wie die funktionale Entspan-nung nach Jacobsen werden in Verbin-dung mit Gesprächstherapien bei Rücken-problemen von immer mehr Psychologeneingesetzt.

Es bleibt die Frage, ob damit die tieferenUrsachen von „Fehlhaltungen“ berührtund bleibende Verbesserungen erzieltwerden. Charakterstrukturen und entspre-chende Muskelpanzer haben sich überJahre verfestigt und können nicht in eini-gen Psychotherapiestunden abgearbeitetwerden.

Ein Erfolg kann erst dann stabilisiert wer-den, wenn es gelingt, Körper und Geist ineinen einheitlichen Prozess einzubinden.

Wenn Menschen ihre Rückenprobleme unddie damit verbundenen seelischen Themenreal als denselben Vorgang wahrnehmen,kann Veränderung möglich werden.

Die körperorientierte HakomiTherapie, vonUS-Therapeut Ron Kurtz begründet, basiertdarauf, über die achtsame Hinwendung zuden Körperreaktionen des Patienten diedarin verborgenen und eingeschlossenenGlaubenssätze freizulegen. Wenn das„Hintergrundrauschen“ des Alltags be-wusstseins durch langsameres Hineinspü-ren in Körper und Seele zurücktritt, könnendie eigentlichen Themen in den Vorder-grund „rücken“. Wenn der Patient in sei-nem Körper die festgehaltenen Gefühlefühlt, kann er neue Wege zu seiner Heilungbeschreiten. „Wir verfolgen fortwährenddie ‚Spuren des Körpers’, achten auf denWechsel im Gesichtsausdruck und Gesten,Abweichungen in der Haltung, um zusehen, welche Wirkung wir erzielen undwas wirklich vorgeht.“ (Kurtz).

Abb. 2: Die achtsame Berührung und Bindege-websmassage in der Integrativen Rückenthera-pie (IRT)

Erich von Derschatta

ist Heilpraktiker und Körpertherapeut inCoburg. Ausbildung 1982 in Tiefengewebs-massage, Hakomitherapeut, DynamischeWirbelsäulentherapie, Pilatestrainer. 2007Ausbildung in NPSO (Neue PunktuelleSchmerz- und Organtherapie).

Kontakt:www.integrative-rueckentherapie.de

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„Innere Achtsamkeit“ wird in der Medizinimmer häufiger als wertvolles Instrumentvon Veränderung angewandt. So hat deramerikanische Arzt Jon Kabat-Zinn „nur“durch Achtsamkeit und Meditation inseiner von ihm gegründeten „Stressklinik“in Californien Erfolge bei der Heilungteilweise schwerer chronischer Krankhei-ten erreichen können. Im Fall von meistchronischen Rückenbeschwerden helfenkleinste Veränderungen der „Haltung“. DerPatient wendet sich durch bestimmtetherapeutische Interventionen vielleichterstmals seinem Rücken bewusst zu, fragtalso in seinem Körper-Geist-System selbstan, was die Bedeutung seiner Schmerzensein könnte. Meist „antwortet“ dann dasSymptom und offenbart auf seine ganzeigene Art die in ihm enthaltene Botschaft.

Als Therapeuten unterstützen wir denPatienten bspw. darin, eine Krümmungseines Rundrückens noch ein wenig zuverstärken, oder wir nehmen dem Patien-ten den „Druck“ ab, den er permanent aufsich und seinen Rücken ausübt. Erst dannkann er möglicherweise die Last wirklichspüren, die er sein Leben lang herumträgt,und kann sofort die „Ent“lastung und tiefeEntspannung wahrnehmen, wenn er kon-krete körperliche Unterstützung fühlt.

Die in körperlichen Schmerzen enthaltenenseelischen Schmerzen werden hierdurchdahin gebracht, wo sie wirklich gelöstwerden können, nämlich auf die seelischeEbene.

In der „Integrativen Rückentherapie“ (IRT)arbeiten wir auch am Gewebe selbst undunterstützen eine für den Patienten ganzneue „Körperhaltung“. Wir helfen über

Literatur:Rüdiger Dahlke: Krankheit als Sprache derSeele. Goldmann Verlag 1999

Dr. Dietrich Grönemeyer: Mein Rückenbuch.Zabert Sandmann Verlag 2006

Louise L. Hay: Heile deinen Körper. LüchowVerlag 1989

Ron Kurtz: Körperzentrierte Psychotherapie –Die Hakomi-Therapie. Synthesis Verlag 1985

Ludwig Schmitt: Atem und Körpermuster(unveröffentlichte Arbeitsnotizen). 1950 bis1960

tiefe Bindegewebsmassage und sanfteWirbelbehandlungen, den Menschen Stückfür Stück zu seiner vollen Größe aufzurich-ten. Dabei können sich manchmal die imGewebe eingeschlossenen Gefühle zeigen,oder der Betreffende kann unmittelbarerleben, dass sein Körper verformbar undkeineswegs so fest gefügt ist, wie er sichselbst eingeredet hat. Speziell am Schlussder Sitzung lassen wir ihn das Ergebnisder Behandlung überprüfen, veranlassenihn, im Raum herumzugehen und fragen,mit welcher „neuen“ Haltung er jetzt inseine Welt geht und seine Beziehungengestalten möchte.

Eine zunächst sicher ungewohnte aufrech-tere Haltung kann ihm Modell werden fürsein „anderes“ Leben, und ganz nebenbeikönnen auch seine Schmerzen verschwin-den. Um einen solchen Prozess in seinLeben zu integrieren, ist Zeit und täglicheachtsame Hinwendung hilfreich. Vielleichtbedarf es einiger vertiefender Sitzungenoder auch positiver Rückmeldung ausseinem Umfeld. Unterstützende Übungen,die Aufrichtung beibehalten, sind Pilates,Arica und Qi Gong.

Das wichtigste Heilmittel ist die versöhnliche Hinwendung zu sich selbst.

„Ich bin mein Rücken, und ich schenke mirselbst Liebe und Unterstützung“ ist einBeispiel für Affirmationen, die dem Men-schen helfen, Kontakt zu sich selbst aufzu-bauen. Menschen mit einem wirklichaufrechten und balancierten Rücken, derStolz und Demut, Würde und Zugewandt-heit gleichermaßen zum Ausdruck bringt,finden wir in unseren Breitengraden sel-ten.

Menschen mit solchen Rücken finden wireher noch in „primitiven“ Gesellschaften,die derartige Eigenschaften und ihre Ver-körperung hochhalten. Dennoch geht derWeg dahin, auch bei uns ein neues Be-wusstsein für unseren „Hindergrund“, fürdas, was uns trägt und was uns als Men-schen ausmacht, zu entfalten. Die Formel„Ein gesunder Rücken in einem aufrechtenMenschen“ könnte für einen solchen Wegstehen. Dieser Weg verträgt sich gut mitRückenschulen, Fitness und Wirbelsäulen-gymnastik. Er bezieht jedoch mehr Lebenund Wahrheit ein und ist obendrein nochwirksamer für die Genesung des Einzelnen.

Abb. 3: Links: Person mit „Zurück“haltung undBeugung im Brustwirbelbereich. Rechts: Personmit kompensiertem übergeraden Rücken(„Hagestolz“).

Quelle:

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Sebastian K

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