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BEWERBUNG FÜR DEN PRÄVENTIONSPREIS 2018 - VBG NEXT Komplexes, sportmedizinisches und trainings- wissenschaftliches Konzept zur Verbesserung der Trainingssteuerung und Verringerung der Verletzungshäufigkeit unter besonderer Berücksichtigung der vorderen Kreuzbandruptur Hallescher Fußballclub e.V. Kantstraße 2 06110 Halle (Saale) vertreten durch: Dr. med. Thomas Bartels (Team-Arzt) Sportklinik Halle Dr. med. Thomas Bartels Weidenplan 16 06108 Halle In Kooperation mit der: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Department Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Labor für Experimentelle Orthopädie & Sportmedizin apl. Prof. Dr. phil. René Schwesig Ernst-Grube-Str. 40 06120 Halle

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BEWERBUNG FÜR DEN PRÄVENTIONSPREIS 2018 - VBG NEXT

Komplexes, sportmedizinisches und trainings-wissenschaftliches Konzept zur Verbesserung der

Trainingssteuerung und Verringerung der Verletzungshäufigkeit unter besonderer

Berücksichtigung der vorderen Kreuzbandruptur

Hallescher Fußballclub e.V. Kantstraße 2 06110 Halle (Saale) vertreten durch: Dr. med. Thomas Bartels (Team-Arzt) Sportklinik Halle Dr. med. Thomas Bartels Weidenplan 16 06108 Halle In Kooperation mit der: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Department Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Labor für Experimentelle Orthopädie & Sportmedizin apl. Prof. Dr. phil. René Schwesig Ernst-Grube-Str. 40 06120 Halle

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GLIEDERUNG

Einleitung 3

1 Trainingskonzept Verletztenstatistik (Drittligateam)………………. 5

2 Monitoring Training & Wettkampf mittels Playertek (Drittligateam)………………………………………………………….

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3 Sensomotorisches Training und funktionelles Krafttraining (Drittligateam)……………………………………..............................

10

4 EMG-Dekomposition – neue Perspektiven hinsichtlich der Analyse der Muskelansteuerung (B-Jugend)….………………….

15

5 SpeedCourt – Hochreaktives Training bei jugendlichen Fußball- spielern (A-Jugend)…………………………………………………..

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6 Stochastische Resonanztherapie und Blood flow restriction im Rahmen der Frührehabilitation nach VKB-Ruptur…………………

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7 VBG return to competition Messplatz vorderes Kreuzband……… 25

8 Posturographie (Drittligateam)………………..…………………….. 27

9 Längsschnittliche Messung der posturalen Kontrolle nach VKB Ruptur………………………………………………...........................

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10 Retrospektive Identifizierung von Risikofaktoren für die VKB Ruptur…………………………………………………………………..

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Schlussbemerkung 37

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Einleitung

Der Hallesche FC ist ein ostdeutscher Traditionsverein (Gründung: 1966), der seit nunmehr 6 Jahren in der 3. Liga spielt. Die sportmedizinische und orthopädische Betreuung wird seit 15 Jahren durch die Sportklinik Halle (Dr. med. Thomas Bartels) sichergestellt, die ihrerseits mit einem „Sondervertrag Hochleistungssport“ in besonderer Weise mit der VBG vertraglich verbunden ist.

Insbesondere in den letzten 5 Jahren wurde die medizinische Betreuung durch infrastrukturelle (z. B. SpeedCourt, Zeptor, Playertek, Delsys) und inhaltliche (z. B. präventive Vorsorgeuntersuchungen bezüglich Kniebelastbarkeit, wissenschaftliche Evidenzbasierung) Maßnahmen nachhaltig verbessert. Darüber hinaus existiert seit September 2015 eine intensive Zusammenarbeit mit dem Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gemeinsam mit dem dort ansässigen Labor für Experimentelle Orthopädie und Sportmedizin (Leitung: apl. Prof. Dr. René Schwesig) wird derzeit im Rahmen eines Industrieprojektes (EFRE) ein komplexer biomechanischer Messplatz zur Diagnostik der Kniebelastbarkeit konzipiert und aufgebaut. In diesem Kontext finden aktuell zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen (z. B. posturale Kontrolle und Regulation vor und nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion) statt und werden die hiesigen Teams der 1. bis 3. Liga (Basketball, Handball, Eishockey) umfangreichen Screeninguntersuchungen (Elektromyographie (EMG), Posturographie, Sprungkraftdiagnostik, SpeedCourt) unterzogen. Leitmotiv ist u.a. die Erhebung von Referenzdaten unverletzter Strukturen (z. B. Kniegelenk, Sprunggelenk), um im Verletzungsfall (z. B. vorderes Kreuzband) auf valide, seitengleiche Vergleichsdaten zurückgreifen zu können.

Dieser verletzungspräventive und in hohem Maße proaktive Ansatz ist die Grundlage für die Bewerbung um den Präventionspreis 2018. Zentraler Gegenstand ist ein komplexes Präventionskonzept (Abb. 1), dass derzeit beim Halleschen FC in Kooperation mit der Sportklinik Halle und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg umgesetzt wird. Das Präventionskonzept enthält sowohl völlig neuartige diagnostische Elemente (z. B. Dekomposition mittels EMG) als auch innovative therapeutische Interventionen (z. B. stochastische Resonanztherapie, Blood flow restriction), die derzeit im Rahmen von medizinischen Disserationen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit geprüft werden.

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Abb. 1: Diagnostische und präventive Maßnahmen beim HFC zum Zwecke der Verletzungsreduktion und Risikominimierung im Überblick

Die Elemente des Präventionskonzepts (Abb. 1) werden auch im Nachwuchs-leistungszentrum des HFC (B-Jugend, A-Jugend) angewendet und sind somit nicht nur der Drittligamannschaft vorbehalten.

Von besonderer Bedeutung ist die Dekomposition elektromyographischer Signale abgeleitet am M. vastus medialis und lateralis (siehe Punkt 4). Ziel ist es, das Rekrutierungsverhalten der Muskulatur in Abhängigkeit von Verletzung und Leistungsfähigkeit aufzuklären und Erkenntnisse zur muskulären Ermüdung bzw. Erholtheit zu gewinnen. Dies wiederum ist essentiell für eine evidenzbasierte Trainingssteuerung, um einerseits reizwirksam trainieren und andererseits Über-beanspruchungen vermeiden zu können.

Im Folgenden werden die in Abbildung 1 dargestellten Elemente des Präventions-konzepts detailliert vorgestellt.

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1 Trainingskonzept Verletztenstatistik (Drittligateam)

Für die Entstehung von Verletzungen im Sport werden verschiedene Gründe diskutiert. Die Ursachen sind meist sehr komplex. Es scheinen sowohl extrinsische, als auch intrinsische Faktoren eine Rolle zu spielen (Bahr & Krosshaug 2005; Gokeler et al. 2010). Oft wurden auch mangelnde konditionelle Voraussetzungen der Spieler oder gewaltsame gegnerische Einwirkungen in diesem Zusammenhang genannt. Dabei zeigt beispielsweise die Statistik von Kreuzbandverletzungen, dass sportartübergreifend die überwiegende Anzahl aus non-contact Situationen resultieren (Gollhofer et al. 2006; Gokeler et al. 2010). Die systematische Erforschung der vielfachen Interaktionsmechanismen von internalen und externalen Risikofaktoren ist kompliziert (Gollhofer et al. 2006). Kenntnisse über Auftreten, Ursache, biomechanische Wirkungsmechanismen und Folgen von Verletzungen sind grundlegende Voraussetzungen für die Initiierung präventiver Maßnahmen.

Internationale Studien zu Verletztenstatistiken sind aufgrund unterschiedlicher methodischer Ansätze nur eingeschränkt vergleichbar (Faude et al. 2009). Dies liegt u.a. daran, wie man eine „Verletzung“ definiert. Muss sie zu einer Vorstellung beim Arzt führen, muss sie eine Ausfallzeit zur Folge haben oder zählen nur sportart-spezifische Verletzungen? Auch in Deutschland fehlt ein verbindliches ligaüber-greifendes Dokumentationssystem.

Beim Drittligateam des HFC erfolgt die Dokumentation in Anlehnung an das F-MARC (FIFA Medical Assessment and Research Centre) Konsensus Statement für Verletzungsdefinition und Datenerhebung im Fußball. Die darin enthaltenen Kriterien zur Einstufung von Verletzungen in Bezug auf Körperteil, Art, Diagnose, Ursache (Abb. 2) oder Ausfallzeiten (Abb. 3) dienen als Grundlage der Datenerfassung.

Abb. 2: Prozentuale Verteilung ausgefallener Trainingseinheiten in Abhängigkeit vom zugrundeliegenden Verletzungsmechanismus (Zeitraum: 1. Halbserie 2017/2018)

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Im Trainingskonzept werden neben der Leistungs- und Ergebnisorientierung vor allem verletzungspräventive Aspekte wie Individualisierung, funktionelles bzw. präventives Krafttraining, ein progressiver Trainingsaufbau sowie ein wohl dosiertes Zusammenspiel von Erholung und Belastung berücksichtigt (Punkte 2 & 3). Die kontinuierliche und umfassende Datenerfassung zu den Verletzungen ist dabei ein wichtiger Eckpfeiler. Verletzungsmuster, Ergebnisse relevanter Trainingsinterven-tionen oder sonstige Auffälligkeiten können detektiert und objektiv erfasst werden.

Abb. 3: Anzahl der Verletzungen im Training und Spiel sowie der daraus resultierenden Ausfalltage (Zeitraum: 1. Halbserie 2017/2018)

Beispielsweise erlitten Spieler des HFC im ersten Halbjahr der Saison 2017/18 ca. 60 Verletzungen. Auffällig ist die Vielzahl und die Schwere von wettkampfbedingten Ausfällen. Nahezu ein Drittel aller Verletzungen erfolgte in Punktspielen und führte zu mindestens 8 Ausfalltagen (Abb. 2 & 3).

Die Summation der Wettkampfbelastungen im Verlaufe einer Halbserie scheint ebenso einen negativen Einfluss zu besitzen (Abb. 4).

Abb. 4: Anzahl verletzter bzw. erkrankter Spieler im Saisonverlauf (Zeitraum: Saison 2016/2017)

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In diesen sensiblen Phasen ist eine möglichst genaue und individualisierte Analyse der körperlichen Zustände von großer Bedeutung.

Eventuell stark von Verletzungen betroffene Körperteile können bestimmte Interventionen zur Folge haben. Beim HFC-Profiteam sind keine klaren Muster erkennbar. Neben bekannten Schwerpunktregionen sind beispielsweise viele Trainingseinheiten durch Verletzungen am Fuß ausgefallen (Abb. 5).

Abb. 5: Ausgefallene Trainingseinheiten (TE) in Abhängigkeit von der Verletzungslokalisation (Zeitraum: 1. Halbserie 2017/2018)

Abb. 6: Anzahl ausgefallener Trainingseinheiten in Abhängigkeit von der Verletzungsart (Zeitraum: 1. Halbserie 2016/2017)

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Trotz einer insgesamt unbefriedigenden Gesamtstatistik in der aktuellen Saison mit vor allem vielen Langzeitverletzten (Abb. 3) sind positive Trends erkennbar. So deutet der Rückgang muskulär bedingt ausgefallener Trainingseinheiten von 222 (38%) in der ersten Halbserie 2016/17 auf 168 (15%) in der ersten Halbserie 2017/18 darauf hin, dass u.a. durch das Präventionskonzept des HFC die Belastbarkeit der Spieler in diesem Bereich gestiegen und damit die Verletzungsanfälligkeit gesunken ist (Abb. 6 & 7).

Abb. 7: Anzahl ausgefallener Trainingseinheiten in Abhängigkeit von der Verletzungsart (Zeitraum: 1. Halbserie 2017/2018)

Verletzungen im Fußball haben komplexe Ursachen und sind aufgrund gesteigerter Intensitäten und der spezifischen Belastungscharakteristik nie gänzlich zu vermeiden. Entscheidend ist das Vorhandensein und die Umsetzung eines Maßnahmenkataloges zur Prävention. Das Trainingskonzept des HFC ist vor allem mittel- und langfristig angelegt. Trotz temporärer Ausschläge müssen Spieler, Funktionsteam und Vorstand für entsprechende Vorgehensweisen immer wieder sensibilisiert werden. Nur mit dem nötigen Vertrauen aller Beteiligten wird der eingeschlagene Weg weitere positive Impulse bewirken und mithelfen, die sportlichen Ziele zu realisieren.

Literatur Bahr R. & Krosshaug T. (2005). Understanding injury mechanisms: a key component of preventing injuries in sport. Br J Sports Med, 39, 324–329. Faude O., Meyer T., Federspiel B. & Kindermann W. (2009). Verletzungen im deutschen Profifußball –eine Analyse auf Basis von Medieninformationen. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 60, 139–144. Gokeler A., Zantop T. & Jöllenbeck T. (2010). Vorderes Kreuzband. Epidemiologie. [GOTS-Expertenmeeting: Vorderes Kreuzband]. Sports Orthop Traumatol, 26, 3–14. Gollhofer A., Granacher U., Taube W., Melnyk M. & Gruber M. (2006). Bewegungskontrolle und Verletzungsprophylaxe. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 57, 266–270.

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2 Monitoring Training & Wettkampf mittels Playertek (Drittligateam)

Mit Beginn der Saison 2017/18 werden alle relevanten Trainingseinheiten, Testspiele sowie auf freiwilliger Basis vereinzelt Wettspiele des Drittligateams durch GPS-Sender und die dazugehörige Software analysiert. Das PLAYERTEK-System (Catapult/ USA; Abb. 8a-b) zeichnet u.a. die Sprintdistanzen, die Beschleunigungs- und Abstoppbewegungen oder die Anzahl körperlicher Erschütterungen, typischerweise in Zweikampfsituationen, auf (Abb. 9). Daneben geben algorithmierte Werte wie der Player-Load Auskunft über weitere Belastungsparameter.

Abb. 8 a-b: PLAYERTEK-System (a) und Polar H10 Sender (b) Zusammen mit der Herzfrequenzüberwachung kann das teilweise hoch heterogene Belastungsprofil der Spieler analysiert und individualisierte Trainingsmaßnahmen abgeleitet werden. Neben der fußball- und positionsspezifischen sowie taktischen Relevanz sollen vor allem Überlastungsszustände detektiert werden. Der transparente und kommunikative Umgang mit diesen Daten ist dabei essenziell, um die Aktzeptanz zu sichern. Beispielsweise kann das verordnete Pausieren eines Spielers mit objektiven Daten begründet und damit sein Verständnis gefördert werden.

Abb. 9: Geschwindigkeitsanalyse einer Trainingseinheit mit der Playertek-Software

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3 Sensomotorisches Training und funktionelles Krafttraining (Drittligateam)

Das Zusammenspiel internaler und externaler Faktoren ist gerade im Fußball durch die heterogene Spielerstruktur (z. B. Trainingsalter, Anzahl Pflichtspiele, Nationalität, konditioneller Zustand), wechselhafte Wetter- und Bodenverhältnisse oder den permanenten Erfolgsdruck sehr komplex. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse präventiver Maßnahmen ist aufgrund dieser Vielschichtigkeit teilweise nur eingeschränkt möglich. Die Maßnahmenvielfalt ist dennoch groß. Dies zeigt auch die gestiegene Zahl von Studien zur Prävention von Sportverletzungen in den letzten Jahren. Zusammenfassend werden die präventiven Wirkungen neuromuskulärer, propriozeptiver, stabilisierender und plyometrischer Übungen sowie deren Kombination (FIFA, 2003; Gollhofer et al. 2006; McKeon et al. 2009; Emery & Meeuwisse 2010; Hübscher et al. 2010; Wingfield 2013; Lauersen et al. 2014; Mayo et al. 2014; Finch et al. 2015) deutlich. Überdies wird der Zusammenhang einer unzureichenden Körperbeherrschung mit einer erhöhten Gefahr von Verletzungen der unteren Extremitäten beschrieben (Zalai et al. 2015). Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend, kommen beim Drittligateam des HFC regelmäßig sensomotorisches Training und das wöchentlich einmal bis zweimal stattfindende funktionelle Krafttraining zur Anwendung. In jedem Aktivierungsteil der Trainingseinheiten (Abb. 10, 11) werden beispielsweise Einbein-stände oder Übungen mit geschlossen Augen trainiert. Zudem absolvieren die Spieler vor den Einheiten ähnliche Bewegungen aus einem individuell erstellten Übungspool.

Abb. 10: Übungen aus der Trainingsroutine im Aktivierungsteil der Trainingseinheiten

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Abb. 11: Übungen aus der Trainingsroutine im Aktivierungsteil der Trainingseinheiten

Zentrale Aspekte des funktionellen Krafttrainings sind das sichere Beherrschen der meist komplexen Bewegungsformen und die Beachtung der Fußballspezifik. Die Methodik ist durch eine entsprechende Belastungsprogression, gepaart mit Grundsätzen wie „vom Bekannten zum Unbekannten“ oder „vom Einfachen zum Schweren“ gekennzeichnet. Zudem sichert eine, an das Niveau der Spieler angepasste, Übungsauswahl wichtige Lernfortschritte und schützt vor Überlastungen. Zur Sicherstellung der beschriebenen Schwerpunkte orientiert sich das funktionelle Zirkeltraining beim HFC an einem speziell dafür konzipierten Periodisierungsmodell. In den Vorbereitungsperioden wird das Training zweimal pro Woche durchgeführt. In der Wettkampfperiode, meist zum Wochenauftakt, arbeiten die Spieler einmal pro Woche ausdrücklich in diesem konditionellen Bereich. In der Literatur und den Medien sind zahlreiche Übungskataloge für das funktionelle Training zu finden. Die Auswahl für das Training beim Drittligateam des HFC erfolgt unter mehreren Gesichtspunkten. Neben einem möglichst geringen organisa-torischen Aufwand begründen die Realisierbarkeit und die Nähe der Übungen zur Fußballspezifik die Entscheidung. Motivational unterstützende Elemente (z. B. Übungsvariationen) stellen zudem die wichtige Bereitschaft der Spieler für diese Trainingsinhalte sicher. Die intermittierende und explosiv - dynamische Arbeitsweise spiegelt das typische Belastungsprofil des Fußballs wider. Unter stetiger Beachtung einer qualitativ sauberen Ausführung sind viele Übungen im permanenten „Stop-and-Go-Modus“ durchzuführen. Einer meist konzentrischen explosiven Phase folgt ein kurzer Abschnitt der Bewegungskontrolle in der Endposition. Diese sehr intensive Arbeitsweise fordert das anaerob-alaktazide System. Durch Summation dieser Reize und unvollständige Pausen erfolgt die Auslenkung aerober- und anaerob-laktazider Ressourcen. Die resultierende Herz-Kreislaufbelastung ist vom Niveau des Spielers und der Motivation abhängig und liegt im Mittel zwischen 70 und 80%, mit Maxima von über 90% der maximalen Herzfrequenz (Abb. 12).

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Abb. 12: Herzfrequenzverlauf eines Spielers. Phase Krafttraining Ø 78% / maximal 90% HFmax.

Die Übungen differieren hinsichtlich der schwerpunktmäßig beanspruchten Muskulatur. Ganzkörperübungen sind neben Rumpf-, Bauch- sowie Rückenübungen Bestandteile der Zirkel. Diese Reihenfolge bildet die Grundstruktur und folgt damit stets einem wiederkehrenden Schema. Alle Übungen stellen hohe Anforderungen an das Gleichgewicht, die Körperwahrnehmung, die intermuskuläre Koordination und die Somatosensorik. Im Folgenden werden beispielhaft komplex-funktionelle Elemente (z. B. Kniebeuge in unterschiedlicher Variation) sowie Übungen, die schwerpunktmäßig die Rumpf-muskulatur adressieren in einem Übungsktalog vorgestellt. Hierbei werden drei unterschiedliche Schwierigkeitsgrade (Level) unterschieden bzw. den Spielern, in Abhängigkeit ihrer Leistungsfähigkeit, angeboten.

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Level Komplexe funktionelle Übungen

1

2

3

Funktionelle Übungen: Schwerpunkt Bauchmuskulatur

1

2

3

Funktionelle Übungen: Schwerpunkt Rückenmuskulatur

1

2

3

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Literatur

Emery CA. & Meeuwisse WH. (2010). The effectiveness of a neuromuscular prevention strategy to reduce injuries in youth soccer. A cluster-randomised controlled trial. Br J Sports Med, 44, 555–562. FIFA (Hrsg.). (2003). FIFA 11+. Aufwärmprogramm zur Prävention von Verletzungen bei Fussballspielerinnen und Fussballspielern ab 14 Jahren. unter http://f-marc.com/11plus/startseite/. Finch CF., Twomey DM., Fortington LV., Doyle TLA., Elliott BC., Akram M. & Lloyd DG. (2016). Preventing Australian football injuries with a targeted neuromuscular control exercise programme: comparative injury rates from a training intervention delivered in a clustered randomised controlled trial. Inj Prev, 22, 123-128. Gollhofer A., Granacher U., Taube W., Melnyk M. & Gruber M. (2006). Bewegungskontrolle und Verletzungsprophylaxe. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 57, 266–270. Hübscher M., Zech A., Pfeifer K., Hänsel F., Vogt L. & Banzer W. (2010). Neuromuscular Training for Sports Injury Prevention. Med Sci Sports Exerc, 42, 413–421. Lauersen JB., Bertelsen DM. & Andersen LB. (2014). The effectiveness of exercise interventions to prevent sports injuries: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Sports Med, 48, 871–877. Mayo M., Seijas R. & Alvarez P. (2014). Structured neuromuscular warm-up for injury prevention in young elite football players. Rev Esp Cir Ortop Traumatol, 58, 336–342. McKeon PO., Paolini G., Ingersoll CD., Kerrigan DC., Saliba EN., Bennett BC. & Hertel J. (2009). Effects of balance training on gait parameters in patients with chronic ankle instability. A randomized controlled trial. Clin Rehabil, 23, 609–621. Wingfield K. (2013). Neuromuscular training to prevent knee injuries in adolescent female soccer players. Clin J Sport Med, 23, 407–408. Zalai D., Panics G., Bobak P., Csáki I. & Hamar P. (2015). Quality of functional movement patterns and injury examination in elite-level male professional football players. Acta Physiol Hung, 102, 34–42.

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4 EMG-Dekomposition - neue Perspektiven hinsichtlich der Analyse der Muskelansteuerung (B-Jugend)

Das Training sensomotorischer Qualitäten stellt einen zentralen Inhalt diverser Präventionsprogramme im Spitzensport dar. In den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ist man noch davon ausgegangen, dass ein akzentuiert selektives Training der Typ-IIx-Fasern ausschließlich über explosiv-reaktiv-ballistische Beanspruchungen realisierbar ist (Häkkinen 1989; de Haan et al. 1991). Die Nachweise leistungssteigernder Wirkungen sensomotorischer Trainingsprogramme, insbesondere für schnellkraftbetonte Sportarten, trugen maßgeblich zu einer Umorientierung bei (Bruhn et al. 2006; Gruber et al. 2007; Taube et al. 2007; Boccolini et al. 2013). Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) gehört zu den häufigsten Band-verletzungen am Kniegelenk. Dabei gehört die Mehrzahl (>70%) der auftretenden Rupturen zu den sogenannten Nicht-Kontakt-Verletzungen (Myklebust et al. 1998). Aktuelle Initiativen, insbesondere im professionellen Sport, zielen verstärkt darauf ab, Risiken zu identifizieren und diese zu minimieren. Neben Achsfehlstellungen und einer Quadrizepsdominanz kann angenommen werden, dass sensomotorische Defizite eine wichtige Rolle spielen. Die Afferenzen der Mechanorezeptoren des vorderen Kreuzbandes sind für die Entladung und damit Aktivierung der schnellen motorischen Einheiten verantwortlich (Konishi et al. 2002a, 2002b, 2003). Diese Afferenzen des Bandapparates leisten einen signifikanten Beitrag für die Voraktivierung bzw. „Vorprogrammierung“ der gelenkstabilisierenden Muskelaktivität durch einen kontinuierlichen modulierenden Einfluss auf das Gamma-System (Johansson 1991, Johansson et al. 1991a, 1991b). Von einer „funktionellen Teilparese“ spricht man, wenn das Kreuzband gerissen ist. Die Rekrutierung eines entscheidenden Teils der schnellen motorischen Einheiten ist scheinbar irreversibel. Gerade die schnellsten und kraftvollsten Muskelfasern (Typ-IIx) sind verantwortlich für den Kraftanstieg. Somit kann eine fehlerhafte senso-motorische Steuerung sowohl Ursache als auch Folge (Abb. 13) einer Band-verletzung sein.

Abb. 13: Schematische Darstellung der Auswirkungen des Verlustes des VKB (Darstellung erweitert

nach Laube 2009, S. 384)

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Muskelermüdung hat sowohl zentrale wie periphere Ursachen. Insbesondere bei Schnelligkeitsbeanspruchungen spielen zentrale Faktoren (u.a. Änderungen der Erregbarkeit der zentralen Motoneurone) eine wesentliche Rolle. Entsprechend müssen im Anschluss an hochintensive Beanspruchungen, zur Realisierung der angestrebten strukturellen und damit funktionellen Adaptationen, ausreichend lange Entlastungsintervalle folgen. Durch standardisierte, lokal applizierte, ermüdende Belastungen können unter Laborbedingungen neuromuskuläre Verhaltensweisen analysiert werden. Dadurch können eventuell bereits vorhandene Defizite objektiviert und durch gezielte Interventionsmaßnahmen beeinflusst werden. Die Bestimmung von individuellen Rekrutierungsschwellen einzelner motorischer Einheiten durch die EMG-Dekomposition ist ein neuer und vielversprechender Ansatz. Durch die EMG-Dekomposition wird mit Hilfe modernster Algorithmen das komplexe nicht-invasive EMG-Signal in seine einzelnen Bestandteile zerlegt (De Luca & Contessa 2012; Contessa et al. 2016; Abb. 14).

Abb. 14: Rekrutierung zusätzlicher motorischer Einheiten als Folge muskulärer Ermüdung

(Contessa et al. 2016)

Die Identifikation einzelner motorischer Einheiten und deren Charakteristika (Rekrutierungsschwelle, Feuerrate, Derekrutierungsschwelle) kann u.a. Aussagen zur Faserzusammensetzung liefern und somit Defizite vor und nach Verletzungen am VKB objektivieren. Die Amplitude des Summen-Aktionspotentials einer motorischen Einheit stellt deren „Fingerabdruck“ dar, wodurch eine Zuordnung und damit der Vergleich vor und nach Ermüdung möglich ist.

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EMG-Dekomposition - Analyse Charakteristika der motorischen Einheiten und deren Verhalten nach Vorermüdung (B-Jugend) Hintergrund: Die grundlegenden Mechanismen der peripheren und zentralen Ermüdung sind bislang noch nicht vollständig verstanden. Die zentrale Ermüdung schließt alle Prozesse des Antriebs durch die Motoneurone vom Cortex bis zu den Vorderhornzellen ein. Die periphere Ermüdung, die reversible Fähigkeit der Kraft-generation, schließt die Prozesse Erregbarkeit der Fasermembran, die elektro-mechanische Ankopplung als auch den Kreuzbrückenzyklus ein. Da die Kontrolle des Muskels auf der Ebene der motorischen Einheit stattfindet, ist es wichtig, die physiologischen Eigenschaften der motorischen Einheiten zu kennen und bei der Beurteilung des Leistungsvermögens zu berücksichtigen. Bisher war dies lediglich invasiv möglich. Die Datenanalyse an der Körperoberfläche abgeleiteter Signale hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Durch die komplexe Methode der Dekomposition gemessener Muskelaktivität (Abb. 15a) sind wir in der Lage, verschiedene Charakteristika einzelner motorischer Einheiten nicht-invasiv zu erfassen und zu analysieren.

b)

a) Abb. 15a-b: Schematische Darstellung der Dekomposition elektromyographischer Signale zur

Analyse diverser Charakteristika identifizierter motorischer Einheiten; 5-Pin-Elektrode zur Erfassung des Summen-Aktionspotentials

Fragestellung: Welche neuromuskulären Charakteristika sind bei den Athleten auffällig, welche später aufgrund einer Nicht-Kontakt-Verletzung ausfallen? Methodik: Die Messung findet sitzend im 90° Hüftgelenk- und Kniegelenkwinkel statt. Dabei wird der Unterschenkel distal fixiert, damit eine isometrische Aktivierung der Knieextensoren erfolgen kann. Zunächst wird die individuelle Maximalkraft ermittelt (MVC, 3×3 s, je 60 s Pause). Die standardisierte Erfassung der Muskel-aktivität erfolgt mit Hilfe eines speziellen Pins (Abb. 15b) während der Proband die Muskelkontraktion einer vorher definierte Rampe bei 70% MVC anpasst.

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Nach einer weiteren Pause von 60 s wird die gesamte Messung wiederholt. Untersucht wird bei jedem Athleten jeweils das Spielbein. Wobei die Mm. vasti medialis et. lateralis synchron abgeleitet werden (Abb. 16a-d).

a b c d Abb. 16a-d: Darstellung des Versuchsaufbaus Ergebnisse & Ausblick: Im Gegensatz zu bisherigen EMG-Analysen ergeben sich hierdurch wesentlich erweiterte Möglichkeiten. Die Kontrolle und Analyse der kontraktil und metabolisch heterogenen Eigenschaften der motorischen Einheiten wird ermöglicht. Mit wenigen Ausnahmen scheinen die motorischen Einheiten in einer geordneten Reihenfolge rekrutiert zu werden. Darüber hinaus scheint es einen engen Zusammenhang zwischen der Kraftkapazität und der Ermüdbarkeit von motorischen Einheiten zu geben, so dass größere und stärkere motorischen Einheiten schneller ermüden als kleinere und schwächere. Trotz der Anpassungen der Feuer- bzw. Entladungsraten, die beobachtbar sind, scheint sich das grundlegende Motorkontrollschema als Folge der Muskelermüdung nicht zu verändern. Insbesondere die direkte Beziehung zwischen den Rekrutierungs-schwellen der motorischen Einheiten und deren Amplitude, bekannt als „Größenprinzip“ (Henneman 1957; Hu et al. 2013) wurde bei den Kontraktionen beibehalten. Während der Ermüdung hingegen scheint das Entladungsraten der motorischen Einheit die sich ändernden mechanischen Eigenschaften des Muskels zu kompensieren. Die Muskelkraft wird moduliert, indem die Anzahl der aktiven motorischen Einheiten und ihre Feuerraten variiert werden (Abb. 17).

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Abb. 17: Rekrutierungsschwellen und Feuerraten von motorischen Einheiten. Dargestellt ist der zeit-

liche Verlauf von jeweils drei früh und später rekrutierten (von insgesamt 24 identifizierten) motorischen Einheiten

Diese Grundlagenuntersuchung zur Bestimmung der Eigenschaften der erfassten und angesteuerten Muskelfasern sollte bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, insbesondere vor dem Hintergrund des „return to competition“, zu neuen Erkenntnissen führen und somit Präventions- und Rehabilitationsprogramme entscheidend beeinflussen. Literatur Boccolini G., Brazzit A., Bonfanti L., Alberti G. (2013). Using balance training to improve the performance of youth basketball players. Sport Sci Health, 9, 37-42. Bruhn S., Kullmann N., Gollhofer A. (2006). Combinatory effects of high-intensity-strength training and sensorimotor training on muscle strength. Int J Sports Med, 27, 401-406. Contessa P., De Luca CJ., Kline JC. (2016). The compensatory interaction between motor unit firing behavior and muscle force during fatigue. J Neurophysiol, 116, 1579-1585. de Haan A., Lodder MAN., Sargeant AJ. (1991). Influence of an active pre-stretch on fatigue of skeletal muscle. Eur J Appl Physiol Occup Physiol, 62, 268-273. De Luca CJ., Contessa P. (2012). Hierarchical control of motor units in voluntary contractions. J Neurophysiol, 107, 178-195. Gruber M., Gruber SBH., Taube W., Schubert M., Beck SC., Gollhofer A. (2007). Differential effects of ballistic versus sensorimotor training on rate of force development and neural activation in humans. J Strength Cond Res, 21, 274-282. Häkkinen K. (1989). Neuromuscular and hormonal adaptations during strength and power training. A review. J Sports Med Phys Fitness, 29, 9-26.

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Henneman E. (1957). Relation between size of neurons and their susceptibility to discharge. Science 126, 1345-1347. Hu X., Rymer WZ., Suresh NL. (2013). Assessment of validity of a high-yield surface electromyogram decomposition. J Neuroeng Rehabil, 10, 99. Johansson H. (1991). Role of knee ligaments in proprioception and regulation of muscle stiffness. J Electromyogr Kinesiol, 1, 158-179. Johansson H., Sjölander P., Sojka P. (1991a). A sensory role for the cruciate ligaments. Clin Orthop Relat Res, 268, 161-178. Johansson H., Sjölander P., Sojka P. (1991b). Receptors in the knee joint ligaments and their role in the biomechanics of the joint. Crit Rev Biomed Eng, 18, 341-368. Konishi Y., Fukubayashi T., Takeshita D. (2002a). Mechanism of quadriceps femoris muscle weakness in patients with anterior cruciate ligament reconstruction. Scand J Med Sci Sports, 12, 371-375. Konishi Y., Fukubayashi T., Takeshita D. (2002b). Possible mechanism of quadriceps femoris weakness in patients with ruptured anterior cruciate ligament. Med Sci Sports Exerc, 34, 1414-1418. Konishi Y., Konishi H., Fukubayashi T. (2003.) Gamma loop dysfunction in quadriceps on the contralateral side in patients with ruptured ACL. Med Sci Sports Exerc, 35, 897-900. Laube W (Hrsg.) (2009). Sensomotorisches System: Physiologisches Detailwissen für Physiotherapeuten. Georg Thieme Verlag, Stuttgart Myklebust G., Maehlum S., Holm I., Bahr R. (1998). A prospective cohort study of anterior cruciate ligament injuries in elite Norwegian team handball. Scand J Med Sci Sports, 8, 149-153. Taube W., Kullmann N., Leukel C., Kurz O., Amtage F., Gollhofer A. (2007). Differential reflex adaptations following sensorimotor and strength training in young elite athletes. Int J Sports Med, 28, 999-1005.

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5 SpeedCourt - Hochreaktives Training bei jugendlichen Fußball-spielern (A-Jugend)

Hintergrund: Knie- und Sprunggelenksverletzungen stellen im Fußball nach wie vor ein ernstes Problem dar. Trotz einer Vielzahl von Präventionsprogrammen kommt es zu keiner signifikanten Reduktion der Anzahl von schweren Knieverletzungen. Infolgedessen sind die zugrundeliegenden Strategien in Diagnostik und Training zu überdenken.

Fragestellung: Ziel der Trainingsstudie war es, einen völlig neuen Interventions-ansatz (hochreaktives Training auf dem SpeedCourt) anhand einer Stichprobe jugendlicher, professioneller Fußballer hinsichtlich seiner Wirksamkeit zu prüfen.

Methodik: 24 A-Jugend Spieler (Alter: 18,0 ± 0,7 Jahre) des HFC absolvierten während der Saison in einem Zeitraum von sieben Wochen sieben Trainings-einheiten (TE) auf dem SpeedCourt (Abb. 18a-d). Die TE enthielten life-kinetische Elemente (Belastungsdauer: 15-30 s; Pause: 2 min) und waren in eine Erwärmung (15 min) und das hochreaktive Training auf dem SpeedCourt (30 min) strukturiert. Vor und nach dem Trainingsprogramm erfolgte die Testung der Spieler auf dem SpeedCourt (Tests: Counter Movement Jump (CMJ), Shuttle run, Tapping, 10-Sekunden-Lauf).

Abb. 18a-d: Trainingssituationen auf dem SpeedCourt

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Ergebnisse: Die einfaktorielle, univariate Varianzanalyse ergab in allen Testparametern signifikante (η2>0,10) Verbesserungen der Spieler. Diese bewegten sich in einer Range von η2=0,106 (Bodenkontaktzeit rechts) und η2=0,730 (Reaktionszeit rechts; Tab. 1). Zwischen den Tests und Parametern fanden sich keine relevanten (r>0,5) Korrelationen. Die Anzahl verletzungsinduzierender Unfälle für die untere Extremität reduzierte sich in definierten Zeiträumen um ca. 50%. Tab. 1: Deskriptive Darstellung der Untersuchungsergebnisse sowie Varianzanalyse. Signifikante

Unterschiede (η2>0,10) sind durch Fettdruck hervorgehoben und die Parameter in der Reihen-folge der Testdurchführung (Tab. 2) sortiert. MW=Mittelwert; SD=Standardabweichung; MZP=Messzeitpunkt

Parameter Messzeitpunkt (MZP) Varianzanalyse Effektgröße MZP 1

(MW ± SD) MZP 2

(MW ± SD) p η2 d

Tapping [n/3s] n=19 34,7 ± 3,00 36,8 ± 2,06 0,001 0,478 0,70

Sprunghöhe links [cm] n=19 23,2 ± 2,98 24,6 ± 3,85 0,107 0,138 0,47

Sprunghöhe rechts [cm] n=19 22,1 ± 2,98 23,7 ± 2,15 0,006 0,354 0,54

Sprunghöhe beidbeinig [cm] n=19 37,4 ± 4,77 39,5 ± 4,46 0,003 0,402 0,44

Reaktionszeit links [s] n=18 1,02 ± 0,07 0,96 ± 0,05 <0,001 0,536 0,86

Reaktionszeit rechts [s] n=17 1,05 ± 0,09 0,94 ± 0,08 <0,001 0,730 1,22

Bodenkontaktzeit links [s] n=18 0,32 ± 0,05 0,29 ± 0,04 0,039 0,228 0,60

Bodenkontaktzeit rechts [s] n=17 0,31 ± 0,05 0,29 ± 0,05 0,186 0,106 0,40

Shuttle run [s] n=18 4,77 ± 0,22 4,39 ± 0,20 <0,001 0,666 1,73

10-Sekunden-Lauf [s] n=18 17,1 ± 3,42 20,1 ± 2,64 0,001 0,458 0,88

Schlussfolgerung: Die Testergebnisse zeigen, dass ein hochreaktives Training auf dem SpeedCourt die Schnelligkeits- und Schnellkraftleistungen von Fußballspielern deutlich verbessert. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der sehr geringen Reizdichte (1 TE/Woche) bemerkenswert. Die beobachtete Leistungssteigerung korrespondierte überdies mit einem deutlichen Rückgang der Verletzungsrate. Literatur Bartels T., Proeger S., Brehme K., Pyschik M., Delank KS., Schulze S., Schwesig R., Fieseler G. (2016). The SpeedCourt system in rehabilitation after reconstruction surgery of the anterior cruciate ligament (ACL). Arch Orthop Trauma Surg, 136, 957-966. Bartels T., Proeger S., Brehme K., Pyschik M., Delank KS., Schulze S., Schwesig R., Fieseler G. (2016). Fast response training in youth soccer players. Sportverl Sportschad, 30, 143-148.

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23 Stochastische Resonanztherapie und Blood flow restriction im Rahmen der Frührehabilitation nach VKB-Ruptur

Hintergrund: Der nach VKB-Ruptur veränderte quantitative (Rezeptorverluste) und qualitative (Mechanik verändert) afferente Informationsstrom hat adäquate Folgen auf spinaler und supraspinaler Ebene. Darüber hinaus lebt der nicht aktivierbare Muskelanteil sogar in einer vollständigen kontraktilen Immobilisation (funktionelle Teilparese) und bildet trotz Therapie, sofern ausschließlich aktiv und nicht zugleich mittels Elektrostimulation, weitere Funktionsverluste aus. Der Einsatz der stochastischen Resonanz ist hierbei ein erfolgversprechender Ansatzpunkt, um eine verbesserte spinale Antwort zu generieren.

Fragestellung: Die Studie soll die Wirksamkeit der stochasitischen Resonanz-therapie (Abb. 19a-b) in Kombination mit intramuskulären Hypoxiereize (Blood flow restriction; Abb. 19c-d) während der Frührehabilitation nach VKB-Ruptur evaluieren.

Abb. 19a-d: Stochastische Resonanztherapie mit dem Zeptor (a-b) sowie Blood flow restriction (c-d) als präventive und rehabilitative Maßnahmen im Kontext der Kniestabilisierung vor/nach vorderer Kreuzbandruptur

Methodik: In die Studie werden insgesamt 60 Personen nach chirurgisch versorgter VKB-Ruptur eingeschlossen. Im Rahmen der Intervention soll eine konventionelle, physiotherapeutisch orientierte Rehabilitationsbehandlung (CG; n=30) mit einem multimodalen Rehabilitationskonzept verglichen werden, welches zusätzlich die stochastische Resonanztherapie (SRT) beinhaltet (IG; n=30; Abb. 19a-b). Um dem Muskelkraftverlust entgegen zu wirken, soll in der IG darüber hinaus bereits in der dritten postoperativen Woche mit einem leichten Krafttraining (Beinpresse: 50-80° Beugung, 20% der Maximalkraft des Nicht-OP Beins) in Kombination mit einem intramuskulären Hypoxiereiz (Blood Flow Restriction) begonnen werden (Abb. 19c-d). Der Rehabilitationserfolg soll mittels Oberflächenelektromyographie, Kraft-messung und Posturographie beurteilt werden (Abb. 20b).

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Abb. 20a-b: Rehabilitationsmaßnahmen und Messmethoden zur Beurteilung des Frührehabilitations-erfolgs nach chirurgisch versorgter VKB-Ruptur

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7 VBG return to competition Messplatz vorderes Kreuzband

Fragestellung Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) gehört zu den häufigsten Sport-verletzungen, insbesondere in den Sportspielen. Nach einer Ruptur ist eine gezielte Rehabilitation zur Minderung von Risikofaktoren einer Reruptur essentiell. Mithilfe von klinischer und sportmotorischer Diagnostik sollen Risikofaktoren erkannt und eine profunde Aussage über die Reintegration in den (Leistungs-) Sport getroffen werden. Methodik 51 Probanden (27,7 ± 8,6 Jahre; 13 Frauen, 63% Fußballer, 18% Handballer) nahmen an der Studie teil. Voraussetzungen für die Teilnahme waren eine mindestens 6 Monate zurückliegende VKB-OP, ein unauffälliger klinischer Befund (keine Ergussbildung, negativer Pivot-Shift-Test) und eine maximale Seitendifferenz von 0,5 mm bei der Messung mit dem KT-1000. Die Messreihe nach VBG-Vorgabe umfasste eine klinische Untersuchung, EMG, Posturographie und eine sport-motorische Testbatterie (Y-Balance-Test, Sprünge mit Videoanalyse, Bewegungs-abläufe auf dem Speed-Court; Abb. 21a-b). Nach Vorbelastung wurde die sportmotorische Testbatterie erneut durchgeführt. Mithilfe des „Real Time Observation Screening“ und dem „Landing-Error-Scoring-System“ (LESS) erfolgte die qualitative Bewertung der Bewegungsausführungen. Zusätzlich fand eine Befragung (Tegener-Aktivitätsskala, KOS-Score-Sport, ACL-RSI-Skala, IKDC 2000) statt.

Abb. 21a-b: Trainingssituationen auf dem SpeedCourt (a) und Y-Balance-Test (b)

Ergebnisse Sowohl ohne, als auch mit Vorbelastung zeigten sich im Single-Leg-Hop Unterschiede zwischen OP- und Nicht-OP-Seite (η2=0,27/ η2= 0,33). Bei einbeiniger Ausführung des Drop Jumps konnte ebenfalls in jedem Setting ein Seitenunterschied beobachtet werden (η²: 0,48-0,54). Auf der OP-Seite wurde eine geringere Landungskontrolle (LESS-Score; p=0,04) und eine geringere Symmetrie im Side-Hop-Test detektiert. Die exzentrische EMG-Aktivität des vastus lateralis (η2=0,11) und vastus mediales (η2=0,10) zeigte ebenfalls Seitenunterschiede.

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Tab. 2: Ergebnisse ausgewählter Sprunganalysen in Abhängigkeit vom Ermüdungszustand. DJ=Drop Jump

Sprungtests

Ohne Ermüdung Mit Ermüdung Varianzanalyse

MW ± SD Range MW ± SD Range p η²

DJ 30 cm bilateral Index [cm/s] 95,5 ± 34,3 33,3-168 90,9 ± 34,4 28,7-166 0,036 0,085

DJ 20 cm OP-Bein Index [cm/s] 34,6 ± 30,7 7,47-75,1 32,1 ± 13,9 5,80-63,1 0,022 0,100

DJ 20 cm Nicht OP-Bein Index [cm/s] 45,9 ± 18,0 12,8-95,8 43,6 ± 19,9 9,32-101 0,065 0,066

Lower Limb Symmetry Index 20 cm [%] 79,0 ± 33,0 30,3-230 77,5 ± 26,5 27,9-202 0,666 0,004

DJ 30 cm OP-Bein Index [cm/s] 32,5 ± 13,7 6,81-67,0 30,6 ± 13,2 4,33-61,5 0,020 0,103

DJ 30 cm Nicht OP-Bein Index [cm/s] 44,7 ± 19,8 12,2-118 41,6 ± 17,5 12,2-84,3 0,012 0,121

Lower Limb Symmetry Index 30 cm [%] 77,4 ± 33,1 18,6-259 76,3 ± 27,0 20,7-195 0,606 0,005

Single-Leg-Hop-Koeffizient OP-Bein [%] 69,6 ± 15,2 15,2-103 71,6 ± 14,6 17,1-100 0,065 0,066

Single-Leg-Hop-Koeffizient Nicht OP-Bein [%] 76,5 ± 11,4 53,7-108 79,3 ± 11,2 58,9-103 0,003 0,166

Schlussfolgerungen Sechs Monate nach der OP konnten wir Unterschiede in der sportmotorischen Leistung und eine geringere Kontrolle in den Lande-Situationen des operierten Beines beobachten. Basierend auf den erhobenen Daten, konnte lediglich zwei Patienten die Empfehlung zur Reintegration in den Sport gegeben werden.

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8 Posturographie (Drittligateam)

Hintergrund: Die posturale Stabilität und Regulation besitzt eine große Bedeutung für die Prävention von Knie- und Sprunggelenksverletzungen im Fußball. Die Aufdeckung und Behandlung von Dysregulationen seitens der posturalen Subsysteme (visuell, vestibulär, somatosensorisch, cerebellär, nigrostriatal) sowie von Fehlbelastungen bzw. Schonhaltungen ist deshalb eminent wichtig. Fragestellung: Ziel dieser Diagnosestudie war es, die posturale Stabilität und Regulation von professionellen Fußballspielern posturographisch vor Saisonbeginn (Juni/Juli 2016/2017 und 2017/2018) zu erfassen. Methodik 27 Drittligaspieler des HFC (31,5 ± 11,3 Jahre, Range: 18,7 - 28,8 Jahre) wurden posturographisch mittels des Interaktivem Balance Systems (IBS) untersucht (Abb. 22a-b). Das IBS erfasst mittels Dehnungsmessstreifen (Abtastrate: 32 Hz, 8 Testpositionen, Messdauer jeweils: 32 s) Vertikalkräfte separat für Vor- und Rückfuß. Mittels Fast Fourier-Transformation wird das Kraft-Zeit-Signal in ein Spektogramm überführt, wodurch eine Zuordnung der Frequenzbereiche zu den o.g. posturalen Subsystemen möglich ist.

Abb. 22a-b: Posturographische Messung mit dem IBS

Ergebnisse Die posturographischen Befunde zeigen eine große interindividuelle Variabilität. Auf der Basis alters- und geschlechtsstratifizierter Referenzwerte lassen sich sowohl Testergebnisse im Bereich des Perzentil 10 (Abb. 23a) als auch oberhalb des Perzentil 90 (Abb. 23b) ausmachen. Während der leistungsstarke Spieler (Perzentil 10, Abb. 23a) einen unauffälligen Befund aufweist, erkennbar an den fehlenden schraffierten, grauen oder schwarzen Feldern, zeigte der leistungschwache Spieler

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(Patellaspitzensyndrom links; persistierende Kopfschmerzen/Migräne) eine massive Störung im Bereich der posturalen Subsysteme. Insbesondere das vestibuläre System (Frequenzband 2-4) und das cerebelläre System (F7-8) sind stark auffällig. Ebenso ist erkennbar, dass der Spieler bei HWS-Beteiligung (letzte 4 Messungen) postural deutlich leistungsschwächer ist als ohne HWS-Beteiligung (erste 4 Messungen). Offensichtlich überlagert die internistische (Kopfschmerzen, Migräne) die orthopädische (Patellaspitzensyndrom links) Problematik.

Abb. 23a-b: Posturographische Befunde des leistungsstärksten Spielers (a) und des postural betrachtet leistungsschwächsten Spielers (b). Je schraffierter bzw. dunkler (grau/ schwarz) die Symbolik des Parameters in der jeweiligen Testposition, desto größer die Abweichung zur Referenzstichprobe (Schwesig 2006)

Die teamspezifischen Ergebnisse stellen sich wie folgt dar: Tab. 3: Demographisch und anthropometrische Charakterisierung des Teams (n=21)

Alter [Jahre] Größe [m] Gewicht [kg] BMI [kg/m2] Mittelwert 24,2 1,85 80,7 23,5 Standardabweichung 2,94 0,07 7,60 1,38 Minimum 18,7 1,68 66,6 20,3 Maximum 28,8 1,93 90,8 26,4

Für die vergleichende Betrachtung mit den vorliegenden Referenzwerten für gesunde Nichtsportler ist die Variable Alter von besonderer Bedeutung. Deshalb soll dem nachfolgenden Vergleich mit alters- und geschlechtsadjustierten Referenzdaten (Schwesig 2006; Schwesig et al. 2013) noch eine Histogrammanalyse (Abb. 24) des Prädiktors Alters vorangestellt werden.

a) leistungsstärkster Spieler (Summenscore: 5; Perzentil 10: 4)

b) leistungsschwächster Spieler (Summenscore: 49; Perzentil 90: 37)

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Abb. 24: Histographische Analyse des Prädiktors Alter mit Anzeige der Normalverteilungskurve Wie Abbildung 24 zu entnehmen ist, sind 95% (20/21) der Spieler zwischen 20 und 30 Jahre alt. Infolgedessen wurden beim Referenzdatenvergleich die Mediane für diesen Altersbereich (20-30 Jahre, männlich) verwendet (Abb. 25a-d; 26a-e).

Abb. 25a-d: Frequenzbereiche/ posturale Subsysteme in Relation zu altersbezogenen Referenz-

werten. Angegeben sind der Median und der Interquartilbereich (Perzentil (P) 25 & 75)

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Auffällig seitens der Analyse der Frequenzbereiche respektive der posturalen Subsysteme ist, dass der Anteil der Spieler außerhalb des Interquartilbereiches von 29% (6/21; visuell/ nigrostriatal), über 33% (7/21; vestibulär) und 38% (8/21; somatosensorisch) auf 52% (cerebellär) steigt. U.U. ist der hohe cerebelläre Anteil ein weiteres Argument dafür, Kopfverletzungen (z. B. Gehirnerschütterungen, Schleudertraumata) stärker in den Fokus der wissenschaftlichen Begleitung von Spielsportarten mit Gegnerkontakt zu rücken. Diesbezüglich gibt es bereits verschiedene Initiativen („Schütze Deinen Kopf!“) der Kostenträger (VBG, Unfallkassen) sowie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft („Umgang mit Schädelhirnverletzungen im deutschen Spitzensport“), die weiter intensiviert werden sollten. Das IBS ist offensichtlich ein sehr sensitives Diagnostikum für derartige Auffälligkeiten. Bezüglich der Produktparameter (Abb. 26a-e) ist festzustellen, dass die posturale Stabilität (Abb. 26a) bei 33% (7/21) der Spieler geringer war als bei der Referenzgruppe. Lediglich 2 Spieler zeigten eine überdurchschnittliche posturale Stabilität (Abb. 26a), Gewichtsverteilung (Abb. 26b) und Synchronisation/ Fußkoordination (Abb. 26c). Seitens der lateralen (Abb. 26d) und anterior-posterior (Abb. 26e) Gewichtsverteilung ist bei jeweils 9 Spielern (43%) eine deutliche Abweichung von der Referenz-stichprobe zu beobachten. Hinsichtlich der Fersen- bzw. Vorfußbelastung (Abb. 26e) ist auffällig, dass 6 der 9 Spieler (66%) eine vermehrte Vorfußbelastung aufweisen. Die Maxima sind hier 70% und 72% Vorfußbelastung. Die größte Abweichung (7,5%) vom Median (50,2%) und damit eine verstärkte linksseitige Belastung wies ein untersuchter Spieler, infolge Mittelfußfraktur rechts, auf. In allen Fällen sind in Kooperation (Arzt, Physiotherapeut, Trainer) die Ursachen zu ergründen sowie geeignete Therapiemaßnahmen zu definieren. Beispielsweise wurde auf die überproportionale Vorfußbelastung infolge funktioneller Instabilität bei einem Spieler mit einem zusätzlichen Training auf dem Zeptor (stochastische Resonanztherapie; siehe auch Kapitel 6) reagiert. Abschließend sei am Beispiel der anterior-posterior Gewichtsverteilung (Abb. 26e) auf die große Bedeutung von Referenzdaten hingewiesen. Während lateral nahezu eine Gleichverteilung (Median: 50,2%) normal und zu erwarten ist, ist eine erhöhte Vorfußbelastung (Median Fersenbelastung: 45,1%) durchaus normal. Ohne diese Kenntnis bestände die latente Gefahr von Fehlinterpretationen sowohl im klinischen wie auch im sportlichen Setting.

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Abb. 26a-e: Produktparameter des IBS in Relation zu altersbezogenen Referenzwerten.

Angegeben sind der Median und der Interquartilbereich (Perzentil (P) 25 & 75)

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Schlussfolgerungen Es hat sich gezeigt, dass das IBS ein hochsensitives Assessment zur Aufdeckung von posturalen Regulationsstörungen, von orthostatischen Fehlbelastungen und neurologischen Auffälligkeiten (z. B. Gehirnerschütterung) ist. Durch den Vergleich mit asymptomatischen Referenzdaten (Schwesig 2006, Schwesig et al. 2013) ist eine valide Interpretation der posturographischen Befunde möglich. Die Berücksichtigung der Testergebnisse und Erkenntnisse im Training ermöglicht auch in diesem Bereich (siehe Punkt 3: Sensomotorisches Training und funktionelles Krafttraining) eine individuellere Trainingssteuerung zur Senkung der Verletzungsanfälligkeit. Außerdem unterstützt das IBS die Entscheidungsfindung bezüglich „return to competition“ indem es eine zu frühe Integration in den Trainings- und Wettspielbetrieb verhindert. Voraussetzung hierfür sind individuelle Baseline-dedaten eines jeden Spielers, die aktuell und zukünftig in Screeninguntersuchungen erhoben werden. Literatur Schwesig R. (2006). Das posturale System in der Lebensspanne. Hamburg: Dr. Kovac. Schwesig R., Fischer D., Kluttig A. (2013). Are there changes in postural regulation across the life span? Somatosens Mot Res, 30, 167-174.

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9 Längsschnittliche Messung der posturalen Kontrolle nach VKB Ruptur

Fragestellung Rupturen des vorderen Kreuzbandes (VKB) stellen häufige und schwere Verletzungen des Kniegelenks dar. Während der Einfluss auf die mechanische und funktionelle Stabilität vielfach untersucht ist, fehlen Befunde seitens der posturalen Kontrolle und Stabilität gänzlich. Ziel der Studie war es, den Einfluss der Ruptur sowie der nachfolgenden Behandlung (Operation und Rehabilitation) längsschnittlich posturographisch zu evaluieren.

Methodik 77 Probanden (31,5 ± 11,3 Jahre, 47 Männer) mit Ruptur des VKB wurden initial auf der Basis einer MRT sowie einer klinischen Untersuchung in die Studie eingeschlossen. Die nachfolgende posturographische Analyse erfolgte zu folgenden fünf Messzeitpunkten (MZP): MZP 1=präoperativ, MZP 2=6 Wochen postoperativ (po), MZP 3=12 Wochen po, MZP 4=6 Monate po, MZP 5=1 Jahr po (Abb. 27). Das verwendete Interaktive Balance System (IBS) erfasst mittels Dehnungsmessstreifen (Abtastrate: 32 Hz, 8 Testpositionen, Messdauer jeweils: 32 s) Vertikalkräfte separat für Vor- und Rückfuß. Mittels Fast Fourier-Transformation wird das Kraft-Zeit-Signal in ein Spektogramm überführt, wodurch eine Zuordnung der Frequenzbereiche zu den posturalen Subsystemen möglich ist.

Abb. 27: Flow chart - Zeitpunkte der posturographischen Messungen mit dem IBS

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Ergebnisse Die größten Veränderungen im Untersuchungszeitraum zeigten sich im Parameter Gewichtsverteilungsindex (η2=0,308) sowie in der lateralen Gewichtsverteilung (η2=0,362). Einzig in den Parametern F7-8 (cerebelläres System) und F5-6 (somatosensorisches System) erreichten die Patienten 1 Jahr postoperativ das Niveau einer alters- und geschlechtsgematchten Referenzgruppe. Überdies zeigte sich eine massive Fersenentlastung (Referenz: 47% Fersenbelastung; Patienten MZP 1: 40%, MZP 5: 44%; η2=0,212). Einzig bei der Gewichtsverteilung in anterior-posterior Richtung war eine temporäre (MZP 1 vs. MZP 2) Leistungsabnahme zu beobachten.

Schlussfolgerungen Eine Ruptur des VKB hat großen Einfluss auf die posturale Stabilität und Regulation. Dies sollte bei der Gestaltung der Rehabilitation zukünftig berücksichtigt werden. Eine ausschließlich orthopädisch-mechanische Betrachtung (Kraft, Beweglichkeit) ist unzureichend. Stattdessen sollte eine funktionell-prozessorientierte Herangehens-weise favorisiert werden.

Literatur

Schwesig R., Bartels T., Schulze S., Pollak R., Schaffrath N. (2018). Beeinflusst eine vordere Kreuzbandruptur und –rekonstruktion die Haltungsregulation? forum Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, 20, 28-36. Bartels T., Brehme K., Pyschik M., Schulze S., Delank KS., Fieseler G., Laudner KG., Hermassi S., Schwesig R. (2018). Pre- and postoperative postural regulation following anterior cruciate ligament reconstruction. J Exerc Rehabil, 14, 143-151.

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10 Retrospektive Identifizierung von Risikofaktoren für die VKB Ruptur

Fragestellung Bei der Betrachtung der Risikofaktoren, welche eine VKB Ruptur bedingen, müssen neben neben dem zugrundeliegenden Verletzungsmechanismus auch weitere Faktoren wie Alter, Geschlecht und Aktivitätsniveau der Patienten berücksichtigt werden. Ebenso spielen Begleitverletzungen eine große Rolle, da nur ganzheitlich eine wirkungsvolle Prävention und Behandlung möglich ist.

Methodik Es wurden retrospektiv Daten von Patienten untersucht, welche im Zeitraum von Januar bis Juli 2016 in der Sportklinik Halle operiert wurden. Ausschlusskriterien stellten dabei eine stattgehabte Ruptur der Gegenseite, sowie einen Revisionseingriff dar. Mithilfe persönlicher Befragung bzw. Anamneseberichten konnten verletzungs-relevante Angaben eruiert werden.

Ergebnisse Insgesamt 164 Patienten erfüllten die o.g. Kriterien (118 Männer; ∅ Alter: 30,5 Jahre, Range: 14-60 Jahre). Zwar sind Männer in der Statistik aufgrund des durchschnittlich immer noch höheren Sportpensums dominierend, dennoch steigt der Anteil sportlich aktiver Frauen stetig an. Dies ist in sofern bedeutsam, da Frauen u.a. ein anderes Sprung/Lande-Verhalten zeigen als Männer. Im hiesigen Einzugsgebiet entfällt ein Großteil der Sportunfälle auf Ballsportarten mit schnellen Antritts- und Stopp-bewegungen, sowie Richtungswechseln (Abb. 28). Als zweiter großer Vertreter ist der alpine Skisport zu nennen. Eine absolute Spitzenposition nimmt der Fußball ein, wobei dies auch der hohen Gesamtzahl an Sporttreibenden geschuldet ist.

Abb. 28: Überblick hinischtlich der Verletzungsursachen die vordere Kreuzbandruptur betreffend

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Bei der Betrachtung des Verletzungsmechanismuses zeigte sich ein weitgehend homogenes Bild. Anamnestisch gaben die Patienten meist eine Verdrehung bzw. ein Wegknicken des Knies beim Landen an. Eben jenes Muster spiegelt sich bei der Betrachtung der Begleitverletzungen wider (Abb. 29). Als häufigste Variante stellten sich Meniskusläsion heraus, wobei Verletzungen im lateralen Kompartiment leicht überwiegen. Eine isolierte Ruptur des VKB konnte hingegen nur bei 61 Patienten festgestellt werden, vorrangig bei den unter 30-jährigen mit erstem Verletzungs-ereignis. Allerdings stellt die Summe der Knorpelschäden, sowohl femoral als auch tibial, eine nicht zu unterschätzende Begleitpathologie, insbesondere im Hinblick auf Langzeitergebnisse, dar.

Abb. 29: Begleitverletzungen der vorderen Kreuzbandruptur

Inwieweit sich der Zeitpunkt der Operation auf das Outcome auswirkt, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. 49 Patienten wurden akut (innerhalb von maximal 4 Wochen nach der Verletzung) versorgt. Gerade bei Patienten mit geringeren sportlichen Ansprüchen ist eine konservative Behandlung jedoch durchaus vertretbar und indiziert. Konstitutionelle Faktoren und Trainingsverhalten spielen im Amateur-bereich eine große Rolle. Zu berücksichtigen ist hierbei, das ein Präventionstraining oft nur unzureichend stattfindet und Verletzungen u.U. nicht in der Primärsportart erfolgen.

Schlussfolgerung Da der Mechanismus, welcher zur VKB Ruptur in Risikosportarten führt, oft ähnlich ist, sollte hier verstärkt präventiv interveniert werden. Ebenso verdienen Begleit-verletzungen eine hohe Aufmerksamkeit, da die isolierte Kreuzbandverletzung nur selten auftritt.

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Schlussbemerkung

Das vorgestellte Trainings- und Präventionskonzept zeigt angesichts der rückläufigen Muskelverletzungen bereits erste Erfolge (siehe Punkt 1). Gleichsam ist darauf hinzuweisen, dass der eigentliche Wert der vorgestellten diagnostischen und interventionellen (Therapie & Training) Maßnahmen erst mit einem gewissen zeitlichen Versatz zu beurteilen ist. Weiterentwicklungen sind vor allem im Bereich Elektromyographie (Dekomposition) und seitens der mittels Playertek erhobenen Trainings- und Wettspieldaten geplant. Hier geht es vor allem darum, auf Rohdatenbasis Algorithmen für neue Parameter zu entwickeln, die noch sensitiver Ermüdungsprozesse der Spieler anzeigen und abbilden als dies durch die systemüblichen Parameter aktuell geleistet wird. Zukünftig wird die Diagnostik von Ermüdung und Erholtheit im Sport im Allgemeinen und im Fußball im Speziellen einen sehr hohen Stellenwert einnehmen, da es diesbezüglich noch keine validen und praktikablen Lösungen gibt. Verwiesen sei an dieser Stelle auf die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Regenerations-management im Spitzensport (REGman)“, welches vom Bundesinstitut für Sport-wissenschaft initiiert wurde. Hier wurde explizit festgestellt, dass es bislang (Stand 2016) keinen validen Test respektive Parameter zur Messung von Ermüdung und Erholtheit gibt. Durch die Kooperation der Sportklinik Halle mit dem Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der MLU Halle-Wittenberg soll die wissen-schaftliche Analyse aller Maßnahmen beim Halleschen FC weiter intensiviert und verstetigt werden. Dies verpflichtet alle Akteure (Ärzte, Trainer, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler), wissenschaftliche Standards einzuhalten, was im Sinne der Qualitätssicherung im Verein in jedem Fall vorteilhaft ist. Geplant ist des weiteren ein monatlicher Wissens- und Gedankenaustauch innerhalb des Vereins unter der Leitung von Dr. Thomas Bartels (Teamarzt). Dieser soll dazu beitragen, alle Akteure auf dem neuesten Wissensstand zu bringen bzw. zu halten und neue Mitarbeiter schnell in das Team zu integrieren. Vor dem Hintergrund der rasanten Wissensentwicklung und der zunehmenden Technisierung von Diagnostik, Rehabilitation und Training erfährt die Etablierung dieses vereinsinternen Symposiums eine besondere Bedeutung. U.U. ist die Einladung ausgewählter Experten zu speziellen Themen in Erwägung zu ziehen. Nicht zuletzt profitiert der Verein im Rahmen der alljährlich stattfindenden Zertifizierung durch den DFB von diesen Maßnahmen. Mittel- und langfristig sollte, auch in Verbindung mit dem neu entstehenden Nachwuchsleistungszentrum, der Hallesche FC auch sportlich signifikant von diesen Anstrengungen profitieren, die sicherlich für Drittligavereine im Fußball unüblich sind.