Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie ... · grundlagen Die Neurobiologie widmet...

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15 PSYCHOLOGISCHE MEDIZIN 26. Jahrgang 2015, Nummer 1 Zusammenfassung  Die neurobiologische Forschung erweitert das Verständnis für zahl- reiche psychische Phänomene. Sie bedeutet für Veränderungsprozesse in der Psychotherapie und in der Persönlichkeitsentwicklung eine (die Ergebnisse der Psychotherapieforschung erweiternde) Bestätigung, dass effektive Psychotherapie die organische Struktur des Gehirns verändert und biochemische Regelkreise beeinflusst. Sie beinhaltet Anregungen und führt zu Umgewichtungen und veränderten Schwer- punktsetzungen, aber auch Infragestellungen bisheriger Vorgehens- weisen. Ein am erweiterten biopsychosozialen Modell orientiertes Gesamtverständnis und ein empirisch bereits bewährtes Vorgehen, das den Körper und Bewusstseinsprozesse in die Behandlung einbe- zieht und betont, darf sich besonders bestätigt fühlen. Im Rahmen einer bewusstseinszentrierten und verkörperten Beziehung ist eine be- wusste Gestaltung der therapeutischen Situation unter Einbeziehung aller Sinnesorgane, der Affekte und der Motorik sinnvoll und mög- lich. Aus einer empirischen Perspektive ergibt sich selbst angesichts der häufig inkonsistenten Forschungsergebnisse der Neurobiologie ein erweitertes Gesamtbild zur Entstehung von Mustern der Kogniti- on, des Erlebens und Verhaltens und zum Verständnis psychosomano- etischer Zusammenhänge und eine noch plausiblere Notwendigkeit, Bewusstseinsprozesse und den Körper in psychotherapeutischen Be- handlungen bewusster zu berücksichtigen und einzusetzen. In dem Beitrag werden im ersten theoretischen Teil relevante neurobiologi- sche Forschungsergebnisse aufgelistet und mögliche Hypothesen und im zweiten Teil plausible Konsequenzen für eine ganzheitliche Praxis aufgeführt. Schlüsselwörter Neurobiologie und Bewusstseinszentrierte Körperpsychotherapie, Achtsamkeit, Gewahrsein, Therapie und Individuation, psychosoma- noetische Medizin. Bewusstseinsprozesse und Körper in der  Psychotherapie – neurobiologische Aspekte Christian Gottwald Einführung Die von dem Verfasser im Rahmen einer psychosomanoetischen (griechisch: Soma gleich Körper, Nous gleich Geist) Praxis auf dem Boden eines biopsychosozialen Krankheitsverständnisses entwickelte bewusstseinszentrierte Körperpsychotherapie und Individuationsarbeit bezieht sich philosophiegeschichtlich auf die Prinzipienlehre Platons und versteht sich in einer kulturge- schichtlichen Tradition mit der antiken Heilkultur der Asklepiei- en. Die Arbeitsweise integriert plausible Konsequenzen aus Ergebnissen naturwissenschaftlicher, insbesondere neurobiolo- gischer Forschung. In einer 40-jährigen psychosomatischen Praxis und der Begleitung von Individuationsprozessen konnten zahlreiche Langzeitverläufe in Gruppen- und Einzelbehandlun- gen begleitet und beobachtet werden. Der Blick aus dieser Pers- pektive auf die Hirnforschung ergab ein sehr sinnvolles und zu- sammenhängendes Bild, das zu plausiblen Konsequenzen in der Praxis führte und dort immer neu überprüft wurde und dann zu einigen hier vorgestellten Hypothesen und plausiblen Konse- quenzen für die Arbeit führte. Grundlagen Die Neurobiologie widmet sich der Erforschung des Gehirns. Das junge Wissensgebiet ist noch sehr im Fluss. Eine umfas- sende Theorie („science of mind and brain“), die dem hoch- komplexen Geschehen im Gehirn gerecht werden könnte, exis- tiert nicht. Es ergeben sich angesichts der immensen Fülle der Studien (weit über 1,7 Million in den letzten 4 Jahren!) immer häufiger in Facetten widersprüchliche Ergebnisse auf den un- terschiedlichen (molekularen, zellulären, strukturellen und anatomischen) Ebenen der Untersuchungen. Die neurobiologi- sche Forschungswirklichkeit ähnelt einer Wand mit vielen kleinen Löchern vor einem dahinter liegenden weiten Panora- ma. Jedes Loch, durch das man schaut, zeigt andere Aspekte des Gemäldes. Je nach Perspektive und Interessenlage wird die Fülle der Befunde sehr unterschiedlich und manchmal auch willkürlich gedeutet und mitunter zu hirnmythologischen Vor- stellungen ausgebaut. Aktuellere Darstellungen zahlreicher für die Psychotherapie relevanter Befunde aus der neurobiologischen Forschung und ihre Konsequenzen für die therapeutische Praxis sind bei Bauer 2002, 2005, 2006, Beutel et al. (2003), Beutel (2008), Cozolino (2003), Grawe (2004), Georg Juckel mit Marc-And- reas Edel (2014), Levin (2003), Roth und Strüber (2014), Rüegg (2011), Schiepek (2011), Schubert (2014), Siegel (2000, 2014)) und Solms und Turnbull (2002) zu finden. Die jeweils referierten, in ihrer Vielzahl kaum zu überschauenden Studien über korrelierte neurobiologische und psychotherapeutische Einzelfaktoren sind inkonsistent und widersprüchlich. Insofern verwundert es nicht, dass der selbst neurobiologisch forschen- de Günther Schiepek in den Forschungsergebnissen wenig

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zusammenfassung 

Die neurobiologische Forschung erweitert das Verständnis für zahl-reiche psychische Phänomene. Sie bedeutet für Veränderungsprozesse in der Psychotherapie und in der Persönlichkeitsentwicklung eine (die Ergebnisse der Psychotherapieforschung erweiternde) Bestätigung, dass effektive Psychotherapie die organische Struktur des Gehirns verändert und biochemische Regelkreise beeinflusst. Sie beinhaltet Anregungen und führt zu Umgewichtungen und veränderten Schwer-punktsetzungen, aber auch Infragestellungen bisheriger Vorgehens-weisen. Ein am erweiterten biopsychosozialen Modell orientiertes Gesamtverständnis und ein empirisch bereits bewährtes Vorgehen, das den Körper und Bewusstseinsprozesse in die Behandlung einbe-zieht und betont, darf sich besonders bestätigt fühlen. Im Rahmen einer bewusstseinszentrierten und verkörperten Beziehung ist eine be-wusste Gestaltung der therapeutischen Situation unter Einbeziehung aller Sinnesorgane, der Affekte und der Motorik sinnvoll und mög-lich. Aus einer empirischen Perspektive ergibt sich selbst angesichts

der häufig inkonsistenten Forschungsergebnisse der Neurobiologie ein erweitertes Gesamtbild zur Entstehung von Mustern der Kogniti-on, des Erlebens und Verhaltens und zum Verständnis psychosomano-etischer Zusammenhänge und eine noch plausiblere Notwendigkeit, Bewusstseinsprozesse und den Körper in psychotherapeutischen Be-handlungen bewusster zu berücksichtigen und einzusetzen. In dem Beitrag werden im ersten theoretischen Teil relevante neurobiologi-sche Forschungsergebnisse aufgelistet und mögliche Hypothesen und im zweiten Teil plausible Konsequenzen für eine ganzheitliche Praxis aufgeführt.

schlüsselwörter

Neurobiologie und Bewusstseinszentrierte Körperpsychotherapie, Achtsamkeit, Gewahrsein, Therapie und Individuation, psychosoma-noetische Medizin.

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische AspekteChristian Gottwald

einführung

Die von dem Verfasser im Rahmen einer psychosomanoetischen (griechisch: Soma gleich Körper, Nous gleich Geist) Praxis auf dem Boden eines biopsychosozialen Krankheitsverständnisses entwickelte bewusstseinszentrierte Körperpsychotherapie und Individuationsarbeit bezieht sich philosophiegeschichtlich auf die Prinzipienlehre Platons und versteht sich in einer kulturge-schichtlichen Tradition mit der antiken Heilkultur der Asklepiei-en. Die Arbeitsweise integriert plausible Konsequenzen aus Ergebnissen naturwissenschaftlicher, insbesondere neurobiolo-gischer Forschung. In einer 40-jährigen psychosomatischen Praxis und der Begleitung von Individuationsprozessen konnten zahlreiche Langzeitverläufe in Gruppen- und Einzelbehandlun-gen begleitet und beobachtet werden. Der Blick aus dieser Pers-pektive auf die Hirnforschung ergab ein sehr sinnvolles und zu-sammenhängendes Bild, das zu plausiblen Konsequenzen in der Praxis führte und dort immer neu überprüft wurde und dann zu einigen hier vorgestellten Hypothesen und plausiblen Konse-quenzen für die Arbeit führte.

grundlagen

Die Neurobiologie widmet sich der Erforschung des Gehirns. Das junge Wissensgebiet ist noch sehr im Fluss. Eine umfas-sende Theorie („science of mind and brain“), die dem hoch-

komplexen Geschehen im Gehirn gerecht werden könnte, exis-tiert nicht. Es ergeben sich angesichts der immensen Fülle der Studien (weit über 1,7 Million in den letzten 4 Jahren!) immer häufiger in Facetten widersprüchliche Ergebnisse auf den un-terschiedlichen (molekularen, zellulären, strukturellen und anatomischen) Ebenen der Untersuchungen. Die neurobiologi-sche Forschungswirklichkeit ähnelt einer Wand mit vielen kleinen Löchern vor einem dahinter liegenden weiten Panora-ma. Jedes Loch, durch das man schaut, zeigt andere Aspekte des Gemäldes. Je nach Perspektive und Interessenlage wird die Fülle der Befunde sehr unterschiedlich und manchmal auch willkürlich gedeutet und mitunter zu hirnmythologischen Vor-stellungen ausgebaut. Aktuellere Darstellungen zahlreicher für die Psychotherapie relevanter Befunde aus der neurobiologischen Forschung und ihre Konsequenzen für die therapeutische Praxis sind bei Bauer 2002, 2005, 2006, Beutel et al. (2003), Beutel (2008), Cozolino (2003), Grawe (2004), Georg Juckel mit Marc-And-reas Edel (2014), Levin (2003), Roth und Strüber (2014), Rüegg (2011), Schiepek (2011), Schubert (2014), Siegel (2000, 2014)) und Solms und Turnbull (2002) zu finden. Die jeweils referierten, in ihrer Vielzahl kaum zu überschauenden Studien über korrelierte neurobiologische und psychotherapeutische Einzelfaktoren sind inkonsistent und widersprüchlich. Insofern verwundert es nicht, dass der selbst neurobiologisch forschen-de Günther Schiepek in den Forschungsergebnissen wenig

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oder auch grob vereinfachten oder gar falschen neurobiologi-schen Metaphern in der Praxis führen. Sie werden heutzutage jedoch in jedem Fall von den Patienten (beispielsweise als Pla-cebo) leichter angenommen als manche psychologische Theo-rien. Einige der für psychotherapeutische Prozesse sehr wesentli-chen Erkenntnisse der Neurobiologie, beispielsweise zum kre-ierten Wesen unserer erlebten Welt, sind zwar schon lange klar erkannt, aber in ihren Konsequenzen längst nicht im allgemei-nen Bewusstsein oder in der psychotherapeutischen Praxis an-gekommen. Neurobiologische Forschungsergebnisse enthalten einleuchtende Hinweise, warum und wie Psychotherapie wirk-sam ist oder warum Schwierigkeiten dabei auftauchen. Sie ent-halten häufig kreative und sinnvolle Anregungen für die Ar-beit. Daraus erwachsen Modellvorstellungen, Hypothesen und praktische Konsequenzen für die psychotherapeutische Arbeit, die neue Impulse und sinnvolle Umgewichtungen in Verände-rungsprozessen beinhalten.Im Rahmen dieses Beitrags sollen für eine den Körper und Be-wusstseinsprozesse einbeziehende psychosomanoetische Pra-xis wichtige, weitgehend gesicherte neurobiologische For-schungsergebnisse, aber auch einige Aspekte aus neueren Studien vereinfachend aufgegriffen und pragmatisch auf ihre Relevanz für eine solche Praxis untersucht werden. Plausible aus der praktischen Perspektive auf die Neurobiologie erwach-sende Hypothesen und Perspektiven werden formuliert.

Einige neurobiologische Forschungsergebnisse und Model-le können manche Phänomene im Alltag und in psychothe-rapeutischen Veränderungsprozessen manchmal einleuch-tender erklären als vertraute psychologische Modelle.

Bestätigung der Psychotherapie

Es besteht nicht nur aus der Sicht der Psychotherapieforschung (beispielsweise Baxter et al. 1992, Brody 1998, 2001, Furmark 2002, Goldapple 2002, Paquette et al. 2003) sondern auch von Seiten der Hirnforscher kein vernünftiger Zweifel daran, dass Psychotherapie wirkt und auf längere Sicht sogar einer reinen Psychopharmakotherapie überlegen ist (Lambert 2013, Ben-ecke 2014). Zahlreiche Studien zeigen, dass und ansatzweise auch wie die verschiedenen Psychotherapieverfahren eine Mo-dulation der neuronalen Aktivität in verschiedensten Regionen und neuronalen Netzwerken des sich selbst organisierenden Gehirns und der verschiedenen Regelkreise von Hormonen, Neuromodulatoren, Neurotransmitter und Elementen der Im-munabwehr bewirken und langfristig veränderte Fühl-, Denk-, und Handlungsgewohnheiten unterstützen können. (Schubert 2014, Roth und Strüber 2014). Da das Gehirn lebenslang ein soziales Organ ist passiert das vor allem im Kontakt, zum Bei-spiel auch im Rahmen von Gruppensychotherapie. Jedes psychische und soziale Geschehen ist unabdingbar an die Aktivität kortikaler und subkortikaler limbischer Zentren und deren Wechselwirkungen gebunden. Bei psychischen Er-krankungen ergeben sich Veränderungen wichtiger Zentren und Verbindungen von Regionen untereinander, wie beispiels-weise den Amygdalae, des Nucleus accumbens, des Hippo-

Christian Gottwald

Nutzen für die psychotherapeutische Praxis erkennen kann (Schiepek 2011). Zur Deutung von Zusammenhängen zwischen den höchst komplexen Disziplinen Neurobiologie und Psychotherapie gibt es ernst zu nehmende wissenschaftstheoretische Einwän-de. Die reduktiven Annahmen über das Funktionieren lebender Systeme werden inzwischen klarer hinterfragt. Viele der in der Forschung auftauchenden psychologischen und behand-lungstechnischen Konstrukte wie „Bewusstsein“, „Aufmerk-samkeit“, „Gefühl“, „Ich“ oder psychotherapeutische Interven-tionsweisen sind nach den geltenden wissenschaftlichen Kriterien nicht klar genug definiert und damit schwer zu ope-rationalisieren. Die Untersuchungssituation psychotherapeuti-scher Behandlung zeichnet sich durch eine Vielzahl komplexer emotionaler und kognitiver Elemente aus. Sie lassen sich eben-so wie die begleitenden Körpervorgänge kaum oder nur schwer differenzieren (Villmann et al. 2011). Die Zuordnung von ein-zelnen Regionen des Gehirns zu irgendwelchen Erlebniswei-sen oder Funktionen, die in den Darstellungen der bildgeben-den Verfahren so evident wirkt, wird inzwischen in Frage gestellt. Es handelt sich bei derartigen Zusammenhängen le-diglich um Korrelationen, die immer einer Interpretation be-dürfen im Ganzen eines interagierenden und integrierten Ge-samtsystems aus anatomischen Strukturen und anderen, wie zum Beispiel biochemischen Einwirkungen. Diese Komplexi-tät findet sich nicht annäherungsweise in den hirnmythologi-schen Vereinfachungen, derer sich die übliche psychotherapeu-tische oder verhaltenstherapeutische Fachliteratur immer häufiger bedient. Ihnen unterliegt häufig ein cartesianisches, heillos mechanistisches Modell, in dem wie in einem Auto ver-schiedene (in einer Hirnregion beheimatete) Aggregate andere Aggregate (in anderen Hirnregionen) beeinflussen und irgend-welche vorhersehbaren Auswirkungen auf die Psyche haben. Jedes Aggregat ist in diesen Vorstellungen eine in sich relativ geschlossene Einheit und beinhaltet relativ autonom bestimm-te Funktionen und Auswirkungen: „das Areal X erzeugt das Gefühl Y“. Die Ergebnisse der neurobiologischen Studien machen aller-dings Sinn, wenn man als Praktiker einen ganzheitlichen Bezug zur eigenen psychotherapeutischen Erfahrung und der daraus erwachsenen Perspektive und Konzeptualisierung be-hält (und sich hoffentlich darüber im Klaren ist, wie unendlich komplexer die sich selbst organisierende Einheit unserer Per-son und unseres Gehirns eigentlich ist). Ein solcher Blick auf die komplementären Themen der Hirnforschung und die darin enthaltenen strukturellen Parallelen kann ein sinnvoll erweiter-tes und tiefenschärferes Bild der Hirnforschung und der eige-nen Praxis eröffnen. Bei dieser Betrachtungsweise wird die Fähigkeit des Gehirns genutzt, Regeln aus einer Überfülle von höchst komplexen Informationen zu extrahieren und subjektiv gefärbt Sinn und Bedeutung zu stiften und ein immer neues Gesamtbild zu erschaffen statt in verwirrenden Details neuro-biologischer Forschung verloren zu gehen. Die erstaunliche Fähigkeit, aus dem Bauchgefühl statt aus kognitiven Analysen zu besseren Beurteilungen komplexer Zusammenhänge zu kommen, wurde übrigens von Dijksterhuis und Dijksterhuis et al. 2006 am Beispiel einfach strukturierter oder komplexer Kaufentscheidungen gezeigt. Ein solches Gesamtbild von der Hirnforschung kann entweder ganz pragmatisch zu sinnvollen

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lung von traumatischen Erfahrungen, die besonders in den Ker-nen der Amygdala verankert werden. Veränderungen können nicht durch ein sprachlich vermitteltes Bewusstmachen bewirkt werden, sondern nur über die im limbischen System generierte emotionale Erlebnisebene (Roth 2001, 2014). Selbstverständ-lich haben auch Worte eine physische Auswirkung im Gehirn. Sie könnten sonst gar nicht empfangen werden.Immer mehr Studien verweisen auf die grundlegende Bedeu-tung des Körpers, des Bewusstseins, der Affekte, der Emo-tionen und der Gefühle für die Kognition und das Handeln (Niedenthal et al. 2005, Damasio und Kober 1999 , Damasio 2001,Harmon-Jones und Peterson 2009). Menschliches Erle-ben ist immer eine sensomotorisch-affektive Einheit.

Den Körper und einen bewussten Umgang mit Bewusst-seinsqualitäten in Veränderungsprozesse einzubeziehen ist nun mehr als nahe liegend. Das gestaltet die therapeutische Situation, indem bewusste, sprachliche Konzepte überschritten werden, alle Sinnesor-gane, die Affekte und die Motorik hereingenommen und da-raus umfassende Informationen empfangen werden. Wechselseitige achtsame Körperresonanz in Gruppen- und Einzelbehandlungen öffnet gegenüber der mit mentalen Konstrukten überfrachteten Sprache einen leichter und un-mittelbarer zu gehenden Weg zur erfahrenen Gegenwart und der darin enthaltenen impliziten Geschichte.

Körper-seele-geist-einheit

Die cartesianische Trennung zwischen Körper und Geist ist na-turwissenschaftlich nicht mehr haltbar. Die Körper-Seele-Geist Einheit beinhaltet die Kernvorstellungen des erweiterten bio-psychosozialen Modells (Egger 2005). Bewusstsein, Wahrneh-mung und Kognition, Verhalten und psychisches Erleben werden aus neurobiologischer Sicht nicht allein von der Groß-hirnrinde bestimmt, sondern von ihrem Zusammenspiel mit den Netzwerken des Stamm-, Mittel- und Zwischenhirns. Dazu kommen die Einwirkungen aus den Körpersignalen, aus den Nervenzellen des Darmes („Bauchgehirn“), der Neurotrans-mitter und der Hormone im Blut, die ihrerseits in Wechsel-wirkung mit dem Immunsystem stehen, vermittelt durch den assoziativen Kortex. Die Trennung zwischen organisch und psychisch bedingten Leiden lässt sich nicht weiter aufrechthal-ten. Einwirkungen auf eine dieser Ebenen hat unweigerlich Veränderungen der anderen Ebenen zur Folge. Auf diese Ein-flussmöglichkeiten durch jede dieser Ebenen wird in dem Bei-trag eingegangen.

Auf die mit ihrer Umgebung verschränke Körper-Seele-Geist-Einheit kann von jeder ihrer Ebenen aus therapeutisch eingewirkt werden. Das Potential dieser Möglichkeiten ist in den meisten psychotherapeutischen Richtungen nicht an-nähernd ausgeschöpft. Eine bewusstsseinszentrierte körperpsychotherapeutische Praxis kann nun mit wissenschaftlicher Unterstützung An-schluss nehmen, an das Verständnis der Einheit, die nicht nur in der Prinzipienlehre Platons und in den spirituellen

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

campus, des praefrontalen, also dorsolateralen, orbitofrontalen und ventromedialen Kortex, des anterioren cingulären Kortex (ACC) und der Inselregion. (Die Amygdalae werden im Folgen-den dem eingebürgerten Sprachgebrauch angeglichen Amygda-la genannt werden). Anfangs von der Norm abweichende Verän-derungen werden durch Psychotherapie „normalisiert“ (Roth und Strüber 2014). Pointiert könnte man sagen, dass insofern Psychotherapie geradezu eine Mikrochirurgie des Gehirns be-deutet. Gerhard Roth (2014) betont auf dem Boden seiner Lite-raturrecherchen und Forschungen, dass kurzzeitige Wirkungen in der Therapie sehr schnell möglich seien. Nachhaltige Wirkungen aber könnten erst durch eine Vielzahl von sinnvollen neuen Erfahrungen über einen längeren Zeit-raum entstehen, die nur Langzeittherapien bieten könnten. Erst auf diese Weise könnten die in den Basalganglien und be-sonders den Mandelkernen (Amygdala) niedergelegten Ge-wohnheiten des Fühlens, Denkens und Handelns verändert und so die Lebensqualität verbessert werden. Inzwischen gibt es viele Hinweise, dass besonders durch die Intensität von bewuss-ten und verkörperten Erfahrungen „strukturelle Veränderungen“ der Persönlichkeitsstruktur im Sinne der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) in besonderer Weise er-möglicht werden dürften. Das scheint vor Allem über Einflüsse auf die Struktur des praefrontalen Kortex (PFC) und seiner Ver-bindungen mit dem die Gefühle generierenden limbischen Sys-tem zu passieren. Der präfrontale Kortex ist von zentraler Be-deutung für zahlreiche Kompetenzen, zum Beispiel die Fähigkeit, Impulse zu kontrollieren, Frustrationen zu ertragen, Handlungen zu planen, die Folgen des eigenen Tuns abzuschät-zen, sich in andere Menschen einzufühlen, Verantwortung zu übernehmen und sich konzentrieren zu können (Hüther 2015).

grenzen der sprache und Kognition

Das Dogma, dass das Denken das Fühlen bestimme, wird von der neurobiologischen Forschung eindeutig widerlegt. Die Grenzen der Kognition und der Sprache für die Wirksamkeit von Psychotherapie sind inzwischen noch evidenter (z. B. Da-masio 2001, Spitzer 2001, Roth 1997, 2001, 2009, 2014, Le-Doux 2003). Der dorsolaterale präfrontale Kortex, der eine wichtige Rolle spielt für das Arbeitsgedächtnis und die Fähig-keit, zukünftiges Handeln gedanklich und zweckrational zu planen, hat keinen wesentlichen Einfluss auf die handlungs-steuernden limbischen, kortikalen und subkortikalen Zentren. Interessanterweise gibt es auch keine direkten Verbindungs-bahnen zwischen dem Sprachzentrum und den motorischen und sensorischen Feldern der Hirnrinde. Gerhard Roth formu-lierte 2001 vielleicht etwas zu radikal: „Sprache (...) dient (...) der Legitimation des überwiegend unbewusst gesteuerten Verhaltens vor uns selbst und vor anderen. (...) Sprachliche Kommunikation bewirkt nur dann Veränderungen in unseren Partnern, wenn diese sich aufgrund interner Prozesse der Be-deutungserzeugung oder durch nichtsprachliche Kommunikati-on mit uns bereits in einem konsensuellen Zustand befinden.“ (S. 452). Menschen werden nicht durch ihr Ich gelenkt, sondern meist unbewusst durch Affekte und Emotionen aus den tieferen Hirnstrukturen, besonders jenen des Stammhirns und des limbi-schen Systems. Am deutlichsten zeigt sich das bei der Behand-

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Unsere bewusste Erlebniswelt ist die einzige immer sub-jektive Welt, die uns direkt zugänglich ist. Insofern könn-te es klug sein, die eigene Lebenskraft für eine Veränderung dieser Welt einzusetzen statt zu versuchen, die „Außenwelt“ verändern zu wollen.

Permanente Veränderung ist angesichts der unendlichen Viel-zahl von beteiligten Faktoren (allein Trillionen von neuronalen Verbindungen und biochemischen Prozessen und erst recht in Anbetracht der beteiligten quantenphysikalischen Prozesse) un-vermeidlich, was Heraklit („Panta rei“) und die östliche Weis-heit immer schon betonte. Da diese Wirklichkeit in jedem Au-genblick neu „emergiert“, ist es naheliegend, dass sie in jedem Fall ein bisschen beeinflusst werden kann. Diese Erkenntnisse können wesentliche Grundannahmen über sich und die Welt und über eigene schöpferische Potenziale verändern. Es hilft dabei ganz pragmatisch, Patienten für kleine durch körperliche oder bewusstseinsverändernde Interventionen (siehe unten) kre-ierte Unterschiedsbildungen zu sensibilisieren.Selbst Wahrnehmungen entsprechen – wie auch die Erinnerun-gen – keineswegs einer objektiven Wahrheit. Wahrnehmung findet ohne den Körper und die Interaktion mit der Umwelt nicht statt. Wahrnehmungsmuster wurden in der frühen Umge-bung gelernt. Sie führen zu impliziten, zunächst unbewussten Modellen von Wirklichkeit. Die Einheit von Wahrnehmung und Aktion, die bereits Viktor v. Weizsäcker festgestellt hatte (Weizsäcker 1997), ist nun auf neuronaler Ebene nachgewie-sen (Roth 1997, 1999,2001, 2009, 2014). Zumindest langfristig strukturverändernde therapeutische Ver-änderungsprozesse sollten derartige Erkenntnisse und daraus resultierende erweiterte Einflussmöglichkeiten integrieren. Elemente der Grundschulung des Bewusstseins aus der spiritu-ellen Tradition werden dann vermutlich nicht nur in den von Jon Kabat-Zinn abgeleiteten Therapieverfahren eine immer größere Rolle spielen müssen.

Wenn Patienten und Klienten sich auf die Schulung ihres körperlich fundierten Bewusstseins (unter Beteiligung des praefrontalen Kortex, des anterioren cingulären Kortex und der Inselregion) einlassen, verändert es ihre Befindlichkeit und ihr Selbstbild sehr grundlegend. Alle Lebensbereiche werden von einem solchen die Fundamente unseres Daseins verändernden Wissen und Bewusstsein berührt.

Die klinische Erfahrung des Autors erweist , wie psychothera-peutische Möglichkeiten durch entsprechend inspirierte geziel-te Lernschritte und Interventionen besonders in Gruppen er-weitert werden können (Fallbeispiele aus 2 Einzeltherapien bei Gottwald 2012, 2014). Die Schnittstelle dafür ist das Hier und Jetzt.

das hier und Jetzt

Die Bedeutung des Jetzt als einzig möglichem Einflussfenster zur Veränderung wird nicht nur von Neurobiologen betont (z. B. Pöppel, 2000; Henningsen, 2000). Die bewusste Erfah-

Schulen sondern auch in der antiken Heilkultur, zum Bei-spiel in den Asklepieien, selbstverständliche Grundlage von Therapien war.

Langfristig werden Einwirkungen nicht nur über den Kör-per sondern auch über die Geistebene, also über Bewusst-seinsprozesse in ganzheitlichen biopsychosozialen Behand-lungskonzepten integriert werden.

Die folgende längst bekannte neurobiologische, die Geistebe-ne der Körper-Seele-Geist Einheit betreffende Grundlage des Erlebens ist von elementarer Bedeutung. Sie beinhaltet eine Schnittstelle zur Quantenphysik und der jahrtausendealten Tra-dition kontemplativer Praktiken.

das erleben der Welt als konstruierte  Wirklichkeit 

Die erlebte Welt wird von jedem einzelnen Menschen aus elek-trischen und chemischen Signalen in jedem Augenblick neu konstruiert. Sie emergiert auf dem Boden der Trillionen von Stoffwechselprozessen, der unterschiedlichsten Zustände in den Regelkreisen des Gehirns, der Verfassung des Körpers, der Art der Atmung usw.. Schon deswegen ist die erlebte Wirklich-keit in jeder Sekunde genau genommen immer ein wenig, häu-fig jedoch extrem unterschiedlich. Gerhard Roth formuliert 2014 in Übereinstimmung mit quan-tentheoretischen Modellen (Görnitz 2002), dass sich Geist und Bewusstsein als ein immaterielles physikalisches System ver-stehen lassen. Die Grundlage bestehe aus sich selbst organisie-renden elektromagnetischen Feldern, deren Auswirkungen sich beispielsweise im EEG zeigen. Permanent würden „men-tale Felder“ aufgebaut und eine virtuelle Gesamtwelt erschaf-fen, nämlich unser Körper, die Welt um ihn herum und Geist in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Das sei die einzige Welt, die uns zugänglich ist (Roth und Strüber 2014, Seite 240). Diese, die quantenphysikalische Betrachtungsweise einbezie-henden Ausführungen des Neurobiologen treffen sich nicht zufällig mit dem 2500 Jahre alten Wissen des Ostens und man-chen (Grals-) Legenden von Individuationsprozessen im Wes-ten. Sie haben eine fulminante Bedeutung und – wenn Men-schen diese vom üblichen Alltagsbewusstsein weit entfernte Erkenntnis begreifen – weit reichende Auswirkungen für das eigene Verständnis in der Welt, aber auch mögliche praktische Auswirkungen für alle Arten von langfristigen und grundle-genden Veränderungsprozessen. Die angenommene „Realität“ und die tatsächliche „Wirklichkeit“ sind zwei im Wesen und in der Qualität sehr unterschiedliche Systeme. Die in den Sinnes-organen zu elektrochemischen Entitäten umgewandelten Sig-nale werden im Nervensystem zu jener Wirklichkeit „konstru-iert“, von der die meisten Menschen unbefangen annehmen , dass sie der äußeren Realität entsprechen. Die phänomenale Realität existiert nicht draußen in der Umgebung, sondern sie wird durch einen mehrstufigen Transformationsprozess vom Organismus hergestellt.

Christian Gottwald

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rung der gegenwärtigen Erlebnisstruktur steht seit Fritz Perls (1973, 1976) in der Gestalttherapie, aber zunehmend auch in der Körperpsychotherapie im Zentrum der therapeutischen Be-mühungen und nicht in erster Linie das autobiografische Erin-nern. Die im Erleben des Selbst und der Umgebung auffindba-re neuronal verankerte implizite Struktur der gegenwärtigen Erfahrung enthält selbstverständlich unweigerlich viele Ele-mente der Kindheitsgeschichte. Nur diese hier und jetzt ver-körperte Vergangenheit ist wirklich. In der Gegenwart sollte insofern die Auseinandersetzung mit der in den organischen Strukturen des Gehirns codierte Vergangenheit stattfinden. In einer bewusstseinszentrierten Körperpsychotherapie können Erinnerungen vergegenwärtigt und verkörpert besonders leicht und ganzheitlich den Sinnen zugänglich gemacht werden. Hier und jetzt können die für das Belohnungssystem und die Aus-schüttung von Dopamin so wichtigen positiven und nicht erwarteten, überraschenden Ereignisse entstehen. (Erwartete positive Erfahrungen haben eine geringere oder keine Dopami-nausschüttung zur Folge!) Die in der gegenwärtigen Erfahrung und den damit verbundenen neuronalen Erregungsmustern gleichzeitig enthaltene implizite und manchmal nicht erfreuli-che Vergangenheit wird üblicherweise unbewusst grundsätz-lich mitaufgerufen (siehe unten). Die impliziten Erinnerungen können aber bewusst und deutlich beeinflusst wieder abgespei-chert werden. Dabei ist es wichtig zu wissen: Jede aufgerufene Erinnerung wird grundsätzlich und unweigerlich in veränder-ter Form abgespeichert (Nader et al. 2000, Loftus 2001).

Bewusstsein, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit

Grundsätzlich entsteht Bewusstsein, wenn das Gehirn mit kog-nitiven oder motorischen Aufgaben konfrontiert ist, für die noch keine zuständigen Nervennetze existieren. Bewusstsein entsteht, sofern im Innern des Körpers sowie in der Umwelt genügend Aufregendes passiert. Insbesondere zur Problemlö-sung und zum Lernen von Neuem braucht das Gehirn Wach-sein (Vigilanz), Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Vigilanz wird begleitet von einer gleichzeitig stattfindenden Anregung der Formatio reticularis im Stammhirn. Dieser Bereich im Stammhirn kann durch Sinneseindrücke deutlich angeregt werden. Das ist ein selbstverständlicher Bestandteil der kör-perpsychotherapeutischen Empirie. Bei äußeren Reizen entscheidet das Gehirn nach folgenden Kri-terien, ob Aufmerksamkeit und Bewusstsein eingeschaltet wer-den: Ist das Geschehnis bekannt oder unbekannt, wichtig oder unwichtig? Ist es interessant oder uninteressant? Diese Kriterien sind auch wichtig, wenn es um eine stabile und sinnvolle Wahr-nehmung geht. Gleichzeitig braucht es die Anlehnung an Be-kanntes und Vertrautes. Eine gewisse Herausforderung und ein optimales Stressniveau werden als hilfreich angesehen (u. a. bei Roth, 1997, S. 180 ff.).Ohne Aufmerksamkeit funktionieren wir unflexibel. Wir sind fixiert in den früh erlernten automatischen und folglich unflexi-blen Mustern, die im Gehirn repräsentiert, jedoch nicht mehr bewusst sind und der Habituation unterliegen. Aufmerksamkeit führt zu einer Erregung in den mit dem Fokus der Aufmerksam-keit assoziierten Neuronenverbänden in den entsprechenden Hirnarealen. Durch Aufmerksamkeit werden sie synchronisiert.

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

Das führt zu jeweils neu verbundenen Neuronenverbänden (Singer et al. 2001, Singer 2004). Aufmerksamkeit scheint ver-bunden zu sein mit einer erhöhten Aktivität des für die Ichfunk-tion und das Arbeitsgedächtnis wichtigen praefrontalen Kortex, besonders dem frontoorbitalen, ventromedialen, mediofronta-len, dem anterioren cingulären Kortex und in besonderer Weise der Inselregion, die somatosensorische Eindrücke integriert. Diese durch Aufmerksamkeit erzeugte Erregung ist eine grundlegende Voraussetzung für eine verändernde Einfluss-nahme und Voraussetzung für das Lernen von neuen Mustern, wie unter anderem schon länger Ahissar et al. (1992) in Affen-experimenten eindrucksvoll nachgewiesen haben. Ohne Auf-merksamkeit auf die zu lernenden Stimuli fanden keine Verän-derungen der kortikalen Repräsentationen statt (siehe auch Spitzer 2000, 2002, LeDoux 2003, Jenkins und Merzenich et al. 1990). Durch Aufmerksamkeit können gleichzeitig hem-mende Neuronen in ihrer Aktivität herabgesetzt werden, was zu einer Aktivitätssteigerung führt. Auch Kilgard und Merze-nich wiesen in Tierexperimenten ebenso wie schon sehr viel früher Wolf Singer et al. (2001) nach, dass Aufmerksamkeit sehr viel stärkere und dauerhaftere Veränderungen bei zu erler-nenden Tätigkeiten erzielte als wenn sie diese unachtsam und automatisch verrichteten (Kilgard und Merzenich 1998).Eine Aktivierung des praefrontalen Kortex, des anterioren Cin-gulum und der Inselregion ist also von zentraler Wichtigkeit für die Veränderung von „cell assemblies“, die durch eine gegen-wärtige Erfahrung angeregt sind. Eine Stärkung der Verbindung dieser Hirnregionen und ihres hemmenden und regulierenden Einflusses auf die Amygdala ist von eminenter Bedeutung bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen. Wie gesagt haben rein kognitive, mit dem dorsolateralen präf-rontalen Kortex zusammenhängende Einflüsse keine oder nur sehr schwache direkte Auswirkungen auf die Kerne der Amyg-dala als den Zentren der Furchtkonditionierung (Roth und Strü-ber 2014). Eine besonders im präfrontalen Kortex, des anterio-ren cingulären Kortex und der (anterioren) Insula, generierte Bewusstseinshaltung von Achtsamkeit begünstigt somit in der Psychotherapie eine Aktivierung und mögliche Veränderung von Nervenzellverbänden und ihrer Verbindung.

Aufmerksamkeit, also auch achtsames gegenwärtiges Erle-ben, muss inzwischen auf dem Boden der neurobiologi-schen Befunde ganz grundsätzlich als sehr zentrales Verän-derungsmoment angesehen werden, das als solches die Hirnstruktur eindeutig nachweisbar verändert.

Der Bedeutung von Aufmerksamkeitsprozessen wird in den verschiedenen Richtungen der Psychotherapie unterschiedlich Rechnung getragen. Viele Schulen der Körperpsychotherapie sind durch die Methoden der humanistischen Psychologie und insbesondere der Gestalttherapie beeinflusst. Die in der Ge-stalttherapie betonte „Awareness“ und die besonders von Ron Kurtz (2002) in die Psychotherapie eingebrachte und von Weiss et al. 2012, 2013 und 2015 ausführlich beschriebene Be-wusstseinshaltung der „Inneren Achtsamkeit“, aber auch die von Pesso (Pesso und Perquin 2008) so genannte „Pilotenfunk-tion“ sind Beispiele für den Umgang mit Aufmerksamkeitspro-zessen.

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Posner und Raichle beschreiben 1996 verschiedene Module von Aufmerksamkeitsnetzwerken. Diese sind selbstver-ständlich gleichzeitig abhängig von anderen biochemischen Regelkreisen, auf der Ebene der Überträgersubstanzen, zum Beispiel mit dem für die Wachheit so wichtigen Noradrenalin., Posner wies den Aufmerksamkeitsnetzwerken zunächst die Funktionen „Aufmerksamkeitsausrichtung (orienting)“, „Aufmerksamkeitsselektivität (selection)“ und „Aufmerksam-keitsaktivierung/ Daueraufmerksamkeit (alerting/ sustained at-tention)“ zu. Andere Bewusstseinsforscher kommen zu unter-schiedlichen Ergebnissen über entsprechende neuronale Netzwerke der Vigilanz, der Orientierung, der Gewichtung von Eindrücken (Salienz) und des Monitoring. Der präfrontale Kortex ist, wohl in Zusammenarbeit mit dem vorderen cingu-lären Kortex, eher für eine kontrollierte und fokussierte Auf-merksamkeit von zentraler Bedeutung. Der vordere Anteil des Cingulums leistet darüber hinaus den bedeutsamsten Beitrag zur emotionalen Bewertung der Inhalte der Aufmerksamkeit. Die Inselregion spielt bei der Integration der somatosensori-schen Eindrücke eine wichtige Rolle. Sie vermittelt zwischen außenorientierter Aufmerksamkeit und inneren körperlichen Eindrücken und gibt den äußeren Eindrücken dadurch eine be-sondere Gewichtung (und ist damit wichtigster Bestandteil eines „Salience Network“). (siehe u. a. Roth 2001, 2014, Etkin et al. 2005). Obgleich enge Verbindungen zwischen den über-schneidend definierten Aufmerksamkeitsnetzwerken bestehen, überschneiden sie sich und funktionieren keineswegs isoliert voneinander. Diese Forschungsergebnisse sind noch sehr im Fluss. Sie sensibilisieren aber für eine differenzierte Betrach-tung von diesen auch im Gehirn so unterschiedlich verarbeite-ten Aspekten des Bewusstseins, denen in der Psychotherapie per se eine große Bedeutung zukommen sollte.

Die Neurobiologie gibt Hinweise, die gleichzeitig einen immer differenzierteren Umgang mit Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsprozessen nahe legen, wie sie unter ande-rem beim Focussing und in der Hakomi-Methode und den Behandlungsmethoden, die aus den Forschungen von Jon Kabat-Zinn et al. (1985) resultieren, schon seit einiger Zeit geübt werden.

Die in den verschiedenen Modulen der Aufmerksamkeits-netzwerke im Gehirn niedergelegten Möglichkeiten der Be-einflussung von Aufmerksamkeit (z. B. den „Aufmerksam-keitsscheinwerfer“ bündeln zu können) sind auch außerhalb der spirituellen Meditationspraxis sowohl im Alltag als auch in der Psychotherapie bis zu einem gewissen Grad einer be-wussten Lenkung und Übung zugänglich.

Achtsamkeit

Jon Kabat-Zinn hatte bereits 1985 nachgewiesen, dass ein achtwöchiges Training von Achtsamkeit als einer besonderen Art von Aufmerksamkeit allein zu einer erheblichen Besserung von allen möglichen psychosomatischen Krankheiten mit spä-ter bewiesenen entsprechenden strukturellen Veränderungen im Gehirn führt. Eine Reihe von weiteren Forschungen zu Me-ditationsverfahren zeigt ein eindrückliches Veränderungspo-

Christian Gottwald

tenzial von Achtsamkeit. So führten beispielsweise Vipassana-Meditationen, die über einen langen Zeitraum hin praktiziert wurden zu einer strukturellen Verdichtung der grauen Substanz im insulären Kortex, der an der Repräsentation des körperlich-viszeralen Zustands beteiligt ist. Unter anderem stellten sich bei Langzeitmeditierenden strukturelle Veränderungen im or-bitofrontalen Kortex ein, der eine entscheidende Rolle bei der Emotionsregulation zu spielen scheint (Hölzel et al. 2011). Zahlreiche weitere Ergebnisse der Bewusstseinsforschung zur transpersonalen Psychotherapie erleben gegenwärtig einen ge-waltigen Aufschwung, sind aber zu umfangreich, um sie in diesem Rahmen ausführlicher zu referieren (Zusammenfas-sung bei Ott 2008). Dabei sind die Forschungen von Richard Davidson von besonderer Bedeutung, der festgestellt hatte, dass in Mitgefühlsmeditationen erfahrener buddhistischer Mönche ein Gammarhythmus über das ganze Gehirn zahlrei-che Netzwerke miteinander synchronisiert (Davidson 2012). Man kann spekulieren, welche Konsequenzen für das Dasein und die Kreativität aus einer solchen Synchronisation der ver-schiedensten Netzwerkstrukturen und damit assoziierter Selbstzustände resultieren können.Das Erlernen von Achtsamkeit bedeutet neben der Stärkung der mit dem präfrontalen Kortex, des anterioren cingulären Kortex, der anterioren Inselregion und der Verbindung dieser Zentren untereinander und zum limbischen System eine damit korrelierte Verbesserung der reflexiven Ichfunktion. Darüber hinaus wird eine nicht dissoziative Distanz zum regressiven Erleben intensiviert, wenn Patienten lernen können, ihr jeweils gegenwärtiges Erleben mit Worten auszudrücken, ohne die Verbindung zu diesem Erleben zu verlieren. Dieses Sprechen über das innere Erleben in Achtsamkeit wurde in der Hakomi-Methode eingeführt, auch damit Therapeuten an den inneren Prozessen des Klienten teilnehmen können (Weiss und Johan-son 2015). Die im limbischen System gegründeten Affekte und Emotionen werden dabei gleichzeitig in einer besonderen Weise geklärt und dürften dabei diese Regionen mit Neuronen-verbänden im Sprachzentrum und dem Stirnhirn synchronisie-ren. Psychodynamisch verstärkt das die Möglichkeit, bisher implizite oder prozedurale Erinnerungen bewusst zu erleben und in explizite Erinnerungen zu überführen. Tierexperimente mit Affen und der daraus erwachsene Para-digmenwechsel der Schlaganfallbehandlung von Edward Taub und die Ergebnisse der Untersuchungen von Alvaro Pasqual-Leone gaben einen weiteren Hinweis für die immensen Poten-ziale einer achtsamen und damit Prozesse vergegenwärtigen-den und verlangsamenden Begleitung für alle Arten von Musterveränderungsprozessen. Beide Forscher stellten fest, dass unerwünschte Muster erst dann verändert werden können, wenn man ermöglicht, dass automatische dysfunktionale Mus-ter gestoppt werden. Pascual-Leone meint metaphorisch, dass „Wegsperren“ gegenüber solchen Automatismen errichtet werden müssten. (Taub et al. 2006, Pascual-Leone und Hamil-ton 2001). Eine achtsame Beachtung des Hier und Jetzt führt automatisch und unweigerlich zu einer Verlangsamung und damit gleichzeitig in gewisser Weise zu einer Wegsperre ge-genüber einem bedeutsamen Aspekt eines automatischen Mus-ters. Es entsteht ein Zwischenraum zwischen der Wahrneh-mung und einer automatischen Reaktion und beinhaltet und ermöglicht weitere Veränderung.

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bilität, dass es sich lohnt, sich dieser gegenwärtig erlebten inneren Welt im Ruhezustand in einem differenzierten Ge-wahrsein bewusst zu werden, um langfristig in diesem auto-matischen halbbewußten Geschehen mitspielen zu lernen. Das verändert die neuronalen Grundlagen der einzig erleb-ten Welt und eröffnet einen fundamentalen Einfluss auf die Stimmung, das Wohl- oder Unwohlsein und den Gesund-heitszustand.

Ein derartiger Einfluss auf die umherwandernden Gedanken und der spontanen Erinnerungstätigkeit findet bei den meisten kontemplativen Praktiken statt. Ein wesentlicher Bestandteil einer solchen inneren Umorientierung besteht in einer Ausrich-tung auf die unmittelbaren Erfahrungen der körperlichen Sensationen und des Atems in der Gegenwart. Farb et al. unter-suchten 2007, welchen Einfluss eine so geartete Achtsamkeits-praxis auf die Netzwerke im Gehirn hat. Sie fanden letztlich eine Reduktion der dem Default Mode Network (DMN) assozi-ierten Erregung und eine Zunahme der Erregung in den mit der Verarbeitung körperlicher Empfindungen korrellierten (beson-ders rechten) Insula und des somatosensorischen Kortex. Die Studie postulierte daraufhin zwei selbstreferenzielle Netzwerke im Gehirn. Diese Studie ist für die Praxis einer bewusstseinszen-trierten Körperpsychotherapie von besonderer Bedeutung, weil sich empirisch bereits zeigte, dass eine solche Zentrierung auf die körperliche Empfindung drastische Einflüsse auf Selbstzu-stände wie zum Beispiel bei somatoformen Erkrankungen hat und durch Berührung und Bewegung unterstützt werden kann (siehe Fallbeispiele bei Gottwald 2012, 2014).

Eine Schulung von Bewusstseinsprozessen, also ein Wissen um das Potenzial von Aufmerksamkeitslenkung, Präsenz, Achtsamkeit und Gewahrsein ist für strukturverändernde psychotherapeutische Prozesse besonders nahe liegend

Diese Gesichtspunkte finden ansatzweise bereits in der Psy-choanalyse und entschiedener in der Verhaltenstherapie Ein-gang. So betont der Psychoanalytiker und Neurobiologe Beutel (2008), dass psychotherapeutische Prozesse durch „in-sightfullness“ begleitet werden sollten. In der Verhaltensthera-pie existieren eine Reihe von Ansätzen, die Achtsamkeitspra-xis integrieren, zum Beispiel die Dialektisch-Behaviorale Therapie DBT (Linehan, 1993), Acceptance and Commitment Therapy (Pankey & Hayes, 2003) und Mindfulness Based Co-gnitive Therapy (Teasdale et al. 1995, Segal et al. 1996,Teas-dale et al. 2000, Segal et al. 2002). Diese Ansätze scheinen be-sonders hilfreich zu sein bei der neurobiologisch nachweisbar erfolgreichen Behandlung von Angst und Depression (zum Beispiel Farb et al. 2010, Farb et al. 2012), aber auch bei chro-nischen Schmerzen, Essstörungen und Suchterkrankungen (Williams et al. 2008, Grossmann et al. 2004). Behandlungen wie die posttraumatische Belastungsstörung profitieren aus praktischer Erfahrung des Autors besonders. Auch Yoga wird als körpertherapeutisches Achtsamkeit integrierendes Verfah-ren inzwischen in dem beschriebenen Sinne genutzt (Saeed et al. 2008).

Es darf inzwischen mit Nachdruck angenommen werden, dass ganzheitliche Psychotherapie in einer Bewusstseins-haltung von Achtsamkeit ihr Potenzial von Einwirkungs-möglichkeiten aus unterschiedlichsten psychotherapeuti-scher Schulen voller entfaltet.

In jedem Moment ergeben sich gedankliche, emotionale und physiologische mit dem Gehirn und seinen Regelkrei-sen verknüpfte („somatische Marker“) Rückmeldungen aus gemeinsam kreierten „Probeerfahrungen“ in der Therapie.

In einer achtsamen Bewusstseinshaltung führen neue mög-lichst intensive Erfahrungen in Gruppen- und Einzeltherapi-en zu einer nachhaltigeren Transformation des Erlebens und Verhaltens.

Durch Achtsamkeit können regressive Prozesse eingrenzba-rer bleiben und Klienten sich sicherer fühlen.

Ein wesentlicher Aspekt von Achtsamkeit ist die nicht werten-de Grundhaltung. Im Buddhismus wird sie mit Mitgefühl kom-biniert. Dieses Mitgefühl kann sich auch auf die eigene Person beziehen. Es gibt zunehmende Hinweise dafür, dass diese Hal-tung einen Zugang zu Wohlsein oder gar eudaimonischen Er-fahrungen sein kann. Selbstkritische Haltungen hingegen sind mit Angst und Depression korreliert (Barnard, L. K., & Curry, J. F. 2011). Inzwischen wird Mitgefühl mit sich selbst eingeübt und die daraus resultierende positive Auswirkung untersucht (Neff. & Germer 2012). Eine weitere spannende Forschungsrichtung zum „Default Mode Network“ (DMN) sollte unbedingt erwähnt werden. Dabei wird die Eigenaktivität der Regionen des Gehirns in passiven Ruhezuständen („resting states“) ohne spezifische Außenstimulation und bei Entlastung von allen Aufgaben, un-tersucht (Raichle et al. 2001, Raichle und Schnyder 2007). In dieser Daseinsqualität wird eine hohe Aktivität in Mittellinien-strukturen des Gehirns festgestellt, während beispielsweise die mit Narrativen verbundenen Gedanken ungerichtet umher wandern oder besonders soziale Erinnerungen und Fantasien mit ihren Bewertungen und Kommentaren und Vergleichen halb bewusst wiedergekäut werden. Diese Qualität dürfte bei vielen Menschen die Qualität ihres Daseins in Ruhe bestim-men und in großen Zeiträumen des Lebens erlebt werden. Un-weigerlich hat dieses Erleben Auswirkungen auf die entspre-chenden neuronalen Netzwerke. Durch die Routine dieser Vorgänge wiederholt sich diese einzig erlebte Welt immer wie-der, beeinflusst die Stimmung, das innere Wohl- oder Unwohl-sein und insgesamt den Gesundheitszustand. Üblicherweise sehen Menschen diese Erlebnisqualitäten nicht als bemerkens-wert an. Sie unterscheiden dabei nicht, ob sie gerade denken oder unbewusst in Fantasien oder Erinnerungen schwimmen oder ob sie mit ihrem Körper, ihren Sinnen und Gefühlen, also der unmittelbaren Erfahrung, die im somatosensorischen Kor-tex, der Inselregion und in tieferen limbischen Hirnstrukturen in Verbindung mit assoziativen Kortexarealen generiert wird, verbunden sind.

In der Praxis und aus neurobiologischen Forschungsergeb-nissen ergibt sich eine wachsende Evidenz und hohe Plausi-

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

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kann aber nur begrenzt mithelfen bei einer strukturverändern-den Arbeit, die das limbische System und dabei den insulären Kortex und die Ebene der Hormone, Neurotransmitter und Neuromodulatoren Dopamin, Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), Serotonin, Noradrenalin, Acetylcholin und besonder-sOxytocin einbeziehen muss (Roth und Strüber 2014). Panksepp geht 2009 ausführlich und zusammenfassend auf die-ses „Beziehungs– oder Bindungshormon“ Oxytocin ein, das auf unsere Befindlichkeit stark einwirkt und mit so vielen ande-ren biochemischen Regelkreisen verschränkt ist . Dieses Neuro-peptid, das bei der Geburt, beim Orgasmus und überhaupt bei Berührungen ausgeschüttet wird, verstärkt nicht nur das Bin-dungserleben und Bindungsverhalten von Partnern, sondern auch das Wohlgefühl. Diese Substanz scheint im Übrigen die Grundlage monogamen Verhaltens wie auch des elterlichen Fürsorgeverhaltens zu sein. Es wird aber auch in allen guten so-zialen Bezügen generiert (Uvnäs-Moberg 1997, 2003). Ein verringerter Oxytocinspiegel liegt häufig bei depressiven Erkrankungen vor. Weil Oxytocin die Aktivität des Dopamin-systems moduliert, könnte es der allgemeinen Lustlosigkeit (Anhedonie) depressiver Menschen entgegenwirken und das verkümmerte Verlangen nach sozialer Interaktion verbessern. Es kann die Freisetzung endogener Opioide stark erhöhen und dadurch körperliche wie seelische Schmerzen lindern. Beson-ders wichtig ist seine antagonistische und beruhigende Wirkung auf Angst und Stress, indem es die Freisetzung von Stresshor-monen und so das Belastungsgefühl und den Leidensdruck ver-mindert. Durch seinen Einfluss auf das Serotoninsystem kön-nen Grübeleien, Schuldgefühle und Reizbarkeit abnehmen (Bauer 2006, Roth und Strüber 2014). Weiterhin schärft es die Wahrnehmung für das Gegenüber (Domes et al. 2007). Oxyto-cin hat unter Anderem deutliche Auswirkungen auf das unten näher beschriebene Bewertungs- und Belohnungssystem.

Nicht kognitive sondern emotionale Umstrukturierung ist für eine Veränderung der psychischen Struktur notwendig.

Bewusstsseinszentrierte körperpsychotherapeutische Be-handlungen erleichtern in besonderer Weise den Zugang zu Affekten, Emotionen, Gefühlen und somatischen Markern. Über starke emotionale und häufig wiederholte soziale Er-fahrungen werden die durch frühkindliche Bindungserfah-rungen im limbischen System entstandenen emotionalen Konditionierungen nachhaltig verändert.

Das bei Berührungen besonders stark ausgeschüttete Oxy-tocin dürfte ein bedeutsamer Wirkfaktor in der Gruppen- und Einzeltherapie sein.

Wechselwirkungen der gefühle, Affekte und emotionen mit dem Körper

Insbesondere Körperpsychotherapeuten haben lange klinische Erfahrung, wie durch die bewusste Verbindung zum Körper Emotionen gezielt aufgerufen und für die therapeutische Ar-beit genutzt werden können, und wie die tiefere emotionale Gestimmtheit beeinflusst werden kann. Dass zwischen der körperlichen Verfassung und den Affekten, Gefühlen und Vor-stellungen Wechselwirkungen bestehen, gehört zu den Grund-

In langfristigen strukturverändernden Therapien erst recht aber in der Begleitung von Individuationsprozessen ist es möglich, die Natur der erlebten Welt und ihre quantentheo-retischen Hintergründe mindestens metaphorisch zu begrei-fen, und anschließend intensivere Veränderungsmöglichkei-ten über die Geistebene der Körper-Seele-Geist Einheit zu nutzen.

Bewusstseinsprozesse können durch Elemente aus der Grundschulung spiritueller Methoden erweitert und immer weiter differenziert werden. Seinsqualitäten bis hin zu einem reinen Gewahrsein (tibetisch: „Rigpa“) können auch bei uns im Westen erfahren werden. Dabei eröffnet sich eine Transformationsmöglichkeit, die in transpersonalen Psy-chotherapien angestrebt wird (das Grundprinzip und eine Fallvignette dazu bei Gottwald 2012).

Der nächste Abschnitt betrifft die seelische Ebene der Körper-Seele-Geist Einheit und betrifft die Verbindung zwischen Kör-per und Geist.

emotion, Affekt, gefühl

Es gibt leider keine Einigung zur Definition dieser Begriffe. Die untrennbar mit dem Körper verbundenen Gefühle sind besonders leicht zugänglich und spielen in einer körperpsycho-therapeutischen Arbeit eine zentrale Rolle. Erlebnisqualität, Wahrnehmung, Verhalten, besonders aber auch Denken, Erin-nerung, Wille und Entscheidungen werden von Emotionen be-stimmt. Auch auf die körperliche Gesundheit und den Zustand des Immunsystems hat die emotionale Befindlichkeit großen Einfluss. Sie ist, so Damasio, die primär nicht bewusste Grund-lage des Erlebens, deren Anzeichen allerdings von anderen Menschen von außen gesehen werden können („e-motion“). Die Arbeiten besonders von Panksepp (2009), Izard (1991, 1992), Damasio (2001) und LeDoux (2001 2003) sind dafür wegweisend.Affekte, Emotionen und Gefühle finden Ausdruck in Mimik und Haltung und können über den Körper, also über Bewe-gung und Berührung beeinflusst werden (zur sogenannten Em-bodiment- Forschung siehe Niedenthal et al. 2005 und Har-mon-Jones und Peterson 2009). Damasio zeigte, wie das Erfahrungsgedächtnis durch körperliche Signale bei der Ent-scheidungsfindung hilft. Er beschrieb ein automatisches kör-pereigenes System zur Bewertung von Vorhersagen und mög-lichen Entscheidungen auf Grund von Signalen der Rezeptoren in Organen und Gelenken und von komplexen Regelkreisen, die durch Hormone des Stresssystems, durch Geschlechtshor-mone (Testosteron und Östrogene), durch Schilddrüsenhormo-ne und zahlreiche weitere Neuropeptide mitbestimmt werden (Damasio und Kober 1999, Pert C 1999). Damasio (1996) nennt dieses System somatische Marker. Besonders bei der Vorstel-lung verschiedener Handlungsalternativen geben die somati-schen Marker eine durch bisherige Erfahrungen bestimmte Rückmeldung, die dem im Entscheidungsprozess befindlichen Menschen helfen, indem sie zunächst alle emotional nicht trag-baren Handlungsmöglichkeiten ausschließen. Die kognitive sprachliche Ebene ist zwar sehr flexibel und auch wirksam, sie

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Belohnungssystem

Im Nervensystem muss von Moment zu Moment entschieden werden, welche Aufgaben anzugehen sind. Mithilfe des Beloh-nungssystems wird erkannt, ob eine Umgebung erstrebenswer-te Ziele enthält, für die man sich mobilisieren könnte. Dazu braucht es eine ausreichende intrinsische Motivation, die sich auf entsprechende Erinnerungen stützt. Emotionale Bewertun-gen, gewonnen aus neuen belohnenden Erfahrungen, bestim-men, was im Gedächtnis abgespeichert wird. Sie erzeugen eine Erregung im Belohnungssystem. Es befindet sich im Mittel-hirn. Bedeutende Anteile sind die ventrale tegmentale Region, das Striatum und der Nucleus accumbens. Die wichtigsten da-zugehörigen Überträgersubstanzen sind das die Motivation un-terstützende Dopamin und körpereigene Wohlsein und Lust generieren Opiate (Encephaline und Endorphine). Ein aktives Belohnungssystem hat Einfluss darauf, sich wohl befinden, sich konzentrieren zu können, motiviert und handlungsfähig zu sein. Es wirkt ein auf die Transkription von Genen und die Schmerzempfindlichkeit, es stärkt das Immunsystem. Wenn keine Chance auf soziale Belohnung besteht, wird das Beloh-nungssystem inaktiv, und arbeitet wieder, wenn Wertschätzung und Liebe möglich werden (Bauer 2006, Roth 1997, 1999, 2001, 2009, 2014)). Ist es aktiv, kann der parasympathische Teil des Nervus vagus mit dem „sozialen Engagementsystem“ die Führung übernehmen und Kontakt und heilsame Einfluss-nahmen unterstützen (Porges 2007, 2010).Verkörperter Kon-takt hat dabei eine unmittelbare und besonders starke Motivati-on zur Folge, nicht zuletzt wegen der Ausschüttung der das Lernen unterstützenden Substanzen wie Dopamin, endogene Opiate und besonders auch des Wachstumsfaktors BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor). BDNF erleichtert Lern-prozesse und Kognition durch sein neuroplastisches, neurona-les Wachstum und Verbindungen unterstützendes Potenzial.

Positive, verkörperte und sinnenhafte Neuerfahrungen geben dem Belohnungssystem einen deutlich intensiveren Anstoß als rein verbale Zuwendungen. Körperlicher Kontakt in Gruppen- und Einzeltherapien er-zeugt dabei eine unmittelbare und besonders starke Motiva-tion.

stresssystem

Dieses große Regelsystem, dessen wichtigste Überträgersubs-tanzen Adrenalin und Noradrenalin sind, wirkt gegenläufig zum Belohnungssystem. Es umgreift Anteile im Hirnstamm und im Hypothalamus und die Nebennieren und bestimmt das Kampf-Flucht-Verhalten über den sympathischen Anteil des autonomen Nervensystems. Ein wesentlich bestimmender Faktor des Stresssystems sind die Mandelkerne, die Amygdala. Sie sind besonders bedeutsam für die in Emotionen und soma-tischen Markern enthaltene Gewichtung im Zusammenhang mit Belohnung und Bestrafung. Stress befördert die Ausschüt-tung von Noradrenalin, Dopamin, von CRF (Corticotropin Re-leasing Faktor) und Cortisol. Ist er überwältigend, engt sich die Wahrnehmung ein, kreative Offenheit verschwindet.

annahmen der Körperpsychotherapie und wird seit langem auch neurobiologisch erforscht. Auf diese Zusammenhänge machten bereits Izard (1991,1992), Ekman et al. (1996, 1974) und Damasio und Kober (1999) aufmerksam. Letztere zeigten, dass wir auch durch Vorstellungen und Erinnerungen gegen-wärtige Erfahrungen und daraus resultierende Handlungsbe-reitschaften erzeugen können (Damasio und Kober 1999), und nannte diese Weise off line und top down, um sie von der Er-zeugung durch direkte Stimulation des Körpers zu unterschei-den (on line und bottom up). Auch Riskind hatte bereits der-artige bottom up erzeugte Auswirkungen nachgewiesen und gezeigt, wie eine aufrechte oder eine gebeugte Haltung einen erheblichen Einfluss auf die Selbstregulation, die Stimmung und auf die Kognition hatte (Riskind und Gotay 1982, Riskind 1984, Riskind 1984, weitere Hinweise in der Embodiment-Forschung bei Niedenthal et al. 2005 und Harmon-Jones und Peterson 2009). Die so wichtigen top down zu erzielenden Einflüsse auf das gegenwärtige Erleben werden im Rahmen des Einflusses über die Geistebene angesprochen.

Über eine achtsame Selbstwahrnehmung des Körpers in sei-ner augenblicklichen Verfassung kann die augenblickliche Befindlichkeit bemerkt und anschließend durch Verände-rungen von Haltungen und muskulären Spannungsmustern, des Atems und des Stimmausdrucks absichtlich verändert werden.

Da Körper, Affekte und Emotionen eine Einheit sind, ist es höchst plausibel, so umfänglich wie möglich die affektiven sensorischen und motorischen Kanäle zur Eröffnung des emotionalen Erlebens einzubeziehen.

In Affekten steckende Impulse können leichter erfahren werden, wenn man sie in einer achtsamen Verfassung in Handlung umsetzt.

Achtsames Verweilen bei Empfindungen und Affekten führt zu Emotionen und eröffnet ihren gegenwärtigen Kontext. Daraus erwachsen Gefühle, die in achtsamer Bewusstseins-haltung ohne besondere Anstrengung zu den zugrunde lie-genden Erinnerungen und den kindlichen Gefühlsverfassun-gen führen und dann heilsam beantwortet und behandelt werden können.

Bewertungssysteme: Belohnungssystem und stresssystem 

So wie Emotionen, Gefühle und somatische Marker spielen die komplex damit verbundenen, jedoch eigens abgrenzbaren Be-wertungssysteme eine große Rolle für unsere Existenz in der Welt. Zyklische Prozesse zwischen Wahrnehmung, Bewertung, Erinnerung, Aufmerksamkeit, Umsetzung und Verhalten gesche-hen ununterbrochen in Verbindung mit dem limbischen System.

Um Heilungserfolge zu erzielen muss erfolgreiche Psycho-therapie in der Lage sein, diese Bewertungssysteme und damit die Motivation einer Person zu beeinflussen.

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Man kann in Anlehnung an die Forschungen von Daniel Schacter (1997, 2001) zwei grundlegend unterschiedliche Ge-dächtnisformen unterscheiden: Das üblicherweise bekannte Gedächtnis entspricht dem sogenannten expliziten oder de-klarativen oder auch konzeptuellen Gedächtnis. Dieses kann außer mit Worten auch mit Bildern verbunden sein. Diese Gedächtnisinhalte können leicht abgerufen werden. Es bedarf dazu als Auslöser nur eines Aspektes dieses Gedächtnisinhalts. Ähnlich funktioniert auch das sogenannte autobiographische Gedächtnis. Seine Inhalte können über Worte mitgeteilt wer-den. Diese Gedächtnisinhalte werden mithilfe des Hippocam-pus überwiegend in der Hirnrinde abgespeichert und wieder aufgerufen (Schacter 1997, 2001).Für unser unmittelbares Erleben und Verhalten wesentlich be-stimmender ist das in jeder gegenwärtigen Erfahrung mit-schwingende implizite Gedächtnis. Es durchdringt unser ge-samtes Erleben von Welt, ist jedoch dem Alltagsbewusstsein so wenig zugänglich wie das Wasser für den Fisch. Dieses im-plizite Gedächtnis ist viel umfänglicher als das explizite Ge-dächtnis; es stellt gleichzeitig das Substrat der in jeder ge-genwärtigen Erfahrung mit enthaltenen nicht bewussten Vergangenheit dar und beinhaltet dennoch Modelle von Wirk-lichkeit. Dieses Gedächtnissystem ist für bewusste Aufmerk-samkeitsprozesse nicht einfach und unmittelbar zugänglich, obgleich diese impliziten Gedächtnisinhalte ständig unbewusst getriggert werden und unser Erleben und Verhalten sehr we-sentlich mitbestimmen. Es enthält primär keine sprachlichen oder bildhaften Inhalte, sondern ist überwiegend sensorisch und motorisch strukturiert (Schacter 1997). Es ist eine affek-tiv-sensomotorische, untrennbar mit dem Körper verbundene Einheit. Implizite Erinnerungen sind größtenteils in Verbin-dung mit dem limbischen System gespeichert.

Das implizite Gedächtnis enthält die entscheidenden Inhalte des psychodynamisch psychotherapeutischen Prozesses.

Da in einer den Körper stärker einbeziehenden Interaktion das in jedem Moment enthaltene implizite Beziehungswis-sen besonders stark mobilisiert wird, kann dieser neurobio-logische implizite Untergrund jeder Psychotherapie nicht genug betont werden. Durch die unbewusste Wiederholung der vergangenheitsgeprägten impliziten Muster werden sie immer stärker in den Basalganglien abgespeichert und zu Gewohnheiten des Denkens, Fühlens und Verhaltens, die nur in einer kontinuierlichen Behandlung durch häufige Wiederholung oder durch regelmäßige Übung geändert werden können (Roth und Strüber 2014).

Im impliziten Gedächtnis sind besonders auch die traumati-schen Erinnerungen der posttraumatischen Belastungsstörun-gen gespeichert. Diese traumatischen Erinnerungen, die begleitende Angst und der Ärger gehen einher mit einem Erre-gungsanstieg in dem schon genannten besonders wichtigen Teil des limbischen Systems, den Amygdala, Die Mandelkerne haben natürlich für alle Diagnosen psychischer Krankheiten neben vielen anderen Faktoren eine enorme Bedeutung. In jedem gegenwärtigen Muster des Erlebens und Verhaltens sind Bereitschaften zu impliziten vergangenheitbedingten psychi-schen Prozessen und damit verbundenen neuronalen Erre-

Chronischer Stress wird inzwischen als zentraler Auslöser für zahlreiche Erkrankungen, insbesondere für Depressionen und Störungen des Immunsystems angesehen (Schubert 2014). Wenn einem Stress auslösenden Reiz keine Bewältigungsstra-tegie entgegengesetzt werden kann, entsteht Hilflosigkeit, Angst oder Trauer. Ein derartig überwältigender und besonders chronischer Stress hat gravierende Folgen. Er löst automati-sche Notmuster, Kampf- und Fluchtreaktionen oder dissoziati-ve Strategien aus. Er begünstigt die Entwicklung zahlreicher psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, Einschrän-kungen der Immunfunktion mit erhöhter Infektanfälligkeit, Krebsanfälligkeit und Depressionen. Weitere hochkomplexe Regelkreise sind mit betroffen(Schubert 2014). Die Aktivie-rung des Belohnungssystems wirkt antagonistisch zum Stress-system ähnlich wie die Balance zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem.Hüther weist auf den Unterschied zwischen chronischem und krankheitsauslösendem Stress und „Eustress“ hin. Um positi-ve Veränderungen zu erreichen seien zuerst ausreichender „Eustress“ und eine daraus resultierende optimale Aktivierung des Gehirns notwendig (Hüther 2001, 2003).

Einfluss auf den Atem, die Stimme und die Haltung, Berüh-rungen und möglichst verkörperte sinnvolle Bindungserfah-rungen vermindern oder vermeiden sinnlos wiederholten Stress. Sie führen zu einer parasympathisch unterstützten Ent-spannung und mehr Kreativität und Offenheit im Kontakt. Berührung ist das Kernelement jeder „Behandlung“. Sie kann auch in Gruppentherapien integriert werden.Die im Laufe der Therapie zu erreichende Internalisierung von korrektiven heilsamen Erfahrungen haben langfristig auch für das Alleinsein einen beruhigenden und ausglei-chenden Effekt, nicht zuletzt wenn sie immer wieder (top down) erinnert werden.

gedächtnissysteme

Die Entwicklung der Struktur und Physiologie des Gehirns ist zunächst hauptsächlich im frühesten Entwicklungsstadium durch die genetischen Grundlagen geprägt. Die grundlegenden Erfahrungen des Fetus, des Säuglings und Kleinkindes werden in verschiedenen Zentren der assoziativen Hirnrinde (Kortex) und im limbischen System als von Damasio sogenannte dispo-sitionelle Repräsentationen gespeichert (Damasio, und Kober 1999). Selbstverständlich müssen auch diese dispositio-nellen Repräsentationen als dynamische, umweltabhängige Muster verstanden werden. Die Psychoanalyse spricht in die-sem Zusammenhang von Selbst- und Objektrepräsentanzen. Daniel Stern meint das Gleiche, wenn er vom impliziten Be-ziehungswissen spricht (Stern 1998, Boston Change Process Study Group 2007). In ihm sind die Eindrücke des Kindes von sich selbst, von den frühen Beziehungspersonen (Objekten), die begleitenden affektiven Tönungen und die aus dieser Ge-samterfahrung resultierenden Anschauungen enthalten. Piaget und Bartlett hatten die den dispositionellen Repräsentationen entsprechenden Phänomene bereits als „Schemata“ angespro-chen (siehe bei Smith und Queller 2001).

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teinen, die synaptische Plastizität, die Synchronizität und Struktur der vielfältig interagierenden Neuronen haben und sogar an die nächste Generation übermittelt werden können. Das hat Folgen für das Stresssystem, das Immunsystem, das kardiovaskuläre System, und das endokrine System. (Bauer 2002, Hüther 2015). Die Abspeicherung von Erfahrungen im Nervensystem erfolgt besonders durch Veränderungen der Kopplungsstellen zwi-schen den Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Gleich-zeitig entsteht ein Einfluss auf die Produktion von Überträger-substanzen und Hormonen im Blut, und im Immunsystem und erzeugt veränderte Spannungszustände in den Muskeln und Geweben des Darmes. Die neuroplastische Potenz des Gehirns wird mit zunehmendem Alter geringer, da mehr und mehr Ge-wohnheiten in den weniger neuroplastischen Basalganglien abgespeichert werden. Sie hört aber bis in das hohe Alter und selbst bei Demenz nicht auf. Die Richtung der nach der Geburt erfahrungsabhängigen, höchst individuellen Entwicklung ist im späteren Leben zwar nicht umkehrbar, aber eine Weiterentwicklung der organischen Verbindungen im Gehirn und sogar eine neue Bildung von Neuronen aus Stammzellen ist nicht mehr zu bezweifeln. Sie ist besonders im Hippocampus und im Striatum lebenslang möglich (Gage, 2000). Allein im Hippocampus entstehen pro Tag rund 700 neue Zellen (Spalding et al. 2013). Eine solche Nachricht sollte Psychotherapeuten bewusst sein. Sie könnte Menschen in aussichtsloser Verzweiflung Hoffnung machen und damit Placeboeffekte auslösen.

Durch Erfahrungen verändert sich die Stärke von Neuro-nenverbindungen (Synapsen) und Neuronenverbände (cell assemblies) verändern oder erweitern sich und zwar umso mehr, je intensiver also emotionaler und sinnenhafter und im sozialen Kontakt erfahrbar die jeweiligen Erfahrungen sind.

Nicht benutzte Neuronenverbindungen werden hingegen zu-rückgestutzt oder abgeräumt (pruning). Dabei hat besonderen Einfluss, wie häufig eine Erregung stattfindet. Auch wieder-holte Reize führen zu einer Intensivierung der betroffenen Nervenzellenverbindungen. Das ist gleichzeitig eine wesentli-che Grundlage des Lernens. Auf sich wiederholende, erfah-rungsabhängige Reize wird zunehmend gezielter und differen-zierter reagiert (Spitzer, 2000, 2002). Das Gehirn mit seinen Neuronenverbindungen scheint tatsächlich nach dem von Hepp formulierten Axiom zu funktionieren:

„Use it or lose it“. Die Tragweite dieser Erkenntnisse ist zwar leicht vorstellbar, wird aber weder im Alltag noch in der Therapie angemessen berücksichtigt.

Gerald Hüther hebt den Gesichtspunkt hervor, wie nutzungs-abhängig die Struktur unseres Gehirns ist und wie sehr unsere Möglichkeiten reduziert werden, wenn wir unser Gehirn ein-seitig benutzen, denn so entstehen in den Basalganglien veran-kerte unflexible Routinen und Automatismen, die metapho-risch gesprochen immer mehr zu Autobahnen des Erlebens und Verhaltens werden, während viele nicht genutzte Wege und

gungsmustern enthalten. Dieses Erleben und die zugehörigen Impulse beziehen sich eigentlich auf längst vergangene Umge-bungen. Da die Erlebnis- und Verhaltensbereitschaften Ge-wohnheiten beinhalten, die in den Basalganglien abgespeichert sind, sind sie nicht leicht zu verändern. So beinhaltet auch Ab-wehr und Widerstand im Normalfall, geschichtlich bedingtes unangenehmes implizites Erleben und Optionen des Verhal-tens, die gewohnheitsmäßig unbewusst vermieden werden.

Der implizite Untergrund unserer Muster beschränkt vitale Erlebnismöglichkeiten und Gefühle als hätte man sie mit einer Käseglocke überstülpt. Darunter sind jedoch gleich-zeitig langfristig Optionen und Potenziale enthalten, die mit Unterstützung erlebt und anschließend erweitert werden können.

neuroplastizität

Das Gehirn ist als lebendes System zu einer dauernden Adap-tation an seine Umwelt gezwungen. Die damit verbundene Veränderbarkeit der organischen Struktur des Gehirns wird „Neuroplastizität “ genannt. Dieser Ausdruck ist ein zentraler und für Veränderungsprozesse eminent bedeutsamer Begriff der Neurobiologie. Das ursprünglich im Wesentlichen durch die Gene bestimmte Netzwerk der Nervenzellen entwickelt sich „neuroplastisch“ und vor allem abhängig von sozialer Er-fahrung Schritt um Schritt in sehr individueller Weise weiter. Die lebensgeschichtlichen Niederschläge sind computertech-nisch beschrieben quasi Software und neuroplastisch umpro-grammierbar. Im Unterschied zu den früheren Annahmen einer geringen Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit der Neuro-nen und des Gehirnstoffwechsels gibt es inzwischen zahlreiche und eindeutige Beweise für diese Veränderbarkeit und Anpas-sungsfähigkeit der organischen Struktur und der Regelkreise des Gehirns (Damasio und Kober 1999). Man kann das Gehirn als eine lebenslange Baustelle beschreiben, denn zeitlebens verschalten sich die Neuronen in Abhängigkeit von den jewei-ligen Erfahrungen mit der Umwelt und von ihrem Gebrauch neu. Insofern können Menschen in gewisser Weise eine le-benslange Kindheit erleben. Dabei kann nicht hoch genug ein-geschätzt werden, was Juckel und Edel 2014 so zusammenfas-sen: „jedwede Einwirkung durch Umweltbedingungen hat auf die organische Struktur des Gehirns und die neurochemischen Regelkreise kurzfristige und spätestens bei Wiederholungen dieser Erfahrung auch längerfristige Folgen.“ Jeder psychische und mentale Zustand hat ein Korrelat im Ge-hirn, das durch das jeweilige Erleben und Verhalten beeinflusst wird. Jeder psychische Vorgang, jedes Erinnern, Fühlen, Den-ken und Wollen hat neurochemische und bei starken und oder anhaltenden Reizen strukturelle und biochemische Verände-rungen zur Folge. Dabei werden die miteinander komplex ver-netzten Systeme und Regelkreise der Neurotransmitter, der Neuromodulatoren und Neurohormone beeinflusst. Darüber hinaus sind wie erwähnt genetische und „epigenetische“ Fol-gen nachgewiesen, die ihrerseits in Abhängigkeit von neuen Erfahrungen mit der Umwelt wieder einen Einfluss auf die Ex-pression oder Suppression von Genen, die Produktion von Pro-

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

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gen und ihre Abspeicherung können immer bewusster be-einflusst werden.

Jede psychodynamische Psychotherapie, systemische The-rapie oder kognitive Verhaltenstherapie erweitert Muster von Erinnerungen. Die Einbeziehung des Körpers, also in-tensiver heilsamer neuer Erfahrungen über die Sinne, Be-rührungen und verkörperte Begegnungen können nach kli-nischer Erfahrung besonders wirksam eine Reorganisation und Erweiterung des Gedächtnisses erreichen.

zustandsabhängiges erinnern und lernen

Bower hatte bereits 1981 festgestellt, dass ein erneutes Verset-zen in eine signifikante Stimmung das explizite Gedächtnis der Probanden für emotional besetzte Ereignisse erweitert hatte. In einer glücklichen Stimmung wird also leichter erinnert, was man unter solchen glücklichen Bedingungen erlebt hat, und in depressiven Stimmungen, was man unter eher unglücklichen Bedingungen erfahren hat. Gedächtnisinhalte sind zutiefst mit den Eindrücken der jeweiligen Erlebnisqualität verbunden, in der das grundlegende Erleben stattfand. Erinnerung wird durch eine erneute Stimulation solcher Eindrücke erleichtert. Auch der Neurobiologe LeDoux stellt fest, dass Erinnerung um so eher möglich wird, je mehr von den Hinweisen, die beim Ler-nen gegenwärtig waren, auch beim Erinnern gegenwärtig sind (LeDoux 2001, S. 228).

So, wie jedes Erleben durch implizite Erinnerung mit ge-prägt ist, kann jedes Erleben auch zu diesen impliziten Erin-nerungen hinführen.

Umgekehrt kann man in Verbindung mit der körperpsychothe-rapeutischen Praxis folgern, dass in einer zusammen gesunke-nen Haltung schwerlich als Ressource wieder aufgerufen wer-den kann, wie man beispielsweise mit Recht einmal stolz und in einer hervorragenden Verfassung war.In diesem Sinn können positive und problematische Erinne-rungen durch eine bewusste, besonders auch interaktive Sti-mulation entsprechender Sinneseindrücke oder Bewegungen mit körperpsychotherapeutischen Mitteln gebahnt („Priming“) und bewusst wieder aufgerufen werden. Der Psychotherapie-forscher Klaus Grawe (2004) entwickelte nach seiner dama-ligen, heute sicherlich erweiterungsbedürftigen Literaturre-cherche der neurobiologischen Forschungsergebnisse eine Psychotherapierichtung, die er Neuropsychotherapie nannte. Er betonte den eben genannten Gesichtspunkt und meinte sehr ausdrücklich, dass man emotional bedeutsame Erinnerungen möglichst konkret und verbunden mit entsprechenden sensori-schen und motorischen Anteilen und durch das Repräsentieren von früheren Kontexten erfolgreich aufrufen könne. Über Worte und Konzepte sei ein solches Aufrufen von Erinnerun-gen nicht annähernd so leicht möglich. Erst was ganzheitlich aufgerufen werde, könne mit Ressourcen und anderen Erinne-rungen verknüpft und verändert werden. Bestehende Module der Nervenzellennetzwerke („cell assemblies“) könnten dabei

ihre neuronalen Grundlagen (durch pruning) verschwinden. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass und wie sehr Routinen die Struktur unseres Gehirns und seiner Regelkreise verändern (Hüther 2003, 2015).Unser Körperbild, unser Selbstbild und unser Selbstgefühl sind auf eine fortlaufende Bestätigung durch die Sinne und den ununterbrochenen Zufluss aktueller sensorischer Daten ange-wiesen (Ramachandran, 2001). Das bestätigen Experimente mit sensorischer Deprivation. Untersuchungen ergaben, dass Querschnittlähmungen die Intensität des Erlebens von Emotio-nen vermindern (Kandel1995). Ramachandran zeigte darüber hinaus mit einfachen Experimenten, wie sich innerhalb von wenigen Minuten das Körperbild durch eine trickreich ver-fremdete Berührung von außen verändert (Ramachandran 2001). Im Minutentakt können sich nachgewiesenermaßen auch strukturelle Veränderungen des Gehirns ereignen (Spitzer 2002). Das Körperbild wird ständig neu hervorgebracht. Psy-chische Struktur ist folglich viel dynamischer und viel abhän-giger von körperlichen Verfassungen und Interaktionen, als es der bisherige eher statische psychoanalytische Strukturbegriff nahe legt (Leuzinger-Bohleber 1998).

Es lohnt sich, wenn nicht nur Patienten sich bewusst wer-den, wie auch Routinen das Gehirn prägen. Man kann ler-nen, wie man in diesem permanenten prägenden Prozess „mitspielen“ kann.

Jeder Moment unseres Lebens hat eine mindestens so hohe Bedeutung für den Rest unseres Lebens wie es in den übli-cherweise bekannten Vorstellungen vom Einfluss auf unser Karma genannten Schicksal enthalten ist.

Solange wir leben, können wir neue Erfahrungen machen, Fähigkeiten entwickeln und dabei die Struktur des Gehirns erweitern (Damasio 2001, Hüther 2001, LeDoux 2003, Merzenich et al. 1990, Roth 1997, 2001, 2009, 2014).

Das Erlernen neuer Muster des Erlebens und neuer Fähigkei-ten gleicht dem Erlernen von Sprache: In der Kindheit entsteht die Muttersprache wie von selbst, aber auch später noch und bis ins hohe Alter können Sprachen, ja sogar Phoneme gelernt werden. Roth fasst zusammen: „Besonders wichtig sind früh-kindliche Einflüsse und Erlebnisse, die prägend auf unseren Charakter wirken und den Rahmen bilden, in dem spätere Er-fahrungen verarbeitet werden. Dabei gilt: Je später die Einflüs-se, desto stärker müssen sie wirken, um noch eine nachhaltige Wirkung zu erlangen.“ (Roth 2001)Die Erweiterung neuronaler Netzwerke funktioniert dabei nach dem schon zitierten, von Hepp bereits 1949 postulierten Grundsatz: „Neurons that fire together wire together“ (Siegel 1995, 2000, LeDoux 2003). Das beinhaltet eine zentrale Ver-änderungsmöglichkeit: Der Wiederaufruf alter Erfahrung in der Gegenwart und gleichzeitig stattfindende neue und heilsa-mere Erfahrungen verknüpfen sich und erweitern die bisheri-gen neuronal verankerten Gedächtnisinhalte.

Psychotherapie im Rahmen von Gruppen- oder Einzelbe-handlungen, aber auch jede andere bedeutsame Begegnung, verändert Erinnerungen besonders deutlich. Neue Erfahrun-

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zu komplexeren übergeordneten Schemata zusammenge-schlossen werden. Hingegen würde es eine Verstärkung alter Erlebnismuster bedeuten, wenn sie lediglich aufgerufen wür-den. Das könnte sogar retraumatisierend sein. Die Spannung zwischen bisherigen problematischen Inhalten des impliziten Gedächtnisses und einer heilsamen Neuerfahrung ergebe ein sinnvolles Lernen.

spiegelneurone 

Die Forschungen über die Spiegelneuronen können als be-kannt vorausgesetzt werden (Zusammenfassung bei Bauer 2006, Rizzolatti 1998, 2000, 2002, Gallese 2003, Adolphs et al. 1996, Adolphs 2003). Da es jedoch noch nicht möglich ist, die Bedeutung dieser Spiegelneuronen endgültig zu beurteilen, soll hier nur kurz und spekulativ darauf eingegangen werden. Spiegelneuronen könnten ein wesentliches Substrat der allge-meinen Wirkfaktoren sein, die jede psychotherapeutische Be-gegnung mit einem als bedeutungsvoll erkannten Anderen wirksam werden lassen. Sie könnten mit dafür verantwortlich sein, was die Psychotherapieforschung inzwischen als wichtig erachtet: in den so wirksamen Therapeutenvariablen dürfte sich die Vorbildfunktion des Therapeuten via Spiegelneuronen im Nervensystem vermitteln. Auf der anderen Seite könnte die Spiegelneuronentheorie erklären, weshalb Therapeuten nach manchen Sitzungen so erschöpft sind. Sie können sich auf-grund des automatisch ablaufenden Automatismus der Spie-gelneuronen in der Begegnung nicht dem impliziten Einfluss des beispielsweise erschöpften, flach atmenden Patienten ent-ziehen. Gleichzeitig ermöglicht wahrscheinlich der Einfluss der Spiegelneuronen Empathie, die jedoch zu identifikatorisch werden könnte. Mit Achtsamkeit verbundenes Mitgefühl stärkt dann den Bezug der Therapeuten zum eigenen verkörperten Selbst und erleichtert durch die darin enthaltene unterschei-dende Abgrenzung eine angemessenere Resonanz.

ii neurobiologisch inspirierte Konsequenzen für die Praxis

Die aus Veranlagung und intersubjektiven Erfahrungen re-sultierenden dynamischen internen Modelle von Wirklich-keit sind mit der verkörperten Verfassung unmittelbar ver-knüpft. Sie sind lebenslang über Einflüsse auf den Körper, auf Bewusstseinszustände, die Gestaltung von Kontakten und Veränderungen des inneren und äußeren Milieus (Sys-tems) veränderbar.Weil jedes Erleben durch implizite Erinnerung geprägt ist, kann jedes Erleben auch zu diesen impliziten Erinnerungen hinführen. Das kann man sich in einer bewusstseinszentrier-ten Körperpsychotherapie mit ihren vielseitigen Gestal-tungsmöglichkeiten besonders gut zu Nutze machen.Neue heilsame Erfahrungen in einer kontinuierlichen Be-handlung mit häufiger Wiederholung und regelmäßiger Übung, die über die Sinne, über Berührung und körperliche Begegnung gemacht werden, können nach klinischer Empi-

rie eine besonders intensive Reorganisation und Erweite-rung des Gedächtnisses erreichen.

Weil jede Erfahrung unvermeidbar Veränderungen im Ge-hirn bewirkt, ist es von äußerster Wichtigkeit, wie Men-schen von Moment zu Moment mit sich umgehen.

Jeder bewusste Aufruf von heillosem und erst recht von traumatischem Erleben sollte nur erfolgen, damit anschlie-ßend eine heilsame neue Erfahrung möglich werden kann, die zu einer Erweiterung des bisherigen traumaassoziierten Erlebens und Verhaltens und seiner neuronalen Grundlagen führt. Dieser Gesichtspunkt hat besondere Bedeutung für die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung.

Eine zu häufige und unreflektierte Provokation von aggres-siven oder schmerzlichen Gefühlen sowie eine zu unreflek-tiert emotionale oder regressive Körperarbeit muss vermie-den werden, denn sie kann ein „Kindling“, also eine unangemessene Bahnung für solche überwiegend reaktiven Gefühle bewirken.

heilsame therapeutische Beziehung

Immer mehr Hirnforscher stimmen darin überein, dass die Qualität der therapeutischen Allianz der wirksamste und damit entscheidende Faktor jeder Psychotherapie ist. Zentral ist dabei die Fähigkeit, eine wechselseitig emotionale, grundsätz-lich positive Bindung und ein gemeinsam getragenes Arbeits-bündnis mit dem Patienten herzustellen (Schubert 2014, Roth und Strüber 2014). Roth führt an, dass Therapeutenvariablen dabei mehr und mehr in ihrer Bedeutung anerkannt werden müssen. Es gebe inzwischen zahlreiche neurobiologische Be-lege dafür. Es bestehe in jedem Fall kein Zweifel daran, dass freundliche, lobende oder aufmunternde Worte, aber auch nicht verbale Kommunikation wie Blicke, Gestik, Mimik und sanfte Berührungen die Ausschüttung positiver Substanzen wie etwa endogene Opioide, Serotonin und Oxytocin auslösen können. Die im limbischen System gegründeten Emotionen müssten dringend in der therapeutischen Allianz einbezogen werden. Der Therapeut und die Gruppenmitglieder müssen sich wechselseitig emotional bedeutsam sein. Eine solche möglichst verkörperte Verbindung ermöglicht das Gefühl von Zugehörigkeit und führt zur Beteiligung des Belohnungssys-tems mit der Ausschüttung von Dopamin und Opiaten und von Wachstumsfaktoren wie BDNF, die eine heilsame Veränderung neuronaler Strukturen erleichtern.Von großem didaktischem Wert für das Verständnis und das Gewicht von Sicherheit und wechselseitiger Resonanz in der therapeutischen Beziehung sind die Forschungen und Schluss-folgerungen von Stephen Porges. Dieser entwickelte seine „Polyvagaltheorie“ auf dem Boden von Untersuchungen, in denen klar wurde, dass es zwei unterschiedliche Anteile des Nervus vagus gibt. Der von Porges so genannte ventrale Vagus, der gleichzeitig zum parasympathischen Nervensystem gehört, gibt einen unmittelbaren Input für das sogenannte Soziale En-gagementsystem (SES). Dieses besteht aus einem System mehrerer Hirnnerven, die zusammen spielen, wenn Menschen

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sich in sozialen Situationen sicher und damit im Kontakt und für Veränderungsprozesse offen fühlen können. Sobald sie sich unsicher fühlen, übernimmt das Stresssystem, verkürzt gesagt das sympathische Nervensystem mit den Überträgersubstan-zen Adrenalin und Noradrenalin die Führung. Das führt zu Kampf- und Fluchtreaktionen. Wenn Menschen sich noch ext-remer bedroht fühlen, übernimmt der dorsale Vagus die Füh-rung und führt zu phylogenetisch archaischen Reaktionen von Erstarrung. Porges weist darauf hin, dass Menschen als Säuge-tiere ein unbewusstes „neurozeptives“ Überwachungspro-gramm haben, das soziale Situationen ununterbrochen nach Gefahren versus nach Sicherheit abtastet. Entscheidende Sig-nale sind dabei ein freundlicher Gesichtsausdruck und eine Vertrauen ausstrahlende Stimme beim Gegenüber. Wenn das gegeben ist, können Menschen entspannen und sind überhaupt erst offen für vertrauensvollen Kontakt und heilsame Begeg-nungen (Porges 2007, 2010).Eine bewusstere Einbeziehung des Körpers in die therapeuti-schen Begegnungen erleichtert es, eine positive und sichere Beziehung herzustellen. Man kann einen deutlich sinnenhafte-ren und damit fühlbareren Kontakt anbieten, der gleichzeitig gegenüber einer eingeschränkten Vergangenheit ein erweiter-tes Modell für lebendigere und emotionalere Beziehungen werden kann. Emotionen sind sehr abhängig von Anspannun-gen und Atemmustern, die für eine Veränderung zugänglich sind. Berührungen und besonders das dabei gebildete Oxyto-cin sind ein wesentliches Element einer solchen „Behandlung“ und verkörperten Beziehungsgestaltung. Eine bewusste Herab-setzung des Stresspegels in der therapeutischen Situation ist nicht nur durch freundliche Zuwendung sondern auch durch Berührung möglich.

Die Qualität der therapeutischen Allianz entscheidet über die Qualität jeder Psychotherapie.

Eine Bewusstseinszentrierte Körperpsychotherapie prädesti-niert in besonderer Weise dazu, eine Sicherheit gebende Be-ziehung anzubieten. Ein sehr bewusster und lebendiger, alle Sinneserfahrungen, Berührung und Bewegung einschließen-der und damit sehr fühlbarer und intensiver Kontakt ermög-licht, einen eindeutigeren Kontrast zu eventuell bedrohlichen Beziehungserfahrungen aus dem impliziten Beziehungswis-sen erfahrbar zu machen, und wird damit gleichzeitig ein Modell für lebendigere und emotionalere Beziehung.

Je solider die erreichte therapeutische Allianz ist, umso heil-samer können auch „negative“ und aggressive Energien Platz bekommen. Die darin enthaltene psychische Energie kann integriert werden. Auch sinnvolle Irritationen und Konfrontationen werden möglich.

Prozessgestaltung

Manfred Spitzer und Gerald Hüther betonen seit Jahren die Bedeutung des Spiels mit seinen die basalen, emotionalen und kreativen Fähigkeiten ansprechenden Möglichkeiten für da-Lernen und Wachstum. Die allem Erleben und Verhalten zu-grunde liegenden neuronal verankerten Muster sollten sich opti-

mal, d. h. mit möglichst geringer artifizieller Einengung wie in der Arbeit auf der Couch, entfalten können, damit sie im thera-peutischen Prozess angesprochen und dann erweitert werden können. Selbstverständlich werden in einem den Körper einbe-ziehenden möglichst freien Spiel unsere Säugetiergene und ihre entsprechenden heilungsfördernden Ressourcen dabei in beson-derer Weise ins Spiel kommen. In einem als Spielfeld verstande-nen experimentellen Raum in Gruppen – und Einzeltherapien kann ein alle Sinne ansprechendes Erlebnisfeld mit sehr offenen und vielfältigen Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten ange-boten werden, mit Berührung und Bewegung, ohne Bedrohung durch schlimme Konsequenzen, in dem Patienten wachsen und langfristig frei und autonom fühlen können.

Therapeutische interventionen

Man kann Interventionen unterscheiden, die unmittelbar einen Einfluss auf die gegenwärtige Befindlichkeit und das gegen-wärtige Verhalten haben und jene, die die unbewusste (implizi-te) Psychodynamik einbeziehen.

Unmittelbare einflussmöglichkeiten =  Beeinflussung von „states“

Im ersten Schritt und so früh wie möglich können in der Zu-sammenarbeit mit dem Patienten immer wieder mögliche Res-sourcen, die augenblicklich vielleicht nicht zugänglich, jedoch erinnerungsfähig sind, belebt werden. Das ist aus neurobiolo-gischer Sicht besonders naheliegend, da die entsprechenden neuronal verankerten Erregungsmuster bereits existieren, also nur aufgerufen und belebt und eventuell erweitert aber nicht neu angelegt werden müssen. In der Therapie können mit den Patienten nicht auf Anhieb mit dem Bewusstsein zugängliche Ressourcen aufgesucht und verkörpert werden, aber auch bis-her nicht gekannte potentielle Bewältigungsstrategien – zum Beispiel leichter lernbare Grundsätze aus den Kampfkünsten – angeboten werden, die in den 90 bis 98 % mit Säugetieren identischen genetischen Potenzialen enthalten sind und prinzi-piell eigentlich leicht aufrufbar sind, wenn Einflüsse aus dem impliziten Beziehungsgedächtnis in der therapeutischen Situa-tion nicht hemmen oder ohne größeren Aufwand überschritten werden können. Ressourcen aufrufen zu können ist ein Aspekt der inzwischen in ihrer Bedeutung erkannten Resilienz. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, flexibel reagieren und sich regenerieren zu können. Eine methodisch möglichst breite Ausbildung der Therapeuten ermöglicht ein breites Spektrum weiterer vielgestaltiger Kon-takt- und Interventionsmöglichkeiten, die der jeweiligen Situa-tion des Patienten immer passgenauer gerecht werden. Unter-schiedlichste Einflussmöglichkeiten aus verschiedensten Methoden können quasi experimentell eingebracht werden, wenn die Auswirkungen anschließend achtsam untersucht und weiter entwickelt werden. Patienten können dann beispiels-weise erfahren, dass in vielen Lebenssituationen ein ganz un-mittelbarer Einfluss auf gegenwärtige Befindlichkeiten („Sta-tes“) als Ressource möglich ist.

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Langfristig bedeutet ein unmittelbar in der Gegenwart mög-licher Einfluss beispielsweise über den Körper aber auch über die unten genannten nicht hoch genug einzuschätzen-den Einflussmöglichkeiten über eine Bewusstseinschulung eine Stabilisierung der eigenen Fundamente, die das ganze Leben in allen Bereichen beeinflussen können.

Einflussmöglichkeiten auf Gegenwartsverfassungen und Handlungsmöglichkeiten als Selbstzustände oder „States“ können in der Therapie immer leichter bewusst ins Leben gebracht werden. Sie müssen aber geübt und wiederholt werden, um sie tiefer als spontane Charaktereigenschaften („Traits“) erleben zu können als Ausdruck einer auch in den Basalganglien mit ihren Gewohnheitsmustern veranker-ten langfristigen Strukturveränderung.

Wenn unmittelbare Einflussmöglichkeiten nicht oder nur unbefriedigend funktionieren, ist meistens psychodynami-sche strukturverändernde Arbeit unter Einbeziehung des impliziten Beziehungswissens aus dem limbischen System notwendig.

Prinzipiell gibt es vier in der Gegenwart mögliche Hauptein-flussgrößen, die in einem experimentellen Grundverständnis achtsam ausprobiert ausgewertet und erweitert werden kön-nen. Diese vier Parameter wurden von Patienten als Stell-schrauben bezeichnet:1. über den Körper2. über Veränderungen der Bewusstseinsqualität3. über bewusste Gestaltungsmöglichkeiten in Kontakten4. über Veränderungen des äußeren oder inneren Milieus (Sys-

tems) zum Beispiel über Medikamente

Im Rahmen dieses Beitrags beziehen wir uns auf die ersten beiden Punkte. Patienten können neue Modelle, Muster und Möglichkeiten, die aus dem wechselseitigen Einfluss vom Körper Seele und Geist resultieren, ausprobieren, üben und im Leben später selbst wiederholen und erleben, wie die Wahr-scheinlichkeit steigt, dass sie mit sich und ihrer Umgebung heilsamer und effektiver umgehen können.

1. Unmittelbare Veränderungen der Körper-seele-geist einheit über die ebene des Körpers

Veränderungen der Haltung, zum Beispiel über Aufrichtung, eine Veränderung des Atemmusters oder den Umgang mit der Stimme verändern die psychische Verfassung und den Zugang zu kreativen und kognitiven Möglichkeiten unmittelbar wie prinzipiell die Embodiment-Forschung gezeigt hat (Niedenthal et al. 2005). Im Rahmen der oben angesprochenen Grundhal-tung achtsamen Experimentierens können beispielsweise das aus der bioenergetischen Analyse bekannte „Grounding“ und bestimmte Grundtechniken aus den Kampfkünsten genutzt werden und die Grundlage für mehr Selbstsicherheit und ein besseres Selbstgefühl legen. Patienten können lernen, sich in ihrem Unterbauch (japanisch:„Hara“ oder chinesisch „Dan Tien“genannt) zu zentrieren. Sie können dabei den so hilfrei-chen Kontakt der Füße zum Boden besser erspüren (ausführli-

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

chere Hinweise zur Unterstützung körpertherapeutischer Mög-lichkeiten zur Unterstützung verkörperter Selbstsicherheit siehe Gottwald, 2008). Diese Interventionen können als „auf-bauende Körperarbeit“ gekennzeichnet werden. Wenn diese aufbauenden, zusätzlichen Möglichkeiten weder zugelassen oder erlebt werden oder wenn sie zwar geübt und wiederholt, aber vom Patienten nicht erlernt werden können, ist man sehr häufig unmittelbar mit den Folgen der im implizi-ten Gedächtnis abgespeicherten Geschichte konfrontiert. Dann kann es angezeigt sein, achtsam die gegenwärtige Struktur des Erlebens und die darin enthaltenen impliziten Gefühle und le-bensgeschichtlichen Hintergründe zu eröffnen und mit heilsa-men neuen Erfahrungen anzureichern. Dieses Vorgehen kann als eröffnende Körperarbeit bezeichnet werden.

2. die Beachtung von Bewusstseinsprozessen (die ebene des geistes)

In dem vom Autor verfolgten bewusstseinszentrierten körper-psychotherapeutischen Ansatz lag zunächst die von der Hako-mi-Methode betonte besondere Beachtung von Aufmerksam-keits- und Bewusstseinsprozessen zugrunde. Einfluss auf die im Nervensystem gegenwärtig als Erregungsmuster verankerte Welt zu nehmen, ist immer nur im Bewusstsein des Hier und Jetzt möglich (siehe Pöppel 2000). Diese einzig erlebte Welt (siehe auch Görnitz 2002, Roth und Strüber 2014) wird durch die Qualität des Bewusstseins und besonders durch die Rich-tung der Aufmerksamkeit eindrücklich mit gestaltet. Welche Potenziale die Lenkung der Aufmerksamkeit enthält, kann den Patienten in kleinen Experimenten mit bewusst gelenkte Auf-merksamkeit sehr leicht aufgezeigt werden. Sie erlernen so eine Zusatzhilfe, wie sie eine ihre Potenziale und heutigen Möglich-keiten verkennende „Problemtrance“ beeinflussen können. Möglichst früh, aber spätestens dann wenn wie unten beschrie-ben die im limbischen System fundierten impliziten Erinne-rungen in therapeutische Prozesse einbezogen werden müssen, wird angestrebt, dass Patienten so weit wie möglich in einer Bewusstseinshaltung von Achtsamkeit an dem sich in der Ge-genwart entfaltenden Geschehen teilnehmen. Die Grundsätze dazu können besonders leicht in Gruppen unter Einbeziehung des Körpers erlernt werden. Anschließend können alle Muster des Erlebens und Verhaltens zunächst präsent bemerkt, an-schließend verlangsamt werden und so leichter in ihrer Kom-plexität wahrgenommen werden. Präsenz und Achtsamkeit als solche ist bereits ein Eingriff in den Automatismus von Mus-tern und schafft eine erste Desidentifikation davon, weil Mus-ter sich dann verändern können, wenn man zunächst metapho-risch gesprochen „Wegsperren“, also einen Zwischenraum gegenüber ihrem automatischen Ablauf einbaut (Pasqual-Leo-ne et al. 2005). Schon das schafft einen Unterschied und er-möglicht weitere Veränderungen von Mustern. Gleichzeitig öffnet Achtsamkeit das Bewusstsein für die Ganzheit und die Fülle von möglichen Polaritäten und Optionen. Sie enthält immer ein Moment von nicht Gewusstem und Überraschen-dem, macht neugierig und dürfte so zur Dopaminausschüttung im Belohnungssystem beitragen und damit zur Ausschüttung von neuroplastischen Botenstoffen wie BDNF. Sie wirkt der Tendenz entgegen, in Zuständen von Angst und Unwohlsein einen Aspekt des Erlebens weg haben zu wollen.

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Patienten werden in dieser zu erlernenden Bewusstseinshal-tung von Achtsamkeit, mit der sie selbst den therapeutischen Prozess begleiten, immer mehr zu Mitarbeitern und Fachleuten für den eigenen Weg. In der hier vorgestellten Arbeitsweise wird Achtsamkeit voll in den therapeutischen Prozess integ-riert. Die Patienten lernen in dieser Bewusstseinsverfassung das unmittelbare mit den Sinnen verbundene Erleben und das mit der Vergangenheit oder Zukunft befasste Denken zu unter-scheiden und mit ihrem gegenwärtigen Erleben verbunden zu bleiben und gleichzeitig wie nebenbei (also ohne jede Anstren-gung) ihr gegenwärtiges Erleben verbal auszudrücken (Kurtz 2002, Weiss et al. 2012, 2013, 2015). Diese ungewöhnliche Weise kann und muss geübt werden. Diese Qualität dürfte Ver-bindungen zum Sprachzentrum verstärken, die beispielsweise bei der posttraumatischen Belastungsstörung schwer möglich sind („name it, tame it!“). Patienten werden ermuntert, ihre aufkommenden Impulse zu bemerken und ihnen unter Um-ständen nachzugehen. Sie sind dabei eingeladen, alle inneren Signale (somatischen Marker) und Reaktionsmöglichkeiten nach außen möglichst achtsam wahrzunehmen. Alle sensori-schen Kanäle können einbezogen werden für eine neue Wahr-nehmung der gegenwärtigen Umgebung.

Die Grundlagen und Wege einer modifizierten der kontem-plativen Praxis entlehnten Bewusstseinschulung, nämlich das Erlernen von verkörperter Achtsamkeit, Gewahrsein und Präsenz sind von unschätzbarem Wert nicht nur für psy-chotherapeutische Prozesse, sondern für die Persönlich-keitsentwicklung überhaupt, denn sie ermöglichen eine le-benslange Veränderung von Mustern des Erlebens und Verhaltens und ihrer neurobiologischen Grundlagen durch ein Bewusstsein, dass die übliche Art der Wahrnehmung und damit die erlebte Welt transzendiert.

Die durch die Bewusstseinsforschung nachgewiesene Stär-kung des praefrontalen Kortex, des anterioren cingulären Kor-tex und der anterioren Inselregion und die Verbindung dieser Regionen miteinander zu den assoziativen Kortices und zum limbischen dürften auch dabei eine besondere Rolle spielen. Obendrein können sich die Erregungsmuster verschiedener Netzwerkstrukturen über das ganze Gehirn synchronisieren (Davidson 2004).

Ein wichtiger Grundsatz des Bewusstseins sollte von Pati-enten verstanden werden: „Wo die Aufmerksamkeit hin-geht, das wird größer und wo sie abgezogen wird, das wird kleiner“. Diese Erkenntnis ermächtigt sie, in jeder Umge-bung völlig unauffällig und unmittelbar ihre Befindlichkeit zu beeinflussen. Dazu gibt es eine Fülle von Optionen und Übungsmöglichkeiten. Über gezielte Erinnerungen oder Fantasiereisen wird ein breites Spektrum von top down Einflüssen im Sinne Dama-sios möglich.Statt halb bewusst in Ruhezuständen (im Default Mode Network) Erinnerungen wieder zu käuen, kann man in si-cheren heimischen Umgebungen bewusst und top down heilsame oder hilfreiche Erinnerungen aufrufen, mit Gegen-

ständen im Raum verkörperter erleben und immer bewuss-ter in Verbindung mit eigenen Potenzialen im eigenen Erle-ben stabilisieren. In diesem Sinne kann man ganz prinzipiell abwechselnd problematische Muster des Erlebens aktivieren und mit guten Erfahrungen verknüpfen. („Neurons that fire to-gether wire together.“)Alle im Leben jemals erfahrenen Ressourcen können auf diese Weise im Bewusstsein vergegenwärtigt, beispielswei-se durch Selbstberührungen oder durch repräsentierende Gegenstände verkörperter wieder belebt werden und dann in Verbindung mit problematischen Mustern des Erlebens gebracht werden.In verkörperten und vergegenwärtigten Erinnerungen kön-nen alle nur denkbaren körperlichen Ressourcen und Poten-ziale wie eine vertiefte Atmung oder die oben geschilderte Balance in der Aufrichtung, Bodenkontakt usw. aus der auf-bauenden Körperarbeit aufgerufen werden und mit proble-matischen Erfahrungen verbunden und neue organische Verbindungen und Veränderung von Regelkreisen im Ge-hirn kreiert werden (bottom up im Sinne Damasios). Weite-re Möglichkeiten aus den Improvisationstheater oder einzel-ne Bilder aus Träumen können über Rollenspiele (besonders in Gruppen) erneut ins Leben gebracht und verkörpert wer-den und Daseinsmöglichkeiten eröffnen, die in dem bisher belebten Mustern des Erlebens und Verhaltens nie erahnt wurden. Auch frühere Selbstzustände von Wohlsein können in diesem Sinne erinnert und wieder belebt und mit proble-matischen Mustern verknüpft werden.Eine sehr wesentliche Möglichkeit eines Einflusses auf der Geistebene besteht darin, sich selber (vermutlich über eine Stärkung des praefrontalen Kortex und seiner Verbindung) liebevoller zu regulieren und den jeweiligen Kontexten ent-sprechend zu begleiten (Schwartz 2011). Dem Patienten ge-genüber kann als hilfreiche Metapher zum Verständnis einer solchen Art von Selbstbegleitung das Bild eines Königs in einer Kutsche angeboten werden wie es bei Gottwald 2010 erläutert wird. Diese Arbeit dürfte die Verbindung des prae-frontalen Kortex zu den verschiedenen Zentren im limbi-schen System erweitern, was als ein Grundprinzip wirksa-mer Psychotherapie angesehen wird.Darüber hinaus können die Ergebnisse der Bewusstseinsfor-schung in Verbindung mit den Ergebnissen der Quanten-theorie dazu führen, dass die 2500 Jahre alte Empirie der kontemplativen Praktiken des Ostens entschiedener in län-gerfristige Veränderungsprozesse in der Psychotherapie und Individuationsarbeit integriert werden. Sie haben einen un-mittelbar transformierenden Effekt auf jede gegenwärtige Befindlichkeit.

3. Die Weise wie Kontaktmöglichkeiten gestaltet werden kön-nen, auch mithilfe von Berührungen, Massagen und gemeinsa-mem Tanz besonders auch in Gruppensychotherapien die Be-findlichkeit (und der zu Grunde liegende Oxytocinspiegel) beeinflusst werden können, sind nicht das Thema dieses Bei-trags.

Christian Gottwald

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Systematisch kann so vorgegangen werden: im ersten Schritt werden problematische Muster möglichst achtsam im Raum verkörpert und vergegenwärtigt. Um das bisherige Selbst- und Weltbild und das implizite Beziehungswissen aufrufen, bemer-ken, erkennen und anschließend erweitern zu können, ist die In-szenierung in der Gegenwart zum Beispiel mit Hilfe eines acht-sam begleiteten Handelns („acting in“) möglich. Besonders einfach eröffnet sich die im vordergründigen Erleben enthaltene implizite geschichtliche Dimension, wenn dabei die Struktur des bisherigen Erlebens und des darin enthaltenen Weltbildes, beispielsweise irgendwelche Überichsignale durch Gegenstände oder Personen im Raum repräsentiert und damit verkörpert, sinnenhafter und begreifbar wird. Dabei handelt es sich um die impliziten und unbewussten Beziehungswissens enthaltenen Abkömmlinge der dispositionellen Repräsentationen. Eine dif-ferenzierende Unterscheidung des bisherigen Modells der Wirklichkeit von der bedingenden Vergangenheitserfahrung und eine bereits dadurch stattfindende erste Desidentifikation vom impliziten, im limbischen System fundierten Erleben wer-den durch eine solche Intervention gleichzeitig unterstützt. Gleichzeitig tauchen häufig ganz spontan die in derartigen Überichsignalen enthaltenen kindlichen Gefühle und die frühen Beziehungspersonen im Bewusstsein auf.Allerdings können neue heilsame Angebote, beispielsweise eine anerkennende oder unterstützende Berührung aufgrund der internalisierten impliziten Erfahrung zunächst durchaus zu Irritationen und Ablehnung einer prinzipiell hilfreichen Erfah-rung bei den Patienten führen, da die Signale aus dem implizi-ten Gedächtnis eine negative Erfahrung erwarten lassen. Das kann den Patienten je nach ihrem Vorverständnis als Infiltrati-on oder Infektion dieser Erfahrung mit den alten Informati-onen verständlich gemacht werden (Weitere hilfreiche Meta-phern in diesem Zusammenhang in Gottwald 2010). In diesem Fall ist es besonders hilfreich, die alte geschichtlich bedingte Szenerie zu externalisieren und durch Gegenstände oder Per-sonen zu repräsentieren und damit für den Patienten sinnenhaft begreifbar zu machen, dass im Unterschied zu dieser Ge-schichte aus dem impliziten Gedächtnis inzwischen hier und jetzt ein neues heilsames Angebot existiert. Anschließende jetzt annehmbare Neuerfahrungen können erst dann erlebt, später internalisiert werden. Auch in dieser im Dienste der Progression stehenden regressi-ven psychodynamischen Arbeit verbinden sich durch die Gleichzeitigkeit der wieder aufgerufenen impliziten Gefühle und die neue Erfahrung nach der Heppschen Devise „neurons that fire together wire together“ die nun belebte bisherige im Nervensystem abgespeicherten Erfahrung von Mangel oder Traumatisierung mit der heilsamen genau darauf abgestimm-ten neuen Erfahrung und erweitert sie. Diese Grundidee wurde bereits in der Hakomi-Methode und von Albert Pesso ins the-rapeutische Feld eingeführt (Weiss et al. 2012, 2013, 2015; Pesso und Perquin 2008).

Patienten sollten sich im Sinne von Stephen Porges (2007) möglichst von Anfang an aber auch während solcher eröff-nenden Prozesse in der Therapie so sicher wie möglich füh-len und so gut wie möglich entspannen können, um offen für diese und neue Erfahrungen sein zu können.

Aspekte psychodynamischer Arbeit – einbeziehung des impliziten Beziehungswissens

Wenn derartige unmittelbare Einflussmöglichkeiten in der Ge-genwart nicht oder sehr unbefriedigend möglich sind, sollte psychodynamische Psychotherapie und folglich das implizite Gedächtnis einbezogen werden können. Viele Patienten haben überwältigende und lebenslang Stress und innere Unruhe er-zeugende oder sehr mangelhafte Objektrepräsentanzen, sodass sie aus dem inneren Kriegsschauplatz oder aus ihrer inneren „Erlebniswüste“ heraus keine oder zu wenig positive Erfah-rungen in der aktuellen Wirklichkeit ihrer erreichbaren sozia-len Umgebung machen können. So wie das Gehirn in der frü-hen Kindheit in Abhängigkeit von der Erfahrung mit der Mutter geprägt wurde, kann aufgrund der neuroplastischen Po-tenz des Gehirns eine heilere Kindheit durch sehr vielfältige neue und verkörperte Erfahrungen hier und jetzt im intersub-jektiven therapeutischen Feld zwischen dem Patienten und dem Therapeuten oder in Therapiegruppen mit anderen Grup-penmitgliedern möglich werden. Fehlen ausreichend hilfreiche Erfahrungen in der Geschichte, die den Grund für ein gelin-gendes Leben hätten legen sollen, können derartige Erfahrun-gen in Gruppen – und Einzeltherapien symbolisch und doch konkret mit allen Sinnen und verkörpert erlebt werden. Die ganzheitliche, auch körperliche und damit sinnenhafte Be-gegnung verdichtet vielfältige so genannte korrektive Neuer-fahrungen im Sinne der 1946 erkannten Notwendigkeit einer „corrective emotional experience“ von Franz Alexander und French. So wie für den Säugling der strahlende Blick der Mut-ter, ihre Berührungen und ihre begleitenden Lautäußerungen von großer Bedeutung sind, haben auch heute noch alle visuel-len, auditorischen und anderen sensorischen Sinneseindrücke einen viel stärkeren Einfluss auf das Erleben des Patienten als Worte. Das liegt nicht zuletzt an der begleitenden Auswirkung auf das Belohnungssystem mit den entsprechenden Überträ-gersubstanzen und bedingt eine stärkere Ausschüttung von Wachstumsfaktoren wie BDNF, die ihrerseits eine Verbesse-rung der kognitiven Möglichkeiten zur Folge haben. In der bewusstseinszentrierten Körperpsychotherapie können Patienten hier und jetzt durch Einflüsse über den Körper und die begleitende achtsame Bewusstseinshaltung besonders leicht in Kontakt mit allen kindlichen, ursprünglichen Gefüh-len und den Kontext, in dem sie entstanden sind, kommen. Die damit verbundenen Mangelerfahrungen und Traumatisierun-gen, vor allem aber die zugehörigen Bedürfnisse und Potenzia-le werden zugänglich. In Gruppensychotherapien können be-sonders elegant neue mit allen Sinnen verbundene heilsame Erfahrungen in einer resonanten und verkörperten Begeg-nung generiert werden, die genau die Beziehungspersonen ins Spiel bringen, die für diese kindlichen Bedürfnisse und Poten-ziale eine heilsame Begleitung und Antwort gewesen wären. Dabei können sich die in die Gegenwart gerufene Geschichte und die mit Mangel oder Trauma verbundenen kindlichen Ge-fühle sinnvoll eröffnen, verbinden und erweitern.

Es ist tatsächlich nie zu spät, zumindest symbolisch eine glücklichere Kindheit zu erleben.

Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

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Ein angemessener Kontakt und heilsame neue Erfahrungen unterstützen eine Erweiterung und Internalisierung von an-gemessenen „dispositionellen Repräsentationen“ hilfreicher neuer Objekterfahrungen.Wenn mit Bewusstsein alle Sinneskanäle, Bewegung und Berührung gleichzeitig genutzt werden, kann in der Begeg-nung mit dem Therapeuten oder anderen Gruppenmitglie-dern eine neue Erfahrung so eindrücklich gestaltet werden , dass sogar bis ins höhere Alter Erweiterungen von beste-henden Erinnerungen und damit auch organische Verände-rungen des Gehirns als neuroplastischer Prozess generiert werden können.Therapeuten sollten bei der Eröffnung alter Gefühle jedoch die neurobiologisch bestätigte Gesetzmäßigkeit beachten, dass jede eindrückliche Erfahrung das Gehirn prägt und jedes Wiedererleben von Leid und Mangelsituation den Pa-tienten labilisiert und potentiell traumatisiert. Verschaltun-gen im Gehirn, die diesen bisherigen Erfahrungen zu Grun-de liegen, werden noch weiter verstärkt. Altes Leid, alte Mangelsituationen und Traumata aufzuru-fen, ist lediglich sinnvoll im Blick auf ein in der Therapie kreiertes besseres Ende der alten Geschichten. Eine Aktuali-sierung und Externalisierung der innnerlich erlebten Ele-mente von Problemen in einer Bewusstseinshaltung von Achtsamkeit zeigt die gegenwärtige Struktur des Erlebens und führt dann in die alte Geschichte hinein. Dieses Vorgehen erlaubt gleichzeitig eine sinnenhafter greifbare Differenzierung zwischen der alten Geschichte und den heutigen Möglichkeiten. Das erleichtert den Zugang zu ihren Emotionen und Gefüh-len und führt unter Umständen schon spontan zu den erin-nerten Entstehungsbedingungen. Die Patienten brauchen während dieses „regressiven“ Erlebens eine neue und ein-deutige verkörperte gegenwärtige Erfahrung, in der hier und heute eine ausreichende Unterstützung stattfindet und feh-lende Eindrücke und Bewegungsmöglichkeiten verkörpert erfahren werden. Auch positive neue Angebote können jedoch geschichtlich bedingte negative Erfahrungen mit aufrufen, also in gewis-ser Weise „infizieren“. Damit ist besonders bei sehr frühen chronisch negativen Vorerfahrungen in der Geschichte der Patienten zu rechnen. Es lohnt sich zu wissen, dass es zur Veränderung einer aus-reichenden emotionalen Beteiligung oder irgendwann sogar einer Erschütterung bedarf, oder einer ausreichenden Her-ausforderung und Destabilisierung des Patienten, um Wachstum und neues Lernen zu ermöglichen (Hüther 2003).

Der letztgenannte Punkt entspricht auch den Vorstellungen der Synergetik (Schiepek 2011). Chronische, implizite, nicht be-wusste Vermeidung und Anpassung sind als Gewohnheitsmus-ter in den Basalganglien mit verankert und stehen dem entge-gen. Patienten brauchen dann, dass sie vielleicht auch mithilfe neurobiologischen Wissens informiert, unterstützt und eingela-den werden, sich den im gegenwärtigen Erleben enthaltenen

impliziten stressauslösenden Empfindungen und Gefühlen zu stellen und sie unter Umständen im körperlichen Kontakt mit dem Therapeuten oder mit Gruppenmitgliedern zum ersten Mal wieder auszuhalten.

In der Mitgestaltung des therapeutischen Prozesses durch Therapeuten sollte in jedem Einzelfall die rechte Mischung zwischen Sicherheit, Entspannung und angemessener her-ausfordernder Anregung dazu führen, die bisherigen Res-sourcen zu beleben oder zu erweitern und gegebenenfalls geschichtlich bedingte Anpassung und Vermeidung von Ge-fühlen und Handlungsmöglichkeiten zu vermeiden, um das implizite Beziehungswissen durch neue Erfahrungen in der therapeutischen Allianz zu erweitern.

Bewusster Wiederaufruf heilsamer erinnerungen

Nach heilsamen Neuerfahrungen ist schlussendlich wieder ein sinnvoller Umgang mit Bewusstseinsprozessen gefragt, um diese immer sicherer zu internalisieren und im neuronalen Netzwerk zu verankern. Alte Erinnerungen wurden um neue und heilsame Elemente erweitert. Sie wurden dabei sicherlich in der Verbindung zum präfrontalen Kortex rekategorisiert. Da der Umbau im Gehirn Zeit und Wiederholung braucht, werden Patienten angeregt, positive neue Erfahrungen auch zu Hause in der Erinnerung möglichst sinnenhaft, durch Gesten oder auch mit Hilfe von konkreten, von den Patienten gewählten Ersatzsymbolen wie sie es vielleicht mit den Übergangsobjek-ten als Kind kennengelernt haben, immer wieder nachzuvoll-ziehen. Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass eine sol-che Verkörperung das wesentliche Potenzial von Erinnerung, nämlich diese nicht nur im Bewusstsein aufzurufen sondern innen eine Erfahrung erneut erleben zu können, sehr effektiv unterstützt. Klinisch haben wir den neurobiologisch untermau-erten Eindruck gewonnen, dass eine Internalisierung von neuen Erfahrungen durch erinnernde Wiederholung eindeutig unterstützt wird. Die zugehörigen neuronalen Verbindungen und Regelkreise werden in einem derartigen Erinnerungspro-zess aufgerufen, verstärkt und als schon wieder veränderte Er-innerung abgespeichert werden. Auf diese Weise wird die Fülle der in der Geschichte eingeengten Optionen immer wieder er-weitert und Möglichkeiten, auf die in der Vergangenheit ver-zichtet werden mussten, werden wiederholt ins Spiel gebracht, erlebt und durch diese durch Sinne und Gefühle und körperli-che intensive Erfahrung leichter im Gehirn verankert. Nicht zuletzt durch eine derartige Internalisierung resultiert langfristig eine strukturelle Veränderung im Sinne der Operati-onalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD). Die bis-herigen Wirklichkeitsmodelle können anschließend vielfältiger und die Palette möglicher Selbstzustände bunter und immer leichter aufgerufen werden. Das bedeutet eine höhere Wahr-scheinlichkeit, wohler, gesünder und effektiver mit mehr Po-tenzialen in der Welt zu sein. Durch Internalisierung, also Ab-speicherung von heilsamen Neuerfahrungen wird langfristig auch eine anschließende angemessenere Selbstregulation und Selbstbegleitung erleichtert. Obendrein ist es möglich, Mitge-fühl mit sich selbst zu erlernen (Neff. & Germer 2012).

Christian Gottwald

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Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

hilfreiche neurobiologisch fundierte  informationen

Die Begegnung mit Ergebnissen der Neurobiologie kann Pati-enten auf dem Boden einer tragfähigen therapeutischen Bezie-hung weitere sehr hilfreiche Informationen und Umdeutungen an die Hand geben. Fünf Beispiele aus vielen anderen mögli-chen seien genannt: 1. Neurobiologisch ist es gesichert, dass jedes Muster des Er-

lebens und Verhaltens seinen geschichtlich bedingten und neuronal und in den Regelkreisen des Gehirns verankerten sehr guten Grund hat. Diese Information kann Patienten von Scham und von Schuldgefühlen entlasten.

2. Jederzeit und auch nach Therapien können Rückfälle in äl-tere Verhaltens- und Erlebnisweisen, besonders unter Stress, geschehen, denn deren Muster sind besser gebahnt als neu entwickelte Selbstzustände und Verhaltensmöglichkeiten. Es ist gut und sehr entlastend, wenn Therapeuten und Pati-enten die Hartnäckigkeit der in den Basalganglien veranker-ten psychischen Struktur („Traits“) verstehen. Hier hilft das Bild tief eingeprägter Fahrrinnen in einer uralten steinge-pflasterten Straße.

3. Veränderungen können kurzfristig und unmittelbar auspro-biert und weiter entwickelt werden, z. B. über die zitierten „Stellschrauben“. Es braucht aber beständige Übung und Zeit, um außerhalb von alten Fahrrinnen neue Wege zu be-festigen, also heilsam erweiterte Erinnerungen, strukturver-ändernde Internalisierungen und veränderte „Traits“ zu schaffen und dem Boden neuronaler Netzwerke und bioche-mischer Regelkreise einzuprägen.

4. Wenn Patienten durch chronische, implizite Vermeidung und Anpassung eingeengt sind, kann es helfen, dass sie wis-sen, warum es Sinn macht, sich den im gegenwärtigen Erle-ben impliziten stressauslösenden Empfindungen und Ge-fühlen zu stellen und im körperlichen Kontakt mit dem Therapeuten oder mit Gruppenmitgliedern zum ersten Mal wieder auszuhalten.

5. Es hat entwicklungsbiologische Ursachen, dass Menschen versucht sind, sich eher schlechten Gefühlen und Nachrich-ten zuzuwenden als guten.

6. Lebenslang, wirklich bis zum Tod, können Menschen die neuroplastische Kapazität ihres Gehirns nutzen. Dieses Wissen verändert das Bewusstsein und Dasein in der Welt.

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Page 21: Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie ... · grundlagen Die Neurobiologie widmet sich der Erforschung des Gehirns. Das junge Wissensgebiet ist noch sehr im Fluss.

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Bewusstseinsprozesse und Körper in der Psychotherapie – neurobiologische Aspekte

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Autor und Korrespondenzadresse

Dr. med. Christian Gottwald, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenarzt, Psychoanalyse. Lehranalytiker und Supervisor der bayerischen Landesärzte-kammer, eigene Praxis in München, Eidoshaus, Wehnerstraße 23, 81243 München, Deutschland. www.gottwald-eidos.deE-Mail: [email protected]