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Bibel und Literatur

Vorlesung vom 27. 10. 08

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Gliederung

• Inkulturationen von „Paradies“ – Beispiel die deutsche Romantik

• Die Sterblichkeit und ihr pathetischer Mehrwert - Klopstock

• Die Zerstörung der Schöpfung – Kleist, Raabe, Böll, Süskind

• Noah und der Wein

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Wessobrunner Gebet:

Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes, daß Erde nicht war, noch oben der Himmel, nicht Baum ..., noch Berg nicht war, noch ... irgend etwas, noch die Sonne nicht schien, noch der Mond nicht leuchtete, noch das herrliche Meer…

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Joseph von Eichendorff: aus: Ahnung und Gegenwart

»Meine frühesten Erinnerungen verlieren sich in einem großen, schönen Garten. Lange, hohe Gänge von gradbeschnittenen Baumwänden laufen nach allen Richtungen zwischen großen Blumenfeldern hin, Wasserkünste rauschen einsam dazwischen […]. Diese ganze, stille Zeit liegt weit hinter all dem Schwalle der seitdem durchlebten Tage, wie ein uraltes, wehmütig süßes Lied, und wenn mich oft nur ein einzelner Ton davon wieder berührt, faßt mich ein unbeschreibliches Heimweh, nicht nur nach jenen Gärten und Bergen, sondern nach einer viel ferneren und tieferen Heimat, von welcher jene nur ein lieblicher Widerschein zu sein scheint. Ach, warum müssen wir jene unschuldige Betrachtung der Welt, jene wundervolle Sehnsucht, jenen geheimnisvollen, unbeschreiblichen Schimmer der Natur verlieren, in dem wir nur manchmal noch im Traume unbekannte, seltsame Gegenden wiedersehen!«

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Klopstock: Der Tod Adams, I,3ADAM. Mein Sohn! Mein bester Sohn! Ich weiß, wie du den Unerschaffnen

kennst, und wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!

SETH. Mein Vater! - Adam! mein Vater!ADAM. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger verstummen! (zu Seth)

Mein ganzes Herz empört sich, da ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören! Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal, als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!

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Klopstock: Der Tod Adams, I,3ADAM. Mein Sohn! Mein bester Sohn! Ich weis, wie du den Unerschaffnen

kennst, und wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!

SETH. Mein Vater! - Adam! mein Vater!ADAM. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger verstummen! (zu Seth)

Mein ganzes Herz empört sich, da ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören! Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal, als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!

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Klopstock: Der Tod Adams, I,3ADAM. Mein Sohn! Mein bester Sohn! Ich weiß, wie du den Unerschaffnen

kennst, und wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!

SETH. Mein Vater! - Adam! mein Vater!ADAM. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger verstummen! (zu Seth)

Mein ganzes Herz empört sich, da ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören! Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal, als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!

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Klopstock: Der Tod Adams, I,3ADAM. Mein Sohn! Mein bester Sohn! Ich weiß, wie du den Unerschaffnen

kennst, und wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!

SETH. Mein Vater! - Adam! mein Vater!ADAM. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger verstummen! (zu Seth)

Mein ganzes Herz empört sich, da ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören! Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal, als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!

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Klopstock: Der Tod Adams, I,3ADAM. Mein Sohn! Mein bester Sohn! Ich weis, wie du den Unerschaffnen

kennst, und wie tief du ihn anbetest! Du bist ein Mann, mein Sohn! Ich kann dir alles sagen! - Heut sterb ich!

SETH. Mein Vater! - Adam! mein Vater!ADAM. (Vor sich) Er verstummt! Ich werde bald länger verstummen! (zu Seth)

Mein ganzes Herz empört sich, da ich dich leiden sehe! Aber du mußt mich hören! Viel fürchterlicher war die Stimme, da ich das erstemal das erstaunungsvolle Wort, Tod! vernahm. Unter allen meinen Kindern bist du der einzige, der mich sterben sehen, der mir sterben helfen soll. So gewiß ich wußte, daß ich geschaffen war, da ich mich empor hub, und gen Himmel sah; so gewiß weis ich,- daß ich heut sterben werde! - Ich saß in der Vorhütte und überließ mich den Freuden über die Glückseligkeit meiner Kinder Heman und Selima ganz! Auf einmal, so sehr auf einmal, als je der schnellste Gedanke gedacht worden ist, erschütterte mich, kein Erstaunen, kein Schauer, keine Angst, der kommende Tod erschütterte mich, und strömte durch alle meine Gebeine! Itzt ist dieses mächtige Gefühl zur Betäubung geworden, sonst würde ich, wie du verstummen, oder du würdest doch die Sprache meiner Angst nicht verstehn!

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Die zerstörte Schöpfung

• Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug. Berlin 1811

• Wilhelm Raabe: Pfisters Mühle. Ein Sommerferienheft. Leipzig 1884

• Heinrich Böll: Wo warst Du, Adam? Opladen 1951

• Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders. Zürich 1985

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Süskind: Das ParfumJa! Dies war sein Reich! Das einzigartige Grenouillereich! Von ihm, dem

einzigartigen Grenouille erschaffen und beherrscht, von ihm verwüstet, wann es ihm gefiel, und wieder aufgerichtet, von ihm ins Unermeßliche erweitert und mit dem Flammenschwert verteidigt gegen jeden Eindringling. Hier galt nichts als sein Wille, der Wille des großen, herrlichen, einzigartigen Grenouille. Und nachdem die üblen Gerüche der Vergangenheit hinweggetilgt waren, wollte er nun, daß es dufte in seinem Reich. Und er ging mit mächtigen Schritten über die brachen Fluren und säte Duft der verschiedensten Sorten, verschwenderisch hier, sparsam dort, in endlos weiten Plantagen und kleinen intimen Rabatten den Samen faustweise verschleudernd oder einzeln an eigens ausgewählten Plätzen versenkend. [...]

Gen 2,8: Da pflanze Gott der Herr einen Garten in Eden und setzt den Menschen hinein, den er gebildet hatte. Und Gott der Herr ließ allerlei Bäume aus der Erde wachsen

Gen 3,24: Und er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherube mit dem Flammenschwert stehen, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.

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„Und als er sah, daß es gut war und daß das ganze Land von seinem göttlichen Grenouillesamen durchtränkt war, da ließ der Große Grenouille einen Weingeistregen herniedergehen, sanft und stetig, und es begann allüberall zu keinem und zu sprießen, und die Saat trieb aus, daß es das Herz erfreute. […]

Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und es geschah. Und er schickte die milde Sonne seines Lächelns über das Land, worauf sich mit einem Schlag die millionenfache Pracht der Blüten erschloß, von einem Ende des Reichs bis zum andern, zu einem einzigen bunten Teppich, geknüpft aus Myriaden von köstlichen Duftbehältern. Und der Große Grenouielle sah, daß es gut war, sehr, sehr gut. Und er blies den Wind seines Odems über das Land.

Gen 1, 30ff: Allen Tieren der Erde [..] und allem, was Lebensodem in

sich hat, gebe ich alles Gras und Kraut zur Nahrung. Und es geschah also. Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und sah, daß es sehr gut war.

Gen 2, 7: Da bildete Gott der Herr den Menschen […] und blies ihm Lebensodem in die Nase

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Und die Blüten, liebkost, verströmten Duft und vermischten ihre Myriaden Düfte zu einem ständig changierenden und doch in ständigem Wechsel vereinten universalen Huldigungsduft an Ihn, den Großen, den Einzigen, den Herrlichen Grenouille, und dieser, auf einer gold-duftenden Wolke thronend, sog den Odem schnuppernd wieder ein. Und der Geruch des Opfers war ihm angenehm. Und er ließ sich herab, seine Schöpfung mehrmals zu segnen, was ihm von dieser mit Jauchzen und Jubilieren und abermaligen herrlichen Duftausstößen gedankt wurde. Unterdessen war es Abend geworden…

Lev 16, 2: denn ich will in einer Wolke erscheinen auf dem Gnadenstuhl

Dtn 33, 10: die werden Rauchwerk vor deine Nase legen und ganze Opfer auf deinen Altar

Gen 1, 28: Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen…. Gen 1, 5: Und es wurde Abend, und es wurde Morgen…

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Und als er sah, daß es gut war und daß das ganze Land von seinem göttlichen Grenouillesamen durchtränkt war, da ließ der Große Grenouille einen Weingeistregen herniedergehen, sanft und stetig, und es begann allüberall zu keinem und zu sprießen, und die Saat trieb aus, daß es das Herz erfreute. […]

Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und es geschah. Und er schickte die milde Sonne seines Lächelns über das Land, worauf sich mit einem Schlag die millionenfache Pracht der Blüten erschloß, von einem Ende des Reichs bis zum andern, zu einem einzigen bunten Teppich, geknüpft aus Myriaden von köstlichen Duftbehältern. Und der Große Grenouielle sah, daß es gut war, sehr, sehr gut. Und er blies den Wind seines Odems über das Land. Und die Blüten, liebkost, verströmten Duft und vermischten ihre Myriaden Düfte zu einem ständig changierenden und doch in ständigem Wechsel vereinten universalen Huldigungsduft an Ihn, den Großen, den Einzigen, den Herrlichen Grenouille.

Gen 1: Und Gott sprach… Und Gott sah… Und Gott segnete sie…

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Der Sündenfall

Kleist: Familie Schroffenstein I,1: „Ei. Herr, der Erbvertrag gehört zur Sache.Denn das ist just als sagtest du, der ApfelGehöre nicht zum Sündenfall.“

Goethe: Faust, Walpurgisnacht:„Das Äpfelchen begehrt ihr sehrUnd schon vom Paradiese her.“

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Der Sündenfall Gen 3, 1-6Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott

der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten?

Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;

aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Eßt nicht davon, rührt's auch nicht an, daß ihr nicht sterbt.

Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben;

sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.

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Giovanni Bellini, um 1515 : Der betrunkene Noah mit seinen guten Söhnen Sem und Japhet und dem schamlosen Cham

Gen 9, 20-21: Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag in der Hütte aufgedeckt.

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Berner Stadtspiel

Hans von Rüte : Wie Noe vom win vberwunden durch sin jüngsten Sun Cham geschmächt aber die eltern beid Sem vnnd Japhet geehret den sägen vnnd fluch jnen eroffnet hatt : ist zu Bernn in Vchtland durch junge Burger gespilt vff 4. Aprilis 1546 / Hans von Ruete. Getruckt inn der Loblichen Statt Bernn by Mathia Apiario, 1546

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Friedrich von Hagedorn: Der Wein (1728)

1. Aus den Reben / /

Fleußt das Leben: / / Das ist offenbar. / / /

Ihr, der Trauben Kenner! / / / Weingelehrte Männer! / / / Macht dies Sprichwort wahr. / / /

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2. Niemals glühtenRechabiten,Edler Most, von dir!Aber, Wein-Erfinder,Noah, deine KinderZechten so wie wir.

3. UeberzogenRegenbogenGleich das Firmament:So ward deiner FreudeMehr als Augenweide,Ihr ward Wein gegönnt.

4. DeinetwegenKam der Segen,Wuchs der beste Wein.Nach den WasserflutenKonnte nichts den GutenGrößern Trost verleihn.

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Goethe: Erschaffen und beleben (aus: West-östlicher Divan)

Hans Adam war ein Erdenkloß,Den Gott zum Menschen machte,Doch bracht er aus der Mutter SchoßNoch vieles Ungeschlachte.

Die Elohim zur Nas' hineinDen besten Geist ihm bliesen,Nun schien er schon was mehr zu

sein,Denn er fing an zu niesen.

Doch mit Gebein und Glied und KopfBlieb er ein halber Klumpen,Bis endlich Noah für den TropfDas Wahre fand, den Humpen.

Der Klumpe fühlt sogleich den Schwung,

Sobald er sich benetzet,So wie der Teig durch SäuerungSich in Bewegung setzet. So, Hafis, mag dein holder Sang,Dein heiliges Exempel,Uns führen, bei der Gläser Klang,Zu unsres Schöpfers Tempel.

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Vagantenstrophe

Hans Adam war ein Erdenkloß, / / / /

Den Gott zum Menschen machte, / / / Doch bracht er aus der Mutter Schoß / / / /

Noch vieles Ungeschlachte. / / /

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Wilhelm Müller: Die Arche Noäh. Aus: Aus den

hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten II. 1.Das Essen, nicht das Trinken,Bracht' uns um's Paradies.Was Adam einst verlorenDurch seinen argen Biß,Das giebt der Wein uns wieder,Der Wein und frohe Lieder.

2.Und als die Welt auf's NeueIn Bauches Lust versank,Und in der Sünde FluthenDie Kreatur ertrank,Blieb Noah doch am Leben,Der Pflanzer edler Reben.

3.Er floh mit Weib und KindernWohl in sein größtes Faß,Das schwamm hoch auf den

Fluthen,Und Keiner wurde naß.So hat der Wein die FrommenDem Wassertod entnommen.

4.Und als die Fluth zerronnen,Da blieb das runde HausAuf einem Berge sitzen,Und alle stiegen aus,Begrüßten froh das Leben,Und pflanzten neue Reben.

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5.Das Faß blieb auf dem Berge Zum Angedenken stehn: Zu Heidelberg am Neckar Könnt ihr es selber sehn. Nun wißt ihr, wer die Reben Am Rhein uns hat gegeben.

6.Und will noch Einer wagen, Den heil'gen Wein zu schmähn, Der soll in Wasserfluthen Erbärmlich untergehn! Stoßt an und singt, ihr Brüder: Der Wein und frohe Lieder!

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Strophenform

1.Das Essen, nicht das Trinken,

Bracht' uns um's Paradies.

Was Adam einst verloren

Durch seinen argen Biß,

Das giebt der Wein uns wieder,

Der Wein und frohe Lieder.

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Georg Friedrich Daumer. Aus:

Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte

Wasser und Wogenschwall - o weh der Sündfluth! Flieh'n wir ohne Säumen in die Arche -In die Schenke! Da sitzt mit seinen Kindern Vater Hafis, der fromme Patriarche.

Heil dir, Heil, du Noah unsrer Zeiten! Hast noch einmal diese Welt gerettet.Und begraben liegen im Wasserschlunde Mufti, Scheich, Magister und Scholarche.