BID.op.ed Gesundheitspolitik 1/2014 - Thema: Innovationsfonds

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BID.OP.ED DAS DEBATTENFORUM DES //////////// BERLINER INFORMATIONSDIENSTES Innovationsfonds GESUNDHEITSPOLITIK AUSGABE 1 / 2014 DEBATTENBEITRÄGE INNOVATIONSFONDS Sektortrennung

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Finden Sie hier das Debattenmagazin BID.op.ed zur Gesundheitspolitik zum Thema Innovationsfonds. Weitere Informationen sowie Download unter: www.bid.ag

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BID.OP.EDDAS DEBATTENFORUM DES //////////// BERLINER INFORMATIONSDIENSTES

Innovationsfonds

GESUNDHEITSPOLITIK AUSGABE 1 / 2014 DEBATTENBEITRÄGE INNOVATIONSFONDS

Sektortrennung

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DAS DEBATTENFORUM „BID.OP.ED“

Zeitungslesern ist das „op ed“ als der Freiraum („opposite the editorial page“) für Meinungsartikel bekannt, die nicht aus der Feder der Redaktion stammen. Mit dem BID.op.ed wollen auch wir unse-ren Lesern die Gelegenheit geben, Ihren Standpunkt im Debattenforum des Ber-liner Informationsdienstes zur Diskussion zu stellen. Halbjährlich wechselnd wer-den wir zentrale politische Fragestellun-gen aufgreifen und Positionen aus Politik, Verbänden und Wirtschaft zusammen-führen. Zentrales Anliegen des moderier-ten Debattenforums ist der Austausch von Ideen zwischen Menschen, die den politischen Prozess mitgestalten und die Diskussion mit ihrer Sachkenntnis beglei-ten wollen. Um mit den Beiträgen eine interessierte Öffentlichkeit zu erreichen, werden die veröffentlichten Debatten-beiträge halbjährlich zu einem Reader aufbereitet und den politischen Entschei-dern in Bundestag und Verwaltung sowie weiteren politischen Organisationen und einem interessierten Fachpublikum zu-gesandt. Auf diese Weise kann sich die Fach-Community kompakt über den ak-tuellen Stand der Diskussion sowie die politischen Ziele und Standpunkte der Akteure informieren.

INNOVATIONSFONDS

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor dem historisch gewachsenen Prob-lem, die unterschiedlichen Versorgungs-bereiche zu integrieren. Um die Weichen für neue, innovative Versorgungsformen zu stellen, hat die schwarz-rote Bun-desregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, einen Innovationsfonds zu schaffen. Dieser soll sowohl die Versor-gungsforschung als auch sektorübergrei-fende Projekte, die über die Regelversor-gung hinausgehen, fördern.

Das BID.op.ed Gesundheitspolitik zum Innovationsfonds bietet politischen Ent-scheidungsträgern und Stakeholdern die Möglichkeit, sich auszutauschen und die Herausforderungen bei der Ausgestal-tung des Innovationsfonds zu benennen.

Liebe Leser,mit unserem Debattenforum BID.op.ed laden wir alle am politischen Entscheidungs-prozess Beteiligten ein, ihre Position zu erläutern – bevor das Thema auf der öffent-lichen Agenda steht. Die Diskussionen, die das BID.op.ed aufgreift, sind selbstver-ständlich nur ein kleiner Ausschnitt des täglichen politischen Diskurses. Ergänzt um Hintergrundinformationen zum rechtlichen Rahmen, veröffentlichten Studien und weitere Details bildet dieser Reader die Ausgangsbasis, wenn die politische Diskus-sion ein breiteres Publikum erreicht.

Mit dem Politikmonitoring des Berliner Informationsdienstes, das in Kooperation mit dem Verlag Der Tagesspiegel erscheint, reduzieren wir die tägliche Informati-onsflut auf das Elementare – den politischen Prozess. Damit bieten wir ein intel-ligentes Monitoring für Politikberatungen, Unternehmen, Verbände, NGOs sowie politische Entscheidungsträger in den Themenfeldern Energie-, Gesundheits-, Netz- und Steuerpolitik.

Unsere Leser erhalten neben aktuellen Hintergrundinformationen einen Über-blick über relevante Entscheidungen von Bundestag, Bundesrat und Regierung. Gleichzeitig halten wir sie über die Positionen der politischen Akteure und direkten Stakeholder im jeweiligen Politikfeld auf dem Laufenden. Wöchentlich liefern wir detaillierte Informationen über parlamentarische Initiativen, den Stand aktueller Gesetzgebungsprozesse und einen Ausblick auf alle politikfeld-relevanten Termine.

In der Gesundheitspolitik wird das Thema Versorgung im Herbst 2014 im Mittel-punkt stehen. Für das BID.op.ed haben wir die Ausgestaltung des Innovationsfonds herausgegriffen, um die Herausforderungen bei der sektorenübergreifenden Ver-sorgung zu diskutieren.

Zur Diskussion eingeladen haben wir Menschen, die den politischen Prozess mit ihrer Sachkenntnis begleiten und mitgestalten. Nun möchten wir Sie einladen, sich mit dem „BID.op.ed“-Reader einen Überblick über den Stand der Diskussion zu ver-schaffen und die nächste Debatte mit eigenen Beiträgen zu bereichern.

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre!

Dr. Sandra Busch-Janser Chefin vom Dienst

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DEBATTENFORUM DES BERLINER INFORMATIONSDIENSTES // GESUNDHEITSPOLITIK

Inhalt

6 Mit einem Fonds zu mehr Innovationen Roberta Wendt, Ressortleiterin Gesundheitspolitik des

Berliner Informationsdienstes

7 Neue Herausforderungen für die Organisation der medizinischen Versorgung

Jens Spahn, MdB (CDU)

8 Prävention, Rehabilitation und Pflege in den Mittelpunkt Dr. Harald Terpe, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)

10 Viele Chancen, aber auch Risiken Harald Weinberg, MdB (Die Linke)

12 Das Geld kommt von den Versicherten, sie müssen auch Nutznießer sein

Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V.

14 Neue Ideen braucht das Gesundheitswesen Ulrike Elsner, Vorsitzende des Vorstandes beim Verband der Ersatzkassen

e.V. (vdek)

16 Zur Umsetzung eines Innovationsfonds aus Sicht der BARMER GEK

Claudia Korf, Landesgeschäftsführerin der BARMER GEK Berlin Brandenburg

17 Wie innovativ ist der Innovationsfonds? Birgit Fischer , Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden

Pharma-Unternehmen (vfa)

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19 Krankenkassen verstehen sich zu wenig als Versorgungsmanager Prof. Dr. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender, Dr. Susanne Ozegowski,

Geschäftsführerin, Sabine Barz, Referentin, Bundesverbandes Managed Care e. V.

21 Innovationsfonds zur Förderung neuer Versorgungsformen Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT

(bvitg e. V)

22 Chance für eine Intensivierung von Versorgungsforschung und Marktbeobachtungswissen

Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed)

24 Innovationsfonds als „Motor“ von Suchprozessen Prof. Dr. Gerd Glaeske, Co-Leiter Abteilung Gesundheitsökonomie an der

Universität Bremen

26 Versorgung verbessern: Erfolgsfaktoren für den Innovationsfonds Prof. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES

Instituts

28 Förderkriterien für den Innovationsfonds: Eine konzeptionelle Herangehensweise ist gefragt

Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft

30 Innovationsfonds – Ein Tropfen auf dem heißen Stein?! Annegret Schnick, Vertreterin des Ausschusses Wettbewerbsfähigkeit des

Young Lions Gesundheitsparlaments

32 Rechtlicher Rahmen / Hintergrundinformationen

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Roberta Wendt, Ressortleiterin Gesundheitspolitik des Berliner Informationsdienstes

Ärztemangel auf dem Land bei gleich-zeitiger ambulanter und stationärer Überversorgung in der Stadt vor dem Hintergrund des demographischen Wan-dels und des medizinischen Fortschritts – so präsentiert sich die derzeitige Ge-sundheitsversorgung in Deutschland. Hinzu kommen Schnittstellenprobleme zwischen den Behandlungs- und Versor-gungsbereichen, die die Koordination und die Kommunikation zwischen den Sektoren erschweren.

Um diesen Herausforderungen zu begeg-nen und neue, innovative Versorgungs-modelle zu entwickeln, will der Gesetz- geber alle Akteure des Gesundheitssys-tems aktivieren. Durch den Zugang zu Innovationen, die gleichermaßen Pro-dukte und Prozesse beinhalten, soll ein modernes und leistungsfähiges Gesund-heitssystem für den Patienten geschaffen werden.

Um hier weitere Weichen zu stellen, hat die schwarz-rote Bundesregierung in ih-rem Koalitionsvertrag vereinbart, die Ver-sorgungsforschung zu stärken, um mehr über die bestehenden Defizite zu lernen und daraus geeignete Maßnahmen ablei-ten zu können. Zudem sollen weitere Mit-tel im Rahmen eines Fonds zur Verfügung stehen, der nicht aus Haushaltsmitteln sondern durch die Krankenkassen finan-ziert wird. So heißt es im Koalitionsvertrag:

„Zur Förderung innovativer sektorüber-greifender Versorgungsformen und für

die Versorgungsforschung wird ein Inno-vationsfonds geschaffen. Dafür werden 300 Mio. Euro von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt; dafür erhalten die Krankenkassen 150 Mio. Euro an zusätz-lichen Zuweisungen aus dem Gesund-heitsfonds. Aus dem Innovationsfonds werden für Versorgungsleistungen, die über die Regelversorgung hinausgehen, Mittel in Höhe von insgesamt 225 Mio. Euro und für Versorgungsforschung Mit-tel in Höhe von insgesamt 75 Mio. Euro verwendet. Für die Vergabe der Mittel legt der Gemeinsame Bundesausschuss Kriterien fest. Die Vergabe erfolgt durch ein jährliches Ausschreibungsverfahren, das vom Gemeinsamen Bundesausschuss durchgeführt wird. Eine Evaluierung er-folgt nach vier Jahren.“ (KoaV 2013, S. 55)

Während die finanziellen Fragen mit der Ankündigung im Koalitionsvertrag schon sehr detailliert beantwortet werden, bleibt die Ankündigung zur Versorgungs-forschung und zu sektorübergreifenden Projekten allgemein.

Damit frühzeitig der gesetzliche Rahmen geschaffen werden kann, formulieren die Akteure derzeit ihre Vorstellungen und Erwartungen. Das BID.op.ed Gesund-heitspolitik zum Innovationsfonds bietet politischen Entscheidungsträgern und Stakeholdern die Möglichkeit, sich auszu-tauschen und die Herausforderungen bei der Ausgestaltung des Innovationsfonds zu benennen.

Roberta Wendt leitet beim Berliner Informationsdienst den Bereich Gesundheitspolitik, dessen Aufbau sie zuvor als verantwortliche Redakteurin unterstützte.

EINFÜHRUNG

Mit einem Fonds zu mehr Innovationen

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POLITIK

Neue Herausforderungen für die Organisation der medizinischen Versorgung

Die Zahl chronisch kranker und hochbe-tagter multimorbider Menschen steigt stetig an. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für die Organisati-on der medizinischen Versorgung. Wir müssen vom Fachgebiets- und Sekto-rendenken wegkommen hin zu indika-tionsbezogenen Versorgungsketten mit durchgängig hoher Qualität. Derzeit scheitern viele neue Versorgungspro-jekte an der fehlenden Anschubfinan-zierung und der unterschiedlichen Ab-rechnungssystematik in stationärer und ambulanter Versorgung. Zudem fehlen für erfolgreiche Projekte verbindliche und transparente Leitlinien zum Über-gang in die Regelversorgung. Daher hat sich die große Koalition im Koaliti-onsvertrag darauf verständigt, zur För-derung innovativer sektorenübergrei-fender Versorgungsformen und für die Versorgungsforschung einen Innovati-onsfonds mit einem Gesamtvolumen von 300 Mio. Euro pro Jahr zu schaffen.

Mit einem Großteil der veranschlagten Summe (geplante Förderung: 225 Mio. Euro pro Jahr) sollen nachhaltige Ver-sorgungskonzepte gefördert werden. Der Schwerpunkt soll in der Erprobung neuer Prozessinnovationen liegen und über die heutige Regelversorgung hin-ausgehen. Sie sollten dem Bereich der besonderen Versorgungsformen zuzu-rechnen sein und erkennbare Defizite der sektoralen Versorgung überwinden

oder vermeiden suchen. Das können beispielsweise sektorübergreifende Modellprojekte zur Gewährleistung der Versorgung in unterversorgten Regio-nen, zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei multimorbiden Patienten mit Poly-medikation oder zur Substitution oder Delegation ärztlicher Leistung oder zur Qualitätssicherung sein.

75 Mio. Euro pro Jahr sollen für die Weiterentwicklung der Versorgungsfor-schung zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist, Projekte zur systematischen Identifikation und Analyse von Ver-sorgungslücken, zur Entwicklung von Konzepten für langfristige und umfas-sende Versorgungsziele – wie z. B. die ganzheitliche Orientierung an der Ver-sorgung von Patienten mit spezifischen Erkrankungen – und zur Verbesserung der Datenlage sowie zur Bearbeitung methodischer Fragestellungen zu för-dern. Ebenfalls soll Begleitforschung zu speziellen qualitätsrelevanten Themen, wie der sektorübergreifenden Quali-tätssicherung, oder die systematische Evaluation der Auswirkungen von Richt-linien des G-BA möglich sein. Dabei ist es sinnvoll, dass der G-BA für alle Entschei-dungen, die er zu treffen hat, die not-wendige wissenschaftliche Fundierung selbst beauftragen und herstellen kann. Dies gilt insbesondere für die Bereiche, in denen anders als bei Arzneimitteln, keine finanzstarke Industrie Studien

Jens Spahn, MdB (CDU) veröffentlicht am 19. Mai 2014

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beizubringen hat. Entscheidungen des G-BA zu für die Patienten wichtigen Ver-sorgungsfragen sollen nicht mehr mit dem Hinweis auf eine mangelnde Evi-denzlage jahrelang aufgeschoben oder abgelehnt werden können.

Grundvoraussetzung, um eine erfolg-reiche Förderung von Innovationen und Versorgungsforschung zu erreichen, ist die Etablierung eines effizienten und transparenten Entscheidungsverfah-rens beim G-BA. Die Entscheidungen über Annahme oder Ablehnung der An-träge müssen nachvollziehbar sein. Da-zu muss ein Assessmentverfahren ent-wickelt werden, das neutrale, streng an der Qualität orientierte Entscheidun-

gen gewährleistet. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll dabei die Kriteri-en zur Vergabe der Mittel festlegen und das jährliche Ausschreibungsverfahren durchführen. Generell geht es darum, das Zusammenwirken von Verfahren und Entscheidungen des G-BA zur Ver-sorgung enger zu verknüpfen mit Er-kenntnissen und Erfolgen aus modell-haften Versorgungsprojekten.

Die besten Ideen kommen aus der Pra-xis. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem Innovationsfonds ein Instrument gefunden haben, die Versorgung der Patienten mittelfristig spürbar zu verbessern.

POLITIK

Prävention, Rehabilitation und Pflege in den Mittelpunkt

Es besteht kein Zweifel, dass die Alte-rung der Gesellschaft nach neuen An-sätzen in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung verlangt. Da-für kann der geplante Innovationsfonds nützlich sein. Wir benötigen dringend eine bessere Koordination, um an den Schnittstellen der Sektoren Versor-gungsbrüche zu vermeiden. Die För-derung innovativer sektorenübergrei-fender Versorgungsformen ist daher richtig und wichtig, aber letztlich nicht ausreichend. Um der Versorgung eines stark anwachsenden Anteils hochbe-tagter, chronisch und mehrfach er-krankter Menschen gerecht zu werden, müssen wir weg von einem zu stark auf

die Akutversorgung ausgerichteten Sys-tem, hin zu einem System, das neben der Akutversorgung auch die Präven-tion, Rehabilitation und Pflege in den Mittelpunkt rückt. Zudem verschärft sich in einigen Regionen Deutschlands der zunehmende Versorgungsbedarf einer alternden Bevölkerung durch den bestehenden Fachkräftemangel und ge-fährdet die Sicherstellung einer wohn-ortnahen Versorgung. Daher müssen wir gezielt Versorgungs konzepte er-proben, die auch auf neue Strukturen der Zusammenarbeit zwischen den Ge-sundheitsberufen setzen und die Ver-netzung fördern. Hier mangelt es bisher am Mut, um Kompetenzen zu übertra-

Dr. Harald Terpe, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) veröffentlicht am 26. Mai 2014

Jens Spahn MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.

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gen und damit begrenzte Ressourcen effizient einzusetzen. Es muss bei der Förderung innovativer Projekte zudem darum gehen, neue Ansätze in unter-schiedlichen Regionen zu erproben. Was in Berlin funktioniert, kann nicht zwingend auf den Landkreis Rostock übertragen werden. Erfolgreiche Pro-jekte, die übertragbar sind, müssen wiederum ohne Hürden den Weg in die Regelversorgung finden.

Der Erfolg des Innovationsfonds wird sich ganz entscheidend an der sach-gerechten Auswahl der Förderkri-terien durch den G-BA messen las-sen müssen: Geht es um wirkliche Versorgungs innovationen oder doch nur um die finanzielle Förderung be-liebiger Integrations verträge? Das zen-trale, aber schwer zu bewältigende Problem der sektorenübergreifenden und multiprofessionellen Versorgung chronisch Kranker ist mit den vorhan-denen Verträgen bisher kaum ange-gangen worden. Dies zeigt sich nicht nur an dem sehr schleppend anlauf-enden Einbezug der Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen in die Integrierte Versorgung. Ob man sich durch die An-siedlung des Entscheidungsverfahrens beim G-BA in dieser Hinsicht einen wirklichen Innovationsschub erhoffen darf, ist angesichts der möglichen Be-harrungskräfte der Interessenverbän-de zumindest fragwürdig. Da es sich bei den geplanten Investitionen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, muss neben der Gesetzlichen Krankenversicherung auch die private Versicherungs wirtschaft zwingend in den Fonds einbezogen werden.

Die geplante Förderung der Versor-gungsforschung in Höhe von 75 Mio. Euro pro Jahr ist grundsätzlich begrü-ßenswert. Zur Veranschaulichung muss man sich aber auch bewusst machen, dass dieser Betrag nur ca. 0,05% der jährlichen Leistungsausgaben der Ge-setzlichen Krankenversicherung aus-macht. Dieser Tropfen auf den heißen Stein darf nicht dazu führen, dass sich die Bundesregierung aus ihrer Verant-wortung zum Aufbau einer leistungs-starken Versorgungsforschung im Ge-sundheitswesen stiehlt. Und auch hier muss es bei den geförderten Projekten darum gehen, das Augenmerk auf die Begleitforschung wirklicher Innovatio-nen zu richten.

Der geplante Innovationsfonds ist an-gesichts einer insgesamt stagnierenden Bereitschaft der Krankenkassen, in in-novative Versorgungskonzepte zu in-vestieren, ein längst überfälliger Schritt. Dieses Problem ist jedoch auch hausge-macht. Durch einen „Zusatzbeitrags-vermeidungswettbewerb“ der Kran-kenkassen in den letzten Jahren dominierte zwangsläufig bei den Kran-kenkassen die Kostenvermeidung und man konzentrierte sich auf Strategien, die die Versorgung billiger machen. Da-mit wurde verhindert, was angesichts des demografischen Wandels dringend notwendig gewesen wäre: Investitio-nen in langfristige und nachhaltige Ver-besserungen der Versorgung.

Dr. Harald Terpe, Sprecher für Sucht- und Drogenpolitik der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

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POLITIK

Viele Chancen, aber auch Risiken

Grundsätzlich ist es eine sehr gute Idee, wenn für neue Versorgungsformen und Versorgungsforschung Geld in die Hand genommen werden soll. Denn von Vie-lem, was im deutschen Gesundheitssys-tem mehr oder minder unumstößliche Praxis ist, wissen wir nicht, ob es wirk-lich die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten bedeutet. Das gilt beispielsweise für die starren Sektorengrenzen, eine der am häu-figsten kritisierten Eigenschaften des deutschen Gesundheitssystems. Das gilt auch für die fehlende Einbeziehung nichtärztlicher Berufsgruppen in die ambulanten Versorgungsprozesse so-wie die Zusammenarbeit der ambulan-ten Ärzte untereinander und mit dem stationären Sektor. Kurz: Der Gedanke ist, dass Kooperation und nicht Einzel-kämpfertum zu einem effizienteren Sys-tem führen könnte. Ärztenetzwerke mit Einbeziehung der Krankenhäuser oder auch gerade interdisziplinäre Ansätze, etwa in der Schmerztherapie, sind oft effektiver und effizienter als die Regel-versorgung.

Genau dieses Einzelkämpfertum, die Konkurrenz von Berufsgruppen um die Geldtöpfe ist neben der unabänderli-chen Komplexität der gesundheitlichen Versorgung der größte Hemmschuh für die Verwirklichung kooperativer Ideen. Das sieht man auch daran, welche Be-gehrlichkeiten einzelner Gruppen die Ankündigung des Innovationsfonds im Koalitionsvertrag hervorgerufen hat.

Es besteht die Gefahr, dass besonders durchsetzungsfähige Gruppen sich Teile des zur Disposition stehenden Topfes sichern, um Lücken zu stopfen, die ei-gentlich schon mit der regulären Finan-zierung abgegolten sein müssten. Der Innovationsfonds muss genutzt werden für Lücken, für die bislang kein gesetzli-cher Auftrag besteht.

Deshalb steht und fällt der Erfolg dieser Idee mit dem Modus der Mittelvergabe. Natürlich ist zu hoffen und es ist auch möglich, dass der Gemeinsame Bundes-ausschuss eine gute Lösung im Sinne der Patientinnen und Patienten finden wird. Ob es aber grundsätzlich eine gute Idee ist, diejenigen die von der Vergabe profi-tieren selbst über die Vergabe entschei-den zu lassen, kann mit einigem Recht in Zweifel gezogen werden. Dennoch braucht man fachliche und auch regio-nale Kenntnisse, um die Versorgung vor Ort sinnvoll organisieren zu können. Es wäre daher auch erwägenswert, Regi-onen die Möglichkeit zu geben, die oft diskutierte Beteiligungsform regionaler Gesundheitskonferenzen zu implemen-tieren. Dies sollte im Gesetz als zumin-dest eine Möglichkeit der Mittelvergabe festgeschrieben werden.

Eine weitere Gefahr droht, wenn man den Innovationsfonds als ein Mittel der Wirt-schaftsförderung begreift. Denn es geht hierbei um Gesundheitspolitik, nicht um Wirtschaftspolitik. Die Zielvorgaben, die man aus der Perspektive der wirtschaft-

Harald Weinberg, MdB (Die Linke) veröffentlicht am 11. Juni 2014

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Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke

lichen Entwicklung hat, sind bestenfalls zufällig gleichlaufend mit denen, die aus gesundheitspolitischer Sicht wün-schenswert sind. Anders ausgedrückt: Der maximale wirtschaftliche Profit be-deutet nicht gleichzeitig den maximalen gesundheitlichen Nutzen. Deshalb sollte das Bundeswirtschaftsministerium keine Mitspracherechte bei der Gestaltung des Gesetzes haben. Die Tatsache, dass der Innovationsfonds im Jahreswirtschafts-bericht der Bundesregierung 2014 auf-taucht, lässt hier aber Böses erahnen. Der größte gesundheitspolitische Nutzen ist vielmehr oft gerade dort zu erzielen, wo sozial benachteiligte Gruppen mit hoher Morbiditätslast leben, nicht dort, wo der größte Profit zu erzielen ist. Hier muss an Modellen gearbeitet werden, die neben guten Prozessketten auch die Senkung der Zugangsschwellen erreichen wollen.

Innovation in der Versorgung erzielt man nur durch zielgerichtetes Probieren. Es ist schön, wenn bei diesen Gehversuchen der ein oder andere Patient oder die ein oder andere Patientin profitiert. Ziel ist es aber, überlegene Versorgungsmodelle zu iden-tifizieren, um die Versorgungsstrukturen dann so zu verändern, dass möglichst alle Patientinnen und Patienten von den ge-wonnenen Erkenntnissen profitieren kön-nen. Deshalb ist es richtig, dass als erster Schritt eine Evaluation vorgesehen ist. Diese Evaluation muss dann aber Konse-quenzen haben. Es ist auch richtig, Gelder

in die Versorgungsforschung zu stecken, wenngleich die geplanten 75 Millionen Euro deutlich zu wenig sind und nur einen Anfang darstellen können. DIE LINKE for-dert seit vielen Jahren in den Haushalts-beratungen des Bundes die schrittweise Erhöhung der Mittel für nichtkommerziel-le klinische Forschung auf 500 Mio. Euro. So könnte die Bundesrepublik auch im internationalen Vergleich eine Vorreiter-rolle einnehmen.

Was die Allokation der Mittel angeht, sollten alle Kassen zu einer entspre-chenden Beteiligung gezwungen wer-den. Denn einzelne Kassen haben im Preiswettbewerb kein Interesse, kos-tenintensive Erkenntnisse zu generie-ren, die dann allen Versicherten nutzen, auch denen anderer Kassen. Dies bringt keinen Wettbewerbsvorteil, daher un-terlassen die Kassen notwendige In-vestitionen ins Gesamtsystem. Genau die brauchen wir aber. Wie man dies nun organisiert, ob die Kassen direkt an den Kosten beteiligt werden und diese Ausgaben über die Zuweisungen des Gesundheitsfonds refinanziert werden oder aber ob der Gesundheitsfonds selbst die Mittel bereitstellt, ist nur se-kundär interessant. Da es sich hier aber um eine gesamtgesellschaftliche Aufga-be handelt, die auch nutzbringend für die Privatversicherten ist, wäre ein Auf-schlag auf den Steuerzuschuss sinnvoll.

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KOSTENTRÄGER

Das Geld kommt von den Versicherten, sie müssen auch Nutznießer sein

In Jubel sind die Krankenkassen nicht ge-rade ausgebrochen, als sie den kurzen Absatz im aktuellen Koalitionsvertrag zum Innovationsfonds gefunden haben. Auf zehn Zeilen vereinbarten die Gesund-heitsexperten von CDU/CSU und SPD ei-nen Geldtopf mit 300 Millionen Euro zur Förderung sektorübergreifender Versor-gung und für die Versorgungsforschung. Die Krankenkassen bringen das Geld auf, also die Versicherten. Die Kriterien für die Verteilung sollen vom Gemeinsamen Bun-desausschuss (G-BA) festgelegt werden.

Natürlich stehen die Kassen hinter der Zielausrichtung. Aber die Befürchtungen haben sich bereits bestätigt: Es gibt ein Hauen und Stechen um die Mittel. Der Fonds weckt Begehrlichkeiten, und das nicht nur dort, wo es sinnvoll ist. Obwohl noch gar nicht eingerichtet, melden nahezu täglich Verbände, Industrie, Wissenschaft und Leistungserbringer ihren Anspruch auf Geld aus dem Fonds an. Selbst der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, erklärte schon im Januar 2014, wohin Finanzen aus dem neugeschaffe-nen Fonds fließen könnten. Er schlug ein Freiburger Institut vor, das medizinische Behandlungsverfahren unabhängig bewer-tet. Und ja: Vor allem sollten mit dem Geld, so Hecken, neue ärztliche Versorgungsmo-delle auf dem Land bewertet werden.

Grundsätzlich begrüßen die Innungs-krankenkassen, wie auch die anderen Kassenarten, den Innovationsfonds. Da-mit die geförderten Konzepte allerdings

auch langfristig in der Versorgung, also bei den Versicherten ankommen, sind klare Absprachen zu treffen, wie die Mit-tel eingesetzt werden, mit welchen Zielen und vor allem für wen. Für uns ist wichtig, dass die Kassen ein eindeutiges Prä für die Verwendung der Mittel bekommen. Der Vorschlag von Transparency Internatio-nal, den „Einsatz der Mittel aus dem inte-ressengeleiteten Kampf um die Beitrags-milliarden herauszuhalten“, ist sicherlich diskutabel. Auch nach unserer Auffassung ist die Verteilung des Geldes über die G-BA-Strukturen nicht geboten. Dass das Allheilmittel allerdings die Einrichtung eines Beirates beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Ge-sundheitswesen mit Vertretern des G-BA und der Bundestagsfraktionen ist, nein, davon sind die IKKn nicht überzeugt.

Mittlerweile haben sich auch die ge-sundheitspolitischen Sprecher von CDU/CSU und SPD, Jens Spahn und Prof. Dr. Karl Lauterbach sowie die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prü-fer-Storcks detailliert zu diesem Thema geäußert. In einigen Punkten können wir mitgehen:

Wenn Geld aus dem Fonds fließt, dann ausschließlich für sogenannte Prozessin-novationen: also für die Entwicklung neu-er Verfahren oder verbesserter Abläufe zum Beispiel in der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Konkret sehen wir hier die Entwicklung neuer Behand-lungspfade als sinnvoll an. Aber auch im

Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V. veröffentlicht am 6. Juni 2014

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Bereich Qualitätssicherung oder Kom-munikation zwischen Versicherten und Leistungserbringern gäbe es erfolgsver-sprechende Investitionsmöglichkeiten. Produktinnovationen aus dem Bereich der Pharmaindustrie und im Medizinpro-duktebereich müssen außen vor bleiben. Auch für die Förderung von wissenschaft-licher Forschung im Rahmen staatlicher, öffentlicher sowie universitärer Program-me ist kein Geld aus dem Fonds bereitzu-stellen. Hier ist auch weiterhin eine Steu-erfinanzierung angezeigt.

Die Ziele der Förderung müssen klar sein: Die Sektorengrenzen zwischen ambulant und stationär, aber auch sonstige Schnitt-stellen in der Versorgung müssen über-wunden werden, damit die Patienten besser behandelt werden. Ansätze sind vorhanden, aber es läuft derzeit – leider – noch nicht optimal.

Sicherlich kommt dem G-BA eine wichti-ge Rolle zu, aber er kann nicht als allei-niger Akteur das Geschehen bestimmen. Schon bei der Festlegung der Förderkri-terien sehen wir den Gesetzgeber in der Verantwortung. Er sollte die Rahmenvor-gaben klar vorgeben. Als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung über-nimmt der G-BA dann seine Rolle, wenn es um die Vereinbarung der Förder- und Vergabekriterien geht. Allerdings ist hier

den Krankenkassen entscheidender Ein-fluss einzuräumen. Sie müssen ihr ent-sprechendes Wissen aus dem konkreten Vertragsgeschäft einbringen können.

Wichtig ist der Vorschlag der Hambur-ger Gesundheitssenatorin, nach dem bei Antragstellung ein Versorgungsvertrag vorliegen muss. Antragsteller sind damit selbstverständlich die Krankenkassen. Wir plädieren dafür, dass die Projekte ausschließlich befristet aus dem Innova-tionsfonds Geld erhalten: konkret für vier bis sechs Jahre. Nach Ansicht der Kassen-verbände müssen die Antragsteller von Projekten auch eigenes Geld einbringen. Reichen die Fondsmittel zur Finanzierung nicht aus, müssen Quotierungsregeln ge-funden werden, damit es nicht zu einem Windhundrennen kommt.

Die Mittel für den Fonds sollten über den GKV-Spitzenverband abgerufen werden. Er kann für Einzug und Auszahlung der Fördergelder Sorge tragen. Der G-BA hat nicht die Aufgabe, Beitragsgeld der ge-setzlichen Krankenversicherung zu ver-walten und zu verteilen.

Jetzt ist die Politik am Zuge, damit die Versicherten so schnell wie möglich von den Projekten, die vom Innovationsfonds finanziert werden, profitieren.

Jürgen Hohnl ist Geschäftsführer des IKK e.V.. Der IKK e.V. ist die Interessenvertretung von Innungskrankenkassen auf Bundesebene. Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, die Interessen seiner Mitglieder und deren mehr als fünf Millionen Versicherten gegenüber allen wesentlichen Beteiligten des Gesundheitswesens zu vertreten. Dem IKK e.V. gehören die IKK Brandenburg und Berlin, die IKK classic, die IKK gesund plus, die IKK Nord sowie die IKK Südwest an.

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KOSTENTRÄGER

Neue Ideen braucht das Gesundheitswesen

Neue und gute Versorgungsideen oder -konzepte sind vonnöten, zum Beispiel für chronisch kranke und multimorbi-de Patienten, doch viele werden erst gar nicht umgesetzt oder versanden nach einiger Zeit. Sie scheitern an der fehlenden Anschubfinanzierung oder an der unterschiedlichen Ab-rechnungssystematik im ambulanten und stationären Bereich. Manche er-folgversprechende integrierte Versor-gungsverträge können sich deshalb nicht dauerhaft etablieren oder schaf-fen erst gar nicht den Schritt in die modellhafte Erprobung. Dies soll nach Ansicht der neuen Bundesregierung anders werden. Ein Innovationsfonds soll kommen, um zum einen innova-tive sektorenübergreifende Versor-gungsformen zu fördern, die über die Regelversorgung hinausgehen, und zum anderen die Versorgungs-forschung finanziell zu unterstützen. Insgesamt sollen dafür 300 Millionen Euro von den Krankenkassen bereitge-stellt werden – 225 Millionen Euro für Innovationen, 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung. Eine gute Absicht, aber die Tücke liegt wie im-mer im Detail.

Denn allein die Ankündigung hat vor allem bei den Leistungserbringern große Erwartungen geweckt. Jeder will schließlich vom Kuchen Innovati-onsfonds ein Stück abbekommen. Der GKV-Spitzenverband hat deshalb ge-meinsam mit den Verbänden der Kran-kenkassen, darunter dem Verband der

Ersatzkassen e. V. (vdek), Eckpunkte für einen solchen Innovationsfonds entwickelt. Auch die beiden Gesund-heitspolitiker Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und Jens Spahn (CDU) haben auf die anhaltende Diskussion mit einem Papier reagiert. Erfreulicherweise de-cken sich eine Reihe der Anregungen der Krankenkassen zur Ausgestaltung des Innovationsfonds.

Innovationen sollen beim Versicherten ankommen

Wichtig ist den Krankenkassen, dass die Mittel aus dem Innovationsfonds zielgenau, nachhaltig und effektiv zu-gunsten der Versicherten eingesetzt werden. Hierfür ist es notwendig, dass die geförderten Projekte auf Verträgen der Krankenkassen beruhen. So wird sichergestellt, dass praxisrelevante Versorgungsprojekte, die dem Versi-cherten unmittelbar zugute kommen, gefördert werden. Zwingend erforder-lich ist daher, dass bei den geförderten Projekten zumindest eine Krankenkas-se beteiligt sein muss. Förderungsfähig sollten vor allem Prozessinnovationen sein, das heißt neue vernetzte Versor-gungskonzepte, die den Anspruch ha-ben, Sektorengrenzen zu überwinden und den Nutzen für den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Solche In-novationsfelder könnten im Bereich der Qualitätssicherung, der Kommuni-kation, der Netzwerkorganisation oder in der qualitäts- und nutzenorientier-ten Vergütung liegen.

Ulrike Elsner, Vorsitzende des Vorstandes beim Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)veröffentlicht am 12. Juni 2014

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Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sollte als Gremium der gemein-samen Selbstverwaltung – nach Fest-legung der Rahmenvorgaben für die Förder- und Vergabekriterien durch den Gesetzgeber – die weiteren Förderkrite-rien festlegen. Dabei sollten diese vor-her mit einem aus Krankenkassen be-stehenden Gremium beraten sein, um zu gewährleisten, dass hier das entspre-chende Vertrags-Know-how der Kran-kenkassen berücksichtigt wird.

Auch das Vergabeverfahren sollte nach Auffassung des vdek möglichst bürokra-tiearm gestaltet werden. Entspricht der Projektantrag den Förderkriterien, sollte eine Mittelvergabe über den GKV-Spit-zenverband erfolgen. Dieser sollte den Fonds auch verwalten, dass heißt, der Einzug und die Auszahlung der Fonds-mittel werden durch ihn gewährleistet. So ist eine sparsame und effektive Ver-waltung des Fonds sichergestellt und der Aufbau einer gesonderten Fonds-bürokratie beim G-BA unnötig. Um ei-ne hinreichende Anzahl von Projekten unterstützen zu können, bieten sich ei-ne jährliche Finanzobergrenze und ein Eigenanteil der Initiativen sowie eine quotierte Mittelvergabe an.

Evaluierung der Projekte durch Versorgungsforschung

Nach Auffassung der Krankenkassen sollten für die Versorgungsleistungen und Versorgungsforschung die glei-chen Regeln gelten. Das heißt, dass die Fondsmittel der Versorgungsfor-schung primär dazu dienen sollten, die neuen geförderten Innovations-projekte zu evaluieren. Auf keinen Fall sollten die finanziellen Mittel zur Forschungsfinanzierung im Rahmen staatlicher, öffentlicher bzw. universi-tärer Programme verwendet werden.

Diese Programme sind weiterhin aus Steuern zu finanzieren.

Notwendige Rahmenbedingungen

Um den Innovationsfonds erfolgreich umzusetzen, sind aus Sicht der Ersatz-kassen darüber hinaus weitere Aspek-te entscheidend:

1. Wichtig ist, dass eine einheitliche Auf-sichtspraxis gewährleistet ist. Wenn Ver-sorgungsprojekte als förderungsfähig eingestuft werden, sollten diese nicht noch einmal gesondert der zuständigen Aufsichtsbehörde – Bundesversiche-rungsamt oder Aufsichtsbehörde der Länder – vorgelegt werden müssen. Ne-ben der Vermeidung einer unterschied-lichen Aufsichtspraxis würde dies auch den administrativen Aufwand verrin-gern und eine Förderung eines Projektes ggf. beschleunigen.

2. Notwendig ist auch, dass die ge-setzlichen Rahmenbedingungen für Selektivverträge bzw. für besondere Versorgungsformen flexibler gestaltet werden. Die Ankündigung im Koali-tionsvertrag, entsprechende Hemm-nisse abzubauen, muss zeitgleich mit den Regelungen zum Aufbau des Inno-vationsfonds umgesetzt werden. Die Krankenkassen brauchen hier einen größtmöglichen Vertragsfreiraum, um innovative Projekte für die Patienten auch effektiv und zeitnah über Selektiv- verträge vereinbaren zu können.

Investition in die Zukunft?

Der Innovationsfonds ist – wenn er richtig umgesetzt wird – sicherlich ein gutes Instrument, um neue sektoren-übergreifende Versorgungskonzepte zu fördern. Allerdings muss auch klar sein, dass hier zusätzliches Geld von

den Beitragszahlern bereitgestellt wird. 300 Millionen Euro können eine gute Investition in die Zukunft sein, wenn sie gut angelegt werden. Das Instrument steht und fällt daher mit der klaren Rahmensetzung durch den Gesetzgeber. Sonst besteht die Gefahr, dass die an sich guten Ziele der Koali-tionäre ins Leere laufen.

Ulrike Elsner ist seit Juli 2012 Vorsitzende des Vorstandes beim Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek). Der vdek ist Interessenvertretung und Dienstleister aller sechs Ersatzkassen, die zusammen mehr als 26 Millionen Menschen in Deutschland versichern.

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KOSTENTRÄGER

Zur Umsetzung eines Innovationsfonds aus Sicht der BARMER GEK

Claudia Korf ist Landesgeschäftsführerin der BARMER GEK Berlin Brandenburg. Die BARMER GEK Berlin/Brandenburg vertritt die Interessen von über 830.000 Versicherten in der Gesundheitsregion Berlin und Brandenburg.

Nur wenige gesundheitspolitische Vor-haben der Großen Koalition regen die Fantasie der Akteure so sehr an wie der im Koalitionsvertrag geplante Inno-vationsfonds über 300 Millionen Euro jährlich. Ob zum Transfer innovativer integrierter Versorgungsmodelle in die Regelversorgung oder zur Qualitäts-messung patientenrelevanter Endpunk-te in der onkologischen Versorgung. Die Liste der Vorschläge zur Verwendung der – laut Koalitionsvertrag 225 Millio-nen Euro für die Innovationsförderung und 75 Millionen Euro für Versorgungs-forschung – vorgesehenen Finanzmittel ist lang.

Uns freuen die aktuellen Aussagen von CDU und SPD, dass die Anträge für die Innovationsförderung von den Berech-tigten nach §140b Abs. 1 SGB V nur in Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen gestellt werden können. Dies bedeutet auch eine Stärkung von Selektivverträgen.

Es ist ebenfalls positiv zu bewerten, dass Prozess- und keine Produktinno-vationen wie neue, medizinisch nicht gesicherte Verfahren aus Geldern des Fonds gefördert werden sollen. Wich-tig ist zudem, dass diese Modelle die Defizite der sektoralen Versorgung zu überwinden suchen. Die handelnden Akteure müssen die Möglichkeit erhal-ten, bessere Lösungen anschließend in die Regelversorgung zu überführen.

Wir sind als BARMER GEK in der Ge-sundheitsregion Berlin-Brandenburg mit unseren Partner in der Innovati-ven Gesundheitsregion in Brandenburg (IGiB) sehr gut aufgestellt. Versorgungs-modelle in strukturschwachen Regio-nen Brandenburgs, die Delegation ärzt-licher Leistungen (AGnES II) oder die Sicherstellung der Arzneimitteltherapi-en bei Mehrfachmedikationen sind hier unsere Arbeitsschwerpunkte

Klar ist für die BARMER GEK, dass die im Koalitionsvertrag vorgesehene Stär-kung der Selektivverträge und die Auf-legung eines Innovationsfonds zeitlich zwingend zusammen gehören.

Für uns ist auch entscheidend, dass die Möglichkeit der Förderung aus dem Innovationsfonds den Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen nicht konterkarieren darf. Die Verteilung der Mittel aus dem Innovationsfonds muss bedarfsgerecht erfolgen. Es darf keine „Mitnahmeeffekte“, keine „Gießkan-nen- Förderung“ geben. Der Förderbe-darf ergibt sich also insbesondere bei besonderen regionalen Versorgungs-problemen, zu deren Lösung innovative Ideen und Konzepte der Vertragspart-ner bestehen.

Claudia Korf, Landesgeschäftsführerin der BARMER GEK Berlin Brandenburgveröffentlicht am 27. Juni 2014

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VERBÄNDE

Wie innovativ ist der Innovationsfonds?

Der Reformeifer im Gesundheitswesen und die Eile, in welcher neue gesetzli-che Regulierungen stattfinden, führen manchmal zu Verwirrung, und die ist selten Grundlage guter Entscheidun-gen. So wurde die neueste gemeinsame Auslegung der Koalitionsvereinbarung zum Innovationsfonds der Abgeordne-ten Lauterbach und Spahn notwendig, um die in zahlreichen Veranstaltungen, Diskussionen und Veröffentlichungen sichtbar gewordene Verunsicherung al-ler Akteure einzufangen.

Die Fondsidee ist ohne Frage gut, not-wendig und überfällig. Wohl alle Akteu-re in der Versorgung begrüßen sie, auch die forschenden Pharmaunternehmen. Es ist hilfreich und gut, dass ein Zeichen gesetzt und erkannt wird, dass Innova-tionen (unerheblich, ob Produkt- oder Prozess-bezogene) nicht selbstver-ständlich sind, sondern eine starke und förderungswürdige Kompetenz unseres Gesundheitssystems darstellen. Es ist wichtig zu erkennen, dass das risiko-behaftete Wagnis, Neues einzuführen, eines Anreizes und einer dezidierten fi-nanziellen Unterstützung bedarf.

Die Zeiten ändern sich, unsere Ge-sellschaft wird älter – und auch die Krankheitsprofile ändern sich. Diesem Wandel muss sich das Gesundheitssys-tem anpassen. Wir müssen lernen und Neues ausprobieren, damit das Versor-gungsangebot besser an die besonde-ren Bedürfnissen der Patientengrup-

pen – zum Beispiel der multimorbiden Senioren oder der chronisch Kranken – angepasst werden kann. Diesem Wan-del zu folgen ist eine große und kom-plexe gesundheitspolitische Aufgabe, die nicht „zwischen Tür und Angel“ be-wältigt werden kann. Neue Lösungen brauchen Weitsicht und die Berücksich-tigung aller Versorgungsperspektiven. Die Bürokratisierung der Versorgung, die Einführung immer neuer Instrumen-te „on top“ – ohne eine solide Reflexion der komplexen Versorgungszusammen-hänge, der vorhandenen Defizite und Potentiale – und der Versuch, sie mit ei-ner Flut neuer Gesetze praxistauglich zu machen, wird den Herausforderungen der Zukunft jedenfalls nicht gerecht. Auch die zentralistische Überfrachtung des G-BA mit Aufgaben, die besser in einem praxisnahen, funktionierenden Kassenwettbewerb bewältigt werden können, stimmt skeptisch.

Eine Bank ist im G-BA besonders macht-voll: der GKV-Spitzenverband. Schon jetzt weckt seine Übermacht in allen Versorgungsfragen zunehmenden Ver-druss bei medizinischen Fachgesell-schaften, Patientenverbänden und der Gesundheitswirtschaft, die bei Ent-scheidungsprozessen außen vor blei-ben. Eine immer größere Machtfülle führt mittlerweile zu einer sich selbst legitimierenden gesundheitspolitischen „Spruchkammer“, die kaum einer politi-schen Kontrolle ausgesetzt ist.

Birgit Fischer , Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) veröffentlicht am 10. Juni 2014

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Birgit Fischer ist seit 2011 Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) vertritt die Interessen von 45 weltweit führenden Herstellern in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Seine Mitglieder repräsentieren rund zwei Drittel des deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 80.000 Mitarbeiter. Mehr als 18.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung.

Probieren-und-Evaluieren führt besser zu neuen Lösungen als ein Weiter-so-wie-bisher! Ein sektorenübergreifender Ansatz, der Wirkung zeigt, ist überfällig: Die alten Silos konventioneller Versor-gung müssen sich in Versorgungsnetz-werke wandeln. Hierzu sollten neue Formen der Zusammenarbeit erprobt, evaluiert, etabliert und vor allem gelebt werden!

Die forschenden Pharma-Unternehmen könnten dazu wichtige Beiträge leis-ten und an der Erhöhung von Qualität und Effizienz der Patientenversorgung mitwirken. Doch dieses Potential wird heute vom Gesundheitssystem nicht genutzt. Insbesondere auf dem Gebiet der selektiven Versorgung sehen die forschenden Pharma-Unternehmen ein erhebliches Potential für die Steigerung des patientenrelevanten und damit ge-samt-gesellschaftlichen Nutzens. In den Bereichen, in welchen ein therapeu-

tisches Regime sehr komplex ist oder einer intensiven Betreuung bedarf, wol-len und können die forschenden Phar-ma-Unternehmen mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten durch Bildung von Kooperationen und Partnerschaften mit anderen Akteuren im Versorgungsma-nagement zur Innovation im Sinne einer Optimierung der Versorgung beitragen.

Will die Politik innovative Versorgungs-konzepte, von denen Patienten spürbar profitieren, sollte sie wirksame Anrei-ze setzen, um im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Patienten, Leis-tungserbringern, Kostenträgern und Gesundheitswirtschaft und in dezent-raler Verantwortung neuartige Versor-gungsmodelle auf den Weg zu bringen. Dafür wird nicht mehr Bürokratie be-nötigt, sondern klar gesetzte Rahmen-bedingungen und Regeln sowie Gestal-tungsfreiheiten der Akteure.

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VERBÄNDE

Krankenkassen verstehen sich zu wenig als Versorgungsmanager

Die Verankerung des Innovationsfonds im Koalitionsvertrag und seine Beziffe-rung mit einem Betrag von 300 Mio. Euro jährlich hat in den Köpfen vieler Akteure die Ideenproduktion ins Laufen gebracht. Ein Aufruf des Bundesver-bandes Managed Care (BMC), für ein Diskussionsforum förderungswürdige Projektskizzen einzureichen, brachte innerhalb weniger Tage eine Vielzahl von hervor, die sich allesamt zutrauen, Defizite der derzeitigen Regelversor-gung zu überwinden. Ob ihnen dies im Falle einer Förderung gelingen würde, können wir heute noch nicht wissen. Was wir jedoch wissen, ist, wo genau es hakt im Hinblick auf die Innovations-fähigkeit des deutschen Gesundheits-wesens. Und diese Analyse gibt uns wertvolle Hinweise, wenn es um die konkrete Ausgestaltung des Innovati-onsfonds geht.

Die Medizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und ist auf vielen Gebieten hochinnovativ. So machen beispielsweise Arzneimit-telentwicklungen für HIV-Patienten, Cochlea-Implantate für Gehörlose oder bildgebende Verfahren mithilfe von PET-MRTs für viele Patienten einen deutlichen Unterschied. Gleichzeitig haben sich die Versorgungsstrukturen in der Gesetzlichen Krankenversiche-rung in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig verändert. Die historisch gewachsene Sektorentrennung, das häufig auf Einjahreszeiträume ausge-

richtete Budgetdenken von Kranken-kassen und Leistungserbringern sowie das Fehlen von Anreizen für langfristig wirksame Investitionen tragen dazu bei, dass das Gesundheitssystem kaum in der Lage ist, sich aus sich selbst her-aus zu erneuern.

Fazit 1: Die Innovationskraft im Ge-sundheitssektor ist unbegrenzt – nur in den Versorgungsstrukturen der Gesetz-lichen Krankenversicherung kommt zu wenig davon an.

Der Unterschied zwischen der innova-tionsfreudigen Medizin und den inno-vationsträgen Versorgungsstrukturen liegt nicht zuletzt darin, dass es bei ersteren vorrangig um Produktinno-vationen geht, während bei letzteren Prozessinnovationen im Vordergrund stehen. Doch warum tun sich Prozes-sinnovationen im Gesundheitswesen so schwer? Eine wesentliche Ursache liegt sicher darin, dass es keine Exklusivität für Prozessinnovationen gibt. Eine Kran-kenkasse, die sich auf neues Terrain im Versorgungsmanagement begibt, muss zunächst die Investitionslast tragen. Von den Verbesserungen profitieren dann aber meist auch Versicherte an-derer Kassen, da Ärzte, die die neuen Versorgungsstrukturen nutzen, in der Regel Patienten von unterschiedlichen Kassen behandeln. Zudem können er-folgreiche Ansätze problemlos von Mit-bewerbern übernommen werden – bei der Aufnahme eines positiv evaluierten

Prof. Dr. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender Dr. Susanne Ozegowski, Geschäftsführerin Sabine Barz, Referentin veröffentlicht am 2. Juni 2014

Prof. Dr. Volker Amelung ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care e. V. und Professor am Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover.

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Versorgungsansatzes in den GKV-Leis-tungskatalog sind die Wettbewerber sogar zur Übernahme des Ansatzes ver-pflichtet. Das schwächt die Möglichkeit der Kassen zur Differenzierung durch Innovationen.

Fazit 2: Prozessinnovationen müssen im Mittelpunkt der Förderung durch den Innovationsfonds stehen.

Hinzu kommt, dass sich Krankenkassen noch zu wenig als Versorgungsmana-ger verstehen. Krankenkassen werben mit Prämienausschüttungen, aber sie messen und kommunizieren nicht, wie sich die Gesundheit ihrer Versicherten verändert. Demzufolge entscheiden auch die Versicherten bei der Kassen-wahl vorwiegend nach dem Preis – und nicht nach innovativen Leistungen und Versorgungsansätzen.

Fazit 3: Innovative Versorgungsansätze spielen bisher keine Rolle im Kassen-wettbewerb – das schmälert die Inves-titionsbereitschaft der Kassen in diese Ansätze.

Diese Analyse der Innovationshemmnis-se ließe sich noch beliebig weiter fort-führen. Die Frage ist jedoch: Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?

Die Große Koalition plant die Auflage eines seit langem vom BMC geforder-ten Innovationsfonds. Dieser soll viel-versprechende Prozessinnovationen,

die über die Regelversorgung hinausge-hen, fördern. Anhand der Evidenz, die in diesem Zug gesammelt wird, sollen positiv evaluierte Ansätze in die Regel-versorgung übernommen werden und damit verkrustete Strukturen aufge-brochen werden. Dieser Ansatz ist aus unserer Sicht richtig. Wichtig ist jedoch auch, Impulse für die Entwicklung von innovativen selektivvertraglichen Ver-sorgungsmodellen zu setzen. Letztend-lich werden die Förderkriterien eine zentrale Rolle für den Erfolg des Inno-vationsfonds spielen. Im Vordergrund sollten hier das Potenzial eines Modells, die Qualität der Versorgung zu verbes-sern, die Patientenzentrierung und die Erfolgswahrscheinlichkeit stehen.

Entscheidend ist, den Innovationsfonds jetzt schnell ins Rollen zu bringen. Um das zu gewährleisten, sollten dem G-BA für die Ausgestaltung des Vergabever-fahrens konkrete Fristen auferlegt wer-den. Die Auflösung des Innovations- staus im deutschen Gesundheitssystem sollte eine der obersten Prioritäten die-ser Legislaturperiode sein – daher soll-te der Innovationsfonds lieber heute als morgen starten.

Parallel dazu gilt es, die Stellschrauben des Gesundheitswesens so zu verän-dern, dass die eigenständige Innova-tions- und Investitionsfreude der Akteu-re nicht länger im Keim erstickt wird. Hier wird der Bundesverband Managed Care auch weiterhin Impulse liefern.

Sabine Barz, Referentin des Bundesverbandes Managed Care e. V.

Dr. Susanne Ozegowski ist Geschäftsführerin des Bundesverbandes Managed Care e. V.

Der Bundesverband Managed Care e. V. (BMC) ist ein bundesweiter pluralistischer Verein für innovative Systementwicklung im Gesundheitswesen. Er versteht sich als Forum für zukunftsfähige, qualitätsgesicherte und patientenorientierte Konzeptionen.

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VERBÄNDE

Innovationsfonds zur Förderung neuer Versorgungsformen

Ekkehard Mittelstaedt ist Geschäftsführer beim Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg e. V.)Der bvitg e. V. hat die Entwicklung der Gesundheits-IT seit der Verbandsgründung 1995 begleitet und sich inhaltlich mit den Schwerpunkten des Marktes weiterentwickelt. Mit derzeit 50 Mitgliedsunternehmen vertritt er heute die führenden Hersteller von Krankenhausinformationssystemen, Praxisverwaltungs- und Arztinformations- sowie Abteilungssystemen, Speziallösungen, Rechenzentren und weiteren IT-Lösungen für den ambulanten und stationären Bereich sowie für Reha-, Pflege- und Sozialeinrichtungen.

Die Idee, einen Fonds für Prozess- und Produktinnovationen im bundesdeut-schen Gesundheitswesen zu gründen, ist gut und auch längst überfällig.

Innovationen sind keine Selbstverständ-lichkeit. Sie müssen sich rechnen und auch die Möglichkeit haben, sich durch Eingang in die Regelversorgung zu refinanzieren. Der Anfangsaufwand und das Risiko kön-nen durch den Innovationsfonds kalku-lierbarer gemacht werden und so einen Anreiz für die beteiligten Akteure bieten.

Vor den sich wandelnden Versorgungs-bedürfnissen im deutschen Gesund-heitswesen bedarf es eines Umdenkens: die in den jeweiligen Sektoren organi-sierte diagnosebezogene Behandlung sollte durch eine qualitätsorientierte patientenzentrierte multiprofessionelle und sektorübergreifende Behandlung ersetzt werden. Hier kann und muss der Innovationsfonds ansetzen. IT-Lösungen spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Ob der G-BA mit dieser Aufgabe in sei-ner derzeitigen Struktur die richtige In-stitution für die Verteilung der 300 Mil-lionen Euro sein kann, wird sich zeigen, sobald die Vergabeverfahren festgelegt sind und der Vergabeprozess anläuft.

Wesentlich ist aber, dass es nicht noch eine reine Projektförderung geben sollte, die nach Auslaufen des Förderzeitraums ins Leere läuft. Und: Prozessförderung muss mindestens einen ebenso hohen Stellenwert bekommen wie Produktin-

novationen. Es mangelt im bundesdeut-schen Gesundheitswesen weniger an innovativen Produkten sondern an der Möglichkeit, innovative Prozesse in die Regelversorgung zu bekommen. Hier kann die Industrie einen wesentlichen Beitrag leisten. Egal, ob eHealth, Telemedizin oder andere Prozessinnovationen. Prozessin-novationen und entsprechende Vernet-zungsangebote sind bekannt und auch in anderen Ländern erprobt. Der bvitg und seine Mitgliedsunternehmen können und wollen unterstützen und das schon heute Machbare in die Fläche bringen.

Vor diesem Hintergrund ist es einmal mehr fraglich, ob der geplante Unterausschuss „Innovationen und Versorgungsforschung“ des G-BA, der ja den Leistungskatalog für die Regelversorgung festlegt, die richtige Entscheidungsinstanz für Innovationen ist. Ein schlanker Vergabeprozess, getragen durch Wissenschaft, Patientenvertreter und Kostenträger wäre auch eine denk-bare Alternative. Gerade auch wenn es darum geht, zunächst regional begrenzte Prozessinnovationen zu fördern.

Antragssteller können laut den Abge-ordneten Spahn und Lauterbach Ärz-te, Krankenhäuser, Praxiskliniken und Kranken- und Pflegekassen sein. Der Schwerpunkt der Förderung soll auf Pro-zessinnovationen liegen, wobei diese sektorübergreifend sein müssen. Es darf nicht wundern, dass wir uns gewünscht hätten, dass auch die Industrie, also die-jenigen, die innovative Prozesse entwi-ckeln, ein Antragsrecht erhalten.

Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg e. V)

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VERBÄNDE

Chance für eine Intensivierung von Versorgungsforschung und Marktbeobachtungswissen

Die Medizintechnologiebranche ist sehr innovationsstark und mittelständisch geprägt. Rund ein Drittel ihres Umsatzes erzielen die deutschen Medizintechnik-hersteller mit Produkten, die nicht älter als 3 Jahre sind. Im Durchschnitt inves-tieren die forschenden MedTech-Unter-nehmen rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. 95 Pro-zent der MedTech-Unternehmen haben weniger als 250 Mitarbeiter. Insgesamt beschäftigt die Branche in Deutschland rund 190.000 Menschen. Jeder Arbeits-platz sichert 0,75 Arbeitsplätze in ande-ren Bereichen.

Wir freuen uns, dass die neue Bundes-regierung die Bedeutung unserer Bran-che positiv anerkennt und diese als Leit-markt nennt. Wir sehen im Ende 2013 geschlossenen Koalitionsvertrag zahl-reiche positive Ansätze. Beispielsweise den erklärten Willen, die Verfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses zu beschleunigen, oder den neuen Inno-vationsfonds zur Förderung innovativer sektorübergreifender Versorgungsfor-men und für die Versorgungsforschung. Der Innovationsfonds sollte auch für in-novative Medizintechnologien und Ver-sorgungsstudien genutzt werden.

Bei der nun anstehenden konkreten Ausgestaltung des Innovationsfonds sind uns die vorbehaltlose und ideolo-giefreie Erprobung neuer Versorgungs-

konzepte und die Generierung von echten Versorgungsdaten wichtig. Also Daten, die nicht im Rahmen von klini-schen Studien, sondern unter Alltags-bedingungen gewonnen werden.

Bedeutung der Versorgungsforschung wird weiter steigen

Die Bedeutung der Versorgungsfor-schung wird durch die zunehmende Vielfalt an Leistungen und den Kosten-druck im Gesundheitsmarkt weiter stei-gen. Versorgungsforschung bietet die Chance, die Bedeutung der Medizin-technologien für das Gesundheitssys-tem unter Alltagsbedingungen sichtbar zu machen.

Im Gegensatz zur Klinischen Forschung mit Medizintechnologien ist es das Ziel der Versorgungsforschung, die Quali-tät und den Nutzen von Therapien der Medizintechnologie für Patienten und Anwender in der täglichen Praxis dar-zustellen. Versorgungsforschung muss sich am Bedarf der Patienten und An-wender orientieren, den Ist-Zustand analysieren und mit dem Soll-Zustand vergleichen.

Unterschiedliche Evaluationsmethoden

Die Vielfalt der Medizinprodukte und ihrer Einsatzzwecke erfordert dabei un-terschiedliche Evaluationsmethoden.

Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed)veröffentlicht am 2. Juni 2014

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Joachim M. Schmitt ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) sowie Geschäftsführer von MedInform – Seminar- und Informations-Service Medizintechnologie mit Sitz in Berlin.Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband über 230 Industrie- und Handelsunternehmen der Medizintechnologie-Branche.

Dazu gehört auch die Einbindung von so genanntem “Marktüberwachungs-wissen”. Klinische Studien sind für Hochrisikoprodukte im Rahmen der CE-Kennzeichnung notwendig, um den Nutzen nachzuweisen. Damit können aber keine Langzeitaussagen getrof-fen werden. Hierfür ist das “Marktbe-obachtungswissen” erforderlich, bei-spielsweise durch Registerprojekte.

Versorgungsforschung ist eine gesamt-gesellschaftliche Aufgabe, zu der al-le Institutionen, Organisationen und Akteure im Gesundheits- und Sozial-system beitragen sollten. Die medi-zintechnische Industrie wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihres

jeweiligen Spektrums beteiligen, um zusätzliche Erkenntnisse bei der An-wendung von Medizinprodukten zu ge-winnen. Ein Beispiel dafür ist das Endo-prothesenregister (EPRD) für Hüft- und Kniegelenkersatz, an dem sich die im BVMed vertretenen Endoprothetik-Un-ternehmen beteiligen.

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WISSENSCHAFT / THINK TANK / NGO

Innovationsfonds als „Motor“ von Suchprozessen

Wir leben in einer Gesellschaft länge-ren Lebens. Diese kurze Charakterisie-rung des demographischen Wandels in Deutschland hat auch Auswirkungen auf die Gesetzliche Krankenversiche-rung (GKV), die sich vor allem mit den Herausforderungen einer qualitäts-ge-sicherten und evidenzbasierten Ver-sorgung älterer Menschen konfrontiert sieht, die unter mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig leiden. Und obwohl unser Gesundheitssystem auch im internationalen Vergleich noch im-mer gut dasteht, sind Defizite in der Ko-operation, in der Kommunikation und in der Integration der Patientenversor-gung nicht zu übersehen. Chronic Care als multi- oder besser noch interdiszipli-näres Konzept für die Versorgung chro-nisch Kranker ist nicht einmal in Ansät-zen erkennbar, die Medizin hat sich auf die Erfolge in der Notfall- und Akutme-dizin konzentriert, die Zusammenarbeit im Rahmen eines Professionenmix ist eher selten. Aber schon heute leiden 50% der über 65jährigen Menschen in Deutschland an 2 – 3 Krankheiten gleichzeitig nebeneinander, Leitlinien für die Behandlung von multimorbiden Menschen existieren aber allzu sel-ten, sie müssten als Clinical Pathways sektorübergreifend und multiprofes-sionell von Ärztinnen und Ärzten, von Angehörigen des Pflegepersonals und anderer Berufsgruppen im System wie Physiotherapeuten oder Apothekern formuliert und verabschiedet werden. Die heutigen, auf eine Krankheit kon-

zentrierten Leitlinien führen bei älteren Menschen mit mehreren Krankheiten oft genug zu einer problematischen, oft auch gefährlichen Polypharma-zie mit Arzneimitteln, die bei älteren Menschen eher ungeeignet erschei-nen (siehe die PRISCUS-Liste), weil sie belastende unerwünschte Wirkungen oder Wechselwirkungen auslösen. Ei-ne Folge: 10,2% der älteren Menschen, die in internistische Stationen einge-wiesen werden, leiden nicht an einer Krankheit, sondern an den Wechsel-wirkungen von zu vielen Arzneimitteln nebeneinander. Konzepte zur Erstel-lung von multimorbiditätsorientierten Leitlinien, von Chronic Care Modellen, eines Disease Management Programm „Multimorbidität“ oder Strategien der Vermeidung von Polypharmazie und Interaktionen sind in unserem System keineswegs so verankert, wie sie schon heute benötig würden. In diesem Zu-sammenhang wären auch kontaktun-abhängige Pauschalen als Honorierung sinnvoll, da dies, wie in den Niederlan-den gezeigt werden konnte, unnötige Arzt-Patienten-Kontakte vermeiden kann, dem Arzt mehr Zeit für die Pati-entenkontakte einräumt und größere Chancen für die Vermittlung von Prä-ventionsempfehlungen bietet.

Probleme in der Kooperation und In-tegration wirken sich auch bei Kindern und Jugendlichen negativ aus, die un-ter Krankheiten im Kindesalter leiden (z.B. Mucoviszidose, ADHS, angebore-

Prof. Dr. Gerd Glaeske, Co-Leiter Abteilung Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen veröffentlicht am 16. Juni 2014

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nen Herzfehlern, Organtransplantatio-nen usw.) und deren Überleitung in die Erwachsenenmedizin keineswegs frei von Störungen und Schnittstellenpro-blemen ist. Diese Transition verlangt nach neuen Konzepten in der Zusam-menarbeit von Kinder- und Erwachse-nenärzten, von Allgemeinmedizinern und Spezialisten, von Psychologen und unterstützenden Einrichtungen, um das Gelingen des Übergangs in die Er-wachsenenversorgung erfolgreich zu gestalten. Es sind multimodale Behand-lungsansätze notwendig, Kooperatio-nen unterschiedlicher Berufsgruppen, um eine solche Transitionsleistung zu erbringen und zu vermeiden, dass die Patientinnen und Patienten unsyste-matisch im Gesundheitssystem umher-irren, ohne auf eine adäquate Versor-gungsstruktur zu treffen.

Diese beispielhaften Erkenntnisse stammen aus einer Versorgungsfor-schung, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Ist-Zustand zu beschreiben und zu analysieren, Vorschläge für neue Ver-sorgungskonzepte zu entwickeln, bei der Implementierung Unterstützung anzubieten und den Verlauf zu evalu-ieren, um die Ergebnisse neuer Struk-turen als Basis für eine Weiterentwick-lung oder für eine Veränderung nutzen zu können. Daher ist es nur konse-quent, in dem von der großen Koalition vorgesehenen Innovationsfonds finan-zielle Mittel in Höhe von 225 Mio. Eu-ro pro Jahr für neue Konzepte zur Ver-fügung zu stellen, die unmittelbar der Verbesserung der Versorgung dienen sollen, die sektorübergreifend sind und die über die derzeitige Regelversor-gung im Rahmen der derzeit üblichen

Honorierungsformen hinausgehen und gleichzeitig die Versorgungsforschung mit 75 Mio. Euro zu fördern. Generell geht es darum, die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Versorgung enger mit den Erkenntnissen und Erfolgen aus inno-vativen Projekten zu verknüpfen. Der Innovationsfonds wird auf diese Weise zu einem Motor von Suchstrategien für neue Versorgungskonzepte in unserem Versorgungssystem, wobei neben den großen Kollektivprojekten nicht die kleine innovativen „Pflänzchen“ ver-nachlässigt werden dürfen. Dass der G-BA nach Meinung der Vertreter der Großen Koalition gleichzeitig Verwalter und Vergabestelle der finanziellen Mit-tel sowie Adressat der Ergebnisse des Innovationsfonds sein soll, erscheint allerdings nicht gerade zielführend, diese Aufgaben sollte der G-BA nicht alleine übernehmen. Vielmehr sollte über die Innovations- und Versorgungs-forschungsthemen sowie über die Ver-gabe der Mittel ein wissenschaftlicher Beirat, bestehend aus Versorgungsfor-schern, z.B. aus dem Deutschen Netz-werk Versorgungsforschung, Experten aus dem System, Patienten und Versi-cherten, zusammen mit dem G-BA ent-scheiden, Prioritätenlisten sollten sich in diesem Zusammenhang von Erkennt-nissen zu Unter-, Über- und Fehlversor-gung leiten lassen. Der Innovations-fonds bietet daher die große Chance, dort neue Lösungen zu erproben, wo die Versorgungsforschung auf Defizite hingewiesen hat und solche Projek-te methodisch adäquat zu evaluieren. Und diese Chance muss erfolgreich ge-nutzt werden.

Prof. Dr. Gerd Glaeske ist Co-Leiter der Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung an der Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik.

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WISSENSCHAFT / THINK TANK / NGO

Versorgung verbessern: Erfolgsfaktoren für den Innovationsfonds

Der Innovationsfonds eröffnet große Chancen, bessere Versorgung zu entwi-ckeln. Er ist als echte Exzellenzinitiative zu gestalten, die nicht von Partikular- interessen oder Proporzregeln be-herrscht wird. Da Innovationen kreative Freiheit benötigen, sollte es bei aller Fest-legung von Kriterien möglich sein, sehr unterschiedliche Projekte zu fördern. Das Auswahlverfahren muss daher offen, un-bürokratisch und neutral sein. Aber zu-gleich so anspruchsvoll, dass anders als früher keine Scheininnovationen geför-dert werden, aus denen einzelne Akteure einen Vorteil ziehen.

Im Folgenden werden Vorschläge für eine unbürokratische und effektive Ausgestal-tung des Innovationsfonds gemacht:

Was sollte gefördert werden?

Der Fokus sollte eher auf der Förderung neuer Ansätze als auf der Verbreitung vorhandener Ansätze in die Regelversor-gung liegen. Denn gute Projekte verbrei-ten sich von alleine durch Vertragsbeitritt oder Nachahmung. Und es sollten neue Ansätze gefördert werden, die nach Ab-lauf der Förderung und positiver Evalua-tion in die Regelversorgung übergehen können.

Da für neue Produkte bereits etablier-te Erprobungsverfahren etabliert sind, sollte der Fokus auf innovativen Prozes-sen in Prävention, Therapie oder Bera-tung liegen. Thematische Eingrenzungen

sind dabei nicht nötig, da dies eine kaum endgültig zu klärende Priorisierungsdis-kussion erzeugen würde. Bei der Auswahl bieten sich jedoch relevante Kriterien wie die Prävalenz der betroffenen Bevölke-rung sowie das Ausmaß von Versorgungs-defiziten an.

Grundsätzlich sollte der Fokus auf der Verbesserung der Versorgung liegen, was auch zu Mehrkosten führen kann. Den-noch sollten gut begründete Projekte zur Effizienzsteigerung nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Trotz der Nennung im Koalitionsvertrag ist eine Beschränkung auf „sektorüber-greifende“ Innovationen nicht zwingend erforderlich. Eine verbesserte Zusam-menarbeit im niedergelassenen Sektor oder zwischen mehreren stationären Ein-richtungen kann genauso vorteilhaft sein.

Wer darf Ideen einbringen?

Jeder Akteur im Gesundheitswesen sollte innovative Projekte vorschlagen dürfen, damit keine guten Ideen verloren gehen. Die Prüfung einer Idee im Auswahlver-fahren sollte nicht davon abhängen, ob es dem Autor (bspw. einem Leistungser-bringer) zuvor gelingt, eine Krankenkasse zu überzeugen. Damit müsste nicht jeder Vorschlag von einem Selektivvertrag be-gleitet sein. Projekte ohne Selektivver-tragspartner würden dann während der Projektlaufzeit kollektiv finanziert, wenn auch sachlich und regional begrenzt.

Prof. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts veröffentlicht am 27. Juni 2014

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Wer entscheidet über die Förderprojekte?

Jeder Antrag ist auf sachliche Eignung zu prüfen. Sofern die Summe der Anträ-ge die zur Verfügung stehenden Mittel überschreitet, ist auszuwählen. Nicht entscheiden sollten Institutionen wie der G-BA oder GKV-Spitzenverband, deren Mitglieder selbst Vorschläge einreichen bzw. an diesen beteiligt sind. Dies er-schwert die Unabhängigkeit und würde vermutlich zu einer Verteilung der Mittel nach Proporz führen.

Vielmehr sollte ein kleines Gremium aus unabhängigen nationalen und internati-onalen Experten auswählen, wie es sich bspw. in Exzellenzinitiativen oder Wett-bewerben zwischen Gesundheitsregio-nen bewährt hat. Die Entscheidungskri-terien werden hingegen durch den G-BA orientiert an den Interessen der Versi-cherten vorgegeben.

Wie werden die Mittel verteilt?

Die Mittel des Fonds sind über die Zeit zu verteilen und feste Quoten für jedes Jahr der Laufzeit vorzusehen. Innerhalb jedes Jahres muss es einen oder zwei Zeitpunkte geben, zu denen Anträge eingereicht werden, damit ein geordne-

ter Vergleich möglich ist. Die Förderung weniger, aber umfangreicher und aussa-gekräftiger Projekte erscheint aus heu-tiger Sicht zielführender als eine breite Verteilung der Mittel.

Von der Forderung einer Kofinanzierung der Projekte durch die Antragsteller ist abzuraten. Zum einen hat diese Kofinan-zierung durch die Bereitstellung von Kas-senmitteln schon stattgefunden. Zwei-tens würden auf diese Weise finanzstarke Kassen bevorzugt. Und drittens entsteht erfahrungsgemäß ein hoher bürokrati-scher Aufwand für die Darstellung bzw. die Kontrolle der Kofinanzierung.

Wie ist Transparenz gesichert?

Die geförderten Projekte werden in an-gemessener Intensität außerhalb der Versorgungsforschung evaluiert und die Ergebnisse veröffentlicht, um zur Nach-ahmung oder ggf. auch für die Übertra-gung in die Regelversorgung anzuregen. Das ist kein Hemmnis für Akteure, in ei-gene, vielleicht später wettbewerbsrele-vante Ideen zu investieren. Denn die Be-teiligten haben durch ihre unmittelbare Beteiligung immer noch einen Wissens-vorsprung. Zudem ist eine erfolgreiche Evaluation ist auch immer eine gute Werbung.

Prof. Bertram Häussler ist Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts. Er leitet zudem die zur IGES-Gruppe gehörenden Unternehmen CSG sowie IMC clinicon für die Bereiche klinische Forschung bzw. Krankenhausberatung. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Versorgungsforschung, Gesundheitsökonomie, Nutzenbewertung und Arzneimittelentwicklung im nationalen und internationalen Kontext. Das IGES Institut wurde 1980 als unabhängiges Institut gegründet. Seither wurde in über 1.200 Projekten zu Fragen des Zugangs zur Versorgung, ihrer Qualität, der Finanzierung sowie der Gestaltung des Wettbewerbs im Bereich der Gesundheit gearbeitet.

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WISSENSCHAFT / THINK TANK / NGO

Förderkriterien für den Innovationsfonds: Eine konzeptionelle Herangehensweise ist gefragt

Schon seit langem setzt sich die Deut-sche Krebsgesellschaft für eine unab-hängige Finanzierung klinischer Studien ein. Einen wichtigen Schritt in die rich-tige Richtung geht der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung: Ein Innovationsfonds soll künftig Förd-ergelder für neue sektorübergreifende Versorgungsformen und eine indust-rieunabhängige medizinische Versor-gungsforschung bereitstellen.

Warum sind unabhängige klinische Studien so wichtig? Zahlreiche For-schergruppen arbeiten derzeit in Deutschland und anderswo daran, Ansatzpunkte für innovative Krebsthe-rapien zu finden. Mit Erfolg: Neue Me-dikamente und Operationstechniken, präzisere Bestrahlungsverfahren – sie alle tragen dazu bei, Krebsbehandlun-gen besser und schonender zu machen. In vielen Fällen lässt sich durch eine genetische Analyse des Tumorgewebes sogar herausfinden, welche Patienten voraussichtlich besonders gut auf ein bestimmtes Medikament ansprechen. So können Therapien heute wesentlich gezielter als noch vor wenigen Jahren eingesetzt werden.

Zu einer qualitativ hochwertigen me-dizinischen Versorgung gehört jedoch mehr: Ob sich zum Beispiel ein neues Krebsmedikament auch für ältere Pa-tienten mit Vorerkrankungen eignet,

geht aus einer Zulassungsstudie meist nicht hervor. Eine schlüssige Antwort darauf können nur anwendungsnahe klinische Studien nach der Arzneimit-telzulassung geben. Dasselbe gilt bei der Frage, ob bzw. in welchen Fällen ein bestimmter Behandlungsansatz im Ver-sorgungsalltag besser oder schonender ist als der andere. Es wäre nicht klug, bei solchen Untersuchungen allein auf die Pharmaindustrie zu setzten. Phar-magesponserte Postzulassungsstudien sind immer dem Verdacht ausgesetzt, die Ergebnisse seien durch die eigenen wirtschaftlichen Interessen beeinflusst.

So weit, so gut. Aber nach welchen Kri-terien und für welche Projekte sollen die Fördergelder des Innovationsfonds fließen? Derzeit sind Kassen, Kranken-häuser und Ärzte in den Ländern auf-gerufen, möglichst rasch Vorschläge zu machen, wofür sie das Geld ausgeben wollen. Im Vordergrund stehen vor al-lem einzelne Strukturmaßnahmen, zum Beispiel zur besseren Versorgung in ländlichen Regionen, in Alten- und Pfle-geheimen und ein optimiertes Medi-kationsmanagement. Das sind zweifel-los wichtige Aspekte. Fraglich bleibt, ob hier nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird. Denn komplexe gesundheitliche Probleme wie Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen erfor-dern eine komplexe Behandlung. Die isolierte Sicht auf einzelne Therapien

Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft veröffentlicht am 13. Juni 2014

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oder Strukturmaßnahmen hilft dabei wenig. Stattdessen ist eine konzepti-onelle Herangehensweise gefragt, bei der man die vorrangigen Versorgungs-probleme identifiziert, gezielt unter-sucht und dann angeht. Dafür braucht es vor allem eines: eine Verständigung aller Beteiligten, wo bei einer be-stimmten Indikation der vordringliche Versorgungsbedarf besteht, und zwar nachvollziehbar und auf der Grundlage bestehender Statistiken und Studien.

Gefragt ist außerdem ein Umdenken bei der Vergabe von Forschungsgeldern. Momentan wird dabei eher Interessan-tes ausgewählt, aber nicht unbedingt das für die Versorgung einer Krankheit Wichtige. Denkbar wäre zum Beispiel, dass die Expertengruppen, die bei der

Erstellung medizinischer Leitlinien wissenschaftliche Studien sichten und bewerten, in einem strukturierten Pro-zess die Wissenslücken aufdecken und die wirklich wichtigen Fragestellungen formulieren, die in klinischen Studien oder durch die Versorgungsforschung geklärt werden sollten. Medizinische Fachgesellschaften wie die Deutsche Krebsgesellschaft arbeiten an solchen Prozessen und tragen das Fachwissen aus dem Versorgungsalltag in die poli-tischen Entscheidungsgremien hinein.

Der Innovationsfonds bietet erstmals die Chance auf einen umfassenden Versorgungsansatz und wir hoffen sehr, dass sie genutzt wird ‒ damit medizini-sche Innovationen auch versorgungs-nah weiterentwickelt werden können.

Dr. Johannes Bruns ist seit 2006 Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. (DKG) ist die größte wissenschaftlich-onkologische Fachgesellschaft in Deutschland mit Sitz in Berlin.

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Innovationsfonds – Ein Tropfen auf dem heißen Stein?!

Reden wir über den Innovationsfonds und die damit verbundene Initiierung und Evaluation von innovativen und sektorenübergreifenden Versorgungs-modellen, dann reden wir über die zu-künftige Versorgung der nachfolgenden Generationen.

Um den Innovationsfonds sinnvoll um-zusetzen, sind aus Sicht der Mitglieder des Ausschusses Wettbewerbsfähigkeit des Young Lions Gesundheitsparlamen-tes folgende Aspekte wesentlich:

1. Die geplante Umsetzung eines effi-zienten und transparenten Entschei-dungsverfahrens hinsichtlich der Zu-schlagserteilung wird begrüßt. Die Ausschreibung, Bewerbungen und Zu-schlagsentscheidung bzw. -begründung müssen für die Öffentlichkeit transpa-rent sowie frei einsehbar sein. Voraus-setzung dafür sind vorab definierte und priorisierte/ gewichtete Zuschlagskrite-rien. Diese sollen das Gesamtkonzept vorgeben, jedoch Freiraum für innova-tive Ideen lassen.

2. Wichtiges Entscheidungskriterium für die Auswahl der Versorgungsprojekte ist die Prüfung der Nachhaltigkeit der ein-zelnen Konzepte. Erfolgreiche Projekte der Vier-Jahresförderung müssen sich nach dem Ende der „Anschubfinanzie-rung“ von 225 Mio. Euro pro Jahr weiter finanzieren können. Vorab muss der Ge-setzgeber entscheiden, welche Projekte nicht nur thematisch, bspw. „Konzepte

zur Delegation ärztlicher Leistungen und zur Qualitätssicherung“, sondern auch nach deren Zielsetzung priorisiert werden. So könnte bspw. ein hoher, breiter und/oder indikationsbezogener Patientennutzen, der Grad der Effizienz-steigerung oder das höchste Potential der Kostenreduktion als Entscheidungs-kriterium dienen.

3. Eine begleitende Evaluation wird als unabdingbare Voraussetzung der Finan-zierung durch öffentliche Mittel gesehen. Das Studiendesign sollte vorab durch ein unabhängiges Gremium vorgegeben werden. Dieses Gremium sollte als Ent-scheidungsträger (inter-)national sowie interdisziplinär besetzt sein und keine in-stitutionelle Beziehung zum G-BA haben. Vorstellungen und Werte der Patienten müssen dabei berücksichtigt werden. Dazu definieren, erheben und werten die Antragsteller patientenrelevante Er-gebnisparameter aus. Die Umsetzung ei-ner begleitenden Evaluation muss nach Zuschlag pro Projekt jährlich nachgewie-sen und kontrolliert werden. Erfolgt dies nicht, sollte ein klagbarer Anspruch auf Rückgabe der öffentlichen Förderungs-summe entstehen.

4. Wird dabei nicht vom G-BA als Ent-scheidungsträger über die Mittelvertei-lung Abstand genommen, fordern wir eine stärkere patientenorientiertere Ausrichtung der Zusammensetzung in-nerhalb des Vergabeverfahrens. Nur so kann gewährleistet werden, dass die

Annegret Schnick, Vertreterin des Ausschusses Wettbewerbsfähigkeit des Young Lions Gesundheitsparlaments veröffentlicht am 16. Juli 2014

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geplante „ganzheitliche Orientierung an der Versorgung von Patienten“ und wissenschaftliche Evaluation umge-setzt wird. Die Beteiligung aus rein po-litischen oder einseitigen Interessen, bspw. den G-BA an der Integrierten Versorgung einzubinden, lehnen wir auf Grund einer möglichen Verlangsamung der Projektumsetzung durch die Einhal-tung vorgegebener Regularien ab.

5. Zudem müssen die Ergebnisdaten der Innovationen/ Konzepte offengelegt werden. Dabei müssen die Sozialdaten bei Erhebung, Verarbeitung und Nutzung nach Bundesdatenschutzgesetz und SGB geschützt und gesichert werden.

6. Die Einbindung weiterer Akteure au-ßerhalb des § 140 b Abs. 1 S. 1-7 SGB V wird befürwortet. Die Muss-Vorschrift zur Einbindung von mindestens einer gesetz-lichen Krankenkasse wird als Einschrän-kung des Wettbewerbs der Konzepte und Akteure gesehen und abgelehnt.

7. Die Mittel von 75 Mio. Euro pro Jahr zur Versorgungsforschung sollten auch für die Erforschung der Regelversor-gung zur Verfügung stehen und nicht nur zur Forschung innerhalb der Mo-dellprojekte.

Fazit

Der Gesetzgeber soll den Rahmen der Innovationsförderungen für vier Jahre festlegen, jedoch nicht die Prozesse und dadurch den Ideen- und Qualitätswett-bewerb einschränken. Wir begrüßen den Fokus der Modelle auf bspw. „sek-torenübergreifende Modellprojekte zur Gewährleistung der Versorgung in un-terversorgten Regionen, zur Substituti-on oder Delegation ärztlicher Leistung sowie zur Qualitätssicherung“, welche regional sowie populations- und/oder indikationsbezogen aufgebaut sind. Je-doch sollte die Erwartung der Akteure an die Ergebnisse verringert werden. Die Herausforderungen einer integ-rierten, sektorenübergreifenden Ver-sorgung und deren Vergütung werden durch den Innovationsfonds sicherlich nicht behoben. Im Sinne der nachhalti-gen Nutzung von öffentlichen Geldern muss der Gesetzgeber schon jetzt be-denken, welches Ziel die Projekte nach den vier Jahren verfolgen sollen. An-dernfalls bleibt die Initiative ein Tropfen auf dem heißen Stein der Integrierten Versorgungsdebatte.

Annegret Schnick, Vertreterin des Ausschusses Wettbewerbsfähigkeit des Young Lions Gesundheitsparlaments. Annegret Schnick ist Doktorandin der Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth und Bereichsleiterin Organisationsentwicklung & Vertrieb der Gedikom GmbH. Sie engagiert sich seit mehr als 2 Jahren ehrenamtlich als Ausschussvorsitzende im Young Lions Gesundheitsparlament - ein Think Tank, initiiert vom forschendenPharmaunternehmen Janssen und gestaltet von „Young Professionals“ aus dem DeutschenGesundheitssektor, die sich für ein zukunftsfähiges gesundheitspolitisches System einsetzen.

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ZUSATZ

Rechtlicher Rahmen / Hintergrundinformationen

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor dem historisch gewachsenen Pro-blem, die unterschiedlichen Versor-gungsbereiche zu integrieren und die sich daraus ergebenen Folgewirkungen aus mangelnder Kommunikation und Vernetzung zu überwinden. Der Be-griff „Integrierte Versorgung” (IV) steht dabei für die Vernetzung zwischen den einzelnen Leistungssektoren, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.

Folgende Gesetze der letzten 10 Jahre beinhalten Bemühungen integrierte Versorgungsstrukturen zu etablieren:

INTEGRATION VON VERSORGUNGSSTRUKTUREN – EINE CHRONOLOGIE DER LETZTEN 10 JAHRE

2012: Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstruk turen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG)

§ 116b SGB V:Einführung einer ambulanten spezial-fachärztlichen Versorgung als ein neuer Versorgungsbereich für die Behandlung seltener Erkrankungen und spezialisier-ter Leistungen

2011: Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG)

§ 140 b SGB V:Einbeziehung von Arzneimittel- und Me-dizinproduktehersteller in Verträge zur integrierten Versorgung

2007: GKV-Wettbewerbsstärkungs-gesetz (GKV-WSG)

§ 140 b SGB V:Einbeziehung von Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen in Verträge zur in-tegrierten Versorgung

§ 73 c SGB V:Möglichkeit zum Abschluss von Facharzt-verträgen

2004: Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, (GKV-GMG)

§ 116b SGB V:Erweiterte Möglichkeiten zur ambulan-ten Behandlung im Krankenhaus z.B. im Rahmen von Disease-Management-Pro-grammen

Ambulante Behandlung seltener Erkran-kungen und von Krankheiten mit be-sonderen Krankheitsverläufen sowie für hoch spezialisierte Leistungen

§ 73b SGB V:Einführung der Hausarztentrierten Ver-sorgung

§ 95 SGB V:Zulassung von medizinischen Versor-gungszentren, in denen Ärzte als Ange-stellte oder Vertragsärzte fachübergrei-fend tätig sind, zur vertragsärtztlichen Versorgung

§ 140a-h SGB V:Die IV bedarf keiner vertraglichen Rah-menvereinbarung zwischen Krankenkas-sen und KVen mehr. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind als Vertragspartner ausgeschlossen.

Der Sicherstellungsauftrag der KVen wird eingeschränkt.

Neben einzelnen Leistungserbringern und deren Gemeinschaften (z. B. Arztnet-ze), Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren können auch Ma-nagementgesellschaften von Leistungs-erbringern Vertragspartner der Kranken-kassen in Selektivverträgen sein.

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