Bioenergie in Regionen - FNR:...

112
Bioenergie in Regionen Ein Ratgeber – basierend auf den Ergebnissen des Wettbewerbs Bioenergie-Regionen www.bmelv.de

Transcript of Bioenergie in Regionen - FNR:...

Page 1: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen Ein Ratgeber – basierend auf den Ergebnissen des Wettbewerbs Bioenergie-Regionen

www.bmelv.de

Page 2: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch
Page 3: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 3

GrußwortBioenergie ist die bedeutendste Form der erneuerbaren Energien. Sie kann volatile Energieerzeugung kompensieren und ist zudem als ein-zige speicherbar. Die Branche dahinter ist schon jetzt mit über 130.000 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber. Die Mehrheit der Arbeitsplätze ist dort entstanden, wo Biomasse produziert und verwertet wird: in den ländlichen Regionen. Dort kann Bioenergie die wirtschaftliche Entwick-lung stärken, weil ihre Produktion und Nutzung die Wirtschaftskreisläufe vor Ort ankurbeln.

Das Engagement der Bürger kommt besonders der eigenen Region zu Gute. Auch davon profitiert vor allem der ländliche Raum. Nicht zuletzt deshalb hat mein Haus von 2009 bis 2012 25 Regionen finanziell geför-dert, organisatorisch unterstützt und wissenschaftlich dabei begleitet, die Entwicklung des ländlichen Raums mit Hilfe von Bioenergie voran-zubringen. Die „Bioenergie-Regionen“ haben seitdem ihre Regionalent-wicklungskonzepte zum Ausbau der Bioenergieproduktion und -nutzung mit Hilfe von Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt. Sie sind nun – bereits nach drei Jahren – zu Vorbildern geworden, von denen wir vieles lernen können.

Ich freue mich, dass die Institutionen der wissenschaftlichen Begleitfor-schung und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. ihre Erfah-rungen und Ergebnisse aus dieser Zeit in einem Handbuch für Anwender zusammengetragen haben. Diese Broschüre kann einen wertvollen Bei-trag leisten, die Entwicklung in den Regionen voranzutreiben. Ich wün-sche dabei viel Erfolg.

Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Page 4: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

4 Bioenergie in Regionen

InhaltGrußwort 3

1 Einführung 61.1 Hintergrund, Ziel und Aufbau des Ratgebers 61.2 Zielgruppen des Ratgebers 71.3 Wettbewerb Bioenergie-Regionen 8

2 Fokus: Bioenergie in Regionen 102.1 Warum ist die regionale Ebene so wichtig? 102.2 Was können regionale Bioenergie-Initiativen leisten? 112.3 Was sind zentrale Ziele und Motive regionaler Bioenergie-Initiativen? 132.4 Wie bestimmt man die Grenzen einer Region? 15

3 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte 163.1 Bioenergie: Angebot und Nachfrage 163.1.1 Biomassepotenziale 173.1.2 Nachfrage nach Bioenergie 203.2 Biomassenutzung in den Sektoren Land- und Forstwirtschaft 243.2.1 Naturräumliche Voraussetzungen der Bioenergienutzung 243.2.2 Beispiel einer regionalen Strategie im Bereich Landwirtschaft 253.2.3 Beispiel einer regionalen Strategie im Bereich Forstwirtschaft 283.2.4 Schlüsselfragen für die Ideenfindung 313.3 Projektansätze entlang von Wertschöpfungsketten:

Erfahrungen aus den Bioenergie-Regionen 323.3.1 Projekte der Wertschöpfungskette Holz/Festbrennstoffe 323.3.2 Projekte der Wertschöpfungskette Biogas 393.3.3 Übergreifende Empfehlungen aus technisch-ökonomischer Sicht 48

4 Prozesse und Strukturen 504.1 Netzwerke, Netzwerktypen und Akteure 504.1.1 Soziale Netzwerke haben spezifische Eigenschaften 514.1.2 Netzwerkakteure und deren Zusammensetzung 53

Page 5: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 5

4.1.3 Schnelltest Regionalnetzwerk 544.1.4 Was hat Ihr Test ergeben? Empfehlungen zur Netzwerkentwicklung 564.2 Akzeptanz und Konfliktmanagement 574.2.1 Grundlagen schaffen: Prozesse innerhalb der

regionalen Bioenergie-Initiative 584.2.2 Handlungsmöglichkeiten regionaler Bioenergie-Initiativen 654.3 Wissensmanagement und Kommunikation 704.3.1 Planung und Bausteine des Wissensmanagements 704.3.2 Wissensmanagement im Netzwerk der regionalen Bioenergie-Initiative 724.3.3 Von der regionalen Bioenergie-Initiative in die Region 734.3.4 Vom Wissen zum Handeln zur Kompetenzregion 764.3.5 Selbstbewertung innerhalb der regionalen Bioenergie-Initiative 784.4 Strukturen und Verstetigung 804.4.1 Strukturen 804.4.2 Verstetigung beginnt am ersten Tag und benötigt Ressourcen 824.4.3 Verstetigung von Netzwerken 834.4.4 Verstetigung von Netzwerkmanagements 854.4.5 Verstetigung von Einzelprojekten 86

5 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie 895.1 Welche regionalen Effekte gibt es? 895.2 Notwendigkeit und Nutzen der Darstellung regionaler Effekte 915.3 Methoden und Vorgehen zur Erfassung der regionalen Wertschöpfung

und Entwicklung 925.3.1 Erfassung der regionalen Wertschöpfung 925.3.2 Erfassung der regionalen (Bioenergie-)Entwicklung 975.4 Unmittelbarer Klimaschutz durch regionale Bioenergien 99

6 Zum Schluss 104

7 Anhang 106

Page 6: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

6 Einführung

1 Einführung

1.1 Hintergrund, Ziel und Aufbau des Ratgebers25 höchst unterschiedliche Regionen in Deutschland standen Pate für diese Broschüre. Das Spektrum reicht von der Windkraft-Region Nordfriesland im Norden bis zum Achental am Rande der Alpen im Süden, von der Mittelgebirgsregion Eifel im Westen bis zur Sächsischen Schweiz im Osten Deutschlands. Erfahrene und bereits profilierte Regionen und Akteure waren ebenso dabei wie Regionen, die sich erst auf den Weg gemacht haben.

So unterschiedlich die Ausgangsbedingungen auch waren, eins haben alle Regionen ge-meinsam: Sie mobilisieren und nutzen im Rahmen des BMELV-Wettbewerbs „Bioener-gie-Regionen“ modell haft die jeweiligen in der Region vorhandenen Bioenergiepoten-ziale und leisten damit einen Beitrag zum Klimaschutz, zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung, zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie regionaler Energiealternativen.

Aufarbeitung der ErfahrungenDieser Ratgeber bereitet die in den 25 Bioenergie-Regionen gewonnenen Erfahrungen praxisnah auf und macht sie anderen Regionen und Akteuren in Deutschland verfüg-bar. Entwickelt wurde der Ratgeber von der Begleitforschung des Wettbewerbs „Bio-energie-Regionen“. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) untersuchte die Bereiche Technik und Ökonomie, das nova-Institut und SPRINT die regionalen Netzwerke und Prozesse. Der Ratgeber „Bioenergie in Regionen“ ist somit ein Gemein-schaftswerk, das zwei unterschiedliche Perspektiven miteinander verbindet: Die „harte“ Seite der Technik und Ökonomie der Bioenergie und die eher „weiche“ Seite von ko-operativen Regionalentwicklungsprozessen. Beide Seiten sind gleichermaßen notwen-dig für den Erfolg.

In dieser Broschüre geht es nicht um die Darstellung der wissenschaftlichen Ergebnis se der Begleitforschung, denn hierzu gibt es eigene Berichte, sondern um praxisrelevante Handlungsanleitungen und -möglichkeiten zur Mobilisierung und Nutzung von Bio-energie in Regionen.

Was erwartet Sie?Wir haben im Rahmen der Begleitforschung des Wettbewerbs aus der Praxis der 25 Bioenergie-Regionen gelernt und versucht, die verallgemeinerbaren und übertrag-baren Muster und Ansätze zu erkennen, die zum Erfolg geführt haben. Diese Muster und Ansätze übersetzen wir nun in praxisnahe Handlungsmöglichkeiten und -empfeh-lungen. Damit entsteht ein Ratgeber aus der Praxis für die Praxis. Um dem Anspruch und Ziel der Praxisnähe möglichst gerecht zu werden, finden Sie an vielen Stellen des Ratge-bers konkrete Erfahrungsberichte und gute Beispiele aus den Bioenergie-Regionen.

Aber: Die Broschüre heißt bewusst „Ratgeber“, denn der Fokus liegt auf den Bereichen und Aspekten, die im Rahmen der Begleitforschung untersucht wurden und im Zen-trum des Wettbewerbs „Bioenergie-Regionen“ standen. Der Ratgeber hat somit nicht den Anspruch eines allumfassenden Leitfadens, der alle Schritte von der Entstehung einer regionalen Bioenergie-Initiative über die Umsetzung bis hin zur Bewertung der Erfolge systematisch beschreibt. Außerdem liegt der Fokus des Ratgebers auf dem Bereich Bioenergie, andere erneuerbare Energien wie z. B. Wind- oder Solarenergie werden nicht betrachtet.

Bioenergieerzeugung muss Hand in Hand mit nachhaltiger Land-nutzung und Effizienz gehen

Foto: FNR/Zdenka Hajkova (2)

Page 7: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 7

Aufbau des RatgebersDer Ratgeber gliedert sich in vier zentrale Kapitel. Der Fokus des Kapitels 2 „Bioenergie in Regionen“ liegt auf den Handlungsmöglichkeiten und Potenzialen sowie den Zielen und Motiven regionaler Bioenergie-Initiativen. Darüber hinaus wird die Bedeutung der regionalen Ebene für den Ausbau der Bioenergienutzung und Möglichkeiten zur Abgrenzung von Regionen beleuchtet. Die technischen Aspekte der Bioenergienut-zung in Regionen werden im Kapitel 3 vertieft. Fragen wie „Wie können die regiona-len Bioenergie-Potenziale identifiziert werden?“ und „Welche Wertschöpfungsketten im Bereich Bioenergie können durch welche Projekte entwickelt werden?“ werden hier beantwortet. Im Kapitel 4 stehen die Prozesse und Strukturen im Zentrum: Wie können die regionalen Netzwerke aufgebaut, entwickelt und verstetigt werden? Wie werden Konflikte gemanagt und Akzeptanz geschaffen? Wie wird das notwendige Wis-sen bereitgestellt? Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Erfassung regionaler Effekte der Bioenergienutzung, wie z. B. regionaler Wertschöpfung und Klimaschutz.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Locken Sie die Bioenergie und Akteure Ihrer Region aus der Reserve. Es lohnt sich. Das Team der Begleitforschung

1.2 Zielgruppen des RatgebersDer vorliegende Ratgeber richtet sich an Personen, Gruppen und Institutionen auf der regionalen Ebene, die gemeinsam mit anderen Akteuren die Nutzung der Bioenergie systematisch vorantreiben wollen. Dabei stehen die folgenden Aspekte im Zentrum: die Region als Handlungsebene, die Netzwerkorientierung als strategischer Ansatz bzw. Herangehensweise und Bioenergie als eine von mehreren erneuerbaren Energieformen.Folgende Zielgruppen werden mit dem Ratgeber angesprochen:

→ 100 % EE-Regionen → LEADER-Gruppen → Aktive aus lokalen und regionalen Agenda 21 Gruppen → Großschutzgebiete wie z. B. Naturparks und Biosphärenreservate → Landkreise → Kommunale Zusammenschlüsse → Berater im Bereich erneuerbare Energien (z. B. Bioenergie-Beratung) → Regionalmanager → Regionale und kommunale Wirtschaftsförderer → Mitarbeiter von lokalen und regionalen Energieagenturen → Bürgermeister und kommunale Energie- und Umweltbeauftragte → Raumplaner → Vertreter regionaler Wirtschaftsverbände und -kammern → Unternehmen der Wertschöpfungsketten Bioenergie → Ehrenamtliche Gruppierungen, wie Bürgerstiftungen etc.

Dabei wendet sich der Ratgeber in erster Linie an diejenigen Personen, Gruppen und Institutionen, von denen der Impuls zur verstärkten Nutzung von Bioenergie ausgeht, oder die im Zentrum des Prozesses stehen – also insbesondere die Initiatoren und Promotoren. Sie können aus allen o. g. Gruppen stammen und sollen in ihren Bemü-hungen mit diesem Ratgeber unterstützt werden.

Als Sammelbegriff für die unterschiedlichen Gruppierungen und Netzwerke, die den Ausbau der Bioenergienutzung gemeinsam in ihrer Region vorantreiben wollen, wird im Folgenden der Begriff „regionale Bioenergie-Initiative“ genutzt – unabhängig davon, ob die Initiative von staatlicher Seite, Unternehmen oder ehrenamtlichen Gruppierungen ausgeht.

Page 8: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

8 Einführung

1.3 Wettbewerb Bioenergie-RegionenDer Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ bildet die wesentliche Grundlage dieses Rat-gebers und wird daher einleitend in aller Kürze zum besseren Verständnis des Ratgebers skizziert.

Der Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ ist bislang national, aber auch international der stärkste regionale Ansatz im Bereich Bioenergie. Im Februar 2008 hat das Bundesminis-terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) den Wettbewerb ausgelobt. Im März 2009 wählte eine unabhängige Fachjury im Rahmen eines zweistu-figen Auswahlverfahrens aus insgesamt 210 Bewerbern 25 Regionen aus. Bewertungs-grundlage waren die erstellten Bioenergie-Regionalentwicklungskonzepte. Im März 2009 prämierte schließlich die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz Ilse Aigner die 25 ausgewählten Regionen. Diese wurden insgesamt drei Jahre lang mit jeweils bis zu 400.000 € bei der Umsetzung ihrer regionalen Entwicklungskon-zepte gefördert.

Die einzelnen Regionen gingen dabei mit ganz unterschiedlichen Ausgangssituationen an den Start: Flächenmäßig reichte das Spektrum von der Kleinstadt Ludwigsfelde bis zur größten Region Mecklenburgische Seenplatte, die zu der Zeit aus drei Landkreisen bestand. Manche verfügten bereits über langjährige Erfahrung im Bereich Bioenergie oder Regionalentwicklung, andere nahmen den Wettbewerb zum Anlass, um die The-men Klimaschutz und regenerative Energien erstmals anzugehen.

Der Wettbewerb zielte darauf, funktionierende Bioenergie-Netzwerke in den Regionen zu etablieren. Denn Netzwerke können potenzielle Partner, auch Investoren, an einen Tisch holen, Wissenstransfer und Weiterbildung initiieren oder bei Konflikten vermit-teln. Ganz bewusst förderte das BMELV mit dem Wettbewerb keine Investitionen in An-lagen und Maschinen, denn das wäre relativ kostenintensiv und würde nur einige wenige Projekte begünstigen. Mit funktionierenden Netzwerken sollte der Nährboden geschaf-fen werden, auf dem Investitionen in der Folge quasi „von selbst gedeihen“ können.

Die Fördermittel waren für den Aufbau von Netzwerk- und Kooperationsstrukturen und das entsprechende Personal, für Regionalmanagement, Moderation oder Konflikt-management, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit, Qualifizierungsmaßnahmen und Studien vorgesehen. Die Projekte wurden alle zu unterschiedlichen Anteilen durch Eigen- oder Drittmittel mitfinanziert.

Thematisch waren die Projekte sehr breit angelegt und umfassten verschiedenste Bio-massefraktionen und Umwandlungstechnologien. Sowohl die Biogasgewinnung als auch die Biomasseverbrennung spielten in den meisten Regionen eine Rolle. Bei den Roh-stoffen lag der Schwerpunkt zum einen auf Festbrennstoffen wie z. B. Holz aus dem Forst oder aus Kurzumtriebsplantagen. Zum anderen wurden neben Energiepflanzen stärker landwirtschaftliche Reststoffe, Abfallstoffe, Grünschnitt und Landschaftspflegematerial genutzt. Biogas wurde nicht nur in Strom und Wärme umgewandelt, sondern auch auf-bereitet und ins Erdgasnetz eingespeist oder als Kraftstoff genutzt. Viele Regionen haben zudem die Entstehung von Bioenergiedörfern initiiert und unterstützt.

Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse des Wettbewerbs kann im Rahmen dieser Kurzdarstellung nicht vorgenommen werden. Zentrale Ergebnisse lassen sich jedoch folgendermaßen zusammenfassen:

→ Die Leistungsfähigkeit des Netzwerkansatzes ist in der überwiegenden Zahl der 25 Bio-energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass die Bildung von Netzwerken viel Zeit braucht, bis die volle Leistungsfähigkeit erreicht wird.

Die Entwicklung des ländlichen Raums mithilfe von Bioenergie ist das Ziel des Wettbewerbs Bio-energie-Regionen

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Page 9: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 9

→ Die Wirkungsketten von den geförderten weichen Maßnahmen und der Netzwerk-bildung hin zu den harten Effekten wie regionaler Wertschöpfung und Klimaschutz konnte die Begleitforschung nachweisen.

→ Insbesondere in Regionen mit günstigen Ausgangsbedingungen ließen sich bereits erhebliche Effekte auf die regionale Wertschöpfung und den Ausbau der Bioener-gie-Nutzung nachweisen. So wurden beispielsweise in der Bioenergie-Region Bo-densee gemeinsam mit den Partnern neun Bioenergiedörfer mit einer regionalen Wertschöpfung von ca. 10 Mio. € realisiert (berechnet mit dem Online-Wertschöp-fungsrechner der AEE). Innerhalb von drei Jahren wurden in der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber über 30 Mio. € in den Ausbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien investiert. Durch zahlreiche Projekte werden dort jährlich 5,33 Mio. Liter Heizöl ersetzt. Dadurch entsteht eine direkte Kaufkraftbindung von rund 4,37 Mio. € im Jahr.

Aufgrund der guten Ergebnisse des Wettbewerbs und aufgrund der Tatsache, dass gute Beispiele und Vorreiter wie die Bioenergie-Regionen ein wichtiges Instrument bei der Umsetzung der Energiewende sind, hat das BMELV entschieden, 21 besonders erfolg-reiche Regionen für weitere drei Jahre bei der Umsetzung neuer, deutlich konkreterer Schwerpunktthemen mit jeweils bis zu 330.000 € zu unterstützen. Die gezielte Steige-rung der Wertschöpfung und der Stoffstromeffizienz sowie der Transfer der gewonne-nen Erfahrungen an weitere Akteure und Regionen stehen dabei im Vordergrund. Die Bioenergie-Regionen arbeiten deshalb künftig eng mit Partnerregionen zusammen, die als sogenannte „Zwillingsregionen“ in das Kompetenznetzwerk eingebunden werden und von den Kenntnissen und Fähigkeiten der Akteure profitieren.

Wettbewerb Bioenergie-Regionen

!

!

Weitere Informationen zum Wettbewerb Bioenergie-Regionen und den beteiligten Regionen finden Sie:

→ auf der Internetseite www.bioenergie-regionen.de inkl. einer Projektdatenbank sowie

→ in der Broschüre „25 Bioenergie- Regionen im Porträt“ der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) aus dem Jahr 2010.

Die Adressen der Ansprechpartner der 25 Bioenergie-Regionen sind in der Anlage des Ratgebers aufgeführt.

Page 10: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

10 Fokus: Bioenergie in Regionen

2 Fokus: Bioenergie in RegionenDie Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe und gleichzeitig eine große Chance. Da-mit die Ziele erreicht werden können, müssen alle ihren Beitrag leisten: alle Ebenen von der lokalen bis zur EU-Ebene, alle Akteursgruppen und alle erneuerbaren Energiequellen.

Dieser Ratgeber beschäftigt sich bewusst nur mit einem Ausschnitt dieser Aufgaben – mit der Nutzung von Bioenergie auf der regionalen Ebene. Einleitend werden daher vier Aspekte beleuchtet: Warum ist die regionale Ebene so wichtig? Was können regionale Bioenergie-Initiativen leisten? Was sind zentrale Ziele und Motive regionaler Bioenergie-Initiativen? Und: Wie können Bioenergie-Regionen abgegrenzt werden?

2.1 Warum ist die regionale Ebene so wichtig?Der grundsätzliche Vorteil der Region als räumlicher Einheit zwischen der kommuna-len Ebene und einem Bundesland liegt einerseits darin begründet, dass sie groß genug ist, um wichtige Handlungsressourcen und damit Handlungsoptionen zu erschließen. Auf der anderen Seite ist sie aber noch klein genug, um eine ausreichende Komplexi-tätsreduktion und Beteiligung der relevanten Akteure zu gewährleisten und staatliches sowie privates Handeln zu koordinieren.

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Was heißt das nun konkret für die Bioenergieerzeugung und -nutzung, die sich durch eine besondere Dezentralität auszeichnet? Besondere Chancen und Handlungsmög-lichkeiten auf der regionalen Ebene liegen in den folgenden Bereichen:

→ Einbindung von Schlüsselakteuren wie beispielsweise Sparkassen, Energieversor-gungsunternehmen, Politik (z. B. Landrat) oder Naturschutzorganisationen;

→ Entwicklung von regionalen Strukturen wie z. B. Energieagenturen oder Biomasse-höfen;

→ Mobilisierung und Akquisition von Ressourcen; → Entwicklung und Umsetzung neuer Ansätze zur Vermeidung und Lösung von

Konflikten wie beispielsweise bei der Flächennutzung; → Bereitstellung von Wissen z. B. durch Einbindung von Hochschulen, Erstellung von

Broschüren, Durchführung von Pilotvorhaben, Qualifizierungs- und Bildungs-maßnahmen;

→ Systematische Verbindung der Bioenergie mit anderen erneuerbaren Energien und Verbesserung der Effizienz der Energienutzung;

→ Scharnierfunktion zwischen den übergeordneten Planungen insbesondere auf der Ebene der Bundesländer und der Umsetzung auf der lokalen Ebene;

→ Kombination von Tourismus und Bioenergie/anderen erneuerbaren Energien, touristische Inwertsetzung.

Page 11: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 11

Diese Argumente sollen aber nicht eine Ebene gegen die andere ausspielen. Gerade das Zusammenspiel zwischen der regionalen und der lokalen Ebene birgt Vorteile für beide Seiten.

2.2 Was können regionale Bioenergie-Initiativen leisten?

Regionale Bioenergie-Initiativen können die oben skizzierten Chancen und Hand-lungsmöglichkeiten der regionalen Ebene zum Ausbau der Bioenergienutzung realisie-ren und damit einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.

Die „weichen Wirkungen“Ob und in welchem Umfang dies gelingt, wird wesentlich durch das Netzwerk der regionalen Bioenergie-Initiative beeinflusst (siehe Kapitel 4). Denn Netzwerke verfügen über das Potenzial

→ zur Mobilisierung, Einbindung und Vernetzung von Akteuren, z. B. entlang regiona-ler Wertschöpfungsketten oder von Anbietern und Nachfragern nach Bioenergie;

→ zum Austausch und Bereitstellung von Informationen und Wissen über die Chancen von Bioenergie, zur Förderung von Akzeptanz und zur Qualifikation von Akteuren;

→ zur Entwicklung und Verbreitung von neuen Lösungen und innovativen Ansätzen zur Bioenergienutzung und zur Reduktion von Unsicherheiten;

→ für die Entwicklung und Umsetzung eines regionalen Leitbildes und Konsens zum Ausbau der Bioenergienutzung.

Regionale Bioenergie-Initiativen können dazu beitragen, vorhandene Blockaden in diesen Bereichen zu beseitigen. Oftmals handelt es sich bei diesen „weichen Faktoren“ wie Wissen, Vernetzung, Akzeptanz und Teilhabe um zentrale Engpässe des weiteren Ausbaus der Bioenergienutzung.

Die „harten Effekte“Gelingt es einer regionalen Bioenergie-Initiative, vorhandene Blockaden und Engpässe zu beseitigen und die Bioenergienutzung in der Region auszubauen, sind damit aber nicht nur „weiche Wirkungen“, sondern auch „harte Effekte“ verbunden. Hierzu zählen die folgenden Bereiche.

Ökonomische Effekte: Regionale Wertschöpfung und Entwicklung ländlicher RäumeMit dem Ausbau der Bioenergienutzung können erhebliche Effekte für die regionale Wertschöpfung, das kommunale Steueraufkommen, die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie die Einkommen in der Region verbunden sein. Die regionalöko-nomischen Effekte fallen besonders hoch aus, wenn:

→ keine bestehenden Nutzungen und Wertschöpfungsketten verdrängt werden, → bislang ungenutzte Potenziale mobilisiert werden, → Vorleistungen und Investitionen von der Region erbracht werden und Löhne,

Gewinne, Kapitalrenditen und Bodenrenten in der Region bleiben.

Vom Ausbau der Bioenergienutzung können insbesondere ländliche Räume einschließ-lich eher strukturschwacher und vom demografischen Wandel betroffene Regionen profitieren. Teilweise gelingt es Regionen sogar, sich als Kompetenzregion überregional zu profilieren und regionale Cluster einer innovativen Bioenergienutzung zu etablieren.

Auch die Kommunen profitieren direkt von der Nutzung der er-neuerbaren Energien

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 12: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

12 Fokus: Bioenergie in Regionen

Ökologische Effekte: Zum Klimaschutz beitragenDie Nutzung von Bioenergie kann einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung und Vermeidung von Treibhausgasen und damit zum Klimaschutz auf der regionalen Ebene leisten. Wie im Kapitel 5.4 ausführlicher dargestellt wird, unterscheiden sich aber die Treibhausgasbilanzen zwischen den verschiedenen Biomassepfaden und den jeweiligen Endprodukten (Strom, Wärme oder Kraftstoff) deutlich voneinan-der. Zudem wird die emissionsmindernde Wirkung von Bioenergie stark durch den Wärmenutzungsgrad der jeweiligen Anlagenkonzepte geprägt. Von zentraler Bedeutung ist daher – auch unter Klimaschutzgesichtspunkten – eine möglichst effiziente Bioenergienutzung. Denn Bioenergie ist, obwohl nachwachsend, eine be-grenzte und knappe Ressource, mit der sparsam gehaushaltet werden muss.

Gleichzeitig können regionale Bioenergie-Initiativen dazu beitragen, dass die An-forderungen des Naturschutzes und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen (Boden, Wasser und Biodiversität) beim Anbau und der Nutzung von Biomasse aus-reichend berücksichtigt werden und Konflikte aufgelöst oder minimiert werden.

Bioenergie und demografischer Wandel – Alterung und Abwanderung bei Investitionen mit berücksichtigen

Auf der einen Seite kann der Ausbau der Bioenergienutzung durch die Schaffung von zu-kunftsfähigen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung ländlicher Räume leisten. Auf der anderen Seite müssen beim Ausbau der Bioenergienutzung auch die Folgen des demografischen Wandels berücksichtigt werden: Mit rückläufigen Be-völkerungszahlen sinkt auch die Nachfrage nach Energie. Langfristig ausgelegte Bioenergie-projekte wie zum Beispiel Nahwärmenetze sind aber auf eine möglichst stabile Nachfrage angewiesen. Um dies zu erreichen ist es wichtig, nicht nur die technischen Voraussetzungen z. B. für Nahwärmenetze zu kennen, sondern auch die Altersstruktur und Perspektiven im zu versorgenden Gebiet.

Weitere Informationen: Download der Studie unter www.bioenergie-regionen.deInstitut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, www.inw-berlin.deBerlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, www.berlin-institut.org

Bioenergie und demografischer Wandel – Arbeitsplätze als Haltefaktor

Im Rahmen einer Studie zum demografischen Wandel und Bioenergie wurde die stabilisie-rende Wirkung des Ausbaus der Bioenergienutzung in ländlichen Räumen untersucht. Von den 25 Bioenergie-Regionen liegen immerhin 8 in ländlichen Räumen, die von Alterungs- und Abwanderungsprozessen besonders betroffen sind. In weiteren 7 Regionen muss in naher Zukunft mit Bevölkerungsrückgängen gerechnet werden. Die Studie kommt zu dem Fazit, dass die Bioenergie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung ländlicher Regionen leisten kann. Ländliche Räume bieten die notwendigen Flächen, um Biomasse, Wind oder die Sonne so zu nutzen, wie es für die zukünftige Energieversorgung notwendig ist. Die Regio-nen sollten daher mit innovativen Ideen die regenerative Energieproduktion vorantreiben, weil es erstens für die Energieversorgung insgesamt von zunehmender Bedeutung ist und zweitens zukunftsfähige Ausbildungs- und Arbeitsplätze vor Ort schafft.

Bioenergie schafft Arbeits-plätze und bietet auch jungen Menschen auf dem Land Zu-kunftsperspektiven, wie hier im Bioenergiedorf Effelter

Foto: FNR/Jan Zappern

Page 13: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 13

Dezentrale Energieversorgung und Teilhabe der regionalen Akteure Mit dem Ausbau der Bioenergienutzung können regionale Bioenergie-Initiativen dazu beitragen, dezentrale Strukturen der Energieversorgung aufzubauen, die Abhängigkeit von Energieimporten abzubauen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen.

Damit verbunden sind Möglichkeiten zur Stärkung der finanziellen Teilhabe der Akteure vor Ort an der Energieversorgung z. B. in Form von Energiegenossenschaften. Dies trägt sowohl zur Akzeptanz der Energiewende als auch zur regionalen Wertschöp-fung bei.

2.3 Was sind zentrale Ziele und Motive regionaler Bioenergie-Initiativen?

Jede regionale Bioenergie-Initiative und jede Region ist anders und unterscheidet sich dementsprechend auch in den jeweils verfolgten Zielen.

Die besondere Bedeutung ökonomischer ZieleÖkonomischen Zielen und Argumenten kommt oftmals eine besondere Bedeutung in den Zielsystemen regionaler Bioenergie-Initiativen zu. Dies hat sich auch im Rahmen des Wettbewerbs „Bioenergie-Regionen“ bestätigt. Woraus ergibt sich diese besondere Bedeutung?

Zum einen sind mit der Nutzung von Bioenergie erhebliche ökonomische Chancen verbunden. Zum anderen gehören, wie die folgende Abbildung verdeutlicht, ökonomi-sche Zielsetzungen wie z. B. die Erhöhung der Wertschöpfung zu den primären Zielen zentraler Akteursgruppen regionaler Bioenergie-Initiativen (Landwirte, Investoren, Politik, Dienstleister).

Primäre Ziele regionaler Akteursgruppen

Quelle: Wiechmann, Thorsten (2008): Planung und Adaption, Strategieentwicklung in Regionen, Organisationen und Netzwerken

Staatliche Verwaltung,Kreis- und Kommunal-verwaltung, Fachämter

Verwaltung

Vollzug, Karriere, Selbsterhalt

EU-, Bundes-, Landes-und Kommunalpolitiker,Parteien

Politik

Wahlerfolg, Macht, Gestaltung

Planer, Consultants,Gutachter, Anwälte,Institute, Architekten

Dienstleister

Aufträge, Wertschöpfung

Betriebe, Kapitalges.,Entwickler, Bauträger,Public Private Partn.

Investoren

Aufträge, Wertschöpfung

Privateigent., Bauern,öff./priv. Gesellschaften

Grundbesitzer

Verwertung, Wertschöpfung

Bürger(initiativen),Anrainer, Unterprivil.,Nichterwerbspersonen

Betroffene

Lebensqualität, individ. Interessen

Journalisten, Herausgeber

Medien

Au�age, Erfolg

Verbände, Kammern,Kirchen, Gewerkschaften,Stiftungen, Forschung

Interessengruppen

Lobbying, Gruppeninteressen

Page 14: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

14 Fokus: Bioenergie in Regionen

1 Bauer-Wolf, Stefan et al. (2008): Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz – Handbuch für Regionalentwicklung

Aber auch in regionalen Bioenergie-Initiativen, in denen nicht ökonomische Ziele, sondern z. B. der Klimaschutz im Vordergrund steht, spielen ökonomische Argumente eine wichtige Rolle. Denn es handelt sich um ein zentrales Vehikel, um bestimmte Ziel-gruppen zu gewinnen, ganz unabhängig davon, wie man diese Fokussierung beurteilt.

Weitere Motive der Beteiligung an einer regionalen Bioenergie-InitiativeNeben der oben beschriebenen Erreichung gemeinsamer Ziele gibt es weitere Motive für Akteure sich an einer regionalen Bioenergie-Initiative zu beteiligen. Hierzu zählt z. B. die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen Akteuren herzustellen, neue Kontakte zu knüpfen, Informationen zu erhalten oder einfach nichts zu verpassen und dabei sein zu wollen.

Auch wenn diese Motive zunächst wenig zielorientiert erscheinen, so sind sie ein kon- stitutives Element eines Netzwerkes, welches u. a. von Kommunikation und Offenheit lebt. Regionale Bioenergie-Initiativen sollten daher gezielt Kommunikationsgelegen-heiten schaffen, bei denen sich potenzielle Interessenten begegnen und austauschen können. Ein Hauptinstrument von Vernetzungsprozessen sind Veranstaltungen. „Veranstaltungen bieten die Gelegenheit, interessanten Menschen zu begegnen, neue Kooperationspartner zu finden, sich mit alten Bekannten wieder zu treffen, Informa-tionen und Sichtweisen auszutauschen und vieles mehr. Die Gestaltung von Veranstal-tungen – von der Konzeption, der Organisation, der Durchführung bis zur Nachberei-tung – kann daher als eine Aufgabe von Netzwerksteuerung verstanden werden.“1

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Page 15: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 15

2.4 Wie bestimmt man die Grenzen einer Region?Wie kann man eine Region abgrenzen? Dies ist eine entscheidende Frage, deren Beant-wortung zwei weitere Aspekte beinhaltet. Zum einen, für welches Gebiet die Analyse der Bioenergie-Potenziale erfolgt. Zum anderen, welche Akteure an der regionalen Bioenergie-Initiative zu beteiligen sind.

Einen Königsweg für die ideale Regionsabgrenzung gibt es nicht, aber die folgenden Gesichtspunkte sollten Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen:

→ Erstens: Region ist das, was sich als Region definiert. Obwohl dies im ersten Moment banal klingt, sind hiermit zwei zentrale Punkte verbunden. Zum einen handelt es sich um eine Entscheidung der jeweils beteiligten Akteure und ihrer damit verbundenen Interessen. Ein Landrat wird sich in der Regel für den Land-kreis als Region stark machen, für eine Bürgerstiftung kann dies aber anders aussehen. Zum anderen muss eine ausreichende Identifikation oder Zugehörigkeit der Akteure mit ihrem Raum vorhanden sein. Für welches Gebiet will ich mich engagieren? Wofür fühle ich mich verantwortlich oder verbunden?

→ Zweitens: Je kleiner die Region, desto höher ist die Identifikation und die Mög-lichkeit die Bürger direkt einzubinden. Je größer die Region, umso größer ist die kritische Masse an Akteuren und Ressourcen beispielsweise zur Mobilisierung von finanziellen Ressourcen für das Management des Netzwerks.

Neben diesen eher grundsätzlichen spielen oftmals auch ganz praktische Erwägungen bei der Regionsabgrenzung eine Rolle, z. B.:

→ entsprechende räumliche Vorgaben in Förderprogrammen wie z. B. LEADER; → bestehende Strukturen und Ansätze, an die angedockt werden soll; → die jeweiligen Inhalte und Wertschöpfungsketten, die bearbeitet werden sollen; → Fragen der Datenverfügbarkeit, die oftmals bei der Berücksichtigung administra-

tiver Grenzen besser gegeben ist.

Die größte politische Durchsetzungsfähigkeit hat man in der Regel, wenn es gelingt, die Landkreise einzubinden.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

LeitfädenFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) (2010): Wege zum Bioenergiedorf – Leitfaden für eine eigenständige Wärme- und Stromversorgung auf Basis von Biomasse im ländlichen Raum – www.fnr.de

Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien (2010): Kompass für die Entwicklung nach-haltiger 100 %-Erneuerbare-Energie-Regionen – www.deenet.org

Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien (2007): Leitfaden Sieben Schritte auf dem Weg zur klimaneutralen Kommune – www.deenet.org

Neges, Birgit (2007): Energieregionen der Zukunft – Erfolgreich vernetzen & entwickeln – www.eco.at

Tischer, Dr. Martin et al. (2009): Auf dem Weg zur 100 % Region – Handbuch für eine nachhaltige Energieversorgung von Regionen

Internetseiten→ www.kommunal-erneuerbar.de → www.100re.net → www.energiesystemederzukunft.at→ mechanisms.energychange.info/

de/home

Page 16: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

16 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

3 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Welche naturräumlichen Rahmenbedingungen gibt es in Regionen? Wie leiten sich daraus Biomassepotenziale ab? Wie können diese effizient genutzt werden und wie profitieren möglichst viele davon? Dies sind nur einige der Fragen, die in diesem Ab-schnitt behandelt werden sollen.

Ziel ist es, die Annäherung an das Handlungsfeld der regionalen Bioenergienutzung zu erleichtern und Nutzungsoptionen aufzuzeigen, die auf die jeweiligen regionalen Aus-gangsbedingungen angepasst sind. Um dies möglichst anschaulich zu gestalten, finden Sie zahlreiche Praxisbeispiele aus unterschiedlichen Bioenergie-Regionen. Hierbei werden auch Projekte vorgestellt, die zur Optimierung bestehender Anlagen beitragen, sodass auch Regionen mit bereits etablierten Bioenergieprojekten von diesem Wissen profitieren können.

Zunächst wird ein Überblick über Angebot und Nachfrage nach Biomasse bzw. der daraus erzeugten Bioenergie gegeben. Auch soll es darum gehen, wie beide Größen in einer Region ermittelt werden können. Danach werden zwei Bioenergie-Regionen exemplarisch vorgestellt, die aufgrund ihrer naturräumlichen Voraussetzungen unter-schiedliche Themen bearbeiten. Die eine Region realisiert verstärkt Projekte im Bereich der Agrarwirtschaft, die andere im Forstbereich. Dabei wird verdeutlicht, worauf es ankommt, wenn man neue Projektideen finden möchte, und wie verschiedene Stufen einer Nutzungskette ineinandergreifen und sich ergänzen können.

Da in jeder Region unterschiedliche Ausgangssituationen auch verschiedenste Nutzungs- optionen ermöglichen, werden im dritten Teil dieses Abschnitts konkrete Projekte auf allen Stufen der Wertschöpfungsketten Holz/Festbrennstoffe sowie Biogas vorgestellt.

Die Auswahl der Projekte erfolgte durch die Autoren und vor dem Hintergrund, Erfolgsbeispiele aufzuzeigen, die entweder weit verbreitet und daher repräsentativ für die jeweilige Wertschöpfungsstufe sind oder einen hohen Neuigkeitswert bieten. Es sei daher an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es viele weitere erfolgreiche Projekte in den Bioenergie-Regionen gibt, die jedoch aus Platzgründen keinen Eingang in diese Zusammenstellung finden konnten.

3.1 Bioenergie: Angebot und NachfrageIn den letzten Jahren konnte ein stetiger Zubau an Bioenergieanlagen verzeichnet werden – eine Entwicklung, die insbesondere auf die günstigen Rahmenbedingungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurückzuführen ist. Doch wie sehen Angebot und Nachfrage nach Bioenergie in Ihrer Region nun konkret aus? Zugegeben, keine ganz leichte und vor allem nicht pauschal zu beantwortende Frage. Daher soll in den folgenden Abschnitten dargestellt werden, wie man vorgehen kann, um Biomasse- potenziale zu ermitteln und einen Überblick über die Nachfrage nach Biomasse zu bekommen.

Page 17: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 17

3.1.1 BiomassepotenzialeBevor man festlegt, wo man hin möchte, muss man wissen, wo man steht. So oder so ähnlich könnte man den Beginn eines jeden Projektes zur regionalen Entwicklung beschreiben. Die Analyse der Ausgangssituation stand auch in vielen Bioenergie-Re-gionen am Beginn ihrer Tätigkeiten im Mittelpunkt. Hierbei spielte insbesondere die Bestimmung der Biomassepotenziale eine wichtige Rolle.

Eine solche Analyse bedeutet nicht nur eine Inventarisierung der vorhandenen Bio-masse, sondern kann gleichzeitig auch zur Abschätzung der nutzbaren und bislang noch nicht genutzten regionalen Potenziale dienen. Die zu betrachtenden Biomasse-fraktionen und die inhaltliche sowie räumliche Tiefe der Analyse variiert dabei je nach Anforderung durchaus stark. In der Regel handelt es sich um komplexe Analysen, die oft von externen Büros oder wissenschaftlichen Einrichtungen durchgeführt werden. Auf diesem Wege kann man die regionale Ausgangssituation objektiv einschätzen und mögliche Nutzungskonkurrenzen identifizieren. Dies hilft Ihnen zum einen dabei, potenzielle Konflikte innerhalb der Region zu vermeiden, indem Sie die betroffenen Akteure frühzeitig an einem Dialog beteiligen. Zum anderen liefert Ihnen eine Poten-zialberechnung schlagkräftige Argumente, etwa um die nötige Substratbereitstellung einer neu geplanten Biogasanlage abschätzen zu können oder Naturschutz und Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zu vereinen (siehe auch Kapitel 4.2).

Biomassepotenziale enthalten verschiedene Bestimmungsgrößen, die es zu berücksichtigen gilt

Quelle: Eigene Zusammenstellung Grundlage: Thrän, Daniela; Adler, Philipp u. a. (2012): Methodenhandbuch – Stoff-stromorientierte Bilanzierung der Klimagaseffekte, Schriftenreihe des BMU-Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“, Band 4, Version 3, 2. Auflage, Leipzig

TheoretischesPotenzial

TechnischesPotenzial

WirtschaftlichesPotenzial

ErschließbaresPotenzial

+ richtiges handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.): Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Planung & PlanungProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital£nanzierung

Biomassefraktion Potenzialart Potenzialbegriff Räumliche Ebene

Landwirtschaft-liche Biomasse

Forstwirtschaft-liche Biomasse

Rest- undAbfallstoffe

Flächen-potenzial

Rohstoff-potenzial

Brennstoff-potenzial

Bioenergie-potenzial

Global

National

Regional

Lokal

Welche Sorten von Biomasse gibt es?Grundlegend unterscheidet man die bei einer Potenzialermittlung zu untersuchenden Biomassefraktionen nach landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Biomasse so-wie nach Rest- und Abfallstoffen. Unter Biomasse aus dem Bereich der Landwirtschaft fallen unter anderem Energiepflanzen wie Mais oder Raps sowie Gräser aus der Be-wirtschaftung von Grünland. Auch die Anlage von Kurzumtriebsplantagen (KUP) wird dem landwirtschaftlichem Sektor zugerechnet. Forstwirtschaftliche Biomasse gliedert sich in Waldholz, Schwachholz und Waldrestholz. Rest- und Abfallstoffe fallen sowohl in der Land- und Forstwirtschaft (Stroh, Gülle, Industrie- und Sägerestholz) als auch im Bereich menschlicher Siedlungen (Bioabfalltonne) an.

Page 18: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

18 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Welche Arten von Potenzialen lassen sich bestimmen?Neben der Betrachtung unterschiedlicher Biomassefraktionen kann die Potenzial-berechnung auf verschiedenen Ebenen, sogenannten Potenzialarten, stattfinden. Die Ausweisung eines Flächenpotenzials gibt Auskunft über die für den Biomasseanbau zur Verfügung stehenden Flächen; das Rohstoffpotenzial benennt die möglichen Er-träge auf dieser Fläche. Da die unterschiedlichen pflanzlichen Rohstoffe verschiedene Charakteristika bei der Weiterverarbeitung und energetischen Umwandlung aufweisen und zudem über verschiedene Konversionspfade genutzt werden können, ist auch die Berechnung eines Brennstoffpotenzials möglich. Dieses gibt den Energiegehalt der Bioenergieträger (meist basierend auf dem unteren Heizwert) an. Unter weiterer Berücksichtigung der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten (Strom, Wärme, Kraftstoffe) kann dann ein Biomassepotenzial ausgewiesen werden.2

Welche Einflussfaktoren spielen bei den unterschiedlichen Potenzialen eine Rolle?Bei der Ausweisung von Biomassepotenzialen sind zudem weitere Randbedingungen und Wechselwirkungen zu berücksichtigen.

Man unterscheidet daher mindestens vier Potenzialbegriffe: Unter dem theoreti-schen Potenzial versteht man das theoretisch physikalisch nutzbare Energieangebot in einer abgegrenzten Region innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Diese insgesamt verfügbare Pflanzenmasse kann jedoch nur zu einem geringen Teil erschlossen werden. Das technische Potenzial beschreibt daher den Teil des theoretischen Potenzials, der unter Berücksichtigung der gegebenen technischen Einschränkungen (z. B. Bergungs-rate, Konversionsverluste) nutzbar ist. Auch werden hier vorhandene strukturelle und ökologische Begrenzungen sowie gesetzliche Vorgaben berücksichtigt (Naturschutzge-biete, Berücksichtigung der Nahrungsmittelproduktion und der stofflichen Nutzung). Werden zusätzlich die ökonomischen Rahmenbedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort betrachtet, so lässt sich aus dem technischen das wirtschaftliche Potenzial ermitteln. Den tatsächlichen Beitrag zur Energieversorgung beschreibt schlussendlich das erschließbare Potenzial, bei dessen Bestimmung gesell-schaftspolitische und weitere Rahmenbedingungen Berücksichtigung finden. So wird zum Beispiel ein wirtschaftliches Potenzial erst dann erschließbar, wenn sich Akteure aus der Wirtschaft zusammenfinden und von allen Betroffenen auch entsprechende Daten zur Verfügung gestellt werden.3

In Studien ist häufig das technische Potenzial ausgewiesen. Es ist – etwa im Unter-schied zum wirtschaftlichen Potenzial – deutlich geringeren zeitlichen Schwankungen unterworfen.

Insgesamt gibt es keine einheitliche Methodik zur Ermittlung von Biomassepotenzialen. Das Vorgehen ist dabei neben den bereits erwähnten unterschiedlichen Betrachtungs-weisen von Potenzialen auch von der gewählten räumlichen Ebene abhängig und muss für jede Region bzw. Fragestellung angepasst werden. Daher ist es umso wichtiger, die gewählte Methodik transparent und nachvollziehbar darzustellen.

Vorgehensweise bei der Ermittlung von PotenzialenWenn Sie die Biomassepotenziale in Ihrer Region ermitteln lassen wollen, sollten Sie zunächst überlegen, ob eine umfassende Ermittlung der (technischen) Potenziale aller

Forstwirtschaftliche Biomasse gliedert sich in Waldholz, Schwachholz und Waldrestholz

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

2 Vgl. Thrän, Daniela; Adler, Philipp u. a. (2012): Methodenhandbuch – Stoffstromorientierte Bilanzierung der Klimagaseffekte, Schriftenreihe des BMU-Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“; Band 4, Version 3., 2. Auflage, Leipzig

3 Vgl. Kaltschmitt, Martin; Hartmann, Hans u. a. (Hrsg.) (2009): Energie aus Biomasse: Grundlagen, Techniken und Verfahren; 2., neu bearb. und erw. Auflage, Berlin, Heidelberg u. a. ...

Bioenergie-Region Achental am Rande der Alpen: Bei der Ermitt-lung von Biomasse potenzialen müssen regionale Gegebenheiten und Bedürfnisse berücksichtigt werden

Foto: Bioenergie-Region Achental

Page 19: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 19

Nutzungskonkurrenzen muss man berücksichtigen!

Wenn Sie eine Potenzialanalyse durchführen wollen, sollte Ihnen bewusst sein, dass es stets verschiedene Nutzungsinteressen für diese Biomassen geben kann. Dabei spielt nicht nur die Frage nach der Flächenverfügbarkeit eine Rolle, sondern auch, was auf den Flächen angebaut wird und wofür die Anbauprodukte letztlich verwendet werden. Eine Abwägung verschiedener Raumansprüche ist dabei immer erforderlich: Einer landwirtschaftlichen Nutzung stehen gene-rell andere Nutzungsformen gegenüber. Bei agrarischer Verwendung kann eine Fläche für den Anbau von Nahrungs- bzw. Futtermitteln oder eben für eine energetische Verwendung genutzt werden. Letztere kann wiederum der Erzeugung von Strom, Wärme oder Kraftstoffen dienen.

Bei der Ermittlung von Biomassepotenzialen sollten Sie daher sicherstellen, dass die regionalen Gegebenheiten und Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Beim Potenzialbegriff wird deutlich, wie vorliegende Restriktionen das theoretische Potenzial letztlich auf das tat-sächlich erschließbare Potenzial vermindern. Bei letztgenanntem sind verschiedene Nutzungs-konkurrenzen wie z. B. die Bereitstellung von Einstreu für die Tierhaltung bereits berücksichtigt.

Neben der aktiven Flächennutzung gilt es auch, Naturschutzbelange und Ökosystemfunktionen zu beachten, bzw. Flächen dafür bereit zu stellen. Auch sollten die Bewirtschaftungskonzepte nach-haltig angelegt sein, d. h. Nutzungsansprüche zukünftiger Generationen berücksichtigt werden.

Objektivität sollte letztlich zu realistischen Ergebnissen führen. Bei der Analyse der Nutzungskon-kurrenzen ist dann eine grafische und anschauliche Darstellung der Potenziale wichtig, damit die Ergebnisse gut kommuniziert werden können. Durch die Berücksichtigung von Nutzungskonkur-renzen können Sie verhindern, dass eine Konkurrenz zum Konflikt wird (siehe auch Kapitel 4.2).

Biomassefraktionen in der Gesamtregion gewünscht ist, oder ob zunächst bestimm-te Biomassen oder Teilräume isoliert betrachtet werden sollen. In den 25 Bioenergie- Regionen gibt es zahlreiche Beispiele für beide Vorgehensweisen. Für eine umfassende Berechnung spricht, dass auf diesem Wege eine gründliche „Bestandserfassung“ erfolgen kann, auf deren Grundlage und unter Abwägung möglicher Alternativen und Nutzungs-konkurrenzen langfristige Strategien und Maßnahmen entwickelt werden können. Steht die (schnelle) Realisierung erster Projekterfolge im Mittelpunkt, so bietet sich auch eine gestufte, projektorientierte Vorgehensweise an: Um beispielsweise die Möglichkeit der Strom- und Wärmeversorgung einer Ortschaft über eine Biogasanlage einzuschätzen, empfiehlt sich eine Potenzialanalyse landwirtschaftlicher Biomasse und Reststoffe, die im Umkreis der betrachteten Ortschaft zur Verfügung stünden. Dies würde unter der Betrachtung konkurrierender Nutzungen, also durch die Ausweisung des technischen Potenzials, erfolgen. In einem weiteren Schritt kann der Fokus auch auf die Wirtschaft-lichkeit der Bereitstellung dieser Biomasse zu einem bestimmten Zeitpunkt (wirtschaft-liches Potenzial) gerichtet werden.

Insgesamt haben 17 der 25 Bioenergie-Regionen Potenzialanalysen durchgeführt. Hier wurden insbesondere Analysen für die Fraktionen Holz, Reststoffe, Grünland und Landschaftspflegeholz angestellt. Vereinzelt wurden auch umfassende gesamtregionale Betrachtungen durchgeführt.

Eine frühzeitige und intensive Auseinandersetzung mit den Anwendungsmöglich-keiten einer solchen Studie hilft dabei, bei der Auftragsvergabe konkrete Leistungen zu formulieren, die bei der späteren Arbeit mit der Studie hilfreich sein werden. So kön-nen Sie auf Grundlage einer guten Potenzialstudie nicht nur Entscheidungen über eine geeignete und konfliktarme Landnutzung treffen, sondern auch die wirtschaftlichen Effekte potenzieller Projekte abschätzen.

Page 20: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

20 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

ERFAHRUNGSBERICHT

Potenzialanalyse Mecklenburgische Seenplatte

Die Ermittlung der regionalen Bioenergiepotenziale der Bioenergie-Region Mecklenburgische Seenplatte hat die FH Eberswalde durchgeführt. Ziel der Studie war es, die Bioenergiepotenziale zu visualisieren und regional auszudifferenzieren. Dafür hat man die naturräumlichen Gegeben-heiten und die Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Nutzungssysteme einbezogen. Dies war notwendig, da diese Region in einem besonderen Spannungsfeld zwischen Landnutzung, Tourismus und Naturschutz steht.

Die Bearbeiter haben das technische Potenzial für Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft sowie aus Landschaftspflegematerial auf Ebene der Gemeinden ausgewiesen. Die Ergebnisse wurden daraufhin in verschiedenen Szenarien unter Angabe von Minimal-, Maximal- und Mit-telwerten dargestellt. Eines der Ergebnisse war zum Beispiel, dass allein Biogas den Strombe-darf von mindestens 14 % bis maximal 44 % der Haushalte der Region decken könnte.

3.1.2 Nachfrage nach BioenergieDie Nachfrage nach Biomasse geht von den Bioenergie-Anlagen aus, welche wiederum die Nachfrage nach Energie bedienen. Die vorhandene Biomasse wird hier eingesetzt und in Bioenergie umgewandelt. Je nach Anlage entsteht dabei Strom, Wärme oder Kraftstoff als energetisches Endprodukt.

Der produzierte Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist und dort verteilt. Eine regionale „Selbstversorgung“ mit Strom ist daher zwar rechnerisch möglich (Gegen-überstellung produzierter und verbrauchter Strom), findet physisch jedoch nicht statt. Einspeisung und Abnahme regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Aufgrund der Anforderungen an die Netzstabilität und durch Neuregelungen im EEG ist hier zukünftig von einer flexibleren Stromeinspeisung auszugehen. Dadurch passt man das Angebot stärker an die Stromnachfrage an.

Die Ausrichtung von Anlagen nach der lokalen Abnahme der erzeugten Wärme stellt hingegen eine wesentlich komplexere Aufgabe für Anlagenbetreiber und Planer dar. Heizwerke richten sich in Bezug auf Leistung und Standort nach der tatsächlichen Wärmenachfrage in ihrer Umgebung – sie werden am Ort des Bedarfs errichtet. Neben diesen Anlagen, die ausschließlich für die Wärmebereitstellung errichtet werden, gibt es aber auch solche, bei denen im Zuge der Stromproduktion ebenfalls Wärme entsteht (Biogasanlagen, Heizkraftwerke).

Page 21: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 21

Nachfrage

Angebot

Nachfrage

Angebot

Bioenergie-anlage

Heizwerk

Biogasanlage

Heizkraftwerk

Pflanzenölmühle

→ Strom/Wärme/Biogas

→ Wärme

→ Strom/Wärme

→ Kraftstoff

Biomasse Bioenergie

Strom: → StromnetzeinspeisungWärme: → Prozessdampf/Heißwasser → Vor-Ort-Nutzung → Trocknung → Wärmenetz u. a.Kraftstoff: → Vor-Ort-Nutzung → Tankstellen

Überblick über die Nachfrage-strukturen von Bioenergie

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Auf Grundlage der Potenzialstudie hat das Team der Bioenergie-Region allgemeine Handlungs-richtlinien zum Ausbau der Bioenergie unter Beteiligung verschiedenster regionaler Akteure erarbeitet. Gleichzeitig nutzte man die Möglichkeit, die Ergebnisse öffentlich zu präsentieren, um auf diese Weise zum einen die Informationen für das gesamte regionale Netzwerk bereit-zustellen und zum anderen weitere Mitstreiter und Projektpartner zu finden. Auf diesem Wege soll eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung der Projekte ermöglicht werden.

Nun soll aufbauend auf der Studie ein regionales Energiekonzept für die Planungsregion Meck-lenburgische Seenplatte erstellt werden, wobei neben der Bioenergie auch andere erneuerbare Energien betrachtet werden. Weiterhin will man die vorhandenen Produzenten und Abnehmer von Bioenergie in der Region zusammen bringen, wofür ergänzende wirtschaftliche und praxis-relevante Betrachtungen über den Rahmen der Potenzialstudie hinaus geplant sind.

Szenarien der Biomassepoten-zialanalyse in der Bioenergie- Region Mecklenburgische Seenplatte: Biomasse aus der Landwirtschaft (Biogas aus Silagen und Gülle, Grünland-potenzial), der Forstwirtschaft (Waldenergieholzpotenzial im Landeswald) und der Land-schaftspflege (Holzartige Biomasse) (zusammengestellt durch S. Brozio, HNE Eberswalde 21.08.2012)4 Durch die genaue Verortung der verschiedenen Potenziale können regionale Schwerpunkte bei der Biomasse-bereitstellung herausgearbeitet werden. Das „Übereinanderlegen“ der verschiedenen Karten ermöglicht zudem eine Abwägung verschiedener Nutzungen für einen Standort.

KONTAKT

André Schulze, Bioenergie-Region Mecklenburgische Seenplatte [email protected] www.seenplatte-bioenergie.de

4 Quelle: Piorr, Hans-Peter; Brozio, Sybille u. a. (2010): Potenzialbestimmung Bioenergie in der Bioenergieregion Mecklenburgische Seenplatte – KURZFASSUNG erarbeitet für: ARGE Initiative Bioenergieregion Mecklenbur-gische Seenplatte GbR mit finanzieller Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde (FH), Eberswalde

Heizwerk

Biogasanlage

Heizkraftwerk

P�anzenölmühle

→ Strom/Wärme/Biogas

→ Wärme

→ Strom/Wärme

→ Kraftstoff

Verschiedene Konversionsan- lagen erzeugen unterschiedliche Energieformen und -träger

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Page 22: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

22 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Biogasanlagen wurden zum Beispiel in den vergangenen Jahren oftmals ohne ein inte-griertes Wärmenutzungskonzept gebaut. Unter der Maßgabe einer effizienten Ressour-cen- und Energienutzung sollte die anfallende Wärme jedoch möglichst vollständig genutzt werden. Hierzu wurden in vielen Bioenergie-Regionen Studien und Konzepte erstellt und nach Möglichkeiten der besseren Wärmenutzung gesucht.

Es empfiehlt sich, die Frage nach einer effizienten Wärmenutzung frühzeitig zu stellen und sie mit den Akteuren vor Ort (Anlagenbetreiber, Anwohner, Gewerbetreibende, öffentliche Verwaltung) zu diskutieren.

ERFAHRUNGSBERICHT

Erfassungsstudie Biogasanlagen – ein neues Planungsinstrument für die Bioenergie-Region Eifel

In der Bioenergie-Region Eifel gab es zahlreiche Biogasanlagen, die aufgrund zunehmender Nutzungskonkurrenzen, damit verbundener steigender Substratpreise und teils unzureichender Wärmenutzungskonzepte an den Rand ihrer Wirtschaftlichkeit gedrängt wurden. Um für die verschiedenen Anlagen mögliche Wärmenutzungsoptionen und damit neue Einkommensquel-len zu identifizieren, hat die Bioenergie-Region eine Studie beauftragt. Diese erfasste zunächst alle vorhandenen Biogasanlagen mit dem Grad der Wärmenutzung. In einem zweiten Schritt

WEITERFÜHRENDE LITERATUR ZUM THEMA BIOMASSEPOTENZIALE

Thrän, D. et al. (2012): Methoden-handbuch – Stoffstromorientierte Bilanzierung der Klimagaseffekte, Schriftenreihe des BMU-Förder-programms „Energetische Bio-massenutzung“, Band 4, Version 3, 2. Auflage, Leipzig, DBFZ verfügbar unter: www.energe tische-biomassenutzung.de (insbesondere Abschnitt 4: Methodik zur Ermittlung von Biomassepotenzialen)

Kaltschmitt, M.; Hartmann, H.; Hofbauer, H. (Hrsg.) (2009): Energie aus Biomasse: Grundlagen, Techniken und Verfahren, 2., neu bearb. und erw. Auflage Berlin, Heidelberg u. a.

Beispielhafte GIS-Abfrage: Potenzielle Wärmesenken mit gewerblichem Hintergrund im Umkreis einer Biogasanlage

Quelle: Schillig, F.; Weddig, J. u. a. (2012): Endbericht: Biogasanlagen- erfassungsstudie Eifel – KWA EVIVA GmbH, Köln (S. 15)

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 23: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 23

KONTAKT

Frank SchilligKWA EVIVA [email protected]

wurden potenzielle Wärmesenken mit ihrem möglichen Wärmebedarf in der Region analysiert. Solche können unter anderem sein:

→ Beheizung von Wohngebäuden, Schulen, Schwimmbädern etc., → Wärmeversorgung über Nahwärmenetze oder Mikrogasnetze, → Kälteerzeugung, → Trocknungsprozesse, → Prozesswärme, -dampf, z. B. für Frucht- und Gemüsesaftherstellung, Milchveredlung.

Auch mögliche Einspeisepunkte in das Erdgasnetz wurden erfasst.

Das bearbeitende Ingenieurbüro hat anschließend alle Informationen in einem Geoinforma-tionssystem (GIS) aufbereitet. Nun kann man in Abhängigkeit von Anlagengröße, verfügbarer Wärme und Wärmesenken in wirtschaftlich erreichbarer Entfernung mögliche Überschneidun-gen von Angebot und Nachfrage ermitteln. Im Ergebnis zeigt sich, dass bei mindestens 35 der 77 Biogasanlagen eine wirtschaftlich tragfähige Möglichkeit zur effektiveren Wärmenutzung besteht.

Durch die verortete Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in einem GIS können so die Grundsteine für Gespräche und Projektideen in einer Region gelegt werden.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR ZUM THEMA NACHFRAGE

Bremer Energie Institut (Hrsg.) (2007): Leitfaden: Verwertung von Wärmeüberschüssen bei landwirt-schaftlichen Biogasanlagen, Bremen verfügbar unter: www.nachwachsenderohstoffe.de Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2008): Leitfaden zur Abwär-menutzung in Kommunen, Augsburg verfügbar unter: www.lfu.bayern.de

5 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2012): Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2011 – Grafiken und Tabellen, Berlin verfügbar unter: www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ee_in_deutschland_graf_tab.pdf (20.08.2012)

Neben den genannten Konversionsanlagen tragen insbesondere kleine Hausfeuerungs-anlagen zur Wärmebereitstellung durch Biomasse bei. Im Jahr 2011 hatten diese einen Anteil von knapp 45 % an der gesamten Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien.5 Zur Deckung der nicht unerheblichen Nachfrage durch die privaten Haushalte – etwa nach Scheitholz oder Holzpellets – bedarf es regionaler Versorgungsstrukturen, z. B. in Form eines Biomassehofes. Die Bioenergie-Initiative kann, soweit Nachfrage und An-gebot abschätzbar sind, eventuelle Versorgungslücken aufzeigen und die Schaffung von regionalen Versorgungsstrukturen unterstützen beziehungsweise für die Umstellung auf Bioenergie werben. Vor diesem Hintergrund hilft die Initiative dabei, entweder Angebot bzw. Nachfrage zu stimulieren oder beide Seiten aktiv zusammenzuführen.

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 24: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

24 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

3.2 Biomassenutzung in den Sektoren Land- und Forstwirtschaft

3.2.1 Naturräumliche Voraussetzungen der BioenergienutzungInnerhalb Deutschlands sind sowohl die Potenziale zur Bioenergieerzeugung als auch die Nachfrage nach Bioenergie unterschiedlich verteilt. Während die Nachfrage maß-geblich von den jeweiligen Verbrauchsstrukturen und dem Preis abhängt, bilden die naturräumlichen Voraussetzungen und die darauf angepasste Landnutzung den Rah-men zum Anbau von Biomasse. Hier unterscheiden sich beispielsweise die fruchtbaren Löss- und Aueböden von flachgründigen oder niederschlagsarmen Standorten. Dort, wo das Relief oder die Bodenbedingungen die Landwirtschaft erschweren, überwiegt dagegen die forstwirtschaftliche Nutzung. In der Folge bieten sich überall in Deutsch-land je nach den jeweiligen landschaftlichen Gegebenheiten vielseitige Möglichkeiten zur Bioenergieproduktion.

Die 25 Bioenergie-Regionen bilden alle naturräumlichen Großregionen Deutschlands von der Nord- und Ostsee bis in den Alpenraum ab. Die nachfolgende Abbildung ver-deutlicht die Bandbreite an landschaftlichen Voraussetzungen, die in den Regionen zu ganz individuellen Strategien führen.

Das Verhältnis von landwirt-schaftlich zu forstwirtschaftlich genutzten Flächen in den 25 Bio-energie-Regionen, die Kenntnis über das Flächenangebot ist die Grundlage für die Schwerpunkt-setzung der Bioenergie-Initiative

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Ach

enta

l

Altm

ark

Bayr

euth

Bode

nsee

Coch

em-Z

ell

Eife

l

Her

s.-R

oten

b.Sc

hw.-

Eder

Hoh

enl.-

Ode

nw.-T

aube

r

Höx

ter

Jena

-Saa

le-H

olzl

and

Ludw

igsf

elde

Mär

kisc

h-O

derla

nd

Mec

klen

b. S

eenp

latt

e

Mitt

elhe

ssen

Nor

dfrie

slan

d N

ord

Obe

rber

g Rh

ein-

Erft

Obe

rland

Rüge

n

Säch

. Sch

wei

z-O

ster

zgeb

.

St. M

icha

elis

donn

Stra

ubin

g-Bo

gen

Südo

lden

burg

Thür

inge

r Vog

tland

Wen

dlan

d-El

btal

aue

Wes

erbe

rgla

nd P

lus

Landwirtschaftliche Flächen Wald und Forst

Nachfrage

Angaben in Prozent

Biomasse aus der Landwirtschaft

Foto: FNR/Jan Zappner

Mit dem variierenden Anteil der Forst- bzw. Landwirtschaft an der Flächennutzung verschieben sich folglich auch die möglichen Handlungsschwerpunkte für die regiona-le Bioenergie-Initiative. Die Bioenergie-Regionen entwickelten auf Basis ihrer spezi-fischen und teils sehr unterschiedlichen räumlichen Ausgangsbedingungen angepasste Konzepte, welche Biomassen wie genutzt werden sollen. Die Ansätze reichen dabei von der etablierten Nutzung von Holz und Energiepflanzen über die Inwertsetzung von Rest- und Abfallstoffen bis hin zur Erschließung völlig neuer Biomassen wie Land-schaftspflegeheu, Kurzumtriebsplantagen oder Maisersatzpflanzen.

Selbstverständlich ist es nicht möglich, in allen Regionen die gleichen Technologie-pfade zu etablieren oder identische Wertschöpfungsketten aufzubauen. Fakt ist aber, dass überall in Deutschland Bioenergiepotenziale bestehen und diese schon jetzt rege genutzt werden.

Page 25: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 25

Bei der Auswahl der Projekte kommt es neben der natürlichen Ressourcenausstattung auch auf die regionale Bioenergie-Initiative selbst und die schon vorhandenen An-sätze zur Bioenergienutzung an. Die Erfolgsfaktoren der Projektumsetzung werden in Kapitel 4 behandelt.

Damit man sich vorstellen kann, wie eine regionale Strategie auf den naturräumlichen Voraussetzungen aufbaut, werden im Folgenden zwei Regionen vorgestellt, die jeweils einen deutlichen Schwerpunkt im Sektor Land- oder Forstwirtschaft haben. Eine sol-che Darstellung bietet zunächst eine erste Übersicht für eine Bioenergie-Initiative, die am Anfang der Bioenergienutzung steht. Sie kann sich an einer Region mit ähnlichen Ausgangsbedingungen orientieren. Aber auch fortgeschrittene Akteure können von den Erfahrungen profitieren und strategische Ansätze, Ideen oder vorbildliche Projekte auf die eigene Region übertragen.

3.2.2 Beispiel einer regionalen Strategie im Bereich LandwirtschaftRegion Nordfriesland Nord als „Erneuerbare-Energien-Region Nr. 1“ in Schleswig-HolsteinNeben ihrer Bedeutung als Windenergieregion stellt Nordfriesland Nord eine Bioener-gie-Region mit flächendeckend guten Ausgangsbedingungen zur Bioenergienutzung im Sektor Landwirtschaft dar. Sie ist insgesamt waldarm und 80 % der Fläche eignen sich als landwirtschaftliche Nutzfläche vor allem für hochwertigen Weizen, Zucker-rüben, Futter- bzw. Energiemais und für Grünweiden (in Deutschland sind im Durch-schnitt ca. 47 % der Fläche landwirtschaftlich genutzt). Außerdem befinden sich hier die mitunter höchsten Viehdichten des Landes Schleswig-Holstein.

Zu Beginn der Förderung waren schon 21 Biogasanlagen mit einer installierten elektri-schen Leistung von ca. 10 MW am Netz. Durch langjährige Erfahrungen besteht in der Region ein hohes, oft vor Ort erworbenes praktisches Wissen in Sachen Biogastechno-logie. Allerdings wird die Wärme aus Biogas-BHKWs in vielen Fällen nicht oder nur im eigenen Betrieb genutzt. Neben der Biogastechnik existierten seit 2008 zudem drei größere Holzhackschnitzelheizwerke, die jedoch ihren Brennstoffbedarf überwiegend mit Holz aus Niedersachsen deckten.

StrategienVor dem Hintergrund des raschen und vielfach unkoordinierten Wachstums der energetischen Biomassenutzung entstehen in der Region mittlerweile Konkurrenzen in der Landwirtschaft und Akzeptanzprobleme bei der Bevölkerung. Deswegen will die Bioenergie-Region vor allem durch den Ausbau von Wärmenetzen, der energetischen Nutzung von Rest- und Abfallstoffen und der Erschließung neuer Märkte die regionale Wertschöpfung erhöhen.

Die für den Futterpflanzenanbau prädestinierten Teile der Region haben eine hohe Viehdichte und schon viele Biogasanlagen installiert. Eines der Ziele der Region ist es daher, für diese Teile optimierte Landnutzungskonzepte umzusetzen und damit die Biogaserzeugung ökologisch nachhaltiger zu gestalten.

Technische UmsetzungParallel zum Fachkonzept erarbeitet die AG Biomassenutzung, welche aus Bioenergiean-lagenbetreibern und kommunalen Vertretern zusammengesetzt ist, Projektvorschläge zur Effizienzsteigerung von bestehenden Bioenergieanlagen. Diese werden je nach Mach-barkeit anschließend in die Umsetzung gebracht. Die Bioenergie-Region berät dafür Bio-gasanlagenbetreiber und bürgereigene Wärmenetzgesellschaften konkret und informiert allgemein im Rahmen von Bürgerversammlungen über die Vorteile der Bioenergie. Durch diese breite Verzahnung sowie die Zusammenarbeit mit einem regional ansässigen

Biomasse aus der Forstwirtschaft

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Page 26: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

26 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Ingenieur konnten so geplante Wärmenutzungsprojekte zielgerichtet angegangen wer-den. In der Folge schreitet der Bau und Ausbau von Wärmenetzen zügig voran. Neuan-lagen werden inzwischen grundsätzlich mit integrierten Energiekonzepten geplant.

Ein solches integriertes Energiekonzept wurde zum Beispiel in Dörpum, einem der größten Orte der Bioenergie-Region, umgesetzt. Im Herbst 2009 erfolgte der Ausbau des Wärmenetzes mit einer Investitionssumme von ca. 2 Mio. €. Seither versorgen die örtlichen Stadtwerke gemeinsam mit den Betreibern der Biogasanlage einen Teil der 9.300 Einwohner mit Nahwärme. Insgesamt vier Blockheizkraftwerke (BHKW) mit einer elektrischen Gesamtleistung von 1 MW stellen darüber hinaus den Wärmebedarf für öffentliche Gebäude wie Schulen, das Schwimmbad, das Rathaus und weitere Be-hörden bereit.

Mit diesem Konzept bieten die Stadtwerke ihren Kunden umweltfreundliche Nahwärme aus regionalen Quellen an. Dafür wurden drei der vier BHKW als externe Satelliten- BHKWs installiert, damit nur möglichst kurze Wärmeleitungen verlegt werden müssen. Allein diese drei Anlagen erzeugen neben dem ins Netz eingespeisten Strom rund 5 Mio. Kilowattstunden Wärme pro Jahr. Dadurch werden CO2-Emissionen vermieden, die ansonsten bei der Verbrennung von über 500.000 Litern Heizöl entstanden wären.

Ein weiterer Handlungsansatz besteht bei dem Betrieb landwirtschaftlicher Biogas-anlagen. In Nordfriesland Nord kommt es in Folge von Netzüberlastungen häufig zu Abschaltungen von Anlagen erneuerbarer Energien. Daher werden nun auch Speicher-möglichkeiten für Biogas wie beispielsweise die Einspeisung des aufbereiteten Gases ins Erdgasnetz entwickelt, um diese Schwankungen abzupuffern.

Für die ökologisch verträgliche Produktion holzartiger Biomasse in der vergleichsweise waldarmen Region werden zusätzlich Kurzumtriebsplantagen auf landwirtschaftlichen Flächen in Betracht gezogen. Bereits 60 ha KUP bestehen aktuell in der Bioenergie-Re-gion. Durch die weitere Erschließung von Holzressourcen soll erreicht werden, dass ein steigender Anteil der Brennstoffe für Heizwerke regional bezogen wird.

Die hier genannten technischen Maßnahmen zeigen, dass mit einer zunächst einseitig erscheinenden Flächenausstattung die Bioenergie-Initiative neben Biogasprojekten eine Vielzahl an Ideen zur Strom- und Wärmegewinnung aus dem Landwirtschafts-sektor angeht. Die Nutzung der vorhandenen Bioenergiepotenziale aus der Landwirt-schaft trägt in Nordfriesland Nord dadurch inzwischen zu einer stetig anwachsenden Energieversorgung aus regionalen Ressourcen bei.

Neben der Unterstützung von technischen Maßnahmen in der Bioenergie-Region beinhaltet die Strategie auch die umfassende Information und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Bioenergie. Ein Beispiel, wie dies erreicht wird, ist das Regionalmagazin „Neue Energien“, in dem regionale Projekte und Entwicklungen im Bereich regenera-tive Energien vorgestellt werden. Wie in jeder Bioenergie-Region werden zusätzlich diverse Exkursionen und Veranstaltungen durchgeführt und der Wissenstransfer mit Hochschulen gefördert. Durch die Zusammenarbeit mit der FH Flensburg konnten beispielsweise Studien zu den Themen „Grasvergärung“ und „Organische Rest- und Abfallstoffe“ sowie ein Wärme-Kälte-Konzept erarbeitet werden.

Die Bioenergie-Region wird online präsentiert unter: www.aktivregion-nf-nord.de/de/wirtschafts-_und_energieregion/Bioenergie-Region.php

KENNZAHLEN

→ Investition Nahwärmenetz: 2 Mio. €

→ Energieausbeute: 8,4 MWhel, 6,5 MWhth

→ Einspareffekt: mind. 500.000 l Heizöl

Die Kombination verschiedener erneuerbarer Energien steht in Nordfriesland Nord im Vorder-grund

Foto: A. Birresborn (3)

Page 27: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 27

Beispiele für Bioenergie-Projekte aus dem LandwirtschaftssektorDie nachfolgende Übersicht gibt einen Eindruck über die Bandbreite an Möglichkeiten, Bioenergie aus dem Landwirtschaftssektor regional in Wert zu setzen. Diese Projektansätze aus den 25 Bioenergie-Regionen stellen eine Auswahl der möglichen Vielfalt dar.

Mikrogasleitungen, die Rohbiogas zu einer zen-tralen Aufbereitung und Gaseinspeisung transpor-tieren

Südoldenburg

Kartierung von Hecken mit GIS inklusive Nutzungs-potenziale

Ludwigsfelde

Studie zur Wärmeversor-gung eines Dorfs durch ein Heuheizwerk

Altmark

Nutzung von Synthesegas im Blockheizkraftwerk. Vergaste Rohstoffe sind Stroh- und Holzpellets so-wie aufbereitete Gärreste, Hühnertrockenkot und Geflügelmist

Südoldenburg

Aufbereitung von Biogas mit anschließender Gas-einspeisung. Zusätzliche Errichtung einer Biogas-tankstelle

Wendland-Elbtalaue

Qualifizierung von Be-treibern von Biogasanlagen zur Optimierung des Ver-gärungsprozesses und der Gärresteverwertung

Höxter

Covergärung von Material aus Kläranlagen

Thüringer Vogtland

Nutzung von biogenen Abfällen als Cosubstrat in Biogasanlagen

z. B. Bayreuth, Nordfries-land, Oberland

Erweiterung von Wärme-netzen an Biogasanlagen und Anschluss weiterer Abnehmer

z. B. Bodensee, Mecklenbur-gische Seenplatte, Weser-bergland plus, Bayreuth

Errichtung von Satelliten-BHKWs zur Verbrennung von Rohbiogas in der Nähe von Wärmesenken

z. B. Cochem-Zell, Jena-Saale, Nordfriesland, Thüringer Vogtland, Weserbergland plus, Bayreuth, Rügen

Entwicklung einer mobilen Bioenergieanlage, die Grünlandsubstrate aus naturschutzfachlich wert-vollen NATURA 2000-Ha-bitaten nutzt, Silagepres-sung mit anschließender Aufbereitung als Brenn-stoff, Saftvergärung

Mittelhessen

Lagerungsversuche von Gülle unter anaeroben Zu-stand, um Methanverlust zu vermeiden

Südoldenburg

Biogasanlage, die Rest-stoffe und Nebenprodukte mittels Pansenreaktor verwertet. Animpfung mit Panseninhalt und Elektro-lytlösung

Altmark

KUP-Projekte zur Holz-produktion auf ärmeren landwirtschaftlichen Flä-chen. Pflanzmaschine legt gleichzeitig Bewässerungs-leitung in trockene Böden

Altmark

Pelletierung von Pferde-einstreu als Zusatzrohstoff in bestehender Pelletier-fabrik

z. B. Achental

Page 28: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

28 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

3.2.3 Beispiel einer regionalen Strategie im Bereich Forstwirtschaft100 regionale Schritte zum globalen Klimaschutz in der naturkraft-regionDie naturkraft-region in den Landkreisen Hersfeld-Rotenburg und Schwalm-Eder ist ein typisches Beispiel einer Region mit guten Voraussetzungen zur Bioenergienutzung aus dem Forstsektor.

Voraussetzungen Die ländlich geprägte, hessische Mittelgebirgsregion hat stark bewaldete Höhenzüge mit größeren forstlichen Potenzialen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Die hier bereits vor- handenen Betriebe verfügen über umfangreiche Erfahrungen im Bereich Holz. Der größte Teil des Waldes ist Staatswald und wird zusammen mit dem Gemeindewald vom Landes-betrieb Hessen-Forst bewirtschaftet. Daneben gibt es im Schwalm-Eder-Kreis aber auch einen landwirtschaftlichen Schwerpunkt mit einer Schweineproduktion und Rinderhal-tung. Insgesamt steht dem Waldanteil von 40 % eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 46 % gegenüber. Davon wird fast ein Drittel als Grünland genutzt.

Regionale Berechnungen zu Beginn der BMELV-Förderung ermittelten Ausgaben von nahezu einer Milliarde Euro im Jahr für überwiegend fossile Energien. Nur ein sehr ge-ringer Teil der damit verbundenen Wertschöpfung verblieb in der Bioenergie-Region. Gleichzeitig weist zu diesem Zeitpunkt eine vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegebene Biomassepo-tenzialstudie ungenutzte Potenziale von noch rund einem Drittel des zur Verfügung stehenden Energieholzes aus.

Vornehmlich die Wärmeproduktion aus Holz war schon vor Wettbewerbsbeginn ein Schwerpunktthema der Region. So gibt es von Beginn an zahlreiche Holzfeuerungsan-lagen mit verschiedenen technischen Ansätzen und Leistungsklassen. Darüber hinaus fallen etwa 1,7 Mio. m3 Gülle jährlich an, welche zu Beginn der Förderung praktisch nicht zur Bioenergieerzeugung genutzt wurden, da in der Region kaum Biogasanlagen mit Gülleverwertung in Betrieb waren. Somit bestand auch im Agrarbereich ein ge-wisser Handlungsbedarf.

StrategieDie naturkraft-region hat eine Strategie zur Erhöhung der Wertschöpfung aus Bioener-gie erarbeitet, bei der Informations- und Kommunikationsmaßnahmen im Zentrum stehen. Damit sollen neue Biomasseprojekte initiiert werden. Besonders zu Beginn des Modellvorhabens haben die Akteure ganz gezielt die Öffentlichkeit über Maßnahmen der Energieeinsparung und der Nutzung von regenerativen Energien im privaten Be-reich informiert. Gleichzeitig fanden sich thematische Arbeitsgruppen aus Akteuren der Region zusammen, welche sich auch konkreten Projekten widmen.

ErgebnisseDer Region ist es gelungen, dass vor allem im kleinen Leistungsbereich ein reger Zubau stattfindet. Eine überschlägige Berechnung der Wertschöpfung im Jahr 2009 kam zu dem Ergebnis, dass allein durch die vielen kleinen v. a. privaten Anlagen und die neuen öffentlichen Anlagen Investitionen von über 10 Mio. € getätigt wurden. Unter der Annahme, dass überwiegend Holzpellets verfeuert werden und der durchschnittliche Brennstoffbedarf bei 5 Tonnen pro Anlage und Jahr liegt, betragen die Brennstoffkos-ten der neuen kleinen Anlagen bei einem Pelletpreis von 230 € pro Tonne etwas mehr als 700.000 €.

Im Zeitraum 2009 bis 2011 wurden im kleinen Leistungsbereich bis 100 kW insgesamt 751 geförderte Anlagen zur Verfeuerung fester Biomasse installiert. Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht diesen Erfolg.

Im Zeitraum 2009 bis 2011 wurden in der naturkraft-region insgesamt 751 Anlagen im Leistungsbereich bis 100 kW zur Verfeuerung fester Biomasse installiert

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Page 29: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 29

Aus dem Marktanreiz- programm geförderte Biomasseanlagen (8 bis 100 kW) in der naturkraft-region

Quelle: Zweckverband Knüllgebiet 2012

Nachfrage

0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

2008 2009 2010 2011

installierte Leistung (kW)

Pellets Scheitholz Holzhackschnitzel

80

6052

5240

20

0

20

40

60

80

100

Umwelt- undNaturschutz

Anlagen InnerhalbLandwirtschaft

Nahrungs-produktion

Tourismus InnerhalbForstwirtschaft

Ein weiterer Erfolg ist die Installation von zehn neuen Holzfeuerungsanlagen in Schu-len. Die installierte Leistung stieg damit während der Wettbewerbslaufzeit insgesamt um rund 14 MW. Als Rohstoffe kommen in den öffentlich geförderten Anlagen neben Holzpellets auch Scheitholz sowie zu einem Anteil Holzhackschnitzel zum Einsatz.

Regionale Brennholzhöfe und Holzhändler verfügen über die nötige zuverlässige Logistik, um diese Rohstoffe zur Verfügung zu stellen. Der größte Anteil, nämlich 90 % des in der naturkraft-region genutzten Energieholzes, versorgt den privaten Bereich. Die Brennstoffkosten fließen somit im Gegensatz zu einer Versorgung mit fossilen Energieträgern nicht ab, sondern verbleiben in der Forstwirtschaft, bei der Aufberei-tung und den Brennstoffhändlern in der Region. Positive Wertschöpfungseffekte ent-stehen dadurch entlang der gesamten Kette von der Rohstoffbereitstellung bis hin zur erzeugten Kilowattstunde Wärme.

Dank der umfangreichen Informations- und Kommunikationsmaßnahmen wird in der Bioenergie-Region die Holznutzung in allen Leistungsklassen im öffentlichen, gewerblichen und privaten Bereich kontinuierlich ausgebaut. Zwar verfügt die Region nicht über große Sägewerke, die Rohstoffe für die Holzpellets liefern könnten. Dafür sind aber in Zukunft Projekte zur Kompaktierung von landwirtschaftlicher Biomasse geplant, um auch hier weiter auf Regionalität zu bauen. Neben der Forstwirtschaft trägt somit auch die Landwirtschaft ihren Teil zur Bioenergienutzung bei. Neue Biogasan-lagen produzieren außerdem mehr und mehr Biogas. Und natürlich werden weiterhin andere regenerative Energien genutzt, aber vor allen Dingen auf Energieeinsparung und Energieeffizienz gesetzt. Zukünftig spielen Themen zur Optimierung von Produk-tion und Logistik sowie zur Erweiterung der Nutzung auf bisher ungenutzte Biomasse-potenziale eine größere Rolle in der Bioenergie-Region.

Entsprechend ihrer Strategie hat die Bioenergie-Region die beiden Pfade Wissensver-mittlung sowie Öffentlichkeitsarbeit mit zahlreichen Projekten untermauert. Beispiel- haft sei hier die Schulung zum „Energiefuchs“ genannt. Menschen aus der Region haben dafür eine Qualifizierung zu Themen rund um erneuerbare Energien absolviert, um anschließend ehrenamtlich interessierte Bürger zu beraten. Die Region gliedert an-schließend die bisher 80 Energieberater als Multiplikatoren in das Netzwerk der Region ein. Sie fungieren somit als erste Ansprechpartner in den Kommunen. Damit wird auch das Wissen um die Bioenergienutzung gezielt in der Bevölkerung verankert und die Akzeptanz dafür erhöht. Diese und weitere Maßnahmen fördern den Know-how-Transfer auf allen Ebenen der Gesellschaft (siehe auch Kapitel 4.3).

Die Energiefüchse: Ehrenamt-liche Energieexperten beraten Bürger über Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien und Stromeinsparung

Foto: naturkraft-region (2)

Page 30: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

30 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Eine Übersicht über zahlreiche Projekte der naturkraft-region gibt es online unter: www.naturkraft-region.de/de/projekte

Beispiele für Bioenergie-Projekte aus dem ForstwirtschaftssektorIn der folgenden Übersicht finden Sie zur Inspiration Beispielprojekte aus den Bio-energie-Regionen, die dem Forst-Sektor zugeordnet werden können.

Ansiedlung von Pellet-produzenten zur Sicher-stellung der regionalen Brennstoffversorgung. Unterstützung beim Auf-bau der Lieferstrukturen

Sächsische Schweiz Osterzgebirge

Entwicklung von container basierten Holzhackschnit-zel-Kesseln als Komplett-paket für Standorte mit mangelndem Platzangebot

Märkisch-Oderland

Miniwärmenetz zur Ver-sorgung mehrerer öffentli-chen Liegenschaften durch eine Heizzentrale

z. B. Straubing, Achental, Nordfriesland, Oberberg, Höxter

Betriebs- und Betreiber-konzept für Biofestbrenn-stoffhöfe

z. B. Märkisch-Oderland, Achental

Errichtung von Holzheizun-gen in einzelnen öffent- lichen Liegenschaften

z. B. naturkraft-region, Oberberg, Altmark, Bay-reuth, Mittelhessen

Innovativer Technikpark: kleiner Pellettransporter für Innenstädte, Boden-schonender Portal- Harvester für Holzernte

Märkisch-Oderland

Innerstädtisches Nah-wärmenetz auf Basis von Holzhackschnitzeln

z. B. Achental, Cochem-Zell, HOT

Konzept zur Optimierung der Infrastruktur und Logistik um Energieholz: Trocknungsstandorte, Verkaufsflächen, Partner-auswahl

z. B. Höxter, Sächsische Schweiz Osterzgebirge

Ökologisches Gewerbe-gebiet: Wärmeversorgung von Gewerbebetrieben durch Hackschnitzelheiz-werke

Oberberg-RheinErft

Holz-Vergaser mit einem BHKW zur Verstromung des Gases, Wärmeabgabe an Fern- oder Nahwärme-netz

z. B. Achental, Oberberg-RheinErft, Oberland

Fernwärmeversorgung durch großes Biomasse-heizwerk

z. B. Thüringer Vogtland, Achental

Page 31: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 31

3.2.4 Schlüsselfragen für die IdeenfindungDieser Abschnitt gibt eine Hilfestellung, wie man die für eine Region passenden Projekte identifizieren kann.

Die Bioenergie-Regionen haben sich bei der Erarbeitung der Regionalentwicklungs-konzepte ausführlich mit ihren individuellen Ausgangsbedingungen beschäftigt und anschließend regionale Netzwerke aufgebaut. Sie konnten damit zahlreiche Projekt-ideen entwickeln, von denen viele bereits jetzt erfolgreich umgesetzt sind. Doch der Weg zum Projekt wird nicht immer professionell begleitet. Gerade wenn ein regionaler Prozess erst ins Rollen kommt, hat man noch kein gemeinsames Konzept, auf das man aufbauen kann. Deswegen ist es wichtig, dass Sie womöglich auch ohne umfassende Strategie erste Projekte einleiten können.

Dafür hilft Ihnen die Beantwortung der Schlüsselfragen aus dem nachfolgenden Info-kasten. Ausgehend von den naturräumlichen Ausgangsbedingungen sollten Sie zunächst verfügbare Potenziale abschätzen und darauf aufbauend die Handlungsmöglichkeiten klären. In der Folge finden Sie von ganz allein Ideen zur Energieversorgung aus Biomasse.

Vom Potenzial zur Projektidee

1. Wie stellt sich das Angebot an Waldflächen und landwirtschaftlich genutzten Flächen dar? (siehe Kapitel 3.2.1)

2. Welche Restriktionen bestehen, die gegebenenfalls die Nutzung beeinflussen (z. B. Naturschutz)?

3. Wie werden die Flächen derzeit bewirtschaftet (Intensität, Organisation)?4. Bestehen Potenziale, die noch nicht ausgeschöpft werden? (siehe Kapitel 3.1)5. Wem gehören die Flächen? Wer bewirtschaftet sie? (siehe Kapitel 4.1.2)6. Besteht sowohl Handlungsbedarf als auch die notwendige Handlungsbereitschaft?

(siehe Kapitel 4.2.2)7. Welche Projektideen lassen sich daraus ableiten?

Wie schon in den vorigen Abschnitten dargestellt wurde, haben die Bioenergie- Regionen zahlreiche Projektideen skizziert und umgesetzt, die den beiden Sektoren Forst und Agrar zugeordnet werden können. Besonders hervorzuheben sind daneben kommunale Projekte wie Bioenergiedörfer, die gezielt Rohstoffe aus dem landwirt-schaftlichen und forstwirtschaftlichen Sektor kombinieren, um sie in verschiedenen Konversionsanlagen (z. B. Biogasanlage und Holzhackschnitzelheizwerk) zur lokalen Energieversorgung zu nutzen. Die Bioenergie-Initiative sollte sich demzufolge auch stets mit der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten und der Kombination verschiedener Bioenergien auseinandersetzen.

Es zeichnet sich allerdings auch ab, dass bei einer steigenden Biomassenutzung in beiden Sektoren vermehrt Nutzungsinteressen kollidieren. Daher wird nun zuneh-mend die Nutzung von Rest- und Abfallströmen in den Bioenergie-Regionen themati-siert, die nicht an die Nutzflächen gekoppelt sind. Dazu zählt zum Beispiel der Aufbau eines Netzwerks von Sammelstellen zur Nutzung von Landschaftspflegematerial. Ein weiteres Beispiel ist die Trockenvergärung von Bio- und Grünabfällen, welche in jeder Region anfallen. Solche Projekte sind unabhängig von den beiden Sektoren und damit prinzipiell in jeder Region denkbar. Die Nutzung von Nebenprodukten und Reststoffen ist als Projektidee sehr zu empfehlen, da sie sich in der Regel konfliktärmer gestaltet und gleichzeitig Akzeptanz für die Bioenergie-Initiative schafft (siehe Kapitel 4.2).

Bei der Ideenfindung kommt es auf die regionalen Potenziale an

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 32: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

32 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

3.3 Projektansätze entlang von Wertschöpfungsketten: Erfahrungen aus den Bioenergie-Regionen

Nachdem im vorherigen Abschnitt der Fokus auf der Gesamtregion lag, steht nun die Projektebene im Zentrum. Die Darstellung der Projekte orientiert sich dabei an den beiden Wertschöpfungsketten (WSK) „Holz“ und „Biogas“. Eine WSK besteht aus den verschiedenen Stufen einer Produktionskette, auf denen Wertschöpfung generiert wird. Um einen übergreifenden Blick auf die jeweilige Bioenergie-Branche zu erhal-ten, ist jeder Produktionsschritt von Bedeutung. Auf jeder Stufe lassen sich also auch Projekte verorten, die dem Ausbau und der Verbesserung der Bioenergieerzeugung und -nutzung dienen. Konkrete Beispiele und Erfahrungsberichte aus den unterschied-lichen Bioenergie-Regionen geben darüber hinaus einen Einblick in die Umsetzung solcher Maßnahmen. Daraus ergeben sich Handlungsempfehlungen, die Ihnen dabei helfen sollen, Projekte in der eigenen Region erfolgreich umzusetzen.

Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch Projektideen gab, die in den Bioenergie-Regionen nicht oder noch nicht umgesetzt werden konnten. Als einer der häufigsten Gründe stellte sich eine unzureichende Wirtschaftlichkeit heraus. Aber auch die Notwendigkeit weiterer Planungen und Studien, geringes Interesse involvierter Ak-teure oder regional nur begrenzt vorhandene Biomasseressourcen bzw. Nutzungskon-kurrenzen verhinderten die erfolgreiche Umsetzung einiger geplanter Maßnahmen.

Eine pauschale Übertragung der folgenden Beispiele auf eine andere Region würde daher zu kurz greifen. Vielmehr sollen sie dazu dienen, Anregungen für mögliche Maßnahmen und Projekte zu geben. Die konkrete Umsetzbarkeit vor Ort sollte die regionale Bioenergie-Initiative dann ggf. durch Machbarkeitsstudien oder ähnliche Abwägungsprozesse prüfen.

3.3.1 Projekte der Wertschöpfungskette Holz/FestbrennstoffeInnerhalb der Wertschöpfungskette „Holz/Festbrennstoffe“ spielen biogene Fest-brennstoffe, also insbesondere holzartige Biomasse, eine Rolle. Die Energieerzeugung erfolgt hierbei durch einen Verbrennungsprozess. Nach Untersuchung des DBFZ war

Kurzumtriebsplantagen können die Wertschöpfungskette Holz erweitern

Foto: Jenz GmbH

ERFAHRUNGSBERICHT

Feldversuche mit Kurzumtriebsplantagen in der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber

Bei der Anlage von KUP pflanzt man schnell wachsende Baumarten wie Pappel, Weide oder Robinie und erntet sie als Energie- und Industrieholz in kurzen Zeitintervallen (2 bis 20 Jahre). Dies erfolgt in der Regel auf ertragsschwachen Ackerflächen. Aber auch Forstflächen oder Grünland kommen unter Umständen in Frage, wenn letztere hinsichtlich der CO2-Bilanz bei KUP-Produktion positiv zu bewerten sind. Die Pflanzung erfolgt manuell oder mit Pflanzma-schinen. Das Flächenmanagement erfordert Dünger, ggf. den Einsatz von Pflanzenschutzmit-teln und den Schutz vor Verbissschäden. Geerntet wird dann mit Motorsägen oder Häckslern.

Die Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber engagiert sich für Kurzumtriebsplan-tagen. Für Feldversuche konnten verschiedene Landwirte als Partner gewonnen werden, die ihre Flächen zur Verfügung stellen und die Pflegemaßnahmen durchführen. Das notwendige Pflanzgut stellte der Neckar-Odenwald-Kreis zur Verfügung. Zudem gibt es Versuchsflächen des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg. Ziel des Vorhabens war es,

Page 33: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 33

diese Wertschöpfungskette im Jahr 2012 in den meisten der 25 Bioenergie-Regionen ausgebildet. Die Wertschöpfungskette kann in sechs Wertschöpfungsstufen gegliedert werden:

Die sechs Stufen der Wertschöp-fungskette Holz bieten jeweils Ansatzpunkte für neue Projekte

Quelle: DBFZ

1. Rohstoffe 2. Auf-bereitung 3. Logistik 4. Handel 5. Energie-

produktion6. VerkaufProdukte

Wertschöpfungsstufe 1: RohstoffeRohstoffe dieser Wertschöpfungskette lassen sich grundlegend in holzartige und halmgutartige Biomasse unterteilen. Bei den holzartigen Rohstoffen haben mengen-mäßig insbesondere Waldrestholz, Schwachholz und Landschaftspflegeholz eine große Bedeutung. Hinzu kommt Industrie- und Sägerestholz, welches bei der Weiterver-arbeitung von Holz entsteht. Nach der stofflichen Nutzung kann außerdem Altholz verschiedener Belastungsklassen im Sinne einer Kaskadennutzung noch energetisch genutzt werden. Halmgutartige Rohstoffe sind zum Beispiel Miscanthus, Stroh, Land-schaftspflegeheu oder Straßengrasschnitt.

Bei allen genannten Rohstoffen handelt es sich um Rückstände bzw. Nebenprodukte, die energetisch genutzt werden. Für die Bioenergie-Initiative kommt es auf dieser Stufe darauf an, einen Überblick über die regional anfallenden Rohstoffe für diese Wert-schöpfungskette zu gewinnen, um noch unerschlossene Potenziale im Blick zu haben. Neben Rest- und Altholz oder Festbrennstoffen aus der Landwirtschaft spielen hier auch ungenutzte Waldholzreserven eine Rolle. In vielen Regionen sind die Waldflächen zu unterschiedlichen Anteilen in privatem Besitz. Folge der oft sehr kleinen Flächen ist eine fehlende professionelle Bewirtschaftung und somit häufig eine mangelnde Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen. In einigen Regionen werden deshalb gezielt Privatwaldbesitzer angesprochen. Mit Informations- und Qualifizierungsmaßnahmen oder spezifischen Holzwerbungsangeboten wird seitens des Regionalmanagements versucht, bisher ungenutzte Reserven zu mobilisieren und für alle beteiligten eine Win-Win-Situation zu schaffen. Demgegenüber gibt es jedoch auch den aktiven Anbau von Energiepflanzen, wie etwa die Anlage von Kurzumtriebsplantagen (KUP). Hier kann die Initiative Win-Win-Situationen bei der Bereitstellung von Rohstoffen und der nachhaltigen Flächenbewirtschaftung unterstützen.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR ZUM THEMA KUP

Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2010): Energieholzanbau auf landwirt-schaftlichen Flächen, Auswirkungen von Kurzumtriebsplantagen auf Naturhaushalt, Landschaftsbild und biologische Vielfalt, Leipzig verfügbar unter: www.bfn.de/0319_biomasse.html Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) 2012: Energieholz aus der Landwirtschaft5., vollständig überar. Auflage, Gülzow verfügbar unter: www.mediathek.fnr.de

6 Preis am 24.09.2012 bei einer Mindestabnahme von 3.000 Litern Quelle: www.sueddeutsche.de/app/wirtschaft/heizoelrechner/

KONTAKT

Christian EiflerBioenergie-Region [email protected] www.bioenergie-hot.de

geeignete Pflanzensorten für bestimmte Bodentypen zu finden, verschiedene Pflegemetho-den zu erproben und Erntemethoden zu vergleichen.

Inzwischen sind etwa 30 ha mit etwa 6.000 Pflanzen je Hektar für einen vier- bis fünf-jäh-rigen Umtrieb bepflanzt. Die bisherigen Ergebnisse der Versuche zeigen eine Anreicherung von organischem Material, was eine Verbesserung der Bodenökologie durch die Anlage der Dauerkulturen bedeutet. Zudem tragen die Energiegehölze zum Wind- und Erosionsschutz auch auf angrenzenden Flächen bei und bilden einen Lebensraum für verschiedene Tierarten. Unter ökonomischen Gesichtspunkten entspricht der jährliche Zuwachs je Hektar einer Menge von 4.000 bis 6.000 Litern Heizöl. Die Produktionskosten liegen bei 20 bis 25 Cent je ersetztem Liter Heizöl. Zum Vergleich: Ein Liter Heizöl kostet 92 Cent.6 Darüber hinaus erforderte der Anbau von KUP nur wenig Dünger und kaum Herbizideinsatz, was nicht nur die Produktions-kosten senkt, sondern auch zur Entlastung von Böden und Grundwasser beiträgt.

Page 34: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

34 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

ERFAHRUNGSBERICHT

Feldversuch zur Konfek-tionierung und Verwert-barkeit von Grüngut in der Bioenergie-Region Kultur-land Kreis Höxter

Um bisher ungenutzte biogene Reststoffe aus privaten Haushalten in die energetische Verwer-tungskette zu integrieren, führte die Bioenergie-Region Höxter einen Feldversuch zur Konfek-tionierung und Verwertbarkeit von Grüngut durch. Hierzu wurden insgesamt 460 Tonnen Ast- und Strauchschnitt zunächst auf einer Deponie gesammelt, bevor man sie in einem Schredder zerkleinerte. Nach einer einwöchigen Lagerung wurde das Material gesiebt und in drei Fraktionen aufgeteilt. Dies ermöglichte es nun, die verschiedenen Fraktionen in unterschiedlichen Bereichen einzusetzen.

Anteil an Gesamtsiebung

Größe Hauptfraktion

Größenklasse nach EN 14961

Wasser- gehalt*

Heizwert*

t/(%) mm % kJ/kg

Feinsiebung226,86(48,9)

0–3,15keine Einteilung

möglich38,4 6.711

Mittelkorn-Absiebung

190,3(41,0)

8–63 P 63 29,5 12.146

Überkorn-Absiebung

47(10,1)

> 63 keine Einteilung möglich

23,3 13.380

BEM Biomasse Energie Maschinenring GmbH (2012): Umsetzung des Konzeptes zur Verbesserung der Logistik und Konfektionierung von holzarti-gen Biomasserohstoffen – Endbericht, Brakel

Wertschöpfungsstufe 2: AufbereitungAuf der zweiten Stufe dieser Wertschöpfungskette müssen die biogenen Rohstoffe auf-bereitet werden, sodass sie für eine energetische Nutzung (i. d. R. Verbrennung) geeig-net sind. Hierbei erzielt man zudem eine Qualitätsverbesserung, indem die Rohstoffe komprimiert werden und ihnen Wasser entzogen wird. Die Trocknung steigert den Heizwert, wie in der Abbildung zu sehen ist.

Die Trocknung von Brennholz steigert den Heizwert

Quelle: Bayerisches Landesinstitut für Forstwirtschaft (Merkblatt 12)

10

Heizwert Hu (in kWh/kg)

Nadelholz Laubholz

5

4

3

2

1

020 30 40 50 60

Wassergehalt (%)

In den Bioenergie-Regionen ist die Aufbereitung zu Hackschnitzeln und zu Scheitholz mit Abstand am häufigsten etabliert. Bei der Herstellung von Hackschnitzeln kommen verschiedene Arten von Hackern und Schreddern zum Einsatz, welche die Holzreste oder auch ganze Baumstämme zu Schnitzeln unterschiedlicher Hacklänge zerkleinern. Hack-schnitzel bieten sich eher für die Verbrennung in mittleren bis großen Heizwerken an,

* bei Anlieferung

Page 35: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 35

7 Vgl. DBFZ: Erhebung der Wertschöpfungsketten in den Bioenergie-Regionen 2012, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

KONTAKT

Norbert HofnagelBiomasse-Energie-Maschinenring GmbH – Biomassehof BorlinghausenNorbert.Hofnagel@mr-hoexter-war burg.com www.mr-hoexter-warburg.com

Die Feinkornfraktion kann man als Ein- und Aufstreu für Wanderwege und Spielplätze ver-wenden. Das Material der mittleren Fraktion entspricht den Anforderungen der EN 14961 und kann nach einer Trocknung als Hackschnit-zel weiter vertrieben werden. Zu große Be-standteile der Überkornfraktion werden später einfach noch einmal zerkleinert und gelangen so erneut in die Fraktionierung.

Über diese Differenzierung nach unterschied-lichen Fraktionen gelingt es, große Teile des bislang nicht energetisch genutzten Materials in Wert zu setzen. Bislang wurden das Schred-dern, Sieben und Trocknen durch den Landkreis Höxter finanziell unterstützt. Perspektivisch ist jedoch davon auszugehen, dass bei steigender Nachfrage nach Holzhackschnitzeln diese Kos-ten vollständig über einen marktfähigen Preis abgedeckt werden können.

während die Vorzüge von Holzpellets (einfache Lagerung und gute Verbrennungseigen-schaften) für eine Verwendung in Privathaushalten sprechen. Die Herstellung von Pellets ist in den Bioenergie-Regionen jedoch bislang weniger häufig verbreitet. Dies liegt daran, dass sie aus Holzabfällen wie z. B. Sägemehl oder Hobelspänen am Ort des Entstehens hergestellt werden. Hierbei zerkleinern zunächst Mühlen das trockene Rohmaterial sehr fein, bevor es eine Presse unter hohem Druck zu Pellets presst. Einheitliche Anforderun-gen an Pellets oder Holzhackschnitzel regelt die europäischen Norm EN 14961.

Wertschöpfungsstufe 3: LogistikDie Wertschöpfungsstufe „Logistik“ umfasst im Wesentlichen den Transport, die Lage-rung und ggf. die Trocknung der Biomasse. Diese Maßnahmen sind daher eng mit der Aufbereitung und dem Handel der Rohstoffe verbunden. Je nach betrachteter Biomas-se, Transportentfernungen und regionalen Akteuren können sich unterschiedlichste Logistikketten bewähren.

Oft werden diese Maßnahmen auf einem Biomassehof gebündelt. Er fungiert als zent-rale Anlaufstelle für Anbieter und Nachfrager. In den 23 Bioenergie-Regionen, in denen die Wertschöpfungskette „Holz“ etabliert ist, gibt es in 10 Regionen einen Biomassehof. In weiteren 7 ist eine Errichtung vorgesehen.7 Die Bioenergie-Initiative sollte daher den Aufbau von Strukturen unterstützen, die regionale Akteure und regionale Biomasse zusammenführen. Dies ermöglicht es, die Stoffkreisläufe in der Region zu stärken und die regionale Wertschöpfung zu erhöhen (siehe hierzu auch Kapitel 5).

Unterschiedliche Möglichkeiten der Konfektionierung von Holz

Foto: Bioenergie-Region Höxter

Page 36: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

36 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

KONTAKT

Raphael Traut BioEnergieDialog Oberberg RheinErft Netzwerkbüro Oberberg, ZebiO e. V. [email protected] www.bioenergiedialog-rheinland.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Modellprojekt Energie-holzmobilisierung im Bio-EnergieDialog Oberberg RheinErft

Eine umfassende Untersuchung zur Bereitstellung von Energieholz aus Wald-beständen mit hohem Pflegebedarf hat die Bioenergie-Region Oberberg-RheinErft erstellen lassen. In Praxisversuchen unter-suchte man fünf verschiedene Arbeitsver-fahren in 13 verschiedenen Waldbeständen und berechnete gleichzeitig die Kosten über verschiedene Bereitstellungsstufen – vom Einschlag über die Aufbereitung bis hin zum Transport zur Biomasseanlage. Die Ergeb-nisse kann man in der Broschüre „Hand-lungsempfehlungen Energieholzmobilisie-rung“ nachlesen.

Wertschöpfungsstufe 4: HandelAuch auf der Stufe „Handel“ ist der Biomassehof eine wichtige Plattform. Dies liegt da-ran, dass hier unterschiedliche biogene Festbrennstoffe gesammelt, gelagert und an die jeweiligen Akteursgruppen wieder verteilt werden können. Daneben vertreiben auch einzelne Brennstoffproduzenten und -händler ihre Waren. Regionale Erzeuger können ihre Produkte jedoch auch in Zusammenschlüssen vermarkten. Dieser „Größenvor-teil“ wird auch von privaten Holzkäufern genutzt, indem sie sich zusammentun und über eine insgesamt größere Nachfragemenge günstigere Preise für ihre Brennstoffe erzielen.

Insgesamt kommt den Akteuren des Brennstoffhandels eine wichtige Rolle bei der Re-gionalisierung und Etablierung eines Rohstoffkreislaufs zu. Es lässt sich auf dieser Stufe feststellen, zu welchem Anteil die Brennstoffe aus der Region stammen und auch hier wieder abgesetzt werden. Eine Erhöhung dieser Quote sollte auch durch die Bioener-gie-Initiative unterstützt werden, da dies zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung und Festigung der Akteursbeziehungen beiträgt.

Wertschöpfungsstufe 5: EnergieproduktionIn den meisten Fällen werden die aufbereiteten Holzprodukte in Heizwerken, Heiz-kraftwerken oder in Privathaushalten eingesetzt und dort in Energie umgewandelt. Im regionalen Kontext kommt – abgesehen von der schwer zu beziffernden Anzahl von

ERFAHRUNGSBERICHT

Pelleteinkaufsgemein-schaft in der Bioenergie-Region Mittelhessen

In der Bioenergie-Region Mittelhessen schlossen sich im Jahr 2010 verschiedene Pelletkunden zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen. Kernidee ist es, durch die Bündelung der Einzel-nachfragen eine bessere Verhandlungsposition bei Anbietern von Holzpellets zu haben und so niedrigere Preise zu erhalten. Die nichtkommerzielle Initiative wird von Ehrenamtlichen getragen, die im Auftrag der Einkaufsgemeinschaft in Kontakt zu den Lieferanten treten. Die verhandelten Preise geben sie an die Mitglieder der Gemeinschaft weiter. Auf dieser Grundlage kommen dann Lieferverträge zwischen dem Lieferant und dem jeweiligen Mitglied zustande.

Im Durchschnitt können so Preisnachlässe zwischen 10 und 15 % gegenüber den Marktpreisen ausgehandelt werden. Doch nicht nur der Preisvorteil ist ausschlaggebendes Kriterium: Es wer-den nach Möglichkeit nur Pellets bester Qualität und regionaler Herkunft bezogen.

KONTAKT

Stefan Scupin Bioenergie-Region Mittelhessen [email protected] www.bioenergie-region-mittelhessen.de

Verschiedene Holzsortimente nach dem Einschlag

Foto: BioEnergieDialog OBK-REK

Page 37: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 37

Bereits im Jahr 2005 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass sowohl ein ausreichendes Holz-potenzial als auch genügend interessierte Abnehmer von Holzbrennstoffen im Achental vor-handen sind. Es fehlte lediglich an einer verlässlichen Versorgungsstruktur. Aus diesem Grund wurde 2007 ein Biomassehof errichtet, der nun zum einen als Umschlagsplatz für regional und naturverträglich hergestellte Holzbrennstoffe (Pellets, Hackschnitzel, Briketts, Scheitholz) fun-giert. Zum anderen ist er auch Plattform und Motor für die regionale Bioenergieentwicklung. So ist hier nicht nur das Management der Bioenergie-Region Achental angesiedelt, er beteiligt sich auch an Forschungs- und Entwicklungsvorhaben etwa im Bereich der kleinteiligen und de-zentralen Energieversorgung oder der Energieeffizienz.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des „Unternehmens Biomassehof“ ist die Einbeziehung der ört-lichen Bevölkerung, z. B. durch kostenlose Energiesprechstunden. Durch langfristige Partner-schaften gelingt es zudem, auch bei zunehmender Holzknappheit weiterhin stabile Lieferbedin-gungen zu ermöglichen.

Insgesamt entstanden neun Arbeitsplätze am Biomassehof. Auch können durch die Ansiedlung des Heizwerkes Grassau mit angeschlossenem Nahwärmenetz in der unmittelbaren Nachbar-schaft des Biomassehofes Vorteile kurzer Lieferbeziehungen genutzt werden.

Der Biomassehof ist im Achental nicht nur als Logis-tikdrehkreuz für regionale Holzbrennstoffe aktiv, son-dern führt zugleich öffent-liche und private Akteure zusammen und gibt so neue Impulse für die regionale Bioenergieentwicklung.

KONTAKT

Wolfgang Wimmer Biomassehof Achentalw.wimmer@biomassehof-achental.dewww.biomassehof-achental.de

Der Biomassehof Achental

Foto: Bioenergie-Region Achental 2012

ERFAHRUNGSBERICHT

Biomassehof Achental

Kleinfeuerungsanlagen im häuslichen Gebrauch – den Heizwerken eine wichtige Rolle zu. In den 25 Bioenergie-Regionen existierten im Jahr 2010 ca. 400 Heizwerke. Ihre thermische Leistung variiert je nach Anlagentyp sehr stark in einer Bandbreite von 48 bis 7.500 kW.

Heizkraftwerke gab es insgesamt nur 38. Sie sind oftmals deutlich größer dimensio-niert als die Heizwerke. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, feste Biomasse zu vergasen. In Abhängigkeit der eingesetzten Biomasse und der gewählten Vergasungs-technik existieren zahlreiche Varianten, um zunächst ein Produktgas zu erzeugen. Im Bereich dieser Technologien findet derzeit eine sehr starke Entwicklung statt und noch nicht alle Verfahren bzw. Verfahrensschritte verlaufen störungsfrei. Dieses kann dann nach einer Reinigung in einem BHKW zur Strom- und Wärmeerzeugung verwendet oder als Kraftstoff eingesetzt werden. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades dieser Um-wandlungsvariante haben verschiedene Bioenergie-Regionen hierzu Maßnahmen und Projekte umgesetzt bzw. sehen hier auch zukünftig weiteren Handlungsbedarf.

Für die Gestalter der Bioenergie-Initiative ist es wichtig, die verschiedenen Optionen der Energieerzeugung aus Festbrennstoffen zu kennen. Nur so ist es möglich, standort-bezogen ein geeignetes Konzept unter vielen anderen auszuwählen. Im Vordergrund der Abwägungen sollte dabei immer ein möglichst effizienter Umgang mit den gegebe-nen Ressourcen stehen.

Page 38: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

38 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

KONTAKT

Wolfgang Wimmer Biomassehof Achental [email protected] www.bioenergie-region-achental.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Heatpipe-Reformer zur Holzvergasung in der Bioenergie-Region Achental

Auf dem Gelände des Biomassehofs Achental weihte die Bioenergie-Region im Frühjahr 2012 einen sog. Heatpipe-Reformer ein. Hierbei handelt es sich um eine innovative Holzvergasungs-anlage, bei der aus Holz unter Sauerstoffabschluss und hohen Temperaturen Holzgas entsteht. Dieses Gas wird in einem BHKW verstromt und der Strom in das öffentliche Netz eingespeist. Die entstehende Wärme wird in das Nahwärmenetz der Gemeinde Grassau abgegeben, womit eine ganzjährige Wärmenutzung sichergestellt wird. Die Anlage hat eine Feuerungsleistung von 1,3 MW, eine elektrische Leistung von 400 kW und eine thermische Leistung von 630 kW.

Die Anlage fügt sich durch die für Holzvergaser relativ kleine Dimensionierung sehr gut in die Bioenergie-Region ein und kann die dortigen Bedürfnisse bedienen. Außerdem ist sie mit einem Wirkungsgrad von ca. 80 % hoch effizient und verwertet auch Hackschnitzel geringerer Qualität, die sonst nur schwer einen Abnehmer finden.

Funktionsweise des Heatpipe-Reformers in Grassau

1 Brennstoff-Lager2 Heatpipe-Reformer3 Luftzufuhr4 Dampferzeuger5 Produktgasfilter

6 RME-Wäscher7 Gasmotor8 Zyklon9 Rauchgasfilter10 Kamin

Quelle: Bioenergie-Region Achental 2012

Page 39: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 39

Ansätze für Projektideen gibt es entlang der Wertschöpfungskette Biogas von der Bereitstellung unterschiedlichster Rohstoffe über die Biogasanlagentechnik bis hin zur Energieverteilung

Quelle: DBFZ

1. Rohstoffe 2. Logistik 3. Biogas-anlage

4. Aufbe-reitungBHKW

5. Energie-produktion

6. VerkaufProdukte

Gärrest

Bei Heizkraftwerken steht die Stromproduktion im Vordergrund. Durch Kraft-Wärme-Kopplung wird die bei der Verstromung anfallende Wärme ebenfalls nutzbar gemacht. Die Heizkraftwerke versorgen mit ihren großen Leistungskapazitäten oft nahegelegene Indust-riestandorte mit Prozesswärme oder speisen die Wärme ebenfalls in ein Wärmenetz ein.

Auch bei der Erstellung von Wärmekonzepten sollte die Bioenergie-Initiative ihre Kompe-tenzen einbringen. Beispielsweise ist der Bau von großen Heizkraftwerken dann besonders unterstützenswert, wenn die anfallende Wärme auch genutzt werden kann, sprich am Standort entsprechende Wärmeabnehmer vorhanden sind. Für die Auslegung der Wärme-netze hingegen ist entscheidend, dass die Wärme nicht nur in genügend großem Umfang, sondern auch dauerhaft abgenommen wird.

Durch die Bioenergie-Initiative kann hier insbesondere in den Bereichen Akzeptanz, Beteili-gung und Information unterstützende Arbeit geleistet werden (siehe auch Kapitel 4.3).

3.3.2 Projekte der Wertschöpfungskette BiogasAuch der Technologiepfad Biogas besteht aus 6 Stufen, auf denen die Bioenergie-Initiative Projekte entwickeln kann (siehe Abbildung). Hierzu zählen alle Schritte der Bereitstellung von Energie aus der Fermentation, also dem anaeroben mikrobiologischen Abbau organischen Materials. Diese Wertschöpfungskette war 2012 in allen Bioenergie-Regionen ausgebildet.

Wertschöpfungsstufe 6: Verkauf der ProdukteEntsprechend der zuvor beschrieben Struktur der Energieerzeugungsanlagen spielt der Wärmevertrieb im Rahmen der Wertschöpfungskette Holz/Festbrennstoffe eine zentrale Rolle. Mehr als die Hälfte der in den untersuchten Heizwerken der Bioenergie-Regionen erzeugten Wärme wird in ein Nahwärmenetz eingespeist. Dies erfolgt oft in Kombination mit anderen Anlagen, wie etwa einer Biogasanlage. Mehr als ein Drittel der Wärme wird direkt zur Versorgung von öffentlichen oder privaten Gebäuden ver-wendet. Der öffentlichen Hand ist es hier möglich, bei der energetischen Sanierung ihrer Gebäude mit gutem Beispiel voran zu gehen, um so die Einsatzgebiete biogener Wärme zu demonstrieren und mögliche Vorbehalte abzubauen.

1. Rohstoffe 2. Logistik 3. Biogas-anlage

4. Aufbe-reitungBHKW

5. Energie-produktion

6. VerkaufProdukte

Gärrest

58%26%

11%

5% 0%

58 % Einspeisung Nahwärmenetz

26 % Objektversorgung öff. Liegenschaft

11 % Objektversorgung Industrie/Gewerbe

5 % Sonstiges

Keine Angabe

n=83

Die Wärmenutzung von Heizwerken

Quelle: DBFZ – Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012. Datenstand: 2011. Noch nicht veröffentlicht. Leipzig.

Die Wärmenutzung von Heiz-werken der Bioenergie-Region zeigt die große Bedeutung von Nahwärmenetzen

Quelle: DBFZ – Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012 Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Page 40: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

40 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

ERFAHRUNGSBERICHT

Neue Heizzentrale für das Schulzentrum Waldbröl im BioEnergieDialog Ober-berg-RheinErft

Im Zuge umfassender Sanierungsmaßnahmen stellte man die Wärmeversorgung des Gebäude- komplexes am Schulzentrum Waldbröl in der Bioenergie-Region Oberberg-RheinErft von Nacht-speicher- und Gasheizungen auf ein Nahwärmenetz mit Holzhackschnitzelheizung um. Für die Gebäude aus den 50er bis 70er Jahren ließ die Stadt zunächst ein energetisches Sanierungsgut-achten erstellen. Auf dieser Grundlage und nach positiven Erfahrungen mit einer Holzhackschnit-zelheizung in einer anderen Schule der Stadt fiel die Entscheidung für die neue Heizzentrale auf Biomasse-Basis. Parallel wurde die Gebäudehülle umfassend saniert.

Seit Herbst 2012 beheizen ein 550 kW starker Hackschnitzelkessel sowie zwei Gasspitzenlastkessel mit einer Leistung von je 435 kW eine Gesamtfläche von knapp 29.000 m2. Durch die innovative Brennwertnutzung über eine Rauchgasquenche (zur schnellen Abkühlung der Rauchgase durch Verdunstungskühlung) reduziert sich der Verbrauch an Holzhackschnitzeln gegenüber einer kon-ventionellen Hackschnitzelheizung um etwa 15 %.

Durch die neue Heizzentrale und die Gebäudesanierung sinkt der Heizenergiebedarf langfristig um mehr als 50 %, was gleichzeitig einer CO2-Reduktion von über 80 % entspricht. Ein regionaler Biomassehof übernimmt die Belieferung mit Holzhackschnitzeln. Alle Sanierungsmaßnahmen haben zudem Handwerkerbetriebe aus der Region erbracht, sodass sowohl kurz- als auch lang-

Wertschöpfungsstufe 1: RohstoffbereitstellungWie bereits im Kapitel 3.2 betont wird, spielt die Kenntnis der regionalen Flächennut-zung eine bedeutende Rolle für die Bioenergie-Initiative. Denn als vergärbare Substrate kommen eine Vielzahl an Rohstoffen in Frage, welche teilweise an sehr unterschied-liche Nutzungsformen gekoppelt sind. Dabei bilden Substrate aus der Landwirtschaft (Wirtschaftsdünger, nachwachsende Rohstoffe) den Hauptanteil der insgesamt einge-setzten Stoffe. In den Bioenergie-Regionen setzen Biogasanlagen mit einem Anteil von fast 98 % überwiegend landwirtschaftlich produzierte Substrate ein.8 Hinzu kommen Nebenprodukte aus der weiterverarbeitenden Industrie und organische Reststoffe von Gewerbe und Haushalten (siehe folgende Abbildung).

8 Vgl. DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012, Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Mit über 65 % Masseanteil an den insgesamt eingesetzten Substraten nimmt die Tierhaltung eine erhebliche Bedeutung für Biogasanlagen der Bioenergie- Regionen ein

Quelle: DBFZ – Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012 Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

n=141

Substratanteile für die Biogasanlagen

Quelle: DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012. Datenstand: 2011. Noch nicht veröffentlicht. Leipzig.

28%

34%

2%0%2%

25%

3%2% 2% 2% Rindergülle

Schweinegülle

Rindermist

Schweinemist

Sonst. Wirtschaftsdünger

Maissilage

Grassilage

Roggen-GPS

Sonst. NachwachsendeRohstoffe

Nebenprodukte,Rückstände, Abfälle

n: 141

29 % Rindergülle

2 % SonstigerWirtschaftsdünger

2 % Rindermist

34 % Schweinegülle

25 % Maissilage

2 % Sonstige NachwachsendeRohstoffe

2 % Roggen-GPS2 % Grassilage

2 % Nebenprodukte,Rückstände, Abfälle

Welche Rohstoffe sich letztlich für neue Biogas-Projekte anbieten, hängt von der regio-nalen Verfügbarkeit und dem voraussichtlichen Biogasertrag ab. Zu den Eigenschaften und der Biogasausbeute verschiedener Rohstoffe sei auf das vom KTBL herausgegebe-ne Buch „Faustzahlen Biogas“ verwiesen.

Page 41: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 41

KONTAKT

Regina SchulteBioEnergieDialogOberberg – RheinErft Netzwerkbüro Oberberg, ZebiO e. [email protected]

fristig positive regionale Wertschöp-fungseffekte durch die Gesamtin-vestition von 4,85 Mio. € ausgelöst wurden. 2/3 davon deckten Förder-mittel des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen.

Darüber hinaus können sich nun die 2.300 Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums anhand eines praxis-nahen Beispiels mit der Energie-wende auseinandersetzen: Baute das Projekt doch darauf, zunächst den Energiebedarf zu senken, um die ver-bleibende Nachfrage effizient durch erneuerbare Energien aus regionalen Quellen zu decken.

Heizzentrale mit Pufferspeicher im Schulzentrum Waldbröl

Foto: Florian Haske

Aufgrund der hervorragenden Anbaueigenschaften, des hohen Hektarertrages und der sehr guten Biogasausbeute je Tonne wird als nachwachsender Rohstoff hauptsächlich Mais eingesetzt. Damit kommen jedoch auch vermehrt Konflikte auf, denen sich eine Bioenergie-Initiative stellen muss (siehe Kapitel 4.2). Das Beispiel aus der Bioenergie-Region Bodensee stellt eine mögliche Handlungsoption dar, wie die Regionen neue Wege zur Rohstoffbereitstellung gehen kann.

Wertschöpfungsstufe 2: LogistikDie zweite Stufe der Wertschöpfungskette Biogas umfasst in erster Linie den Transport der Substrate zur Biogasanlage beziehungsweise zum Silo oder Lager.

Dieser logistische Aufwand verteilt sich zum Teil sehr unterschiedlich auf den Jahres-verlauf. Beispielsweise richtet sich die Bereitstellung von nachwachsenden Rohstoffen nach dem Ernterhythmus. In der Erntezeit fallen dann konzentriert Rohstoffe und ge-gebenenfalls zusätzliche landwirtschaftliche Reststoffe (Stroh) an, welche man entspre-chend im Silo (zwischen-)lagern muss. Gleiches gilt für Grünschnitt und Landschafts-pflegematerial, die insbesondere in den Sommermonaten anfallen (Vgl. Tabelle).

Andere Biogassubstrate hingegen stehen ganzjährig zur Verfügung. Kleine landwirt-schaftliche Anlagen werden dabei oftmals in unmittelbarer Nähe zu Ställen errichtet, sodass der Transportaufwand für Wirtschaftsdünger vermieden werden kann. Im Gegensatz dazu müssen organische Reststoffe aus der Agrarindustrie aber auch Kom-munen in regelmäßigen Abständen zu den Anlagen transportiert werden.

Saisonal anfallende Biogassubstrate Regelmäßig anfallende Biogassubstrate

Nachwachsende Rohstoffe wie Maissilage und Grassilage

Wirtschaftsdünger wie Mist und Gülle

Landwirtschaftliche Reststoffe wie Rübenblätter und Stroh

Reststoffe der Agrarindustrie wie Kartoffel-schlempe und Obsttrester

Grün- und RasenschnittOrganische Reststoffe aus Kommunen wie Biotonne und überlagerte Lebensmittel

Biogassubstrate können einen unterschiedlichen logistischen Aufwand erfordern

Page 42: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

42 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

KONTAKT

Volker Kromrey Bioenergie-Region Bodensee [email protected] www.bioenergie-region-bodensee.de

Vom Anbau der Wildpflanzen-mischungen versprechen sich die Naturschützer mehr Artenvielfalt

Foto: Deutsche Wildtier Stiftung

ERFAHRUNGSBERICHT

Vergärung mehrjähriger Wildpflanzenmischungen in der Bioenergie-Region Bodensee

Landwirte der Bioenergie-Region Bodensee haben 2011 insgesamt 28 Hektar einer neuen fünf-jährigen Kultur für Biogasanlagen angebaut. Dafür kam ein speziell gemischtes Saatgut (350 €/ha) mit einer Vielfalt von Arten regionaler Herkunft (z. B. Sonnenblume, Luzerne, Echter Eibisch, etc.) zum Einsatz, welches zuvor im Projekt „Lebensraum Brache“ entwickelt wurde. Der Fortschritt des Anbaus wird intensiv wissenschaftlich begleitet. Das Monitoring zur Biodiversität belegte hier schon im 1. Jahr eine 4- bis 5-fach erhöhte Insektenaktivität im Vergleich zu Mais. Außerdem sind erste positive Effekte beim Bodenschutz, Erosionsschutz und zur Bodenbedeckung zu erkennen. Erwartungsgemäß zeichneten sich darüber hinaus durch den Verzicht von Pflanzenschutzmitteln und ohne die jährliche Aussaat Einsparungen an Maschinen- und Personalkosten ab. Dies ist dank weniger Arbeitsgängen möglich.

Ein Ziel des Projektes ist auch die Versachlichung der Diskussion bezüglich der Biogaserzeugung. Der Anbau von Wildpflanzen ist jedoch nicht als Ersatz von Mais gedacht, sondern eher als eine Ergänzung. Die bisherigen Untersuchungen ergaben Erträge von 7 bis 11 t/ha (TM) und einen Biogasertrag, der zu ca. 60 bis 70 % an Mais heranreicht. In der Folge schlossen sich 2012 weitere Landwirte der Initiative an, wodurch nun schon 53 ha mehrjährig bewirtschaftet werden.

KONTAKT

Kathrin Albers Bioenergie-Region Südoldenburg [email protected] www.bioenergie-suedoldenburg.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Verbesserte Nährstoff-kreisläufe durch Gülle-separation in der Bioener-gie-Region Südoldenburg

Die beiden Landkreise Cloppenburg und Vechta der Bioenergie-Region Südoldenburg sind als Veredelungsregion durch einen sehr hohen Viehbesatz gekennzeichnet. Der enorme Gülleanfall führt zu einem Nährstoffüberschuss bei gleichzeitig negativem Nährstoffsaldo in den Ackerbau-gebieten, welche die Futtermittel bereitstellen. Diese regionalen Ungleichgewichte zu beseitigen, ist das Ziel des Projektes „Gülleseparation“ in der Bioenergie-Region. Dabei wird am Ort des Gül-leanfalls der feste Bestandteil mechanisch vom flüssigen getrennt und anschließend in die Region mit Nährstoffdefiziten transportiert. Dort wird er dann in Biogasanlagen eingesetzt. Der Gärrest kann anschließend als Wirtschaftsdünger ausgebracht werden.

Die Separation kostet im Mittel ca. 4 €/t. Bei hohen Kosten für Mineraldünger und nachwachsen-den Rohstoffen lohnt sich dieser Prozess in wirtschaftlicher Hinsicht. Die separierten Feststoffe erzielen einen Methanertrag von 42 bis 66 % des Ertrages von Mais. Etwa 2 Tonnen Güllefeststoff können damit eine Tonne Maissilage ersetzen. Maßgeblich sind ebenfalls die Transportkosten der Biogassubstrate. Bei Schweinegülle, die einen sehr hohen Wasseranteil hat, wird durch die Separation erreicht, dass mit jeder transportierten Tonne 7-mal mehr Methan als mit Rohgülle gewonnen werden kann.

In der ersten Projektphase stand die Verfahrenstechnik im Mittelpunkt. Nun soll in der zweiten Phase der tatsächliche Nährstoffausgleich geprobt werden. Die Vorteile aus diesem Vorgehen liegen in der Veredelungsregion bei einer Reduzierung der Nährstoffüberschüsse, während gleich-zeitig Entsorgungskosten gesenkt und ein Gewinn aus der festen Fraktion generiert wird. In der Ackerbauregion wird dagegen durch die Düngewirkung der zusätzlichen Gärreste eine Einsparung an Mineraldünger erreicht. In den Biogasanlagen können hier außerdem nachwachsende Rohstoffe substituiert und gleichzeitig der Güllebonus nach dem EEG in Anspruch genommen werden. Die Bonusauswirkung bei einer 500 kW-Anlage belaufen sich auf bis zu 74.000 € pro Jahr.9

Page 43: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 43

9 Vgl. Brauckmann, Hans-Jörg; Broll, Gabriele u. a. (2011): Biogaspotenzial der festen Güllefraktion Kowalewsky, Hans-Heinrich (2011): Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Güllefeststoffen in Biogasanlagen, Vechta Vorträge im Rahmen des Workshop Gülleseparation verfügbar unter: www.bioenergie-suedoldenburg.de/projekte-in-der-region/guelleseparation/ projekt-guelleseparation.html

10 Vgl. DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012, Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

11 Vgl. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) (Hrsg.) (2006): Handreichung Biogas: Biogasgewinnung und -nutzung, 3., überarbeitete Auflage, Gülzow

Ein zusätzlicher logistischer Aufwand entsteht, wenn Grünschnitte, landwirtschaftliche Reststoffe oder Bioabfälle aufbereitet werden müssen, bevor man sie in der Biogasan-lage verwenden kann. Insbesondere beim Einsatz von häuslichen Bioabfällen ist eine zusätzliche Sortierung des Substrats notwendig, da durch „Fehlwürfe“ durch die Ver-braucher nicht-vergärbare Stoffe (Plastik, Metall, etc.) in den Bioabfall gelangen. Auch wenn der Einsatz solcher Reststoffe einen höheren logistischen Aufwand erfordert, gewinnt er in vielen Regionen an Bedeutung. Dies liegt auch daran, dass hierdurch keine weiteren Flächen für den Anbau von Energiepflanzen beansprucht werden, was zu einer Akzeptanzsteigerung bei der lokalen Bevölkerung führt und die Kreislaufwirt-schaft stärkt. Dies sollte die Bioenergie-Initiative daher besonders unterstützen.

Beim Anbau nachwachsender Rohstoffe sind die Anlagenbetreiber aufgrund ökonomi-scher Faktoren angehalten, eine einfache Logistik und möglichst kurze Wege zu reali-sieren. Kaufen sie Substrate von außerhalb des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes zu, so stößt man besonders bei sehr großen Anlagen wegen der erhöhten Verkehrsbe-lastung schnell an die Grenzen der bürgerlichen Akzeptanz. Die Bioenergie-Initiative kann hier auch im Sinne der Konfliktvermeidung die Akteure zusammenbringen und eventuelle Optimierungsoptionen aufzeigen.

Wertschöpfungsstufe 3: BiogasanlagentechnikBezüglich der Anlagentechnik unterscheidet man bei Biogasanlagen zwischen zwei Verfahrensvarianten. Am weitesten verbreitet ist die Nassvergärung, bei der pump- fähige, also weitgehend flüssige Substrate zum Einsatz kommen, die permanent durch-mischt werden. Bei der Umfrage in den Bioenergie-Regionen macht diese Technik 85 % aller Biogasanlagen aus.10 Das Trockenvergärungsverfahren bietet sich z. B. bei Biomüll an, wo die Substrate nicht gepumpt werden können. In dem Fall wird in einem abge-schlossenen Behälter permanent eine mit Mikroorganismen versetzte Flüssigkeit, das sogenannte Perkolat, über die gestapelten Substrate gesprüht.11

Für die Bioenergie-Initiative ist erneut die Kenntnis der regionalen Rohstoffpotenziale wichtig. So findet man besonders in der Nähe von Städten mit umfangreichen Bio-müllaufkommen gute Argumente für eine Trockenvergärungsanlage. Damit werden andere Ressourcen geschont und die Kreislaufwirtschaft unterstützt.

Auf dieser Wertschöpfungsstufe kommt neben der Art der Anlage außerdem der Dimensionierung sowie dem Betrieb eine wichtige Rolle zu. Denn sowohl die Subst-ratmenge als auch die Umgebungsbedingungen in den Behältern beeinflussen stark die Biogasausbeute. Hier sollte die Bioenergie-Initiative einen starken fachlichen Austausch oder die wissenschaftliche Begleitung der Anlagenbewirtschaftung unter-stützen. Durch Verbesserungsmaßnahmen kann man oftmals eine höhere Effizienz der Bioenergieerzeugung erreichen.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Döhler, Helmut (2009): Faustzahlen Biogas. Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Land-wirtschaft, Darmstadt

Page 44: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

44 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Sieben Landwirte schlossen sich in der Bioenergie-Region Weserbergland plus zusammen, um gemeinsam eine neue Biogasanlage zu errichten. Nachdem der Plan, eine klassische Biogasan-lage zu bauen, wegen des voraussichtlich zu geringen Wärmenutzungsgrades wieder verworfen wurde, entschieden sich die beteiligten Landwirte für eine Gasdirekteinspeisungsanlage. Ende 2011 ging die Anlage mit einer Leistung von 1,65 MW Stromäquivalent ans Netz.

Die Anlage ist technisch so konzipiert, dass ca. 85 % der Gesamtleistung in die Erzeugung von Biomethan mit anschließender Netzeinspeisung fließen. Die übrigen 15 % werden für den Betrieb eines mit Biogas betriebenen 250 kW-BHKW benötigt, das den erzeugten Strom ins öffentliche Netz einspeist und die anfallende Wärme für den Gärprozess zur Verfügung stellt.

Der größte Teil des erzeugten Rohbiogases wird mittels Druckwechsel-Adsorption auf bis zu 97 % Methangehalt aufbereitet. Anschließend wird der Druck des Bio-Erdgases auf 70 bar er-höht, sodass es mit 350 cbm pro Stunde in das Hochdruckgasnetz der E.ON Avacon eingespeist werden kann. Eine Besonderheit am Standort Eimbeckhausen ist dabei, dass diese Verfahrens-schritte von den Landwirten selbst betrieben und unterhalten werden, lediglich die Konditio-nierung und die Einspeisung des Gases wird vom Gasnetzbetreiber vorgenommen.

KONTAKT

Henning Kipp Bioenergie-Region Altmark [email protected]

n=141

Substratanteile für die Biogasanlagen

Quelle: DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012. Datenstand: 2011. Noch nicht veröffentlicht. Leipzig.

29 % Rindergülle

2 % SonstigerWirtschaftsdünger

2 % Rindermist

34 % Schweinegülle

25 % Maissilage

2 % Sonstige NachwachsendeRohstoffe

2 % Roggen-GPS2 % Grassilage

2 % Nebenprodukte,Rückstände, Abfälle

GR

GR

GR

F1

F1

F2

F1 F2

ursprünglicheKon�guration

Repowering:serielleKon�guration

Repowering:paralleleKon�guration

Vorteil:Kaskadeneffekt(Minimierung des Austragsfrisch zugeführten Substrats)Nachteil:weiterhin hoch belasteterFermenter 1 („Flaschenhals“)

Vorteil:Entlastung des hoch belastetenFermenter 1Nachteil:Kaskadeneffekt nicht nutzbar

ERFAHRUNGSBERICHT

Optimierung von Biogasanlagen in der Bio-energie-Region Altmark

In der Bioenergie-Region Altmark gaben bei einer Umfrage zahlreiche Betreiber der 65 Biogas-anlagen an, dass sie einen Handlungsbedarf zur Optimierung ihrer Anlagen sehen. Sie beschäf-tigten besonders der Einsatz von neuen Substraten, ein hoher Wartungsaufwand der Technik sowie teils zu niedrige Methanerträge. Deshalb startete die Region das Projekt „Repowering landwirtschaftlicher Biogasanlagen“. Ziel war die Verbesserung der technischen und ökonomi-schen Leistung und somit der Effizienz des altmärkischen Biogasanlagen-Pools.

Die Studie basierte auf den unmittelbaren Daten der Betreiber sowie vertieften Analysen von sechs Biogasanlagen. Nach Abschluss der Betreiberbefragung haben die Wissenschaftler Ver-besserungsmöglichkeiten erarbeitet, die auf andere Biogasanlagen übertragen werden können. Dabei wurden auch einfach umzusetzende Optimierungsmöglichkeiten identifiziert, wo die Betreiber jedoch teils noch keinen Handlungsbedarf gesehen hatten. Die Ursachen für Minder-funktionen wurden kategorisiert und konkrete Empfehlungen der Problembeseitigung vorge-schlagen. So führen zum Beispiel angepasste Anlagenlayouts und Bioprozesse zu einem höheren Gasertrag und damit zu mehr Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz. Die Ergebnisse der Studie und vorgeschlagene Optimierungsmöglichkeiten wurden bei einem Biogas-Stammtisch kommuni-ziert und in einer Broschüre zugänglich gemacht. Einzelne altmärkische Biogasanlagenbetreiber haben inzwischen ihre Anlagen durch Repoweringmaßnahmen optimiert. Dies dient auch für weitere als Vorbild, bestehende Potenziale zur Effizienzsteigerung an der Anlage zu nutzen.

Repowering einer einstufigen Biogasanlage (F Fermenter; GR Gärrestlager): Durch einen nachgerüsteten zusätzlichen Fer-menter (F2) lässt sich der Betrieb einer Biogasanlage optimieren

Quelle: Cordes & Winterberg GbR (2012): Empfehlungen zur Auslegung, zum Betrieb und zur Optimierung von Biogasanlagen – Ergebnisse einer Untersuchung in der Altmark, Biederitz (Magde-burg), Leipzig, Stendal

KONTAKT

Folkart MüllerBioenergie-Region Weserbergland plus [email protected] www.bioenergie-weserberg land-plus.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Die Biomethananlage Eimbeckhausen in der Bioenergie-Region Weserbergland plus

Page 45: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 45

Wertschöpfungsstufe 4: AufbereitungAuf dieser Stufe kann die Bioenergie-Initiative die Veredelung von Produkten zur Er-höhung der Erlöse unterstützen. Dies betrifft auch die Verwertung der Gärreste, welche anstatt der klassischen Nutzung als Dünger im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb auch getrocknet und verkauft werden können. Das ist vor allem in Veredelungsregio-nen interessant, wo die Nährstoffüberschüsse den Abtransport der Gärreste in nähr-stoffarme Regionen erfordern. Im trockenen Zustand können so Einsparungen von Lagerkapazität und Transportkosten erzielt werden.12

Auf dieser Wertschöpfungsstufe findet ebenfalls die Aufbereitung des Biogases auf Erdgasqualität statt, welches anschließend als Kraftstoff verkauft oder ins Gasnetz ein-gespeist wird. Die Gasaufbereitung ist in 10 Bioenergie-Regionen vorhanden und soll in weiteren 15 Regionen zukünftig ausgebaut werden.13 Häufig benötigen die Akteure Unterstützung beim Zugang zum Gasnetz oder bei der Schaffung von Akzeptanz für den Bau der oftmals sehr großen Anlagen zur Biomethanproduktion. Die Bioenergie-Initiative kann aber auch nach Möglichkeiten suchen, mehrere bestehende Biogasanla-gen für eine gemeinsame Gasaufbereitung zu gewinnen.

12 Vgl. Cordes & Winterberg GbR (2012): Empfehlungen zur Auslegung, zum Betrieb und zur Optimierung von Biogasanlagen – Ergebnisse einer Untersuchung in der Altmark, Biederitz (Magdeburg), Leipzig, Stendal

13 Vgl. DBFZ: Erhebung der Wertschöpfungsketten in den Bioenergie-Regionen 2012, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Foto: FNR/Julia Knop

Page 46: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

46 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

Bei der Errichtung der Biogasanlage Rothenkirchen/Rambin auf Rügen hat man von Beginn an auf ein innovatives und effizientes Wärmekonzept gesetzt. Die mit nachwachsenden Rohstoffen betrieben Anlage, welche im Jahr 2010 gebaut und im Frühjahr 2011 in Betrieb genommen wurde, hat eine Gesamtleistung von 2,8 MWel. Insgesamt sind 6 Satelliten-BHKWs an die An-lage angeschlossen. Zwei Blockheizkraftwerke befinden sich direkt in Rothenkirchen. Ein wei-teres Satelliten-BHKW steht im rund 4 km entfernten Nachbarort Samtens und versorgt dort 350 Wohneinheiten mit Wärme. In der Inselhauptstadt Bergen (Luftlinie 15,6 km) wurden drei weitere Satelliten-BHKWs installiert, sie speisen ihre Wärme in eine Fernwärme-Ringleitung ein. Diese beliefert mehrere Wohngebiete mit ca. 6.500 Wohnungen sowie das Zentrum von Bergen auf Rügen. Neben den Wohnungen werden auch mehrere Schulen, Verwaltungsgebäu-de und Hotels mit kostengünstiger und CO2-neutraler Wärme versorgt. Die Satelliten-BHKWs

der Biogasanlage Rothenkirchen wie auch die bei-den BHKWs einer anderen Biogasanlage in Bergen sind durch eine Rohbiogasleitung mit einer Länge von insgesamt fast 18 Kilometer verbunden. Dieses Konzept ist im Vergleich zu üblichen Wärmeleitun-gen besonders effizient, da die Wärmeverluste der Leitung minimiert werden. Die Biogasproduktion und die Erweiterung des bestehenden Nahwärme-netzes spart jährlich Brennstoffe mit einem Heiz-wert von 2,8 Mio. Liter Heizöl ein und vermeidet 5.600 Tonnen CO2-Emissionen.14

14 Vgl. C4 Energie AG (2012): C4 Energie AG – Internetauftritt; verfügbar unter: www.c4energie.de (30.07.2012)

KONTAKT

Susanne Buchholz Öffentlichkeits- und Pressearbeit Bioenergie-Region Rügen [email protected] www.ruegen-voller-energie.de

Die Verlegung der Gasleitung von der Biogasanlage Rothenkirchen

Foto: C4 Energie AG

ERFAHRUNGSBERICHT

Rohbiogasleitung mit Satelliten-BHKWs in der Bioenergie-Region Rügen

ERFAHRUNGSBERICHT

Das Nahwärmenetz Hollfeld in der Bioenergie-Region Bayreuth

Als eines von vielen guten Beispielen für Wärmenetze dient die Nahwärmeversorgung der Stadt Hollfeld. Hier entstand durch Neuanschlüsse an das bestehende Wärmenetz ein zusätzlicher Wärmebedarf, der die dazugehörige Hackschnitzelheizung samt dem auf Heizöl basierenden Spitzenlastkessel immer stärker auslastete. In der Folge schlossen sich zahlreiche regionale Ak-teure zur Errichtung einer neuen Biogasanlage zusammen, um die Wärmeversorgung durch die langfristige Energiequelle Biogas zu ergänzen. Die neue GmbH ist durch eine 100 %ige regionale Investoren- und Betreiberstruktur gekennzeichnet.

Seit der Inbetriebnahme des Blockheizkraftwerkes leitet eine ca. 700 m lange Wärmetrasse die Wärme an das Biomasseheizwerk. Von dort werden die ca. 7.200 kWh Wärmeenergie (das entspricht ca. 720 Liter Heizöl/Tag) über das 3 km lange Wärmenetz an die Kunden verteilt. Das erlaubt eine Ausnutzung von 70 bis 80 % der Gesamtwärme aus der Biogasverstromung. Jede Kilowattstunde Wärme, die von der Biogasanlage an das Biomasseheizwerk weitergegeben wird, bringt den Betreibern eine zusätzliche Einnahme von 2,5 Cent zum Stromverkauf ein. Dies sichert den Wärmeversorgern selbst bei einem (typischen) netzseitigen Wärmeverlust von fast 15 % einen wirtschaftlich tragfähigen Betrieb.

Beim Abschluss von Verträgen mit den Wärme-kunden hat sich gezeigt, dass es empfehlens-wert ist, Klauseln zur Preisanpassung aufzu-nehmen beziehungsweise die Laufzeit nicht zu lange zu gestalten. So kann man auf geänderte Konditionen der Brennstoffbereitstellung reagieren. Auch bei der Biogasproduktion ist die Preisstabilität der Rohstoffe nicht langfristig gewährleistet, wodurch eine Anpassung des Wärmepreises erforderlich werden kann.

KONTAKT

Bernd Rothammel Bioenergieregion Bayreuth bernd.rothammel@region-bay reuth.de www.region-bayreuth.de/ Bioenergieregion.aspx

Manuel Appel Bioenergie Hollfeld GmbH [email protected]

Heizanlage in Hollfeld

Foto: Gerhard Leikam

Page 47: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 47

Wertschöpfungsstufe 5: EnergieproduktionDas gewonnene Rohbiogas wird alternativ zu der in Stufe 4 beschriebenen Aufberei-tung zumeist direkt einer Verbrennung zugeführt. Üblich ist hier die Kraft-Wärme-Kopplung in Ottomotoren, Stirlingmotoren oder Mikrogasturbinen, welche jeweils mit einem Generator gekoppelt sind. Aber auch die Verwendung in Brennstoffzellen ist möglich. Mit diesen Technologien soll in erster Linie Strom produziert werden. Die überschüssige Wärme wird je nach Verwendungsmöglichkeit extern abgegeben.

Damit der Standort der Wärmeproduktion mit den vorhandenen Wärmesenken mög-lichst übereinstimmt, kann das Biogas über eigens errichtete Gasleitungen zu ausge-lagerten Satelliten-BHKWs transportiert werden. Dort wird dann die erzeugte Energie effizienter genutzt. Aus Umfragen geht hervor, dass bereits fast 15 % der beteiligten Biogasanlagen mit einer solchen externen Energieproduktion ausgestattet sind.15 Die Identifikation solcher potenzieller Standorte für Satelliten-BHKWs sollte die Bioener-gie-Initiative aktiv unterstützen. Dabei ist es hilfreich, wenn die Verlegung der nötigen Leitungen sogar gemeinsam mit anderen Leitungsarbeiten erfolgt. Die Initiative kann hierbei die involvierten Akteure für eine vorausschauende Planung sensibilisieren.

Wertschöpfungsstufe 6: Verkauf ProdukteDer in Wertschöpfungsstufe 5 erzeugte Strom wird zu einem Festpreis nach EEG vergütet. Immer stärker gewinnt auch die Direktvermarktung des Stromes an Bedeutung. Falls das Biogas nicht verbrannt, sondern stattdessen auf Erdgasqualität aufbereitet wird, kann es außerdem als Kraftstoff verkauft oder direkt ins Gasnetz abgegeben werden.

Die Wärme, die bei der Verstromung anfällt, wird je nach Betriebskonzept auf unter-schiedlichste Art verwendet. Vor allem dort, wo die anfallende Wärme noch nicht effektiv ausgenutzt wird, kann die Bioenergie-Initiative Wärmekonzepte anstoßen. Die folgende Abbildung gibt basierend auf der netzwerkspezifischen Umfrage in den Bioenergie-Re-gionen einen Überblick über die derzeitige Wärmeverwendung von Biogasanlagen.

Das Umfrageergebnis zur externen Wärmeverwendung aus Biogasanlagen zeigt die hohe Bedeutung von Nahwär-menetzen für den privaten und öffentlichen Sektor

Quelle: DBFZ – Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012, Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Quelle: DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012. Datenstand: 2011. Noch nicht veröffentlicht. Leipzig.

9 % Nahwärmenetz fürprivate Haushalte

1 % Nahwärmenetz füröffentliche Gebäude

34 % Nahwärmenetzgemischte Nutzung

12 % WärmeversorgungIndustrie/Gewerbe

23 % Holz- undGetreidetrocknung

11 % Landwirtschaft-liche Eigennutzung

10 % Wärmenutzungnicht kategorisierbar

n=137

Umfrageergebnis zur externen Wärmeverwendung aus Biogasanlagen

15 Vgl. DBFZ: Stoffstromanalyse in Bioenergie-Regionen 2012, Datenstand: 2011, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Page 48: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

48 Vom Potenzial zum Projekt: Technische und ökonomische Aspekte

3.3.3 Übergreifende Empfehlungen aus technisch-ökonomischer SichtDie vorangegangenen Beispiele und Erfahrungen der Regionen zeigen eine Vielfalt von Handlungsansätzen, die mit der Bioenergienutzung verbunden sind. Die regionale Bio-energie-Initiative beinhaltet Initiatoren, Promotoren und verschiedene Netzwerke und Gruppierungen, die den Ausbau der Energieerzeugung aus Biomasse in ihrer Region voran treiben wollen (Vgl. Kapitel 2 und 5). Als Teil dieser Initiative können Sie sicher-lich nicht alle Aspekte bedienen, mit denen man sich hier potenziell auseinandersetzen kann. Um Ihnen den Überblick für die ganzheitliche Ausrichtung einer Gesamtstra-tegie Ihrer Bioenergie-Initiative zu erleichtern, fassen wir hier die wichtigsten techni-schen Aspekte noch einmal zusammen.

RohstoffeGrundsätzlich sollten Sie versuchen, einen Überblick über regional verfügbare bio-gene Rohstoffe zu gewinnen. Damit können Sie abschätzen, ob erstens ggf. ungenutzte Potenziale vorhanden sind und zweitens die Produktion von Biomasse eventuell Nut-zungskonkurrenzen birgt. Die Schaffung von Win-Win-Effekten hilft Ihnen besonders bei der Etablierung neuer Rohstoffe, wie Kurzumtriebsholz oder Wildpflanzensubstrate. Gleichzeitig lassen sich dadurch die besten Argumente zur Motivation verschiedener Akteursgruppen finden.

Rohstoffaufbereitung, Logistik, HandelDie drei Wertschöpfungsstufen Aufbereitung, Logistik und Handel liegen organisa-torisch oftmals nah beieinander. Gegebenenfalls lässt sich hier eine Zusammenarbeit erzielen. Ziel sollte es sein, neue Maßnahmen im regionalen Kontext zu integrieren. So sollte ein neues Projekt von Beginn an auf Synergieeffekte und eine effiziente Logistik ausgerichtet sein. Dafür ist stets auch eine Abschätzung der regionalen Verbraucher-strukturen sowie deren Entwicklung hilfreich. Akteure, die auf diesen regionalen Bedarf ausgerichtet sind, fördern regionale Stoffkreisläufe und sind daher besonders unterstützenswert.

Technik und EnergieerzeugungDie Frage nach der Wahl der Technologie zur Erzeugung von Bioenergie richtet sich stets nach den verfügbaren Rohstoffen sowie in gewissem Maße auch nach den unter-nehmerischen Mut der Akteure. Sie sollten bei der Suche nach Bioenergieprojekten deswegen solche Ideen unterstützen, die auf einem sicheren Rohstoffpotenzial fußen. Insbesondere bei neuartigen Technologien und Innovationen können Sie den fach-lichen Austausch bei der Bewirtschaftung der Anlagen mitgestalten und damit even-tuellen Problemen vorbeugen. Daneben sind manche Akteure auch auf Ihre Hilfe bei der Überwindung von Hürden, wie z. B. dem Anschluss von Anlagen an das Erdgasnetz, angewiesen. Außerdem können Sie bei bestehenden Anlagen technische Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz anstoßen. Nach Möglichkeit und je nach Wirtschaftlichkeit ist immer eine Kopplung von Strom- und Wärmeproduktion mit einer höchstmögli-chen Energieausnutzung vorzuziehen.

Die Wahl des Standortes von Bioenergieanlagen sollte sich an den Verbrauchsstruk-turen orientieren. So können Sie darauf hinwirken, dass Heizwerke oder Satelliten-BHKWs in unmittelbarer Nähe großer beziehungsweise zahlreicher Abnehmer er-richtet werden. Kommen keine Versorgungsnetze in Frage, so sollten Sie auch auf die einzelnen Verbraucher zugehen. Denn im privaten Bereich fehlt es oft noch am Mut in teilweise unbekannte Technologien, wie zum Beispiel automatisch beschickte Stück-holzkessel, zu investieren. Sie sollten daher über die Möglichkeiten und Vorteile aller Technologien aufklären.

Foto: FNR/Zdenka Hajkova

Page 49: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 49

Verkauf der ProdukteWährend der Stromverkauf klar geregelt ist, braucht die Wärmeversorgung teils aus-geklügelte Konzepte, um eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Sie können hier vor allem dazu beitragen, dass sich die lokale Bevölkerung auch an Wärmeprojekten be-teiligt. Dafür sollten Sie Anwohner als auch Firmen von ihren Vorteilen der Bioenergie überzeugen. Ziel ist, die möglichst vollständige Ausnutzung der anfallenden Wärme. Für den Anlagenbetreiber hingegen ist es relevant, dass die Abnahmestrukturen auch dauerhaft bestehen bleiben, was im ländlichen Raum, der besonders vom demografi-schen Wandel betroffen ist, nicht immer selbstverständlich ist.

In manchen Regionen kommen außerdem jüngst neue Technologien zur dezentralen Bereitstellung von Kraftstoffen auf. Auch hierbei können Sie die Verbraucher anspre-chen und zu einem Umstieg auf Bioenergie motivieren.

Die in diesem Ratgeber enthaltenen Beispiele und Hinweise sind nur ein Bruchteil der Möglichkeiten. Sie sollten sich deshalb intensiv mit anderen Bioenergie-Initiativen ver-netzen. Denn eventuell wurden schon in anderen Regionen Erfahrungen gemacht, die Sie vor so manchen Fettnäpfchen bewahren können.

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 50: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

50 Prozesse und Strukturen

4 Prozesse und Strukturen Im Zentrum dieses Kapitels stehen die „weichen“ Faktoren der Nutzung von Bioenergie in Regionen: Netzwerke und Akteure, Akzeptanz und Konflikte, Wissen und Kommu-nikation sowie die Frage der Strukturen und Verstetigung regionaler Bioenergie-Initia-tiven.

Was unter einem Netzwerk zu verstehen ist; welche Typen von Netzwerken unter-schieden werden können; welche Chancen für den Ausbau der Bioenergienutzung damit verbunden sind und wie Netzwerke aufgebaut und entwickelt werden können, wird einleitend im ersten Kapitel beschrieben. Hier finden Sie auch einen Schnelltest zur Analyse und Weiterentwicklung des Netzwerkes Ihrer regionalen Bioenergie-Ini-tiative.

Was können regionale Bioenergie-Initiativen konkret tun, um die Akzeptanz für die Bioenergienutzung zu erhalten und zu erhöhen und Konflikte zu vermeiden und zu lösen? Diese Fragen werden im Kapitel „Akzeptanz- und Konfliktmanagement“ be-antwortet.

In Kapitel 4.3 „Wissensmanagement und Kommunikation“ wird beschrieben, wie regionale Bioenergie-Initiativen Wissen „managen“, kommunizieren und vor allem die Nutzung von Wissen befördern können.

Mögliche Strukturen und Organisationsformen einer regionalen Bioenergie-Initiative wie z. B. Energieagenturen oder Energiegenossenschaften und deren langfristige Ver-stetigung stehen im Fokus des abschließenden Kapitels „Strukturen und Verstetigung“.

4.1 Netzwerke, Netzwerktypen und AkteureNetzwerke aufbauen, sich vernetzen, das ist modern, und das nicht ohne Grund. Netz-werke bergen große Potenziale, „Dinge“ zu erreichen. Aber „Netzwerken“ ist kein ein-faches Geschäft und stellt so manchen Akteur vor Herausforderungen – zumal kaum eindeutig geklärt ist, was unter einem Netzwerk eigentlich zu verstehen ist. Hier ein Angebot:16

→ Das Netzwerk ist eine Organisationsform jenseits der Organisation, ohne verbind-liche Mitgliedschaften, ohne starre Zielsetzung, ohne feste Ämter, gewählte Ver-treter, übertragene Zuständigkeiten. Aus einem Netzwerk kann sich eine Organisa-tion entwickeln, dann geht es möglicherweise in dieser auf.

→ Das Netzwerk ist eine Art dauerhafte Vorstufe von Kooperationen, also (vertrag-lich) gesicherter, gemeinsamer Aktivitäten mehrerer Akteure. Im funktionierenden Netzwerk bahnen sich immer wieder solche Kooperationen an, die Kooperation selbst liegt aber außerhalb des Netzwerks.

Genau genommen ist ein Netzwerk nichts anderes als der (gezielte) Aufbau und die Pflege von bestimmten zwischenmenschlichen oder zwischeninstitutionellen Bezie-hungen. Wer netzwerkt, pflegt seine Beziehungen, um ihnen eine bestimmte Qualität zu verleihen. Wer dies gut macht, der kann sie zu gegebener Zeit nutzen, eben um „Din-ge“ in Bewegung zu setzen. Hier werden klare Anforderungen an jedes Netzwerkmit-

16 Vgl. dazu vertiefend beispielsweise Bauer-Wolf, Stefan; Harald Payer; Günter Scheer (Hrsg.) (2008): Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, Wien (hier insbesondere die Kapitel „Netzwerk, Kooperation, Organisation“ sowie „Die Kunst des Netzwerkens“)

Foto: ZebiO e. V.

Page 51: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 51

glied gestellt: Wer vom Netzwerk profitieren will, der muss sich aktiv einbringen und kümmern, denn dabei ist nur, wer mitmacht. Eine passive Mitgliedschaft gibt es nicht. Das ist die eine Seite.

Und dann ist da noch die andere Seite: Ein großes Potenzial zur Umsetzung von „Din-gen“ im Netzwerk ist nur dann vorhanden, wenn viele gut netzwerken. Wer geschickt ist, kann andere anregen, mehr und erfolgreicher als zuvor zu netzwerken, aber einer alleine kommt nicht weit. Es müssen viele aktiv sein.

FazitRegionale Netzwerke sind Gebilde aus potenzialgeladenen handlungsstarken Bezie-hung zwischen Akteuren, die die Region tatkräftig nach vorne bringen können – wenn sie es wollen, und wenn die notwendigen zwischenmenschlichen Qualitäten vorhan-den sind.

4.1.1 Soziale Netzwerke haben spezifische EigenschaftenWelche Qualitäten sind es denn nun, die ein regionales Netzwerk stark machen? Die sozialwissenschaftliche Begleitforschung hat mithilfe von Netzwerkanalysen in allen 25 Bioenergie-Regionen Eigenschaften der Akteursbeziehungen in den Regionen untersucht und vor allem drei Aspekte herausgearbeitet. Sie bilden die Grundlage für den „Schnelltest Regionalnetzwerk“ (Kapitel 4.1.3), der Ihnen bei der Einschätzung Ihres eigenen Netzwerks helfen soll. Die folgende Beschreibung der drei Aspekte stellt jeweils gegensätzliche Pole dar.17 Die Netzwerkrealitäten liegen in der Regel irgendwo dazwischen:

a) Soziale Netzwerke können offen oder geschlossen seinWer offen ist, hört und sieht viel Neues, lernt dazu, weiß immer einen, der einen kennt, wenn eine Frage aufkommt. In offenen Netzwerken steckt Potenzial für den Wissens-erwerb und -transfer. Aber man kennt sich oftmals kaum. Wenn etwa gemeinsam Geld in die Hand genommen werden soll, stellt sich die Vertrauensfrage. Hier sind geschlos-sene Netzwerke klar im Vorteil. Man kennt sich gut, man vertraut sich, man hat wahr-scheinlich schon öfter gemeinsam gehandelt, also kann man es wieder tun. Hier steckt Potenzial für die tatkräftige Unterstützung gemeinsamer regionaler Projekte. Stattdes-sen kann aber der Blick für Neues und Innovatives schnell in den Hintergrund geraten: „Was gestern gut war, kann morgen doch nicht schlecht sein.“

17 Vgl. dazu vertiefend Elbe, Judith (2011): Die Wirksamkeit von Sozialkapital in der Regionalentwicklung, Aachen, (hier insbesondere Kapitel 7 „Entwicklung einer Netzwerktypologie“)

18 Visone ist eine frei verfügbare Spezialsoftware zur grafischen Aufbereitung und Auswertung von Netzwerk-daten aller Art.

Links ein geschlossenes Netzwerk mit eng verbundenem Kern und kaum Kontakten nach außen, rechts ein offenes Netzwerk mit vielen Außenkontakten, erkennbar an den fächerartigen Strukturen am Rand

Quelle: SPRINT GbR, eigene Darstellung, erzeugt mit Visone

Weitere Informationen und Download unter: www.visone.info

Page 52: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

52 Prozesse und Strukturen

b) Soziale Netzwerke können zentralisiert sein oder aus mehreren Untergruppen bestehen

In manch einem Netzwerk führen alle Wege nach Rom, also zu einem oder einigen wenigen zentralen Akteuren. Dies deutet auf großes Vertrauen in deren Fähigkeiten hin, hier ist man gewillt, sich leiten zu lassen und mitzuziehen. In zentralisierten Netz-werken liegt Potenzial für das Anstoßen und Umsetzen planvoller regionaler Projekte. Gleichzeitig lässt hier das Engagement des Einzelnen tendenziell nach, denn man verlässt sich auf die zentralen Akteure. Spätestens wenn dann von diesen einer ausfällt, gerät das ganze Netzwerk in Not.

Andere Netzwerke bestehen aus mehreren Gruppen, welche wiederum miteinander eher lose verbunden sind. Diese Gruppen beschäftigen sich jeweils mit eigenen The-men und tauschen sich untereinander mehr oder weniger regelmäßig aus. In solchen Netzwerken steckt Potenzial für anerkannte, abgestimmte Lösungen, eine Verhand-lungskultur, manchmal auch für einen regionalen Fokus. Gleichzeitig droht die Gefahr, sich zu verzetteln, ewig zu diskutieren, nicht zum handfesten Ergebnis und einer Projektumsetzung zu kommen.

Im zentrierten Netzwerk links zeichnen sich die zentralen Akteure durch die vielen auf sie gerichteten Pfeilspitzen ab, das rechte Netzwerk lässt sich klar in verschiedene Gruppen einteilen

Quelle: SPRINT GbR, eigene Darstellung, erzeugt mit Visone

c) Soziale Netzwerke können durchmischt oder homogen seinNicht nur die Qualität der Beziehungen, auch der Blick auf die Herkunft der einzelnen Akteure im Netzwerk kann aufschlussreich sein. Der Sozialwissenschaftler ordnet Ak-teure üblicherweise nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft oder Bildungsstand. Für den regionalen Zusammenhang können auch Funktion oder Fach-gebiet von Interesse sein (s. u.). Netzwerke können sich durch eine große Einheitlichkeit bzw. Homogenität in der Herkunft ihrer Akteure auszeichnen. Übereinstimmungen in mehreren Merkmalen zwischen Menschen spricht die sozialwissenschaftliche Theorie eine verbindende, vertrauensbildende Wirkung zu. In solchen Netzwerken fühlen sich die Akteure möglicherweise besonders wohl und zu Hause. Es sollte hier leicht möglich sein, gemeinsame Interessen und Ziele zu finden, zu verfolgen und umzusetzen. Gleichzeitig geht eine Verbindung über Gemeinsamkeiten immer mit einer Abgren-zung gegenüber Fremdem einher. Solche Netzwerke laufen daher Gefahr, starr, un-flexibel und innovationsfeindlich zu sein. Andere Netzwerke erscheinen dagegen bunt gemischt. Da die Akteure äußerlich vermeintlich nichts gemeinsam haben, ist hier an-zunehmen, dass man sich aufgrund des Themas zusammengetan hat. Solche Netzwerke haben Potenziale in der gemeinsamen und immer innovationsoffenen Interessen-vertretung. Zugleich sind sie aber immer von Instabilität bedroht, wenn gemeinsame Themen verloren gehen, keine Einigung erzielt wird oder Projekte abgeschlossen sind.

Page 53: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 53

Links ein homogenes Netzwerk, erkennbar an Gruppen mit gleichfarbigen Punkten, rechts ein integriertes bunt zusammen-gesetztes Netzwerk

Quelle: SPRINT GbR, eigene Darstellung, erzeugt mit Visone

FazitNetzwerke weisen individuell ganz unterschiedliche Eigenschaften auf, die zu entspre-chend spezifischen Möglichkeiten und Grenzen für genau dieses Netzwerk führen. Ein regionales Bioenergie-Netzwerk sollte ein geeignetes Maß an Potenzialen im Bereich Wissenstransfer und Innovationsfähigkeit auf der einen und Handlungsfähigkeit zur Umsetzung regionaler Projekte auf der anderen Seite aufweisen.

4.1.2 Netzwerkakteure und deren ZusammensetzungAkteure, die im regionalen Zusammenhang mit Bioenergie zu tun haben können oder sollen, gibt es viele. Zu den typischerweise mit regionaler Entwicklung befassten Ak-teuren kommen alle Beteiligten der Wertschöpfungsketten rund um die Bioenergie einschließlich der Endverbraucher hinzu. Die Zusammensetzung der Netzwerke ver-ändert sich zudem in vielen Regionen im Laufe der Zeit. So können in der Anfangspha-se etwa mehr politische Akteure beteiligt sein, die sich dann zurückziehen und durch Wirtschaftsakteure ersetzt werden. Im Vergleich der 25 Bioenergie-Regionen wurde außerdem deutlich, dass je nach inhaltlicher Ausrichtung ganz unterschiedliche, nicht unbedingt klassische Bioenergie-Akteure, etwa Kunstschaffende in der Region Bay-reuth oder Bildungsträger im Jena-Saale-Holzland, dazu kommen. Hier kann deshalb nicht mit einer Liste notwendig zu beteiligender Akteure aufgewartet werden. Stattdes-sen kann festgehalten werden, dass für ein starkes Netzwerk vor allem eines wesentlich ist: Vielfalt!

Mit Blick auf die oben beschriebenen Potenziale eines regionalen Netzwerks sind zwei Aspekte von Interesse:a) die Zusammensetzung der Akteure undb) deren Durchmischung innerhalb des Netzwerks.

Für die Netzwerkanalysen innerhalb der Begleitforschung wurden die untersuchten Akteure entsprechend ihrer Funktionen 9 Gruppen zugeordnet:

→ Land- und Forstwirtschaft, → produzierende Unternehmen, → Dienstleistungsunternehmen, → Finanzwirtschaft, → Politik, → Verwaltung, → regional ausgerichtete Akteure, → NGOs, → Natur- und Umweltschutz und → Wissenschaft.

Page 54: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

54 Prozesse und Strukturen

Vielfalt im Netzwerk lässt sich so an möglichst vielen vertretenen Gruppen erkennen. Außerdem ist interessant, ob die Funktionen der Akteure innerhalb der einzelnen Gruppen ebenfalls variieren (besteht etwa die Land- und Forstwirtschaftsgruppe nur aus Landwirten, oder sind außerdem der Bauernverband, die Waldbauernvereinigung, die Landfrauen und die Revierförsterei eingebunden). Auch ohne Netzwerkanalyse haben regional aktive Akteure ein Gefühl dafür, ob es dominante Interessengruppen in der Region gibt, gegen die kaum anzukommen ist, ob immer nur die „üblichen Ver-dächtigen“ oder regelmäßig neue Gesichter bei wichtigen Aktivitäten auftauchen, und auch, ob es Akteure gibt, die man gerne dabei hätte, die aber nicht zu greifen sind.

FazitVielfalt und gute Durchmischung im Netzwerk sind wesentlich für sein Innovations- und Transferpotenzial! Prinzipien aus Natur und Wirtschaft gelten auch hier: Vielfalt macht flexibel gegenüber Veränderungen und sichert langfristig den Fortbestand des Netzwerks. Bei einer guten Breite und Mischung findet sich schnell Kontakt zu einzelnen fehlenden Akteuren. Wo dagegen wenig Substanz ist, muss diese erst mühsam aufgebaut werden.

4.1.3 Schnelltest RegionalnetzwerkWollen Sie in Ihrer Region ein Bioenergie-Netzwerk aufbauen und wissen, ob es bereits gute Voraussetzungen dafür gibt? Oder arbeiten Sie bereits mit oder in einem regiona-len Netzwerk und möchten herausfinden, welche Qualitäten dieses Netzwerk aufweist? Die folgenden Fragen orientieren sich an den oben beschriebenen verschiedenen Netzwerkeigenschaften und ermöglichen es, auf Grundlage von Orts- und Akteurs-kenntnissen selbstständig eine Charakterisierung des eigenen regionalen Netzwerks vorzunehmen.

Diese Charakterisierung erlaubt dann eine Diagnose möglicher Potenziale und Schwie-rigkeiten des Netzwerks. Mit den anschließenden Empfehlungen auf Seite 56 wollen wir Ihnen eine Möglichkeit anbieten, die Netzwerkentwicklung im Sinne der Bioener-gie und der Region zu unterstützen.

Denken Sie bei der Beantwortung der Fragen ganz grundsätzlich und unabhängig von sogenannten Netzwerkaktivitäten an die Akteure in ihrem Umfeld, mit denen sie öfter zu tun haben und deren Zusammenarbeit Sie ein Stück weit einschätzen können. Lösungsansätze finden Sie auf den folgenden Seiten.

Sieben Fragen zum regionalen Netzwerk1) Fallen Ihnen auf Anhieb Personen ein, die zu Ihrem potenziellen Netzwerk dazu-

gehören würden? Bringen diese jeweils viele Kontakte mit? → Ja? Das ist ein Hinweis auf eher offene Strukturen.

2) Halten Sie die Akteure, mit denen Sie zu tun haben, für eigenaktiv und innovativ, oder werden die Akteure vor allem dann tätig, wenn sie eingeladen werden? → Eigeninitiativ? Herzlichen Glückwunsch! Dann haben Sie in Ihrer Region beste Voraussetzungen für erfolgreiche Netzwerkaktivitäten. → Wollen viele oder die überwiegende Mehrheit in der Regel eingeladen werden? Dann fehlen vielleicht die talentierten „Netzwerker“ oder auch positive Erfahrungen mit Kooperation. Dies ist ein Hinweis auf viel Arbeit für Sie.

3) Wie schätzen Sie die Zusammensetzung der Akteure, mit denen sie in Prozessen, regionalen Aktivitäten oder im Bioenergie-Kontext zu tun haben, ein? Haben diese beruflich, fachlich und ehrenamtlich ähnliche oder ganz unterschiedliche Hinter-gründe und Ansichten bzw. Werthaltung? → Unterschiedlich? Dies ist ein Hinweis auf Vielfalt und Durchmischung. → Ähnlich? Dies ist ein Hinweis auf Homogenität.

Page 55: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 55

4) Wie beobachten Sie das Miteinander der Akteure, mit denen Sie zu tun haben? Blei-ben einzelne Gruppen jeweils unter sich oder findet man sich immer mal wieder in ganz unterschiedlichen neuen Konstellationen zusammen? → Man bleibt unter sich? Dies ist ein Hinweis auf sehr enge Beziehungen, eventuell Abgrenzung nach außen, eventuell auch geschlossene Strukturen. → Man findet sich? Dies ist ein Hinweis auf eher lose, interessengeleitete Beziehungen, offene Strukturen, eventuell auch auf eine offene Grundhaltungen der Akteure gegen-über Neuem.

5) Gibt es in Ihrer Region einen Kreis sogenannter „üblicher Verdächtiger“, die immer da sind? Kommen bei regionalen Aktivitäten zu dieser Gruppe nur selten neue Gesichter hinzu? → Ja? Das kann ein Hinweis auf geschlossene Strukturen, aber auch auf großes Engagement bestimmter Akteure sein.

6) Gibt es in Ihrer Region eine ganz wichtige Person (oder 2 bis 3), ohne die gar nichts geht, die immer erster Ansprechpartner ist oder die immer vorangeht? → Ja? Das ist ein Hinweis auf zentralisierte Strukturen.

7) Gibt es in Ihrer Region Interessengruppen, die ihre Interessen von sich aus in regionale Prozesse einbringen, die sich auch ungefragt zu Wort melden? → Ja? Dann finden sich Untergruppen in den Strukturen, über die genauer nachge-dacht werden sollte:

→ Gibt es mehrere solche Interessengruppen, richten sich die Interessen der Gruppen auf verschiedene Themen? Würden Sie vermuten, einige Akteure verfolgen hier auch starke Eigeninteressen? → Ja? Das ist ein Hinweis auf Durchmischung und thematische Zusammenschlüsse sowie eher lose Beziehungsstrukturen.

→ Gibt es eher wenige oder nur eine Interessengruppe? Kommt diese immer mit dem gleichen Thema oder Problem, sind sich die einzelnen Akteure hier irgendwie alle ähnlich? → Ja? Das ist ein Hinweis auf Homogenität und enge Beziehungsstrukturen, möglicherweise auch auf zentralisierte, auf diese Gruppe ausgerichtete Strukturen.

Zwei Fragen zum Netzwerkmanagement1) Fällt es Ihnen persönlich leicht, Kontakte zu knüpfen? Pflegen Sie gerne hin und

wieder gezielt oder ganz automatisch nebenbei auch Kontakte zu eher entfernten Bekannten? Fällt Ihnen bei neuen Fragen oder Aufgaben immer gleich jemand ein, den Sie hier vielleicht fragen oder einbeziehen könnten? → Ja? Dann scheinen Sie ein Netzwerker zu sein und wären sicher gut geeignet, die Entwicklung eines Netzwerks in Ihrer Region – in welcher Form auch immer – aktiv zu unterstützen.

2) Sind Sie ein Tüftler, denken Sie sich gerne tief in Themen hinein? Fühlen Sie sich schnell gestört, wenn Sie in Ihrer Arbeit unterbrochen werden? Halten Sie mindes-tens die Hälfte der Besprechungen, an denen Sie teilnehmen, für überflüssig? → Ja? Vielleicht sind Sie nicht unbedingt die richtige Besetzung für Aufgaben rund um das Netzwerkmanagement. Aber sicher kennen Sie jemanden, der das gut kann und sich kümmern würde?

Page 56: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

56 Prozesse und Strukturen

4.1.4 Was hat Ihr Test ergeben? Empfehlungen zur NetzwerkentwicklungWie zuvor beschrieben sollten die Eigenschaften der Netzwerke für die Entwicklung einer regionalen Bioenergie-Initiative ein Gleichgewicht zwischen Innovationsfähig-keit und Wissenstransferpotenzial auf der einen und Handlungsfähigkeit auf der ande-ren Seite ermöglichen. Die folgenden Handlungsempfehlungen sollen in diesem Sinne helfen, Hindernisse zu überwinden und Potenziale zu stärken.

Diagnose: Großes Netzwerk, viele Untergruppen, lose Beziehungen Strategie: Strukturen schaffen, Handlungsfähigkeit fördern

→ Entwickeln Sie Arbeits- und Organisationsstrukturen mit klaren Zuständigkeiten im bestehenden Netzwerk oder

→ Schaffen Sie eine zentrale Koordinationsstelle, um Zusammenarbeit von Unter-gruppen zu sichern;

→ Schaffen Sie Vertrauen, indem Sie erste kleine Projekte in definierten Untergrup-pen umsetzen. Diese schaffen positive gemeinsame Erfolgserlebnisse;

→ Betonen Sie die regionale Perspektive in der Öffentlichkeitsarbeit und fördern Sie ein „Wir-Gefühl“.

Diagnose: Zentrale StrukturenStrategie: Verantwortung teilen – Offenheit stabilisieren

→ Beugen Sie der Abgrenzung vor, indem Sie auf externe Moderation in Aufbau-phasen setzen. So werden Grenzen zwischen bestehenden Gruppen und neuen Akteuren überwunden.

→ Geben Sie Verantwortlichkeiten und die Moderation von Gruppenarbeit gezielt an weniger zentrale Akteure ab und leiten Sie so die Innenorientierung um.

→ Definieren Sie klare Zuständigkeiten und verteilen Sie Kompetenzen auf verschie-dene Akteure, um die Zentralisierung zu reduzieren.

→ Fordern Sie aktive Mitarbeit vieler ein und organisieren Sie Verantwortungsüber-nahme auch durch neue Akteure.

Diagnose: GeschlossenheitStrategie: Grenzen überwinden

→ Nutzen Sie gezielt Ihre Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen und betonen Sie die Kooperation von gleichwertigen Partnern, stellen Sie Kooperationserfolge als solche heraus, unterstreichen Sie die Bedeutung des Gemeinsamen an Erfolgen.

→ Stellen Sie inhaltliche Offenheit her, indem Sie gezielt neue Akteure einbinden und neue Akteurskonstellationen über thematische Projektarbeit etablieren.

→ Bauen Sie Kooperationsbeziehungen zu anderen Netzwerken zum Erfahrungsaus-tausch auf.

Diagnose: Einseitigkeit und homogene GruppenStrategie: Netzwerkausbau

→ Finden Sie neue Partner in bestehenden Gruppen und Netzwerken mit themati-schen Überschneidungen und in aktiven Einzelakteuren in ähnlichen oder glei-chen Handlungsfeldern. Nehmen Sie Kontakt auf.

→ Definieren Sie bisher fehlende Akteursgruppen, suchen Sie nach solchen Akteuren und sprechen Sie sie an.

→ Bauen Sie über thematische Kooperationen mit gemeinsamer Zielsetzung eine Zusammenarbeit auf.

Page 57: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 57

4.2 Akzeptanz und KonfliktmanagementWas können regionale Bioenergie-Initiativen konkret tun, um Konflikte zu vermeiden und zu lösen und die Akzeptanz zu erhöhen? Diesen Fragen wird im Folgenden nach-gegangen. Zuvor werden einleitend einige grundsätzliche Punkte angesprochen, die bei der Planung des Konflikt- und Akzeptanzmanagements zu berücksichtigen sind.

Konflikte im Bereich BioenergieTeller oder Tank, stinkende Biogasanlagen, Maismonokulturen, steigende Pachtpreise, Flächenkonkurrenzen, Zerstörung des Regenwaldes, verfehlte Subventionen, negative Treibhausgas-Bilanz, Veränderungen des Landschaftsbildes, Verlust an Biodiversität oder Feinstaubbelastungen durch Holzheizungen – das sind nur einige Stichworte, die deutlich machen, dass Konflikte im Zusammenhang mit der Bioenergie inzwischen in aller Munde sind: vor Ort, in den Medien, in der Politik, in den Berufs- und Fach-verbänden sowie der Wissenschaft. Eine regionale Bioenergie-Initiative kann hiervor nicht die Augen verschließen, ganz unabhängig von der sachlichen Berechtigung des jeweiligen Aspekts.

Die häufigsten Konfliktfelder, die in den Regionalentwicklungs-konzepten der 25 Bioenergie-Re-gionen benannt wurden (2009)

Quelle: nova-Institut, 2009

Nachfrage

0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

2008 2009 2010 2011

installierte Leistung (kW)

Pellets Scheitholz Holzhackschnitzel

80

6052

5240

20

0

20

40

60

80

100

Umwelt- undNaturschutz

Anlagen InnerhalbLandwirtschaft

Nahrungs-produktion

Tourismus InnerhalbForstwirtschaft

Das chinesische Wort für Kon-flikt besteht aus zwei einzelnen Zeichen: Risiko und Chance, der Umgang mit Konflikten birgt einerseits Gefahren, kann jedoch andererseits neue Perspektiven eröffnen

Die Grundhaltung und Bedeutung von Konflikten und AkzeptanzUmgang mit Konflikten und Schaffung von Akzeptanz gehören zum Alltag einer regionalen Bioenergie-Initiative, nicht nur aufgrund der oben skizzierten Ausgangs-situation, sondern auch, 1) weil eine regionale Bioenergie-Initiative Teil oder Motor eines Veränderungs-

prozesses ist und für Veränderungsprozesse wie die Energiewende allgemein gilt: Widerstände und Konflikte sind „normal“, da Veränderungen mit Unsicherheiten verbunden sind und Veränderungsprozesse ohne ausreichende Akzeptanz und Unterstützung nicht gelingen;

2) und weil Konflikte ein normales Geschehen in sozialen Systemen wie dem Netz-werk einer regionalen Bioenergie-Initiative sind.

Somit ist nicht der Konflikt das Problem, sondern die Art und Weise, wie damit umge-gangen wird. Vielmehr erfüllen Konflikte auch positive Funktionen: Sie verlangen nach Lösungen, stimulieren Kreativität, erfordern Kommunikation, lösen Veränderungen aus, festigen Gruppen und fördern Innovationen. Wichtig für eine regionale Bioener-gie-Initiative ist daher, Konflikte, Widerstände und Bedenken ernst zu nehmen und glaubwürdig, offen und transparent zu kommunizieren.

Page 58: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

58 Prozesse und Strukturen

Diese Abbildung verdeutlicht die große Bedeutung der Vor-erfahrungen auf die Bewertung von Biomasseanlagen in der unmittelbaren Wohnumgebung. Die Zahlen rechts zeigen die stets höhere Akzeptanz, sobald Kennt-nisse zur jeweiligen Anlagenart vorhanden sind. Hieraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die lokalen Aus-wirkungen der Anlagen oftmals nicht ausreichend bekannt sind.

großer Unterschied

4.2.1 Grundlagen schaffen: Prozesse innerhalb der regionalen Bioenergie-Initiative

Die Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten regionaler Bioenergie-Initiative, Kon-flikte zu vermeiden und Akzeptanz zu erhöhen, werden durch Prozesse innerhalb des Netzwerkes gelegt und beeinflusst. Hierzu zählen beispielsweise die:

→ Wahl der Partner der regionalen Bioenergie-Initiative, → Leitbildentwicklung, → Analyse der regionalen Bioenergiepotenziale, → Ziel- und Strategieentwicklung, → Maßnahmenumsetzung sowie → Evaluation und Kommunikation von Fortschritten und Erfolgen.

Anders ausgedrückt: Das Akzeptanz- und Konfliktmanagement einer regionalen Bioener-gie-Initiative darf nicht losgelöst von dem Gesamtprozess der regionalen Bioenergie-Ini-tiative betrachtet werden, sondern ist integraler Bestandteil und bedarf eines schlüssigen Gesamtansatzes. Dabei sind die oben beschriebenen grundsätzlichen Handlungsoptionen, Stärken und Grenzen regionaler Bioenergie-Initiativen ebenso zu berücksichtigen, wie die regionale Ausgangssituation und die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompe-tenzen der beteiligten Akteure und ggf. des Netzwerkmanagements.

Wo liegen die Stärken (und Grenzen) regionaler Bioenergie-Initiativen?Aufgrund des Netzwerkcharakters verfügen regionale Bioenergie-Initiativen über spezifische Stärken und Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Akzeptanz und zur Lösung von Konflikten. Zu den zentralen Stärken zählt die Schaffung von Akzep-tanz durch Information, Dialog, Beteiligung und Teilhabe. Dabei nimmt die Initiative aufgrund Ihrer Zusammensetzung aus verschiedenen Akteuren eine neutrale Position ein. Im Hinblick auf Konflikte liegen die Stärken von Netzwerken in den Bereichen Erkennen und Vermeiden von Konflikten. Denn Netzwerke sind – in Abhängigkeit von der Vielfalt der beteiligten Akteure – in der Lage, Konflikte frühzeitig wahrzu-nehmen. In der Konfliktbearbeitung haben Netzwerke ihre Stärken, wenn Win-Win-Lösungen möglich sind, also alle Beteiligten davon profitieren oder neue, innovative Lösungswege zur Vermeidung von Konflikten entwickelt werden sollen. In Bereichen, in denen dies nicht möglich ist und Konflikte beispielsweise durch Verhandlung, Kom-promisse oder Machteingriffe entschieden werden müssen, sind die Konfliktlösungs-möglichkeiten von Netzwerken als freiwillige Zusammenschlüsse begrenzt.

Page 59: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 59

Die richtigen Partner auswählen„Sage es mir – und ich werde es vergessen. Zeige es mir – und ich werde mich daran erinnern. Beteilige mich – und ich werde es verstehen.“ (Lao-Tse, 6. Jhd. v. Chr.)

Mit der Wahl der Partner der regionalen Bioenergie-Initiative werden zentrale Weichen gestellt – auch im Hinblick auf die Bereiche Konflikte und Akzeptanz. Denn jeder Part-ner bringt seine Interessen, Sichtweisen und Zielvorstellung in die regionale Bioenergie-Initiative mit ein, die es zu berücksichtigen und ernst zu nehmen gilt.

So führt beispielsweise die Beteiligung von Akteuren aus dem Naturschutzbereich – wenn sie ernst gemeint ist – dazu, dass die regionale Bioenergie-Initiative sich mit ggf. vorhandenen Konflikten aus Naturschutzsicht und deren Lösung auseinandersetzen muss. Anders ausgedrückt: Der Konflikt wird Teil der internen Netzwerkarbeit.

Mit einer solchen Einbindung von Konfliktparteien in den engeren Kreis der regiona-len Bioenergie-Initiative sind sowohl Chancen als auch Risiken und Voraussetzungen verbunden, wie die folgende Übersicht verdeutlicht. Diese gilt es sorgsam abzuwägen.

Chancen Risiken Voraussetzungen

→ Konflikte entstehen nicht, da sie frühzeitig erkannt und Fehlentwicklungen vermieden werden können.

→ Neue, innovative Wege zur Lösung bestehender Kon-flikte werden gemeinsam identifiziert.

→ Tragfähige und akzeptierte Kompromisse können aus-gehandelt werden.

→ Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Bioenergie-Initiative nach innen und außen steigt.

→ Langwierige und zeitraubende Aushandlungs- und Zielfindungsprozesse.

→ Übertragung und Verschärfung von Konflikten auf die Beziehungsebene.

→ Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Bioenergie-In-itiative, wenn keine Kompromisse oder Lösungen gefunden werden.

→ Handlungsoptionen und Gestaltungsmöglich-keiten wie Kompromisse oder Win-Win-Situa-tionen sind inhaltlich möglich.

→ Die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt.

→ Die Konflikte sind noch nicht eskaliert/nicht auf der Beziehungsebene.

→ Der Konflikt kann auf der räumlichen Ebene der regionalen Bioenergie-In-itiative bearbeitet werden.

Abschließend sei auf zwei weitere Aspekte hingewiesen: In einem Netzwerk ist die Partnerwahl kein einmaliger „Akt“, sondern eine kontinuierliche Aufgabe. Und die An- und Einbindung von Partnern in ein Netzwerk kann stufenweise/sukzessive erfolgen, beispielsweise durch erste Gespräche, thematische Workshops oder Arbeitsgruppen. Hiermit können die Risiken minimiert und die Erfolgsaussichten erhöht werden.

Chancen, Risiken und Voraus-setzungen der Beteiligung von Akteuren aus aktuellen oder zukünftigen Konfliktbereichen an der regionalen Bioenergie-Initiative

Konflikte in Zusammenhang mit Bioenergie sind keine Seltenheit, umso wichtiger ist eine rechtzei-tige Aufklärung und Einbindung der Bürger

Foto: Halterner Zeitung/ Holger Steffe

Page 60: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

60 Prozesse und Strukturen

ERFAHRUNGSBERICHT

Dialog zwischen Natur-schutz und Landwirtschaft in der Bioenergie-Region Wendland-Elbetal

Der Dialog zwischen Naturschützern und Landwirten hat in der Bioenergie-Region Wendland-Elbetal Tradition. In der durch ein Biosphärenreservat und FFH-Gebiete besonders geschützten Landschaft steht die Frage im Zentrum, wie der Anbau von Energiepflanzen und Naturschutz in Einklang gebracht werden kann. Auch wenn der Anteil von Energiemais auf den landwirtschaft-lichen Flächen im Landkreis mit 15 % (Stand 2011) vergleichsweise gering ist, wird die Situation an einigen Orten von der Bevölkerung als unbefriedigend empfunden. Dabei spielt die Attrak-tivität der Landschaft allgemein eine Rolle, viele Menschen sorgen sich aber vor allem um den Verlust von Vielfalt in der Natur. Naturschützer, Landwirte, Anlagenbetreiber und weitere regio-nale Akteure überlegen daher gemeinsam, wie in der Bioenergie-Region eine strukturreiche und damit artenreiche Agrarlandschaft bei gleichzeitiger Produktion von Bioenergie erhalten und entwickelt werden kann.

Und der Dialog trägt Früchte. Konkrete Ansätze zum bestmöglichen Miteinander wurden iden-tifiziert, wie Forschungsprojekte zum Vogelschutz auf landwirtschaftlichen Flächen oder Ver-suche mit alternativen Energiepflanzen zeigen. Im Jahr 2011 haben Vertreter des Naturschutzes unter Federführung des Landschaftspflegeverbandes Wendland-Elbetal ein Positions- und Diskussionspapier mit der Überschrift „Energiepflanzenanbau und biologische Vielfalt“ erstellt. Das Papier enthält Empfehlungen für freiwillige Maßnahmen bei der Flächenbewirtschaftung, Vorschläge im Bereich Bildung und Kommunikation sowie für die Fortschreibung rechtlicher, planungs- und fördertechnischer Rahmenbedingungen.

Am Biogasstammtisch wurde im Frühjahr 2011 das sogenannte Blühstreifenprojekt geboren. Fachleute vom Naturschutz erarbeiteten Empfehlungen, wie die Blühstreifen angelegt werden sollten, um Kleintieren, Vögeln und Insekten einen guten Lebensraum zu bieten. Außerdem

Konflikte wahrnehmen und (an)erkennenWahrnehmen und (An-)Erkennen von Konflikten ist eine zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Konfliktbearbeitung. Wie bereits oben geschildert ist die frühzeitige Wahrnehmung von (potenziellen) Konflikten eine strukturelle Stärke von Netzwerken. Insbesondere in divers zusammengesetzten Netzwerken wird in der Regel einer der Akteure direkt oder indirekt mit den entsprechenden Konflikten in Kontakt kommen oder Kenntnisse darüber erhalten. Dann ist es „nur“ noch eine Frage, wie offen über Konflikte innerhalb der regionalen Bioenergie-Initiative gesprochen wird bzw. wie gut der Informationsfluss im Netzwerk organisiert ist (siehe Kapitel 4.3).

Umfeldanalyse

Regionale Bioenergie-Initiativen sind in ein Umfeld von Personen und Systemen eingebettet, die Einfluss auf das Projekt nehmen können. Mithilfe der Umfeldanalyse, auch Stakeholder-analyse genannt, kann dieses Projektumfeld detailliert untersucht werden.

Die Umfeldanalyse wird als Mindmap angelegt. In die Mitte kommt das Vorhaben oder Pro-jekt, dessen Umfeld untersucht werden soll. Hauptzweige sind dann die einzelnen Personen oder Personengruppen, die vom Projekt betroffen sind oder sich betroffen fühlen könnten. Im nächsten Schritt werden die förderlichen oder hinderlichen Möglichkeiten der Einfluss-nahme identifiziert und visualisiert.

Ergebnis einer Projektumfeldanalyse ist die Erkenntnis darüber, wer welchen Einfluss auf das Projekt hat. Dies offenbart potenzielle Konflikte ebenso wie die Möglichkeiten, wohlgeson-nene Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

ÖAR-Regionalberatung (2009): Um-feldanalysen für Aktionen, Projekte, Veränderungsvorhaben (im Internet verfügbar)

mechanisms.energychange.info/de/schritt/3 (Verstehen Sie den Kontext) und mechanisms.energychange.info/de/schritt/5 (Identifizieren Sie die relevanten Stakeholder)

Page 61: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 61

KONTAKT

Dorothea Angel – Regionalmanagerin Bioenergie-Region Wendland-Elbetal [email protected] www.bioenergie-wendland-elbetal.de

wurde eine eigene Saatmischung für die Bioenergie-Region kreiert, die besonders Ackervögeln zu Gute kommt. Die Aktion hat dazu beigetragen, dass in 2011 auf 1.800 ha Ackerland in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Lüneburg Blühstreifen standen. Für den deutschland-weit höchsten Anteil an Blühstreifen an Energiepflanzenfeldern wurde die Regionalgruppe Lüneburger Heide im Rahmen des Wettbewerbs „Farbe ins Feld“ ausgezeichnet und erhielt einen Preis in Höhe von 3.000 €.

Ausstellung Bioenergie und Naturschutz

Foto: Rainer Erhard

Ein wesentlicher Aspekt der Konfliktwahrnehmung in einer regionalen Bioenergie-Initiative ist es daher, Augen und Ohren offen zu halten und Gespräche zu führen – durchaus auch mit Kritikern. Unterstützend und ergänzend kann das Instrument der Umfeldanalyse von der regionalen Bioenergie-Initiative genutzt werden.

Ein weiteres bedeutsames Instrument der Konfliktwahrnehmung stellt die Analyse der regional verfügbaren Bioenergie-Potenziale dar. Mit der Erhebung der verfügbaren Potenziale wird beispielsweise deutlich, welche Flächen- und Mengenpotenziale in den Bereichen Holz, Energiepflanzen oder auch Reststoffen und Abfällen etc. noch verfüg-bar sind und zu welchen anderen Nutzungen sich bereits aktuell oder für die Zukunft Konkurrenzen abzeichnen (siehe Kapitel 3.1.1 Biomassepotenziale).

Konflikte analysierenDie Redewendung „Problem erkannt, Problem gebannt“ trifft für den Bereich Konflikte nur teilweise zu. Insbesondere, wenn eine Konfliktbearbeitung im engeren Sinne erfol-gen soll, ist eine tiefer gehende Analyse des Konflikts notwendig.

Ziel der Konfliktanalyse ist es, sich ein genaueres Bild des Konflikts zu machen, um darauf aufbauend die Anforderung an die Konfliktlösung festzulegen, spezifische Lösungsstrategien zu entwickeln und zu bewerten, um schließlich die „beste“ Lösung auszuwählen. Die zentralen Aspekte und Leitfragen einer Konfliktanalyse werden in der folgenden Übersicht dargestellt, mögliche strategische Ansätze werden in den nächsten Kapiteln vorgestellt.

Page 62: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

62 Prozesse und Strukturen

Konflikttypen im Bereich Bioenergie

Einen Überblick über typische Konflikttypen im Bereich Bioenergie gibt die folgende Übersicht (nach Rode 2010)18.

Faktenkonflikte sind auf Informationsdefizite, Fehlinformationen oder unterschiedliche Bewertung bzw. Gewichtung von Daten zurückzuführen und durch Prüfung objektiver Richtigkeit grundsätzlich lösbar.Beispiele:

→ Zunahme der Anbaufläche von Mais aufgrund von Bioenergie → Treibhausgasbilanz der Bioenergie → verfügbare Bioenergie-Potenziale → Konflikte um Gerüche durch den Betrieb einer Anlage oder die Anschnitte von Silagemieten

Interessenkonflikte haben zumeist ökonomische Ursachen und entstehen aufgrund konkurrierender Absichten hinsichtlich der Nutzung knapper Ressourcen.Beispiele:

→ Konflikt um die Produktionsflächen für Energiepflanzen oder Nahrungs- und Futtermittel → Konflikt zwischen der stofflichen und energetischen Nutzung von Holz → Konflikt um die Einspeisepunkte des erzeugten Stroms von Biogasanlagen

Wertkonflikt basieren auf unterschiedlichen Anschauungen darüber, was wertvoll ist oder welche Rangordnung bestimmte Werte haben.Beispiele:

→ Unterschiedliche Ansichten der Wertigkeit von Landschaftsbild und Klimaschutz → Konflikt um die Vergärung oder Verbrennung potenzieller Lebensmittel → Konflikte über die Bewertung des „neuen“ Landschaftsbildes, geprägt durch den Anbau

von Energiepflanzen

Beziehungskonflikte bewegen sich auf der Personen- und Beziehungsebene und entstehen aufgrund unverträglicher, häufig stark polarisierter Sichtweisen oder unterschiedlicher Kom-munikationsmuster, wenn z. B. Informationen nur unzureichend gegeben oder nur selektiv wahrgenommen werden.Beispiel:

→ Konflikt zwischen Anlagenbetreiber und Bürgern eines Ortes, die den (finanziellen) Erfolg einer Anlage nicht gönnen oder die Anlage nicht „vor ihrer Haustür“ (NIMBY-Syndrom, aus dem Englischen „Not In My Back Yard“) haben wollen

Verfahrensgestaltungskonflikte basieren auf Aspekten der Legitimation, Effizienz und Sachbezogenheit oder Fairness in einem Verfahren oder Prozess.Beispiel:

→ Konflikte um die Dauer eines Planungsprozesses bis zur erteilten Genehmigung und unklare bzw. zu viele Vorschriften im Genehmigungsverfahren

Einzelne Konflikte können hierbei auch Charakteristika unterschiedlicher Konflikttypen aufweisen oder im Kern einen anderen Konflikttyp darstellen, als es im ersten Moment erscheint. Für ein erfolgreiches Konfliktmanagement sollte daher eine sorgfältige Konflikt-analyse vorgenommen werden, um eine geeignete Konfliktlösungsstrategie zu entwickeln.

18 Rode, Michael (2010): Natur- und raumverträglicher Ausbau energetischer Biomassepfade

Page 63: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 63

Strategien entwickelnNetzwerke verfügen aufgrund ihrer Natur über spezifische Stärken und Grenzen im Um-gang mit Konflikten und der Schaffung von Akzeptanz. Sie können durch Information, Dialog und Beteiligung wesentlich zur Akzeptanzsteigerung beitragen. Konfliktlösungen in Netzwerken sind insbesondere dann möglich, wenn Win-Win-Situationen geschaffen werden können. Das Vorgehen, durch Kooperation gemeinsam nach alternativen Lösun-gen zu suchen, von denen alle Beteiligten profitieren, wird Win-Win-Strategie genannt.

Eine Win-Win-Strategie zur regionalen Konfliktbearbeitung zeichnet sich durch die folgenden Kennzeichen aus:

→ Konflikte werden als gemeinsam zu lösendes Problem der Akteure in der Region betrachtet und definiert.

→ Die verfolgten Absichten, Interessen und Ziele werden unmissverständlich offen-gelegt.

→ Es wird nach Lösungen gesucht, die alle Beteiligten zufrieden stellen. → Kooperation, Zusammenarbeit und Netzwerkbildung stehen im Zentrum der

Lösungsansätze. → Es werden Zielsysteme definiert, die der Region insgesamt und nicht nur einzel-

nen Akteuren nutzen.

Aspekt Leitfragen

Konfliktbetei-ligte/Akteure

→ Wer ist am Konflikt beteiligt? → Wer ist „Stakeholder“ im Konflikt? → Wer hat den Konflikt ausgelöst/beeinflusst? → Wie ist die interne Beschaffenheit der Parteien?

Ebene/soziale Arena des Konflikts

→ Auf welcher Ebene ist der Konflikt angesiedelt? Auf der - lokalen Ebene (z. B. zwischen Anlagenbetreiber und Anwohnern)? - regionalen Ebene (z. B. zwischen Verwaltung und Naturschutzver-

band bzgl. der Genehmigung einer Biogasanlage)? - gesellschaftlichen Ebene (z. B. bzgl. der strategischen Ausrichtung

der energetischen Nutzung von Biomasse zwischen Parteien und Lobbygruppen)?

Konflikt-themen und -typen

→ Um welche Streitthemen bzw. Dissenspunkte geht es den Beteiligten? → Was ist grundlegend wichtig, was zusätzlich wünschenswert? Jeweils

für wen? → Um welche Art von Konflikt handelt es sich (Faktenkonflikt, Interessen-

konflikt usw.)?

Austragungs-form

→ Welche Verhaltensweisen zeigen die Beteiligten? → Handelt es sich um einen heißen oder kalten Konflikt? → Welche sichtbaren und verdeckten Wirkungen werden deutlich? → Welche Prozesse/Umgangsweisen wurden bereits verändert?

Ziele/Strategie- kalkül der Be-teiligten

→ Was wollen die Beteiligten erreichen? → Welche kurz-, mittel- und langfristigen Ziele verfolgen die Beteiligten

mit dem Konflikt? → Welchen Preis wollen die Beteiligten dafür bezahlen?

Konfliktrahmen → Innerhalb welcher Rahmenbedingungen spielt sich der Konflikt ab?

Konflikt-chronologie

→ Gibt es schon eine Konfliktgeschichte? → Wo sind Wendepunkte aufgetreten? Wie weit ist der Konflikt eskaliert? → Wann ist der Konflikt entstanden, was hat sich bis jetzt ereignet?

Bisherige Interventionen

→ Welche Personen/Institutionen haben bisher den Konflikt oder einzelne Bereiche davon bearbeitet oder versucht zu bearbeiten? Mit welchem Ergebnis?

Aspekte und Leitfragen einer Konfliktanalyse

Page 64: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

64 Prozesse und Strukturen

Grundsätzliche Strategien zur Konfliktlösung: Konfliktlösungen in Netzwerken sind insbesondere dann möglich, wenn Win-Win-Situationen geschaffen werden können

Quelle: nova-Institut, 2009

GR

GR

GR

F1

F1

F2

F1 F2

ursprünglicheKon�guration

Repowering:serielleKon�guration

Repowering:paralleleKon�guration

Vorteil:Kaskadeneffekt(Minimierung des Austragsfrisch zugeführten Substrats)Nachteil:weiterhin hoch belasteterFermenter 1 („Flaschenhals“)

Vorteil:Entlastung des hoch belastetenFermenter 1Nachteil:Kaskadeneffekt nicht nutzbar

Orientierung an eigenen Zielen

Ori

enti

erun

g an

den

Zie

len

ande

rer

win/winKonsens

Kooperation

Kompromiss

win/looseDurchsetzungMacht/Zwang

loose/winNachgebenUnterordnen

loose/looseFluchtVermeidung

Diese aus der Netzwerktheorie abgeleiteten grundsätzlichen Strategieoptionen spie-geln sich auch in den 25 Bioenergie-Regionen wider, wie die nächste Abbildung ver-deutlicht.

0

5

10

15

20

25

Vermeidung des Kon�ikts(Kon�iktbereiche werden

gemieden, keineAuseinandersetzung)

Zusammenarbeit/Kooperation (gemeinsameBearbeitung und Lösung

des Problems)

Kompromisse (beideSeiten geben nach)

Erhöhung/Schaffung vonAkzeptanz

Anzahl der Regionen

ErfahrungsaustauschStrukturierter

Erfahrungsaustausch

formelles Lernen

informellesLernen

Individuum

Gruppe Seminare und WorkshopsVorortbesuche

Kaffeepausen, gemeinsame Netzwerkabende

Tel./E-Mail

Informations-abruf

Positiv

passiv aktiv

Negativ Ablehnung

BefürwortungAktive

Unterstützung/Nutzung/Investition

Widerstand

Strategien der Konfliktbearbei-tung in den 25 Bioenergie-Re-gionen

Quelle: nova-Institut, 2009

Page 65: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 65

Strategien überprüfenDie konkreten Handlungsmöglichkeiten einer regionalen Bioenergie-Initiative im Be-reich Konflikte und Akzeptanz und deren Umsetzung werden im nächsten Kapitel aus-führlich beschrieben. An dieser Stelle werden daher nur einige übergreifende Punkte dargestellt, die für ein erfolgreiches Konflikt- und Akzeptanzmanagement ausschlag-gebend sind.

Die Kommunikationskompetenz ist (neben einem professionellen Projektmanage-ment) aus Prozesssicht die entscheidende Kompetenz zur Förderung von Akzeptanz sowie zur Vermeidung und Bearbeitung von Konflikten. Dies sollte bei der Auswahl des Netzwerkmanagements beachtet werden.

(Frühe) Erfolge der regionalen Bioenergie-Initiative sollten zur Förderung der Ak-zeptanz gezielt geplant und kontinuierlich kommuniziert werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber. Auf ihrer Internetseite www.bioenergie-hot.de „misst“ ein CO2-Rechner die eingesparten Klimagase. Die ent-sprechenden Projekte werden ebenfalls auf der Internetseite beschrieben und betref-fen z. B. private und kommunale Investitionen in Erneuerbare Energien, neue Photo-voltaik-Flächen oder auch Holzheizungen.

Die Entwicklungen und Veränderungen im Bereich Konflikte und Akzeptanz der Bio-energie sollten kontinuierlich beurteilt und innerhalb der regionalen Bioenergie-Ini-tiative regelmäßig und systematisch thematisiert werden. Dies hilft, böse Überraschun-gen zu vermeiden und ermöglicht – falls notwendig – eine Weiterentwicklung oder Neuausrichtung des Vorgehens.

Die Bewertung und Evaluation in den Bereichen Konfliktbearbeitung/-vermeidung, Ak-zeptanzverbesserung und Kommunikation ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Selbstbewertungen innerhalb der regionalen Bioenergie-Initiative können dazu ebenso genutzt werden wie von externen Experten durchgeführte Analysen. So hat beispielswei-se die Bioenergie-Region Altmark eine Akzeptanzanalyse der Biomassenutzung durch die Forschungsgruppe Umweltpsychologie der Universität Magdeburg durchführen las-sen. Eine wesentliche Voraussetzung jeder Bewertung und Evaluation sind klar definierte und operationalisierte Ziele (was genau ändert sich, bei wem, bis wann) und Meilensteine.

4.2.2 Handlungsmöglichkeiten regionaler Bioenergie-InitiativenInformieren und Bewusstsein schärfenVeränderungsprozesse wie die Energiewende gelingen, wenn der Nutzen verstanden wird, und wenn auch emotionale Gesichtspunkte für die neue Verhaltensweise spre-chen. Die Bereitschaft für Veränderung muss geschaffen werden. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine kommunikative Aufgabe, bei der regionale Bioenergie-Ini-tiativen aufgrund ihrer Neutralität, Glaubwürdigkeit und Einbindung von Multiplika-toren eine zentrale Funktion übernehmen können.

Allerdings ist es keine leichte Aufgabe, in der täglichen Informationsflut überhaupt zu den Menschen durchzudringen und die konkreten Chancen und Handlungsoptionen zur Nutzung der Bioenergie zu transportieren, zumal die Ressourcen regionaler Bio-energie-Initiativen für diesen Bereich zumeist relativ limitiert sind.

In diesem Ratgeber ist es weder möglich, den gesamten Bereich der Kommunikation, PR und des Marketings aufzurollen, noch die vielfältigen Ansätze und Erfahrungen der 25 Bioenergie-Regionen darzustellen. Dennoch sollen einige grundlegende Aspekte ge-nannt werden. Weiterführende Hinweise finden Sie am Ende dieses Kapitels.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Auf der Internetseite mechanisms.energychange.info/de/home finden Sie Hinweise und Werkzeuge, um Ziele, Indikatoren und Meilensteine zu definieren (Schritt 6) und die Fortschritte und Zielerreichung zu überprüfen (Schritt 13)

In dem „Leitfaden Selbstevaluation“ (Kanatschnig/Schmutz (2000); im Internet verfügbar) wird die Vor-gehensweise bei Selbstevaluierungs-prozessen in 20 Schritten detailliert beschrieben

WEITERE INFORMATIONEN

Akzeptanzanalyse Altmark: Henning Kipp Bioenergie-Region Altmark [email protected] www.altmark.eu www.fg-umwelt.de >> Projekte

Page 66: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

66 Prozesse und Strukturen

So gestalten Sie Ihre Kommunikation erfolgreich

→ Definieren Sie möglichst genau Ihre Zielgruppe und Ihre Ziele anhand der Leitfrage: „Was genau soll bei wem bis wann verändert werden“. Analysieren Sie die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe. Entwickeln Sie Kernaussagen, um die rationalen und emotionalen Bedürfnisse der Zielgruppe anzusprechen. Wählen Sie die geeigneten Kommunikations-instrumente zur Ansprache der Zielgruppe. Diese „Klassiker“ der Kommunikation gelten auch für die Kommunikation einer regionalen Bioenergie-Initiative.

→ Nutzen Sie die besonderen Stärken Ihrer regionalen Bioenergie-Initiative bei der Kom-munikation und achten Sie auf einen engen Bezug zur Gesamtausrichtung der Initiative (Holz, Biogas, Effizienz etc.). Binden Sie Multiplikatoren in die Kommunikation ein. Setzen Sie auf Nähe, direkten Dialog und Austausch, Regionalität, Authentizität und die Glaubwürdigkeit Ihrer Initiative und Akteure. Machen Sie Fortschritte und Erfolge mög-lichst schnell erlebbar.

→ Berücksichtigen Sie, dass der Erfolg der Kommunikation einer regionalen Bioenergie-Ini-tiative wesentlich von der Kompetenz und den Erfahrungen des Managements und/oder des Dienstleisters beeinflusst wird.

Das Spektrum der möglichen Kommunikationsinstrumente einer regionalen Bio-energie-Initiative ist breit und reicht von klassischer PR- und Öffentlichkeitsarbeit über besondere Aktionen und Kampagnen, Ausstellungen und Veranstaltungen bis hin zur persönlichen Beratung. Insbesondere der Aufwand und Nutzen breit angeleg-ter Informationsvermittlung und der damit verbundene Mehrwert gegenüber bereits bestehenden Informationsangeboten muss genau abgewogen werden. Dabei darf das eigentliche Ziel der Kommunikation nie aus den Augen verloren werden: Durch Kom-munikation konkrete Handlungen auszulösen. Hierfür bieten sich Instrumente an, die Dialog und direkten Austausch und Rückkopplung möglich und vor allem die Vorteile und Realisierbarkeit der Bioenergienutzung erlebbar machen. Eine Schlüsselbedeu-tung als Auslöser konkreter Handlungen kommt dabei immer wieder Exkursionen zu erfolgreichen Projekten zu.

Durch Leuchtturmprojekte überzeugenNeben der Informations- und Wissensvermittlung (siehe auch Kapitel 4.3) besteht eine weitere Option von Bioenergie-Initiativen darin, gezielt solche Bioenergieanlagen und -investitionen anzustoßen und deren Entwicklung zu fördern, die mit hoher Akzep-tanz verbunden sind. Bei solchen lokalen „Leuchttürmen der Akzeptanz“ kann es sich um Anlagen und Bereiche handeln, in denen

→ grundsätzlich eine hohe Akzeptanz vorhanden ist, wie z. B. dem Holzbereich; → Win-Win-Situationen zwischen Betreibern und „Betroffenen“, wie beispielsweise Anwoh-

nern, genutzt werden (z. B. Nahwärmenetze, Bioenergiedörfer, Gemeinschaftsanlagen); → aufgrund der Art der Planungsprozesse (Standortwahl, Transparenz, Information,

Dialog, Beteiligung) eine hohe Akzeptanz gegeben ist.

Solche realen und lokalen Leuchtturmprojekte haben eine hohe Strahlkraft und können wie bereits oben beschrieben für die Kommunikation und die Förderung der regionalen Akzeptanz genutzt werden. Denn nichts überzeugt mehr als der Erfolg.

Zudem tragen solche Leuchtturmprojekte und Erfolge auch wesentlich zur Motivation der Akteure der regionalen Bioenergie-Initiative sowie zur externen Akzeptanz der regionalen Bioenergie-Initiative bei.

Das Thema Bioenergiedorf bzw. Bioenergie-Pilot-Gemeinde eignet sich insgesamt sehr gut, um den gesamten Kreislauf der Bioenergienutzung für jeden nachvollziehbar

Bioenergiedörfer als Leucht-turmprojekte haben enorme Strahlkraft

Foto: FNR/Jan Zappner

Page 67: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 67

Bioenergie-Region Bodensee hat einen „Kreis-laufprozess“ aus der Entwicklung von erfolgrei-chen Leuchtturmprojekten, die als Anschauungs-objekte dienen und weitere Akteure überzeugen. Ein zentraler Fokus des Netzwerkes dieser Bioenergie-Region liegt auf der Entwicklung von Bioenergiedörfern, die u. a. durch einen Part-ner des Netzwerkes, das Bürgerunternehmen solarcomplex, finanziert werden. Im Rahmen der Netzwerkarbeit werden zielgruppenspezifische Bioenergietouren, beispielsweise für Bürgermeis-ter, zu den bereits entwickelten Bioenergiedörfern durchgeführt und so der Impuls und Schwung für die weitere Entwicklung gegeben.

KONTAKT

Volker Kromrey Bioenergie-Region [email protected] www.bioenergie-region-bodensee.de www.solarcomplex.de/info/referenzen/bioenergiedoerfer.php

darzustellen. Ein energieautarkes Dorf, dass von den Land- und Forstwirten vor Ort mit Rohstoffen versorgt wird und bei dem die Bürger an der Energiegewinnung als Nutzer und im besten Fall direkt durch finanzielle Teilhabe beteiligt sind, kann sich jeder vor-stellen. Solche Projekte ziehen oft ein großes Engagement auf breiter Ebene nach sich, da hier die Chancen für den ländlichen Raum, darunter auch Aspekte wie die positiven Auswirkungen auf das Dorfleben, deutlich werden. Gute Übersicht bieten der Leitfaden „Wege zum Bioenergiedorf“ und das Informationsportal www.wege-zum-bioenergie-dorf.de der FNR.

Teilhabe schafft (aktive) AkzeptanzNeben Information, Dialog und Beteiligung ist Teilhabe der vierte grundsätzliche Weg zur Förderung von Akzeptanz und Vermeidung von Widerständen und Kon-flikten. Unter Teilhabe kann dabei sowohl eine vertiefte Form der Einbindung und Beteiligung, als auch die direkte finanzielle Beteiligung an Projekten verstanden wer-den. Auf den zweiten Punkt – die finanzielle Teilhabe – wird im Folgenden verstärkt eingegangen.

Profitieren bedeutet akzeptieren. Wenn also Belastungen und Profite gerecht verteilt werden, steigt die Akzeptanz. Und zwar nicht nur eine passive Akzeptanz im Sinne einer prinzipiellen Befürwortung ohne konkrete Handlungen, sondern vielmehr die aktive Akzeptanz, die mit konkreter Nutzung und finanziellen Investitionen verbun-den ist. Ansätze und erfolgreiche Beispiele für gemeinschaftliche Finanzierungs- und Beteiligungsformen gibt es inzwischen in allen Bereichen der Bioenergie, wie beispiels-weise Energiegenossenschaften, Bioenergiedörfer, gemeinschaftliche Biogasanlagen von Landwirten oder kommunale Nahwärmenetze. Regionale Bioenergie-Initiativen können solche Projekte selber umsetzen oder sie z. B. durch Kommunikation und Wis-senstransfer unterstützen und begleiten. So wurde beispielsweise von der Bioenergie-Region Eifel die Energiegenossenschaft eegon gegründet (siehe Kapitel 4.4).

Neue Wege gehen: Pilotprojekte und Innovationen anstoßenEine weitere Handlungsoption von regionalen Bioenergie-Initiativen zur Förderung von Akzeptanz und zur Vermeidung von Konflikten besteht darin, neue Wege zu gehen, Innovationen anzustoßen und Entwicklungen langfristig in Richtungen zu befördern, in denen Konflikte vermieden werden können oder Win-Win-Situationen möglich sind.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Internetseite der Eifel Energiegenossenschaft eegon: www.eegon.de Abschlussbericht und Foliensätze zu dem Projekt „Akzeptanzförderung für Erneuerbare Energien durch finanzielle Teilhabe“: www.izt.de/projekte/ abgeschlossene-projekte/ projekt/akzeptanzfoerderungee Erfolgreiche Beispiele, Tipps und Hinweise zur Gründung von Energie-genossenschaften: www.kommunal-erneuerbar.de/de/202/energiegenossenschaften/einleitung.html Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (2011): Energiegenossenschaf-ten. Bürger, Kommunen und lokale Wirtschaft in guter Gesellschaft www.kommunal-erneuerbar.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Bioenergiedörfer bringen den Schwung

Besuchergruppe auf einer Bioenergietour

Foto: solarcomplex

Page 68: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

68 Prozesse und Strukturen

Von Befürwortung bis Ablehnung, von aktiver Unterstützung hin zum Widerstand: Akzeptanz kann unterschiedliche Dimensionen haben

Quelle: Zoellner, J., Rau, I., Schweizer-Ries, P. (2009): Akzep-tanz erneuerbarer Energien und sozialwissenschaftliche Fragen, Universität Magdeburg (Projekt-endbericht)

Der Unterschied zur oben geschilderten Handlungsoption „Durch Leuchtturmprojekte überzeugen“ besteht darin, dass es sich dabei noch nicht um etablierte „Standardlösun-gen“ handelt, die Praxistauglichkeit und breite Anwendbarkeit noch nicht abgesichert sind und die konkreten Erfolge in der Regel länger auf sich warten lassen. Die Über-gänge zur Option „Leuchtturmprojekte“ sind dabei fließend.

0

5

10

15

20

25

Vermeidung des Kon�ikts(Kon�iktbereiche werden

gemieden, keineAuseinandersetzung)

Zusammenarbeit/Kooperation (gemeinsameBearbeitung und Lösung

des Problems)

Kompromisse (beideSeiten geben nach)

Erhöhung/Schaffung vonAkzeptanz

Anzahl der Regionen

ErfahrungsaustauschStrukturierter

Erfahrungsaustausch

formelles Lernen

informellesLernen

Individuum

Gruppe Seminare und WorkshopsVorortbesuche

Kaffeepausen, gemeinsame Netzwerkabende

Tel./E-Mail

Informations-abruf

Positiv

passiv aktiv

Negativ Ablehnung

BefürwortungAktive

Unterstützung/Nutzung/Investition

Widerstand

In den 25 Bioenergie-Regionen kam der Entwicklung und Erprobung neuer konflikt-freier Zukunftsoptionen der Bioenergienutzung eine hohe Bedeutung zu. Die folgende Übersicht stellt einige der zentralen verfolgten Ansatzpunkte dar.

Wege zur Konfliktvermeidung – Übersicht Bereich

Strategische Ansatzpunkte zur Konfliktvermeidung/ Win-Win-Situationen

Rohstoffseitig/RohstoffeErschließung von Reststoffbiomassen, Abfällen, Biomasse aus Landschaftspflege, Algen, Kurzumtriebsplantagen

Anbauseitig/ Bewirtschaftungsweise

Mischfruchtanbau, Wildpflanzen

Anlagenbezogen Regionale Standortplanung

Reststoffverwertung z. B. Nutzung von Gärresten

Nachfrageseitig Nahwärmenetze (privat, öffentlich, gewerblich)

Finanzielle Beteiligungsmodelle

Regionale Investitions- und Beteiligungsmodelle

Aufgabe der regionalen Bioenergie-Initiative kann es dabei unter anderem sein, Ideen zu entwickeln, Partner zusammenzubringen, Pilotprojekte und Innovationen anzusto-ßen, Kooperation mit Hochschulen einzugehen und externes Know-how einzubinden oder sich als Praxispartner in Forschungsvorhaben einzubringen.

Innovationen beinhalten nie eine hundertprozentige Garantie für den Erfolg. In jedem Fall aber trägt die aktive Suche nach neuen Wegen zur Konfliktvermeidung, zur Glaub-würdigkeit und langfristigen Akzeptanz der regionalen Bioenergie-Initiative bei. Ein schönes Beispiel für diese Strategie stellt die Gülleseparation in der Bioenergie-Region Südoldenburg dar, ausführlich beschrieben im Kapitel 3.3.2, Projekte der Wertschöp-fungskette Biogas.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (2011): Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie, Daten & Fakten zur Debatte um eine wichtige Ener-giequelle (www.unendlich-viel-energie.de) Bundesamt für Naturschutz (2010): Bioenergie und Naturschutz, Synergien fördern und Risiken vermeiden (www.bfn.de) Deutscher Verband für Landschafts-pflege & Naturschutzbund NABU (2007): BIOENERGIE? – ABER NATÜRLICH! Nachwachsende Roh-stoffe aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes (www.nabu.de) Deutscher Verband für Landschafts-pflege e. V. (DVL) (2008): Erfolgs-modelle energetischer Nutzung von Biomasse aus der Landschaftspflege (www.lpv.de)

Page 69: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 69

Fachverband Biogas e. V. (2011): Wie sag ich‘s meinem Nachbarn? PR-Leitfaden des Fachverbandes Biogas e. V. (www.biogas.org) Fraunhofer Umsicht (2012): Akzeptanz von Biogasanlagen, Hintergrund, Analyse und Empfeh-lungen für die Praxis (www.umsicht.fraunhofer.de) Lokale Energieagentur Oststeiermark (2006): Kommunikationsratgeber für die erfolgreiche Biogasanlage (www.lea.at) Naturschutzbund Deutschland e. V. (2006): Leitfaden Erneuerbare Ener-gien Konflikte lösen und vermeiden (www.nabu.de) ÖAR-Regionalberatung GmbH (2002): Konflikte in der Projektarbeit nutzen (www.oear.at) www.esteem-tool.eu (englischspra-chige “toolbox to create acceptance for new energy projects”) www.izt.de/projekte/ laufende-projekte/projekt/ akzeptanzfoerderungee www.kommunal-erneuerbar.de/ de/kommunalratgeber/ konflikte-vermeiden.html www.naturschutzstandards-erneuer barer-energien.de www.unendlich-viel-energie.de/de/panorama/akzeptanz-erneuer barer-energien.html

Konfliktbearbeitung im engeren SinneNeben den bislang skizzierten Möglichkeiten, die im Wesentlichen auf die Schaffung von Akzeptanz und die Vermeidung von Konflikten ausgelegt sind, können regionale Bioenergie-Initiativen bereits bestehende Konflikte direkt bearbeiten und zur Kon-fliktlösung beitragen. Dabei sind grundsätzlich zwei Ebenen zu unterscheiden: die lokale und die regionale Ebene.

Auf der lokalen Ebene handelt es sich in der Regel um anlagenbezogene Konflikte bei-spielsweise zwischen dem Anlagenbetreiber und den Anwohnern. In vielen Fällen hat sich gezeigt, dass durch eine neutrale Moderation oder Mediation solche Konflikte ge-löst werden können. Eine regionale Bioenergie-Initiative kann solche Leistungen als Dienstleistung anbieten (ggf. unter Einbindung externer Experten), vermitteln oder eine Erstberatung anbieten. Auch eher präventive Formen sind denkbar, indem bei-spielsweise potenziellen Anlagenbetreibern Informationen oder Ratschläge gegeben oder Schulungen angeboten werden, wie Widerstände und Konflikte bei der Anlagen- und Standortplanung vermieden werden können.

Bei der Konfliktbearbeitung auf der regionalen Ebene müssen strukturelle Unter-schiede zur lokalen Ebene beachtet werden. Dies betrifft u. a. die Rolle der regionalen Bioenergie-Initiative sowie die Art der Konflikte. Auf der lokalen Ebene ist die regio-nale Bioenergie-Initiative in der Regel nicht als Partei direkt in den Konflikt einge-bunden. Auf der regionalen Ebene kann dies je nach Ausrichtung der Initiative anders aussehen oder wahrgenommen werden. Zudem ist zu beurteilen, ob der Konflikt beispielsweise um Flächennutzung überhaupt auf der regionalen Ebene bearbeitet werden kann und wenn ja, ob die regionale Bioenergie-Initiative über die für die Konfliktbearbeitung notwendigen Handlungsmöglichkeiten verfügt. Denn wie oben beschrieben, sind die Möglichkeiten von Netzwerken, Konflikte durch Verhandlung, Kompromisse oder Machteingriffe zu entscheiden, begrenzt. Die Chancen und Risiken einer direkten Bearbeitung von Konflikten auf der regionalen Ebene sind daher sorg-fältig abzuwägen. Zur Einschätzung und Abwägung können die folgenden Leitfragen genutzt werden:

→ Kann der Konflikt auf der regionalen Ebene überhaupt gelöst werden? Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten bestehen zur Lösung des Konflikts? Sind Win-Win-Situationen, konsensuale Lösungen und Kompromisse möglich?

→ Wie ist die regionale Bioenergie-Initiative von dem Konflikt betroffen? Wird sie als Akteur der Konfliktbearbeitung von den Beteiligten akzeptiert?

→ Verfügt die regionale Bioenergie-Initiative über ausreichende Kompetenzen, Expertise und Ressourcen für ein professionelles Konfliktmanagement?

→ Wie wirkt sich die Konfliktbearbeitung auf die interne Zusammenarbeit der regionalen Bioenergie-Initiative aus? Besteht das Risiko, dass andere Arbeitsfelder der Bioenergie-Initiative belastet werden?

→ Passt die Konfliktbearbeitung zur externen Rolle und zum Profil der regionalen Bioenergie-Initiative? Welche Auswirkungen auf Rolle und Profil sind mit der Konfliktbearbeitung verbunden?

Voraussetzung einer systematischen Konfliktbearbeitung im engeren Sinne sowohl auf der lokalen als auch der regionalen Ebene ist eine detaillierte Analyse des Kon-flikts, wie im Abschnitt „Konflikte analysieren“ beschrieben.

Page 70: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

70 Prozesse und Strukturen

ERFAHRUNGSBERICHT

Kulissenplan Bioenergie in der Bioenergie-Region Bayreuth

KONTAKT

Bernd Rothammel Bioenergie-Region Bayreuth bernd.rothammel@region-bay reuth.de www.region-bayreuth.de/ Bioenergieregion.aspx

Die Bioenergie-Region Bayreuth hat die Entwicklung eines Kulissenplans Bioenergie voran-getrieben, in dem jene Flächen in den Gemeinden identifiziert wurden, die für erneuerbare Energie geeignet sind, aber auch solche, die besser anderen Nutzungen vorbehalten bleiben. In den Diskussionsprozess zur Erstellung des Kulissenplans wurden Vertreter aus der Ver-waltung, interessierte Bürger und Fachbehörden einbezogen. Konsensfähige Lösungen zur Nutzung erneuerbarer Energien sind das Ergebnis.

Foto: Ingo Bäuerlein www.frankenair.de

4.3 Wissensmanagement und Kommunikation„Die größte Herausforderung bestand und besteht darin, das vorhandene Know-how dem einzelnen Konsumenten nahe zu bringen. Der einzelne Energiekunde muss über die Vorteile informiert werden, die sich für ihn aus der Nutzung – beispielsweise der Nahwärme aus regionaler Biomasse – ergeben.“

Dieses Zitat aus der Bioenergie-Region Bodensee verdeutlicht beispielhaft den hohen Stellenwert von Wissenstransfer für den weiteren Ausbau der Bioenergienutzung in Regionen. Wie regionale Bioenergie-Initiativen Wissen „managen“, kommunizieren und vor allem die Nutzung von Wissen unterstützen können, wird im Folgenden beschrieben.

4.3.1 Planung und Bausteine des WissensmanagementsIn jeder gut funktionierenden regionalen Bioenergie-Initiative werden Wissen und Er-fahrungen rege ausgetauscht. Durch diesen Austausch und die gemeinsam durchgeführ-ten Aktivitäten entsteht neues Wissen. Dies gehört quasi zur „Natur“ von Netzwerken.

Die dabei ablaufenden Prozesse können idealtypisch in sieben Bausteine unterschie-den werden. Dabei kommt zwei Bausteinen eine übergeordnete Bedeutung zu: der Festlegung von Wissenszielen und der Wissensbewertung (siehe Kapitel 4.3.5).

Die Festlegung von möglichst klaren Zielen (Wissenszielen) ist im Rahmen der Planung und Durchführung des Wissensmanagements von zentraler Bedeutung. Wissensziele geben dem Wissensmanagement die Richtung vor und sind die Voraussetzung zur Be-wertung der Zielerreichung und für Lernprozesse.

Wissensziele leiten sich – ebenso wie Kommunikationsziele – unmittelbar aus den Zielen der regionalen Bioenergie-Initiative ab. Die zentrale Frage lautet: „Welches Wis-sen ist für den Erfolg der regionalen Bioenergie-Initiative entscheidend?“ Erfolg kann sich dabei sowohl auf die regionale Bioenergie-Initiative insgesamt als auch einzelne konkrete Produkte, Projekte oder Aktivitäten beziehen.

Page 71: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 71

Wissensziele und Wissensbe-wertung haben beim Wissens-management eine übergeordnete Bedeutung

Quelle: Romhardt, Kai (1998): „Die Organisation aus der Wissensperspektive – Mög-lichkeiten und Grenzen der Intervention“, Wiesbaden: Gabler download unter www.romhardt.com

GR

GR

GR

F1

F1

F2

F1 F2

ursprünglicheKon�guration

Repowering:serielleKon�guration

Repowering:paralleleKon�guration

Vorteil:Kaskadeneffekt(Minimierung des Austragsfrisch zugeführten Substrats)Nachteil:weiterhin hoch belasteterFermenter 1 („Flaschenhals“)

Vorteil:Entlastung des hoch belastetenFermenter 1Nachteil:Kaskadeneffekt nicht nutzbar

WissenszieleFeedback Wissens-

bewertung

Wissens-identi�kation

Wissens-nutzung

Wissens-erwerb

Wissens-bewahrung

Wissens-entwicklung

Wissens-(ver)teilung

Wissensziele sollten die folgenden drei Ebenen abdecken: → normativ: z. B. wissensbewusste Netzwerkkultur; → strategisch: Kernwissen der regionalen Bioenergie-Initiative, angestrebtes

Wissen/Kompetenzen, Haupthebel des Kompetenzaufbaus; → operativ: Übersetzung ins Konkrete, was wird getan?

Die Festlegung von konkreten Wissenszielen in regionalen Bioenergie-Initiativen ist keine ganz einfache Aufgabe. Die Promotoren und auch das Management sollten die Akteure für die Notwendigkeit der Definition von Wissenszielen sensibilisieren und bei der Zielfindung motivieren. Oftmals rühren Zieldefinitionsprozesse auch an Emotionen und sind daher professionell zu moderieren. Ebenfalls wichtig ist es, die festgelegten Wissensziele zu kommunizieren.

Eine konkrete Möglichkeit zur Definition der Wissensziele sowie die Planung der weiteren Bausteine des Wissensmanagements für die regionale Bioenergie-Initiative insgesamt oder für einzelne Aktivitäten und Projekte stellt die Durchführung eines Workshops dar, auf dem die folgenden Leitfragen beantwortet werden:

Leitfragen des WissensmanagementsBaustein Leitfragen

Wissensziele Welches Wissen ist für den Erfolg der Bioenergie-Initiative entscheidend?

Wissens- identifikation

Welches Wissen ist innerhalb der regionalen Bioenergie-Initiative vorhanden? Welches Wissen außerhalb?

Wissenserwerb Welches Wissen fehlt und muss extern eingekauft werden?

Wissensentwicklung Wie soll neues Wissen aufgebaut werden?

Wissens(ver)teilung Wie bringe ich das Wissen an den richtigen Ort?

WissensbewahrungWie wird die regionale Bioenergie-Initiative vor Wissensverlusten geschützt?

Wissensnutzung Wie wird die Anwendung des Wissens sichergestellt?

Wissensbewertung Wie wird der Erfolg bewertet?

Page 72: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

72 Prozesse und Strukturen

4.3.2 Wissensmanagement im Netzwerk der regionalen Bioenergie-InitiativeDas Netzwerk der regionalen Bioenergie-Initiative kann zum Herzstück des regionalen Wissensmanagements entwickelt werden. Wie im Folgenden dargestellt wird, gilt es dazu einerseits die „natürlichen“ Stärken und Potenziale von Netzwerken zum Aus-tausch von Wissen und zur Verbesserung von Informationsflüssen zur Entfaltung zu bringen. Andererseits muss das Wissensmanagement behutsam in Bahnen gelenkt und organisiert werden. Gelingt beides, fließt das Wissen aus der Region im Netzwerk zu-sammen und wird von dort wieder an die richtigen Orte verteilt.

Gestalten Sie einerseits das Netzwerk wie ein KaffeehausDer Austausch von Informationen und Erfahrungen in Netzwerken lebt in erster Linie von der lebendigen Interaktion von Menschen (und nicht von toten Datenbanken). Eine zentrale Aufgabe der Akteure, Promotoren und des Managements ist es daher, Räume zu schaffen, in denen solche Interaktionen möglich sind, in denen man gerne dabei ist, in denen genügend Platz für Kaffeepausen und informellen Austausch gege-ben ist, und in denen es, wie in einem Kaffeehaus, auch ein ständiges Kommen und Ge-hen gibt. Wenn es der regionalen Bioenergie-Initiative gelingt, solche Räume zu schaf-fen, dann findet der (freiwillige) Austausch von Informationen und die Verbreitung von Wissen fast schon von alleine statt. Denn Informationen und Erfahrungen sind das zentrale Tauschgut in einem Netzwerk. Die natürlichen Stärken und Potenziale des Netzwerks können sich so frei entfalten. Wie die folgende Abbildung verdeutlicht, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, um individuelle oder gruppenbezogene Austausch- und Lernprozesse innerhalb einer regionalen Bioenergie-Initiative anzustoßen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Erfahrungsaustausch zu, da hierdurch eine besondere Art von Wissen vermittelt werden kann. Es handelt sich um sogenanntes implizites oder nicht-kodifizierbares (Erfahrungs-)Wissen, das nicht mittels Informati-ons- oder Kommunikationstechnologie verbreitet werden kann.

Arbeits- und Lernformen in Netzwerken: Es gibt viele Möglichkeiten, individuelle oder gruppenbezogene Austausch- und Lernprozesse anzustoßen

Quelle: Elsholz, Dr. Uwe et al. (2006): Verstetigung von Netz-werken

0

5

10

15

20

25

Vermeidung des Kon�ikts(Kon�iktbereiche werden

gemieden, keineAuseinandersetzung)

Zusammenarbeit/Kooperation (gemeinsameBearbeitung und Lösung

des Problems)

Kompromisse (beideSeiten geben nach)

Erhöhung/Schaffung vonAkzeptanz

Anzahl der Regionen

ErfahrungsaustauschStrukturierter

Erfahrungsaustausch

formelles Lernen

informellesLernen

Individuum

Gruppe Seminare und WorkshopsVorortbesuche

Kaffeepausen, gemeinsame Netzwerkabende

Tel./E-Mail

Informations-abruf

Positiv

passiv aktiv

Negativ Ablehnung

BefürwortungAktive

Unterstützung/Nutzung/Investition

Widerstand

Page 73: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 73

Lenken und organisieren Sie andererseits das Wissensmanagement behutsamWenn die regionale Bioenergie-Initiative sich gefunden hat, die Akteure sich be-schnuppert und die Zielrichtung, Ziele und Aktivitäten sich herauskristallisiert haben, dann erhält auch das Wissensmanagement eine zusätzliche Dimension. Neben dem eher „ungerichteten“ Informationsaustausch à la Kaffeehaus, der in erster Linie vom (Informations-)Gewinn jedes Einzelnen lebt, kann der Fokus des Managements auch auf das für die Erreichung der gemeinsamen Ziele notwendige Wissen gerichtet wer-den. Eine solche Fokussierung auf klare Wissensziele erfordert allerdings einiges Ge-schick. Wenn das Netzwerk noch nicht reif dafür ist und wenn zu viel Druck ausgeübt wird, besteht ggf. das Risiko des Scheiterns. Hilfreich ist es, wenn

→ das Wissensmanagement auf einige wenige Handlungsfelder fokussiert wird, die für die regionale Bioenergie-Initiative und die Akteure von zentraler Bedeutung sind;

→ sich kleinere Teilgruppen der regionalen Bioenergie-Initiative bilden, die gezielt Fragen des Wissensmanagements und der Kommunikation bearbeiten;

→ Fragen möglicher Konkurrenzen offen angesprochen werden; → frühe Erfolge des Wissensmanagements gezielt geplant und kommuniziert werden.

Dabei schließen sich das Prinzip „Kaffeehaus“ und das stärker gelenkte und organisierte Vorgehen nicht gegenseitig aus und finden (auch) parallel statt. In beiden Bereichen geht es darum, Akteure zusammenzubringen und zu vernetzen, zur Teilnahme anzu-regen, die Aktivitäten engagierend und vibrierend zu halten, an dem sozialen Netzwerk zu weben und die Kommunikation und individuelle Beiträge zu fördern. Denn Grup-penidentität und Vertrauen sind zentrale Voraussetzungen für Wissensaustausch in Netzwerken.

4.3.3 Von der regionalen Bioenergie-Initiative in die RegionIn der Regel geht es beim Wissensmanagement einer regionalen Bioenergie-Initiative nicht nur darum, Wissen innerhalb des Netzwerkes auszutauschen und zu entwickeln, sondern auch darum, Wissen in der Region – also über das engere Netzwerk hinaus – zu verbreiten. Vielfach handelt es sich sogar um eine zentrale Aufgabe einer regionalen Bioenergie-Initiative. Im besten Fall ist der Wissenstransfer aber keine Einbahnstraße (siehe Kapitel 4.3.5), sondern die gewonnenen Erfahrungen fließen wieder in das Netz-werk zurück und/oder das regionale Netzwerk wird um neue Akteure erweitert.

Herzstück des Kommunikationskonzeptes der Bioenergie-Region Nordfriesland Nord ist die Entwicklung und Ausgabe eines Regionalmagazins, in dem regionale Projekte und Entwicklun-gen im Bereich regenerative Energien vorgestellt werden. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Bioenergie-Branche, wobei Probleme nicht ausgeblendet, sondern vielmehr die bisherigen Bemühungen und Ergebnisse zu Lösung bestehender Konflikte aufgezeigt werden.

Ziel des Regionalmagazins ist es, die regionale Nachfrage nach erneuerbarer Energie bzw. der zu ihrer Produktion und Nutzung erforderlichen Technik zu fördern. Damit regional ansässige Firmen von dieser Nachfragesteigerung profitieren (Stichwort „regionale Wertschöpfung“), er-halten diese die Möglichkeit, sich und ihre Produkte im Magazin vorzustellen.

Das Magazin wird einmal im Quartal an alle Haushalte in der Bioenergie-Region verteilt und stellt so die beste Möglichkeit dar, mit begrenzten Ressourcen einen möglichst großen Kreis der Zielgruppen (Bevölkerung, Landwirte, Biogasanlagenbetreiber, Touristen) zu erreichen.

KONTAKT

Sebastian Rietz Regionalmanagement AktivRegion Nordfriesland Nord [email protected] www.aktivregion-nf-nord.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Regionalmagazin „Neue Energien im Norden“

Page 74: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

74 Prozesse und Strukturen

Planung des WissenstransfersIm Kern handelt es sich beim Wissenstransfer um einen Kommunikations- und Lernprozess, der anhand der folgenden Leitfragen geplant werden kann.

Leitfragen für die Planung des Wissenstransfers in die Region von der regionalen Bioenergie-Initiative

Aspekt Leitfragen

Zielgruppe/ Empfänger

Wer ist der „Empfänger“ des Wissens?

Ziel Was ist das Ziel des Wissenstransfers?

BedarfWelches Wissen ist schon vorhanden? Welches Wissen soll aufgebaut werden?

InhalteWelches Wissen soll vermittelt werden und um welche Art von Wissen handelt es sich?

Wege/Instrumente Wie soll das Wissen vermittelt werden?

Ressourcen Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?

Zielgruppen des WissenstransfersWie bei jedem Kommunikationsprozess kommt auch beim Wissenstransfer der Auswahl der Zielgruppe eine zentrale Bedeutung zu. Mögliche Zielgruppen sind beispielsweise

→ die direkt an den Bioenergie-Wertschöpfungsketten beteiligten Akteure wie Land-wirte, Forstwirtschaft, Anlagenbetreiber etc.;

→ Händler und Hersteller (z. B. Handwerker, Ingenieure), Investoren; → Endverbraucher aus dem privaten, öffentlichen und Unternehmensbereich; → Unterstützer und Multiplikatoren (z. B. Presse, Politiker, Umweltschutzgruppen).

Im Wettbewerb Bioenergie-Regionen kam der Zielgruppe „Kommunen“ eine zentrale Be-deutung bei: 19 der 25 Bioenergie-Regionen haben auf die Überzeugung und Einbindung kommunaler Akteure die meiste Energie verwendet. Denn kommunale Akteure können nicht nur als Multiplikatoren fungieren und die Rahmenbedingungen vor Ort beein-flussen, sie verfügen zugleich über konkrete Einsatzmöglichkeiten für Bioenergie z. B. in Schulen, Kindergärten, Schwimmbädern oder anderen öffentlichen Einrichtungen.

Kennzeichen erfolgreicher Wissenstransfer- und Lernprozesse Jeder Mensch lernt anders, aber dennoch lassen sich Kennzeichen für erfolgreiche Wissenstransfer- und Lernprozesse ableiten:

Menschen lernen, wenn ihre Aufmerksamkeit geweckt ist, sie den Nutzen des Erlern-ten erkennen, das Erlernte mit konkreten Handlungs- und Anwendungsmöglichkeiten verbunden ist und wenn in einer für sie verständlichen Sprache kommuniziert wird. Mit allen Sinnen lernt es sich besser, wenn also Kopf (Ratio), Herz (Emotion) und Hand (Begreifen) angesprochen werden. Das Lernen ist auch im direkten Austausch und in der Gruppe in einem aktiven Prozess einfacher. Und nicht zuletzt ist der Lernprozess, auch wenn es auf den ersten Blick banal klingt, mit Spaß und Begeisterung viel effektiver.

Betrachtet man die o. g. Aspekte, so wird klar, warum gemeinsamen Besichtigungen und Exkursionen bereits installierter Energieanlagen in vielen Bioenergie-Regionen eine so zentrale Bedeutung beim Wissenstransfer zukommt.

Wir behalten: → 10 % von dem, was wir lesen → 20 % von dem, was wir hören → 30 % von dem, was wir sehen

→ 50 % von dem, was wir hören und sehen → 70 % von dem, was wir selbst sagen → 90 % von dem, was wir selbst tun

Page 75: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 75

Strategien und Instrumente des WissenstransfersFür den Wissenstransfer steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung. Die Wahl wird u. a. bestimmt von der Art und Größe der Zielgruppe, der Art des zu vermittelnden Wissens sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen. So ist beispielsweise die große Zielgruppe von Endverbrauchern im Bereich von Holzheizungen anders anzusprechen als die vergleichsweise überschaubare Anzahl von Betreibern von Biogasanlagen, die über die Möglichkeiten zur Effizienzverbesserung informiert werden sollen.

Grundsätzlich können zwei Strategien des Wissenstransfers unterschieden werden. Das Wissen wird entweder verschriftlicht bzw. auf anderen Wegen elektronisch archiviert und abrufbar gehalten (sogenannter people-to-document-Ansatz: Kodifizierung), oder es wird per Dialog und Austausch vermittelt (sogenannter people-to-people-Ansatz: Personali-sierung). Beide Ansätze sind mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen verbunden. Die Bioenergie-Regionen nutzten im Rahmen des Wettbewerbs beide Strategien sowie eine Vielzahl von Instrumenten für den Wissenstransfer, wie die folgende Übersicht verdeutlicht.

Strategien und Instrumente des Wissenstransfers in den Bioenergie-Regionen

Kodifizierung Personalisierung

Instrumente: → Internet: eigene Internetseiten,

Datenbanklösungen wie z. B. Kommunales Informationssystem

→ PR und ÖA: Pressemitteilungen, Radio, Fernsehen, Imagekampagnen

→ Broschüren und Flyer: z. B. Handbuch Holznutzung

→ Magazin, Energiezeitungen → Newsletter

Instrumente: → Ausstellungen, Messen → Bioenergiefeste → Bioenergie-Botschafter → Energieberatung → Stammtische → Energieberater wie Energy-Scouts,

Energiefüchse → Qualifizierung und Weiterbildung

Vorteile: → große Reichweite → ständige Verfügbarkeit des Wissens

Vorteile: → hohe Individualität des Wissenstransfers → Implizites Wissen kann vermittelt werden

Nachteile: → zeit- und kostenintensiv

Nachteile: → Limitierung des transferierbaren Wissens

Tipps für einen erfolgreichen WissenstransferAbschließend sollen noch einige übergreifende Hinweise zum Wissenstransfer einer regionalen Bioenergie-Initiative gegeben werden:

→ Bauen Sie auf den Stärken der regionalen Bioenergie-Initiative auf und nutzen diese (erfolgreiche Beispiele, Neutralität und Unabhängigkeit des Wissenstransfers, Nähe, Vertrauen, Glaubwürdigkeit).

→ Achten Sie auf eine enge Verbindung zwischen der Strategie des Wissenstransfers und der Gesamtstrategie der regionalen Bioenergie-Initiative.

→ Unterscheiden Sie sauber zwischen Initialberatung und Detailberatung (die in der Regel nicht von der regionalen Bioenergie-Initiative geleistet wird).

→ Stellen Sie, ggf. in Abstimmung mit weiteren Akteuren, eine lückenlosen Kette vom Themenmarketing über das Überblickswissen, Initialberatung und detaillierte Be-ratung bis hin zur Begleitung von Investitionen auf.

→ Konzentrieren Sie den Wissenstransfer auf die Bereiche, in denen reale Hand-lungsmöglichkeiten vorhanden sind, und kombinieren Sie den Wissenstransfer mit konkreten Handlungsanreizen.

→ Binden Sie weitere Akteure aus der Region (z. B. Bildungsträger) und Multiplikato-ren in den Wissenstransfer ein.

→ Nutzen Sie bereits vorhandenes Informationsmaterial (z. B. Bioenergieberatung) zur Verbreitung von „Grundwissen“.

Page 76: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

76 Prozesse und Strukturen

Die Ansprache, Beratung und Motivation von Bürgern einer Region stellt aufgrund der Größe eine besondere Herausforderung regionaler Bioenergie-Initiativen dar. In der Bioenergie-Re-gion Straubing-Bogen mit 140.000 Einwohnern erfolgt dies u. a. durch sogenannte Energy-Scouts.

In 28 von 37 Kommunen der bayerischen Bioenergie-Region konnten insgesamt 43 ehren-amtliche Energieberater gewonnen werden, die der Bevölkerung vor Ort als Ansprechpartner bei allen Fragen rund um das Thema Bioenergie und Energiesparen zur Verfügung stehen. Die Energy-Scouts geben Informationsmaterial aus, führen Initialberatungen durch und vermitteln Kontakte an regionale Sachverständige. Zu den Aufgaben eines Energy-Scouts gehört auch die aktive Kontaktaufnahme zu Bau- und Hausherren, um mehr Bewusstsein für das Thema Ener-giesparen und den Ersatz fossiler Energieträger durch Bioenergielösungen zu schaffen. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Energy-Scouts nicht in Konkurrenz zu regionalen Sachverständigen und Experten stehen, sondern nach der Initialberatung die Bürger an zertifizierte Energiebera-ter, Heizungsbauer und Kaminkehrer verweisen.

Um die ehrenamtlichen Erstansprechpartner für ihre Aufgabe fit zu machen, erhielten sie eine kostenfreie zweitägige Qualifizierung und werden seither vom Landratsamt Straubing-Bogen betreut und regelmäßig fortgebildet. Ferner wurden sie mit Messgeräten und Informations-materialien ausgestattet. Mit den folgenden Plakaten wird in den Gemeinden auf die kostenlose Erstberatung durch die Energy-Scouts hingewiesen.

4.3.4 Vom Wissen zum Handeln zur KompetenzregionÜbergeordnetes Ziel des Wissensmanagements einer regionalen Bioenergie-Initiative ist es, konkrete Handlungen, Aktivitäten und Investitionen zur Nutzung von Bioener-gie anzustoßen. Wissen führt aber nicht automatisch oder zwangsläufig zum Handeln. Die folgende Wissenstreppe veranschaulicht, wie sich Zeichen, Daten, Informationen, Wissen, Können und Handeln unterscheiden. Während Informationen über technische Lösungen wie beispielsweise das Internet zur Verfügung gestellt werden können, ist Wissen, Können und Handeln immer an Menschen gebunden.

KONTAKT

Laura Osterholzer Bioenergie-Region Straubing-Bogen osterholzer.laura@landkreis-strau bing-bogen.de www.bioenergie.straubing-bogen.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Wissenstransfer und mehr durch ehrenamtliche Ener-gieansprechpartner

Quelle: Bioenergie-Region Straubing-Bogen

Page 77: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 77

+ richtiges Handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.): Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Die Wissenstreppe einer regio-nalen Bioenergie-Initiative zeigt, dass Wissen nicht automatisch zum Handeln führt: Wissen, Können und Handeln sind im-mer an Menschen gebunden

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richtr, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.): Kompetenz-bilanz, S. 237–269

Vom Wissen zum Handeln – worauf ist zu achten? Sind die ökonomischen Möglichkeiten und/oder Vorteile gegeben, handeln Menschen, wenn Sie

→ über das notwendige Wissen sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, also Können;

→ Wollen, also motiviert sind, das Können bzw. Wissen anzuwenden; → Dürfen und sollen, wenn also die Handlung vom Umfeld erwünscht ist und → die konkrete Situation es ermöglicht, also die äußeren Umstände günstig sind.

So nützt beispielsweise die Vermittlung der Vorteile der Nutzung von Bioenergie nichts, wenn kein Wille zur Anwendung vorhanden ist.

Um keine Ressourcen zu vergeuden, sollte daher erstens der Fokus des Wissensma-nagements einer regionalen Bioenergie-Initiative auf die Bereiche und Akteure gelegt werden, in denen die Erfolgsaussichten für Handlungen am größten sind, und zweitens sollte das Wissensmanagement in ein Gesamtpaket eingebunden werden, mit dem auch die anderen drei o. g. Handlungsdeterminanten beeinflusst werden. Die eigentli-che Kunst einer regionalen Bioenergie-Initiative im Wissensmanagement ist es also zu beurteilen, wo die größten Erfolgsaussichten für Handlung und Veränderung bestehen.

Vom Handeln zur KompetenzEs gibt weitere Gründe, warum der Fokus des Wissensmanagements auf konkrete Handlungen, Aktivitäten, Investitionen und Projekte so wichtig ist. Im Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ ist folgendes deutlich geworden:

→ Regionale Leuchttürme und konkrete Nutzungen der Bioenergie wie beispielsweise ein Bioenergiedorf oder eine Nahwärmenutzung stellen die besten Mittel für einen Wissenstransfer dar, der über die Vermittlung von Faktenwissen hinausgeht, Men-schen motiviert und den Funken überspringen lässt.

Page 78: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

78 Prozesse und Strukturen

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Hinweise zur Entwicklung eines Kommunikations- und Medienplans finden Sie im „Handbuch für eine nachhaltige Energieversorgung von Regionen“, Tischer et al. (2009), 4. Auflage

Mader, Wolfgang und Marchner, Dr. Günther (2009): Regionales Wissens-management, Ein Handbuch, Lernen-de Regionen (www.netzwerk-land.at) Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2007): Wissensmanage-ment in kleinen und mittleren Unter-nehmen und öffentlicher Verwaltung, Ein Leitfaden (www.bmwi.de) Eine Übersicht zur Auswahl geeigneter Kommunikationsinstrumente finden Sie unter: www.100re.net/download/Kommuniktaionsinstrumente.pdf Eine Übersicht über „Informations-Instrumente für Akzeptanzmanage-ment“ finden Sie unter: www.olev.de/a/info-instr_akzeptanzmanage ment.pdf Auf der Internetseite artm-friends.at/am/km/km-d/km-index-d.html werden u. a. Grundlagen des Wissens-managements sowie Methoden und Werkzeuge dargestellt Die Internetseite mechanisms. energychange.info/de enthält kon-krete Hinweise und Werkzeuge zur Identifikation von Zielgruppen und der gezielten Ansprache im Bereich des Energiesparens

→ Mit jedem konkreten Projekt sind neue Erfahrungen, neues Wissen und Lernpro-zesse verbunden, die wieder in das Netzwerk eingespeist werden können und so zur Entstehung und Entwicklung der regionalen Kompetenz beitragen (siehe Abbil-dung der Wissenstreppe oben).

→ Die Kompetenz zeigt sich im Handeln. Dies gilt auf allen Ebenen, vom einzelnen Projekt bis zur Region insgesamt sowie für die jeweilige Bioenergie-Initiative. Gelingt es der regionalen Bioenergie-Initiative, konkrete Handlungen und Projekte anzustoßen und Erfolge zu vermarkten, verbessert sie damit ihren Status in der Re-gion sowie gegenüber potenziellen Fördermittelgebern und kann somit zur Verste-tigung und Weiterentwicklung ihrer eigenen Arbeiten beitragen (siehe Kapitel 4.4 Verstetigung).

4.3.5 Selbstbewertung innerhalb der regionalen Bioenergie-InitiativeNetzwerke leben vom Wissensaustausch. In diesem Kapitel finden Sie Informatio-nen darüber, wie die Wissensströme einer regionalen Bioenergie-Initiative – das verborgene Kapital – erfasst und bewertet werden können.

Ausgangspunkt der Selbstbewertung der Kompetenzentwicklung ist der folgende idealtypische „Regelkreis“ der Netzwerkarbeit einer regionalen Bioenergie-Initiative. Dabei werden ausgehend von gemeinsamen Zielen oder Problem- und Interessens-lagen Lösungsansätze durch die Netzwerkakteure erarbeitet, die entsprechenden Produkte, Projekte und Initiativen (PPI) entwickelt und realisiert und anschließend die Zielerreichung überprüft.

+ richtiges handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.): Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Planung & PlanungProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital¡nanzierung

Gemeinsame Ziele(Basis: Erwartete Win-Win-Situation)

Netzwerkpartner

Input intern und extern

Net

zwer

k w

ird

gebi

ldet

Win-W

in-Situation

→ Neue Ideen→ Erfolgskontrolle der Outputs→ Rückkopplung

Output − PPIProdukte, Projekte, Initiativen

Netzwerkkompetenzen

Regelkreis zur Erfassung und Bewertung der Kompetenzent-wicklung in regionalen Bioener-gie-Initiativen

Quelle: Borkenhagen, Prof. Dr. Peter et al. (2004): Netzwerkma-nagement

Page 79: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 79

Aus diesem Regelkreis können die folgenden Kriterien und Dimensionen zur Erfas-sung und Bewertung der Kompetenz einer regionalen Bioenergie-Initiative abgeleitet und beispielsweise für eine Selbstbewertung durch das Netzwerkmanagement oder noch besser die beteiligten Netzwerkakteure genutzt werden:

Aus- prägung gering mittel hoch

Kriterien

Ziele

Zielbestimmung: → Netzwerkziele

werden gemeinsam diskutiert, formu-liert und verbind-lich dokumentiert

Identifikation mit den Zielen: → Die Netzwerkpartner ver-

treten die Netzwerkziele nach außen und opera-tionalisieren diese für ihre eigene Arbeit.

Die Leistungen des Netzwerks werden an den Zielen gemessen:

→ Die Ziele werden bei Notwendigkeit modifiziert.

Arbeits-weise

Problemanalyse durch Netzwerkakteure:

→ Die Probleme wer-den analysiert und allen Netzwerk-partnern transpa-rent gemacht.

Problembearbeitung: → kooperative Problem-

bearbeitung durch Netzwerkakteure auf der Grundlage vereinbarter/festgelegter Methoden und unter Nutzung von In-puts der Netzwerkakteure

Realisierung der Lösung: → kooperative Problem-

lösung durch Netzwerk-akteure

→ Adaption an die spezi-fischen Probleme der Netzwerkpartner

Kommu-nikation

Kommunikation der Netzwerkakteure:

→ Dialog der Netz-werkakteure über Probleme und Ziele

Entwicklung netzwerkspezi-fischer Kommunikationssys-teme:

→ Kommunikationssysteme werden unter den Netz-werkakteuren entwickelt (Treffen, Medien, Platt-form etc.).

Nutzung und Veränderung der Kommunikationssysteme:

→ aktive Nutzung und Veränderung der Kom-munikationssysteme für die Problemlösungen innerhalb und außerhalb des Netzwerks

Know-how-Ent-wicklung

Input der Netzwerk-akteure:

→ Know-how der Netzwerkakteure wird als Input ins Netzwerk gegeben und unsystema-tisch erfasst

Vorhandenes Know-how wird erfasst:

→ Das Know-how der Akteure wird zielorientiert erfasst, systematisiert, bewertet und ggf. wird externes Know-how be-schafft.

Netzwerk-Know-how ent-steht:

→ Netzwerk- Know-how ist vorhanden, wird weiter-entwickelt und ggf. von außen nachgefragt.

Know-how-Transfer

einseitiger Know-how-Transfer:

→ Der Know-how-Transfer findet zwischen den Akteuren in einer Richtung statt.

beidseitiger Know-how-Transfer:

→ Der Know-how-Transfer läuft zwischen den Netz-werkpartnern.

Know-how-Austausch: → Netzwerk-Akteure tau-

schen Know-how unterei-nander sowie mit externen Partnern aus.

Produkte (PPI)

Produktidee: → Aus dem Input und

Know-how-Aus-tausch entstehen Produktideen.

Produktentwicklung: → Netzwerkakteure ent-

wickeln Produkte

Produkteinführung: → Das Produkt wird von den

Netzwerkpartnern genutzt und ggf. anderen zur Ver-fügung gestellt

Evaluie-rung

→ Die Netzwerk-akteure erkennen die Notwendigkeit eines Evaluierungs-konzepts.

→ Das Evaluierungskonzept wird entwickelt.

→ Ein Evaluierungskonzept ist eingeführt und wird angewendet.

→ Die Ergebnisse werden für Neuentwicklung im Netz-werk etabliert.

Erfassung und Bewertung der Kompetenzentwicklung in Netz-werken

Quelle: Elsholz, Dr. Uwe et al. (2006): Verstetigung von Netz-werken

Page 80: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

80 Prozesse und Strukturen

4.4 Strukturen und Verstetigung

4.4.1 Strukturen Jede Bioenergie-Initiative benötigt zur Erreichung ihrer Ziele geeignete Umsetzungs-strukturen. Die Strukturen sollten dabei den Zielen folgen – und nicht umgekehrt. Zu Beginn der Umsetzung stellt sich Ihnen also die Frage, welche Ziele Sie mit der Bio-energie-Initiative erreichen wollen. Zu bedenken ist, dass den Startpunkt von Initia-tiven oftmals einzelne Personen oder kleine Gruppen markieren. Verfügt die Person oder die Gruppe über entsprechende Netzwerke (siehe Kapitel 4.1 „Netzwerke“), steigen die Erfolgschancen.

Eine große Herausforderung bei der Festlegung der Ziele ist, dass es gemeinsame Ziele sind. Es muss ein gemeinsames Verständnis der aktuell Beteiligten, aber auch für die weiteren, noch zu überzeugenden Mitstreiter entwickelt werden. Das gemeinsame Ver-ständnis und die Ziele, die in der Region konkret umgesetzt werden sollen, sollten in der Regel schriftlich fixiert werden. Dies kann z. B. im Rahmen eines Leitbildes, eines regio-nalen Entwicklungskonzeptes oder eines Handlungskonzepts Bioenergie geschehen.

Öffentliche Förderprogramme können Auslöser für solche Prozesse sein bzw. diese gerade zu Beginn (finanziell) unterstützen. Falls Ihre Recherche ergibt, dass es diese Möglichkeiten gibt, so ist zwingend zu beachten, welche Bedingungen an die Nutzung der Förderprogramme geknüpft sind. Denn die Herkunft der Mittel bestimmt die Spielregeln – und oftmals auch die Strukturen. Aus diesem Grund sollten öffentliche Förderprogramme nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das entsprechen-de Programm auch wirklich zu Ihrer Bioenergie-Initiative passt.

Sind die Ziele festgelegt, stellt sich die Frage nach der Umsetzung und den hierfür not-wendigen Strukturen. Im Grunde gibt es immer mindestens drei Strukturelemente zu berücksichtigen und mit Leben zu füllen:

→ Netzwerk: Von notorischen Einzelkämpfern einmal abgesehen, gibt es immer eine Person, in der Regel jedoch eine Gruppe, die die Initiative gründet und dann Mit-streiter und Unterstützung sucht, um die Umsetzung voranzutreiben. Durch den Ausbau der eigenen Netzwerke wird anschließend versucht, die Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit zu erhöhen (siehe Kapitel 4.1 „Netzwerke“).

→ Netzwerkmanagement: Es sollte immer eine Person oder ein kleines Team geben, das den Prozess vorantreibt, das Tagesgeschäft erledigt. Dieses Netzwerkmanage-ment ist oftmals nicht der Initiator oder der Ideengeber. Letztere treiben die Initiative eher strategisch voran und akquirieren weitere starke Partner. Das Tages-geschäft bremst dabei. Das Management kann ehrenamtlich oder hauptamtlich betrieben werden. Die mitunter schlechteste Variante ist, wenn ein Management nach innen und außen gar nicht erkennbar ist bzw. nach dem Motto verfahren wird: „Das kann ich nebenbei mit machen“. Einen Schnelltest in Sachen Netzwerk und „Netzwerkeln“ finden Sie im Kapitel 4.1.3 Schnelltest Regionalnetzwerk.

→ Projekte: Bioenergie-Initiativen leben wie alle anderen Initiativen davon, dass konkrete Projekte umgesetzt werden. Die Projekte zeigen die Handlungsfähigkeit der Initiative nach innen und außen. Projekte können investiv sein, wie z. B. der Bau einer Biogasanlage oder eines Nahwärmenetzes, oder nicht-investiv, indem Machbarkeitsstudien oder Öffentlichkeitsarbeit finanziert werden. Die Mittel für die Projekte können entweder von privaten oder öffentlichen Geldgebern kom-men, die in der Region oder außerhalb davon verortet sind.

Page 81: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 81

Unterschiedliche Zielebenen

Wenn Sie die Ziele für ihre Bioenergie-Initiative entwickeln und diskutieren, dann sollten Sie möglichst die folgenden drei Ebenen berücksichtigen:

1. Leitbild: In einem Leitbild wird das langfristige Ziel der regionalen Bioenergie-Initiative bzw. des regionalen Entwicklungsprozesses definiert, ohne dass auf konkrete inhaltliche und zeitliche Aspekte der Umsetzungsstrategie eingegangen wird. Auf ein solches abstrak-tes Leitbild können sich die unterschiedlichen beteiligten Akteure vergleichsweise einfach einigen. Sie geben dem Entwicklungsprozess eine Überschrift, lassen sich gut kommunizie-ren und erfüllen damit wichtige Funktionen: Sie dienen als langfristige Orientierung, bieten eine Identifikationsbasis und haben eine motivierende Funktion.

2. Strategie: Ziele auf der strategischen Ebene beschreiben die zentralen Eckpfeiler und Ansatzpunkte zur Erreichung des Leitbildes und bilden damit den Ausgangspunkt des Handelns. Liegt der Fokus auf dem Ausbau des Angebots an Bioenergie oder der Stimu-lierung der Nachfrage? Stehen schnelle vorzeigbare Erfolge im Zentrum oder der Aufbau des Akteursnetzwerkes? Soll regionales Kapital aktiviert oder überregionale Investoren eingebunden werden? Solche Fragen werden u. a. im Rahmen der Strategie beantwortet und helfen, die Kräfte und Ressourcen der regionalen Bioenergie-Initiative auf die Erfolg versprechendsten Handlungs- und Aktionsfelder zu bündeln.

3. Maßnahmen: Ziele auf der Maßnahmenebene beschreiben, was durch die verschiedenen Aktivitäten der regionalen Bioenergie-Initiative, wie z. B. Öffentlichkeitsarbeit, Wissens-transfer, Errichtung von Anlagen oder Qualifizierung von Akteuren, konkret erreicht werden soll. Ziele auf der Maßnahmenebene tragen dazu bei, konkrete Arbeitsschritte und Projekte der regionalen Bioenergie-Initiative zu definieren.

Operationalisierung von Zielen Insbesondere Ziele auf der strategischen Ebene sowie der Maßnahmenebene einer regionalen Bioenergie-Initiative sollten konkret gefasst werden. Dies bedeutet, Ziele so zu beschreiben, dass sie konkrete Handlungsanweisungen darstellen und die Zielerreichung überprüft werden kann. Operationalisierte Ziele sind ein zentrales Element der Planung, des Managements und der Erfolgskontrolle (siehe Kapitel 5) sowie der Weiterentwicklung einer regionalen Bioenergie-Initiative. Zur Operationalisierung können die sogenannten SMART-Kriterien genutzt werden.

Checkliste SMARTe ZieleS Spezifisch Ist das Ziel präzise und eindeutig formuliert?M Messbar Ist entscheidbar, ob das Ziel erreicht worden ist (qualitativ/quantitativ)?A Attraktiv Ist das Ziel motivierend und anspruchsvoll sowie positiv formuliert?R Realistisch Ist das Ziel mit den vorhandenen Ressourcen (z. B. Zeit/Geld) erreichbar?T Terminiert Ist ein Zeitpunkt angeben, zu dem das Ziel erreicht werden soll?

Grundsätzlich ist hierzu anzumerken, dass eine Fokussierung auf konkrete und operationali-sierte Ziele in Netzwerken und somit auch in regionalen Bioenergie-Initiativen keine leichte Aufgabe darstellt und einiges Geschick erfordert. Denn unterschiedliche Interessen der im Netzwerk beteiligten Akteure und mögliche Zielkonflikte, die auf der abstrakten Ebene eines Leitbildes nicht relevant sind, können hierbei deutlich zu Tage treten.

Page 82: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

82 Prozesse und Strukturen

4.4.2 Verstetigung beginnt am ersten Tag und benötigt RessourcenDie Festlegung der Ziele Ihrer regionalen Bioenergie-Initiative bestimmt nicht nur zum großen Teil die Strukturen der Umsetzung, sondern legt auch den Rahmen für die Verstetigung fest. Verstetigung bedeutet nichts anderes, als etwas dauerhaft in der Region zu verankern und es zum Bestand der Region zu machen. Ist z. B. die Steigerung der regionalen Wertschöpfung ein Ziel, so benötigen Sie regionale Investitionen und somit entsprechende Investoren- und Betreibermodelle.

Zu berücksichtigen ist, dass sich Strukturen im Zeitverlauf ändern bzw. angepasst werden müssen und dass die Verstetigung von Netzwerken, Managements und Projekten weder Selbstzweck noch Selbstläufer ist. Es ist eine Daueraufgabe, die inhaltlichen und zeit-lichen Vorlauf benötigt. Die in der Regel befristeten öffentlichen Förderprogramme kön-nen hier nur einen Impuls geben. Bisherige Erfahrungen aus Initiativen und Wettbewer-ben (z. B. LEADER, Regionen Aktiv, aber auch Bioenergie-Regionen) bei der Aktivierung privater und öffentlicher Mittel aus der Region selbst sind eher durchwachsen: Bei der „Nagelprobe“, d. h. wenn es um die Frage geht, wer welche Ressourcen zur Verfügung stel-len kann, gibt es nach wie vor eine Lücke. Auf der einen Seite steht der von den Akteuren in Berichten und auf Veranstaltungen betonte hohe Stellenwert bzw. die hohe Akzeptanz des Prozesses, des Netzwerkmanagements sowie des Netzwerks, auf der anderen Seite die fehlende Bereitschaft regionaler Akteure (öffentliche und private), Ressourcen (Personal, Geld, Fläche) verbindlich zur Verfügung zu stellen. Gründe hierfür sind oftmals offene oder verdecke Verteilungskonflikte, Autonomieängste und Beharrungsvermögen der vorhandenen Strukturen: „Wir haben schon ganz andere Dinge überlebt“. Umso wichti-ger ist es, dass Sie bei der Frage der Verstetigung immer versuchen,

→ die vorhandenen Strukturen vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Ziele zu durchleuch-ten. Die Entwicklung von Netzwerken ist pfadabhängig, d. h. abhängig von den vorhan-denen Strukturen und bisherigen Entwicklungen. Netzwerke sind somit nur langfristig zu verändern – dessen sollte man sich bewusst sein und versuchen, dies zu nutzen;

→ sich im besten Fall an vorhandene Strukturen anzuschließen bzw. diese eng einzu-binden und davon zu überzeugen, dass „niemandem etwas weggenommen wird“, sondern die gesamte Region profitieren soll und kann;

→ sich darüber im Klaren zu sein, dass die Ressourcen für die Verstetigung nie nur aus einer Quelle stammen können. Dafür sind die Strukturelemente zu unterschiedlich. Die Lösung liegt in einem Mix aus unterschiedlichen Quellen (öffentliche und private Mittel aus der Region und von anderen Ebenen).

Um die „Nagelprobe“ der Ressourcenzusage nicht als Dauerfrage und möglichen Dau-erkonflikt mit durch den Entwicklungsprozess zu schleppen, sollten Sie Termine für verbindliche Zusagen setzen. Bei investiven Projekten sind dies z. B. Finanzierungszusa-gen, bei der Finanzierung des Managements die Personal- oder ebenfalls Finanzierungs-zusagen. Bleiben die Zusagen aus, muss nach alternativen Lösungen gesucht und bei fehlenden Alternativen müssen die Ziele angepasst werden. Diese Sollbruchstellen sind wichtig, um glaubwürdig zu bleiben: Sie können die Umsetzung nicht dauerhaft nur an-kündigen, sondern müssen für eine erfolgreiche Umsetzung die Handlungsfähigkeit der Initiative immer wieder unter Beweis stellen.

Netzwerk der Bioenergie-Regio-nen auf Exkursion im Wendland

Foto: FNR

Page 83: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 83

4.4.3 Verstetigung von NetzwerkenDie Verstetigung von Netzwerken ist besonders anspruchsvoll, weil eine Abgrenzung der Netzwerkmitglieder oftmals nicht möglich ist und weil sich die Schwankungsbreite ihrer Netzwerkzugehörigkeit zwischen temporär (z. B. für die Umsetzung einer Fördermaß-nahme) und unbefristet befindet. Man kann sich allenfalls ein Bild davon machen, wen man aktuell „braucht“. Aber wer muss in Zukunft noch mit dabei sein und was ist mit denjenigen, die in der Vergangenheit aktiv waren, aber aktuell ihre Unterstützung ruhen lassen? Am Ende entscheidet sich die Verstetigung von Netzwerken über die Inhalte und Aufgaben, die (noch) zu erledigen sind. Anzeichen für eine lohnende Verstetigung19 von Netzwerken sind insbesondere:

→ Das Netzwerk besitzt regionale, nationale und/oder internationale Ausstrahlungs-kraft/Modellcharakter.

→ Das Netzwerk ist finanziell erfolgreich. → Die Ziele des Netzwerks werden von allen Beteiligten als prioritär angesehen und

sowohl zeitnah als auch durch hohes Engagement umgesetzt.Demgegenüber stehen folgende Punkte, die auf eine Netzwerkmüdigkeit20 hinweisen:

→ Es wird keine Win-win-Situation mehr wahrgenommen. → Das Know-how im Netzwerk ist erschöpft. → Die Netzwerk(Teil-)Ziele haben sich geändert, ohne dass dies allen Beteiligten klar

ist, bzw. die Zielvorstellungen werden nicht von allen geteilt. → Die Projekte führen nicht zu den erwarteten Erfolgen. → Die Netzwerk-Finanzen sind erschöpft.

Die folgende Abbildung zeigt mögliche Entwicklungspfade, die alle eines gemeinsam haben: Verstetigung sollte alles andere als zufällig erfolgen, sondern auf bewussten und geplanten Veränderungen basieren. Die folgende Übersicht zeigt mögliche Pfade auf. Im inneren Kreis befinden sich Strategien, um das Netzwerk in der eigenen Binnenstruktur zu stärken, wie z. B. transferfähige Methoden entwickeln oder auch die eigenen Ansprüche zu reduzieren. Der äußere Kreis beinhaltet Strategien zur Stärkung des Netzwerks nach außen, wie z. B. durch verstärktes Marketing oder die Einbindung von Entscheidungsträgern.

19 Quelle: Elsholz, Uwe et al. 2006: Verstetigung von Netzwerken (S. 35) www.abwf.de/content/main/publik/handreichungen/lipa/012_88hand-12.pdf

20 Quelle: Elsholz, Uwe et al. 2006: Verstetigung von Netzwerken (S. 35) www.abwf.de/content/main/publik/handreichungen/lipa/012_88hand-12.pdf

Folge-strukturenschaffen / Weitergabe

von Inhalten

Entscheidungsträgereinbinden

Nutzen von PPI beweisen

+ richtiges handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen

Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.):

Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Marketingverstärken

Netzwerk als Machtfaktor etablieren

Außenstrategien

Netzwerktransformation/ Dezentralisierung, Modularisierung

Inhalte abschließen,angeschlos-

sene Projekt-pakete

produzieren

Klare Arbeitsstrukturen schaffen

Ansprüche reduzieren

Transferfähige Methoden entwickeln

Dezentralisierung

Interne stärkere Verankerung

Routinen entwickeln

PPI: Netzwerk-Output in Form von Produkten, Projekten und Initiativen

Binnenstrategien

Verstetigung sollte bewusst und geplant erfolgen, die Grafik zeigt Strategien zur Stärkung der Binnenstruktur des Netzwerks (innerer Kreis) und zur Stärkung des Netzwerks nach außen (äußerer Kreis)

Quelle: Elsholz, Uwe et al. 2006: Verstetigung von Netzwerken (Hinweis für Grafik: S. 37)www.abwf.de/content/main/publik/handreichungen/lipa/012_88hand-12.pdf

Page 84: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

84 Prozesse und Strukturen

Zukünftige Entwicklungspfade eines Netzwerks sind abhängig von den Start- und Rah-menbedingungen in der Region der Bioenergie-Initiative. Die Rahmenbedingungen sollten Sie so gut wie möglich einschätzen und versuchen zu nutzen (siehe hierzu auch Kapitel 4.1.3 Schnelltest Regionalnetzwerk). Zentrale Fragen sind dabei:

→ Gibt es bereits (erste) Aktivitäten im Bereich Bioenergie, z. B. in einem Arbeitskreis der Lokalen Agenda oder durch Ratsbeschlüsse?

→ Gibt es Förderprogramme, die in der Region zur Initialzündung genutzt werden könnten?

Von den Ausgangsbedingungen sollten Sie es abhängig machen, welche Formen der Verstetigung angedacht werden und wie schnell diese umgesetzt werden können. Die beiden klassischen Verstetigungspfade von Netzwerken sind die Beibehaltung eines informellen Netzwerks oder die Teil-Institutionalisierung um einen Netzwerkkern her-um, wie z. B. über eine (Bürger-)Stiftung, eine Energieagentur oder einen Biomassehof.

Die Bürgerstiftung „Energiewende Oberland – Bürgerstiftung für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung“ wurde im Jahr 2005 mit der Unterzeichnung des Stiftungsgeschäfts von 86 Stiftern gegründet. Sie war der Träger der Bioenergie-Region Oberland und stellt eine Strategie zur Verstetigung eines Netzwerkes dar.

Eine Bürgerstiftung ist eine selbstständige und unabhängige Institution zur Förderung verschie-dener gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke in einem geografisch begrenzten, d. h. lokalen oder regionalen Wirkungsraum, die einen langfristigen Vermögensaufbau betreibt und ihre Organisa-tionsstruktur und Mittelvergabe transparent macht.

Von den Gründungsstiftern der Bürgerstiftung „Energiewende Oberland“ waren etwa 50 % Privatpersonen, 30 % Unternehmer (z. B. das Energieunternehmen E.ON, Sparkassen, aber auch Zimmereien oder Ingenieurbüros) und die restlichen 20 % sonstige Institutionen (z. B. Agenda Arbeitskreis, Bund Naturschutz) sowie Städte und Gemeinden. Als Zustifter kamen bis September 2009 weitere Privatpersonen, Unternehmen und alle Gemeinden der Landkreise Bad Tölz-Wolf-ratshausen und Miesbach hinzu.

Stiftungszweck ist, durch Förderung und Initiierung von Vorhaben und Maßnahmen den Energie-bedarf und die Energieerzeugung so zu gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen im Sinne der Nachhaltigkeit geschützt, erhalten und ggf. wieder-hergestellt werden. Das Hauptziel ist, sich bis 2035 in den drei Landkreisen Bad Tölz-Wolfrats-hausen, Miesbach und Weilheim-Schongau mit regional erzeugter Energie selbst versorgen zu können.

Der Stiftungszweck wird – sofern die finanziellen Mittel der Stiftung dies zulassen – insbesondere verwirklicht durch:

→ Zuwendungen an gemeinnützige Institutionen und Unternehmen für gemeinnützige Projekte und für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern, welche geeignet sind, den Stiftungszweck zu fördern,

→ Durchführung von Veranstaltungen und Kampagnen, → Bildung von Netzwerken, die dem Satzungszweck dienen, → Förderung und Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und

Forschungsvorhaben, → Förderung und Vergabe von Forschungsaufträgen.

KONTAKT

[email protected]

www.die-deutschen-buergerstif tungen.de

ERFAHRUNGSBERICHT

Bürgerstiftung Energiewende Oberland

Page 85: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 85

4.4.4 Verstetigung von NetzwerkmanagementsDie geplante Verstetigung des Netzwerks setzt wesentliche Rahmenbedingungen dafür, wie diese Struktur langfristig koordiniert werden kann. Im Gegensatz zum Netzwerk ist beim Management unmittelbar klar, dass Geld für Personal benötigt wird. Der Finanzbedarf für ein breit aufgestelltes Regionalmanagement, d. h. über das Themen-feld Bioenergie hinaus, liegt bei ca. 150.000 € bis 250.000 € (inkl. Sachkosten) pro Jahr. Bei nur einer Stelle zur Programmabwicklung wie z. B. LEADER sind ca. 65.000 € bis 95.000 € einzuplanen. Als mögliche Finanzierungsquellen werden oftmals kosten-pflichtige Dienstleistungen des Managements, die Anbindung an einen öffentlichen Träger oder zusätzliche öffentliche Mittel genannt.

Wichtig zu berücksichtigen ist, dass sich die Finanzierung des Netzwerkmanagements normalerweise immer in einem Spannungsfeld zwischen öffentlichen Belangen und den Zielen aller Netzwerkpartner auf der einen und Renditevorstellungen auf der anderen Seite bewegt. Sie sollten sich darüber bewusst sein, dass ein Netzwerkmanage-ment, welches kostenpflichtige Dienstleistungen wie z. B. Einzelprojektberatung im Be-reich des Baus und Betriebs von Biogasanlagen anbietet, als neuer Akteur in der Region auftritt, der im Wettbewerb zu anderen Marktteilnehmern steht. Ist das Management zudem (teilweise) öffentlich finanziert, dann erfolgt hier eine Verzerrung des (Berater-)Marktes. Dies kann dazu führen, dass die nicht öffentlich unterstützen Akteure ihre Beteiligung an der Initiative einstellen oder sogar gegen die Initiative agieren. Hinzu kommt, dass zu erbringende Dienstleistungen auch zeitlich in Konkurrenz zur eigent-lichen Netzwerkarbeit des Managements steht, da dies Arbeitskapazitäten bindet. Eine frühzeitige Klärung ist entsprechend wichtig.

Auch hier sollten die Ziele Ihrer Bioenergie-Initiative die Form des Managements be-stimmen. Zu beachtende Charakteristika sind dabei:

→ Anschlussfähigkeit: Kann das Management sinnvoll an eine bestehende Institu-tion angegliedert werden (z. B. durch die Ausweitung des bisherigen Aufgabenfel-des), oder ist es notwendig, eine neue Institution zu schaffen?

→ Herkunft der Mittel bestimmt die Spielregeln: Welche Ressourcen stehen (per-spektivisch) zur Verfügung und welche Bedingungen sind daran gebunden (z. B. wenn ein Landkreis Personal für die Initiative freistellt, so wird dieses in der Regel weiterhin beim Kreis angestellt bleiben und hier auch ihren physischen Arbeits-platz haben)?

→ Rechtsform: Entstehen Haftungsrisiken durch die Umsetzung der Bioenergie-Initiative? Falls ja, dann sollten Kapitalgesellschaften (z. B. AG, GmbH oder Ltd.) Personengesellschaften (z. B. GbR, e. V.) vorgezogen werden.

→ Öffentliche Belange und Rendite: Soll der Nutzen der Bioenergie-Initiative für die gesamte Region deutlich nach außen herausgestellt werden? Falls ja, dann bieten sich gemeinnützige Gesellschaftsformen an (z. B. gGmbH, gemeinnütziger e. V., Bürgerstiftung).

→ Anpassungsfähigkeit: Ist noch nicht bekannt, wie lange die Initiative bestehen soll? Falls nein, sollte zu Beginn der Umsetzung eine Rechtsform gewählt werden, die weniger aufwendig verändert werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn der Start der Bioenergie-Initiative maßgeblich mit befristet zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert wird. Auch die Folgekosten sind in Bezug auf die Versteigung zu berücksichtigen.

Page 86: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

86 Prozesse und Strukturen

ERFAHRUNGSBERICHT

Klimaschutzagentur Weserbergland gGmbH

Die Klimaschutzagentur Weserbergland gGmbH verfolgt u. a. die Ziele der Förderung des Klimaschutzes, die Unterstützung von Kommunen und Verbrauchern bei klimaschutzrelevanten Maßnahmen, die Fortführung der bestehenden und Initiierung neuer Klimaschutzkampagnen, Betreuung von Netzwerken, zentraler Ansprechpartner für Wirtschaft und Kommunen sowie für alle am Klimaschutz interessierten Bürgerinnen und Bürger. Die Klimaschutzagentur arbeitet eng mit der Weserbergland AG, dem Träger der Bioenergie-Region Weserbergland, zusammen und stellt einen möglichen Weg der Verstetigung dar.

Eine Klimaschutz- bzw. Energieagentur wird häufig in der Form einer gemeinnützigen Gesell-schaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) geführt. Die gGmbH ist eine Kapitalgesellschaft. Entscheidendes Element ist das Stammkapital, das die Gesellschafter einbringen und das von der Gründung an als haftendes Kapital zur Verfügung steht. Die gGmbH wird von bestimmten Steuern ganz oder teilweise befreit, sofern ihre Satzung und tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen der Gemeinnützigkeit gerecht werden. Die Gewinne einer gGmbH müssen für den gemeinnützigen Zweck verwendet und dürfen grundsätzlich nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.

Die Betätigungsfelder der Klimaschutzagentur Weserbergland gGmbH reichen dabei z. B. von der Nutzung regenerativer Energieträger, Energieeinsparung über die Kraft-Wärme-Kopplung bis hin zu Serviceleistungen und Klimaschutz für Bürgerinnen und Bürger, Handwerker, Archi-tekten und Kommunen.

Gesellschafter der gGmbH sind acht Städte und Gemeinden, zwei Stadtwerke, ein Landkreis, ein Energieunternehmen sowie ein Förderverein, über den z. B. die Kreishandwerkerschaft ein-gebunden ist.

Das Stammkapital der Klimaschutzagentur Weserbergland gGmbH beträgt 50.000 €, wovon der Landkreis, die Städte und Gemeinden jeweils eine Stammeinlage in Höhe von 3.000 €, das Energieunternehmen und die Stadtwerke jeweils eine Stammeinlage in Höhe von 5.000 € und der Förderverein (Wirtschaft) eine Stammeinlage in Höhe von 8.000 € leisten. Darüber hinaus waren die Gesellschafter für die Wirtschaftsjahre 2010 bis 2012 bereit, maximal 195.000 € zu erbringen.

KONTAKT

[email protected]

4.4.5 Verstetigung von EinzelprojektenNicht jedes Einzelprojekt ist es Wert, dass über dessen Verstetigung nachgedacht wird, d. h. über die Frage, wie das Projekt dauerhaft zum Bestandteil der Region werden kann. Es gibt jedoch drei Projektaspekte, mit denen man sich in Sachen Verstetigung bereits im Vorfeld der Umsetzung beschäftigen sollte:

→ Verwertung von Studien: Machbarkeitsstudien sind vor dem Hintergrund der Verstetigung nur dann wirklich sinnvoll, wenn bei einem positiven Ergebnis nicht nur „studiert“, sondern auch „gemacht“ wird. Es bringt nichts, wenn Potenzialstu-dien erstellt, die identifizierten Potenziale aber nicht genutzt werden. Versuchen Sie deshalb, potenzielle Investoren zur Inwertsetzung der Potenziale von Anfang an eng einzubinden. Wenn möglich, konzeptionieren Sie eine Machbarkeitsstudie als ersten Schritt innerhalb eines Gesamtprojektes, sodass bei einem positiven Er-gebnis die Umsetzung unmittelbar anschließt.

→ Folgekosten: Die Umsetzung eines Projektes ist nur ein Kostenfaktor. So sind die Kosten beispielsweise für den Betrieb eines Bioenergie-Infozentrums (Aus-gaben z. B. für Personal und Öffentlichkeitsarbeit) auf die Laufzeit bezogen sehr viel höher als für den Bau selbst. Nicht nur vor dem Hintergrund der Verstetigung sollten Sie diese Überlegungen bei der Frage der Finanzierung von Projekten mit einbeziehen.

Page 87: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 87

→ Gewinne: Unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen sind Investitionen in Anlagen zur Produktion von Bioenergie gut kalkulierbar. Hierzu zählt insbesondere die Einspeisevergütung über das EEG sowie günstige Kredite für Investitionen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der Landwirtschaftlichen Renten-bank. Die sehr guten und verlässlichen Rahmenbedingungen sollten Sie als große Chance für die Umsetzung von Bioenergie-Projekten kommunizieren: Regionale Investitionen in „Bürgeranlagen“ werden die regionale Wertschöpfung erhöhen.

Aus Sicht einer regionalen Bioenergie-Initiative sollte ein wesentliches Ziel der Ver-stetigung die geschickte Kombination von Machbarkeitsstudien zur Vorbereitung mit gewinnträchtigen Investitionen in der Folge sein. Mit den Gewinnen können dann wiederum Folgekosten oder das Netzwerkmanagement (teil-)finanziert werden. An-dere Förderprogramme wie z. B. LEADER können genutzt werden, um durch Informa-tionsbereitstellung, Öffentlichkeitsarbeit und Konfliktvermeidung Investitionsbarrie-ren abzusenken und die Bereitschaft für Investitionen zu erhöhen.

FazitDie Strukturen zur Umsetzung einer regionalen Bioenergie-Initiative umfassen in der Regel mindestens diese drei Elemente: Netzwerk, Netzwerkmanagement und Einzel-projekte. Wie die konkrete Umsetzung erfolgt, ist abhängig von den Zielen der Initiative und den Rahmenbedingungen in der Region. Gleiches gilt für die Verstetigung, d. h. für die dauerhafte Verankerung (von Teilen) der drei Elemente. Es gibt nicht den einen Typ oder Pfad der Verstetigung. Gleichzeitig gilt jedoch folgendes:

→ Netzwerke können sich indirekt rechnen – und zwar dann, wenn die Mitglieder des Netzwerks einen individuellen Nutzen darin sehen und Projekte aus dem Netzwerk heraus geplant und umgesetzt werden.

→ Netzwerkmanagements können sich zwar grundsätzlich direkt rechnen, dies birgt jedoch auch Konflikte in sich – und zwar dann, wenn das Verhältnis von regionalen und überbetrieblichen Nutzen und Zielen auf der einen und einzelbetrieblichen Nutzen auf der anderen Seite nicht den Zielen der Initiative entspricht.

→ Investive Projekte in Anlagen müssen sich direkt rechnen und können einen Beitrag zur Finanzierung der Initiative an sich leisten – und zwar dann, wenn Gewinne durch entsprechende Investorenmodelle (z. B. Bürgeranlagen) in der Region bleiben.

Zentral für eine erfolgreiche Verstetigung ist, dass Sie von Beginn an mit berücksichtigen, dass Verstetigung mit dem ersten Tag der Umsetzung beginnt und Ressourcen benötigt.

Page 88: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

88 Prozesse und Strukturen

Die Eifel Energiegenossenschaft eG (eegon) wurde im Laufe der Umsetzung des Modellvorhabens Bioenergie-Regionen gegründet und hat u. a. die Demokratisierung der Energiewirtschaft (stärkere Bürgerbeteiligung), den Ausbau der erneuerbaren Energielandschaft sowie die Erwirtschaftung einer Rendite mit nachhaltigen und effizienten Energiesystemen als Ziele.

Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von natürlichen bzw. juristischen Personen, die sich gemeinsam unternehmerisch betätigen. Charakteristisch für die genossenschaftliche Organisationsform sind die sogenannten „S-Prinzipien“ und das Identitätsprinzip. Bei den S-Prinzipien handelt es sich um Mitgliederförderung, Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.

Bundesweit sind im Genossenschaftsverband 1.800 Mitgliedsgenossenschaften mit 4 Mio. Mit-gliedern und 88.000 Arbeitsplätzen in den Bereichen Kreditwirtschaft, Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Dienstleistung organisiert. Allein in den letzten 5 Jahren wurden in Deutschland etwa 300 neue Genossenschaften im Bereich Erneuerbare Energien gegründet21. 2012 war das Jahr der Genossenschaft.

Gesetzliche Grundlage für eine Genossenschaft bzw. Energiegenossenschaft ist das Genossen-schaftsgesetz (GenG). In Deutschland ist die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft üblich. Nicht eingetragene Genossenschaften sind zwar möglich, spielen in der Praxis aber so gut wie keine Rolle.

Die Gründung der eegon erfolgte mit Unterstützung des Modellvorhabens Bioenergie-Regionen. Die Betätigungsfelder der Eifel Energiegenossenschaft eG (eegon) umfassen die Errichtung und den Unterhalt von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien, die Verteilung und den Vertrieb der gewonnenen Energie in Form von Strom und/oder Wärme, die Unterstützung und Beratung der regenerativen Energiegewinnung und der Energieeffizienz einschließlich der Information von Mitgliedern und Dritten (Öffentlichkeitsarbeit) sowie den Handel mit Energie. Mitglieder der Genossenschaft sind Bürger aus der Region, die als Geschäftsanteil eine Mindesteinlage von 500 € zeichnen müssen. Die Rendite liegt bei ca. 5 %.

KONTAKT

Johannes [email protected]

ERFAHRUNGSBERICHT

Eifel Energiegenossen-schaft eG (eegon)

21 Agentur für Erneuerbare Energien e. V.; DGRV–Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband (Hrsg.) (2011): Energiegenossenschaften – Bürger, Kommunen und lokale Wirtschaft in guter Gesellschaft (S. 4) www.kommunal-erneuerbar.de/fileadmin/content/PDF/Energiegenossenschaften_web_normal.pdf

Page 89: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 89

5.1 Welche regionalen Effekte gibt es?Regionale WertschöpfungRegionale Wertschöpfung ist im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien längst zu einem geflügelten Wort und einer wichtigen Handlungsmaxime geworden. Umso wichtiger ist es, die Bedeutung und Dimension dieses Begriffes von anderen ökonomischen Betrachtungsweisen unterscheiden zu können. Die Betrachtung von regionaler Wertschöpfung erfolgt aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive, also mit Blick auf die ökonomischen Effekte der gesamten Region. Eingang finden hier u. a. die Leistungen, die in einer Region erbracht werden (abzüglich der von außen bezogenen Vorleistungen), aber auch die Steuereinnahmen, die der Region daraus zur Verfügung stehen. In einer gegensätzlichen Betrachtung dazu stehen die Gewinne einzelner Unter-nehmen, etwa dem Betreiber einer Biogasanlage. Hierbei handelt es sich um einzelne betriebswirtschaftliche Analysen. Lebt der Betreiber der Anlage in der Region und zahlt dort Steuern, so trägt er natürlich auch zur dortigen Wertschöpfung bei, jedoch nur zu einem gewissen Anteil. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive kann es auch finanziell günstiger sein, Produkte oder Dienstleistungen aus anderen Regionen zu beziehen.

5 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Es wird Ihnen häufig passieren, dass Sie nach Sinn und Zweck oder dem Nutzen Ihrer Bemühungen um den Ausbau der Biomassenutzung gefragt werden. Und sicher möch-ten auch Sie wissen, was alle Anstrengungen nun konkret für Ihre Region gebracht haben bzw. bringen werden.

Dieser Abschnitt soll hierfür Argumente liefern. Sei es, um Anwohner vom Bau einer neuen Biogasanlage zu überzeugen, das Thema bei Politikern auf die Tagesordnung zu rufen, Gelder für Projekte und Stellen einzuwerben oder die Mitstreiter Ihrer Initiative immer wieder neu motivieren zu können.

Dazu wird zunächst vorgestellt, welche Effekte es aus regionaler Sicht beim Ausbau der Biomassenutzung gibt und welche Auswirkungen diese auf Ihre Region haben. In einem nächsten Schritt soll gezeigt werden, welche Vorteile es bringt, sich mit diesen Effekten auseinander zu setzen. Damit Sie konkrete Aussagen für Ihre Region treffen können, werden daraufhin einige wichtige Methoden vorgestellt, mit denen Sie z. B. die regionale Wertschöpfung einer Bioenergie-Region beziffern können.

Durch die Nutzung von Bio-energie werden Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft erhalten

Foto: Fotolia

Page 90: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

90 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Fokus: Regionale Wertschöpfung

Der Begriff „Wertschöpfung“ wird in der Volkswirtschaftslehre im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwendet. Er beschreibt den Wert der Güter, die von einer Wirtschaftseinheit in einem bestimmten Zeitraum produziert werden, abzüglich der Vorleistungen.22 Im engeren Sinne wird weiterhin nach Brutto- und Nettowertschöpfung unterschieden, wie man in der Gleichung sehen kann:

Bruttoproduktionswert- Vorleistungen= Bruttowertschöpfung = Bruttoinlandsprodukt- Abschreibungen- Indirekte Steuern+ Subventionen= Nettowertschöpfung

Diese (vereinfachte) Betrachtungsweise lässt sich nun auf einen bestimmten räumlichen Ausschnitt einer Volkswirtschaft – z. B. eine Region – herunterbrechen. Unter regionaler Wertschöpfung werden folglich Leistungen verstanden, die innerhalb einer Region erzeugt werden, vermindert um die von außen bezogenen Vorleistungen.23

Um die unterschiedlichen Betrachtungstiefen regionaler Wertschöpfung zu verstehen, bedarf es drei weiterer Unterscheidungen: Direkte Wertschöpfung beschreibt den Wertzuwachs, der unmittelbar aus dem Verkauf eines Produktes entlang der Hauptwertschöpfungskette entsteht (z. B. Verkauf von Holzhackschnitzeln). Jene Leistungen, die in einer vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette erbracht wurden und zur eigentlichen Produktherstellung nötig waren, werden als indirekte Wertschöpfung bezeichnet (um die Hackschnitzel zu produzieren, musste z. B. ein Hacker gekauft werden). Zudem entsteht noch Induzierte Wertschöpfung, da durch die höheren Einkommen aus direkter und indirekter Wertschöpfung die regionale Kaufkraft steigt, was eine höhere Nachfrage zur Folge hat. Bei der Produktion dieser Güter entsteht weiteres Einkommen (Hackschnitzel- und Maschinenproduzent verfügen durch ihre Verkäufe über mehr Geld und können dieses in anderen Branchen der Region ausgeben)22/23.

22 Vgl. Woll, Artur (Hrsg.) (2000): Wirtschaftslexikon, 9., überarbeitete und erweiterte Auflage (S. 98)

23 Vgl. Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (Hrsg.) (2009): Regionale Wertschöpfung durch die Nutzung Erneuerbarer Energien. Hintergrundinformationen, Berlin (S. 1)

24 Vgl. Offermann, Ruth; Seidenberger, Thilo u. a. (2011): Ermittlung regionaler Wertschöpfung aus Bioenergie – Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ – Darstellung der im Rahmen der technisch-ökonomischen Begleitforschung erarbeiteten Konzepte, Leipzig (S. 5) (noch nicht veröffentlicht)

25 Vgl. Forschungskreis Tourismus Management Trier e. V. (Hrsg.) (2002): Die Wertschöpfung des Tourismus in der Region Trier, Trier (S. 12f)

Warum wird der Erfassung regionaler Wertschöpfung nun so viel Gewicht beigemessen? Der Ausbau der Bioenergie stellt eben nicht nur eine neue Einnahmequelle für Land- und Forstwirte, Brennstoffproduzenten und Anlagenbetreiber dar: Durch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze profitiert die gesamte Region. Genau dieses Ausmaß beschreibt die regio-nale Wertschöpfung. Somit ist sie auch eine gute Größe, um jene zu überzeugen, die nicht unmittelbar vom Ausbau der Bioenergie profitieren. Dass eine Kommune durch den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. mehr Geld in der Gemeindekasse attraktiver für die örtliche Bevölkerung ist, mag auch dem einen oder anderen Skeptiker einleuchten.

Umfangreiche Betrachtung der regionalen EntwicklungBei den zuvor erwähnten rein ökonomischen Betrachtungen wird schnell vergessen, dass durch eine regionale Bioenergie-Initiative auch weitere Impulse für die regionale

Page 91: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 91

Entwicklung gesetzt werden. Diese sind oft eher die „weichen“ Faktoren, die aber nicht zuletzt dazu beitragen, das Image einer Region nach außen, aber auch das „Wir-Gefühl“ nach innen zu stärken.

Solche Aspekte der regionalen Entwicklung sind u. a.: → Grad der „Selbstversorgung“ mit Strom, Wärme und Kraftstoffen aus regionaler

Biomasse → Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung → Umfang und Ausprägung des regionalen Akteursnetzwerks (siehe Kapitel 4.1) → „Bioenergie-Tourismus“ – etwa zur Besichtigung von Modellprojekten → Innovationsgrad der Projekte → Vision einer Region → Image einer Region (nach außen und nach innen) → Identifikation mit der Region

Ihre Projektideen und deren Umsetzung können auch Impulse für die regionale Ent-wicklung fernab der Bioenergie setzen. Etwa wenn sich die Verlegung eines Nahwär-menetzes mit der Sanierung der Dorfstraße kombinieren lässt. Auf diesem Wege kann die Bioenergie-Initiative zum Impulsgeber weiterer Entwicklungsmaßnahmen und Projekte in der Region werden.

Über die bisher erwähnten Effekte hinaus stellt der Klimaschutz eine weitere Motiva-tion für den Ausbau der Bioenergie dar. Dieser ist jedoch sehr schwer zu erfassen und zeigt Erfolge erst in der Folge sehr langfristiger Bemühungen. Unbestritten ist, dass das Klima durch den Menschen negativ beeinflusst wird und diese Beeinflussung auch mit der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen zusammenhängt. Mit der Nutzung von Bioenergie ist somit eine Verringerung der negativen Folgen verbunden. Maßnah-men, die dem entgegenwirken, bergen daher die Chance, Überzeugung und Akzeptanz auch bei Skeptikern zu erreichen.

5.2 Notwendigkeit und Nutzen der Darstellung regionaler Effekte

Eine regionale Bioenergie-Initiative muss sich früher oder später mit kritischen Stim-men auseinandersetzen. Um Argumente parat zu haben, aber auch zur Motivation und weiteren Zielsetzung ist es wichtig, die Erfolge und Auswirkungen ihrer Anstrengungen benennen und beziffern zu können. Dies gilt sowohl für die ökonomischen Kennziffern wie auch für jene „weichen“ Faktoren, über die oft Synergien mit anderen Projekten und Initiativen entstehen. Im Allgemeinen verhelfen Ihnen genaue Zahlen zu regionalen Effekten der Bioenergienutzung dabei, die Akteure mitzunehmen und zu überzeugen.

Weiterhin dient Ihnen die Darstellung dieser Effekte als Monitoring während und nach der Projektumsetzung. Es ermöglicht Ihnen, die Erfüllung der gesteckten Ziele zu kontrollieren, um so die weitere Entwicklung zu steuern. Sehr häufig dient der Erfolg von Vorreitern als Vorbild für Nachahmer. Dazu müssen jedoch stets die Zahlen und Fakten zur Verfügung stehen.

Die Darstellung der regionalen Effekte durch die Nutzung von Bioenergie ist daher für Sie zunächst einmal eine Erfolgsbilanz Ihrer Arbeit nach außen. Gleichfalls sollten die Erfolge auch nach innen, also den Mitgliedern des Netzwerks und der Öffentlichkeit, kom-muniziert werden. Dies ist wichtig für die Akzeptanz Ihrer Arbeit, aber auch für den Ausbau der Bioenergie im Allgemeinen, da es hilft, Konflikte zu vermeiden (siehe Kapitel 4.2).

Page 92: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

92 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

5.3 Methoden und Vorgehen zur Erfassung der regionalen Wertschöpfung und Entwicklung

Nachfolgend werden verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen zur Darstellung der regionalen Effekte vorgestellt. Dabei sei vorangestellt, dass es die eine Zauberformel nicht gibt. Alle Methoden müssen als Abwägung zwischen einem geringen Anwendungsauf-wand und einer möglichst genauen Ergebnisdarstellung verstanden werden. Es ist daher vorab wichtig zu wissen, welche Ziele Sie bei der Erfassung und Darstellung der regiona-len Effekte verfolgen wollen: Geht es um die Darstellung grober Zusammenhänge, mit der man auf einem Bierdeckel positive Effekte der regionalen Bioenergienutzung skizzie-ren kann? Soll als Ergebnis ein Eurobetrag oder die Zahl der Arbeitsplätze stehen, der die regionale Wertschöpfung durch Bioenergie beziffert? Oder möchten Sie die Entwicklung in Ihrer Region mit der in anderen Regionen vergleichen, um zu bestimmen, wie sie Ihre Ziele erreichen können?

In den folgenden Abschnitten werden verschiedene Wege zur Bestimmung der regio-nalen Wertschöpfung und Entwicklung vorgestellt. Bei der Auswahl der dargestellten Ansätze wurde darauf geachtet, sowohl weit verbreitete Methoden zu beschreiben, aber auch jene zu präsentieren, die speziell für den Bereich der Bioenergienutzung im regionalen Kontext eine hohe Relevanz haben.

Grundsätzlich sollten Sie beachten, dass bei allen Betrachtungen auf regionaler Ebene Probleme und Herausforderungen bei der Gebietsabgrenzung und der Verfügbarkeit von statistischen Daten auftreten können. Hier ist es von Vorteil, wenn sich der Be-trachtungsraum Ihrer Bioenergie-Initiative an administrativen Grenzen orientiert. Am günstigsten ist eine Betrachtung auf Landkreisebene, da hierfür viele Daten der statis-tischen Ämter der Länder und des Bundes vorhanden sind. Auch ist es möglich, direkt beim Landkreisamt oder bei den Kommunen nach Daten zu fragen (Zur Frage einer ge-eigneten Gebietsabgrenzung für die Bioenergie-Initiative siehe auch Kapitel 2.4).

5.3.1 Erfassung der regionalen WertschöpfungErmittlung der regionalen Ausgaben für fossile EnergieträgerOftmals wird zur Darstellung regionaler Wertschöpfungseffekte eine Gegenüberstel-lung von Energieimporten und den daraus resultierenden Finanzexporten vorgenom-men: Hierbei wird ermittelt, wie viel Heizöl bzw. Energie in Form von Heizöläquiva-lenten durchschnittlich in einer Region benötigt wird, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Auf Grundlage dieses Bedarfs werden dann durch Multiplikation mit dem aktuellen Heizölpreis die auf den Energieträger zurückzuführenden, in der Region ins-gesamt anfallenden Heizkosten ermittelt. Dieser Betrag drückt aus, welche Geldmenge jährlich aus der Region fließt, um fossile Energien aus anderen Regionen bzw. Ländern zu importieren. Werden diese fossilen Energieträger durch regenerative, regional erzeugte Energien ersetzt, so verbleibt das vormals exportierte Vermögen nun in der Region.

Anwendungsgebiete Einfache und plastische Darstellung der Vorteile, Energie regional herzustellen

Vorteile → Schnelle und einfache Berechnung → Verdeutlicht anschaulich, wie viel

Geld für Energie ausgegeben wird und dass dieses auch an regionale Anbieter verteilt werden könnte

Berechnung der regionalen Wertschöpfung mit Hilfe von Heizöläquivalenten

Nachteile → Keine Betrachtung der tatsächlich in

der Region erbrachten Wertschöp-fung durch Bioenergienutzung

Page 93: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 93

Heizöläquivalent

Um unterschiedliche Brennstoffe hinsicht-lich ihres Energiegehaltes vergleichen zu können, werden diese oftmals bezüglich ihres Heizwertes auf Heizöläquivalente bezogen. Sie beschreiben die Menge an Heizöl, die den gleichen Heizwert wie der zu vergleichende Brennstoff hat.

Verbrennungstechnische Daten verschiedener Bioenergieträger

Quelle: Fachagentur Nach-wachsende Rohstoffe e. V. (Hrsg.) (2012): Basisdaten Bioenergie Deutschland, August 2012, Gülzow

Heizöl- äquivalent (l)

Scheitholz (Buche) 1 rm 194

Hackgut (Buche) 1 m3 114

Biogas 1 m3 0,6

Berechnung der Wertschöpfung mithilfe des Online-WertschöpfungsrechnersEine umfassendere Berechnungsmöglichkeit direkter kommunaler Wertschöpfung wurde 2010 durch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Zu-sammenarbeit mit dem Zentrum für Erneuerbare Energien erarbeitet. Ziel war es, eine Methodik zu entwickeln, mit der verschiedene erneuerbare Energien hinsichtlich ihrer kommunalen Wertschöpfungseffekte betrachtet werden können.

Die entwickelte Methodik wurde in einen „Wertschöpfungsrechner“ überführt, der online frei verfügbar ist unter www.kommunal-erneuerbar.de/de/kommunale-wert schoepfung/rechner.html. Hier können sowohl Wertschöpfungs- als auch Klima-schutz- und Beschäftigungseffekte eines gesamten regionalen Anlagenparks oder ein-zelner Wertschöpfungsketten berechnet werden. Die Wertschöpfungseffekte umfassen dabei:

→ Unternehmensgewinne (Nettogewinne nach Steuern der beteiligten Unternehmen in der Kommune),

→ Einkommen aus Beschäftigung (Nettoeinkommen von Beschäftigten in der Kommune) und

→ Kommunale Steuereinnahmen (Gewerbesteuer auf Unternehmensgewinne und Anteile an der Einkommensteuer).

Die Wertschöpfungsketten im Bereich der Biomassenutzung, die mit dem Rechner ermittelt werden können, sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.

Auswählbare Wertschöpfungs-ketten des Wertschöpfungs-rechners

Quelle: Agentur für erneuerbare Energien (2012): Wertschöpfungsrechner verfügbar unter: www.kommunal-erneuerbar.de/de/kommunale-wertschoepfung/rechner.html (17.09.2012)

Strom Wärme Kraftstoffe/Brennstoffe

Biogasanlage(klein, bis 150 kW)

Hackschnitzelheizungen Biodieselanlagen

Biogasanlage(groß, über 150 kW)

Hackschnitzel-Heizwerke Bioethanolanlagen

Holzkraftwerke Holzpelletheizungen Hackschnitzelbereitstellung

Scheitholzheizungen Holzpelletbereitstellung

Wärmenetze Pflanzenölmühlen

Scheitholzbereitstellung

Die Wertschöpfung kann sich der Benutzer des Rechners sowohl für einen ganzen Anlagenpark als auch für einzelne Wertschöpfungsketten berechnen lassen. Daraufhin werden Kennziffern zum Anlagenbestand und dem geplanten Zubau abgefragt.

Die Berechnungen erfolgen auf Grundlage einer Analyse der leistungsspezifischen Umsätze (€/kW) auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen. Hierbei werden nicht wie in dieser Broschüre sechs Wertschöpfungsstufen (von der Rohstoffproduktion bis zum

Page 94: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

94 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Produktverkauf, vgl. Kapitel 3.3) betrachtet, sondern lediglich drei. Für jede dieser Stu-fen kann der Nutzer über einen Schieberegler bestimmen, zu welchem prozentualen Anteil die jeweiligen Unternehmen oder Personen in der Region ansässig sind.

Wertschöpfungsstufen mit jewei-ligen Wertschöpfungsschritten im Wertschöpfungsrechner

Quelle: Eigene Darstellung nach Mühlenhoff, Jörg; Salecki, Steven (2012): Handbuch Online-Wertschöpfungsrechner Erneuerbare Energien, www.kommunal-erneuerbar.de

+ richtiges handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen

Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.):

Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Planung & InvestitionProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital¡nanzierung

Die Ergebnisse werden sowohl grafisch als auch tabellarisch dargestellt und können als pdf-Dokument heruntergeladen werden. Ausgewiesen werden Einkommen, Unter-nehmensgewinne sowie kommunale Steuern für die jeweiligen Wertschöpfungsstufen. Zudem erfolgt eine Abschätzung der Wertschöpfungseffekte für die Jahre 2015 und 2020. Auch Aussagen zu Klimaschutz- und Beschäftigungseffekten sowie der Energie-bereitstellung und des -verbrauchs werden getroffen.

Anwendungsgebiete Einfache Darstellung der kommunalen Wertschöpfung verschiedener erneuerbarer Energien

Vorteile → Komfortable Dateneingabe

durch Onlineanwendung (Berechnungen erfolgen automatisch)

→ Umfassende Ergebnisdarstellung → Abschätzung der Wertschöpfungseffekte

für die Zukunft möglich → Auch Betrachtung anderer erneuerbarer

Energien möglich

Berechnung der regionalen Wertschöpfung mit Hilfe des Online-Wertschöpfungsrechners

Nachteile → Die Wertschöpfungsstufen der

Rohstoffbereitstellung, Aufbereitung, Logistik und des Handels werden nicht oder nur teilweise betrachtet.

→ Die Berechnungen basieren auf Durchschnittswerten bestimmter Anlagentypen und sind daher für Einzelanlagen ungenau.

Die regionalen Daten können direkt in das Online-Tool ein-gegeben werden

Page 95: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 95

Umfassende Analysen auf Basis von StoffstromberechnungenSollen die tatsächlich in der Region vorhandenen Effekte erfasst werden, also keine bloße Abschätzung über Modellannahmen erfolgen, dann bietet sich die Ermittlung der regionalen Stoffströme als Grundlage für weitere Analysen, wie z. B. der darauf basierenden Wertschöpfung, an. Bei einer Stoffstromanalyse handelt es sich um eine Bilanzierung aller im Zusammenhang mit der Bioenergieproduktion und -nutzung stehenden regionalen Stoffströme. Um diese Stoffströme darstellen zu können, müssen zahlreiche Daten von regionalen Bioenergieanlagenbetreibern und von Brennstoff-händlern erhoben werden. Hierbei handelt es sich um Anlagendaten, Angaben zu ein-gesetzten Rohstoffen, deren Herkunft und Verwendung sowie der erzeugten Energie. Dass eine umfangreiche Datenerhebung erforderlich ist, birgt die Schwierigkeit dieser Methode. In einem weiteren Schritt können dann regionale Stoffströme errechnet und abgebildet werden, wie sie z. B. in der folgenden Abbildung dargestellt sind.

Sankey-Diagramm: Stoffströme einer exemplarischen Bioenergie- Region

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Als Ergebnis erhält man eine umfangreiche Darstellung aller in der Region bewegten Inputstoffe sowie der erzeugten und verwendeten Bioenergie, quasi eine Satuts-quo-Darstellung der stofflichen und energetischen Ströme der Region.

Auf einer solchen Grundlage können dann weiterführende Betrachtungen basieren. Etwa, woher die eingesetzten Rohstoffe stammen: Handelt es sich um Materialien, die in der Region produziert wurden, oder wurden sie importiert? Wie hoch ist der Versor-gungsgrad mit regional erzeugter (Bio-)Energie? Eine solch umfassende Betrachtung erlaubt es zudem, Ansatzpunkte für Effizienz steigernde Maßnahmen zu identifizieren. Etwa, um die Höhe der Energieverluste zu reduzieren.

In einem weiteren Schritt lassen sich aus diesen anlagenbezogenen Daten Wertschöp-fungseffekte ableiten. Dies sind vor allem Arbeitsplätze, die mit dem Anlagenbetrieb, der Anlagenwartung und der Rohstoff- und Substratproduktion zusammenhängen. Auch die EEG-Vergütung sowie investitionsbedingte Kapitaldienste können abge-schätzt werden (siehe folgende Abbildung).

Heizung Wohnräume, Ställe

Öffentliche Einrichtungen (Schulen, Schwimmbäder, ...)

Industrie/Gewerbe

Haushalte

Sonstiges

Eigenwärme-bedarf BGA

Abwärme (evtl. teilweise zur Deckung des Energie-

bedarfs genutzt)

Nutzwärme

Eingespeister Strom

Umwandlungsverluste,stat. Differenzen*

Energie-erzeugung

Biogas

Hack- schnitzel

3.170 MWh

3.115 MWh

Wärme: 4.301 MWh

1.234 MWh

Strom:1.199 MWh

785 MWh (12,5 %)

278 MWh

339 MWh

200 MWh

200 MWh

1.800 MWh

250 MWh

* als stat. Differenzen werden Unschärfen der Datenbasis und der zugrunde liegenden Berechnungsannahmen verstanden

Page 96: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

96 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Übersicht über die Wertschöp-fungseffekte, die über die Stoff-stromanalyse u. a. bestimmbar sind

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Beispielauswertung für Wertschöpfungseffekte auf Grundlage einer Stoffstromermittlung

Das DBFZ beschäftigte sich im Rahmen der Begleitforschung zum Wettbewerb „Bioenergie- Regionen“ intensiv mit der Erfassung von Stoffströmen. Zur Verdeutlichung des Berech-nungsvorgangs wird hier beispielhaft eine Region mit drei Biogasanlagen dargestellt. Die An-lagen setzten im Jahr 2008 22.740 Tonnen Maissilage zur Biogaserzeugung ein (Rohstoffein-satz), davon stammten 7.300 Tonnen aus eigener Erzeugung oder von regionalen Lieferanten und 15.440 Tonnen aus Importen. Als Import werden dabei alle Lieferungen von außerhalb der Bioenergie-Region bezeichnet. Bei einem mittleren Ertragsniveau von 44 Tonnen je Hek-tar ergibt sich so eine in der Region bewirtschaftete Maisfläche von 166 Hektar. Der mittlere Arbeitsaufwand pro Hektar beträgt ca. 14,66 Arbeitskraftstunden (Akh). Es ergibt sich somit ein Arbeitsaufwand von 2.434 Akh, was etwas mehr als einer Vollzeitarbeitskraft entspricht.26

Der Anlagenbetrieb verursacht weiteren Arbeitsaufwand. Bei einer durchschnittlichen Leistung von 660 kW können ca. 3,75 Akh (a*kW)-1 angenommen werden.27 Pro Anlage er-geben sich so 2.475 Akh, was ebenfalls etwas mehr als einer Vollzeitarbeitskraft entspricht. Insgesamt ergibt sich für den Betrieb aller drei Anlagen ein Arbeitsbedarf von ca. 3,5 Voll-zeitarbeitskräften.

Die Biogasanlagen erzeugten 2008 zusammen etwa 11.720 MWh Strom. Bei Vergütungssät-zen von 16 bis 18 Cent/kWh lassen sich die Einnahmen aus der Stromerzeugung auf 1,6 bis 2 Mio. € schätzen (Vertrieb). Wärme, die bei der Stromproduktion dieser Anlagen entsteht, wird derzeit nur in geringem Maße vermarktet. Von den insgesamt erzeugten 15.263 MWh werden etwa 2.400 MWh in Industrie- bzw. Gewerbebetrieben und öffentlichen Einrich-tungen zur Wärmebedarfsdeckung verwendet. Bei einem angenommen Wärmepreis von 4 Cent/kWh ergeben sich weitere Einnahmen für den Anlagenbetreiber von 96.000 EUR. Neben der Vermarktung von Strom und Wärme werden auch insgesamt 2.000 Tonnen Gär-rest vermarktet. Da der Handel mit Gärresten aktuell nicht sehr etabliert ist, existieren hier allerdings keine Preisschätzungen.28

26 Vgl. Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) (Hrsg.) (2006): Energiepflanzen, Darmstadt

27 Vgl. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (Hrsg.) (2006): Handreichung Biogas: Biogasgewinnung und -nutzung, 3., überarb. Auflage, Gülzow

28 Vgl. Offermann, Ruth; Seidenberger, Thilo u. a. (2011): Ermittlung regionaler Wertschöpfung aus Bioenergie – Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ – Darstellung der im Rahmen der technisch-ökonomischen Begleitfor-schung erarbeiteten Konzepte, Leipzig (noch nicht veröffentlicht)

Foto: FNR+ richtiges handeln

+ Einzigartigkeit„besser als andere“

+ Wollen

Zeichen

Daten

Informationen

Wissen

Handeln

Kompetenz

Wettbewerbs-fähigkeit

+ Syntax

+ Bedeutung

+ Vernetzung

+ Anwendungsbezug

KönnenTechnik

Strategisc

hes Management

Mensch

Regionale Bioenergie-Initiative

Operatives M

anagement

Quelle: Zawacki-Richter, O. (2004:253): Kompetenzkapital: Ansätze des betrieblichen Kompetenzmanagements und E-Learning-Szenarien. In: Hasebrook, J.; Zawacki-Richter, O.; Erpenbeck, J. (Hrsg.): Kompetenzbilanz, S. 237−269.

Planung & PlanungProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital¡nanzierung

Rohstoffeinsatz Anlagenbetrieb Vertrieb

Regionale Erzeugung Arbeitsaufwand ProduktionskostenÜberregionale Erzeugung

Einnahmen Wärmeverkauf EEG-Vergütung Vermarktung von Nebenprodukten

ArbeitsaufwandBetriebskostenWartungsaufwand

Page 97: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 97

Anwendungsgebiete Umfassende Analyse der tatsächlichen regionalen Bioenergiesituation und der daraus entstehenden Effekte

Vorteile → Betrachtung auf Basis tatsächlicher,

regionaler Daten (keine Modellannahmen bezüglich regionaler Ausgangssituation)

→ Betrachtung aller Stufen der Wertschöpfungskette

→ Umfassende Bestandsaufnahme der regionalen Bioenergiesituation → differenzierte Analysen sind möglich

Darstellung der regionalen Wertschöpfungseffekte mithilfe von Stoffströmen

Nachteile → Umfassende Datenerhebung/Befra-

gung notwendig → setzt Teilnahmebe-reitschaft regionaler Akteure voraus

→ Einbindung externer Dienstleister zur Datenerfassung und Auswertung not-wendig

→ Ableitung der Wertschöpfungseffekten von Datenverfügbarkeit abhängig

FazitBislang gibt es noch keine Methodik, regionale Wertschöpfung durch Bioenergie um-fassend und mit geringem Aufwand darzustellen, und da das Thema sehr komplex ist, wird es sie wahrscheinlich auch nicht geben. Man kann sich aber der Berechnung in unterschiedlichen Ansätzen je nach Zielsetzung und gewünschter Detailschärfe an-nähern. Allgemein aber gilt: Je mehr Wertschöpfungsstufen Sie innerhalb Ihrer Region etablieren können, desto höher werden auch die Wertschöpfungseffekte in Form von Arbeitsplätzen, Einkommen und Steuereinnahmen sein. Natürlich kommt es dann auch auf die absolute Höhe der Zahlen, also z. B. auf die Größe der Anlagen an.

Wichtig ist es jedoch, zwischen der volkswirtschaftlichen, also der regionalen Pers-pektive und den betriebswirtschaftlichen Einzelinteressen der Anlagenbetreiber und Brennstoffproduzenten zu unterscheiden. Dies schafft Verständnis für das Handeln der unterschiedlichen Akteure und erleichtert so einen argumentativen Zugang zu dem heiklen Thema Geld.

5.3.2 Erfassung der regionalen (Bioenergie-)EntwicklungAls Bioenergie-Initiative haben Sie sich eigene Schwerpunkte und Ziele gesetzt, die aus den speziellen Ausgangsbedingungen Ihrer Region heraus erarbeitet wurden (siehe hierzu auch Kapitel 3). Um den Fortschritt der Entwicklung einer Region zu beschreiben, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:1) Man stellt die Entwicklung über den zeitlichen Verlauf dar: Wo standen wir vor

zehn Jahren, wo stehen wir heute? 2) Man vergleicht die Entwicklung der eigenen Region mit der in anderen Regionen:

Wo stehen wir im Vergleich zu …?

Erfassung und Darstellung der regionalen (Bioenergie-)Entwicklung mittels IndikatortoolBeide Darstellungsmöglichkeiten bietet das „Indikatortool zur Darstellung der re-gionalen Bioenergieentwicklung“, welches das DBFZ im Rahmen der technisch-öko-nomischen Begleitforschung zum Wettbewerb Bioenergie-Regionen entwickelt hat. Das Tool ist online verfügbar (http://bioenergie-regionen.dbfz.de) und umfasst knapp 60 Indikatoren, über welche die regionale Bioenergieentwicklung beschrieben wer-den kann. Die Indikatoren sind in Kategorien untergliedert und in ihrer Bedeutung gewichtet, neben unbedingt erforderlichen Daten können auch, je nach regionalen Be-sonderheiten, weniger relevante Aspekte das Abbild der regionalen Situation ergänzen.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Hoppenbrock, C.; Albrecht, A.-K. (2009): Diskussionspapier zur Er-fassung regionaler Wertschöpfung in 100 %-EE-Regionen; Grundlagen und Anwendungen am Beispiel der Photo-voltaik; In: deENet (Hrsg.): Arbeitsma-terialien 100EE Nr. 2, Kassel Mühlenhoff, J. (2010): Renews Spezial – Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien, Ausgabe 46, Dezember 2010 (www.unendlich-viel-energie.de) Aretz, A./Hirschl, B./Prahl, A./ Böther, T./Heinbach, K. (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, IÖW, in Kooperation mit dem Zentrum für Erneuerbare Energien der Albert-Ludwigs-Universität Frei-burg im Breisgau, ZEE): Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien, Abschlussbericht, Berlin, September 2010 (www.ioew.de)

Page 98: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

98 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

In der Kategorie „Regionale Bioenergienutzung“ werden Kenndaten zum Bestand der Bioenergieanlagen, der installierten Leistung und der erzeugten Energie abgefragt. Betriebe, die im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bioenergie in der Region stehen, werden in der Kategorie „Entwicklung der regionalen (Bioenergie-)Wirtschaft“ er-fasst. Um weitere Effekte der umgesetzten Maßnahmen darzustellen, können zudem Angaben zu der Zahl an Fachtouristen, die sich über die Bioenergieaktivitäten in der Region informierten, zur regionalen Versorgung mit Wärme und zu Bioenergiedörfern gemacht werden.

konzeptionelle Struktur des Indikatortools

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Die regionale Bioenergie-Initiative kann für jedes Kalenderjahr Daten in das Tool einpflegen und dabei, entsprechend der regionalen Schwerpunktsetzung, aus dem Indikatorenpool jene wählen, die für sie relevant sind. Darüber hinaus müssen regions-spezifische Bezugswerte wie Anzahl der Einwohner oder die Agrarflächen eingegeben werden, über die ein Vergleich mit anderen Gebieten ermöglicht werden kann. Auf Grundlage dieser Datensätze kann man sich dann die regionale Entwicklung anzeigen lassen: Entweder als zeitliche Entwicklung innerhalb der Region oder als Vergleich der regionalen Werte zum bundesdeutschen Durchschnitt. Hierfür steht sowohl eine grafische als auch tabellarische Darstellungsweise zur Auswahl.

Das Tool eignet sich somit zum einen als „Datenbank“, in der man Daten zur Entwick-lung der Bioenergie-Region ablegen kann. Zum anderen ermöglicht es, jederzeit auf diese Daten zuzugreifen und sie nach bestimmten Kriterien darstellen zu lassen.

Anwendungsgebiete Umfassende, mehrjährige Darstellung der regionalen Bioenergie-Entwicklung

Vorteile → Komfortable Dateneingabe durch

Onlineanwendung → Darstellung der tatsächlichen

regionalen Entwicklung → Vergleiche zu Bundesdurchschnitt

möglich

Indikatortool zur Darstellung der regionalen Bioenergieentwicklung

Nachteile → Eigenständige Beschaffung der

Eingangsdaten notwendig → Es erfolgt keine Berechnung –

etwa im Sinne einer Wertschöp-fungsermittlung.

Planung & PlanungProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital�nanzierung

Regionale Erzeugung Arbeitsaufwand ProduktionskostenÜberregionale Erzeugung

Einnahmen Wärmeverkauf EEG-Vergütung Vermarktung von Nebenprodukten

ArbeitsaufwandBetriebskostenWartungsaufwand

Hauptkategorie Unterkategorie Indikator

Regionale Bioenergienutzung

Entwicklung der regionalen (Bioenergie-)

Wirtschaft

Infrastruktur undÖffentlichkeitsarbeit

Regionale Bioenergieanlagen in Betrieb

Bioenergie-Kapazitäten

Umwandlung von Bioenergie

Bioenergie-Tourismus

Versorgung mit Wärme aus Biomasse

Bioenergiedörfer

...

Indikator 1Indikator 2Indikator n

Indikator 2Indikator n

Indikator 1

Page 99: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 99

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

Biogasanlagen, thermische Leistung 2011kW/km2 landwirtschaftliche Fläche

Biogasanlagen, thermische Leistung 2012kW/km2 landwirtschaftliche Fläche

Biomasse-Heizwerke, thermische Leistung 2011kW/km2 Wald�äche

Biomasse-Heizwerke, thermische Leistung 2012kW/km2 Wald�äche

0,7786

0,2857

0,7786

0,2645

Installierte thermische Leistung einer Beispielregion

Ergebnisdarstellung im Indikator-tool: Entwicklung von thermi-schen Leistungen der Biogasan-lagen und Biomasse-Heizwerken in einer Beispielregion

Quelle: DBFZ

5.4 Unmittelbarer Klimaschutz durch regionale BioenergienDie Nutzung von Bioenergie trägt dazu bei, den Klimagasausstoß durch die Verbren-nung von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Diese Effekte sind für die Akteure vor Ort und für ihre tägliche Arbeit zwar eine wichtige Motivation, stehen aber häufig bei der Argumentation nicht an erster Stelle, weil der „globale Klimaschutz“ und die Aus-wirkungen des Klimawandels lokal kaum zu greifen sind. Dieses Kapitel stellt daher die Bedingungen für einen positiven Klimaschutzeffekt von Bioenergieanlagen noch einmal besonders in den Fokus. Denn mit der Kenntnis und Darstellung dieser positi-ven Wirkung gewinnen Sie eine zusätzliche Argumentationsgrundlage, um Bürger und Entscheidungsträger von Bioenergieprojekten zu überzeugen.

Die Bioenergienutzung spart Klimagase ein – der KlimaschutzeffektGrundsätzlich ist mit der Nutzung von Biomasse ein deutlicher Klimaschutzeffekt gegenüber der Verwendung fossiler Energieträger verbunden. Die von Bioenergie aus-gehenden Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) sind teils erheblich geringer als die ihrer fossilen Pendants. Dabei wird im Allgemeinen der Klimaschutzeffekt von Bioenergie umso größer,

→ je mehr THG-intensive fossile Energieträger ersetzt werden, → je niedriger die Aufwendungen für die Rohstoffbereitstellung ausfallen, → je höher der Anteil erneuerbarer Energien an der zusätzlich benötigten

Prozessenergie ist, → je effizienter die produzierte Bioenergie letztlich ausgenutzt wird und → wenn Reststoffe der Energieerzeugung dazu beitragen, klimaschädliche

Produkte (wie z. B. Düngemittel) regional zu ersetzen.

Neben dem globalen Treibhauseffekt hat die Energieerzeugung auch noch weitere Um-weltwirkungen, welche im Rahmen dieses Ratgebers jedoch nicht behandelt werden. Die insbesondere lokal wirkenden Einflüsse auf Böden, Gewässer sowie Pflanzen- und Tierwelt sollten bei umfassenden Umweltanalysen zusätzlich betrachtet werden. Auswirkungen auf die Biodiversität und Änderungen der Landnutzung, wie der

Page 100: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

100 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Umbruch von Grünland, werden durch das Bundesamt für Naturschutz untersucht. Informationen finden Sie dazu unter www.bfn.de/0319_biomasse.html.

Die Bereitstellung von Bioenergie hat in Deutschland in den vergangenen Jahren vor allem auf Grund förderpolitischer Maßnahmen einen deutlichen Aufschwung erfah-ren. Hauptantrieb dieser Förderung ist der Wille zur Einsparung von anthropogenen Treibhausgasemissionen.

Man hat jedoch selten einen Überblick darüber, wie nützlich eine technische Maßnah-me oder eine Bioenergieanlage unter Klimaschutzaspekten eigentlich ist. Tatsache ist, dass die Nutzung von Bioenergie nicht nur Einsparungen erzielt, sondern sich ver-schiedene Techniken auch in unterschiedlichem Umfang auf das Klima auswirken.

Wie man den Klimaschutzeffekt berechnet und darstelltDie Berechnung sowohl des Referenzwertes als auch der Werte für die THG-Emissionen aus der Bioenergieerzeugung erfolgt mit einer sogenannten Treibhausgasbilanz, in der alle THG-Emissionen zusammengefasst werden.

Wegen der Vielzahl an Parametern und Einflussfaktoren führen zumeist wissenschaft-liche Institute die mitunter komplexen Berechnungen durch. Die Ergebnisse gestatten anschließend den Vergleich verschiedener Technologien zur Energieerzeugung sowie die Ableitung von Optimierungsmaßnahmen für bestehende Anlagen. Weitere Infor-mationen zur Ökobilanzierung finden sich bei Klöpffer & Grahl: Ökobilanz (LCA).

Bilanzierung von Treibhausgasen bei der Energieproduktion

Eine Treibhausgasbilanz berechnet die Summe aller klimawirksamen Gase, die bei der Ener-giebereitstellung entstehen. Die Bilanz analysiert hierbei den gesamten Lebensweg von der Rohstoffgewinnung über die Produktion von Energieträgern und dessen Nutzung bis hin zur Entsorgung etwaiger Reststoffe. Dies berücksichtigt auch alle mit der Verwendung von Hilfs- und Betriebsstoffen verbundenen Emissionen. Bei der Bioenergie gehen die CO2-Emissionen, die beim eigentlichen Verbrennungsprozess frei werden, jedoch nicht mit in die Bilanz ein. Diese Emission wird neutral bewertet, weil die energetische Nutzung nur so viel CO2 abgibt, wie vorher beim Pflanzenwachstum aufgenommen wurde.29

Die klimawirksamen Gase sind neben CO2 auch Methan, Lachgas und weitere Spurengase (siehe Tabelle). Mithilfe der Charakterisierungsfaktoren werden alle THG-Emissionen aus der Ener-giebereitstellung in CO2-Äquivalente (CO2-äq) umgerechnet. Die Summe dieser Äquivalente wird dann auf eine einheitliche Größe bezogen, mit der das Ergebnis verständlich dargestellt

wird. Beim Kauf eines Neuwagens wird so inzwischen stets die Menge an Treibhausgasen angegeben, die pro 100 gefahrener Kilometer freigesetzt wird (CO2-äq/100 km). Bei der Be-wertung von Technologien zur Energieerzeugung ist diese Größe die freigesetzten Emission pro erzeugter Kilowattstunde Strom, Wärme oder Kraftstoff (CO2-äq/kWh).

29 Vgl. Graf, Frank (Hrsg.) (2011): Biogas – Erzeugung, Aufbereitung, Einspeisung, München

Anthropogene Treibhausgase (THG)

Charakterisierungs-faktor

CO2 (Kohlendioxid) 1

CO 3

CH4 (Methan) 25

NOx 7

N2O (Lachgas) 298

Charakterisierungsfaktoren zur Ermittlung der Treibhauseffekte pro Kilogramm THG (Auswahl)

Quelle: IPCC (Hrsg.) (2007): Climate Change 2007: Working Group I: The Physical Science Basis

Page 101: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 101

Allerdings lassen sich auch mit einfacheren Methoden Klimaschutzeffekte der regio-nalen Bioenergiebranche grob abschätzen, z. B. als Nebeneffekt des Online Wertschöp-fungsrechners (siehe hierzu Kapitel 5.3.1).

Damit eine Aussage zur Klimaschutzwirkung der Bioenergienutzung getroffen werden kann, muss zunächst die gegenwärtige Situation der Energiebereitstellung mit ihren THG-Emissionen, die sogenannte Referenz, bekannt sein. Je nach betrachtetem End-produkt, also Strom, Wärme oder Kraftstoff, unterscheidet sich dieser fossile Referenz-wert teilweise deutlich. Wenn man dem Referenzsystem anschließend die Bioenergie-nutzung gegenüber stellt, wird der Klimaschutzeffekt sichtbar. Somit kann man die Erfolge beim Klimaschutz auch bei einzelnen Maßnahmen darstellen.

Von den in der folgenden Abbildung aufgeführten Beispielanlagen haben das Heiz-kraftwerk und die landwirtschaftliche Biogasanlage den größten Klimaschutzeffekt pro erzeugter Kilowattstunde.

Planung & PlanungProduktion der Anlage, Planung,

Montage vor Ort, Logistik

BetreibergesellschaftWertschöpfungseffekte auf

der Ebene der Anteilseigener

Anlagenbetrieb & WartungWartung und Instandhaltung,

Versicherung, Banken für Fremd-kapital�nanzierung

Gemeinsame Ziele(Basis: Erwartete Win-Win-Situation)

→ Neue Ideen→ Erfolgskontrolle der Outputs

→ Rückkopplung

Netzwerkpartner

Inputintern und extern

Net

zwer

k w

ird

gebi

ldet

Win-W

in-Situation

Output − PPIProdukte,Projekte,

Initiativen

Netzwerk-kompetenzen

0

100

200

300

400

500

600

700

Kleinfeuerungs-anlage mit

Nahwärmenetz

Biomasseheiz-kraftwerk mit ORC-Technik

Landwirtschaftliche Biogasanlage

Biodiesel-produktion

Biogasein-speiseanlage

THG-Emissionen in g CO2 äq/kWh

Fossile Referenz THG-EInsparung Bio-Technologie

Die Treibhausgasminderung für einige beispielhafte Bioenergie-pfade beträgt zwischen 40 und 88 % gegenüber der jeweiligen fossilen Referenz

Quelle: DBFZ (2010): Bioenergie heute und morgen – 11 Bereit-stellungskonzepte – Sonderheft zum DBFZ Report (Selbstverlag) verfügbar unter: www.dbfz.de/web/fileadmin/user_upload/Referenzen/bereit stellungskonzepte_dlweb.pdf

Maßnahmen, die das Klima schützenIm Folgenden werden am Beispiel der Prozesskette Biogasnutzung einige wichtige Stellschrauben zur Verringerung der Treibhausgasemissionen vorgestellt. Daraus lassen sich Optimierungsmöglichkeiten ableiten, die auch an Bestandsanlagen ohne die kon-krete Berechnung von Treibhausgasbilanzen möglich sind. Dies kann der Bioenergie-Initiative bei der Beratung von Anlagenbetreibern hilfreich sein.

Bei der Bilanzierung der THG-Emissionen werden hier wie zuvor beschrieben alle Prozessschritte von der Produktion bzw. Bereitstellung der Biogassubstrate über deren Transport an die Anlage bis hin zur Energieerzeugung von Strom und Wärme berück-sichtigt.

Page 102: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

102 Regionale Effekte durch die Nutzung von Bioenergie

Negative Einflüsse auf die THG-Emissionen von Bioenergie aus einer Biogasanlage können durch verschiedene Maßnahmen (Aus-wahl) optimiert werden

Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

Eine wichtige Stellschraube betrifft die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Flä-chenbewirtschaftung. Beim Einsatz von Stickstoffdüngemitteln addieren sich nämlich Emissionen, die bei der energieaufwendigen Herstellung synthetischer Stickstoff-dünger entstehen und solche, die infolge mikrobieller Aktivität im Boden als Lachgas abgegeben werden. Dabei hat Lachgas einen besonders hohen Klimaeffekt (vgl. Tab aus Seite 100). Für die Verminderung dieser Emissionen sollte man daher möglichst viel Stickstoffdünger einsparen. So kann z. B. beim Einsatz von Gärresten als Ersatz für syn-thetische Düngemittel eine umweltentlastende Wirkung erzielt werden. Diese wird in der Gesamtbilanz als entsprechende „Gutschrift“ in Höhe der vermiedenen Emissionen angerechnet. Auf den Anbau von Energiepflanzen kann in einem gewissen Umfang so-gar verzichtet werden, wenn Rest- und Abfallstoffe für die Biogaserzeugung eingesetzt werden. Dies zeigt durch die entfallenden Emissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion daher deutliche Vorteile gegenüber dem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen.

Ein solcher Reststoff stellt auch Gülle dar. Setzt man in der Biogasanlage Gülle als Bio-gassubstrat ein, vermeidet man zum Teil erhebliche Methanemissionen, die mit der konventionellen Lagerung von Gülle verbunden sind. Auch hier entsteht in der Bilanz erneut eine Gutschrift in Höhe der vermiedenen Emissionen.

Ein weiterer Einflussfaktor für die ökologische Bewertung des Anlagenbetriebs ist die Frage nach der Herkunft der Energie, die bei der Biogaserzeugung von außen zuge-führt wird. Das ist zum einen Wärme für eine konstante Temperatur im Fermenter und zum anderen Strom für Pumpen, Rührwerk etc. Während die Wärme aus dem Biogas-BHKW zur Verfügung steht, wird der Strom oftmals aus dem öffentlichen Netz genutzt. Das führt aber zu einer deutlichen Steigerung der klimarelevanten Emissio-nen, weil der Strom aus dem deutschen Kraftwerksmix grundsätzlich mit einem hohen THG-Wert in die Bilanz eingeht, da hier zu einem großen Teil Kraftwerke mit fossilen Energieträgern einspeisen. Man sollte daher neben der benötigten Wärme auch den Prozessstrom aus dem BHKW einsetzen, was dann einen maßgeblichen positiven Ein-fluss auf die Gesamtbilanz der Anlage hat.

→ Treibstoffaufwand Diesel→ Produktion syn. Stickstoff→ Stickstoffemission ab Feld (Lachgas)

→ Silageverlust

→ Verringerung von Silageverlusten→ Bereitstellung von Gülle → Gutschrift zur Vermeidung von Methanemissionen

→ optimierte Fruchtfolge zur Minderung P�anzen- schutz- und Düngerbedarf→ Einsatz Rest und Abfallstoffe → Gutschrift des substituierten Stickstoff-Düngers (z. B.

durch Gärrestausbringung)

→ Methanemissionen der Biogasanlage→ Methanemission von Gärrestlager→ Verweilzeit Biogassubstrat→ Bezugsquelle Prozessenergie

→ Anlage komplett abdichten→ Verweilzeit und Raumbelastung anpassen→ Prozessenergieversorgung auf der Basis des selbst erzeugten Biogases

→ Methanemissionen des BHKW→ Unvollständige Energieverwendung durch fehlende Wärmeabnehmer

→ optimierte Anlagetechnik→ Energieef�zienz der Energieverwendung (Wärmenutzungsgrad)

BGA BHKW

Wärme

Strom

Silo

Substratherstellung Fermentation Nutzung im BHKW

Gülle-bereit-

stellung

Page 103: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 103

Eine weitere Stellschraube sind außerdem die auftretenden Methanemissionen an der Anlage. Durch Diffusion aus gasführenden Anlagenteilen, Undichtigkeiten oder auch Störungen im Betriebsablauf kann ein Teil des erzeugten Methans emittiert werden. Offene Gärrestlager sollte man daher stets mit einer zusätzlichen Abdeckung versehen. Weitere Anlagenteile und das BHKW sollte man auf Optimierungsmöglichkeiten prüfen.

Schließlich prägt der Wärmenutzungsgrad der Anlagenkonzepte entscheidend die emissionsmindernde Wirkung von Bioenergie. Da das BHKW Strom und Wärme er-zeugt, sollte man auch möglichst beides vollständig nutzen. Bei einem ansteigenden Nutzungsgrad der Wärme sinken die THG-Emissionen pro erzeugter kWhel deutlich, weil dadurch fossile Energieträger für die Wärmeerzeugung eingespart werden.

Handlungsempfehlung für AkteureFür einen möglichst großen Beitrag zum Klimaschutz sollte die Bioenergie-Initiative darauf hinwirken, dass in Biogasanlagen möglichst viele regional anfallende Rest- und Nebenprodukte eingesetzt, Prozesswärme und -strom aus dem Anlagenbetrieb bezo-gen und alle Anlagenbestandteile hinsichtlich des Methanverlusts optimiert werden. Die Bioenergie-Initiative kann auch dabei behilflich sein, nach Möglichkeiten der ökonomisch tragfähigen Verwendung der anfallenden Wärme zu suchen und damit unmittelbare Klimaschutzeffekte zu erzielen.

Auch andere Bioenergie-Branchen, wie Festbrennstoffe, lassen sich auf ihre Klima-wirkung hin überprüfen und im Rahmen des regionalen Prozesses durch Anregung bestimmter Projekte und effiziente Technologien optimieren.

Der Klimaschutz ist letztlich neben der Ökonomie ein sehr wichtiges Motivations- und Argumentationselement für die regionale Bioenergie-Initiative. Durch die gezielte Analyse der Klimaeffekte einzelner Maßnahmen, lassen sich

→ verschiedene Nutzungsalternativen von Biomasse miteinander vergleichen, → Entscheidungsprozesse erleichtern, → Dringlichkeiten von Maßnahmen abschätzen, → einseitig monetäre Diskussionen erweitern und → die Interessen des Allgemeinwohls herausstellen.

Mithilfe des auf Seite 93 vorgestellten Wertschöpfungsrechners können relativ einfach konkrete Zahlen zur THG-Einsparung generiert werden. Auch wenn manche Bioenergie- Projekte mit einer sehr hohen Einsparung von Klimagasen nicht immer ökonomisch besser gestellt sind als ihre fossilen Alternativen, kann die Initiative dennoch mit Ver-weis auf die Klimaschutzziele für solche Projekte werben. Die Bioenergie-Initiative sollte daher umso stärker den Nutzen von Projekten unter dem Klimaschutzaspekt hervorheben.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Klöpffer, Walter; Grahl, Birgit (2009): Ökobilanz (LCA), Weilheim

www.unendlich-viel-energie.de/uploads/media/53_Renews_Spezial_Zertifizierung_Bioenergie_online.pdf

www.iscc-system.org/uploads/ media/ISCC205Berechnungsmetho dikderTHGEmissionenundTHG-Au dit_V16.pdf

Dauerkulturen tragen zur Emis-sionsminderung beim Energie-pflanzenanbau bei, da sie gerin-gere Ansprüche an Düngung und Umbruch haben

Fotos: FNR

Page 104: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

104 Zum Schluss

6 Zum SchlussDie Bundesregierung ist bestrebt, den Anteil erneuerbarer Energien an der Energie-versorgung Deutschlands langfristig deutlich zu erhöhen. Dazu wurden im Jahre 2007 erstmals konkrete Ziele für den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien formuliert. Durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) wird diese Entwicklung mit dem Förderprogramm Nachwachsende Roh-stoffe unterstützt. Das Ziel ist der Ausbau der Bioenergie-Erzeugung und -Nutzung in Deutschland. Entscheidendes Kriterium ist, dass dies nachhaltig erfolgt, und dass die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden.

Gerade für den ländlichen Raum entstehen dadurch große Chancen: Arbeitsplätze, Klima schonende und stabile Energieversorgung, mehr Wertschöpfung und Zukunfts-perspektiven für junge Menschen. Deshalb hat das BMELV von 2009 bis 2012 im Rah-men des Aktionsprogramms „Energie für Morgen – Chancen für ländliche Räume“ 25 Bioenergie-Regionen gefördert. Deren Ziel war es, durch den Aufbau von Netzwerken und gezielte Öffentlichkeitsarbeit langfristige Strukturen zum Ausbau von Bioenergie zu schaffen und auf diese Weise die notwendigen Investitionen vor Ort zu generieren und so die Entwicklung des ländlichen Raums mithilfe von Bioenergie voranzutreiben. Der Beitrag zum Klimaschutz und die preisstabile Versorgung mit heimischer Energie sind weitere Ziele der Maßnahme.

Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ – ein erfolgreicher AnsatzEs hat sich gezeigt, dass bei der Regionalentwicklung – ob nur mit Bioenergie oder mit anderen Erneuerbaren Energien – gute Beispiele ganz entscheidend sind. Denn sie zeigen, wie die Energiewende auf regionaler Ebene funktionieren kann. Der Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“ ist deshalb aus vielerlei Hinsicht ein sehr erfolgreicher Ansatz:

→ Das Wettbewerbsverfahren motivierte eine Vielzahl von regionalen Akteuren, sich mit Bioenergie auseinanderzusetzen, und hat bei einigen den Anstoß gegeben, sich auch langfristig und ohne Förderung intensiv mit dem Thema zu befassen.

→ Mit dem regionalen Ansatz hat man eine Ebene gefunden, auf der man zum einen ausreichend Bioenergie-Potenzial, technische und strukturelle Voraussetzungen und zum anderen eine Vielfalt an Akteuren und Wissen zusammenbringt und gleichzeitig eine Identifikation des Einzelnen mit dem Projekt noch möglich ist.

→ Mit der Förderung von Personalstrukturen, Öffentlichkeitsarbeit und Qualifizie-rung kommen die Regionen mit verhältnismäßig wenig finanziellem Aufwand in Schwung und können aus eigener Kraft die nötigen Investitionen und Projekte ge-nerieren und begleiten. Eine direkte Förderung von Anlagen wäre deutlich teurer und kaum erfolgreicher in der Breite.

→ Die Forderung nach einem effizienten und nachhaltigen Ausbau der Bioenergie führt in den Regionen klassische Technologien mit innovativen und alternativen Ansätzen zusammen.

→ Der Fokus auf Akzeptanz und Öffentlichkeitsarbeit sorgt für eine gute Information in der Breite und setzt das Thema Bioenergie ins rechte Licht.

→ Die Bekanntmachung der Bioenergie-Regionen und ihrer Erfolge zeigt gute Bei-spiele auf, die andere Akteure ermutigen und motivieren.

Gemeinsam mit diesen Regionen, die es verstehen, ihre Erfolge der Öffentlichkeit zu präsentieren und Akzeptanz für das Thema zu schaffen, wollen wir weiter gehen. 21 Projekte werden deshalb für weitere 3 Jahre gefördert. Dabei stehen die Themen Effi-zienz der Stoffströme, regionale Wertschöpfung und der Wissenstransfer im Vorder-grund. Gemeinsam mit den erfahrenen Bioenergie-Regionen sollen Erfolge nun noch stärker nach außen getragen und für andere sichtbar gemacht werden. Dabei spielt der

Page 105: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 105

Austausch mit den Partnerregionen (sogenannten Zwillingsregionen), die zukünftig eng mit den Bioenergie-Regionen zusammenarbeiten, eine wichtige Rolle. Auch in dieser Zeit werden die Prozesse vor Ort genau beobachtet und analysiert und am Ende wiederum für andere Akteure aufbereitet.

Der Ratgeber „Bioenergie in Regionen“ Die Entwicklung in den 25 geförderten Regionen zeigt, dass die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie weitreichende Prozesse in Gang setzen kann. Denn die Um-stellung der Energieversorgung lohnt sich für viele: für Kommunen, für Versorgungs-unternehmen, für Unternehmer und für Bürger. Gerade Bioenergie stellt für den meist strukturschwachen ländlichen Raum eine immer bedeutendere Einnahmequelle dar. Und gerade hier liegt auch der Fokus dieses Ratgebers.

Pate für die hier gesammelten Erkenntnisse standen ebendiese 25 Bioenergie-Regio-nen, die in den vergangenen 3 Jahren mit Erfolg Netzwerke ausgebaut, Projekte initi-iert, Akzeptanz geschaffen haben. Mithilfe einer umfangreichen wissenschaftlichen Be-gleitforschung war es möglich, diese Regionen bei der Projektumsetzung zu begleiten und den Regionalentwicklungsprozess voranzutreiben. Die wichtigsten Ergebnisse ha-ben wir aufbereitet und stellen sie nun Ihnen, Akteuren aus der Regionalentwicklung und Bioenergie-Initiativen, als Unterstützung für Ihre eigene Arbeit zur Verfügung. Die Themen reichen von der Entwicklung einer regionalen Strategie über eine geeignete Zusammensetzung der Akteure für das Netzwerk bzw. die Bioenergie-Initiative bis hin zur Bestimmung von passenden Strukturen zur Koordination eines solchen Prozesses. Auch die Schaffung der nötigen Akzeptanz und wichtige Instrumente des Wissens-transfers werden hier angesprochen. Aus technischer Sicht werden Anstöße gegeben, wie wichtig z. B. eine Potenzialanalyse gerade zu Beginn eines Prozesses ist oder welche technischen Aspekte für einen regionalen Kontext sinnvoll sind. Sie erfahren außer-dem, wie man einen laufenden Entwicklungsprozess mithilfe von Wissensaustausch und geeigneten Bioenergie-Projekten in Gang hält, wie wichtig die laufende Erfassung und Darstellung der eigenen Erfolge für die Motivation der Akteure ist und was man beachten muss, um die Netzwerk-Initiative langfristig zu etablieren.

Entscheidend für die Energiewende ist nun, dass möglichst viele Menschen Verantwor-tung übernehmen und aktiv werden für die Umstellungen unserer Energieversorgung auf erneuerbare Energien und effiziente und sparsame Nutzung der vorhandenen Ressourcen! Sie sind also gefragt, genauso wie jeder einzelne von uns. Lassen Sie sich von guten Beispielen und den Erfahrungen anderer motivieren! Nutzen Sie die hier gemachten Erfahrungen für Ihre spezifischen Lösungsansätze!

Bundesministerin Ilse Aigner mit Vertretern der 25 Gewinner-Regionen bei der Prämierung im März 2009

Foto: FNR

Page 106: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

106 Bioenergie in Regionen

7 AnhangAnsprechpartnerBioenergie-Region Jena-Saale-Holzland RAG Saale-Holzland e. V.Ina John Nickelsdorf 1 07613 Crossen Tel.: 036693/230-916 Fax: 036693/230-79 [email protected] www.bioenergie-region.de

Bioenergie-Region Thüringer Vogtland Kompetenzzentrum Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie PahrenDr. Albrecht Broßmann Pahren, Hainweg 11 07937 Zeulenroda-Triebes Tel.: 036628/698-11 Fax: 036628/698-17 [email protected] www.bioenergieregion-thürin ger-vogtland.de

Bioenergie-Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Faktor - i³ GmbHBurkhard Zschau Feldstraße 2 09427 Ehrenfriedersdorf Tel.: 037341/4924-64 Fax: 037341/4925-21 [email protected] www.bioenergienetzwerk.net

Bioenergie-Region Landkreis Märkisch-OderlandSTIC – Wirtschaftsfördergesellschaft Märkisch-Oderland mbH Heiner Grienitz Garzauer Chaussee 1a 15344 Strausberg Tel.: 033602/58-100 Fax: 033602/58-111 [email protected] www.holzweg-mol.de

Bioenergie-Region Ludwigsfelde ARGE Bioenergie-Region LudwigsfeldeIris Feldmann Potsdamer Straße 3114974 LudwigsfeldeTel.: 03378/8606-63 i.feldmann@bioenergie-region-ludwigs felde.de www.bioenergie-region-ludwigsfelde.de

Bioenergie-Region Mecklenburgische Seenplatte c/o Leea GmbHAndré SchulzeAm Kiefernwald 117235 NeustrelitzTel.: 03981/[email protected] www.seenplatte-bioenergie.de

Bioenergie-Region „Natürlich Rügen“ – Voller Energie Dr. Gehrig Management und Technologieberatung GmbHSusanne Buchholz Dorfstraße 4 18528 Sehlen, OT Mölln-Medow Forst Tel.: 03838/31598-55 Fax: 0511/357716-19 [email protected] www.ruegen-voller-energie.de

Bioenergie-Region Burg-St. MichaelisdonnGemeindewerke St. MichelAndreas de Vries Am Rathaus 8 25693 Sankt Michaelisdonn Tel.: 04853/213-574 Fax: 04853/213-576 [email protected] www.energieregion-st-michaelisdonn.de

Page 107: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 107

AktivRegion Nordfriesland Nord LAG AktivRegion Nordfriesland Nord e. V.Simon Rietz Marktstraße 7–9 25917 Leck Tel.: 04661/601-572 Fax: 04661/601-67-570 [email protected] www.aktivregion-nf-nord.de

Bioenergie-Region Altmark Regionalverein Altmark e. V.Henning Kipp Bahnhofstraße 6 29410 Salzwedel Tel.: 03901/8455-50 [email protected] www.altmark.eu/bioenergie-region

Bioenergie-Region Wendland-Elbetal GLC Glücksburg Consulting AGDorothea Angel Seerauer Straße 27 29439 Lüchow Tel.: 05841/97867-17 Fax: 05841/97867-20 [email protected] www.bioenergie-wendland-elbetal.de

Bioenergie-Region Weserbergland plus Weserbergland AktiengesellschaftHans-Jürgen Hesse Hefehof 8 31785 Hameln Tel.: 05151/585-1004 Fax: 05151/585-1099 [email protected] www.bioenergie-weserbergland-plus.de

Bioenergie-Region Kulturland Kreis Höxter Landw. Betriebshilfsdienst und Maschinenring Höxter-Warburg e. V.Alexander Hake Bohlenweg 3 33034 Brakel Tel.: 05272/355755 Fax: 05272/1000 a.hake@mr-hoexter-warburg.comwww.bioenergieregion.kreis-hoexter.de

Bioenergie-Region Mittelhessen AC Consult & Engineering GmbHPeter Momper Ludwig-Rinn-Straße 14–16 35452 Heuchelheim Tel.: 0641/96985-20 Fax: 0641/96985-29 [email protected] www.bioenergie-region-mittelhessen.de

naturkraft-region Hersfeld-Rotenburg/Schwalm-Eder Zweckverband KnüllgebietDr. Brigitte Buhse Raiffeisenstraße 8 36286 Neuenstein Tel.: 06677/919030 Fax: 06677/919031 [email protected] www.naturkraft-region.de

Bioenergie-Region Südoldenburg agrar+ernährungsforum Oldenburger Münsterland e. V.Kathrin Albers Driverstraße 18 49377 Vechta Tel.: 04441/85389-11 Fax: 04441/85389-20 [email protected] www.bioenergie-suedoldenburg.de

Page 108: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

108 Bioenergie in Regionen

BioEnergieDialog Oberberg Rheinerft Gründer- und TechnologieCentrum Gummersbach GmbHSusanne Roll Bunsenstraße 5 51647 Gummersbach Tel.: 02261/814-507 Fax: 02261/814-900 [email protected] www.zebio.de

Bioenergie-Region Eifel Naturpark NordeifelAlexander Sobotta Steinfelder Straße 8 53947 Nettersheim Tel.: 02486/9111-22 Fax: 02486/9111-16 [email protected] www.bioenergie-eifel.de

Bioenergieregion Cochem-Zell Kreisverwaltung Cochem-ZellHermann Johann Brückenstraße 2 56812 Cochem Tel.: 02671/61-690 Fax: 02671/61-5409 [email protected] www.bioenergieregion-cochem-zell.de

Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber Bioenergieregion Hohenlohe- Odenwald-Tauber GmbH (H-O-T)Sebastian Damm Sansenhecken 1 74722 Buchen Tel.: 06281/906-801 Fax: 06281/906-808 [email protected] www.bioenergie-hot.de

Bioenergie-Region Bodensee solarcomplex AGHanspeter Walz Ekkehardstraße 10 78224 Singen Tel.: 07731/8274-25 Fax: 07731/8274-29 [email protected] www.bioenergie-region-bodensee.de

Bioenergie-Region Oberland Bürgerstiftung Energiewende OberlandElisabeth Kohlhauf Am Alten Kraftwerk 4 82377 Penzberg Tel.: 08856/80536-21 [email protected] www.bioenergieregion-oberland.de

Bioenergie-Region Achental Biomassehof Achental GmbH & Co. KGWolfgang Wimmer Eichelreuth 20 83224 Grassau Tel.: 08641/694143-20 Fax: 08641/694143-21 [email protected] www.biomassehof-achental.de

Bioenergie-Region Straubing-BogenLandratsamt Straubing-Bogen Laura Osterholzer Leutnerstraße 15 94315 Straubing Tel.: 09421/973-319 Fax: 09421/973-419 osterholzer.laura@landkreis-strau bing-bogen.de www.bioenergie.straubing-bogen.de

Page 109: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

Bioenergie in Regionen 109

Bioenergie-Region Bayreuth Regionalmanagement Stadt und Landkreis Bayreuth GbRBernd Rothammel Markgrafenallee 5 95448 Bayreuth Tel.: 0921/728-340 Fax: 0921/728-88-340 [email protected] www.bioenergieregion-bayreuth.de

Page 110: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

110 Bioenergie in Regionen

Page 111: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

ImpressumHerausgeberBundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)Referat 12311055 Berlinwww.bmelv.de

Bezugsquelle Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)OT Gülzow, Hofplatz 1 18276 Gülzow-Prüzen Tel.: +49 3843/6930-0 Fax: +49 3843/6930-102 [email protected] • www.fnr.dewww.bioenergie-regionen.de

Stand November 2012

Text Dirk Schubert, nova-Institut GmbH, www.nova-institut.deDr. Sebastian Elbe, SPRINT GbR, www.sprintconsult.deDr. Judith Elbe, SPRINT GbR, www.sprintconsult.deSebastian Bohnet, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH, www.dbfz.deFalko Haak, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH, www.dbfz.deProf. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH, www.dbfz.de

Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung liegt allein bei den Autoren.

RedaktionAbt. Öffentlichkeitsarbeit, FNR

Gestaltung www.tangram.de, Rostock

Bildnachweis Titel: iStockphotoS. 3: BMELV/Bildschön; S. 4: FNR/Julia Knop; S. 5: Fotolia

Druck www.druckerei-weidner.de, Rostock

Diese Broschüre wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des BMELV kostenlos herausgegeben. Sie darf nicht im Rahmen von Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.bmelv.de

Page 112: Bioenergie in Regionen - FNR: Mediathekmediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/b/r/brosch_regional... · energie-Regionen deutlich geworden. Gleichzeitig wurde aber auch

www.bmelv.de