Biologie und Bek mpfung von Bettwanzen · 2015. 11. 23. · Biologie und Bek mpfung von Bettwanzen...

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Dr. H. Fänger «Biologie und Bekämpfung von Bettwanzen», 21.03.2013 in Bern 1 Biologie und Bekämpfung von Bettwanzen Dr. Harald Fänger, Killgerm, Graf-Landsberg-Str. 1h, D-41460 Neuss Weiterbildungskurs, 21. März 2013 in Bern (Hotel National) Adaptation auf Word: Gérard Cuendet und Isabelle Landau 1. Die Rückkehr der Bettwanzen Abnahme der Häufigkeit von Bettwanzen bis 1960 … Bed bug infestation trends in a English town (Busvine, 1964) … dann Zunahme der Häufigkeit nach 1980 Anzahl gemeldete Fälle in Zürich von 1994 - 2007 (Müller et al, 2008) Diese weltweite Zunahme hat zur Ausarbeitung von Standards geführt, zuerst in Australien, dann in Europa und den USA Fakt ist: Bettwanzen findet man nicht nur wo es Betten hat, sondern auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Kinos. Property types where bed bugs are commonly detected (Davies et al, 2012)

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Dr. H. Fänger «Biologie und Bekämpfung von Bettwanzen», 21.03.2013 in Bern

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Biologie und Bekämpfung von Bettwanzen

Dr. Harald Fänger, Killgerm, Graf-Landsberg-Str. 1h, D-41460 Neuss

Weiterbildungskurs, 21. März 2013 in Bern (Hotel National)

Adaptation auf Word: Gérard Cuendet und Isabelle Landau

1. Die Rückkehr der Bettwanzen

Abnahme der Häufigkeit von Bettwanzen bis 1960 …

Bed bug infestation trends in a English town (Busvine, 1964)

… dann Zunahme der Häufigkeit nach 1980

Anzahl gemeldete Fälle in Zürich von 1994 - 2007

(Müller et al, 2008)

Diese weltweite Zunahme hat zur Ausarbeitung von Standards geführt, zuerst in Australien, dann in Europa und den USA

Fakt ist: Bettwanzen findet man nicht nur wo es Betten hat, sondern auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Kinos.

Property types where bed bugs are commonly detected (Davies et al, 2012)

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2. Verschiedene parasitische Wanzen

Menschen können auch von Wanzen gestochen werden, welche Vögel oder Fledermäuse parasitieren.

Alle diese Wanzenarten sind flügellos

Schwalbenwanze Fledermauswanze Bettwanze, Taubenwanze

Die Arten können aufgrund der Form des Pronotum (Halsschildes) und Merkmalen am Fühler unterschieden werden.

Die Unterscheidung Bettwanze und Taubenwanze ist schwierig.

Aussehen Bettwanze: Dorsoventral abgeflacht, rostbraun, 5-6 mm

3. Entwicklung und andere Aspekte der Biologie

Alle Stadien sind obligate Blutsauger. Ei ! 5 Larvenstadien ! Adulttiere

Eier 1 mm lang

Eiablagerate (23°C): Ist vom Alter der Weibchen abhängig

1. Woche: 2,76 Eier/Woche

4. Woche: 8,29 Eier/Woche

bis zur 18. Woche: ca.5 Eier/Woche

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Korrelation zwischen Temperatur und Entwicklungsdauer (in Tagen)

Ungefähr: 4 Monate bei 18°C 2 Monate bei 22°C 24 Tage bei 30°C

Omori, 1941 aus: Usinger, 1966

Häufigkeit des Blutsaugens

20°C: Imagines saugen ca. 1 Mal pro Woche

27°C: Imagines saugen ca. alle 3 Tage

Hungervermögen bei 25°C und 90° relative Luftfeuchte

L1: 45 Tage

L2: 53 Tage

Männchen : 85 Tage

Weibchen : 69 Tage

Begattung als traumatische Insemination Die Spermien werden injiziert in das „Ribaga´sche Organ“ (zwischen dem 4. und 5. Sternit am Hinterleib des Weibchens)

Pheromone Larven produzieren sie in abdominalen Drüsen, Adulttiere in Drüsen am Metathorax

Kontakt-Aggregationspheromone (Chemismus unklar)

Larven ! Larven

Männchen ! Männchen, unbegattete Weibchen

flüchtige (Englisch: airborne) Aggregationspheromone (10 Substanzen)

Männchen ! Larven, Männchen, unbegattete Weibchen

Weibchen ! alle Stadien (ausser begattete Weibchen)

flüchtige Alarmpheromone (wie oben, aber höhere Konzentrationen)

alle Stadien ! alle Stadien

Begattete Weibchen werden nicht von Pheromonen angelockt!

Volatile Aggregations-

pheromone

20 - 22%: (E)-2-Hexanal [trans-2-hexanal] 58 - 61%: (E)-2-Octanal 11 - 12%: 4-Oxo-(E)-2-Hexanal 5 - 6%: 4-Oxo-(E)-2-Octanal

Alarmpheromone: Fluchtreaktion innerhalb von 1-2 Minuten

Flucht-Schwellenkonzentrationen: • Trans-Hex-2-en-1-al 1,36 "g/ml Luft • Trans-Oct-2-en-1-al 0,25 "g/ml Luft

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4. Stiche und Stichreaktionen

• keine Übertragung spezifischer Krankheitserreger

• meist kleine rote Pusteln mit Juckreiz

• evtl. Sekundärinfektionen durch Aufkratzen

• selten stärkere allergische Reaktionen

• einige Menschen völlig symptomlos

• Diagnose der Stiche auch für Ärzte unmöglich

Eine sichere Diagnose kann nur gestellt werden, wenn ein Insekt identifiziert werden kann!

5. Befallshinweise bei Inspektionen

• Eier, Larven, Adulte

• Kotspuren (ca. 1mm kleine schwarze Flecken)

6. Fähigkeit, den Wirt zu finden und Effizienz von Fallen

Kohlendioxid (CO2), Gerüche und Wärme

Die Bettwanzen werden am besten vom Kohlendioxid (CO2) angelockt, gefolgt von Körpergeruch und der Hitze des Wirtes.

Effizienz von Fallen über alle Stadien, in verschiedenen Kombinationen

(Lockstoffgemisch: Milch-, Propion-, Butter- und Valeriansäure sowie Oktenol)

Anderson et al., 2009

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Fähigkeit einer hungriger Bettwanze, den Wirt zu finden

Bild rechts: Harold Harlan (www-presentation: bed

bug biology and behavior), 2012

Nach Weeks et al., 2011, sind die Faktoren, einen Wirt zu finden, folgende (Reihenfolge nach Wichtgkeit):

• Kohlendioxid (CO2) • Wärme • L-Milchsäure (L-lactic

acid) • (RS)-1-octen-3-ol

Viele CO2-Monitoring-Systeme

Test auf Wirksamkeit einiger CO2-Monitore: (Wang et al. 2011)

Trockeneis > CDC 3000 > NightWatch

CO2-Rate: Trockeneis > NightWatch > CDC 3000

fast ebenso erfolgreich: ClimbUp® Interceptor

Testergebnis: sämtliche Monitore effektiv

7. Bekämpfung von Bettwanzen

US-Untersuchung zur Anzahl benötigter Massnahmen (Gangloff-Kauffmann et al., 2006)

1 Besuch: 6,0%

2 bis 3 Besuche: 62,6%

4 Besuche: 20,7%

5 bis 6 Besuche: 10,7%

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Physikalische Bekämpfung

Bettwäsche und Gardinen heiss waschen/ trocknen

Boden und Matratzen staubsaugen/ dampfreinigen

ggf. Bettwanzen-Matratzenhüllen verwenden

ggf. selbstaufösende Wäschebeutel

(Bekämpfung mit Hitze oder Kälte: Siehe später und andere Präsentationen)

Chemische Bekämpfung

Betten mit speziellen Aerosolen wanzenfrei machen

übrige Verstecke mit Langzeitspritzmitteln behandeln

Lichtschalter und Steckdosen freilegen, saugen, stäuben

Teppichränder saugen und einsprühen

Fussbodenleisten saugen und stäuben

generell zu unterscheiden:

• residual products (! trockene Beläge) • direct contact products (! direktes Einsprühen)

Gefahr der

Bettwanzen-

Verschleppung beim:

Entsorgen befallener Gegenstände

Staubsaugen (insektizide Stäube einsaugen, Staubsaugerbeutel entsorgen)

Waschen von Bettwäsche (!wasserlösliche, selbstauflösende Wäschebeutel)

Betreten befallener Räume

Bei der chemischen Bekämpfung gibt es Probleme

mit Resistenzen

2 Grundtypen von Resistenzmechanismen:

Neuronale Unempfindlichkeit: Veränderung am Zielort (kdr knock down resistance = 2 Mutationen modifizieren die Natrium-Kanäle des Axons: Gen V419L und Gen L925I)

Metabolische Entgiftung = Abbau des Pyrethroides durch: Cytochrom-P450-Monooyxgenasen, Glutathion-S-Transferase, Carboxylesterasen (Nützlichkeit von PBO, Inhibitor von Cyt.

P450)

Bekannte Resistenzen gegen: • sämtliche Pyrethroiden (reviewed in Davies et al., 2012)

• Bendiocarb (Boase et al., 2006; Lilly et al., 2009c)

Zwei Einschätzungen zur Effizienz der chemischen Alternatieve Chlorfenapyr (Mythic SC®):

• sehr gut (Romero et al., 2010; Tawatsin et al., 2011)

• ungenügend (reviewed in Doggett et al., 2012)

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USA - Studie: fast 90% der Bettwanzen mit mindestens eine der beiden obigen kdr-Mutationen

weiss: keine Mutation grau: nur L925I

schwarz: nur V419L gelb: 2 Mutationen

Yoon et al., 2008; Zhu et al., 2010; Adelman et al., 2011

Alternative Methoden im Fall von Resistenzen (siehe auch die anderen

Präsentationen)

ACHTUNG: Die tödliche Expositionszeit für Bettwanzen hängt von der erreichten Temperatur ab.

Kälte (z.B. CO2-Trockeneis: Cryonite)

Hitze (z.B. ThermoNox, Dampfreiniger)

• Klimaanlage ausschalten

• Zu- und Abluftkanäle mit Plastikfolie abdichten

• Stecker von Elektrogeräten ziehen

• Druckbehälter, Medikamente, Feuerlöscher entfernen

• Fluchtwege mit Dichtmasse/Klebeband verschliessen

• Nachbarräume wegen Hitzeentwicklung ggf. sperren

• Blenden und Kopfteile demontieren

• Matratze hochkant im Raum aufrichten

• Aufheizen des Raumes auf 50-55°C (16-24 Stunden)

• Temperaturhaltephase (8-12 Stunden), Ofen drehen

• Temperaturprüfung mit Infrarot-Thermometer

Vorbeugende Massnahmen in Hotels

• Schulung des Housekeeping-Personals (in Hotels)

• regelmässige Routine-Inspektion durch Fachpersonal

• striktes räumliches Isolieren von Hotelzimmern

Kampf gegen Resistenzen (bisher nur gegen Pyrethroide und Bendiocarb)

1. Massnahme: Zusatz von Piperonylbutoxid (PBO)

2. Massnahme: Direktkontakt statt Residualkontakt

3. Massnahme: Rotation der Wirkstoffgruppe

4. Massnahme: Einsatz physikalischer Methoden (IPM)

Mechanische

Bekämpfung

ggf. Bettwanzen-Matratzenhüllen verwenden

Verhindern, dass Bettwanzen das Bett erreichen können: ClimbUp Interceptor, Bed Moat, BB Floor Barrier, BB Srew-in Barrier, BB Secure Ring, BB Stop

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Die Bettwanzen können die glatten Wände nicht hochklettern und bleiben in der Rinne gefangen. Trockeneis oder eine Wärmequelle können im Zentrum hinzugefügt werden, um die Attraktivität zu erhöhen.

Empfehlungen für die

chemische Bekämpfung (Anderson & Cowles, 2012; Barile et al., 2008)

• Betten mit Insektiziden wanzenfrei machen (INSEL)

• alle Verstecke in Räumen mit Spritzmitteln behandeln

• Pyrethroide allein meist nicht schnell genug wirksam

• dabei Rotation der Wirkstoffgruppen beachten:

o Typ II-Pyrethroide (Deltamethrin, Cypermethrin…)

o Bendiocarb (in Ficam W)

o Chlorfenapyr (in Mythic SC)

• Lichtschalter, Steckdosen, Fussleisten mit SiO2-Stäuben (Diatomeen-Erde)

Zitat aus Doggett, 2012:

„Aerosol formulations tend to be more

effective than non-aerosolized liquids, often

producing a complete kill within 2 h, but tend

to perform poorly as dried residuals. This

finding suggests that either the carriers or the

propellants are increasing insecticide

absorption or have an insecticidal action.”

Insektizide, mit welchen Bettwanzen über die Füssen und den Körper in Kontakt kommen, gelangen nicht oral in den Körper (der Saugrüssel als Mundwerkzeug erlaubt keine Reinigung des Körpers). Sie müssen durch die Haut dringen, um eine Wirkung zu erzielen. Dies erklärt, weshalb Produkte, welche durch die Atemöffnungen absorbiert werden, einen grösseren Effekt haben als diejenigen, die über die Kutikula (Füsse und Körper) eindringen müssen. Der anerkannte australische Spezialist S. Doggett vermutet, dass Lösungsmittel, welche schnell in Gasphase treten (z.B. Treibgase), eine tödliche Wirkung haben.

Eine interessante englische Publikation zur klinischen Bedeutung von Bettwanzenstichen und Bekämpfung (kostenloser download)