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KIT Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft Biomass steam processing (BSP) Konvertierung von Biomassen zu Kohle mittels Dampfkonditionierung J. Steinbrück a , L. Walz b , H. Bockhorn a,* a Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Engler-Bunte-Institut, Engler-Bunte-Ring 7, 76131 Karlsruhe b Energie Baden-Württemberg AG, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe Limitierte Ressourcen erfordern neue Energieträger Angesichts der knapper werdenden fossilen Ressourcen (siehe Abbildung) und des fortschreitenden Klima- wandels (siehe Abbildung) steigt das Interesse an Energieträgern aus Biomassen. Der Einsatz von kohlehydratbasierten biogenen Reststoffen, wie Stroh, Holzresten und -abfällen, Grasschnitt, vegetabilen Abfällen, Gärresten oder Klärschlamm, als Energieträger anstelle von sog. „Energiepflanzen“ vermeidet die Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung. Biomasse weist einen hohen Anteil an chemisch gebundenem Wasser sowie häufig einen hohen Feuchtegehalt auf. Daraus resultiert ein niedriger massebezogener Energie- gehalt. Um die Energiedichte von Biomasse zu erhöhen, sind verschiedene Verfahren verfügbar. Abhängig von Parametern wie Temperatur, Druck, Reaktionszeit und Engler-Bunte-Institut Verbrennungstechnik Die weltweite Erdölförderung von 1900 2150 (Quelle : BGR) Biomasseanteil lassen sich dabei feste, flüssige oder gasförmige kohlenstoffhaltige Stoffe gewinnen. Generell gilt: Mit steigender Schärfe der Reaktionsbedingungen, vor allem Temperatur und Reaktionszeit, nimmt die Tendenz zur Gasbildung zu, und es entstehen kleinere organische Moleküle. Kohlenstoff stellt einen vielfältig einsetzbaren effektiven Energiespeicher dar. Verfahren zur Konditionierung von Biomasse, die auf Kohlenstoff als Feststoff abzielen, treffen auf wachsendes Interesse. Bei der Karboni- sierung wird der Kohlenstoffanteil der Einsatzbiomasse durch thermische Behandlung in Inertgasatmosphäre (Pyrolyse) oder mit Hilfsstoffen wie heißem, flüssigem Druckwasser (hydrothermale Karbonisierung HTC) als feste Kohle gewonnen. Sowohl Pyrolyse als auch HTC erfordern lange Reaktionszeiten, um in der Kohle hohe Kohlenstoffanteile zu erreichen. So wird bei der Pyrolyse die Biomasse für viele Stunden bis Tage auf rund 450°C gehalten. Bei der HTC sind mit etwa acht bis 24 Stunden bei 180 °C bis 240 °C die Reaktions- zeiten etwas kürzer und die Temperaturen niedriger, der verfahrenstechnische Aufwand ist allerdings durch das flüssige, heterogene Reaktionsmedium und den anzuwendenden Druck erheblich höher. Zudem wirkt das Reaktionsmedium durch die in der Biomasse enthaltenen Salze und organische Säuren, die im Prozess gebildet werden, äußerst korrosiv, was hohe Anforderungen an das Material der Reaktoren stellt. Vorteilhaft bei der HTC ist die Möglichkeit feuchte Biomasse einzusetzen. Dabei lassen sich äußerst variable Strukturen erreichen. BSP einfach und schnell Um die verfahrenstechnischen Nachteile der HTC und der Pyrolyse zu umgehen, untersucht eine Gruppe von Forschern unter der Leitung von Prof. Bockhorn am Engler-Bunte-Institut, Bereich Verbrennungstechnik, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) im Projekt „Green Coaleine alternative Methode die atmosphärische Dampfkonditionierung. Beim Biomass Steam Processing“ (BSP) wird der Einsatzstoff unter Atmosphärendruck mit Wasserdampf bei Temperaturen zwischen 250°C und 400°C bei Reaktionszeiten von Minuten bis wenigen Stunden behandelt. - 1- Weltweite CO2-Emission von 1950 2010 (Quelle : CDIAC)

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  • KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und

    nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Biomass steam processing (BSP) – Konvertierung von Biomassen zu Kohle mittels Dampfkonditionierung

    J. Steinbrück a, L. Walz b, H. Bockhorn a,* a Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Engler-Bunte-Institut, Engler-Bunte-Ring 7, 76131 Karlsruhe b Energie Baden-Württemberg AG, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe

    Limitierte Ressourcen erfordern neue Energieträger

    Angesichts der knapper werdenden fossilen Ressourcen

    (siehe Abbildung) und des fortschreitenden Klima-

    wandels (siehe Abbildung) steigt das Interesse an

    Energieträgern aus Biomassen. Der Einsatz von

    kohlehydratbasierten biogenen Reststoffen, wie Stroh,

    Holzresten und -abfällen, Grasschnitt, vegetabilen

    Abfällen, Gärresten oder Klärschlamm, als Energieträger

    anstelle von sog. „Energiepflanzen“ vermeidet die

    Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung. Biomasse

    weist einen hohen Anteil an chemisch gebundenem

    Wasser sowie häufig einen hohen Feuchtegehalt auf.

    Daraus resultiert ein niedriger massebezogener Energie-

    gehalt.

    Um die Energiedichte von Biomasse zu erhöhen, sind

    verschiedene Verfahren verfügbar. Abhängig von

    Parametern wie Temperatur, Druck, Reaktionszeit und

    Engler-Bunte-Institut –Verbrennungstechnik

    Die weltweite Erdölförderung von 1900 – 2150 (Quelle : BGR)

    Biomasseanteil lassen sich dabei feste, flüssige oder

    gasförmige kohlenstoffhaltige Stoffe gewinnen. Generell

    gilt: Mit steigender Schärfe der Reaktionsbedingungen,

    vor allem Temperatur und Reaktionszeit, nimmt die

    Tendenz zur Gasbildung zu, und es entstehen kleinere

    organische Moleküle.

    Kohlenstoff stellt einen vielfältig einsetzbaren effektiven

    Energiespeicher dar. Verfahren zur Konditionierung von

    Biomasse, die auf Kohlenstoff als Feststoff abzielen,

    treffen auf wachsendes Interesse. Bei der Karboni-

    sierung wird der Kohlenstoffanteil der Einsatzbiomasse

    durch thermische Behandlung in Inertgasatmosphäre

    (Pyrolyse) oder mit Hilfsstoffen wie heißem, flüssigem

    Druckwasser (hydrothermale Karbonisierung – HTC)

    als feste Kohle gewonnen. Sowohl Pyrolyse als auch

    HTC erfordern lange Reaktionszeiten, um in der Kohle

    hohe Kohlenstoffanteile zu erreichen. So wird bei der

    Pyrolyse die Biomasse für viele Stunden bis Tage auf

    rund 450°C gehalten. Bei der HTC sind mit etwa acht

    bis 24 Stunden bei 180 °C bis 240 °C die Reaktions-

    zeiten etwas kürzer und die Temperaturen niedriger,

    der verfahrenstechnische Aufwand ist allerdings durch

    das flüssige, heterogene Reaktionsmedium und den

    anzuwendenden Druck erheblich höher. Zudem wirkt

    das Reaktionsmedium durch die in der Biomasse

    enthaltenen Salze und organische Säuren, die im

    Prozess gebildet werden, äußerst korrosiv, was hohe

    Anforderungen an das Material der Reaktoren stellt.

    Vorteilhaft bei der HTC ist die Möglichkeit feuchte

    Biomasse einzusetzen. Dabei lassen sich äußerst

    variable Strukturen erreichen.

    BSP – einfach und schnell

    Um die verfahrenstechnischen Nachteile der HTC und

    der Pyrolyse zu umgehen, untersucht eine Gruppe von

    Forschern unter der Leitung von Prof. Bockhorn am

    Engler-Bunte-Institut, Bereich Verbrennungstechnik,

    des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) im Projekt

    „Green Coal“ eine alternative Methode – die

    atmosphärische Dampfkonditionierung. Beim „Biomass

    Steam Processing“ (BSP) wird der Einsatzstoff unter

    Atmosphärendruck mit Wasserdampf bei Temperaturen

    zwischen 250°C und 400°C bei Reaktionszeiten von

    Minuten bis wenigen Stunden behandelt.

    - 1-

    Weltweite CO2-Emission von 1950 – 2010 (Quelle : CDIAC)

  • KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und

    nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Vergleich der Reaktionsbedingungen von Pyrolyse, Hydro-

    thermaler Karbonisierung und Biomass Steam Processing

    Dabei entsteht mit wesentlich geringerem

    verfahrenstechnischen Aufwand als bei der HTC und

    bei viel kürzeren Reaktionszeiten als bei der Pyrolyse

    braunkohleähnliche Biokohle. Auch sind die BSP-

    Reaktionsbedingungen besser beherrschbar und die

    Biokohlen-Elementarzusammensetzung ist variabel.

    Die Projektgruppe erforscht das BSP-Verfahren mit

    Modellbiomassen und realen Biomassen wie Stroh,

    Holz, Gras, Orangenschalen, Bioabfälle und

    Klärschlamm theoretisch und experimentell.

    Entwicklung des Verfahrens

    Als Versuchsträger setzen die Wissenschaftler unter

    anderem mehrere Laborreaktoren und Technikums-

    reaktoren vom Gramm- bis zum Kilogramm-Maßstab

    ein.

    Nach ersten Versuchen zum BSP-Verfahren in einem

    Laborreaktor wurde eine kontinuierlich arbeitende

    Technikumsanlage für das BSP-Verfahren entwickelt

    und realisiert. Nach positiven Ergebnissen wurde eine

    Anlage im Pilotmaßstab gebaut, um weitere

    Betriebsparameter für verschiedene Biomassen zu

    ermitteln und Erfahrungswerte für einen Upscale zu

    erlangen.

    Engler-Bunte-Institut –Verbrennungstechnik

    Die Pilotanlage mit bis zu ca. 50 kg/h Durchsatz,

    welche die letzte Stufe vor einer Markteinführung

    darstellt, wurde erfolgreich in Betrieb genommen.

    Schema der Technikumsanlage

    Ergebnis: Ein hochwertiges Produkt

    Die Charakterisierung der Biokohle erfolgt anhand von

    Thermogravimetrie, Spektroskopie, Gasanalyse, Flüs-

    sigkeitsanalyse, Elementaranalyse, Heizwertbestim-

    mung und Elektronenmikroskopie.

    Aus der Charakterisierung werden auch mechanis-

    tische Erkenntnisse gewonnen.

    Untersuchte Biomassen mit entsprechender Kohle nach

    Umsetzung im BSP-Verfahren

    Der Heizwert von unbehandeltem Stroh oder Holz liegt

    bei circa 15 bzw. 18 MJ/kg; typische Heizwerte von

    Braunkohlen liegen bei circa 20 bis 28 MJ/kg. Durch

    das BSP-Verfahren gewinnt man bei 300 °C bis 350 °C

    und einer Reaktionszeit von nur 30 bis 120 Minuten

    braunkohleähnliche Biokohlen, wobei typischerweise 40

    bis 70 Prozent des Kohlenstoffs der Biomassen im

    Festkörper zu finden sind.

    Versuchsanlagen für das

    BSP-Verfahren: BSP-Labor-

    reaktor (links oben), BSP-

    Technikumsreaktor (rechts

    oben),BSP-Pilotanlage

    (rechts unten)

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    nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Diese Biokohlen weisen mit 21 bis 29 MJ/kg ähnliche

    Heizwerte wie typische HTC-Produkte (22 bis 28

    MJ/kg) auf und folgen bezüglich der Zusammensetzung

    dem natürlichen Inkohlungsprozess (siehe Abbildung).

    Produkte der HTC und BSP im Inkohlungsdiagramm (van

    Krevelen Diagramm)

    Verglichen mit dem HTC-Verfahren sind die Verfahrens-

    parameter beim BSP-Verfahren bedeutend günstiger.

    Auch lassen sich gewisse Strukturparameter und

    Reaktionsmechanismen besser einstellen.

    Energiebilanz des BSP-Verfahrens

    Ein wichtiger Aspekt ist die Energiebilanz, die das

    Aufheizen sowie das Verdampfen oder Abkühlen der

    Biomasse, der anhaftenden Feuchte, der Asche und

    der gasförmigen und flüssigen Reaktionsprodukte

    umfasst. Bei einem typischen BSP-Experiment mit

    Holzpellets bei einer Einsatzmasse von 100 g, einer

    Reaktionszeit von 34 Minuten und einer Temperatur

    von 350 °C finden sich beispielsweise etwa 54 Prozent

    der eingesetzten chemischen Energie in der Biokohle,

    wobei sich der Brennwert um über 60 Prozent erhöht

    hat. Auch mit Weizenstroh als Einsatzstoff und milderen

    Bedingungen (Temperatur 300 °C und Reaktionszeit 56

    min) kommt man zu ähnlichen energetischen

    Wirkungsgraden (siehe Tabelle).

    Zusammensetzungen und Eigenschaften von Einsatzbiomassen

    und deren Kohlen

    Engler-Bunte-Institut –Verbrennungstechnik

    Weizenstroh und BSP-Kohlen aus Weizenstroh bei 250°C, 300°C,

    325°C und 350°C (von links nach rechts)

    Ein Teil der eingebrachten Energie findet sich als

    chemische Energie in den kondensierbaren

    organischen Molekülen wieder. Zusätzlich sind etwa

    drei Prozent der eingebrachten chemischen Energie

    zum Aufheizen von Biomasse und Feuchtigkeit auf

    Reaktionstemperatur aufzubringen.

    Über ein zweistufiges Kondensationssystem wirken

    sich das aus den Kohlehydraten eliminierte Wasser und

    kleinere organische kondensierbare Moleküle,

    beispielsweise Hydroxymethylfurfural, über ihre

    sensible Wärme und die Kondensationswärme positiv

    auf die Energiebilanz aus.

    Schema der Pilotanlage für das BSP-Verfahren

    Die technische Umsetzung des BSP-Verfahrens wird in

    einer Pilotanlage mit einem Umsatz von rund 50 kg

    Biomasse pro Stunde untersucht. Durch die Rück-

    führung des bei höherer Temperatur kondensierenden

    Bioöls und der kohlenstoffhaltigen Dampfphase wird die

    Ausbeute an Kohlenstoff in der Biokohle weiter

    gesteigert.

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  • KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und

    nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Schnittbild des BSP-Piotreaktors

    Der Pilotreaktor wurde in einem 7 Tage Dauerversuch

    in Betrieb genommen. Dabei wurden Klärschlamm,

    sowie Mischungen von Klärschlamm mit Holzpellets

    und Klärschlamm mit Bioabfall erfolgreich prozessiert.

    Die Einsatzstoffe wurden dabei getrocknet und

    karbonisiert und deren Brennwerte erhöht.

    Die Kohle der Klärschlamm-Holzpellets-Mischung

    erreicht einen Brennwert von ca. 21 MJ/kg, die

    Mischung von Klärschlamm mit Bioabfällen fast 15

    MJ/kg.

    Brennwerte von eingesetzten Biomassen und deren Kohlen

    (links), Mischung von Klärschlamm und Bioabfall (rechts)

    Die Entsorgung von Klärschlamm ist in Deutschland ein

    wachsendes Problem, da sowohl die Nutzung in der

    Landwirtschaft als auch die Verbrennung immer weiter

    eingeschränkt werden. Auch hier kann das BSP-

    Verfahren eine mögliche Lösung sein.

    Die Methode lässt sich dank ihrer Einfachheit

    problemlos auch in mobilen Anlagen einsetzen, so dass

    Bioabfälle unmittelbar dort, wo sie anfallen,

    kostengünstig und energetisch sinnvoll zu Kohle

    verarbeitet werden können.

    Das Verfahren ist zum Patent angemeldet. Gefördert

    wird das Projekt mit Mitteln der EnBW Energie Baden-

    Württemberg AG.

    weitere Informationen:

    Professor Dr. Henning Bockhorn

    Engler-Bunte-Institut

    Bereich Verbrennungstechnik (EBI-VBT)

    Telefon: +49 721 608-47984

    E-Mail: [email protected]

    Engler-Bunte-Institut –Verbrennungstechnik

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