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physiolehrbuch Basis

Biomechanik, Bewegungslehre, Leistungsphysiologie, TrainingslehreHerausgegeben von Antje Hüter-Becker und Mechthild Dölken

Autoren:Dieter KleinWolfgang LaubeJochen SchomacherBritta Voelker

269 Abbildungen 24 Tabellen

2., überarbeitete Auflage

Georg Thieme VerlagStuttgart · New York

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Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2005

© 2011 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 14D-70469 StuttgartUnsere Homepage: http://www.thieme.de

Printed in Germany

Zeichnungen: Andrea Schnitzler, Innsbruck Rüdiger Gay, SternenfelsUmschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeUmschlagfoto: Studio Nordbahnhof, StuttgartSatz: stm | media GmbH, KöthenDruck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten

ISBN 978-3-13-136862-1 1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als ebook:eISBN 978-3-13-165102-0

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klini-sche Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applika-tion erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applika-tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über-nommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfeh-lung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindi-kationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten ver-wendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

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Vorwort

Physiotherapie ist theoriegeleitete Praxis. Schüler und Studenten müssen deshalb außer sehr spezia-lisierten berufspraktischen Fertigkeiten und deren theoretischer Grundierung auch Basiswissen in einer ganzen Reihe von Begleit- und Grundlagen-wissenschaften erwerben. Die physioLehrbücher Basis bieten diese berufsrelevanten theoretischen Ausbildungsinhalte in kompakter Form.

Dieser Band beinhaltet Grundlagen der Bio-mechanik, die Biomechanik der verschiedenen Körperstrukturen sowie die physiologische, patho-physiologische und leistungsphysiologische Basis-information. Die Art der Darstellung soll Biome-chanik und Physiologie „begreifbar“ machen und Verbindungen herstellen zwischen theoretischem Grundlagenwissen und der täglichen physiothera-peutischen Arbeit mit Patienten.

Physiotherapeuten müssen menschliche Bewe-gung analysieren und die Belastungen der Struk-turen einschätzen können, nur dann ist dosierte Beanspruchung möglich. Biomechanisches Grund-lagenwissen ist daher erforderlich, um pathomecha-nische Aspekte zu erkennen und Konsequenzen für Untersuchung und Behandlung abzuleiten. Die Be-

trachtung der menschlichen Bewegung unter me-chanischen Gesichtspunkten ist allerdings nur ein Aspekt dieses komplexen Geschehens, wenn auch ein wichtiger Aspekt. So wird beispielsweise der Stoffwechsel ebenso von biochemischen Abläufen bestimmt, wie er vom Nerven- und Hormonsystems und dem histologischen Aufbau der Gewebe beein-flusst wird.

Schüler und Studenten erhalten Antworten auf Fragen wie z. B. beispielsweise „Wie wirken me-chanische Kräfte auf Körperstrukturen? Was ist ei-gentlich Muskeltonus? Wie reagiert der Körper auf Trainingsreize? Wie werden wird Kraft, Ausdauer und Koordination messbar?“ Wer Physiotherapie als theoriegeleitete Praxis versteht, kann sein täg-liches Tun und Handeln jederzeit begründen. Dieser Band liefert dazu fundiertes Basiswissen.

Dem Thieme Verlag und hier in erster Linie Rosi Haarer-Becker gilt unser Dank für sachkundige, zielstrebige und kollegiale Zusammenarbeit bei Planung und Herstellung auch dieses Lehrbuchs.

Antje Hüter-Becker, Mechthild Dölken

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Anschriften

Herausgeberinnen:Antje Hüter-BeckerHollmuthstraße 2069151 Neckargemünd

Mechthild Dölken Dipl. PT (FH)Schule für PhysiotherapieKäfertaler Straße 16268167 Mannheim

Autoren:Dipl. Ing. Dieter KleinUniversitätsklinikum MünsterInstitut für Experimentelle Muskuloskelettale MedizinFunktionsbereich BewegungsanalytikDomagkstr. 348149 Münster

Dr. sc. med. Wolfgang LaubeLandeskrankenhaus RankweilAbteilung PMRValdunastraße 166830 RankweilÖSTERREICH

Jochen SchomacherPhysiotherapeut, M.Sc. (Phys.)Florastrasse 58700 Küsnacht ZHSCHWEIZ

Britta VoelkerDipl. Biol. (univ.)/PhysiotherapeutinEURAK Direktorin Ausbildungszentrum f. PhysiotherapieStudiengangsleitung MSc Orthopädische PhysiotherapieUMIT Private Universität f. Gesundheitswissen-schaften, Medizinische Informatik und TechnikEduard Wallnöfer Zentrum 16060 Hall in TirolÖSTERREICH

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Inhaltsverzeichnis

1 Biomechanik und Bewegungslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1 Biomechanik früher und heute . . . . . . . 3Britta Voelker

1.1.1 Entwicklung der Biomechanik . . . . . . . . . 31.1.2 Überblick über Anwendungs bereiche

der Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Physikalische, mechanische und

mathematische Grundlagen . . . . . . . . . . 7Dieter Klein

1.2.1 Kinematik – Kinetik – Statik – Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2.2 Größen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.2.3 Messen – Darstellen – Berechnen . . . . . . 91.3 Mechanik fester Körper . . . . . . . . . . . . . . 141.3.1 Kinematik, die Lehre von den

Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.2 Dynamik, die Lehre von den wirkenden

Kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.4 Mechanik der Flüssigkeiten und

Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351.4.1 Eigenschaften ruhender Flüssigkeiten

(Hydrostatik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351.4.2 Eigenschaften ruhender Gase

(Aerostatik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.4.3 Eigenschaften sich bewegender

Flüssigkeiten und Gase (Hydrodynamik, Aerodynamik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

1.5 Mechanisches Gleichgewicht . . . . . . . . . 431.5.1 Schwerpunkt, Schwerelinie und Unter-

stützungsfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431.5.2 Gleichgewichtsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451.6 Kinematik der Gelenke des

menschlichen Körpers . . . . . . . . . . . . . . . 461.6.1 Freiheitsgrade/Bewegungsumfang . . . . . 461.6.2 Gelenk ist nicht gleich Drehachse . . . . . . 471.7 Statische und dynamische

Bestimmung der Gelenkkraft . . . . . . . . . 491.7.1 Kriterien zur Bestimmung von Gelenk-

kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491.7.2 Messung der Muskelaktivität . . . . . . . . . . 501.7.3 Kriterien zur Bestimmung der Muskel-

kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511.8 Biomechanische Betrachtung

exem plarisch ausgewählter Gelenke . . 511.8.1 Hüftgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521.8.2 Kniegelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551.9 Biomechanische Untersuchungs-

methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561.9.1 Winkelmessung an Gelenken . . . . . . . . . . 561.9.2 Kraftmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561.9.3 Messung der Fuß-Boden- Reaktions-

kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571.9.4 Positionsbestimmung von markierten

Körperpunkten in Bewegung . . . . . . . . . . 58

2 Biomechanik der Körperstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67Jochen Schomacher

2.1 Gewebe und Kräfte, die auf sie einwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

2.2 Biomechanik des Bindegewebes . . . . . . 692.2.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702.2.2 Reaktion des Bindegewebes bei lang

dauernder Überbelastung . . . . . . . . . . . . . 742.2.3 Reaktion des Bindegewebes bei schnell

verlaufender Überbelastung (Wundheilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

2.2.4 Reaktion des Bindegewebes bei Unterbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

2.2.5 Dehnung von Bindegewebe . . . . . . . . . . . . 792.3 Biomechanik des Knochens . . . . . . . . . . 812.3.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

2.3.2 Reaktionen des Knochens auf Belastung bzw. Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

2.3.3 Reaktionen des Knochens auf Über - belastung: Fraktur und Frakturheilung . . 83

2.3.4 Reaktionen des Knochens auf Unter-belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

2.3.5 Der Knochen als Hebel . . . . . . . . . . . . . . . . 852.4 Biomechanik der Bandscheibe . . . . . . . . 852.4.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852.4.2 Reaktionen der Bandscheibe

auf Überbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872.4.3 Reaktionen der Bandscheibe bei Unter-

belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892.4.4 Belastung an der Wirbelsäule . . . . . . . . . . 89

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VI Inhaltsverzeichnis

2.4.5 Die Gleitkräfte der Bandscheibe beim Stehen und Sitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

2.5 Biomechanik des Knorpels . . . . . . . . . . . 942.5.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942.5.2 Mechanische Eigenschaften

des hyalinen Gelenkknorpels . . . . . . . . . . 952.5.3 Reaktion des hyalinen Gelenkknorpels

auf Überbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 962.5.4 Reaktion des hyalinen Gelenkknorpels

auf Unterbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972.5.5 Arthrose-Entstehung am Beispiel der

Koxarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982.5.6 Entlastungsmechanismen des Patienten

mit Koxarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992.5.7 Beispiele zu Gelenkkräften im Hüft-

gelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012.5.8 Einfluss des Antetorsionswinkels

auf die Überdachung des Caput femoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

2.6 Biomechanik des Muskelgewebes . . . . 1032.6.1 Aufbau des quer gestreiften Skelett-

muskels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1032.6.2 Reaktionen des Muskels auf Über-

belastung – Heilung von Muskel- läsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

2.6.3 Reaktionen des Muskels auf Unter- belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

2.6.4 Muskeldehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1072.6.5 Wirkung der Muskelkraft auf die

passiven Strukturen des Bewegungs- systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

2.7 Biomechanik des Nervensystems . . . . . 1122.7.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1122.7.2 Reaktionen des Nervensystems auf

mechanische Überbelastung . . . . . . . . . . . 1142.7.3 Reaktion des Nervensystems auf

mechanische Unterbelastung . . . . . . . . . . 1182.8 Biomechanik des kardiopulmonalen

Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

3 Physiologie, Leistungsphysiologie, Pathophysiologie . . . . . . . . . . . 129Wolfgang Laube

3.1 Biologische Grundlagen – Reaktions- und Aktionsfähigkeit lebender -Organismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

3.1.1 Ruhemembranpotenzial (RMP) . . . . . . . . 1313.1.2 Aktionspotenzial (AP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333.1.3 Leitung der Aktionspotenziale . . . . . . . . . 1353.1.4 Die chemische Synapse . . . . . . . . . . . . . . . . 1373.1.5 Bahnung und Hemmung . . . . . . . . . . . . . . 1413.2 Sensomotorisches System (SMS) – -

Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

3.2.1 Grundelemente und Funktions- weisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

3.2.2 Was ist das sensomotorische System? . . 1453.2.3 Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1453.2.4 Aufsteigende sensorische Leitungs-

bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1533.2.5 Leistungen der verschiedenen Ebenen

des sensomotorischen Systems . . . . . . . . 1573.2.6 Absteigende motorische Leitungs-

bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1673.2.7 Motorische Vorderhornzellen

(α- und γ-Motoneurone), motorische Einheiten (ME) und Kraftabstufung (Rekrutierungsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . 169

3.2.8 Skelettmuskel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1873.2.9 Grundprinzip der Bewegungs-

programmierung und Bewegungs- regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

3.2.10 Muskeltonus – biophysikalische und neurophysiologische Zustands- größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

3.3 Logistiksysteme des sensomoto- rischen Systems: die funktionelle Kette der Sauerstoffaufnahme . . . . . . . . 210

3.3.1 Biologische Grundlagen der Sauerstoff-aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

3.3.2 Sauerstoffaufnahme der Lunge . . . . . . . . . 2103.3.3 Herz-Kreislauf-System und

Atemgastransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2173.3.4 Sauerstoffaufnahme des Blutes . . . . . . . . . 2283.3.5 Energiestoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2313.3.6 Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 2363.3.7 Wasser- und Elektrolythaushalt . . . . . . . . 2383.3.8 Temperaturregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . 2393.3.9 Neurovegetatives und hormonelles

Regulationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2423.4 Leistungsphysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 2473.4.1 Leistungsfähigkeit und Adaptationen

des sensomotorischen Systems und der Logistiksysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247Wolfgang Laube

3.4.2 Zyklus Belastung–Beanspruchung– Ermüdung–Erholung–Adaptation . . . . . . 249

3.4.2 Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2593.4.3 Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2673.4.4 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

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1Inhaltsverzeichnis VII

3.5 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2903.5.1 Funktion des sensomotorischen

Systems nach Verletzungen und degenerativen Erkrankungen . . . . . . . . . . 290

3.5.2 Aspekte der Inaktivität und Immobilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

4 Trainingslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309Wolfgang Laube

4.1 Training als Behandlungskonzept . . . . 3094.2 Sensomotorische Hauptbean-

spruchungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3094.2.1 Definitionen der sensomotorischen

Hauptbeanspruchungsformen . . . . . . . . . 3104.3 Training: Definition, Begriffe,

Zielstellung und Merkmale . . . . . . . . . . . 312

4.4 Grundsätze oder Prinzipien des Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

4.5 Training der sensomotorischen Beanspruchungsformen . . . . . . . . . . . . . 316

4.5.1 Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3164.5.2 Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3184.5.3 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

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Die Kinematik lehrt uns die räumlichen und zeitlichen Dimensionen der Bewegung. Die Kinetik lehrt uns Kräfte als Ursache für Bewegung zu verstehen.

Unterbelastete Muskeln atrophieren. Der Gleitwiderstand der Filamente untereinander nimmt zu

Bandscheiben bremsen Scher- und Gleitkräfte und schützen so das Wirbelsäulensegment!

Belastungen auf Strukturen zu kennen, ermöglicht dosierte Beanspruchungen

1 Biomechanik und Bewegungslehre

1.1 Biomechanik früher und heute · 3

1.2 Physikalische, mechanische und mathematische Grundlagen · 7

1.3 Mechanik fester Körper · 14

1.4 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase · 35

1.5 Mechanisches Gleichgewicht · 43

1.6 Kinematik der Gelenke des menschlichen Körpers · 46

1.7 Statische und dynamische Bestimmung der Gelenkkraft · 49

1.8 Biomechanische Betrachtung exemplarisch ausgewählter Gelenke · 51

1.9 Biomechanische Untersuchungs­methoden · 56

Dehnen bindegewebiger Strukturen:•  langsam• stufenweise•  Halten am 

Bewegungsende

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1 Biomechanik und Bewegungslehre

1.1 Biomechanik früher und heute

Britta Voelker

1.1.1 Entwicklung der Biomechanik

„Jedes Bewegte wird durch ein anderes bewegt.“ Das schrieb Aristoteles schon in seinem Buch VIII der Physik.

Die Biomechanik betrachtet die Bewegung von lebenden Systemen und ihren Strukturen. Dies ge-schieht einerseits unter mechanischen Gesichtspunk-ten. Andererseits müssen aber auch sensomotorische Regelkreisläufe berücksichtigt werden. Die European Society of Biomechanics (ESB) definiert Biomechanik unter Einbeziehung ihrer Auswir kungen auf Diagno-se und Therapie als „The study of forces acting on and generated within a body and of the effects of these forces on the tissues, fluids or materials used for diagnosis, treatment or research purposes“. (http://www.esbiomech.org/Section/founding-and-goals 20.02.2011 13:59h) Die Auseinandersetzung mit Be-wegung erfordert zunächst die Kenntnis der Grund-gesetze der klassischen Mechanik.

Wegbereiter der Biomechanik

Schon Aristoteles (384–322 v. Chr.) beschäftigte sich mit den Bedingungen beim Zustandekommen von Bewegung der unbelebten und belebten Körper. Seine Lehre versuchte, über das Verständnis der tierischen Bewegungsabfolge Bewegung zu ver-stehen. (On the Motion of Animals oder De Motu Animalium ebooks@adelaide 2007 The University of Adelaide Library) Daraus entwickelte er sein Ver-ständnis von Bewegung als „Prozess der Verände-rung von Materie zu einer Form“ (Buch der Physik, Metaphysik).

Unerlässlich war für ihn dazu die Klärung des Verhältnisses zwischen den Begriffen Ort und Zeit. Es interessierte ihn z. B. die äußere Form eines Kör-pers und ihr Einfluss auf die Bewegung sowie die Intensität und Wirkweise der Bewegungsursache. Auch die zu durchlaufende Strecke und der Wider-stand, den ein mehr oder weniger dichtes Medium der Bewegung entgegensetzt, waren Gegenstand seiner Betrachtung. Schließlich beschäftigte ihn die Geschwindigkeit bzw. Geschwindigkeitsänderung

(Beschleunigung) und mit dieser die für eine Bewe-gung benötigte Zeit.

Es wären in der Zeit der Antike noch viele Weg-bereiter der Biomechanik zu nennen, so z. B. Archi-medes (um 280 v. Chr.) und sein „Archimedisches Prinzip“ oder Galen (131–201 n. Chr.) als Begründer der Myologie (Muskellehre).

Leonardo da Vinci (1452–1519), als Zeitvertreter der Renaissance, wandte Regeln der Mechanik auf die Bewegungen des menschlichen Körpers, auf die Vorgänge beim Gehen, Laufen und Schwimmen so-wie auf die Untersuchung seines Schwerpunktes an. Er versuchte mit Hilfe der Anatomie Bewegungen systematisch zu erfassen. In seinen Bildern spiegelt sich die Aktivität und das Funktionieren der Organe, Knochen und Nerven wieder. Sein funktionales und wissenschaftliches Interesse, das komplexe Bild des Lebens zu erfassen, führte über die Darstellung der „Maschine“ menschlicher Körper zur Erfindung von künstlichen Automaten und Maschinen im physika-lischen und mechanischen Bereich. In unzähligen Experimenten mit Rollen, Hebeln, Spiegeln und Wasser untersuchte er die vier Kräfte der Natur, die er als Bewegung, Gewicht, Kraft und Impuls verstand.

Galileo Galilei (1564–1642), Wegbereiter für die „wissenschaftliche Revolution“, formulierte die Fall-gesetze und beschäftigte sich unter anderem mit der Bewegung der Tiere („De Animaliam Motibus“) sowie mit der Biomechanik des menschlichen Sprunges.

Auch Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679) be-nutzte die Erkenntnisse der Mechanik zur Erklärung der Bewegungsvorgänge der Lebewesen. In seinen mechanistischen Interpretationen von Lebensvor-gängen wies er nach, dass in lebenden Körpern die-selben Naturgesetze gelten wie in der unbelebten Natur („De motu animalium“, biologisches Haupt-werk). Er untersuchte u. a. die Hebelwirkungen der Muskeln beim Gehen, Fliegen und Schwimmen und die Situation des Schwerpunktes (Abb. 1.1). Er galt als sogenannter „Iatromathematiker“ bzw. „-physi-ker“.

Der Begründer der klassischen Mechanik, Isaac New ton (1643–1727), schließlich verwendete die grundlegenden Begriffe, um Bewegungen in ihren

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1 4 1 Biomechanik und Bewegungslehre

Eigenschaften zu beschreiben. Er formulierte die nach ihm benannten drei klassischen Gesetze der Mechanik: das Trägheitsgesetz; das Grundgesetz der Mechanik; das Reaktionsgesetz (siehe folgende Kapitel).

Während Aristoteles noch hinter jedem Gesche-hen ein „göttliches Prinzip“ sah, begann spätestens mit Newton die moderne Naturwissenschaft mit ihren allgemeingültigen Naturgesetzen.

Auf den Newton Gesetzen basiert auch die heutige Bio-mechanik.

Hermann von Helmholtz (1821–1894), Professor für Physiologie, Pathologie, Anatomie und Physik, kann durch seine Arbeiten „Das Gesetz von der Erhaltung der Energie“ und „Wahrnehmung von Tönen“ als der „Vater der Biomedizinischen Technik“ angese-hen werden.

Auch wurden im 19. Jahrhundert schon kinema-tographische bzw. dynamographische Verfahren entwickelt. Die bekanntesten Vertreter waren Ead-weard Muybridge (1830–1904), mit Analysen der Laufbewegung von Kindern oder Serienfotografien zur Laufbewegung des Pferdes, sowie Etienne Jules Marey (1830–1904). Marey beschäftigte sich mit Messsystemen für den kardiovaskulären Kreislauf und für das respiratorische System, mit der Muskel-

kontraktion wie auch mit den Einflüssen von Hitze, Kälte, Anämie und Müdigkeit. Er entwickelte auf pneumatischer Basis beruhende Kraftaufnehmer.

Nach dem 2. Weltkrieg zeichnet sich vor allen Dingen in den USA eine fast explosionsartige Ent-wicklung der Biomechanik ab. Sogar staatliche Ins-titutionen wie z. B. die NASA gründeten „divisions of biomechanics“.

In den 60er Jahren wurden Bewegungsabläufe von Körpern unter dem Einfluss der Kybernetik untersucht. Dieser Wissenschaftsbereich erkannte, dass lebende Wesen geregelte Systeme darstellen. Ingenieuren und Biowissenschaftlern war es mit den Vorgaben der Regelungstechnik möglich, bio-logische Systeme zu beschreiben und die für ihren Ablauf notwendigen Faktoren gezielt zu suchen und zu beeinflussen. So beschäftigten sich zunächst vor allem Sportwissenschaftler und Ergonomen mit der Optimierung von Bewegungsabläufen.

Später rückte eine zunehmend orthopädisch-chirurgische Sichtweise der Biomechanik in den Vordergrund. Die Weiterentwicklung messtech-nischer Verfahren beschleunigte diese Entwick-lung. Seither verhelfen elektronische Messsysteme und Datenverarbeitung zu exakteren Analysen von Bewegung. Dreidimensionale Bewegungsanalysen wurden in ihrer Genauigkeit verbessert. Messungen von Zug- und Druckkräften im menschlichen Or-

Abb. 1.1 Bereits im 17. Jahrhundert untersuchte Borelli die Mechanik des menschlichen Körpers (aus Robin, The scientific image. Freeman u. Company Publisher New York 1992).

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11.1 Biomechanik früher und heute 5

ganismus sind heute möglich. Standen vor einigen Jahren noch weitgehend physikalisch-technische Überlegungen im Vordergrund, klären mittlerweile klinische Untersuchungen durch Rekonstruktion lebensnaher Situationen (Modellbildungen) in ver-schiedensten Anwendungsbereichen die Aufgaben und Funktionen einzelner Körperstrukturen im Ge-samtspiel der menschlichen Bewegung.

Die Biomechanik ist heute aus dem Sport nicht mehr wegzudenken; weitere Schwerpunkte liegen heute in den Bereichen der Rehabilitation, Ergonomie und Ortho-pädie. Damit ist die Biomechanik auch für die Physio-therapie unentbehrlich.

Das biomechanische Forschungsinteresse erstreckt sich zur Zeit besonders auf spezielle Fragestellun-gen wie Körperhaltung und Gang, Bewegungsspiel der Wirbelsäule, Konstruktion des Fußskeletts und Fußbekleidung, Mechanik des Herzens, mecha-nische Bedingungen aller Körperstrukturen, Kie-fergelenk, Biorheologie (das Verhalten fließender Stoffe im Organismus), Zellmechanik (Einwirkung von den Kräften und den daraus resultierenden Ver-änderungen auf die Zelle und den Zellverband) etc.

Die Biomechanik im heutigen Sinn ist eine Wissen-schaft, die dazu beiträgt, die Mechanismen der Be-wegungskontrolle lebender Organismen zu untersu-chen. Mit ihrer Hilfe wird versucht, die strukturellen Geheimnisse „funktioneller Einheiten“ aufzudecken und Erkenntnisse für die Funktionsmechanismen des Körpers zu erschließen (Braune u. Fischer 1898)

(Abb. 1.2a–b). Störungen im Bewegungsverhalten werden erkannt und Grenzen der Belastungsfähig-keit bestimmt. Dadurch können Verletzungsmecha-nismen und Heilungschancen erfasst werden. Die heutige Biomechanik verbindet Disziplinen der Ingenieurwissenschaften mit der Medizin und den Naturwissenschaften.

1.1.2 Überblick über Anwendungs­bereiche der Biomechanik

Mit Hilfe der Biomechanik wird die Bewegung des menschlichen Körpers unter dem Aspekt zunächst der Schwerkraft, dann aller anderen auf ihn und in ihm wirkenden Kräfte betrachtet. Da der Mensch im Schwerefeld der Erde lebt, ist sein Körper einer ständigen Einwirkung der Schwerkraft auf jeden seiner Körperteile ausgesetzt. Die Erkenntnisse der Biomechanik finden in den folgenden Fachgebieten ihre Anwendung.

Funktionelle Anatomie

Es werden das Skelettsystem, die Gelenke und Muskeln als Voraussetzung der Bewegungen des menschlichen Körpers bezüglich ihrer Struktur und Funktion untersucht. Das Ziel ist, Bewegungs-abläufe in ihren mechanischen und ökonomischen Zusammenhängen zu verstehen, sowie Kondition und Technik von Bewegung zu klären.

ba

Abb. 1.2a–b Auch militärische Haltungen und Tätigkeiten wurden früh biomechanisch untersucht (aus Braune, Fischer. Über den Schwerpunkt des menschlichen Körpers, Leipzig 1898).

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1 6 1 Biomechanik und Bewegungslehre

Rehabilitation und Prävention

In der Rehabilitation werden Bewegungsfunktionen wiederhergestellt. Das beinhaltet, den Zustand der Gewebe und Funktionen zu verbessern und öko-nomische Bewegungsmuster unter den gegebenen Bedingungen wieder zu erlernen und/oder ein-zuüben. Ziel ist es, langfristig beschwerdefreie und beschwerdearme Formen anzuwenden. Kenntnisse der Neurophysiologie unterstützen diese Vorgänge.

Ziel der Prävention ist es, mögliche Ursachen für die Beeinträchtigung von Bewegungsfunktio-nen rechtzeitig zu erkennen und den Organismus durch Training zu befähigen, Einschränkungen zu ver meiden, zu verzögern oder in ihrer Wirkung zu mildern.

Ergonomie

In der Ergonomie wird das Zusammenwirken der mechanischen Bedingungen der Arbeitsumge-bung mit den mechanischen und bewegungskon-trollierenden Voraussetzungen des menschlichen Bewegungssystems untersucht. Ziel ist es, unöko-nomische Belastungen weitgehend zu vermeiden und stattdessen Arbeitshaltungen und Bewegungen zu erlernen und auszuführen, die dem Organismus auch über eine lange Zeit (tägliche Arbeitszeit, Le-bensarbeitszeit) nicht schaden.

Medizin und Physiotherapie

Immer unter der Voraussetzung betrachtet, dass die menschliche Bewegung zwar nach mechanischen Prinzipien funktioniert, der Mensch jedoch keine Maschine ist, steht die Vermeidung ungünstiger Krafteinwirkung auf den menschlichen Organismus im Vordergrund. Bewegung im Hinblick auf Leis-tungsmöglichkeit und Belastung des Bewegungs-systems zu beurteilen, unterstützt unter anderem die Analyse der Bewegungshaltung nach ergono-mischen Prinzipien.

Beispiel Ganganalyse: Eine auch für die Physio-therapie gängige Bewertungsmethode der mensch-lichen Bewegung ist die Beurteilung des Gehens. Der aufrechte Gang als artspezifische Fortbewegung des Menschen wird in der Biomechanik in Form der Ganganalyse praktisch untersucht. Pathologisches Gehverhalten wird gesundem gegenübergestellt bzw. individuelle Veränderungen verglichen. Der Gang wird nach kinematischen Parametern (die Betrachtung der Teilgeschwindigkeiten und Be-schleunigungen des Gangs), nach kinetischen Pa-rametern (Kraftverlauf, Momentenverlauf in den

einzelnen Gelenken, Kraftübertragung zwischen den Körperteilen) und nach Bewegungsausmaßen in den Gelenken beurteilt. So wird die Lokalisation von Abweichungen beim Gehen und deren Aus-maß deutlich. Das Verständnis für den generellen Mechanismus des Gehens soll das Erkennen patho-logischer Muster, mögliche Maßnahmen zu ihrer Verbesserung oder zumindest Vermeidung weiterer Schäden unterstützen. Für diese Analysen haben sich Wissenschaftler auch früher bereits interes-siert, wie zeigt Abb. 1.3 zeigt.

Genereller Nutzen der Biomechanik für die Physiotherapie

Auswirkungen physiotherapeutischer Behandlung auf das Bewegungssystem und das Bewegungsver-halten bzw. die Gelenkbeweglichkeit und damit z. B. auf den Gangablauf können nachvollzogen und ge-messen werden. Dies sollte die Auswahl bestimmter Techniken und Methoden der Physiotherapie beein-flussen.

Abb. 1.3 Frühe Ganganalyse: Modell zur Bestimmung der Position des Körperschwerpunkts nach Fischer 1899 (aus Willimczik, Biomechanik der Sportarten, Rowohlt 1989).

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11.2 Physikalische, mechanische und mathematische Grundlagen 7

Kenntnisse aus der Biomechanik verbessern das Verstehen des Bewegungsgeschehens, die Beurtei-lung von Bau und Funktion des Bewegungssystems und einzelner Strukturen. Die Biomechanik ermög-licht in der klinischen Forschung Erkenntnisse über Aufgabe und Funktion einzelner Strukturen. Bei Untersuchungen über das hintere Kreuzband (Race, Amis 1996) stellte sich z. B. eine sehr unterschied-liche Aufgabenverteilung dieser zweibündeligen Struktur über den gesamten Flexionsbewegungs-weg heraus. Daraus leitet man die Erkenntnis ab, dass bei einer hinteren Kreuzbandruptur eine voll-ständige Rekonstruktion nicht zwingend notwendig ist, um die Gelenkstabilität zu erhalten.

Messungen und graphische Darstellungen sowie die Modellierung von Strukturen erweitern die Fä-higkeit zur Einschätzung realer Situationen. Auf diese Weise erhält man beispielsweise Antworten auf Fragen in der orthopädischen Chirurgie:

█ Welche Strukturen müssen wiederhergestellt werden?

█ Wie kann bei Verletzungen eine sinnvolle und notwendige Rekonstruktion der jeweiligen Struk-tur für die individuelle Belastung erfolgen?

Die Beschäftigung mit der Biomechanik fördert das Verständnis der Physiotherapeuten für die mechani-schen Zusammenhänge des menschlichen Bewegungs-systems.

Neben den Grundlagen für eine systematisch auf-gebaute Behandlung erhalten Physiotherapeuten damit auch mehr Kompetenz, adäquate Hilfe für ihre Patienten zu finden und sie zu „funktionelle-rem“ Bewegungsverhalten zurückzuführen. Dabei wird gleichzeitig die Wahrnehmung des Physio-therapeuten für Bewegungsabläufe geschult. Dies wiederum verbessert die Behandlungsmethoden, besonders im Hinblick auf Aktivität und Koordina-tion der Muskulatur bei der Belastung des Bewe-gungssystems.

Für die Medizin ist die Biomechanik eine not-wendige Grundlage für effektivere Evaluation und Verbesserung des theoretischen Verständnisses so-wie der praktischen Umsetzung von Behandlungs-methoden in der Physiotherapie. Die Biomechanik unterstützt so den immer mehr geforderten Nach-weis der Evidenz in der medizinischen Praxis.

1.2 Physikalische, mechanische und mathematische Grundlagen

Dieter Klein

1.2.1 Kinematik – Kinetik – Statik – Dynamik

Die Mechanik befasst sich mit Bewegungen von Körpern. Kein Gegenstand bewegt sich ohne eine Veranlassung.

Die Ursache von Bewegungen sind Kräfte. Sie können eine Bewegung hervorrufen, verändern oder sogar ver-hindern.

Auch die Bewegungen des menschlichen Körpers sind sichtbare Wirkungen von Kräften und unterlie-gen daher mechanischen Gesetzmäßigkeiten.

Jeder Körper besitzt eine Masse. Diese verleiht ihm gewisse physikalische Grundeigenschaften wie Gewicht und Trägheit. Je nach ihrer Zusammenset-zung beeinflusst die Masse auch die äußere Form dieses Körpers, bestimmt seine Verformbarkeit und sein Verhalten gegenüber äußeren Einflüssen wie Temperatur und Druck.

Teilgebiete der Mechanik

Die Lehre der Mechanik kennt zwei Teilgebiete (Abb. 1.4):

█ Kinematik ist die Lehre von den Bewegungen, ohne Berücksichtigung von Masse und Kraft. Sie beschreibt nur die räumliche Bewegung in Ab-hängigkeit von der Zeit. Sie fragt nur nach dem Wie und nicht nach dem Warum sich ein Körper bewegt.

Mechanik

Kinematik Kinetik

Statik Dynamik

Abb. 1.4 Teilgebiete der Mechanik.

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1 8 1 Biomechanik und Bewegungslehre

█ Kinetik ist die Lehre vom Zusammenhang zwi-schen Kraft und Bewegung. Die Kinetik unter-sucht die Wirkungen der Kraft als Ursache einer Bewegung oder des Gleichgewichts. Daher erfolgt die Einteilung weiter in Statik und Dynamik:

– Statik untersucht die Bedingungen, unter de-nen die Kräfte miteinander im Gleichgewicht stehen und daher keine Bewegungsänderun-gen veranlassen.

– Dynamik untersucht die von Kräften hervor-gerufenen Bewegungen.

1.2.2 Größen und Einheiten

Um Bewegungen zu analysieren, müssen ihre Ab-läufe modellhaft vereinfacht betrachtet werden. Solche Vereinfachungen ergeben sich beispiels-weise durch das:

█ Idealisieren von Körpereigenschaften, █ Zerlegen von räumlich wirkenden Kräften in Ein-

zelkomponenten, █ Aufteilen von zusammengesetzten Bewegungen

in Einzelbewegungen oder █ Annehmen von Drehachsen (Scharniergelenk)

bzw. Drehpunkten (Kugelgelenk).

Bevor eine Analyse erfolgen kann, muss eine Be-wegung beobachtet werden. Soll sie wiederholt beobachtbar sein, muss sie aufgezeichnet werden. Dazu gibt es verschiedene mechanische, optische und elektronische Verfahren (siehe auch Kap. 1.8 Biomechanische Untersuchungsmethoden). So lässt sie sich detailliert beschreiben.

Bewegungen sind Ortsveränderungen, deshalb basiert das Registrieren von Bewegungen auf der Messung von zurückgelegten Wegstrecken (Längen). Werden die Abstände auf einen festen Ausgangs-punkt (z. B. einen Nullpunkt) bezogen, so repräsen-tieren Strecken und Winkel die Lage jedes gemesse-nen Körperpunktes in einem definierten Raum.

Längen und Winkel werden dabei als Grund- oder Basisgrößen bezeichnet, ebenso wie die Zeit, die ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Beschreibung von Bewegungen ist.

Basisgrößen und abgeleitete Größen

Grundgrößen werden auch Basisgrößen genannt und sind im Internationalen Einheitensystem (SI-System) festgelegt. Aus ihnen lassen sich alle üb-rigen Größen ableiten. Jede dieser Größen besitzt eine für sie typische Einheit (Dimension).

Ist die Länge einer Strecke und die zur Bewäl-

tigung der Strecke benötigte Zeit bekannt, kann daraus die Geschwindigkeit der Bewegung be-rechnet werden. Die Geschwindigkeit – als in einer bestimmten Zeitspanne zurückgelegte Wegstrecke definiert – ist also eine abgeleitete Größe.

Basisgrößen und -einheiten der Mechanik sind in Tab. 1.1, abgeleitete Größen und Einheiten in Tab. 1.2 dargestellt. Die Einheiten lassen oft die Definitionsgleichung erkennen.

Beispiele: █ Die Angabe m3 (Kubikmeter) lässt vermuten, dass

es sich um die Multiplikation von drei Strecken handelt.

█ Der Ausdruck m/s steht für die Division einer Strecke durch eine Zeitspanne.

In verschiedenen Publikationen können unter-schiedliche Buchstaben in den Formeln benutzt werden, wie z. B. für die Berechnung des Volumens mit den Längenangaben:

V = l × b × h [m × m × m]

Eine eindeutige Zuordnung der Formelzeichen ist daher notwendig:

l = Länge [m],

Tab. 1.1 Basisgrößen und Basiseinheiten

Basisgröße Basiseinheit

Länge Meter [m]

Zeit Sekunde [s]

Masse Kilogramm [kg]

Temperatur Kelvin (Grad) [K]

elektrischer Strom Ampère [A]

Stoffmenge Mol [mol]

Lichtstärke Candela [cd]

Tab. 1.2 Abgeleitete Größen und Einheiten

Größe Formel Einheit

Geschwindigkeit v = s/t [m/s]

Fläche A = s1 · s2 [m2]

Volumen V = s1 · s2 · s3 [m3]

Dichte ρ = m/V [kg/m3]

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11.2 Physikalische, mechanische und mathematische Grundlagen 9

b = Breite [m],h = Höhe [m],V = Volumen [m3].

Um Verwechslungen zwischen Formelzeichen und Einheiten zu vermeiden, werden die Einheiten in eckige Klammern gesetzt und während des Ab-leitens einer Größe mitgeführt. Dies ermöglicht eine gewisse Kontrolle über die eingesetzten Grö-ßen. – Im Folgenden wird grundsätzlich so ver-fahren.

Häufig ist die Verwendung von Basiseinheiten nicht sehr übersichtlich, z. B. wenn große Ent-fernungen oder kleinste Durchmesser, lange Zeit-spannen oder – wie bei sportlichen Wettbewerben – kurze Zeitunterschiede angegeben werden sollen. Hier werden meist dezimale Vielfache oder dezimale Teile der Einheiten verwendet (Tab. 1.3).

Ausnahme: Bei der Zeitmessung werden Minu-ten, Stunden, Tage, Monate und Jahre benutzt, um den Sachverhalt verständlich zu machen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um dezimale Vielfache der Basiseinheit Sekunde.

Wert einer physikalischen Größe = Zahlenwert × Einheit.

Physikalische Größen können in verschiedenen Ein-heiten angegeben oder in diese umgerechnet wer-den, sie selbst aber bleiben dabei unverändert – sie sind invariant gegenüber dem Wechsel der Einheit.

Beispiele: █ Strecken können in m oder cm angegeben wer-

den; 1 m = 100 cm; █ Geschwindigkeiten: 50 km/h = 13,9 m/s.

1.2.3 Messen – Darstellen – Berechnen

Physikalische Größen lassen sich messen. Das ge-schieht durch Vergleichen mit bekannten, im SI-Sys-tem genau festgelegten Bezugsgrößen wie z. B. dem „Urmeter“, dem „Urkilogramm“ oder moderneren Definitionen der Längen über die Wellenlänge einer bestimmten Spektrallinie oder der Zeit über die Halbwertszeiten eines bestimmten Radionuklids (Abb. 1.5).

Messen heißt vergleichen.

Beim Messen wird die Messgröße mit ihrer Einheit verglichen. Die gemessenen Größen werden auch Messwerte genannt.

Um Messwerte zu veranschaulichen, werden folgende Darstellungsformen benutzt:

█ Tabellen oder grafische Darstellungen mit Linien oder Punkten,

█ XY-Diagramme, auf der Basis eines rechtwink-ligen (kartesischen) Koordinatensystems oder – wenn es sich um die Darstellung von Mengen oder Verteilungen handelt – z. B. Balken- oder Tortendiagramme.

Die Kurvenverläufe in den Diagrammen stellen auf einfache Weise die Verknüpfung zweier oder meh-rerer Größen dar, machen Zwischenwerte ablesbar und dienen zur Analyse von Gesetzmäßigkeiten oder Besonderheiten.

Beispiel aus der Elektrodiagnostik: Auch die in der medizinischen Diagnostik häufig benutzte IT-Kurve ist ein XY-Diagramm (Abb. 1.6). Sie stellt den Zu-sammenhang von erforderlicher Stromstärke (I) und Einwirkzeit (T) des Reizimpulses für die Aus-lösung einer Minimalzuckung dar. Aus solchen Kurvendarstellungen lassen sich relativ leicht wich-

Tab. 1.3 Dezimale Teile und dezimale Vielfache von Ein-heiten

nm Nano-Meter 10–9 Meter

μm Mikro-Meter 10–6 Meter

mm Milli-Meter 10–3 Meter

ms Milli-Sekunde 10–3 Sekunden

cm Zenti-Meter 10–2 Meter

dm Dezi-Meter 10–1 Meter

km Kilo-Meter 103 Meter

kg Kilo-Gramm 103 Gramm

MHz Mega-Hertz 106 Hertz

GHz Giga-Hertz 109 HertzAbb. 1.5 Messen heißt vergleichen mit bekannten Größen.