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Universität Bremen Biomedizinisches Labor / FB 11 Biopsychologisches Praktikum J.Berndt F.Ströver G.Tiesler Bremen 2003

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Universität Bremen Biomedizinisches Labor / FB 11

Biopsychologisches

Praktikum

J.Berndt F.Ströver G.Tiesler

Bremen 2003

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Universität Bremen Biomedizinisches Labor / FB 11

Biopsychologisches

Praktikum

J.Berndt F.Ströver G.Tiesler

Bremen 2003

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Biopsychologisches Praktikum I

Inhalt: 0. Praktikumshinweise 1. Anthropometrie 2. Elektrokardiogramm (EKG) 3. Lungenfunktion 4. Audiometrie 5. Elektromyogramm (EMG) 6. Sensumotorische Reaktionen (DTG) 7. Ergometrie 8. Blutdruckmessung 9. Elektrodermale Aktivität (EDA) 10. Testbatterie für Aufmerksamkeitsprüfungen (TAP)

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Biopsychologisches Praktikum II

Praktikumshinweise: Bei der Vorbereitung dieses Bandes stießen wir auf zwei ältereTexte, die sich mit Bau und Funktion des menschlichen Körpers, mit dessen Erkrankungen, vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen und Aspekten der allgemeinen und speziellen Hygiene befassen. Diese Texte spiegeln den medizinischen Kenntnisstand ihrer Entstehungszeit wider, lassen aber auch Rückschlüsse auf das zugrundeliegende Menschenbild zu. Wir haben uns deshalb entschlossen, Auszüge daraus den einzelnen Versuchsbeschreibungen voranzustellen. Leider war eines dieser Bücher nicht mehr vollständig erhalten, sodaß wichtige bibliographische Angaben (Titel, Autor, Verlag, Erscheinungsjahr) fehlen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Quellen: (1) Ein „Gesundheits-Handbuch“ ( der Titel ist nicht bekannt, s.o.) aus dem 19.Jahrhundert, zwischen

1871 und 1882 erschienen und bei Alexander Wiede in Leipzig gedruckt. Das Buch enthält 4 „Abtheilungen“: I. Das Buch vom gesunden Menschen.

Bau und Verrichtungen der menschlichen Organe:

II. Gesundheitslehre (Diätetik, Hygiene). Pflege des gesunden Körpers.

III. Das Buch vom kranken Menschen. Pflege des kranken Körpers.

IV. Das Buch von der Zeugung des Menschen und der übrigen Organismen.

Auf diese Quelle wird mit dem Titel „Gesundheits-Handbuch“ hingewiesen.

(2) Bergmann, Paul (Bearb.): Praktischer Hausschatz der Heilkunde. Nordhausen, Heinrich-Killinger-Verlag o.Aufl./o.J. (vermutlich zwischen 1920 und 1930 erschienen) Diese Quelle wird zitiert als „Hausschatz“.

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Biopsychologisches Praktikum III

Arbeitsbedingungen: Das Psychophysiologische Praktikum ist eine Lehrveranstaltung, die sich von anderen Veranstaltungen im Fachgebiet Biopsychologie durch die Zusammenarbeit in kleinen Gruppen und in mindestens drei weiteren Punkten unterscheidet: 1. sie verbindet die theoretische Auseinandersetzung mit Teilgebieten der Biopsychologie mit der

praktischen Anwendung physiologischer und psychophysiologischer Methoden;

2. sie beschäftigt sich in den ersten Wochen des Semesters mit inhaltlich und methodisch vorbereiteten Fragestellungen und Methoden „nach Programm“, in den letzten beiden Wochen mit von den Studierenden entworfenen Fragestellungen und mit Versuchen, solche Fragestellungen mit Hilfe biopsychologischer Methoden zu bearbeiten;

3. sie lebt deshalb stärker als andere Veranstaltungen von selbständigen Aktivitäten (theoretische Vorbereitung, praktische Durchführung und Auswertung der „vorgefertigten“ Versuche; Planung, Durchführung, Auswertung und Darstellung der „selbst erdachten“ Untersuchungen) und von der Teamfähigkeit (Kooperationsfähigkeit, Diskussionsfähigkeit, Pünktlichkeit, zuverlässige Anwesenheit) der Studierenden. Die „Lehrenden“ sollen in dieser Veranstaltung überwiegend unterstützende (anleitende, beratende) Funktion haben.

Das erwarten wir von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern:

• Anwesenheit und aktive Mitarbeit in allen Veranstaltungen;

• Im Rahmen des Programms der ersten Semesterhälfte theoretische Vorbereitung der einzelnen Versuchstage anhand des mitgelieferten Materials zur Veranstaltung, bei Bedarf auch anhand weiterer Grundlagenliteratur;

• praktische Beteiligung an den Untersuchungen dieser Phase;

• Fertigstellung von Versuchsprotokollen spätestens bis zum nächsten Veranstaltungs-termin;

• Beteiligung an der Planung, Durchführung und Auswertung der Untersuchungen in den letzten beiden Wochen des Semesters; Mitarbeit am Versuchsbericht;

• Darstellung der eigenen Untersuchung in einem abschließenden Plenum der Lehrveranstaltung;

Das dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den „Lehrenden“ erwarten:

• Anwesenheit während der Veranstaltungszeit;

• theoretische und praktische Anleitung und Beratung;

• Hilfestellung bei der Planung, Durchführung, Auswertung und Darstellung der eigenen Untersuchung;

• Hilfestellung bei der Literatursuche

Die „Lehrenden“ sind Jörg Berndt, Frauke Ströver und Gerhart Tiesler.

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Anthropometrie 1

Versuch Nr. 1

Anthropometrie

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Anthropometrie 1-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts Der menschliche Körper, im Ganzen wie in seinen einzelnen Theilen, zeigt hinsichtlich der Form, der Größe, des Umfanges, des Gewichtes und der Haltung große Verschiedenheiten, doch halten sich diese stets innerhalb bestimmter Grenzen: nach Race, Klima, Boden, Geschlecht, Lebensweise, Gebräuchen und nach manchen anderen individuellen Verhältnissen. - Immer spricht sich am Körper trotz seiner großen Verschiedenheiten eine schöne Symetrie zwischen den einzelnen Theilen, besonders zwischen der rechten und der linken Körperhälfte aus. Wohl nie stehen aber die verschiedenen Organe und Systeme des Körpers, sowie deren Thätigkeiten im vollkommensten Gleichgewichte mit einander, sondern stets überwiegt eines oder mehrere derselben die anderen. Dadurch erhält jeder Körper eine eigenthümliche Beschaffenheit und diese nennt man Constitution.

... Die Höhe, Länge oder Statur des menschlichen Körpers, welche stets nach Alter, Geschlecht, Race und s.f. verschieden ist, wird hauptsächlich durch die Höhe des Knochengerüstes bestimmt. Sie erreicht erst im 25., ja 30. Lebensjahre (nicht schon im 20., wie allgemein angenommen wird) ihr Maximum, und nimmt mit dem 50. Jahre wieder ab, auch ist sie am Abende, besonders nach schwerem Tagewerk, gewöhnlich etwas geringer (um 1-2'''), als am Morgen. -

... Der Umfang, die Breite und die Dicke des menschlichen Körpers, welche sich nach der mehr oder weniger guten Nahrung, nach der geistigen und körperlichen Beschäftigung, nach Temperament, Constitution, Race, Geschlecht, Alter und Familienanlage richtet, wird bedingt: durch die Entwicklung des Knochengerüstes, durch die Ausbildung der Muskulatur (bei athletischen, vollsaftigen, blutreichen Individuen) und durch Fettreichthum (wie bei Kindern, Weibern, im spätern Mannesalter). - Man bezeichnet nach seinem Umfange den Körper als dick- oder zartknochig, muskulös, fett, mager, gedunsen, geschwollen...

... Das Gewicht des Körpers, welches sehr bedeutenden Verschiedenheiten unterworfen ist (da es ja schon nach Tages- und Jahreszeiten merkliche Abweichungen zeigt), richtet sich besonders nach der Ausbildung der Knochen und Muskeln, und hängt deshalb vorzüglich von der Statur und dem Umfang des Körpers ab. Unmittel-bar vor der Reife hat Mann und Weib etwa die Hälfte des Gewichtes, welches sie bei vollkommener Entwicklung (wo sie ungefähr 20-mal so viel als bei der Geburt wiegen) erreichen...

... Aus: "Gesundheitsbuch"(s.S. II)

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Anthropometrie 1-2

Vorbemerkung Als Anthropometrie wird die äußerliche Vermessung menschlicher Körperdimensionen bezeichnet. Längen-, Durchmesser- und Umfangmaße des gesamten Körpers oder einzelner Abschnitte, das Körpergewicht, Winkelmaße u.s.w. werden mit Waagen, Statometern, Meßzirkeln und sog. Anthropometern (Vielfach-Instrumenten) bestimmt und dienen als Grundlage der Somatographie, der Beschreibung der äußeren Gestalt des Körpers. Die Anthropometrie spielt, von der Anwendung der Meßergebnisse her gesehen, in drei Bereichen eine Rolle:

• Wachstum und Entwicklung • Ergonomie • Ernährungswissenschaft

Im Bereich der Ergonomie spielen diese Körpermaße eine zentrale Rolle, so z.B. bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Bedienelementen, Werkzeugen, aber auch der Dimensionierung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie Sitzmöbel, Innendimensionen von Autos oder auch Bekleidung. Eine besondere Rolle spielt an dieser Stelle das Mobiliar in den Schulen, das den Schülerinnen und Schülern nicht altersgemäß sondern entsprechend ihrer Körperhöhe zugewiesen werden sollte, um möglichen Haltungsschäden während der Wachstumsphase vorzubeugen. Diese Einteilung z. B. ist bereits 1902 von Burgerstein vorgenommen worden. In der Ernährungswissenschaft werden in der Regel zwei Maße in Relation zueinander gesetzt, die Körperhöhe und das Gewicht, wobei keine weitere Differenzierung vorgenommen wird. So können gleich große Menschen durchaus sehr verschiedene Körpermassen haben, einerseits durch die Dimensionen des Knochenbaus bedingt, andererseits durch unterschiedliche Anteile von Muskel- bzw. Fettgewebsmasse. Diese Differenzierungen werden Hauptbestandteil bei der Diskussion der Untersuchungsergebnisse sein. Im allgemeinen erfordern physiologische oder medizinische Fragestellungen keine vollständige, sondern eine partielle Anthropometrie. Menschliche Körperfunktionen sind vor allem mit Körpergröße und -gewicht und mit der 'Body composition', der individuellen Zusammensetzung des Körpers, häufig eng korreliert. Physiologische Anthropometrie beschränkt sich deshalb in der Regel auf die Bestimmung dieser Maße. Jede Funktionsdiagnostik setzt voraus, daß Körpergröße (synonym: Körperhöhe oder Körperlänge), Körpergewicht und daneben Lebensalter und Geschlecht bekannt sind, wenn interindividuell vergleichbare Funktionswerte gewonnen werden sollen. Die Anthropometrie bildet deshalb einen unverzichtbaren Bestandteil physiologischer Untersuchungen. Bei jeder Erhebung von anthropometrischen Maßen ergibt sich die Frage nach Normal- bzw. Idealwerten und im Falle größerer Abweichung von diesen der Wunsch nach bestmöglicher Annäherung. Eine umfangreiche Darstellung der Geschichte der Übergewichtsdiskussion ist z.B. bei Klotter(1990) zu finden. Erwähnt sei an dieser Stelle lediglich die Bedeutung von Ernährungsverhalten, siehe dazu auch die Arbeiten von Westenhöfer und Pudel & Westenhöfer, sowie die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Gleichzeitig ist die Anthropometrie eine der Grundlagen der physiologischen Entwicklungsdiagnostik. Vor allem Längenwachstum und Gewichtsentwicklung geben als leicht zugängliche Parameter Hinweise auf die körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.Im Praktikumsversuch Anthropometrie werden folgende Größen direkt bestimmt:

• Geschlecht • Lebensalter • Körperhöhe • Körpergewicht • Body Mass Index (BMI) • Hautfettfaltendicke (HFD) • Körperfettanteil (KFA) • Körperwasser

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Anthropometrie 1-3

Literaturhinweise

Berndt, J.: Physiologische Grundlagen der Entwicklung. in: Wiecerkowski, W., und H. zur Oeveste: Lehrbuch der Entwicklungspsychologie. Düsseldorf, Schwann-Bagel 1982, Bd. 1, S. 137-195

Falkner, F. Tanner, J.M.: Human Growth Vol 1: Developmental Biology, Prenatal Growth Vol 2:

Postnatal Growth, Neurobiology Vol 3: Methodolgy; Ecological, Genetic, and Nutritional Effectson Growth New York, Plenum 21986

Biesalski, H.K. u.a. (Hrsg.): Ernährungsmedizin Stuttgart, Thieme 21999 Klotter, Ch.: Adipositas als wissenschaftliches Problem, Heidelberg, Roland Asanger Verlag 1990,

Reihe: Historische Psychologie, Hrsg. G. Jüttemann Logue, A.W.: Die Psychologie des Essens und Trinkens, Heidelberg, Spektrum 1995 Pudel, V., Westenhöfer, J.: Ernährungspsychologie. Göttingen, Hogrefe 21998

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Anthropometrie 1-4

Material, Geräte

Statometer mit Kopfanschlag Elektrische Personenwaage KFA-Meßgerät Hautfalten-Caliper Bandmaß Tasterzirkel

Methoden Geschlecht (S)

Unter Alltagsbedingungen beschränkt man sich auf Probanden- bzw. Elternangaben. Dies reicht auch im Rahmen des Praktikums aus. Bei medizinischen Untersuchungen - z.B. bei der Geschlechtsfeststellung während der Geburt - kommt die Inspektion der primären Geschlechtsmerkmale hinzu. In besonderen Fällen kann eine zytologische Geschlechtsdiagnose erforderlich werden; sie ist spezialisierten (in der Regel humangenetischen) Labors vorbehalten.

Alter (A)

Bei Kindern und Jugendlichen werden z.T. auf Tage, zumindest aber auf Monate genaue Altersangaben benötigt, weil die rasch verlaufende Entwicklung die Berücksichtigung auch kleiner Altersunterschiede notwendig macht. Bei Erwachsenen sind in der Regel auf 1 Jahr genaue Altersangaben ausreichend. Im vorliegenden Fall soll aus dem Geburtsdatum das gegenwärtige Alter in Jahren so ermittelt werden, dass der Wert für das gesamte Semester benutzt werden kann.

Körperhöhe (KH) Die Körperhöhe wird mit dem Statometer bestimmt. Vor jeder Messung soll ein frisches Papiertuch auf die Fußplatte gelegt werden. Standardisierungsvorschrift: Barfuß, geschlossene Fußstellung, die Augen fixieren die gegenüberliegende Wand in Kopfhöhe. Der Kopfanschlag wird so fest angedrückt, daß er auf dem Schädel aufliegt. Angabe in cm auf 0.1 cm genau.

Brustumfang (BU) Der Brustumfang wird mit dem Bandmaß direkt unter der Achsel gemessen, als Mittelwert zwischen den Zuständen maximaler Ein- und Ausatmung.

Körpergewicht (KG) Benutzt wird eine elektrische Personenwaage. Auch hier soll vor jeder Messung ein frisches Papiertuch auf die Fußplatte gelegt werden. Die Waage wird vor der Messung auf 0 justiert; die Ablesung erfolgt bei Skalenstillstand auf 0.1 kg genau. Standardisierungsvorschrift: Barfuß, männliche Probanden nur mit Schlüpfer oder Badehose oder Turnhose, weibliche Probandinnen zusätzlich mit Hemd.

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Anthropometrie 1-5

Für vereinfachte Messungen genügt die Wägung in Hausbekleidung, d.h. mit normaler Oberbekleidung, aber ohne Mantel, Überjacke und Schuhe. In diesem Fall wird für die Bekleidung 1.5 kg von dem gemessenen Gewicht abgezogen. (Die Idealform der Wägung des nackten Probanden ist nur sinnvoll, wenn gleichzeitig andere Standardbedingungen - Uhrzeit, vorausgegangene Mahlzeiten usw. - eingehalten werden).

Körperfettanteil (KFA) Zur Bestimmung des KFA werden auf dem KFA-Gerät das Geschlecht, die Körpergröße und der Bekleidungsabzug von 1.4 kg voreingestellt. Die Messung erfolgt mit nackten Füssen; stellen Sie sich mit beiden Füssen auf die Metallflächen der Meßplattform und bleiben sie einige Sekunden stehen, bis auf der Anzeige die vier Nullen gelöscht und durch die Anzeige für den Körperfettanteil ersetzt sind. Das Gerät druckt ein Meßprotokoll aus, das neben dem KFA (in %) auch das KG und den KFA sowie den Wassergehalt des Körpers (in kg) und den Body Mass Index (BMI) enthält. Die Meßplattform sollte nach jeder Messung mit einem mit Desinfektionsmittel angefeuchteten Tuch abgewischt werden.

Hautfaltendicke (HFD) Die Messungen werden mit dem Caliper (Meßzange) an vier standardisierten Körperstellen vorgenommen: am Rücken unterhalb des Schulterblattes ('subscapular'), auf der Rückseite des Oberarms ('Triceps'), auf der Vorderseite des Oberarms ('Biceps') und an der seitlichen Bauchwand oberhalb des Beckenkammes ('suprailiacal'). Alle Messungen erfolgen ohne zwischenliegende Kleidung auf der rechten Körperseite. Ist dies aus irgendeinem Grund nicht möglich (Narben, fehlender Arm o.ä.), so werden alle Messungen auf der linken Körperseite vorgenommen. Dies ist im Protokoll zu vermerken. Die Lage der Meßstellen und die Richtung der Hautfalten ist in den Abbildungen 1 bis 4 zu entnehmen. Zur Messung wird am Arm und an der seitlichen Bauchwand eine vertikale Hautfalte, am Rücken eine Hautfalte in Richtung des Rippenverlaufs, ohne unterliegende Muskulatur mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand fest gegriffen. Der Caliper wird ca 1 cm daneben angesetzt und abgelesen, wenn der Zeiger des Instrumentes praktisch zum Stillstand gekommen ist. Wandert der Zeiger kontinuierlich, soll nach 5 sec abgelesen werden (auf 0.1 mm genau). Es werden zunächst alle Meßstellen hintereinander durchgemessen. Anschließend wird die gesamte Meßreihe wiederholt. Weichen zwei Meßwerte für dieselbe Meßstelle um mehr als 0.5 mm voneinander ab, muß für diese Meßstelle eine dritte Messung vorgenommen werden. Endgültig verwendet wird der Mittelwert aus den beiden am besten übereinstimmenden Einzelwerten.

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Anthropometrie 1-6

Abb. 1-1: Meßstellen für die Hautfaltenmessung Hinweis Anthropometrische Messungen sind im Grunde nicht schwierig. Dennoch kann mangelnde Übung zu beträchtlichen Fehlern führen. Achten Sie deshalb darauf, daß jedes Mitglied Ihrer Gruppe Gelegenheit hat, jede Methode mindestens einmal selbst anzuwenden und seine Resultate mit anderen zu vergleichen.

Ergänzende Methode Ernährungsverhalten Im Gegensatz zu den bisher dargestellten statischen Meßwerten steht die Beobachtung eines Wertes über einen längeren Zeitraum, wobei die unabhängige Variable aber nicht die Zeit ist, sondern in diesem besonderen Verhalten die Nahrungszufuhr oder das Eßverhalten allgemein. Meist werden ausgeklügelte Diätkuren zur Reduzierung des Körpergewichtes eingesetzt, hier sollte aber zuerst eine Bestandsaufnahme des normalen Eßverhaltens stehen. Die einfachste Form hierfür ist das

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Anthropometrie 1-7

Protokollieren des eigenen Nahrungsmittelverbrauchs über einen Zeitabschnitt von z.B. einer Woche und die anschließende Analyse durch ein entsprechendes Auswerteprogramm nach manueller Übertragung. Für Interessierte besteht im Biomedizinischen Labor die Möglichkeit, sich anhand einer von der DGE entwickelten Strichliste zur Kontrolle des Eßverhaltens in einem einwöchigen Selbstversuch Klarheit über das eigene Ernährungsverhalten zu verschaffen. Die Auswertung der Strichliste erfolgt mit einem Rechnerprogramm, das als Ergebnis eine Bilanz des beobachteten Zeitraumes bezogen auf die Richtlinien der DGE liefert.

Auswertung Jeder Teilnehmer soll nach Beendigung der Messung über alle im entsprechenden Protokollvordruck vorgesehenen Daten verfügen. Zur Ermittlung Ihres Idealgewichts benutzen Sie bitte die Tab. 1-3 und 1-4. Geben Sie die absolute und die relative Abweichung Ihres Körpergewichts vom Idealgewicht mit Plus-Vorzeichen an, wenn das tatsächliche Gewicht das Idealgewicht überschreitet, und mit Minus-Vorzeichen, wenn Ihr Körpergewicht niedriger als das Idealgewicht liegt. Bei dieser Form der Idealgewichtsbestimmung wird ein mittlerer Körperumriß zugrunde gelegt, d.h. Unterschiede im Knochenbau, d.h. z.B. Breite des Beckens oder Breite der Schultern (in Tab.1-1 der Körperumriß), nicht aber spezif. Knochengewicht, bleiben unberücksichtigt. Auf Grund empirischer Untersuchungen ist für die Anwendung in einer Reha-Klinik eine Näherungsformel für das "individuelle Körpergewicht" entwickelt worden, in das neben der Körperhöhe auch der Körperumriß direkt einfließt.

Idealgewicht kpKörperhöhe cm Brustumfang cm

=×240

Der Brustumfang wird hierbei direkt unter den Achseln gemessen als Mittelwert aus maximal eingeatmetem und maximal ausgeatmetem Zustand. Die Zahl 240 ist dabei ein empirisch gefundener Wert. Die Gleichung gilt gleichermaßen für Frauen und Männer. Wer sich die Errechnung seines Idealgewichtes ersparen möchte, kann dieses auch aus dem nachfolgenden Nomogramm in Abb. 1-2 ermitteln, indem eine Gerade durch die Körperhöhe (KH) und den Brustumfang (BU) gezogen wird. Der Schnittpunkt mit der mittleren Geraden (KG) ergibt das Idealgewicht nach obiger Näherungsformel. Berechnen Sie auch hier die Abweichung des gemessenen Körpergewichtes, sowohl absolut in kg als auch relativ in %. Während Versicherungsgesellschaften über Lebenserwartung bzw. Krankheitsanfälligkeit ein „Ideal“-Gewicht definieren, wird an anderer Stelle von „Soll“-Gewicht gesprochen, wobei einer Körperhöhe nicht nur eine Gewichtsangabe zugeordnet ist, sondern ein Bereich mit Unter- und Obergrenze. In Tab. 1-2 ist das Sollgewicht dargestellt in Abhängigkeit von Körperhöhe, Geschlecht und zusätzlich vom Knochenbau. Im Gegensatz zur Tab. 1-1 ist hier eine Definition des Knochenbaues möglich anhand der Ellenbogenspanne, die mit Hilfe des Tasterzirkels bestimmt wird. Eine ältere, aber immer noch sehr populäre Art der Definition des „Normal“-Gewichtes stammt von dem französischen Arzt Paul Broca:

Norma ewicht kg Körperhöhe cmlg [ ] [ ]= − 100 oder als Broca-Index (BI) definiert:

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Anthropometrie 1-8

BI Körpergewicht kgKörperhöhe cm

=−[ ]

[ ] 100

Ein BI = 0.9 bedeutet 10% unter dem Normalgewicht, was meist als „Ideal“-Gewicht bezeichnet wird. Vereinzelt wird für Frauen auch ein BI = 0.85 als Idealgewicht definiert. Die Berechnung nach Broca bietet eine gute Annäherung allerdings nur bei Menschen mittlerer Körpergröße, sehr kleine und sehr große Menschen werden nicht richtig beurteilt. Dieser Mangel wird durch den 1978 von Bray entwickelten Body Mass Index (Körper-Massen-Index) weitgehend ausgeglichen. Definition des BMI(Body Mass Index)

BMI KG kgKH m

=[ ]

( [ ])2

Beispiel: KG = 65kg KH = 1,70m ⇒ BMI = 22,5 [kg/m2] Eine überschlägige Rechnung ist mit Hilfe einer Rechenscheibe möglich. Perzentilbereichsgrenzen für die Hautfaltendicke finden Sie in den Tab. 1-5 und 1-6. Für das Protokoll benutzen Sie bitte Tab. 1-6. Bestimmen Sie ferner den prozentualen Anteil des Fettgewebes an der Körpermasse anhand Tab. 1-7. Dies ist ein empirisch ermittelter Wert, der im Einzelfall nur einen Schätzwert darstellt.

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Anthropometrie 1-9

Nebenbei Was verbirgt sich möglicherweise hinter dem Begriff Idealgewicht? Warum taucht in der Idealgewichtstabelle auf S. 1-9 der Körperumriß als Variable auf? Kennen Sie andere Methoden, zu einer Abschätzung des Idealgewichts zu gelangen? Wissen Sie, was ein Perzentil ist? Kennen Sie einen anderen Begriff dafür? Welche Sonderstellung hat der 50. Perzentil? Welche Schlußfolgerung ermöglicht die Feststellung, daß ein Hautfalten-Meßwert zwischen dem 3. und dem 10. Perzentil oder zwischen dem 50. und 75. Perzentil liegt? Welche Unterschiede bestehen zwischen den Begriffen zu dick, übergewichtig und überernährt bzw. zu dünn, untergewichtig und unterernährt? Kann ein normalgewichtiger Mensch überernährt sein? Ist jedes Übergewicht ein Gesundheitsrisiko? Können Sie einige Auswirkungen nennen, die Überernährung auf die körperliche und/oder psychische Leistungsfähigkeit von Menschen haben kann? Kennen Sie pathologische (krankhafte) Formen von Untergewicht? Kennen Sie Theorien über das Zustandekommen von Fehlernährung in Ländern mit ausreichendem Nahrungsangebot? Haben Sie daran gedacht, sich diejenigen Fragen zum Thema dieses Versuchs zu notieren, die Sie am Versuchtstag beantwortet haben möchten?

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Anthropometrie 1-10

Abb. 1-2: Nomogramm zur Idealgewichtsbestimmung

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Anthropometrie 1-11

Tab. 1-1: Idealgewicht

Davidson, S. und R. Passmore: Human Nutrition and Dietetics. Edinburgh and London, Livimgston 1966, p. 695 (a med 155/91)

Körperhöhe Idealgewicht Frauen Idealgewicht Männer

cm Körperumriß Körperumriß klein mittel groß klein mittel groß

142.2 43.1 46.0 50.6 144.8 44.2 47.2 51.7 147.3 45.4 48.5 53.1 149.9 46.7 49.9 54.4 152.4 48.1 51.3 55.8 154.9 49.4 52.6 57.2 52.6 56.0 60.6 157.5 50.8 54.2 58.7 54.0 57.6 61.9 160.0 52.2 55.8 60.6 55.3 59.0 63.5 162.6 53.8 57.8 61.9 56.7 60.3 65.1 165.1 55.5 59.6 64.2 57.8 61.9 66.7 167.6 57.4 61.5 66.0 60.1 63.7 68.7 170.2 59.2 63.3 67.8 61.9 65.8 71.0 172.7 61.2 65.1 69.4 63.7 67.6 72.8 175.3 63.0 66.9 71.9 65.8 69.4 74.6 177.8 64.9 68.7 73.7 67.6 71.4 76.7 180.3 69.4 73.5 78.9 182.9 71.2 75.5 81.0 185.4 73.2 77.6 83.2 188.0 75.0 79.8 85.5 190.5 76.9 82.1 87.5

Die Gewichte gelten in Hausbekleidung. Bei Wägung unter Standardbedingungen sind 1.5 kg vom Idealgewicht zu subtrahieren. Ausführliche Tabellen - gültig für mittleren Körperumriß und für Wägung unter Standardbedingungen - finden sich auf den beiden folgenden Seiten.

Tab. 1-2: Sollgewicht für Männer und Frauen in der Abhängigkeit von der

Körpergröße und dem Knochenbau:

(nach Thews/Mutschler/Vaupel „Anatomie, Physiologie,Pathophysiologie des Menschen“, Wiss. Verlagsgesellschaft Stuttgart, 1991)

Größe [cm]

Ellenbogen-spanne [cm]

Sollgewicht [kg]

mittelschwerer Knochenbau

leichter Knochenbau

mittelschwerer Knochenbau

schwerer Knochenbau

m w m w m w m w 145 5,7 - 6,4 46,5-60,5 49,5-55,0 53,5-59,5 150 5,7 - 6,4 47,0-52,0 51,5-57,0 55,5-62,0 155 6,4 - 7,3 5,7 - 6,4 58,0-61,0 49,0-55,0 59,5-64,0 53,5-60,0 62,5-68,0 58,0-65,0 160 6,4 - 7,3 5,7 - 6,4 60,0-62,5 51,5-57,5 61,0-66,0 56,5-62,5 64,5-71,0 61,0-68,5 165 6,7 - 7,3 6,0 - 6,7 61,5-64,5 54,5-60,5 63,0-68,5 59,0-65,5 66,0-74,5 63,5-72,0 170 6,7 - 7,3 6,0 - 6,7 63,5-67,0 57,0-63,0 66,0-71,0 61,5-68,0 69,0-78,0 66,0-76,0 175 7,0 - 7,6 6,0 - 6,7 65,5-70,0 60,0-66,0 68,5-74,0 64,5-71,0 71,5-81,5 69,0-78,5 180 7,0 - 7,6 6,0 - 6,7 67,5-72,5 62,5-68,5 71,0-77,0 67,0-73,5 74,5-85,5 71,5-81,0 185 7,0 - 7,9 70,5-76,0 74,5-80,5 78,0-89,5 190 7,0 - 7,9 73,5-80,0 77,5-85,0 82,0-94,0

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Anthropometrie 1-12

Tab. 1-3: Idealgewichtstabelle für Frauen

(nach Davidson & Passmore 1966) mit interpolierten Daten aus Tab. 1-1

Länge 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

142 44.5 44.6 44.6 44.7 44.7 44.8 44.8 143 44.9 44.9 45.0 45.0 45.0 45.1 45.1 45.2 45.2 45.3 144 45.3 45.4 45.4 45.5 45.5 45.6 45.6 45.7 45.7 45.8 145 45.8 45.9 45.9 46.0 46.0 46.1 46.1 46.2 46.2 46.3 146 46.3 46.4 46.4 46.5 46.5 46.6 46.6 46.7 46.7 46.8 147 46.8 46.9 46.9 47.0 47.0 47.1 47.2 47.2 47.3 47.3 148 47.4 47.4 47.5 47.5 47.6 47.7 47.7 47.8 47.8 47.9 149 47.9 48.0 48.0 48.1 48.1 48.2 48.3 48.3 48.4 48.4 150 48.5 48.5 48.6 48.6 48.7 48.8 48.8 48.9 48.9 49.0 151 49.0 49.1 49.1 49.2 49.2 49.3 49.4 49.4 49.5 49.5 152 49.6 49.6 49.7 49.7 49.8 49.9 49.9 50.0 50.0 50.1 153 50.1 50.2 50.2 50.3 50.3 50.4 50.4 50.5 50.5 50.6 154 50.6 50.7 50.7 50.8 50.8 50.9 50.9 51.0 51.0 51.1 155 51.1 51.2 51.3 51.3 51.4 51.5 51.5 51.6 51.6 51.7 156 51.8 51.8 51.9 52.0 52.0 52.1 52.1 52.2 52.3 52.3 157 52.4 52.5 52.5 52.6 52.6 52.7 52.8 52.8 52.9 53.0 158 53.0 53.1 53.2 53.2 53.3 53.3 53.4 53.5 53.5 53.6 159 53.7 53.7 53.8 53.8 53.9 54.0 54.0 54.1 54.2 54.2 160 54.3 54.4 54.4 54.5 54.6 54.7 54.8 54.8 54.9 55.0 161 55.1 55.2 55.2 55.3 55.4 55.5 55.5 55.6 55.7 55.8 162 55.9 55.9 56.0 56.1 56.2 56.3 56.3 56.4 56.5 56.5 163 56.6 56.7 56.8 56.8 56.9 57.0 57.0 57.1 57.2 57.2 164 57.3 57.4 57.5 57.5 57.6 57.7 57.7 57.8 57.9 58.0 165 58.0 58.1 58.2 58.2 58.3 58.4 58.5 58.5 58.6 58.7 166 58.8 58.8 58.9 59.0 59.1 59.1 59.2 59.3 59.4 59.4 167 59.5 59.6 59.7 59.7 59.8 59.9 60.0 60.0 60.1 60.2 168 60.3 60.3 60.4 60.5 60.5 60.6 60.7 60.8 60.8 60.9 169 61.0 61.0 61.1 61.2 61.2 61.3 61.4 61.5 61.5 61.6 170 61.7 61.7 61.8 61.9 62.0 62.0 62.1 62.2 62.2 62.3 171 62.4 62.5 62.5 62.6 62.7 62.7 62.8 62.9 62.9 63.0 172 63.1 63.2 63.2 63.3 63.4 63.4 63.5 63.6 63.7 63.7 173 63.8 63.9 63.9 64.0 64.1 64.2 64.2 64.3 64.4 64.4 174 64.5 64.6 64.6 64.7 64.8 64.9 64.9 65.0 65.1 65.1 175 65.2 65.3 65.4 65.4 65.5 65.6 65.6 65.7 65.8 65.9 176 65.9 66.0 66.1 66.1 66.2 66.3 66.3 66.4 66.5 66.6 177 66.6 66.7 66.8 66.8 66.9 67.0 67.1 67.2

Copyright Biomedizinisches Labor Universität Bremen 1980

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Anthropometrie 1-13

Tab. 1-4: Idealgewichtstabelle für Männer

(Nach Davidson & Passmore 1966) mit interpolierten Daten aus Tab. 1-1

Länge 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 154 155 54.5 54.6 54.7 54.7 54.8 54.9 54.9 55.0 55.0 55.1 156 55.2 55.2 55.3 55.4 55.4 55.5 55.5 55.6 55.7 55.7 157 55.8 55.9 55.9 56.0 56.0 56.1 56.2 56.2 56.3 56.3 158 56.4 56.4 56.5 56.6 56.6 56.7 56.7 56.8 56.8 56.9 159 56.9 57.0 57.0 57.1 57.2 57.2 57.3 57.3 57.4 57.4 160 57.5 57.5 57.6 57.6 57.7 57.7 57.8 57.8 57.9 58.0 161 58.0 58.1 58.1 58.2 58.2 58.3 58.3 58.4 58.4 58.5 162 58.5 58.6 58.6 58.7 58.7 58.8 58.8 58.9 59.0 59.0 163 59.1 59.1 59.2 59.3 59.3 59.4 59.5 59.5 59.6 59.6 164 59.7 59.8 59.8 59.9 60.0 60.0 60.1 60.1 60.2 60.3 165 60.3 60.4 60.5 60.5 60.6 60.7 60.8 60.8 60.9 61.0 166 61.0 61.1 61.2 61.3 61.3 61.4 61.5 61.5 61.6 61.7 167 61.7 61.8 61.9 62.0 62.0 62.1 62.2 62.2 62.3 62.4 168 62.5 62.6 62.7 62.7 62.8 62.9 63.0 63.1 63.2 63.2 169 63.3 63.4 63.5 63.6 63.7 63.7 63.8 63.9 64.0 64.1 170 64.2 64.2 64.3 64.4 64.5 64.5 64.6 64.7 64.7 64.8 171 64.9 65.0 65.0 65.1 65.2 65.2 65.3 65.4 65.4 65.5 172 65.6 65.7 65.7 65.8 65.9 65.9 66.0 66.1 66.2 66.2 173 66.3 66.4 66.4 66.5 66.6 66.7 66.7 66.8 66.9 66.9 174 67.0 67.1 67.1 67.2 67.3 67.4 67.4 67.5 67.6 67.6 175 67.7 67.8 67.9 67.9 68.0 68.1 68.2 68.2 68.3 68.4 176 68.5 68.6 68.6 68.7 68.8 68.9 69.0 69.0 69.1 69.2 177 69.3 69.3 69.4 69.5 69.6 69.7 69.7 69.8 69.9 70.0 178 70.1 70.1 70.2 70.3 70.4 70.5 70.6 70.6 70.7 70.8 179 70.9 71.0 71.1 71.1 71.2 71.3 71.4 71.5 71.6 71.6 180 71.7 71.8 71.9 72.0 72.0 72.1 72.2 72.3 72.4 72.4 181 72.5 72.6 72.7 72.8 72.8 72.9 73.0 73.1 73.1 73.2 182 73.3 73.4 73.5 73.5 73.6 73.7 73.8 73.9 73.9 74.0 183 74.1 74.2 74.3 74.3 74.4 74.5 74.6 74.7 74.8 74.8 184 74.9 75.0 75.1 75.2 75.3 75.3 75.4 75.5 75.6 75.7 185 75.8 75.8 75.9 76.0 76.1 76.2 76.3 76.3 76.4 76.5 186 76.6 76.7 76.8 76.9 76.9 77.0 77.1 77.2 77.3 77.4 187 77.5 77.6 77.6 77.7 77.8 77.9 78.0 78.1 78.2 78.2 188 78.3 78.4 78.5 78.6 78.7 78.8 78.9 79.0 79.1 79.2 189 79.2 79.3 79.4 79.5 79.6 79.7 79.8 79.9 80.0 80.1 190 80.1 80.2 80.3 80.4 80.5 80.6

Copyright Biomedizinisches Labor Universität Bremen 1980

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Anthropometrie 1-14

Tab. 1-5: Perzentile der Hautfettfaltenverteilung bei jungen Erwachsenen. Tanner, J.M. and R.H. Whithouse:Revised Standards for triceps and subscapular skinfolds in British children.Arch. Dis. Child. 50, 142 (1975)

Hautfaltendicke [mm]

Perzentil Junge Frauen Junge Männer Triceps Subscapular Triceps Subscapular

97. 28.7 30.4 24.1 27.1 90. 24.1 21.5 16.8 16.5 75. 19.5 16.1 12.2 12.5 50. 16.1 12.5 9.5 10.1 25 13.0 10.1 7.6 8.4 10. 10.3 8.4 6.1 7.1 3. 8.1 7.5 4.9 6.1

Tab. 1-6: Perzentile der Hautfettfaltenverteilung bei Studenten

der Universität Bremen (Ergebnisse der Lehrveranstaltung "Psychophysiologisches Praktikum"). Altersgruppe: 20 - 45 Jahre; 124 Studentinnen / 102 Studenten

Perzentil Hautfaltendicke / mm (Frauen)

Subscapular Triceps Suprailiacal Summe 97. 22.81 21.37 25.70 68.56 90. 16.99 18.31 21.64 54.42 75. 13.30 15.20 16.60 43.40 50. 9.90 12.60 12.30 35.40 25. 7.90 10.00 8.60 28.00 10. 6.44 7.84 6.04 22.88 3. 5.94 6.47 4.80 19.13

Perzentil Hautfaltendicke / mm (Männer)

Subscapular Triceps Suprailiacal Summe 97. 21.94 14.25 27.28 60.24 90. 14.56 11.70 21.96 49.72 75. 11.50 9.90 18.45 40.07 50. 9.50 7.80 13.80 31.20 25. 8.10 5.95 9.55 24.55 10. 7.25 4.60 6.92 21.26 3. 6.41 4.01 6.01 18.00

(C) Biomedizinisches Labor der Universität Bremen (1984)

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Anthropometrie 1-15

Tab. 1-7: Körperfettgehalt (in %) in Abhängigkeit von Alter und Hautfaltensumme (subscap., Tric., Bic., suprail)

Durnin, J.G.V.A. und J. Womersley: Brit. J. Nutr. 32, 77 (1974)

HFD Frauen Männer HFD

Alter (Jhr) Alter (Jhr) mm <30 <40 <50 >50 <30 <40 <50 >50 mm 20 14.1 17.0 19.8 21.4 8.1 12.2 12.2 12.8 20 25 16.8 19.4 22.2 24.0 10.5 14.2 15.0 15.6 25 30 19.5 21.8 24.5 26.6 12.9 16.2 17.7 18.6 30 35 21.5 23.7 26.4 28.5 14.7 17.7 19.6 20.8 35 40 23.4 25.5 28.2 30.2 16.4 19.2 21.4 22.9 40 45 25.0 26.9 29.6 31.9 17.7 20.4 23.0 24.7 45 50 26.5 28.6 31.0 33.4 19.0 21.5 24.6 26.5 50 55 27.8 29.4 32.1 34.6 20.1 22.5 25.9 27.9 55 60 29.1 30.6 33.2 35.7 21.2 23.5 27.1 39.2 60 65 30.2 31.6 34.1 36.7 22.2 24.3 28.2 30.4 65 70 31.2 32.5 35.0 37.7 23.1 25.1 29.3 31.6 70 75 32.2 33.4 35.9 38.7 24.0 25.9 30.3 32.7 75 80 33.1 34.3 36.7 39.6 24.8 26.6 31.2 33.8 80 85 34.0 35.1 37.5 40.4 25.5 27.2 32.1 34.8 85 90 34.8 35.8 38.3 41.2 26.2 27.8 33.0 35.8 90 95 35.6 36.5 39.0 41.9 26.9 28.4 33.7 36.6 95 100 36.4 37.2 39.7 42.6 27.6 29.0 34.4 37.4 100 105 37.1 37.9 40.4 43.3 28.2 29.6 35.1 38.2 105 110 37.8 38.6 41.0 43.9 28.9 30.1 35.8 39.0 110 115 38.4 39.1 41.5 44.5 29.4 30.6 36.4 39.7 115 120 39.0 39.6 42.0 45.1 30.0 31.1 37.0 40.4 120 125 39.6 40.1 42.5 45.7 30.5 31.5 37.6 41.4 125 130 40.2 40.6 43.0 46.2 31.0 31.9 38.2 41.8 130 135 40.8 41.1 43.5 46.7 31.5 32.3 38.7 42.4 135 140 41.3 41.6 44.0 47.2 32.0 32.7 39.2 43.0 140 145 41.8 42.1 44.5 47.7 32.5 33.1 39.7 43.6 145 150 42.3 42.6 45.0 48.2 32.9 33.5 40.2 44.1 150 155 42.8 43.1 45.4 48.7 33.3 33.9 40.7 44.6 155 160 43.3 43.6 45.9 49.2 33.7 34.3 41.2 45.1 160 165 43.7 44.0 46.2 49.6 34.1 34.6 41.6 45.6 165 170 44.1 44.4 46.6 50.0 34.5 34.8 42.0 46.1 170 175 44.8 47.0 50.4 34.9 175 180 45.2 47.4 50.8 35.3 180 185 45.6 47.8 51.2 35.6 185 190 45.9 48.2 51.6 35.9 190 195 46.2 48.5 52.0 195 200 46.5 48.8 52.4 200

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Anthropometrie 1-16

Tab. 1-8: Bewertung des BMI nach der höchsten Lebenserwartung ohne Berücksichtigung des Alters:

Klassifikation BMI männlich BMI weiblich

Untergewicht <20 <19 Normalgewicht 20 - 25 19 - 24

Übergewicht 25 - 30 24 - 30

Adipositas 30 - 40 30 - 40

massive Adipositas > 40 > 40

Tab. 1-9: Bewertung des BMI nach der höchsten Lebenserwartung

unter Berücksichtigung des Alters:

Altersgruppe wünschenswerter BMI

19 - 24 Jahre 19 - 24 25 - 34 Jahre 20 - 25

35 - 44 Jahre 21 - 26

45 - 54 Jahre 22 - 27

55 - 64 Jahre 23 - 28

> 64 Jahre 24 - 29

Tab. 1-10: Körperfettanteil Körperfettgehalt in % der Körpermasse in Abhängigkeit von Geschlecht und Lebensalter.

Alter Mittelwert Bereich Frauen

16 - 19 26 14 - 43 20 - 29 29 10 - 54 30 - 39 33 19 - 53 40 - 49 35 24 - 61 50 - 68 39 26 - 52

Männer 17 - 19 15 7 - 30 20 - 29 15 5 - 38 30 - 39 23 13 - 38 40 - 49 25 11 - 37 50 - 72 28 11 - 50

Nach Durnin, J.V.G.A., und J. Womersley: Body fat assessed from total body density and its estimation from skinfold thickness: measured on 481 men and women aged from 16 through 72 years. Brit. J. Nutr. 32 (1974), 77 - 79

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Elektrokardiogramm 2

Versuch Nr. 2

Elektrokardiogramm (EKG)

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Elektrokardiogramm 2-1

Einführung aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

Die "HERZTHÄTIGKEIT"

bestehend in rhythmischen (nach bestimmtem Rhythmus abwechselnden) Zusammenziehungen und Erschlaffungen der contractilen Fleischwände seiner Höhlen, steht, wie die Thätigkeit aller Muskeln, unter dem Einflusse des Nervensystems und zwar eines, welches mit seinen Fasern theils in Herzganglien, theils im Sympathicus, im Rückenmarke und Gehirn wurzelt. Zunächst enthält das Herz die Bedingungen seiner rhythmischen Thätigkeit in sich selbst, insofern es nämlich solche nervöse Centralorgane besitzt, welche nicht blos seine Bewegung anregen, sondern auch die Erregung der einzelnen Nervenfasern rhythmisch reguliren. Daß das Herz die Anregung und Triebkraft zu seiner rhythmischen Thätigkeit unmittelbar von einem besonderen Nervensystem, welches im Herzen selbst eingebettet ist, empfängt, ist dadurch bewiesen, daß auch das ganz herausgeschnittene Thier- und Menschenherz (Hingerichteter) noch einige Zeit fortfährt regelmäßig rhythmisch zu schlagen. Bei kaltblütigen Thieren schlägt es noch tagelang fort.

... Sonach wird die Herzthätigkeit von folgenden Nerven beeinflußt: 1) von dem besonderen, im Herzfleische lagernden Nervensysteme; 2) von den, dem verlängerten Marke entsprungenen bewegungs-hemmenden Vagusfasern; 3) von den, im verlängerten Marke entspringenden und sich durch den Sympathicus zum Herzen hinziehenden excitirenden Nervenfasern; 4) von den, nur dem Sympathicus angehörenden Fasern.

... Da auf alle diese Nerven in den Centralorganen Reizungen, sowie auch Reflexe von den Nerven anderer Körpertheile stattfinden können, so kann auch die Thätigkeit des Herzens durch die verschiedenartigsten Reizungen (die ebenso im Innern unseres Körpers erzeugt, sowie von der Außenwelt her einwirken können) sehr leicht geändert, und zwar ebenso gesteigert wie herabgesetzt werden. Erregende Gemüthsbewegungen können den Herzschlag beschleunigen, erschütternde Gemüthsbewegungen denselben zum plötzlichen Stillstand bringen (vielleicht gar Tod veranlassen), freudige Gemüthsaffecte den Herzpuls rascher und stärker schlagen lassen. Daß man fast alle guten und schlechten Leidenschaften in das Herz verlegt, anstatt in das Gehirn, wo sie doch ihren Ursprung haben, und daß man von einem bösen, traurigen und liebenden, muthigen und furchtsamen Herzen spricht, kommt also daher, daß alle Leidenschaften vom Gehirne aus durch die von hier zum Herzen führenden Nerven deutlicher wahrnehmbares Herzklopfen veranlassen.

...

Es kann aber auch jede stärkere Reizung eines Nerven, an was immer für einer Stelle des Körpers und aus was immer für einer Ursache, sich in den nervösen Centralorganen mittels Überstrahlung den Herznerven mittheilen und stärkeres und beschleunigtes Herzklopfen veranlassen. So ist das Fieber, was sich (neben erhöhter Körperwärme) durch ein, längere Zeit anhaltendes häufigeres Klopfen des Herzens und der Pulsadern zu erkennen giebt, nichts als eine krankhafte Erscheinung, die einer großen Anzahl der verschiedenartigsten Krankheiten zukommen kann und dem Arzte blos andeutet, daß irgendwo im Körper irgendein Leiden seinen Sitz aufgeschlagen hat.

...

Nur wenn ein stärkeres und häufigeres Herzklopfen gar nicht wieder verschwinden will oder sofort bei körperlichen und gemüthlichen Bewegungen in bedeutenderem Grade eintritt, kann das Herz selbst leidend sein.

...

Uebrigens erzeugen auch starke und anhaltende körperliche Anstrengungen, vorzugsweise mit den Armen, sowie Spirituosa, geschlechtliche Unarten und ganz besonders Blutarmuth (ohne Herzfehler) ein stärkeres Herzklopfen, was bei längerer Dauer zu einer Vergrößerung des Herzens durch Uerberernährung führen kann. Kurz, jedes starke Herzpochen deutet an, daß im Körper nicht alles in Ruhe und Ordnung ist.

...

Aus: "Gesundheits-Handbuch" (s. S. II)

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Elektrokardiogramm 2-2

Vorbemerkung Wie andere quergestreifte Muskeln benötigt auch das Herz elektrische Impulse zur Kontraktionsauslösung. Diese Erregungen müssen sich zeitlich abgestuft über den Herzmuskel ausbreiten, wenn ein koordinierter Kontraktionsablauf gewährleistet sein soll. Beim Herzen geschieht dies nicht über Nervenfasern, sondern über ein autonomes System spezialisierter Muskelzellen, die im Bereich des rechten Vorhofes den Sinusknoten, an der Vorhof-Kammer-Grenze den AV-Knoten, im Kammerseptum die beiden Schenkel des HISschen Bündels und in der übrigen Muskulatur die fein verzweigten Purkinje-Fasern bilden.

S Sinusknoten AV Atrioventrikularknoten R,L Rechter/linker Schenkel des HISschen Bündels PF Purkinjefasern

Abb. 2-1: Erregungs- und Reizleitungssystem des Herzens Alle diese Abschnitte des herzeigenen Erregungsleitungssystems sind zu spontaner rhythmischer Depolarisation und damit zur Erregungsbildung fähig. Die Frequenz der Spontandepolarisation nimmt allerdings vom Sinusknoten über AV-Knoten und HISsches Bündel zu den Purkinjefasern hin ab. Unter diesen Umständen funktioniert in der Regel der Sinusknoten mit der höchsten Spontanfrequenz als Herzschrittmacher, weil die von ihm aus-gehenden Impulse alle langsameren potentiellen Erregungsbildungsorte unerregbar machen. Bei Zerstörung des Sinusknoten oder bei Unterbrechung der Erregungsleitung werden jedoch die sekundären Erregungsbildungsorte wirksam. Gelegentlich treten allerdings auch am gesunden Herzen Erregungen auf, die ihren Ursprung im AV-Knoten oder im HISschen Bündel haben (Extrasystolen). Oft haben sie keinerlei pathologische Bedeutung. Die elektrische Erregung breitet sich vom Sinusknoten über den Vorhof aus, erreicht den AV-Knoten und wandert über die Schenkel des HISschen Bündels zur Herzspitze. Von dort wird sie über die Purkinje-Fasern zur Herzbasis geleitet. In dieser Reihenfolge wird auch die Kammermuskulatur erregt. Die über den Herzmuskel wandernde Erregung erzeugt ein räumlich und zeitlich variables elektrische Feld, das sich über den ganzen Körper ausbreitet, und dessen Potentialdifferenzen - in der Regel an vereinbarten Ableitungsorten - als EKG abgegriffen werden können. Aus Reihenfolge, Form und Dauer der einzelnen EKG-Abschnitte kann, unter Berücksichtigung der Ableitungstechnik, auf die

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Elektrokardiogramm 2-3

Herzfrequenz, die Lage der (elektrischen) Herzachse, die Funktionstüchtigkeit des Erregungsleitungssystems und die Erregbarkeit der Muskulatur geschlossen werden.

In einer EKG-Registrierung (s. Abb. 2-2) entspricht die P-Zacke der Vorhoferregung, der QRS-Komplex fällt in die Phase der Erregungsausbreitung in der Kammermuskulatur. Die ST-Strecke entspricht dem Zustand gleichmäßiger Erregung der Kammermuskulatur, die T-Zacke wird durch die Erregungsrückbildung hervorgerufen. Neben der allgemein bekannten Funktion im Rahmen der ärztlichen Diagnostik wird das EKG auch zur Untersuchung anderer Fragestellungen eingesetzt, so z.B. zur Beurteilung der physischen Bean-spruchung bei körperlicher Arbeit oder im Sport und als Indikator psychophysischer Reaktionen auf psychische Reize, z.B. kognitiv-mentale oder emotionale Belastung.

Phasen des Herzzyklus 1-2 Anspannungsphase 2-3 Austreibungsphase 3-4 Erschlaffungs- phase 4-1 Füllungsphase 1-3 Systole 3-1 Diastole P, Q, R, S, T: Erläu- terungen im Abschnitt Vorbemerkung Abb. 2-2: Zeitliche Zuordnung des EKG zu anderen Funktionen des Herzens und des Kreislaufsystems

Methodische Vorüberlegungen Das Herz erzeugt - vereinfacht dargestellt - ein räumlich und zeitlich veränderliches elektrisches Feld, das in den elektrischen Potentialänderungen der Herzmuskelfasern seinen Ursprung hat und sich über den ganzen Körper ausbreitet. Jedes einzelne EKG stellt nach räumlicher Anordnung, Amplitude und zeitlichem Ablauf einen Ausschnitt aus diesem Feld dar: Potentialdifferenzen (Spannungen) zwischen zwei willkürlich gewählten Ableitpunkten. Zur EKG-Ableitung sind deshalb mindestens zwei Elektroden erforderlich, die guten elektrischen Kontakt zur Haut haben müssen (z.B. mittels Elektrodencreme) und selbst kein eigenes Potential zum Körper des Probanden aufbauen sollen (Elektrodenmaterial). Je nach Anordnung der beiden Elektroden sieht die äußere Form des EKG unterschiedlich aus - daraus läßt sich auf das räumliche elektrische Feld zurückschließen. Als elektrisches Potential konkurriert das EKG mit anderen elektrischen Spannungen, die im Körper auftreten (Nerven- und Muskelpotentiale). Von diesen können insbesondere die Muskelpotentiale ebenfalls an der Körperoberfläche abgenommen werden und bei ungünstiger Position der EKG-

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Elektrokardiogramm 2-4

Elektroden zu Störungen der Aufzeichnung führen (oder als Elektromyogramm - EMG - zur Analyse der Muskeltätigkeit dienen).

Extremitäten-EKG nach Einthoven und Goldberger Für das Extremitäten-EKG werden Elektroden an den Innenseiten beider Hand- und Fussgelenke befestigt. Zur Verbesserung des Kontaktes zwischen Elektrode und Haut wird vor Aufsetzen der Elektrode die Haut angefeuchtet. Die Elektrode am rechten Fuß dient dabei dem Potentialausgleich zwischen EKG-Gerät und Körper (Masseleitung). Mit dieser Elektrodenanordnung sind insgesamt sechs standardisierte Ableitungen möglich:

I: Rechter Arm (-) --- Linker Arm (+) II: Rechter Arm (-) --- Linker Fuß (+) III: Linker Arm (-) --- Linker Fuß (+)

-aVR: Rechter Arm (-) --- (Linker Arm + Linker Fuß)(+) aVL: Linker Arm (+) --- (Rechter Arm + Linker Fuß)(-) aVF: Linker Fuß (+) --- (Rechter Arm + Linker Arm)(-)

Die Vereinbarung, die einzelnen Ableitorte entsprechend den angegebenen Vorzeichen als elektrisch positiv oder elektrisch negativ zu betrachten, wurde zur Erzielung gleichgerichteter EKG-Aus-schläge getroffen. Die Ableiteorte an den Extremitäten entsprechen einem annähernd gleichseitigen Dreieck (Einthoven-Dreieck; s. Abb. 4-3). Trägt man in dieses Dreieck die sechs oben angegebenen Ableitungen entsprechend ihrer ungefähren Richtung ein, so ergibt sich in der Reihenfolge

aVL - I - -aVR - II - aVF - III

eine Anordnung von 6 um jeweils ca. 30° versetzten Ableitungen (Cabrera-Kreis; s.Abb. 2-3), die insgesamt einen guten Eindruck von der Verteilung der Herzpotentiale in der Frontalebene geben.

Abb. 2-3: Einthoven-Dreieck und Cabrera-Kreis

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Elektrokardiogramm 2-5

Klinische Diagnostik

Anhand des EKG-Verlaufes in den einzelnen Ableitungen können Aussagen über die Herzaktivität gemacht werden. Die EKG-Kurve spiegelt den Erregungsablauf im Herzmuskel wider, wobei die einzelnen Zacken oder Wellen (s. Abb. 2-2) charakteristisch sind für die Kontraktionsphasen. So entspricht z.B. die P-Welle der Vorhoferregung. Sollten die Vorhöfe z.B. zeitlich versetzt erregt werden, so wäre dies in einer zweigipfligen P-Welle zu erkennen. Die ST-Strecke repräsentiert die Zeit vollkommen gleichmäßiger Kammererregung, Veränderungen weisen hier auf Erregungsstörungen hin, die durch mangelhafte Sauerstoffver-sorgung des Herzmuskels verursacht sein können. Eine weitere typische Veränderung ist das Auftreten von zusätzlichen Erregungsspitzen, sog. Extrasystolen. Auf detailliertere Analysen soll hier nicht eingegangen werden, dies ist Sache von Internisten.

Herzfrequenz

Die Herzfrequenz, gemessen als Anzahl von Herzschlägen je Minute, wird in der Psychophysiologie, Arbeitsphysiologie und Arbeitspsychologie am häufigsten als Indikator für kardiovaskuläre Zustände und Veränderungen verwendet. Nahezu alle Wechsel in physischen und psychischen Anforderungen sind begleitet von Änderungen der Herzfrequenz. Zu den physischen Einflußgrößen, die einen Anstieg der Herzfrequenz zur Folge haben, gehören alle Arten körperlicher Arbeit, einfache Beispiele dazu sind Kniebeugen und Laufen, psychische Größen sind z.B. Schmerz- und Angstreize. Eine Abnahme der Herzfrequenz dagegen ist bei Entspannung, Orientierung und Aufmerksamkeitsprozessen zu beobachten. Die Herzfrequenz ist insgesamt ein sehr empfindlicher Indikator für viele psycho-physische Zustandsänderungen, ist allerdings auch sehr unspezifisch. Sie wird daher auch als Maß allgemeiner zentraler Aktiviertheit bezeichnet.

Tonische Herzfrequenzanteile

Veränderungen der Herzfrequenz über längere Zeiträume, d.h. größer als 1 Minute, bezeichnet man als tonische Anteile. Sie dienen als Maß für die momentane Aktiviertheit, bedingt durch viele Einflüsse, wie z.B. physische und psychische Verfassung der betreffenden Person, Umgebungsbedingungen, Tageszeit, Situationsspezifität . Diesen Anteil der Herzfrequenz erhält man durch Mittelung der Herzfrequenz über Zeiträume im Minutenbereich und größer.

Phasische Herzfrequenzanteile

Schnelle Änderungen der Herzfrequenz auf Stimuli bezeichnet man als phasische Anteile; sie laufen in Zeiträumen von bis zu etwa 15 Sekunden ab. Diese Änderungen sind abhängig von der Intensität, der Art und der Bekanntheit der Stimuli, sowie der Reaktionsbereitschaft der jeweiligen Person. Ausgehend von einer mittleren Aktiviertheit sind hier biphasische Reaktionen zu beobachten, d.h. die Herzfrequenz kann schneller, aber auch langsamer werden.

Respiratorische Sinusarrhythmie

Eine besondere Form phasischer HF-Änderungen kann man vor allem bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen in Zusammenhang mit der Atmung beobachten. Beim Einatmen kann es zu einer Beschleunigung der Herzfrequenz, beim Ausatmen zu einer Verlangsamung kommen. Dies ist ein völlig normaler Vorgang, der besonders bei vertieftem Atmen und in Ruhe auftritt. Dieser Anteil der HF-Änderung muß bei der Analyse phasischer Anteile gegebenenfalls berücksichtigt werden.

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Elektrokardiogramm 2-6

Herzfrequenzmessung und Langzeit-EKG

Um Herzfrequenzverläufe über längere Zeiträume analysieren zu können, wie z.B bei Belastungs- und Beanspruchungsuntersuchungen an Arbeitsplätzen, benutzt man Langzeit-EKG-Aufzeichnungen. Hierbei werden mit unterschiedlichen Verfahren EKG’s aufgezeichnet und später off line mit einem Computer ausgewertet. Notwendig für diese Aufzeichnungen sind EKG-Ableitungen mit

• Ableitungsorten, an denen wenig Muskulatur anzutreffen ist, um Artefakte (Störungen), die ein EKG überlagern könnten, auszuschalten und

• die deutliche R-Zacken enthalten wie eine der Ableitung II ähnlichen Brustwandableitung.

Geräte zur Aufzeichnung von Langzeit-EKGs arbeiten mit verschiedenen Verfahren:

• Memoport-System Ein EKG wird auf eine Kasette aufgezeichnet, die dann später in einen Computer eingelesen werden kann. Die Auswertung erfolgt über ein Programm, das Zeitintervalle zwischen R-Zacken ermittelt, aus denen dann die Herzfrequenzen errechnet werden können.

• Polar-System

Über ein Hardware-Modul werden schon während der Aufzeichnung die R-Zacken erkannt und daraus die Zeitintervalle (R-R-Abstände) berechnet. Diese werden gespeichert und zur weiteren Analyse in einen Computer eingelesen.

Die Art der Auswertung von Herzfrequenzen geschieht in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung.

• Als höchste Auflösung erhält man die Momentanherzfrequenz über die Berechnung aus R-R-Abständen.

• Ändert sich die Herzfrequenz sehr stark von Schlag zu Schlag, so kann man zur

Glättung der Momentanherzfrequenzkurve ein gleitende Mittelung durchführen.

• Sollen Veränderungen der Herzfrequenz über längere Zeiträume dargestellt

werden, so werden R-Zacken in festen Zeitintervallen ausgezählt. Man erhält hierbei gemittelte Herzfrequenzwerte.

Literaturhinweise Birbaumer,N., R.F. Schmidt: Biologische Psychologie: Berlin, Springer 1989, S. 163 - 193 Schandry, R.: Lehrbuch Psychophysiologie: München, Psychologie Verlags Union 1989, S.121 - 148 Schmidt, R.F., und G.Thews: Physiologie des Menschen: Berlin etc., Springer 26. Aufl. 1995, S.

448 - 496 Thews,g., E.Mutschler und B. Vaupel: Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Menschen:

Stuttgart, Wiss. Verlagsges. 3/1989, S. 133 - 168

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Elektrokardiogramm 2-7

Zum Versuch

Für den Versuch „Elektrokardiogramm“ stehen 3 Messplätze zur Verfügung: 1. PC-gesteuerter EKG-Messplatz „CustoCardM“ 2. EKG-Schreiber „Cardioline“ mit EKG-Monitor „S&W Diascope“ 3. EKG-Monitor „S&W Diascope 2“

An den verschiedenen EKG-Meßplätzen können folgende Versuche durchgeführt werden:

Versuch 1: Ableitung und Aufzeichnung des Extremitäten-EKG nach Einthoven und Goldberger nach Art des Cabrera-Kreises bei jeder Probandin und jedem Probanden. Dieser Versuch dient der Ermittlung geeigneter EKG-Ableitungstechniken für die Herzfrequenzanalyse.

Versuch 2:

Unter folgenden Bedingungen soll jeweils ein EKG der Ableitung II bei einer Probandin oder einem Probanden abgeleitet werden:

• In Ruhe im Stehen( wenige Sekunden)

• Unmittelbar nach 20 Kniebeugen im Stehen (wenige Sekunden). Es soll bei diesem Versuch gezeigt werden, wie sich die Herzfrequenz unter physischer Belastung verändert.

Versuch 3: Unter folgenden Bedingungen soll jeweils ein EKG der Ableitung II bei einer Probandin oder einem Probanden abgeleitet und aufgezeichnet werden:

• In Ruhe im Liegen über 70 sec. bei langer tiefer Atmung Mit Hilfe dieser EKG-Aufzeichnung sollen Techniken der Herzfrequenzanalyse ausprobiert werden können.

Versuch 4:

Ableitung eines Brustwand-EKG sowie Ableitungsstörungen. Das Extremitäten-EKG behindert durch die Kabelverbindungen den Probanden zum einen erheblich bei alltäglichen oder standardisierten Tätigkeiten, zum anderen können Artefakte erzeugt werden, die Auswertung des EKG stark beeinträchtigen können. In der ärztlichen Diagnostik kann es darüberhinaus ein wenig zu grob sein. In allen Fällen können Verbesserungen durch direkte Ableitung von der Brustwand erzielt werden. Im vorliegenden Versuch werden keine Standardableitungen vorgenommen. Es werden Techniken erprobt, die für EKG-Aufzeichnungen an mobilen Probanden im Bereich der Arbeitsphysiologie und -psy-chologie, der Sportphysiologie und Psychophysiologie geeignet sind.

Es können nicht an allen Messplätzen alle Versuche durchgeführt werden.

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Elektrokardiogramm 2-8

Versuchsdurchführung „CustoCardM“ Material, Geräte PC mit Tastatur, Mouse, Bildschirm und Drucker Saugelektroden, Elektrodenspray Versuch 1: Versuchsvorbereitung

Zur Ableitung des Extremitäten-EKG nach Einthoven und Goldberger werden die EKG-Saugelektroden, nachdem die Haut mit einem speziellen Spray befeuchtet wurde, in folgender Weise an die Extremitäten angelegt:

• rote Elektrode R - Innenseite des rechten Armgelenks • schwarze Elektrode N - Innenseite des rechten Fussgelenk • gelbe Elektrode L - Innenseite des linken Armgelenks • grüne Elektrode F - Innenseite des linken Fussgelenks

Durch einen Unterdruck, der durch eine Pumpe erzeugt wird, wird die Elektrode an der Haut festgehalten. Die Bedienung des PC-gesteuerten EKG-Messplatzes erfolgt durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter des Biomedizinischen Labors.

Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG im Liegen nach Art des Cabrera-Kreises ab. Lassen Sie sich einen Ausdruck der Ableitungen machen.

Auswertung

• Messen Sie die Höhe einer R-Zacke aus jeder Extremitätenableitung aus.

Tragen Sie jeweils die Höhe in mV in das Versuchsprotokoll ein. Der Maßstab beträgt 1cm = 1mV.

• Zeichnen Sie in ein Kreisdiagramm mit um je 30°versetzten Radien entsprechend der Abb. 4-3 (Cabrera-Kreis) die Größe der R-Zacke in mV für alle Ableitungen des Cabrera-Kreises ein. Verwenden Sie dafür den Maßstab 1 mV = 2 cm.

Versuch 2: Versuchsvorbereitung

Die Versuchsvorbereitungen sind dieselben wie unter Versuch 1. Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG der Ableitung II unter folgenden Bedingungen ab:

• In Ruhe im Stehen (nur wenige Sekunden)

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Elektrokardiogramm 2-9

• unmittelbar nach 20 Kniebeugen im Stehen (wenige Sekunden)

Betrachten Sie die Veränderungen im EKG.

Versuch 3:

Die Aufzeichnung eines EKG von 70 sec. Dauer kann an diesem Meßplatz nicht durchgeführt werden. Es wird eine Aufzeichnung an einem anderen Messplatz durchgeführt.

Auswertung

Ermitteln Sie exemplarisch aus der 70 sekündigen EKG-Aufzeichnung

• die momentane Herzfrequenz in 1/min durch Auswerten des Abstandes zwischen benachbarten R-Zacken für 15 aufeinander folgende R-R-Abstände;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Anwendung des Prinzips des gleitenden

Mittels über je 5 EKG-Komplexe für 15 aufeinander folgende Perioden;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Auszählen (gemittelte Herzfrequenzwerte) von 4 x 15 sec Aufzeichnung, 2 x 30 sec Aufzeichnung und 1 x 60 sec Aufzeichnung.

Der Maßstab der EKG-Höhe beträgt 1 mV = 1cm, der Papiervorschub beträgt 2,5 cm = 1 Sekunde.

Versuch 4: Der Versuch 4 wird an einem anderen Messplatz durchgeführt.

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Elektrokardiogramm 2-10

Versuchsdurchführung „Cardioline“ Material, Geräte EKG-Schreiber mit Ableitkabel EKG-Monitor Extremitäten- und Klebeelektroden Elektrodencreme und Fließpapier Registrierpapier Versuch 1: Versuchsvorbereitung

Zur Ableitung des Extremitäten-EKG nach Einthoven und Goldberger werden Metallelektroden mit unterlegten, angefeuchteten Fließpapierstücken (zur Verbesserung des Kontaktes zur Haut) an beiden Hand- und Fußgelenken befestigt. Die farbig gekennzeichneten Stecker des Ableitekabels werden folgendermassen mit den Buchsen der Elektroden verbunden:

• roter Stecker - rechtes Armgelenk • schwarzer Stecker - rechtes Fussgelenk • gelber Stecker - linkes Armgelenk • grüner Stecker - linkes Fussgelenk

Aufgabenstellung

Eichen Sie das EKG-Gerät so, daß 1 mV Eingangssignal (Eichtaste) einen Ausschlag von genau 1cm ergibt. Die Papiergeschwindigkeit soll 25mm/sec betragen. Leiten Sie bei jeder Probandin und jedem Probanden ein EKG im Liegen nach Art des Cabrera-Kreises ab. Zeichnen Sie die Ableitungen auf.

Auswertung

Kombinieren Sie die einzelnen Ableitungen (je 2 - 3 EKG-Komplexe) durch entsprechende Anordnung (Aufkleben auf ein DIN A 4 - Blatt) zum Cabrera-Kreis. Messen Sie die Höhe einer R-Zacke aus jeder Extremitätenableitung aus. Tragen Sie jeweils die Höhe in mV in das Versuchsprotokoll ein. Der Maßstab beträgt 1cm = 1mV. Zeichnen Sie in ein Kreisdiagramm mit um je 30°versetzten Radien entsprechend der Abb. 4-3 (Cabrera-Kreis) die Größe der R-Zacke in mV für alle Ableitungen des Cabrera-Kreises ein. Verwenden Sie dafür den Maßstab 1 mV = 2 cm.

Versuch 2: Versuchsvorbereitung

Die Versuchsvorbereitungen sind dieselben wie unter Versuch 1.

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Elektrokardiogramm 2-11

Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG der Ableitung II unter folgenden Bedingungen ab:

• In Ruhe im Stehen (nur wenige Sekunden) • unmittelbar nach 20 Kniebeugen im Stehen (wenige Sekunden)

Betrachten Sie die Veränderungen im EKG.

Versuch 3: Versuchsvorbereitung

Die Versuchsvorbereitungen sind dieselben wie unter Versuch 1. Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG der Ableitung II unter folgender Bedingung ab:

• In Ruhe im Liegen über ca. 70 sec bei langer und tiefer Atmung Zeichnen Sie die Ableitung auf.

Auswertung

Ermitteln Sie exemplarisch aus der 70 sekündigen EKG-Aufzeichnung

• die momentane Herzfrequenz in 1/min durch Auswerten des Abstandes zwischen benachbarten R-Zacken für 15 aufeinander folgende R-R-Abstände;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Anwendung des Prinzips des gleitenden

Mittels über je 5 EKG-Komplexe für 15 aufeinander folgende Perioden;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Auszählen (gemittelte Herzfrequenzwerte) von 4 x 15 sec Aufzeichnung, 2 x 30 sec Aufzeichnung und 1 x 60 sec Aufzeichnung.

Der Maßstab der EKG-Höhe beträgt 1 mV = 1cm, der Papiervorschub beträgt 2,5 cm = 1 Sekunde.

Versuch 4: Versuchsvorbereitung

Verteilen Sie bei einem Teilnehmer mit möglichst geringer Thoraxbehaarung 7 Klebeelektroden auf der Brustwand (s. Abb. 2-4). Kleben Sie eine Elektrode an die linke Thoraxseite. Bezeichnen Sie die Elektroden in der in Abb. 2-4 angegebenen Form mit Ziffern.

Aufgabenstellung

Schalten Sie verschiedene Ableitungsmöglichkeiten gegen die Elektrode:

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Elektrokardiogramm 2-12

0/1 - 0/2 - 0/3 - 0/4 - 0/5 - 0/6

Die erste Ziffer gibt jeweils diejenige Elektrode an, die mit Buchse 1 des Steckers am Ableitkabel verbunden ist und die zweite Ziffer diejenige, die mit der Buchse 2 verbunden ist. Verbinden Sie die seitlich angebrachte Elektrode mit Buchse 0 des Ableitekabels. Schalten Sie die Ableitung 5/3. Lösen Sie nun bei laufender Aufzeichnung die Elektrode 5 langsam von der Haut ab und beobachten Sie, wie die Aufzeichnung sich verändert (Kontaktstörung). Schalten Sie die Ableitung 6/2. Schneiden Sie nun bei laufender Aufzeichnung das Kabel von Elektrode 2 durch (Kabelstörung). Schalten Sie die Ableitung 6/3. Lassen Sie nun den Probanden bei laufender Aufzeich- nung beide Handinnenflächen mit Unterbrechungen 2-3 mal hintereinander kräftig gegeneinanderpressen (Muskelstörung).

Abb. 2-4: Anordnung von Elektroden auf dem Thorax

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Elektrokardiogramm 2-13

Versuchsdurchführung „S&W Diascop 2“ Material, Geräte EKG-Schreiber „Diascop 2“ mit Ableitkabel Extremitäten- und Klebeelektroden Elektrodencreme und Fließpapier Registrierpapier Versuch 1: Versuchsvorbereitung

Mit dieser Versuchsanordnung können nur die Extremitätenableitungen I, II und III nach Einthoven abgeleitet werden. Metallelektroden werden mit unterlegten, angefeuchteten Fließpapierstücken (zur Verbesserung des Kontaktes zur Haut) an beiden Hand- und Fußgelenken befestigt. Die farbig gekennzeichneten Klemmen des Ableitekabels werden für die einzelnen Ableitungen folgendermassen mit den Elektroden verbunden:

• Ableitung I: rechter Arm (rot) - linker Arm (gelb) - rechtes Bein (schwarz) • Ableitung II: rechter Arm (rot) - linkes Bein(gelb) - rechtes Bein (schwarz) • Ableitung III: linker Arm (rot) - linkesBein (gelb) - rechtes Bein (schwarz)

Aufgabenstellung

Leiten Sie bei jeder Probandin und jedem Probanden ein EKG im Liegen nach Art des Cabrera-Kreises ab. Zeichnen Sie die Ableitungen auf. Der Knopf für den Papiervorschub muß während der Aufzeichnungszeit gedrückt gehalten werden.

Auswertung

Kombinieren Sie die einzelnen Ableitungen (je 2 - 3 EKG-Komplexe) durch entsprechende Anordnung (Aufkleben auf ein DIN A 4 - Blatt) zum Cabrera-Kreis. Messen Sie die Höhe einer R-Zacke aus jeder Extremitätenableitung aus. Tragen Sie jeweils die Höhe in mV in das Versuchsprotokoll ein. Der Maßstab beträgt 1cm = 1mV. Zeichnen Sie in ein Kreisdiagramm mit um je 30°versetzten Radien entsprechend der Abb. 4-3 (Cabrera-Kreis) die Größe der R-Zacke in mV für alle Ableitungen des Cabrera-Kreises ein. Verwenden Sie dafür den Maßstab 1 mV = 2 cm.

Versuch 2: Versuchsvorbereitung

Metallelektroden werden mit unterlegten, angefeuchteten Fließpapierstücken (zur Verbesserung des Kontaktes zur Haut) an beiden Hand- und Fußgelenken befestigt. Schalten Sie die Ableitung II:

Ableitung II: rechter Arm (rot) - linkes Bein(gelb) - rechtes Bein (schwarz)

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Elektrokardiogramm 2-14

Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG der Ableitung II unter folgenden Bedingungen ab:

• In Ruhe im Stehen (nur wenige Sekunden) • unmittelbar nach 20 Kniebeugen im Stehen (wenige Sekunden)

Betrachten Sie die Veränderungen im EKG.

Versuch 3: Vorbereitung

Die Versuchsvorbereitungen sind dieselben wie unter Versuch 2. Aufgabenstellung

Leiten Sie bei einer Probandin oder einem Probanden ein EKG der Ableitung II unter folgender Bedingung ab:

• In Ruhe im Liegen über ca. 70 sec bei langer und tiefer Atmung

Zeichnen Sie die Ableitung auf. Der Knopf für den Papiervorschub muß während der Aufzeichnungszeit gedrückt gehalten werden.

Auswertung

Ermitteln Sie exemplarisch aus der 70 sekündigen EKG-Aufzeichnung

• die momentane Herzfrequenz in 1/min durch Auswerten des Abstandes zwischen benachbarten R-Zacken für 15 aufeinander folgende R-R-Abstände;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Anwendung des Prinzips des gleitenden Mittels

über je 5 EKG-Komplexe für 15 aufeinander folgende Perioden;

• die Herzfrequenz in 1/min durch Auszählen (gemittelter Herzfrequenzwert) von 4 x 15 sec Aufzeichnung, 2 x 30 sec Aufzeichnung und 1 x 60 sec Aufzeichnung.

Der Maßstab der EKG-Höhe beträgt 1 mV = 1cm, der Papiervorschub beträgt 2,5 cm = 1 Sekunde.

Versuch 4: Versuchsvorbereitung

Verteilen Sie bei einem Teilnehmer mit möglichst geringer Thoraxbehaarung 7 Klebeelektroden auf der Brustwand (s. Abb. 2-4). Kleben Sie eine Elektrode an die linke Thoraxseite. Bezeichnen Sie die Elektroden in der in Abb. 2-4 angegebenen Form mit Ziffern.

Aufgabenstellung

Schalten Sie verschiedene Ableitungsmöglichkeiten gegen die Elektrode:

0/1 - 0/2 - 0/3 - 0/4 - 0/5 - 0/6

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Elektrokardiogramm 2-15

Die erste Ziffer gibt jeweils diejenige Elektrode an, die mit der roten Klemme des Steckers am Ableitkabel verbunden ist und die zweite Ziffer diejenige, die mit der gelben Klemme verbunden ist. Verbinden Sie die seitlich angebrachte Elektrode mit der schwarzen Klemme des Ableitekabels. Schalten Sie die Ableitung 5/3. Lösen Sie nun bei laufender Aufzeichnung die Elektrode 5 langsam von der Haut ab und beobachten Sie, wie die Aufzeichnung sich verändert (Kontaktstörung). Schalten Sie die Ableitung 6/2. Schneiden Sie nun bei laufender Aufzeichnung das Kabel von Elektrode 2 durch (Kabelstörung). Schalten Sie die Ableitung 6/3. Lassen Sie nun den Probanden bei laufender Aufzeich- nung beide Handinnenflächen mit Unterbrechungen 2-3 mal hintereinander kräftig gegeneinanderpressen (Muskelstörung).

Anmerkungen Versuchen Sie herauszufinden, was der Begriff gleitendes Mittel bedeutet und welche besondere Eigenschaft dieses Maß hat. Suchen Sie in der Literatur Angaben über normale Ruhe-Herzfrequenzen in verschiedenen Altersstufen. Sie werden sicherlich kaum jemals ein klinisches oder medizinisches EKG ableiten. Welche Eigenschaften eines EKG sind deshalb für Sie relativ unwichtig und welche könnten sehr wichtig sein?

Nebenbei Kennen Sie andere psychphysiologische Meßgrößen? Haben Sie eine Vorstellung von einem Lügendetektor? Wissen Sie, in welchen Bereichen der Psychologie häufig psycho-physiologische Untersuchungsmethoden angewandt werden? Welche Gründe könnten auch bei kritischer Einstellung zu psychphysiologischen Methoden für deren Anwendung unter bestimmten Bedingungen sprechen? Warum ist es günstig, eine EKG-Kurve mit Hilfe eines 1 mV-Signals so zu justieren, daß 1 cm Kurvenausschlag einer Spannung von 1 mV entspricht? Glauben Sie, daß man unbedenklich an jedem für Menschen zugänglichen Ort der Welt ein EKG ableiten dürfte? Was könnte einen Herzinfarkt-Patienten veranlassen, zu sagen: "Herr Doktor, machen Sie mir bitte ein EKG, das tut mir immer so gut!"? Aus welchem Anlaß könnte diese Frage hier gestellt sein?

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Lungenfunktion 3

Versuch Nr. 3

Lungenfunktion

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Lungenfunktion 3-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

PFLEGE DES ATHMUNGSPROCESSES

Auf der Athmung, mit deren Hülfe wir die Lebensluft (Sauerstoff) in unser Blut schaffen und die wir nur wenige Minuten missen können, beruht das Leben. Dieses ist sofort gefährdet, sobald wir keine gute athmosphärische Luft zum Athmen haben oder sobald unser Athmungsapparat in seiner Function gestört wird. Es sind deshalb die hauptsächlichsten

REGELN FÜR DAS ATHMEN (1) Man suche stets, und nicht blos bei Tage, sondern auch bei Nacht, eine frische, reine Luft einzuathmen und den (2) Athmungsapparat in gehöriger Ordnung zu halten, vorzugsweise die Lungen vor Krankheit zu schützen.

... Die freie Luft, zumal die sonnige Waldluft, ist das Hauptmittel zur Erhaltung der Gesundheit. Die freie Luft ist es auch, welche die Heilung der meisten Krankheiten unterstützt, und welcher die Badekuren, sowie die Reisen u.s.w. zum allergrößten Theile ihre günstige Wirkung auf Gesunde und Kranke verdanken. Der Mangel freier Luft dagegen in engen, finsteren (besonders Hof=) Wohnungen, in niedrigen, mit Menschen überfüllten Räumen, in dunklen Geschäfts= und Arbeitslokalen, in schmutzigen Hütten und Kellern, der ist es, welcher allmählich ein unheilvolles Siechthum erzeugt, das niemals durch Arzneien, sondern nur durch frische, freie Luft (natürlich neben guter Nahrung) zu heben ist. Am meisten leiden die Kinder durch den Mangel an freier Luft und zwar ebenso im Hause, wie in der Schule. Ein Hauptgesetz für den Menschen, zumal für den zu sitzender Lebensweise gezwungenen ist es: so oft als möglich die freie Luft zu genießen, jedoch mit der Vorsicht, dabei zu große Hitze und Kälte, rauhe Winde und Luftzug, Nässe und Staub zu vermeiden. Gesteigert wird der Vortheil des Luftgenusses um eine Bedeutendes, wenn man im Freien mäßige Körperbewegungen vornimmt und dabei langsam und tief ein= und ausathmet.

... Die Athmungsorgane müssen, wenn die Athmungsthätigkeit ordentlich vor sich gehen soll, stets in gutem Zustande erhalten werden. Von diesen Organen werden aber gerade die wichtigsten, nämlich der Brustkasten und die Lungen, am meisten in ihrem Baue und ihrer Thätigkeit geschädigt. Was den Brustkasten betrifft, so wird dieser sehr häufig in der Entwicklung seiner Weite gehemmt, und zwar gewöhnlich schon von Geburt an, nämlich durch zu festes Einwickeln des Säuglings. Beim weiblichen Geschlechte kann durch das Schnürleibchen, durch straffes Binden der Unterrocksbänder und durch enge Kleider, beim männlichen Geschlechte durch enge Westen und Hosenbunde, durch Turnergürtel, enge Uniformen und Riemenzeug, durch vieles Krumm= und Schiefsitzen (beim Schreiben, Nähen u.s.w.) der Brustkasten in seiner Ausdehnung beeinträchtigt werden. Es geschieht ferner von den Meisten nichts, um den Brustkasten gehörig auszuweiten, was durch gerade Körperhaltung, kräftiges und tiefes Athmen, zweckmäßiges Turnen (besonders Knickstütz-übungen) zu ermöglichen ist. Alles was die Ausbildung des Brustkastens befördert, trägt auch zur Entwicklung der Lunge bei. Die Athmungsmuskeln, welche das Erweitern des Brustkastens besorgen, müssen nicht blos durch kräftige Kost und gute Luft stets ordentlich ernährt, sondern auch durch langsames und tiefes Einathmen geübt werden. Bei blutarmen Personen mit schlaffen kraftlosen Muskeln ist das Athmen bisweilen so erschwert, daß man sie fälschlicher Weise sogar für lungenkrank hält. Die Lungen, als die eigentlichen Luftbehälter und Verjüngungsstätten des Blutes, bedürfen vor Allem der gehörigen Weite, sowie der nöthigen Ausdehnungs= und Zusammenziehungsfähigkeit, wenn sie das Athmen richtig unterhalten sollen. Auch muß der Blutlauf durch dieselben (oder der kleine Kreislauf) stets flott vor sich gehen. Demnach sind die Erfordernisse zum Wohlbefinden der Lunge: ein gut gebauter und gehörig beweglicher Brustkasten, kräftige Athmungsmuskeln und gute reine Luft. Es läßt sich auf die Lunge wolthätiger Einfluß ausüben: durch öfteres, langsames und tiefes Ein= und Ausathmen in reiner Luft (mit Vorsicht vor dem

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Lungenfunktion 3-2

Einathmen herumfliegender Insekten), durch lautes Lesen, durch nicht zu anstrengendes Singen und Blasen von Instrumenten. Auch Lachen, Niesen, Gähnen, Seufzen können die Lungen vorübergehend erleichtern. Vor Krankheiten lassen sich die Lungen dadurch sichern, daß man soviel als möglich nicht nur unreine, schädliche Luft (s. oben), sondern auch gar zu heiße und kalte Luft von ihnen abhält, und zwar ganz besonders bei Nacht im Schlafe. Ferner hat man sich beim Athmen vor dem plötzlichen Wechsel warmer und kalter Luft zu hüten und, wenn man in recht warmer Luft eine Zeit lang geathmet, gesprochen oder gesungen hat, dann in der kalten rauhen Luft nur durch die Nase, nicht durch den Mund zu athmen, oder was noch besser ist, Mund und Nase eine Weile mit einem Tuche (oder einem Respirator) zuzuhalten. Man muß aber nebenbei immer auch noch darauf bedacht sein, den Zufluß des Blutes zu den Lungen nicht widernatürlich zu steigern. Man steigert ihn aber durch Alles, was anhaltendes sehr starkes Herzklopfen und schnelles Athmen veranlaßt, wie übertriebene körperliche Anstrengungen (zu anstrengendes Laufen, Bergsteigen, Tanzen, Turnen), erhitzende Getränke und erregende Leidenschaften u.s.w. Auch starke Erkältungen nach großer Erhitzung, zumal des Rückens, der Achselhöhlen und der Füße, rufen nicht selten Lungenkrankheit hervor. Um sich gegen Erkältungen abzuhärten, gewöhne man sich, aber nur wenn man eine gesunde Lunge hat, an kalte Waschungen und Abreibungen, setze das kalten Baden auch in die kühleren Herbsttage hinein fort, kleide sich im Sommer allmählich immer leichter und scheue nicht gleich die schlechte Witterung. Niemals aber wolle man sich bei Zeichen von schwacher Lunge (bei Husten, Athmungsbeschwerden) abhärten wollen. Erst muß die Krankheit beseitigt werden und dann ist an das Abhärten zu denken, dieses ist aber mit Vorsicht einzuleiten.

BRUSTKRAMPF- oder ASTHMA-KRANKHEITEN Unter Asthma, Brustklemme, Brustkrampf (Ausdrücke, die nur eine Krankheitserscheinung, nicht eine Krankheit bezeichnen), versteht man eine Athemnot (Lufthunger mit sehr beschwerlicher Kurz= und Schwerathmigkeit), die mit heftigen krampfhaften Athembewegungen verbunden ist und zeitweilig (periodisch) in längern oder kürzeren Anfällen (von Minuten, Stunden oder Tagen), meist plötzlich, auftritt. Es äußert sich der Asthma-Anfall durch heftiges Erstickungsgefühl des Patienten, der ängstlich nach Luft hascht, mit vorgebeugtem Körper und zurückgebeugtem Kopfe, sich mit den Händen anklammernd, athmet, wobei sich das ängstliche, verfallene, bleiche oder bläuliche Gesicht verzerrt und die Halsmuskeln anspannen. Das Athmen ist keuchend, mit zischendem, pfeifendem oder rasselndem Geräusch; die Haut kühl; in der Regel gesellen sich Husten und Auswurf (einer dicklichen Masse) hinzu. Bei Kindern rührt das Asthma am häufigsten von einer krampfhaften Verengung der Stimmritze (des Kehlkopfes) her, und diese ist bisweilen eine für sich allein bestehende, zur Zeit den Ärzten noch ganz unerklärliche Erscheinung, während sie manchmal auch bei anderen Hustekrankheiten, wie beim Croup oder Keuchhusten, auftritt, oder auch die Folge vom Eindringen fremder Körper in die Luftwege ist. - Beim Ausbleiben oder Steckenbleiben des Athems (wodurch sich das Asthma bei Kindern charakterisirt) richte man das Kind auf, bespritze Brust und Rücken mit kaltem Wasser, poche und reibe den Rücken, gebe ein Klystier von warmem Wasser und Essig, reibe und bürste Handteller und Fußsohle, stecke den Finger tief in die Mundhöhle und reize zum Husten und Brechen, wende Riech- und Niesmittel an und mache ein warmes Bad. Uebrigens beruhige man das Kind durch Zureden und sonst auf alle Weise. Bei Erwachsenen ist das Asthma in der Regel eine Krankheitserscheinung, welche der widernatürlichen Erweiterung der Lungenbläschen (dem Lungen=Emphysem) zukommt. Doch begleitet dasselbe manchmal auch noch andere Lungenübel, sowie diese und jene Krampf= und Nervenkrankheit. Bei sehr fetten Personen, zumal solchen, welche die Spirituosen lieben, scheint Asthma von der Fettsucht des nicht Herzens und Herzbeutels herzurühren und verlangt deshalb eine gegen die Fettsucht gerichtete Behandlung. Auch pflegt man selten die Schwerathmigkeit (die Brustbeklemmung, den Lufthunger) bei Herzkranken, Lungenschwindsüchtigen, Buckligen, Bleichsüchtigen u.s.w. Asthma zu nennen.... Um den Asthmaanfall abzukürzen, versucht man nach dem Lösen aller beengenden Kleider: Anspritzen mit kaltem Wasser gegen Brust und Rücken, Kitzeln des Rachens (um Brechneigung oder Brechen zu erregen), Einathmen von frischer Luft, von Aether, Chloroform, warme Hand- und Fußbäder, Klystiere, Reibung des Rückens. Starker schwarzer Kaffee, wie Fruchteis sollen manchmal gute Dienste leisten.

Aus: "Gesundheits-Handbuch" (s. S. II)

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Lungenfunktion 3-3

Vorbemerkung Die Lungenatmung erfüllt zwei unterschiedliche, aber miteinander verbundene Aufgaben:

• Sauerstoff (O2) aus der Umgebungsluft wird in den Körper (genauer: ins Blut) aufgenommen.

Da der Organismus über keine nennenswerten Sauerstoffreserven verfügt, ist dieser Teil der Lungenfunktion von vitaler Bedeutung für alle diejenigen Prozesse der Energieversorgung, die auf der Grundlage von Verbrennungsvorgängen (Verbrennung von Wasserstoff aus der Nahrung zu Wasser) ablaufen. Unterbrechung der Lungenatmung kann deshalb nur für sehr kurze Zeiten - Sekunden bis wenige Minuten - überlebt werden. Eingeschränkte Lungenatmung führt zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung aller Funktionen des Organismus.

• Kohlendioxid (CO2) aus dem Stoffwechsel wird an die Umgebungsluft abgegeben. Kohlendioxid, in den wässrigen Körperflüssigkeiten (Blut, Zellplasma, interzelluläre Flüssigkeiten) gelöst, ist eine Säure (Kohlensäure). Die Lungenatmung stellt über die dosierte Abgabe von Kohlendioxid das Gleichgewicht zwischen alkalischen und sauren Substanzen im Organismus, das sogen. "Säure-Basen-Gleichgewicht", ein. Zu starke Lungenatmung - Hyperventilation - verschiebt das Säure-Basen-Gleichgewicht in alkalischer Richtung ("respiratorische Alkalose"). Zu geringe Lungenatmung - Hypoventilation - verschiebt das Säure-Basen-Gleichgewicht in saurer Richtung ("respiratorische Azidose"). Beide Ungleichgewichte, Alkalose und Azidose, führen zu massiven Funktionsstörungen des Nervensystems und des Stoffwechsels. Eine gesunde Lunge verfügt über große Kapazitätsreserven zur Sauerstoffversorgung, die deshalb auch unter wechselnden Bedingungen (z.B. große körperliche Anstrengungen, sauerstoffärmere Höhenluft im Gebirge) kaum gefährdet ist. Störungen der Kohlendioxidausscheidung infolge verstärkter Atmung (psychogene Hyperventilation > "Hyperventilationstetanie"; Mehratmung zur Kompensation des rel. Sauerstoffmangels im Hochgebirge > "Höhenkrankheit") kommen dagegen häufiger vor.

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Lungenfunktion 3-4

Kritische Abschnitte der Lungenfunktion Diffusion

Die Gas-Austauschfläche der Lungen wird durch die Wände der Lungenbläschen ("Alveolen") gebildet. Zwischen den Kapillaren des Lungen-Kreislaufs und der Luft in den Lungenbläschen ("Alveolarluft") befindet sich in diesem Bereich eine im Mittel nur etwa 1/1000 mm dicke Trennschicht, die von O2, CO2, und Wärme durch Diffusion leicht überwunden wird. Die Kontaktzeit zwischen Blut und Luft von weniger als 1 sec reicht aus, um ein fast vollständiges Gleichgewicht von Sauerstoff, Kohlendioxid und Temperatur zwischen Lungenbläschen und Blut zu erreichen. Ist der Gasaustausch gestört, so nimmt das Blut weniger Sauerstoff auf, als in der Alveolarluft bereitgestellt wird, zugleich kann oft keine ausreichende Menge von Kohlendioxid an die Alveolarluft abgeben werden. Solche "Diffusionsstörungen" können mehrere Ursachen haben: Die nutzbare Gas-Austauschfläche kann verringert sein (z.B. durch Zerstörung von Alveolen beim Lungenemphysem), oder die zwischen Luft und Blut zu überwindende Diffusionsstrecke kann verlängert sein (z.B. durch Veränderungen der Alveolarwand bzw. durch Flüssigkeits-ansammlung in den Alveolen oder im Zwischenraum zwischen Alveolen und Blutgefäßen - "Lungenödem"). Diffusionsstörungen der Lungen können mit einfachen Lungenfunktionsprüfungen nicht ermittelt werden!

Perfusion

Für den Gasaustausch ist neben einer ausreichenden Diffusionskapazität auch eine genügende Durchblutung oder Perfusion der Lunge erforderlich: In Lungenabschnitten, die zwar gut belüftet, aber nicht durchblutet sind, kann natürlich auch kein Gasaustausch stattfinden. Ursachen für Perfusionsstörungen können Verschlüsse von Lungenarterien sein ("Lungenembolie"), aber auch ein Versagen der rechten Herzkammer infolge chronischer Überlastung, oder Flüssigkeitsansammlungen im Lungengewebe ("Lungenödem"). Perfusionsstörungen von mehr als geringfügigem Ausmaß kennzeichnen immer einen lebensbedrohlichen Zustand!

Ventilation

Als "Ventilation" bezeichnet man die Belüftung der Lunge, also den Luftwechsel zwischen Alveolarluft und Außenluft. Eine ausreichende Belüftung setzt koordinierte Bewegungen des Brustkorbs und des Zwerchfells und unbehindert passierbare Luftwege voraus. Das Lungengewebe muß beweglich genug sein, sich durch Ausdehnung und elastische Kontraktion dem veränderlichen Volumen des Brustkorbs anzupassen. Durch mangelnde Beweglichkeit des Brustkorbs und des Lungengewebes können die Atembewegungen erheblich eingeschränkt sein; man spricht dann von restriktiven Ventilationsstörungen. Sie beruhen oft auf einer Lungenfibrose, d.h. herdförmigen oder diffusen Einlagerungen von Bindegewebe ins Lungengewebe (z.B. bei der Steinstaub-Lunge - Silikose - , oder nach Reizgaseinatmung, z.B. von Chlorgas). Auch narbige Verwachsungen von Lunge und Brustfell und Bewegungsbehinderungen der Brustkorbwand (z.B. bei Wirbelsäulenverkrümmungen) können Ursache einer restriktiven Ventilationsstörung sein. Obstruktive Ventilationsstörungen bestehen in einer Erhöhung des Strömungswiderstandes in den Atemwegen, bevorzugt in den kleinsten Bronchien und Bronchiolen. Häufigste Ursachen sind chronische Bronchitis, Bronchialasthma und Lungenemphysem (bei dem

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Lungenfunktion 3-5

demnach, wie bei manchen anderen Lungenerkrankungen auch, Diffusionsstörungen und Ventilationsstörungen nebeneinander bestehen können).

Psychophysiologie der Atmung

Psychophysiologische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Atmung konzentrieren sich u.a. auf folgende Problembereiche:

• Veränderungen der Atmung als Folge von Änderungen des Aktivierungsniveaus • Atmung und Sprechen • Psychogene Hyperventilation • Bronchialasthma • Respiratorisches Biofeedback • Störungen der Atmung im Schlaf

Literaturhinweise Birbaumer, N., und R.F. Schmidt: Biologische PsychologieBerlin etc., Springer 3. Aufl. 1996, S. 195-

216 Comroe, J.H., R.E. Forster, A.B. Dubois, W.A. Briscoe und E. Carlsen:The Lung – Clinical

Physiology and Pulmonary Function Testing Chicago, Year Book Med. Publishers 2/1970 v. Euler, C., and M. Katz-Salamon (Eds.): Respiratory Psychophysiology. New York, Stockton Press

1988 Schmidt, R.F, und G. Thews: Physiologie des Menschen.Berlin etc., Springer 26. Aufl. 1995, S. 565 -

640 Thews, G., E. Mutschler und P. Vaupel: Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Menschen.

Stuttgart, Wiss. Verlagsges. 3/1989, S. 217-244 Ulmer, W.T., G. Reichel, D. Nolte und M.S. Islam: Die Lungenfunktion. Stuttgart/New York, Thieme

4 Aufl. 1986

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Lungenfunktion 3-6

Zum Versuch Für die Lungenfunktionsprüfung stehen 3 Meßplätze zur Verfügung:

1. Spirometer "Expirograph Godart"

2. Spirometer „Vicatest“

3. Lungenfunktionsmeßplatz "Custovit“

An den verschiedenen Lungenfunktionsmeßplätzen können folgende Parameter der Lungenfunktion

bestimmt werden:

1. Atemzug-Volumen (VT, ml); mit einem einzelnen Atemzug ein- oder ausgeatmete Luftmenge.

2. Atemfrequenz (F, 1/min);

Häufigkeit der Atemzüge in einer Minute. 3. Atem-Minuten-Volumen (V, ml/min oder l/min);

in einer Minute ein- oder ausgeatmete Luftmenge. 4. Vitalkapazität (VC, ml);

das größtmögliche Atemzugvolumen bei Ein- oder Ausatmung. 5. Inspiratorisches Reservevolumen (IRV, ml);

Differenz zwischen der Einatem-Stellung bei Ruheatmung und der extremen Einatemstellung. 6. Exspiratorisches Reservevolumen (ERV, ml);

Differenz zwischen der Ausatem-Stellung bei Ruheatmung und der extremen Ausatemstellung. 7. Sekundenkapazität (FEV, ml/sec oder % VC);

mit maximaler Anstrengung in 1 sec ausatembare Luftmenge, entweder als absolutes Volumen oder als prozentualer Anteil der Vitalkapazität. Die Abkürzung FEV bezieht sich auf den englischen Ausdruck "Forced Expiratory Volume".

8. Maximale Atemstromstärke (PEF, l/sec);

Größte Atemstromstärke - Peak Expiratory Flow - die während der forcierten Ausatmung (s.o. 7) erzielt wird.

9. Maximale Atemstromstärke (MEF 75, MEF 50, MEF 25; l/sec);

Größte Atemstromstärke - Maximum Expiratory Flow -, die bei forcierter Ausatmung erzielt wird, wenn noch 75 (50, 25) % der forcierten Vitalkapazität sich in der Lunge befinden.

10. Atemgrenzwert (AGW oder MVV, l/min);

maximales Minuten-Volumen, das bei größter Anstrengung durch tiefe und schnelle Atmung über 10-15 sec erzielt werden kann. Die Abkürzung MVV bezieht sich auf den englischen Ausdruck "Maximum Voluntary Ventilation".

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Lungenfunktion 3-7

Eine besondere diagnostische Bedeutung haben von diesen Parametern

Vitalkapazität (VC)

Sekundenkapazität (FEV)

Maximale Atemstromstärke (PEF)

Atemgrenzwert (AGW)

Die Vitalkapazität (VC) ist ein Maß für das funktionell nutzbare Lungenvolumen. Sie wird ermittelt entweder durch extreme Ausatmung und daran anschließend extreme Einatmung (Inspiratorische Vitalkapazität, IVC) oder durch extreme Einatmung und daran anschließend extreme Ausatmung (Exspiratorische Vitalkapazität, EVC). Die VC ist abhängig von der Körpergröße, vom Geschlecht und vom Lebensalter. Sie ist meist stark verringert bei restriktiven Ventilationsstörungen und oft mäßig verkleinert bei obstruktiven Ventilationsstörungen. Die Sekundenkapazität (FEV) ist ein indirektes Maß für die Durchlässigkeit der Luftwege. Zu ihrer Bestimmung wird extrem ein- und anschließend mit größtmöglicher Geschwindigkeit vollständig ausgeatmet. Innerhalb der ersten Sekunde der forcierten Ausatmung sollen mindestens 70 % der Vitalkapazität ausgeatmet werden. Die Sekundenkapazität ist oft mäßig verringert bei restriktiven oder als Spätfolge nach obstruktiven Ventilationsstörungen (Asthma); bei akuten obstruktiven Erkrankungen (Asthma, Lungen-Emphysem, Bronchitis) kann sie stark eingeschränkt sein. Peak Expiratory Flow und Maximum Expiratory Flow zeigen empfindlicher als z.B. die Sekundenkapazität Ventilationsstörungen an. Alle diese Werte sind bei obstruktiven Erkrankungen in Abhängigkeit von der Schwere der Obstruktion mehr oder weniger stark verringert, können aber auch als Folge restriktiver Störungen oder einer Leistungsschwäche der Atemmuskulatur eingeschränkt sein. Das für die Bestimmung dieser Parameter notwendige Atemmanöver wurde im Zusammenhang mit der Bestimmung der Sekundenkapazität bereits beschrieben. Der Atemgrenzwert (AGW, MVV) gibt einen Hinweis auf die funktionelle Leistungsbreite der Lungenatmung. Er wird durch spontane Maximalatmung über 10-15 sec ermittelt (später wird auf 1 min umgerechnet). Bei obstruktiven Ventilationsstörungen ist der Atemgrenzwert oft stark eingeschränkt; bei restriktiven Störungen können nahezu normale Werte gelegentlich durch "Hechelatmung" erzielt werden; flache und besonders schnelle Atmung soll bei der Durchführung dieses Atemmanövers deshalb vermieden werden. Vicatest und Custovit zeigen für viele dieser Parameter „Sollwerte“ an; für den Expirograph liegen solche „Sollwerte“ in Tabellenform vor. Sie entstammen in der Regel umfangreichen Reihenuntersuchungen der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)“, die sich mit der Diagnostik der Lungenfunktion wegen des Problems der Steinstaub-Lunge (Silikose) im Bergbau intensiv beschäftigt hat. Achtung: Die Versuche zur Lungenfunktionsprügung sind alle relativ kompliziert. Um zuverlässige Ergebnisse zu bekommen, sind Erfahrung im Umgang mit Probandinnen/Probanden und in der Handhabung der aufwendigen Technik notwendig. Solche Untersuchungen funktionieren deshalb nur unter Anleitung und Supervision durch eine routinierte Versuchsleiterin /einen Versuchsleiter.

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Lungenfunktion 3-8

Abb. 3-1: Funktionsschema eines ventillosen Glockenspirometers Versuchsdurchführung "Expirograph" Vorbereitung

Die Probandin/der Proband ist über ein Mundstück an ein geschlossenes, sauerstoffgefülltes Atemsystem (Spirometer, Schläuche, CO2-Absorber, 3-Wege-Hahn, Umwälzpumpe; s. Abb. 3-1) angeschlossen. Sie bzw. er atmet aus diesem System ein und in das System aus. Dabei wird das ausgeatmete CO2 mittels Atemkalk absorbiert, der verbrauchte Sauerstoff durch Zufuhr aus einer Flasche ersetzt. Die bewegliche Glocke folgt den Atembewegungen und zeichnet diese dabei über ein Schreibsystem auf Registrierpapier auf (Spirogramm, s. Abb.3-2). Der Sauerstoffverbrauch der Probandin/des Probanden wird durch Zugabe von Sauerstoff aus einer Vorratsflasche kompensiert.

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Lungenfunktion 3-9

Abb. 3-2: Aufzeichnung von Atembewegungen (Spirogramm).

Das Spirometer wird für jede Probandin/jeden Probanden mit desinfizierten Schläuchen, 3-Wege-Hahn und Mundstück versehen. Zu Beginn des Versuchs wird das Spirometer zu etwa 2/3 mit Sauerstoff gefüllt; während des Versuchs wird zur Kompensation des Sauerstoffverbrauchs ein Sauerstoff-Zustrom von 200-300 ml/min eingestellt. Meßtemperatur (Temperatur im Wasserbad der Spirometerglocke) und Luftdruck (Barometer) werden auf dem Registrierpapier vermerkt. Die spirometrischen Untersuchungen werden im Stehen durchgeführt; Hahn und Mundstück sollen so justiert werden, daß über einige Minuten bequemes Stehen möglich ist. Die Nasenat-ung wird mit einer Nasenklemme unterbunden.

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Lungenfunktion 3-10

Durchführung

1. Ruheatmung

Nach Gewöhnung an das Atemsystem wird das Spirogramm (s. Abb. 3-3) aufgezeichnet. Der Vorschub des Registrierpapiers wird dabei auf 60 mm/min eingestellt. Es soll eine möglichst gleichmäßige, im Mittel horizontal verlaufende Kurve entstehen (ggf. Korrektur der O2-Zufuhr).

2. Vitalkapazität

Nach einigen ruhigen Atemzügen wird die Probandin/der Proband aufgefordert, ein einziges Mal so tief wie möglich einzuatmen und anschließend so tief wie möglich auszuatmen. Danach soll wieder ruhig weitergeatmet werden. Dieses Manöver soll 2x wiederholt werden.

3. Sekundenkapazität (FEV) und forcierte Vitalkapazität (FVC), PEF und MEF

Nach einigen ruhigen Atemzügen wird die Probandin/der Proband erneut aufgefordert, so tief wie möglich einzuatmen. Während der tiefen Einatmung wird der Vorschub des Registrierpapiers auf 1200 mm/min umgestellt. Nach der maximalen Einatmung soll so schnell wie möglich und so tief wie möglich ausgeatmet werden. Das Manöver wird ebenfalls 2x wiederholt. Zwischen den Atemstoß-Versuchen sollen jeweils einige ruhige Atemzüge liegen; in dieser Zeit wird wieder mit 60 mm/min registriert.

4. Atemgrenzwert

Wiederum nach einigen ruhigen Atemzügen wird die Probandin/der Proband aufgefordert, über einige (10-15) Sekunden mit größter Anstrengung schnell und tief zu atmen. Die Registriergeschwindigkeit wird in dieser Zeit auf 1200 mm/min eingestellt.

Vorsicht: Infolge des CO2-Verlustes durch die Hyperventilation kann es der Probandin/dem Probanden schwindelig werden.

Menschen mit Neigung zu Tetanie, Muskelkrämpfen oder Kreislauf-Kollaps (Ohnmacht) sollen dieses Manöver nicht durchführen. Auswertung

Hier wird zunächst die Auswertung des im Versuch entstandenen Spirogramms „zu Fuß“, d.h. durch Ausmessen der Kurvenaufzeichnung, beschrieben. Im Praktikum ist das Meßgerät mit einem Computer gekoppelt, der die Auswertung automatisch vornimmt. Man/frau kann aber das Ergebnis durch Handauswertung überprüfen. Für die Handauswertung stehen Schablonen zur Verfügung, die die Arbeit erleichtern.

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Lungenfunktion 3-11

• Aus 10 Atemzügen der Ruhe-Atmung zu Beginn des Versuchs sollen das mittlere Ruhe-

Atemzugvolumen (VT, ml), die AtemFrequenz (F, 1/min) und das Atemminutenvolumen (V, l/min) bestimmt werden unter Verwendung des auf dem Registrierpapier angegebenen Eichfaktors und unter Berücksichtigung der Registriergeschwindigkeit von 60 mm/sec.

• Die Vitalkapazität wird aus den Manövern mit tiefer Ein-und Ausatmung (3x ruhig, 3x forcierte

Ausatmung) ermittelt als Abstand zwischen der tiefsten Einatem- und der tiefsten Ausatemstellung. Aus je 3 Versuchsdurchführungen wird der jeweils größte Wert, nicht der Mittelwert verwendet.

• Die ruhig durchgeführten Manöver ergeben die exspiratorische Vitalkapazität (EVC), die

Atemstoß-Manöver die forcierte Vitalkapazität (FVC). Zur Bestimmung der Sekundenkapazität geht man folgendermaßen vor:

• Zunächst wird auf der Kurve für die forcierte Ausatmung der exakte Beginn der schnellen Ausatmung markiert.

• Anschließend wird auf der Kurve der Punkt markiert, der genau 1 sec nach Beginn derAusatmung (=20 mm in Registrier-Richtung) erreicht wurde.

• Der vertikale Abstand zwischen den beiden Markierungspunkten ist die Sekundenkapazität. Sie wird als Absolutwert (in ml) und als prozentualer Anteil der Vitalkapazität angegeben. Ausgewertet wird wiederum der größte in 3 Wiederholungen erzielte Wert.

Zur Bestimmung des Atemgrenzwertes werden in der Phase der maximalen Hyperventilation die Atemzugvolumina von sovielen Atemzügen bestimmt, daß eine Zeitspanne von 10-15 sec berücksichtigt wird. Aus der Größe der Atemzüge und dem genauen Zeitbedarf wird auf 1 Minute hochgerechnet.

Korrekturen Spirometrie ist in erster Linie eine Bestimmung von Gas-Volumina. Gase haben allerdings die Eigenschaft, ihr Volumen in Abhängigkeit von Druck und Temperatur zu verändern (zur Erinnerung an den Physikunterricht: "Gasgesetze"). Zudem ist in einem Gas, das in Kontakt zu Wasser steht, in Abhängigkeit von Druck und Temperatur unterschiedlich viel Wasserdampf enthalten. Die Meßergebnisse, die mit der Spirometrie gewonnen wurden, entsprechen den physikalischen Bedingungen (Druck, Temperatur, Wasserdampfgehalt) im Spirometer (Ambient Temperature, Pressure, Saturated = ATPS). Es interessieren jedoch die Gasvolumina in der Lunge (Body Temperature, Pressure, Saturated = BTPS). Die Gasgesetze erlauben es, von den einen auf die anderen Bedingungen umzurechnen; das geschieht in Form einer Korrektur, indem die gemessenen Volumina (VT, V, EVC, FVC, FEV, AGW) mit einem druck- und temperaturabhängigen Korrek-turfaktor multipliziert werden. Das ist der Grund, weshalb zu Beginn des Versuches Luftdruck und Spiro-metertemperatur abgelesen wurden. Die zu verwendenden Korrekturfaktoren finden sich in Tab. 3-1. Im Anschluß an jeden Versuch werden die Meßwerte ausgedruckt.

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Lungenfunktion 3-12

Versuchsdurchführung "Vicatest" Der Vicatest ist ebenfalls ein ventilloses Glockenspirometer, dessen Glocke aber nicht durch ein Wasserbad, sondern durch eine flexible Silikon-Membran abgedichtet ist. Ferner absorbiert das Gerät nicht das ausgeatmete Kohlendioxid und ersetzt auch nicht den verbrauchten Sauerstoff. Deshalb kann mit diesem Gerät nicht kontinuierlich geatmet werden: Der Versuch muß nach den einzelnen Atemmanövern unterbrochen und die Spirometerglocke wieder mit Frischluft gefüllt werden. Vorbereitung

Das Meßgerät wird für jede Probandin/jeden Probanden mit einem neuen Atem-schlauch und einem frischen Pappmundstück versehen. Die Spirometerglocke wird (von Hand) etwa zur Hälfte mit Frischluft gefüllt. Alle Untersuchungen werden im Stehen durchgeführt; während der einzelnen Atemmmanöver muß die Nasenatmung von Hand oder durch eine Nasenklemme unterbunden werden. Vor Beginn der Untersuchungen werden einige Personendaten (Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht) abgefragt; diese Angaben dienen der Ermittlung der „Sollwerte“ (s.o.)

Durchführung

Der Versuchsablauf wird durch ein „Menu“ auf dem Bildschirm des angeschlossenen Computers gesteuert. Die zur Ermittlung der verschiedenen Lungenfunktions-Parameter erforderlichen Atemmanöver werden jeweils durch den Versuchsleiter/ die Versuchsleiterin aufgerufen. Jedes Atemmanöver beginnt mit einer Phase der Ruhe-Atmung, bis ein Piepton anzeigt, daß das Gerät die Ausgangslage erfolgreich ermittelt hat. 1. (Exspiratorische) Vitalkapazität

Nach dem Piepton erfolgt - in aller Ruhe - eine extrem tiefe Einatmung, an die sich - wiederum in aller Ruhe - eine extrem tiefe Ausatmung anschließt. Das Manöver kann mehrfach wiederholt werden; in der Auswertung erscheint der maximale in einem Manöver erzielte Wert.

2. Forcierte Ausatmung (FEV, FVC, PEF, MEF)

Nach dem Piepton erfolgt - in aller Ruhe - eine extrem tiefe Einatmung, an die sich eine möglichst schnelle, extrem tiefe Ausatmung anschließt. Auch diese Manöver sollte zweimal wiederholt werden.

3. Atemgrenzwert (AGW, MVV)

Nach dem Piepton soll versucht werden, durch besonders schnelle und tiefe Atmung unter größter Anstrengung über mehrere Sekunden eine „Maximalatmung“ zu produzieren.

Sämtliche Meßwerte werden anschließend ausgedruckt.

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Lungenfunktion 3-13

Versuchsdurchführung "Custovit" Der Custovit ist ein Meßgerät, daß nach dem Differenzdruck-Prinzip arbeitet (s. Abb. 3-3): Ein- und ausgeatmet wird durch ein kurzes Rohr, in dem sich ein künstlicher Widerstand in Form eines Drahtnetzes befindet. Wenn Luft durch das Rohr strömt, entsteht vor dem Drahtgitter durch Stau ein höherer, dahinter ein niedrigerer Luftdruck. Die Druckdifferenz ist der Strömungsgeschwindigkeit der Luft proportional. Ein in das Gerät eingebauter Computer errechnet aus den Druckdifferenz-Werten verschiedene Parameter der Lungenfunktion. Mit dem Custovit können - mit Ausnahme des Atemgrenzwertes - alle oben angegebenen Parameter bestimmt werden, die Vitalkapazität allerdings nur inspiratorisch (IVC). Ein weiterer Parameter kommt hinzu: Oszillatorischer Atemwegswiderstand (ROS, kPa/l/sec) Widerstand, den die Luftwege der strömenden Luft entgegensetzen. "Oszillatorisch" bezieht sich auf die Technik, mit der dieser Wert gemessen wird: Die Messung des Oszillatorischen Atemwegswiderstandes (ROS) erfordert ein Zusatzgerät am Custovit: An das Atemmundstück wird ein Schlauch angeschlossen, der einen definierten Strömungswiderstand für Luft ("Referenzwiderstand") darstellt. In der Nähe des Mundes wird ein winziger, pulsierender ("oszillierender") Luftstrom eingeblasen, der sich entsprechend den Widerständen der Luftwege und des Schlauches zwischen den beiden Abschnitten verteilt. Dies kann als ("oszillierende") Druckdifferenz gemessen werden. Der Atemwegswiderstand zeigt - wenn er erhöht ist - obstruktive Veränderungen an; durch Vergleich von während der Einatmung und während der Ausatmung gewonnenen Werten kann sogar zwischen verschiedenen Formen der Obstruktion (z.B. Lungenemphysem oder Asthma) unterschieden werden.

Abb. 3-3: Meßaufnehmer nach dem Differenzdruck-Prinzip (Custovit)

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Lungenfunktion 3-14

Vorbereitung Vor jeder Untersuchung werden Geschlecht, Geburtsdatum, Größe und Gewicht der Probandin/des Probanden zur Ermittlung der „Sollwerte“ eingegeben. Luftdruck und Lufttemperatur werden vom Gerät automatisch berücksichtigt; die Ergenisse werden als „BTpS“-Werte (s.o.) ausgegeben. Der Meßkopf des Gerätes wird für jede Probandin/jeden Probanden mit einem desinfizierten Meßwiderstand und mit einem frischen Pappmundstück versehen. Die Untersuchungen werden im Stehen durchgeführt, die Probandin/ der Proband hält dabei den Meßkopf selbst in der Hand. Die Nasenatmung wird mit einer Nasenklemme unterbunden.

Durchführung Auch der Custovit ist ein computergesteuertes Meßsystem, das einzelne, jeweils abgeschlossene Atemmanöver erfordert. Vor jedem Atemmanöver darf einige Sekunden nicht durch das Meßrohr geatmet werden, damit das Gerät seine „Null-lage“ finden kann. Ein erster Piepton zeigt dann Meßbereitschaft an. Jedes Atemmanöver beginnt mit einige ruhigen Atemzügen, bis auch hier ein Piepton die richtig erkannte Ausgangslage anzeigt.

1. Inspiratorische Vitalkapazität (IVC)

Nach dem Piepton wird - in aller Ruhe - so tief wie möglich aus- und anschließend - wiederum in aller Ruhe - so tief wie möglich eingeatmet. 2 Meßwiederholungen.

2. Forcierte Ausatmung (FEV, PEF, MEF) Nach dem Piepton - in aller Ruhe - möglichst tief einatmen; anschließend so schnell wie möglich und so tief wie möglich ausatmen. 2 Meßwiederholungen.

3. Oszillatorischer Atemwegswiderstandes (ROS)

Für diese Messung muß zunächst der Schlauch mit dem Referenzwiderstand auf den Meßkopf gesteckt und die Pumpe für den oszillierenden Luftstrom eingeschaltet werden. Nach dem Piepton führt die Probandin/der Proband eine deutlich tiefere Einatmung mit anschließender, tiefer Ausatmung aus. 2 Meßwiederholungen.

Alle Meßwerte werden ausgedruckt.

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Lungenfunktion 3-15

Beurteilung

Die im Rahmen der Lungenfunktionsprüfung ermittelten Daten erlauben es, Aussagen über Eigenschaften der gesunden Lunge (Größe, Leistungsbreite, Atemwegswiderstand) zu machen und restriktive oder obstruktive Ventilationsstörungen zu unterscheiden. Solche Untersuchungen dienen z.B. der Erkennung und der Verlaufs- bzw. Therapiekontrolle von Erkrankungen (chronische Bronchitis, Asthma, Lungenemphysem), der Identifizierung von Allergenen (z.B. Provokation von Kontraktionen der Bronchial-muskulatur durch Allergen-Inhalation) und von psychosozialen Auslösern. Asthma-Patienten führen Lungenfunktionsprüfungen in vereinfachter Form mit unkompliziert handhabbaren Geräten ("Peak Flow Meter") selbst durch und können so z.B. die Wirksamkeit von Entspannungstraining oder den Einfluß von Allergenbelastungen der Atemluft und den aktuellen Medikamentenbedarf kontrollieren.

Nebenbei Warum sind Atmungsfunktionen vor allem bei Kindern und Jugendlichen, aber in sehr viel geringerem Ausmaß bei Erwachsenen trainierbar? Warum werden zur Bestimmung von VC, FVC, FEV u.s.w. jeweils die höchsten in drei Versuchen erzielten Werte und nicht die Mittelwerte benutzt? Warum wird das Manöver zur Messung des Atemgrenzwertes nur über 10-15 sec und nicht über eine volle Minute ausgeführt? Welche äußeren, körperlichen Merkmale eines Menschen geben Hinweis auf eine deutlich eingeschränkte Atmungsfunktion? Welche Funktion ist gestört, wenn ein Mensch unter körperlicher Belastung "aus der Puste gerät"? Exkurs Bei der Untersuchung organischer und/oder psychosomatischer Erkrankungen der Lunge sind Lungenfunktionsprüfungen (z.T. sehr viel belastendere Verfahren als die hier im Praktikum angewandten) unverzichtbar. Will man andere psychophysiologische Fragestellungen untersuchen, z.B. den Zusammenhang zwischen Atmen und Sprechen, würden die für die Lungenfunktionsprüfungen benutzten Apparaturen und die Atmung durch Mundstücke erheblich behindern. In solchen Fällen benutzt man deshalb Untersuchungsmethoden, die das Sprechen und die freie Beweglichkeit gar nicht oder kaum beeinträchtigen, wie z.B. um den Brustkorb gelegte, dehnungsempfindliche Gürtel, Thermofühler im Luftstrom der Nase, oder auf den Brustkorb geklebte EKG-Elektroden, mit deren Hilfe die im Atmungsrhythmus schwankende, elektrische Impedanz des Thorax gemessen wird. Entsprechende Geräte stehen im Biomedizinischen Labor zur Verfügung. Solche Techniken liefern zeitgetreue Aufzeichnungen der Atem-Bewegungen, aber keine genauen (höchstens halbquantitativ interpretierbare) Werte für die Atem-Volumina. Das reicht meist aus, um die skizzierten Fragestellungen zu untersuchen.

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Lungenfunktion 3-16

Tab. 3-1: Korrekturfaktoren zur Umrechnung von spirometrisch ermittelten Gasvolumina auf Körperbedingungen (BTPS)

Barometerdruck (mmHg) Spirometer-

temperatur °C

730-739

740-749

750-759

760-769

770-779

780-789 14.0 - 14.9 1.133 1.132 1.131 1.130 1.130 1.129 15.0 - 15.9 1.127 1.127 1.126 1.125 1.124 1.124 16.0 - 16.9 1.122 1.121 1.121 1.120 1.119 1.119 17.0 - 17.9 1.117 1.116 1.115 1.115 1.114 1.113 18.0 - 18.9 1.111 1.111 1.110 1.109 1.109 1.108 19.0 - 19.9 1.106 1.105 1.105 1.104 1.104 1.103 20.0 - 20.9 1.101 1.100 1.099 1.099 1.098 1.098 21.0 - 21.9 1.095 1.095 1.094 1.093 1.093 1.092 22.0 - 22.9 1.090 1.089 1.088 1.088 1.087 1.087 23.0 - 23.9 1.084 1.083 1.083 1.082 1.082 1.081 24.0 - 24.9 1.078 1.078 1.077 1.077 1.076 1.076 25.0 - 25.9 1.073 1.072 1.072 1.071 1.071 1.070 26.0 - 26.9 1.067 1.066 1.066 1.065 1.065 1.065

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Audiometrie 4

Versuch Nr. 4

Audiometrie

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Audiometrie 4-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

Der "GEHÖRSINN" Unser Gehörsinn kann durch unsere Mitmenschen bisweilen so lange und auf solche Weise incommodirt werden, daß man bei den stärksten Nerven endlich nervös werden muß. Abgesehen von ganz unnützen und unangenehmen Geräuschen, die Manche in Gesellschaft zu ihrem Vergnügen oder zum Herbeirufen der Dienerschaft machen, so pflegen Viele beim Essen und Trinken, Naseputzen und Athmen widerwärtige Töne von sich zu geben. Eltern können gar nicht zeitig genug ihren Kindern derartige Unarten abgewöhnen. 1) Das Ausstochern der Zähne, was allerdings zur Entfernung der Speisereste aus der Mundhöhle nöthig ist, geschieht bisweilen so lange und so auffallend, mit einem so zwitschernden Geräusche, daß es ganz unerträglich wird. Es ist überhaupt dieses Ausstochern während des Essens zu einer sehr unappetitlichen Mode geworden. 2) Das Matschen oder Schmatzen beim Essen und laute Schlürfen beim Trinken sind Geräusche, die gerade auch nicht zu den Vergnügungen des Gehörsinnes gehören. 3) Ueber das Schnüffeln, Schnieben, Rülpsen, Raksen und Spucken freut sich das Ohr auch nicht. Aus: "Gesundheits-Handbuch" (s. S. II)

FREMKÖRPER IN OHREN Die vermehrte Absonderung des Ohrenschmalzes braucht nicht immer von Störungen begleitet zu sein. Solange die überschüssige Menge regelmäßig entfernt wird, bleiben sie aus und erscheinen erst, wenn es zu einer übermäßigen Anhäufung kommt. Lange Zeit, Monate und auch Jahre vergehen, ehe die betreffenden Personen irgendwelche Unannehmlichkeiten von ihren Ohrenschmalzpfröfchen empfinden. Diese sind meist äußerst hart und reichlich mit Haaren durchsetzt. Nicht selten findet man in ihnen kleine Wattekügelchen oder andere Fremdkörper. Erst wenn der Gehörgang völlig verschlossen wird, oder wenn beim Bohren mit Ohrlöffeln und anderen Instrumenten der Pfropf gegen das Trommelfell gedrückt wird, treten Beschwerden ein. Mitunter gibt ein Bad die Veranlassung zum völligen Verschluß, zum plötzlichen Auftreten von Beschwerden, indem eindringendes Wasser die angehäuften Ohrschmalzmassen aufquellen läßt.Die betreffenden Personen klagen zuweilen nur über ein Gefühl der Völle, über ein Verlegtsein des Gehörganges, bei nur geringer Abnahme des Hörvermögens. Wenn aber der Gehörgang völlig verschlossen ist, oder der Pfropf einen Druck auf das Trommelfell ausübt, dann kommt es zu hochgradiger Schwerhörigkeit und zu eigenartigen subjektiven Geräuschen, wie lautes Brausen u.s.w.

... Fremdkörper des Ohres geraten zufällig oder absichtlich von außen in das Ohr. Ihr Hauptsitz ist der äußere Gehörgang. Man trifft die wunderbarsten Dinge unter den Fremdkörpern, wie Watte und Papierkugeln, Kirschkerne, Erbsen, Bohnen und Linsen, Kaffeebohnen, Gewürzkörner, Haferkörner, Steinchen und Perlen, Stücke von Zwiebeln, Knoblauch, Blätter, Kautabak, Speck, Bernstein, Schwefelholzstückchen, bleierne Bleistiftknöpfchen, abgebrochene Stücke von Puppenhaarnadeln, Ohrringen u.a.m. Besonders Kinder haben eine Vorliebe dafür, im Spiel allerlei Gegenstände sich ins Ohr zu stecken. Aber auch Erwachsene bringen teils aus Gedankenlosigkeit, teils zu Heilzwecken, z.B. gegen Zahnschmerzen, alle möglichen Dinge ins Ohr, vor allem die allbeliebte Watte. Solche Fremdkörper können viele Jahre lang im Gehörgang liegen bleiben, ohne ihre Anwesenheit irgendwie zu verraten. Selbst spitze Gegenstände können ohne erhebliche Verletzung im Ohr liegen, wenn sie nicht durch unzweckmäßige Maßnahmen tiefer ins Ohr hineingestoßen werden. Namentlich nach vorausgegangenen rohen Versuchungen, die Gegenstände herauszuziehen, welche meist fruchtlos verlaufen, treten Schmerzen, Entzündung und Fieber auf. Die erste Hauptsache ist, daß ein Fremdkörper ohne Gewalt entfernt wird. Mitunter geben die Kranken an, es sitze etwas im Ohr und versuchen aufs Geratewohl den vermuteten Körper zu entfernen. Wenn daher eine Vermutung in dieser Beziehung bestehen kann, ist es zweckmäßig, das Ohr vom Arzte mittels Ohrtrichter und Beleuchtungsspiegel untersuchen zu lassen, um dann erst die Maßnahmen zur Entfernung anzuschließen.

...

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Audiometrie 4-2

Subjektive Gehörsempfindungen nennt man eine Anzahl von Geräuschen, welche bei Ohrkranken vorkommen und durch eine krankhafte Reizung der Hörnerven bedingt werden, ohne daß außerhalb eine Schallquelle sich befindet: Sausen, Brausen, Zischen, Summen, Pfeifen, Klopfen, Klingen, Brummen, Rauschen, Knacken usw. Mitunter belästigen diese Ohrgeräusche den Kranken gar nicht, so lange er dem gewöhnlichen Tageslärm ausgesetzt ist und treten erst abends, wenn es in der Umgebung still geworden ist, in störender Weise hervor. Bei manchen Personen steigern sie sich bei feuchtem Wetter, um bei eintretender trockener Witterung wieder nachzulassen. Manche Schwerhörige werden lediglich durch das Ohrensausen belästigt. Manchmal verstärken geistige oder körperliche Anstrengungen, Gemütserregungen die Geräusche. Bei Frauen nehmen sie zur Zeit der Periode, in der Schwangerschaft und in den Wechseljahren erheblich zu, während sie vorher unbedeutend und wenig beachtet waren und auch nachher sich verringern.

... Aus: "Hausschatz" (s. S. II)

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Audiometrie 4-3

Vorbemerkung Als Audiometrie bezeichnet man die Untersuchung der menschlichen Hörfähigkeit. Die dafür benutzten Meßgeräte heißen Audiometer. Die Anlässe für die Durchführung solcher Untersuchungen liegen auf der Hand: Angesichts der Bedeutung der sprachlichen (verbalen) Kommunikation für Menschen, der verbreiteten Verwendung akustischer Signale im beruflichen und außerberuflichen Alltag und der individuellen und sozialen Funktion von Musik ist eine Einschränkung der Hörfähigkeit als erhebliche Behinderung einzustufen; die sehr schwierigen Lebensbedingungen hörbehinderter und gehörloser Menschen machen dies unmittelbar einsichtig. Die Audiometrie zählt bei Menschen mit beeinträchtigter Hörfähigkeit zu denjenigen diagnostischen Maßnahmen, mit deren Hilfe die Art des Schadens (z.B. Mittelohr-schwerhörigkeit oder Innenohrschwerhörigkeit) identifiziert und geeignete Behandlungsformen ausgewählt werden können. Lärm ist zweifellos - wenn auch nicht nach einem einfachen Wirkungsschema - zumindest in Industriegesellschaften einer der verbreitetsten Stressoren, der neben körperlichen Auswirkungen zahlreiche (in der Regel negative) Folgen im psychophysischen und psychosozialen Befinden und Verhalten auslösen kann. Die berufliche und außerberufliche Lärmbelastung vieler Menschen ist seit dem Beginn der hochmechanisierten Produktion und der Zunahme des Straßenverkehrs beträchtlich angestiegen. Seit bekannt ist, daß durch Lärmexposition Hörschäden entstehen, gewinnt (neben präventiven - lärmverhindernden -Maßnahmen) die Audiometrie an Bedeutung z.B. in der Arbeitsmedizin. In solchen Fällen tritt neben die Audiometrie die Schallpegelmessung, mit deren Hilfe Geräuschquellen iden-tifiziert und nach Art und Intensität des erzeugten Lärms erfaßt werden können. Audiometrie und Schallpegelmessung sind nach der Systematik der Physik dem Gebiet der Akustik zuzurechnen. Damit ist zugleich eine besondere Schwierigkeit verbunden: Die Akustik benutzt zahlreiche, schwer verständliche Begriffe und Dimensionen, z.B.

• Frequenz • Ton, Klang, Geräusch • Schalldruck, Schalldruckpegel • Lautstärke • Hertz (Hz) • Dezibel (dB) • Phon • Dezibel (A) ( dB (A) )

Man braucht diese Begriffe, wenn man nicht gerade Ohrenarzt oder Akustiker ist oder sich aus einem anderen Grund mit akustischen oder hörphysiologischen Problemen beschäftigt, nicht unbedingt ge-nau zu kennen. Für das Verständnis des Versuchs Audiometrie sollen deshalb einige wenige Erläuterungen genügen: Frequenz

bezeichnet physikalisch die Häufigkeit der Schallschwingungen, in der Regel pro Sekunde; die zugehörige Dimension (Einheit) ist 1/sec, sec-1 oder Hertz (Hz):

1 (1/sec) = 1 (sec-1) = 1 (Hz)

Von Menschen werden Töne unterschiedlicher Frequenz subjektiv als verschieden hoch oder tief empfunden; Frequenz bezeichnet also psychophysiologisch auch die Tonhöhe, eine Qualität des Schalls:

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Audiometrie 4-4

Niedrigere Frequenz <---> tieferer Ton höhere Frequenz <---> höherer Ton

Die wahrnehmbaren Frequenzen reichen bei Menschen von etwa

16 - 20 Hz bis 14000 - 20000 Hz (14 - 20 kHz). Ton

Schall, der nur aus einer einzigen Frequenz besteht; ein im strengen Sinn extrem seltenes Phänomen.

Klang

Überlagerung einiger weniger Frequenzen; die meisten von Musikinstrumenten produzierten Töne sind in Wirklichkeit Klänge.

Geräusch

Gemisch vieler Frequenzen; insofern sind die meisten akustischen Ereignisse des Alltags tatsächlich Geräusche.

Schalldruck, Schalldruckpegel

bezeichnen den von den Schallschwingungen ausgeübten effektiven Druck, also die Qualitäts- oder Intensitätsdimension des Schalls. Der Schall wird wie jeder Druck in N/m2 oder (früher) in dyn/cm2 angeben. Für den Schalldruckpegel verwendet man, weil sich damit angeblich einfacher umgehen läßt, die logarithmische Dezibel-Skala (dB SPL von engl. Sound Presure Level), die angibt, um wieviel größer oder kleiner der gemessene Schalldruck eines beliebigen Geräusches ist als ein willkürlich gewählter Vergleichswert von 2 * 10-4 dyn/cm2. Der Vergleichswert hat damit immer den Schalldruckpegel von 0 dB SPL. Anstelle einer mathematischen Ableitung der Dezibel-Skala folgen zur Veranschaulichung einige Beispiele:

Schalldruckpegel Vergleichswert dB SPL

Schalldruck eines beliebigen Geräusches bezogen auf einen Vergleichswert

Schalldruckpegel dB SPL

0 1/100 -40 0 1/10 -20 0 1 0 0 10 20 0 100 40 0 1 000 60 0 10 000 80 0 100 000 100 0 1 000 000 120

Tab. 4-1: Zusammenhang zwischen Schalldruck und Schalldruckpegel

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Audiometrie 4-5

Lautstärke

bezeichnet nicht, wie die bisher skizzierten Begriffe, eine physikalische, sondern eine psychophysiologische Dimension des Schalls; die zugehörige Dimension ist Phon (phon). Es ist vereinbart, daß Töne von 1000 Hz mit einem Schalldruckpegel von 0 (20, 40, ...) dB SPL die Lautstärkewerte 0 (20, 40, ...) phon erhalten, d.h. für Töne von 1000 Hz sind die dB SPL-Skala und die Phon-Skala identisch. Mit Prüftönen von 1000 Hz werden nun Töne anderer Frequenzen verglichen. Wenn sie als gleich laut empfunden werden, erhalten sie denselben Phon-Wert wie der Prüfton zugeordnet. Da menschliche Ohren für tiefe und für sehr hohe Töne unempfindlicher sind als für Töne von 1000 Hz, weichen Phon-Skala und dB SPL-Skala in diesen Bereichen erheblich voneinander ab; so ist z.B. bei einem sehr tiefen Ton von 30 Hz ein Schalldruckpegel von 75 dB SPL erforderlich, um eine Lautstärkeempfindung von 20 Phon hervorzurufen.

Dezibel (A)

Nachteil der Phon-Skala ist, daß sie nur mit Probanden in psychophysischen Skalierungsversuchen gewonnen werden kann. Setzt man jedoch vor ein Schallpegelmeßgerät ein Filter, das den Schall ähnlich der Empfindungsverteilung der menschlichen Ohren abschwächt, so können Schallintensitätsmessungen ohne Probanden durchgeführt werden, deren Ergebnis sich an die Phonskala durchschnittlich hörfähiger Menschen annähert. Das meist verwendete Filter trägt die Typbezeichnung A, die damit gemessenen Intensitätswerte erhalten die Dimension Dezibel (A) oder dB(A)

dB (A) ~ phon

Für die Vorbereitung auf den Versuch Audiometrie empfiehlt es sich, sich in einem geeigneten Buch über den anatomischen Aufbau und die Physiologie des Ohres zu informieren.

Literaturhinweise Birbaumer, N., und R.F. Schmidt: Biologische Psychologie: Berlin etc., Springer 3. Aufl. 1996,

S. 411 - 433 v. Campenhausen, Chr.: Die Sinne des Menschen I und II: Stuttgart, Thieme 1981 Goebel, G. (Hrsg.): Ohrgeräusche. Psychosomatische Aspekte des komplexen chronischen Tin-nitus:

München, Quintessenz 1992 Hellbrück, J.: Hören. Physiologie, Psychologie und Pathologie: Göttingen etc.,Hogrefe 1993 Schmidt, R.F., und G. Thews: Physiologie des Menschen: Berlin etc., Springer 26. Aufl. 1995,

S. 258 - 276 Schmidtke, H. (Hrsg.) : Ergonomie, Bd. 2: München, Hanser 1974 Thews, G., E. Mutschler und P. Vaupel: Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Menschen:

Stuttgart, Wiss. Verl.-Ges. 3. Aufl. 1989, S. 504 - 510

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Audiometrie 4-6

Zum Versuch Für den Versuch „Audiometrie“ stehen 2 Audiometer zur Verfügung:

1. Audiometer der Firma „Belltone“ (Abb. 4-2) 2. Audiometer der Firma „Hortmann“ (Abb.4-3)

Es können folgende Versuche durchgeführt werden:

1. Luftleitungsaudiogramm 2. Knochenleitungsaudiogramm, falls sich beim Luftleitungsaudiogramm eine Hörschwellen-

senkung ergibt. Die Audiometrie in der hier praktizierten Form ist eine Schwellenwertbestimmung: Für Prüffrequenzen zwischen 125 und 8000 Hz (Belltone) bzw. 250 und 8000 Hz (Hortmann) wird festgestellt, welcher Schalldruck mindestens erforderlich ist, um gerade eben eine Hörempfindung auszulösen. Zu diesem Zweck werden einem Probanden über Kopfhörer (Luftleitung) Prüftöne geringer Intensität eingespielt; der Proband gibt an, wann er den Ton wahrgenommen hat. Im Allgemeinen beginnt man bei jeder Frequenz zunächst mit sehr geringer Tonintensität und steigert bei wiederholter Reizung so lange, bis vom Probanden eine Hörempfindung signalisiert wird. Die derart gefundene Schwellenintensität wird zur Kontrolle mehrfach bestimmt; anschließend wird die Prüffrequenz gewechselt. Die von der Skala des Intensitätsreglers abgelesenen Schwellenintensitäten werden in das vorgedruckte Diagramm im Versuchsprotokoll eingetragen. Ziel ist die Beurteilung der Hörfähigkeit. Sie gilt als eingeschränkt, wenn überdurchschnittlich hohe Tonintensitäten erforderlich sind, um gerade eben Hörempfindungen auszulösen. Ein Teil des Schalls wird nicht über Luft, Gehörgang, Trommelfell und Mittelohrknöchelchen, sondern direkt über den Schädelknochen auf das Innenohr übertragen (Knochenleitung). Um diesen Mechanismus zu prüfen, wird auf der zu testenden Seite ein Vibrator auf den Knochen hinter der Ohrmuschel aufgesetzt. Im Gegensatz zum Luftleitungsaudiogramm werden beim Knochenleitungsaudiogramm nur Frequenzen zwischen 250 - 4000 Hz gemessen, da andere Frequenzen auf diesem Weg kaum übertragen werden können.

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Audiometrie 4-7

Versuchsdurchführung Audiometer „Belltone“

Beschreibung des Audiometers

Abb. 4-2: Schematische Darstellung eines Audiometers der Firma

„BELLTONE“

1. Ein/Aus-Schalter 2. Ton-Invertierungs-Schalter. Der Schalter hat folgende Funktionen: In der Stellung Norm on

ist der Ton immer eingeschaltet und wird durch die Taste 7 unterbrochen. In der Stellung Norm off ist der Ton abgeschaltet und wird durch die Taste 7 eingeschaltet.

3. Ausgangswahlschalter (der Prüfton wird wahlweise auf das rechte oder das linke Ohr oder

auf den Vibrator ausgegeben). 4. Maskierungsschalter (dient zur Vertäubung des nicht geprüften Ohres mit weißem

Rauschen, wenn das geprüfte Ohr eine stark reduzierte Hörleistung aufweist). 5. Tonfrequenz-Wahlschalter mit 11 gerasteten Stellungen zwischen 125 und 8000 Hz. 6. Intensitätsregler mit Skala 0 - 110 dB 7. Reiztaste - löst je nach Stellung des Schalters (2) den Ton aus oder unterbricht ihn 8. Kontrollampe (leuchtet auf bei eingeschaltetem Prüfton) 9. Kontrollampe (Ein - Aus)

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Audiometrie 4-8

Versuchsvorbereitung Die Versuchsvorbereitung der Versuche Luftleitungs- und Knochenleitungsaudiogramm sind unterschiedlich, die Versuchsdurchführung und die Beurteilung gleich.

Versuch 1: Luftleitungsaudiogramm

Zur Messung des Luftleitungsaudiogramms wird das Audiometer folgendermaßen eingestellt:

• Der Ausgangswahlschalter (3) wird auf das zu prüfende Ohr eingestellt; sofern dies bekannt ist, wird mit dem besseren Ohr begonnen.

• Der Ton-Invertierungsschalter (2) wird auf Norm off eingestellt; Töne werden jetzt nur

dargeboten, wenn die Reiztaste (7) gedrückt wird. • Der Proband setzt sich den Kopfhörer ohne zwischenliegende Haare auf; der rot

markierte Lautsprecher gehört zum rechten, der blau markierte zum linken Ohr. • Der zu messende Frequenzbereich liegt zwischen 125 - 8000 Hz.

Versuch 2: Knochenleitungsaudiogramm

Zur Messung des Knochenleitungsaudiogramms wird das Audiometer folgendermaßen eingestellt:

• Der Ausgangswahlschalter (3) wird auf die Stellung BONE eingestellt. Es wird mit dem besseren Ohr begonnen.

• Der Ton-Invertierungsschalter (2) wird auf Norm off eingestellt; Töne werden jetzt nur

dargeboten, wenn die Reiztaste (7) gedrückt wird. • Der Proband setzt den Vibrator auf der zu messenden Seite auf den Knochen hinter

der Ohrmuschel auf. • Der zu messende Frequenzbereich liegt zwischen 250 - 4000 Hz.

Versuchsdurchführung

Zur ordnungsgemäßen Durchführung des Audiometrieversuchs benötigt man einen zumindest sehr ruhigen Raum. Vor dem Versuch werden die Probanden eingewiesen:

• Du wirst gleich unterschiedlich hohe Töne hören. Weil die Töne zum Teil sehr leise sind, mußt Du sehr genau hinhören. Wenn Du einen Ton hörst, sage bitte Ja oder Jetzt.

Der Versuch soll so durchgeführt werden, daß der Proband die Bedienung des Audiometers nicht mitverfolgen kann. Vor allem muß der Versuchsleiter vermeiden, durch Aufblicken o.ä. Hinweise darauf zu geben, wann der Prüfton auslöst wird. Die Reizfolge soll nicht rhythmisch erfolgen!

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Audiometrie 4-9

Um den Probanden einzugewöhnen, läßt man ihn einen Ton von 15 - 20 dB (1000 Hz) hören. Falls der Ton bei dieser Intensität nicht wahrgenommen wird, steigert man die Tonintensität so lange, bis dieser Ton deutlich wahrgenommen wird. Danach kann der eigentliche Versuch beginnen. 1. Schritt: Orientierende Bestimmung der Hörschwelle

Der Versuchsleiter bietet Töne im sicher hörbaren Bereich an und senkt nun schrittweise die Tonintensität, bis vom Probanden keine Reaktion mehr erfolgt. Die Töne sollen nicht länger als ca. 1 sec angeboten werden; der ganze Vorgang kann relativ rasch erfolgen. Aber: Aufblicken beim Drücken der Reiztaste und rhythmisches Reizen vermeiden.

2. Schritt: Genaue Bestimmung der Hörschwelle

Sobald der Proband bei abnehmender Tonintensität nicht mehr reagiert, wird diese um weitere 15 - 20 dB gesenkt und nun schrittweise langsam, d.h. mit mehreren Reizwiederholungen auf jeder Stufe, in 5 dB-Schritten gesteigert, bis der Proband eine Wahrnehmung signalisiert.

Zur Kontrolle soll der 2. Schritt mehrfach wiederholt werden, bis diejenige Tonintensität, die gerade eben eine Wahrnehmung auslöst, sicher identifiziert ist. Sie wird ins Audiogramm eingetragen (Symbole entsprechend der Tabelle im Vordruck verwenden). Man beginnt grundsätzlich mit der Tonfrequenz 1000 Hz; danach wiederholt man die Schritte 1 und 2 für die übrigen Prüffrequenzen. Die Reihenfolge ist dabei beliebig. Nachdem die Hörschwelle bei einem Ohr bestimmt wurde, wird die ganze Prozedur auch für das andere Ohr durchgeführt.

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Audiometrie 4-10

Versuchsdurchführung Audiometer „Hortmann“ Beschreibung des Audiometers

Abb. 4-3: Schematische Darstellung eines Audiometers der Fa. „HORTMANN“

1. Patientensignal: • löst der Patient ein Signal aus, so leuchtet das Lämpchen auf

2. Ton-Invertierungs-Schalter. Der Schalter hat folgende Funktionen: • normal: der Ton ist immer eingeschaltet und wird durch die Taste 6 unterbrochen. • invers: der Ton ist abgeschaltet und wird durch die Taste 6 eingeschaltet

3. Umschalter für die Luftleitung rechts: • Das Signal wird auf die rechte Kopfhörerseite gegeben

4. Umschalter für die Knochenleitung rechts: • Das Signal wird auf den Vibrator gegeben

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Audiometrie 4-11

5. Frequenz-Wahlschalter:

• Einstellen der einzelnen Tonhöhen

6. Lautstärke-Wahlschalter: • Einstellen der Lautstärken

7. Signalgebertaste 8. Umschalter für die Knochenleitung links:

• Das Signal wird auf den Vibrator gegeben 9. Umschalter für die Luftleitung links:

• Das Signal wird auf die linke Kopfhörerseite gegeben

Versuchsvorbereitung Die Versuchsvorbereitung der Versuche Luftleitungs- und Knochenleitungsaudiogramm sind unterschiedlich, die Versuchsdurchführung und die Beurteilung gleich.

Versuch 1: Luftleitungsaudiogramm

Zur Messung des Luftleitungsaudiogramms wird das Audiometer folgendermaßen eingestellt:

• Durch den Ausgangswahlschalter (3) wird der Ton auf die rechte Kopfhörerseite

gegeben, mit dem Schalter (9) auf die linke Kopfhörerseite. Sofern dies bekannt ist, wird die Messung mit dem besseren Ohr begonnen.

• Der Ton-Invertierungsschalter (2) wird auf invers eingestellt.Töne werden jetzt nur

dargeboten, wenn die Signalgebertaste (7) gedrückt wird. • Der Proband setzt sich den Kopfhörer ohne zwischenliegende Haare auf; der rot

markierte Lautsprecher gehört zum rechten, der blau markierte zum linken Ohr. • Der zu messende Frequenzbereich liegt zwischen 250 - 8000 Hz.

Versuch 2: Knochenleitungsaudiogramm

Zur Messung des Knochenleitungsaudiogramms wird das Audiometer folgendermaßen eingestellt:

• Zum Messen des rechten Ohres wird Ausgangswahlschalter (3) eingestellt, zur

Messung des linken Ohres der Schalter (8). Die Messung wird mit dem besseren Ohr begonnen.

• Der Proband setzt den Vibrator auf der zu messenden Seite auf den Knochen

hinter der Ohrmuschel auf.

• Der Ton-Invertierungsschalter (2) wird auf invers eingestellt.Töne werden jetzt nur dargeboten, wenn die Signalgebertaste (7) gedrückt wird.

• Der zu messende Frequenzbereich liegt zwischen 250 - 4000 Hz.

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Audiometrie 4-12

Versuchsdurchführung

Zur ordnungsgemäßen Durchführung des Audiometrieversuchs benötigt man einen zumindest sehr ruhigen Raum. Vor dem Versuch werden die Probanden eingewiesen:

• Du wirst gleich unterschiedlich hohe Töne hören. Weil die Töne zum Teil sehr leise sind, mußt Du sehr genau hinhören. Wenn Du einen Ton hörst, drücke bitte auf die Patiententaste .

Der Versuch soll so durchgeführt werden, daß der Proband die Bedienung des Audiometers nicht mitverfolgen kann. Vor allem muß der Versuchsleiter vermeiden, durch Aufblicken o.ä. Hinweise darauf zu geben, wann der Prüfton auslöst wird. Die Reizfolge soll nicht rhythmisch erfolgen! Um den Probanden einzugewöhnen, läßt man ihn einen Ton von 15 - 20 dB (1000 Hz) hören. Falls der Ton bei dieser Intensität nicht wahrgenommen wird, steigert man die Tonintensität so lange, bis dieser Ton deutlich wahrgenommen wird. Danach kann der eigentliche Versuch beginnen. 1. Schritt: Orientierende Bestimmung der Hörschwelle

Der Versuchsleiter bietet Töne im sicher hörbaren Bereich an und senkt nun schrittweise die Tonintensität, bis vom Probanden keine Reaktion mehr erfolgt. Die Töne sollen nicht länger als ca. 1 sec angeboten werden; der ganze Vorgang kann relativ rasch erfolgen. Aber: Aufblicken beim Drücken der Reiztaste und rhythmisches Reizen vermeiden.

2. Schritt: Genaue Bestimmung der Hörschwelle

Sobald der Proband bei abnehmender Tonintensität nicht mehr reagiert, wird diese um weitere 15 - 20 dB gesenkt und nun schrittweise langsam, d.h. mit mehreren Reizwiederholungen auf jeder Stufe, in 5 dB-Schritten gesteigert, bis der Proband eine Wahrnehmung signalisiert.

Zur Kontrolle soll der 2. Schritt mehrfach wiederholt werden, bis diejenige Tonintensität, die gerade eben eine Wahrnehmung auslöst, sicher identifiziert ist. Sie wird ins Audiogramm eingetragen (Symbole entsprechend der Tabelle im Vordruck verwenden). Man beginnt grundsätzlich mit der Tonfrequenz 1000 Hz; danach wiederholt man die Schritte 1 und 2 für die übrigen Prüffrequenzen. Die Reihenfolge ist dabei beliebig. Nachdem die Hörschwelle bei einem Ohr bestimmt wurde, wird die ganze Prozedur auch für das andere Ohr durchgeführt.

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Audiometrie 4-13

Beurteilung

Im Protokollvordruck für diesen Versuch sind für Luft- und für Knochenleitung je ein Audiogramm-Diagramm abgedruckt. Diese Diagramme enthalten an der linken Seite eine dB-Skala von -10 bis 110 dB. Auf dieser Skala bedeutet 0 dB die durchschnittliche Hörschwelle hörgesunder Menschen (Abb. 4-4). Ein Meßpunkt bei 0 dB bedeutet also, daß das Gehör durchschnittlich gut entwickelt ist. Ein Meßpunkt bei 10 (20, 30,...) dB zeigt an, daß die Tonintensität um 10 (20, 30,...) dB höher liegen muß als beim Durchschnitt der Hörgesunden, um eine Wahrnehmung auszulösen; das Gehör ist also um diesen Betrag schwächer. Man spricht deshalb auch von 10 (20, 30,...) dB Hörverlust. Dabei entsprechen je 20 dB einem Faktor 10 (siehe Tabelle 4-1), d.h. bei 20 dB Hörverlust muß der Schalldruckpegel zehnmal so hoch sein wie bei Gesunden, um eine Wahrnehmung auszulösen.

Abb. 4-4: Hörkurve eines hörgesunden Menschen:

(a) Rechtes Ohr; (b) Linkes Ohr

Die Hörfähigkeit soll für Luft- und Knochenleitung getrennt beurteilt werden. Ist nämlich die Hörfähigkeit bei Luftleitung eingeschränkt, bei Knochenleitung jedoch normal, so muß das Innenohr intakt sein; die Störung muß dann im Schalleitungsweg des Gehörgangs (Schmalzpfropf) oder des Mittelohres (z.B bei oder nach einer Mittelohrentzündung) liegen (Abb. 4-5).

Abb. 4-5: Hörkurven bei Mittelohrschwerhörigkeit

(a) Luftleitungsaudiogramm (b) Knochenleitungsaudiogramm

Sind dagegen Luft- und Knochenleitungs-Hörleistung eingeschränkt, deutet dies auf einen Defekt im Innenohr hin (Abb. 4-6).

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Audiometrie 4-14

Abb. 4-6: Hörkurven bei Innenohrschwerhörigkeit

(a) Luftleitungsaudiogramm (b) Knochenleitungsaudiogramm

In allen Fällen sollten bisher unbekannte, bei diesem Versuch erstmals festgestellte Hörverluste unter allen Umständen ohrenärztlich beurteilt werden!

Nebenbei Wie unterscheidet sich das Gehör eines Kindes von dem eines älteren Erwachsenen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Leistung einer Stereo-Anlage und dem menschlichen Gehör? In welchen Berufen sind lärmbedingte Hörschäden besonders häufig? Wie funktioniert eine Hundepfeife? Falls nach dem Audiometrie-Versuch noch Zeit bleibt, können Probierversuche gemacht werden:

• Bestimmung minimaler Laufzeitunterschiede beim Richtungshören. • Bestimmung der oberen Hörgrenze (d.h. der höchsten noch wahrnehmbaren Tonfrequenz).

Die Kenntnis der oberen Hörgrenze kann ggf. mehrere Tausend DM sparen helfen!

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Elektromyogramm 5-1

Versuch Nr. 5

Elektromyogramm

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Elektromyogramm 5-2

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

THÄTIGKEIT DER MUSKELN

DIE VORTHEILE DER MUSKELTHÄTIGKEIT FÜR DEN KÖRPER SIND VON ÄUSSERSTER WICHTIGKEIT, denn ganz abgesehen davon, daß fast alle Lebensthätigkeiten und Bewegungen mit Hülfe von Muskeln vor sich gehen, so tragen diese auch vorzugsweise zur Erzeugung von Kraft und Geschicklichkeit, zur Ausbildung eines kräftigen Willens und zur Beruhigung des Gehirns, zur richtigen Entwickelung des Knochengerüstes, sowie zur Unterstützung der Blutbildung, Blutreinigung und des Blutlaufs, des Athmungs- und Verdauungsprocesses bei.

... Die Bewegungserscheinungen im menschlichen Körper sind aber von zweierlei Art; entweder willkürliche, sie können durch unseren Willen hervorgerufen werden, oder unwillkürliche, auf welche unser Willen keinen Einfluß ausüben kann. Die diese Bewegungen veranlassenden Muskelfasern zeigen sich, je nachdem sie einem willkürlich oder unwillkürlich arbeitenden Muskel angehören, unter dem Mikroskope verschieden. Die einem willkürlichen, unter dem Einfluß des Willens stehenden Muskel angehörigen Fasern, die man auch "animalische" oder "quergestreifte" nennt, weil sie auf ihrer Oberfläche eine quere Streifung zeigen, sind überall da im Körper angebracht, wo energische Bewegungen vorkommen. Sie bilden das dunkelrothe, saftige Fleisch und Muskeln von der verschiedensten Form und Größe, die meist an Knochen angeheftet sind (Stamm- oder Skeletmuskeln) und etwa 45 % der gesamten Masse des Körpers ausmachen. Die unwillkürlichen Muskeln, aus blaßröthlichem Fleische, sind aus Fasern zusammengesetzt, welche unter dem Mikroskope keine Querstreifung zeigen, sondern eine glatte Oberfläche haben. Diese "glatten" Muskelfasern werden auch als einfache, platte, organische, dem vegetativen Leben angehörige, oder als contractile Faserzellen bezeichnet. Sie dienen vorzugsweise der Ernährung, umgeben als Muskelhäute fast alle Höhlen (der Eingeweide) und Kanäle, deren Verengerung sie besorgen, und ihre Zusammenziehung geht weit langsamer und weniger energisch als die der quergestreiften Fasern vor sich. Es vergeht nämlich nach der Reizung geraume Zeit, ehe die Verkürzung beginnt, dann tritt eine ganz langsame Zusammen-ziehung ein, die eine Zeit lang bleibt und dann allmählich nachläßt.

... Die Kraft, welche die Muskeln während der Dauer ihrer Zusammen-ziehung zu entwickeln vermögen, ist sehr bedeutend. So trägt der Mensch mit beiden Händen eine Last, die schwerer ist als sein Körper und kann eine noch einmal so große ziehen. Beim Stehen auf den Zehen hält der Wadenmuskel einer Last das Gleichgewicht, welche das Eigengewicht des Muskels um das Zweihundertfache überbietet. Das Zerbeißen von Pfirsichkernen verlangt eine Kraft von 200 bis 300 Pfund. Ein Mädchen, welches krampfhat gekrümmt war, konnte durch die Last von 4 Männern nicht gestreckt werden.

... Auch elektrische Erscheinungen sind während des Lebens und zwar hauptsächlich während der Unthätigkeit des Muskels in demselben zu entdecken. Es geht nämlich beständig ein galvanischer Strom (der sogenannte Muskelstrom) zwischen dem Innern und der Oberfläche eines Muskels vor sich. Die Bedeutung dieser Erscheinungen, welche beim Thätigsein des Muskels abnehmen, ist noch unbekannt.

... Für die gestreiften Muskelfasern ist der wichtigste Reiz unser durch Nerven zum Muskel geleiteter Wille, weshalb diese Muskeln auch willkürliche genannt werden.

... Die Muskeln, welche wir ganz nach unserer Willkür in Zusammen-ziehung versetzen können, die also willkürliche Bewegungen veranlassen, müssen durchaus durch Nervenfäden mit dem Gehirne, welches als Verstandesorgan auch der Sitz des Willens ist, in ununterbrochenem Zusammenhange stehen. Diese Fäden, welche auch Bewegungsnerven heißen, empfangen hier durch ihre Wurzeln von unserem Willen den Befehl,

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Elektromyogramm 5-3

diejenigen Muskeln, in welchen sie sich verbreiten, zur Thätigkeit aufzufordern. Diese vom Gehirn zu den Muskeln gezogenen Bewegungsfäden sind demnach mit Tele-graphendrähten vergleichbar... Den Telegraphendrähten gleichen die Nervenfäden auch noch darin, daß ihre Wirkung durch elektrische Thätigkeit vermittelt wird.

...

Aus: "Gesundheits-Handbuch" (s. S. II)

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Elektromyogramm 5-4

Vorbemerkung Die von der Skelettmuskulatur und ihrer Steuerung durch das ZNS produzierten, motorischen Funktionen sind die Voraussetzung für Körperhaltung, Bewegung, Sprache, Gestik und zahlreiche weitere Funktionen, die das Fundament der menschlichen Handlungsfähigkeit bilden. Die Messung der elektrischen Muskelaktivität mit Hilfe des „Elektromyogramms“ (EMG) hat sich dabei als eine geeignete Methode zur Beurteilung motorischer Funktionen erwiesen, die durch →Motoskopie (die Sichtbeurteilung von Bewegungen), →Motografie (Aufzeichnung von Bewegungsabläufen) und →Dynamometrie (Messung der erzeugten Kräfte) ergänzt werden kann. Grundlagen des Elektromyogramms Ein quergestreifter Muskel besteht aus einer großen Zahl parallel verlaufender Muskelzellen (Muskelfasern), die zu Faserbündeln zusammengefaßt sind. Die Faserbündel gehen in über in die Sehnen, die die Kontraktionskräfte und -bewegungen auf das Skelett übertragen. Die Muskeln werden von motorischen Nervenfasern innerviert, die ihren Ausgang in den motorischen Zellen im Vorderhorn des Rückenmarks nehmen („mtorische Vorderhorn-Zellen“). Jede motorische Nervenfaser („Motor-Axon“) verzweigt sich nach dem Eintritt in den Muskel und nimmt synaptischen Kontakt mit mehreren Muskelfasern auf. Das Axon und die damit verbundenen Muskelfasern werden auch als „motorische Einheit“ bezeichnet, weil jeder über das Motor-Axon einlaufende Nervenimpuls alle angeschlossenen Muskelfasern erreicht und so zu völlig gleichartiger Kontraktion zwingt. Jeder Muskel besteht aus vielen solcher „motorischen Einheiten“, die alle getrennt ansteuerbar sind. Auf diese Weise sind fein abgestufte Kontraktionen erzielbar. Die elektrischen (Nerven- und Muskel-)Potentiale, die zur Kontraktion eines Muskels führen, erzeugen elektrischen Felder, deren Veränderungen sich vor allem unmittelbar über dem Muskel-oberfläche mit Elektroden abgreifen und über Verstärker- und Schreibsysteme oder Monitore sichtbar machen lassen (ähnlich dem EKG). Die üblichen EMG-Elektroden erfassen allerdings elektrische Signale, die von vielen motorischen Einheiten in ihrer unmittelbaren Nähe stammen; lediglich mit extrem dünnen Nadelelektroden (die meist nur zu Forschungszwecken eingesetzt werden) läßt sich gelegentlich die Aktivität einzelner motorischer Einheiten erfassen. Der Steuerung von Muskelkontraktionen liegen zwei Mechanismen zugrunde: • Die Anzahl aktiver motorische Einheiten kann verändert werden;

• die Entladungsfrequenz der Motoneurone im Rückenmark ist variabel.

In welcher Form die beiden Mechanismen eingesetzt werden, hängt von den Merkmalen der ausge-führten Kontraktion ab. Im EMG wirkt sich das als Amplituden- und Frequenzänderung aus. Die Ableitung eines EMG erfolgt wie beim EKG über (allerdings viel kleinere) Oberflächenelektroden, die direkt über dem zu untersuchenden Muskel aufgeklebt werden. Die Ableitpunkte werden durch die menschliche Anatomie vorgegeben (nachfolgend einige Beispiele). Das EMG-Signal ist etwa um den Faktor 100 kleiner als das EKG-Signal und umfaßt einen weit größeren Frequenzbereich. Die EMG-Registrierung erfordert deshalb einen höheren Aufwand; die Meßergebnisse sind auch nicht so gut reproduzierbar wie beim EKG. Im vorliegenden Versuch werden wir sowohl Elektromyogramme von einigen Muskeln ableiten als auch Merkmale der Muskelkontraktion (von Muskeln am Unterarm, die die Hand bewegen) mittels „Dynamometrie“ (hier: Messung der Greifkraft) erfassen.

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Elektromyogramm 5-5

Abb. 5-1: Beispiele für Ableitpunkte nach BECKER-CARUS. Bewegungssteuerung An der Ausführung von Bewegungen sind immer mehrere Muskeln beteiligt, man spricht etwas irreführend von Synergisten und Antagonisten. Erst durch deren Zusammen- und scheinbares Gegeneinander-Wirken werden koordinierte Bewegungsabläufe möglich. Den zeitlichen Verlauf solcher Bewegungsmuster kann man durch Ableitung von EMG's, im Idealfall aller beteiligten Muskeln, registrieren und analysieren. Durch kontinuierliche Bewegungswiederholung können dabei sowohl ermüdungsbedingte als auch übungsbedingte Veränderungen im Steuerungsmuster beobachtet werden. An- und Entspannung Da die gesamte Muskulatur des Skelettapparates nicht nur Bewegungsfunktion hat, sondern auch Halte- und Stützfunktion, bedeutet dies auch im Ruhezustand eine Minimalerregung. Sitzen oder Stehen sind nur unter Aktivierung der Muskulatur möglich, ebenso bestimmte Körperfunktionen, z.B. die Atmung. Hinzu kommt eine Grunderregung, um die gesamte Muskulatur in eine Aktionsbereitschaft zu versetzen. Dieser allgemeine Tonus wird durch Erregung einzelner motorischer Einheiten aufrecht erhalten, die aber selbst nicht zu Bewegungen führen. Ein solcher unwillkürlicher Spannungszustand wird durch Reflexe geregelt und nimmt z.B. bei erhöhter Aufmerksamkeit zu, daher der Begriff "angespanntes Zuhören".

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Elektromyogramm 5-6

Die Messung dieses allgemeinen Muskeltonus mittels EMG, z.B. von Stirn- und Nackenmuskulatur, wird in psychophysiologischen Untersuchungen zur Beurteilung der Aktiviertheit verwendet, sowohl in "Aufmerksamkeits-" als auch in Entspannungs-situationen. Biofeedback Unter Biofeedback versteht man die Rückmeldung eines körpereigenen Signales, meist auf optische bzw. akustische Art. Das EMG eignet sich hierfür besonders gut, da eine willkürliche Kraftanstrengung leicht sichtbar bzw. hörbar gemacht werden kann; die "Kraftdosierung" ist somit über eine künstliche Rückmeldung kontrollierbar. Anwendungsgebiete für solch eine Technik sind z.B.:

- Lernen, einen Muskel zu aktivieren, z.B. nach Verletzungen, mittels direkter Erfolgskontrolle; - "Übertragen" von Bewegungsmustern von einer "gesunden" auf eine "kranke" Extremität; - Kontrolle von Entspannungsübungen.

Muskelreizung Kehrt man die Technik der Elektromyografie um, d.h. nicht Messung eines elektrischen Potentiales, sondern Aussenden eines elektrischen Stromes über die Elektroden (die dann allerdings meist über einem motorischen Nerven plaziert werden), erzielt man bei entsprechender Stromstärke und Frequenz eine Steuerung des Muskels von außen. Diese externe Reizung eines Muskels kann Bestandteil einer Therapie sein, z.B. nach Verletzungen oder Lähmungen. Beim Herzmuskel wird eine derartige Reiztechnik in Form von Herzschrittmachern eingesetzt, wenn z.B. die Steuerung durch das Erregungsbildungs- und -leitungssystem gestört oder unterbrochen ist. Hohe Stromstärken führen zu totaler Erregung eines Muskels in Form eines "Krampfes". In der Intensivmedizin wird diese Technik benutzt, um ein Vorhof- oder Kammer-Flimmern, d.h. unkoordinierte Kontraktionen des Herzmuskels mit sehr hoher Frequenz ohne Pumpwirkung, durch kurzzeitige totale Erregung wieder in einen koordinierten Erregungsablauf überzuleiten (Defibrillator).

Literaturhinweise Becker-Carus, Ch.; Th.Heyden; G.Ziegler: Psychophysiologische Methoden, Stuttgart, F.Enke-

Verlag 1979 Birbaumer, N. und R.F. Schmidt: Biologische Psychologie, Berlin etc., Springer 3/1996 Rohen, J.W.: Funktionelle Anatomie des Menschen, Stuttgart, F.K.Schattauer Verlag, 1973 Schandry, R.: Lehrbuch der Psychophysiologie, München - Weinheim, Psychologie Verlags Union

1989 Silbernagel, S. und A. Despopoulos: Taschenatlas der Physiologie, Stuttgart, G. Thieme Verlag

1979

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Elektromyogramm 5-7

Zum Versuch Für die Elektromyografie stehen ein 4-Kanal-Psychophysiopgraph mit zwei Myografie-Verstärkern sowie ein Gerät zur Messung der Handgreifkraft zur Verfügung. Mit Hilfe der EMG-Verstärker kann die elektrische Aktivität zweier Muskeln registriert werden, sowohl als direktes als auch als integriertes EMG. Für eine quantitative Auswertung wird in der Regel das integrierte Signal verwendet, da in ihm sowohl Amplitude als auch Frequenz enthalten sind und es damit ein Maß für die Gesamtaktivität des Muskels darstellt. Das durch elektronische Integration (Summation) gewonnene Signal wird auch als "Hüllkurve" bezeichnet (s.Abb. 5-3). Eine manuelle Auswertung des integrierten Signales ist in begrenztem Umfang möglich, bei komplexeren Bewegungsanalysen aber kaum noch durchführbar. Eine Auswertung des direkt geschriebenen EMG scheitert bereits an der durch die Schreibsysteme begrenzten oberen Grenzfrequenz von ca. 100Hz, bei einer Signalbandbreite von ca. 500Hz. Hier bleibt nur noch eine elektronische Signalspeicherung mit nachfolgender Analyse, z.B. in Form einer schnellen Frequenzanalyse, der Fast Fourier Transformation (FFT). Für Anwendungen in der Psychophysiologie hat sich das integrierte EMG als Maß für die Muskelaktivität bewährt. Die Wahl der Integrations-Zeitkonstanten wird in der Regel durch die Fragestellung vorgegeben, kurze Zeitkonstanten (0.2 sec) haben höhere zeitliche Auflösung zur Folge, wichtig z.B. bei Bewegungsanalysen; lange Zeitkonstanten (>1 sec) finden Anwendung bei Untersuchungen zur Aktivierung oder Ermüdung.

Versuchsdurchführung Die Versuchsperson sitzt derart vor dem Tisch mit dem Versuchsaufbau, daß der rechte Unterarm bequem auf der Tischplatte aufliegen kann (ggfs. Höhenverstellung des Hockers). Die Ableitpunkte auf der Haut sollen fettfrei und ohne Behaarung sein. Die in der Literatur angegebenen Behandlungsvorschriften, wie z.B. Rasieren und Aufrauhen mit Sandpapier, sollen im Rahmen dieses Experimentes keine Beachtung finden. Für die Ableitung des EMG von der Hautoberfläche werden wiederverwendbare AgAgCl-Elektroden benutzt. Die Fixierung der Elektroden auf der Haut erfolgt über spezielle Kleberinge, die ein Verrutschen verhindern, nicht aber vor Kabelzug schützen. Der elektrische Kontakt zwischen Haut und Elektrode wird über eine Leitpaste hergestellt, die möglichst blasenfrei und bündig in den Hohlraum gefüllt wird. Die Vorbereitung und das Anlegen der Elektroden soll mit sehr viel Sorgfalt erfolgen, da hierdurch der elektrische Übergangswiderstand möglichst klein gehalten werden kann, der sonst bei der Registrierung eine erhebliche Störquelle sein kann.

!! Wichtig !! Zur Sicherheit des Probanden und zur Unterdrückung von Störpotentialen ist ein Potentialausgleich zwischen Proband und Gerät herzustellen. Eine großflächige Plattenelektrode am Handgelenk wird mit der Gerätemasse verbunden! Das EMG-Modul des Schreibers soll vor Inbetriebnahme folgende Grundstellung haben: • Meßbereich 100 mV • Zeit-Konst. 30 msec • Integ.-Konst. 0.2 sec • Schalter 1 Null • Schalter 2 direkt Nach Anlegen der Elektroden und Anschluß an das EMG-Modul wird der Schalter 1 auf Betrieb gestellt und der Meßbereich stufenweise verringert, bis ein sichtbarer Zeigerausschlag erfolgt, in der Regel etwa bei 1 mV oder 300 µV. Die Empfindlichkeit soll in keinem Fall so weit erhöht werden, daß eine Übersteuerung des Schreibwerkes erfolgt! Auf etwaige Besonderheiten wird bei den einzelnen Versuchsabschnitten eingegangen.

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Elektromyogramm 5-8

1. EMG und Kraft Der Zusammenhang zwischen elektrischer Muskelaktivität und mechanischer Kraftwirkung läßt sich sehr einfach am Beispiel der Handgreifkraft zeigen. Das Schließen der Hand erfolgt durch mehrere Muskeln, die die einzelnen Glieder beugen (Flexoren, im Gegensatz zu den Streckmuskeln, den Extensoren). Auf Einzelheiten der Gliedmaßen-Anatomie soll hier nicht eingegangen werden, diese sind bei ROHEN ausführlich dargestellt. Die Plazierung der Elektroden erfolgt entsprechend der nachfolgenden Abbildung, dadurch wird im wesentlichen die Aktivität des M.flexor digitorum superficialis erfaßt, der die Fingergelenke beugt.

Abb. 5-2: Ableitpunkte für die Greifmuskulatur nach SCHANDRY. Nach Inbetriebnahme des EMG-Verstärkers in Kanal 2, an dem die Elektroden angeschlossen werden, wird der Ausgang (grüne Buchse) mit dem Eingang des Universalverstärkers in Kanal 1 verbunden. Die Schreibgeschwindigkeit soll 5 mm/sec sein. Macht die Hand nun leichte Greifbewegungen, ist auf Kanal 1 das "Roh-EMG" zu sehen und auf Kanal 2 das mit t=0.2 sec integrierte EMG, praktisch die Hüllkurve dazu.

Abb. 5-3: Registrierbeispiel: Direkt registriertes (oben) und integriertes EMG(unten).

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Elektromyogramm 5-9

An den Universalverstärker in Kanal 3 wird der Ausgang des elektrischen Handdynamometers angeschlossen, mit dessen Hilfe die Handgreifkraft gemessen werden kann (100N = 9,81kp).

1. Bestimmen Sie zunächst die maximale Greifkraft der rechten und der linken Hand (je 2-3 Versuche, mind. 1 min. Pause zwischen den Wiederholungsmessungen derselben Hand).

2. Registrieren Sie mit Elektroden entspr. der Anordnung auf Abb. 5-2 das EMG und parallel

dazu die Greifkraft. Steigern Sie in wiederholten Kontraktionen die Kraft allmählich bis zur Maximalkraft.

Versuchen Sie, den Zusammenhang zwischen der Amplitude des integrierten EMG und der erzielten Kraft zu bestimmen. Probieren Sie dafür numerische und grafische Lösungen aus. 3. Versuchen Sie, über 1 min möglichst genau und mit geringer Schwankung eine Greifkraft von

50 % Ihrer Maximalkraft aufzubringen. Registrieren Sie EMG und Kraft. 4. Wiederholen Sie Abschnitt (3), aber unter maximaler Kraft-anstrengung.

5. Versuchen Sie, in den letzten beiden Versuchsabschnitten Ermüdungseffekte zu identifizieren und zu objektivieren.

2. Bewegungssteuerung Die Koordination von Muskelaktivitäten zur Steuerung der Bewegung in einem Gelenk soll an einem relativ einfachen Beispiel demonstriert werden. Für diese Darstellung eignet sich hier das Ellbogengelenk, das zwei Freiheitsgrade besitzt: Beugung/Streckung und Drehung des Unterarmes, Scharnier- und Drehbewegung. Einem Streckmuskel, dem M.triceps brachii, stehen drei Beuger, M.brachialis, M.biceps brachii und M.brachioradialis gegenüber. Von den drei Beugern fällt dem Biceps noch die Aufgabe zu, den Unterarm zu drehen. Um ein exaktes Bild der Bewegungssteuerung zu bekommen, müßte die Aktivität aller vier Muskeln synchron aufgezeichnet werden, beim Biceps getrennt nach den zwei "Köpfen" und beim Triceps nach drei "Köpfen". Jede Gelenkbewegung wird durch mindestens zwei entgegengesetzt wirkende Muskeln vollzogen, man spricht hier von Antagonisten. Um die Bewegung des Ellbogengelenkes gezielt ausführen zu können, müssen Beuger und Strecker jedoch so zusammenarbeiten, daß die gewünschte Bewegungsgeschwindigkeit erreicht wird. Bei allen zielgerichteten Bewegungen wird das betreffende Körperglied durch antagonistische Muskelkräfte geführt. Am Beispiel des Ellbogengelenkes soll die antagonistische Muskelaktivität gezeigt werden. Das EMG des Triceps und das EMG des Biceps sollen parallel aufgezeichnet werden. Die Ableitpunkte sind entsprechend der beiden nachfolgenden Abbildungen zu wählen.

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Elektromyogramm 5-10

Abb. 5-4: Ableitpunkte für Biceps und Triceps nach BECKER-CARUS

Im Stehen sollen folgende Bewegungen sowohl langsam als auch schnell ausgeführt werden: - Beugen und Strecken des Unterarmes ohne Belastung mit der Handfläche

• nach oben • nach innen • nach unten

- Beugen und Strecken des Unterarmes gegen einen festen Widerstand (Tischplatte) ohne Beteiligung der Hand (isometrische Kontraktion) Bei allen Versuchen sollen sowohl Original-EMG als auch das integrierte Signal ( t=0,2 sec) registriert werden, die einzelnen Abschnitte sollen auf der Registrierung gekennzeichnet werden. Beschreiben Sie die unterschiedlichen Aktivierungsmuster der abgeleiteten Muskeln in den verschiedenen Bewegungs-situationen.

Der nachfolgende Abschnitt zum Thema „Aktivierung - Orientierungsreaktion - Habituation“ ist lediglich zur Ergänzung angefügt, dies ist nicht Bestandteil des Standard-Praktikumsversuches. Die notwendigen Untesruchungsbedingungen lassen sich normalerweise nicht in einer Gruppe herstellen. Aktivierung - Orientierungsreaktion - Habituation In psychophysiologischen Untersuchungen wird das EMG sehr häufig dazu benutzt, eine Aussage über den Grad der Aktivierung zu machen. Als Maß dient hier der Grundtonus von Muskeln, die nicht an der Bewegung des Rumpfes oder der Gliedmaßen beteiligt sind. Ein Beispiel hierfür ist das EMG der Stirnmuskulatur, die Ableitpunkte sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Desaktivierung als Folge von Entspannung kann unter solch einfachen Versuchsbedingungen nur sehr schlecht gezeigt werden, dagegen soll versucht werden Effekte von Habituation und Orientierung sichtbar zu machen. Hierfür wird ein EMG der Stirnmuskulatur abgeleitet, die Ableitpunkte dafür sind in der nachfolgenden Abbildung zu sehen.

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Elektromyogramm 5-11

Abb. 5-5: Ableitpunkte für Stirn-EMG Als Orientierungsreaktion bezeichnet man einen (kurzzeitigen) Aktivierungsvorgang, der die psychophysische Einstellung auf einen Reiz kennzeichnet. Er umfaßt - nach SCHANDRY - mehrere Komponenten, darunter Aufmerksamkeitszuwendung, Absinken der Herzrate, Ansteigen der Hautleitfähigkeit und Veränderungen in evozierten EEG-Potentialen. Die Stärke der Orientierungsreaktion nimmt ab, wenn der auslösende Reiz durch Wiederholung immer geringeren Neuigkeitswert erhält (d.h. wenn ein immer genaueres, inneres Abbild oder "neuronales Modell" des Reizes erzeugt wurde). Dieses Abklingen der Orientierungsreaktion wird als Habituation bezeichnet. Werden in einer Serie gleichartiger Reize die Reizqualität oder Reizintensität merklich verändert, so wird die bereits erzielte Habituation teilweise wieder rückgängig gemacht (Deshabitua-tion): Auch auf den bisher gewohnten Reiz erfolgt nun wieder eine stärkere Orientierungsreaktion. Es soll der Versuch unternommen werden, solche Prozesse anhand des Stirn-EMG mit Hilfe einer Folge von Schallreizen nachzu-weisen. Ob dies gelingen wird, kann nicht sicher vorhergesagt werden, weil zum einen das EMG kein "klassischer" Indikator für Orientierungsreaktion, Habituation und Deshabituation ist, und weil zum anderen nicht so sehr die objektive als vielmehr die subjektive Signifikanz der gewählten Reize für die ausgelösten Reaktionen entscheidend ist.

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Elektromyogramm 5-12

Zusatzaufgabe Im Zusammenhang mit dem Versuch „Anthropometrie“ werden Daten des Wachstums erhoben, so z.B. Körperhöhe und Körpergewicht, sowie die Dicke des Unterhautfettgewebes als Maß für den Ernährungszustand. Zu der Körpermasse gehört aber neben Knochen- und Fettgewebsmasse auch der Anteil der Muskulatur. Die Masse der inneren Organe entzieht sich unserer Beurteilung mit nicht invasiven Methoden. Die Beurteilung der Muskelmasse kann auf zwei Arten erfolgen, zum einen über Querschnitts-bestimmungen (Oberarm-Muskel-Anteil), zum anderen indirekt über eine Muskelkraftmessung.

1. Mittels Oberarm-Umfang und der Hautfaltendicke über dem Triceps wird näherungsweise der Anteil der Muskulatur am Querschnitt berechnet.

2. Die Greifkraft wird als repräsentatives Maß für muskuläre Entwicklung angenommen. Messung der Greifkraft Die Messung der Greifkraft erfolgt mittels eines Dynamometers, mechanisch bzw. elektronisch. Das Grundprinzip ist beiden Systemen gleich, zwei Griffe werden durch den Greifvorgang - im Idealfall isometrisch - gegeneinander gedrückt. Bei dem mechanischen Dynamometer wird eine Feder Zusammengedrückt und die geringe Wegänderung durch einen Zeiger auf einer kalibrierten Skala sichtbar gemacht.. Bei einer Maximalkraftmessung bleibt der mitbewegte Schleppzeiger auf dem größten erreichten Wert stehen., anschließend wir er wieder mit Hand auf Null gestellt. Bei dem elektronisch arbeitenden Dynamometer wird die Biegekraft in dem Handgriff über einen Dehnungsmeßstreifen ermittelt und in der Einheit Newton (N) angezeigt. Hier gilt:

1 kp = 9.81 N Für die Messung der Maximalkraft wird das Gerät auf die Funktion „Hold“ gestellt, d.h. der höchste erreichte Wert wird weiter angezeigt. Das Rücksetzen erfolgt über die Taste „Reset“. Die Messung der maximalen Greifkraft erfolgt im Stehen, wobei der Unteramr waagerecht nach vorne zeigt, wobei die Handinnenfläche nach oben weist. Das Greifen mit maximaler Kraftanstrengung soll nur kurz sein, ca 2-3 sec., je einmal mit der rechten und der linken Hand. Nach einer Erholungspause von mindestens einer Minute erfolgt eine Wiederholung der Messung, nach Bedarf noch eine dritte Messung. Aus den beiden jeweiligen Maximalwerten wird die Greifkraft-Summe(GKsum) durch Addition gebildet. Da dieser Wert abhängig ist von der gesamten Muskelmasse, wird er in Relation zum gesamten Körpergewicht(KG) gesetzt.

GK kpkg

GK kpKG kg

relsum

=[ ]

[ ]

Geht man grob davon aus, daß man sich mit den Händen an einer Stange frei halten kann, sollte die Greifkraft etwa dem Körpergewicht entsprechen, d.h. die relative Greifkraft (Gkrel) sollte größer als 1.0 [kp/kg] sein.

Nebenbei Warum läßt sich eine maximale Greifkraft nicht über einen längeren Zeitraum aufbringen? Warum gibt es in manchen Situationen einen proportionalen Zusammenhang zwischen EMG und Kraft, in anderen nicht? Wie wirkt sich die Diagnose „normalgewichtig und Überernährt“ auf die relative Greifkraft aus?

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Sensumotorische Reaktionen 6

Versuch Nr. 6

Sensumotorische Reaktionen

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Sensumotorische Reaktionen 6-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

Thätigkeit der Nerven Der Nerv ist, ebenso wie der Muskel, niemals von selbst thätig, er muß zu seiner Thätigkeit erst angetrieben werden. Das was den thätigen Zustand im Nervensystem hervorruft, wird Nervenreiz genannt und die Eigenschaft des Nerven, durch Reize in den thätigen Zustand übergeführt zu werden, heißt seine Erregbarkeit, Reizbarkeit, Empfindlichkeit, Sensibilität. Natürlich ist die Erregbarkeit an die normale Zusammensetzung (Form) und Mischung des Nervengewebes gebunden. Man spricht von vermehrter oder verminderter Reizbarkeit, je nachdem die Reizung ein stärkeres oder schwächeres, ein schnelleres oder trägeres Vonstattengehen der Nerventhätigkeit veranlaßt.Mit dem Ausdruck der Lähmung wird eine vollständige Unfähigkeit zum Thätigsein angedeutet. Nach der verschiedenen Beschaffenheit des Nervenreizes, welcher entweder von der Außenwelt oder vom Innern unseres Körpers aus auf das Nervensystem einwirkt, ist die Wirkung eine verschiedene. Auf ein reizbares Nervensystemwird natürlich derselbe Reiz mehr Eindruck machen müssen als auf ein weniger reizbares. Die Leitung der Erregung im Nerven (ergründet mittels des elektromagnetischen Chronometers) ist hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit eine verhältnismäßig langsame, jedoch nicht so langsam wie im Muskel, und steht der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Imponderabilien (Licht, Elektricität, Schall) weit nach. Die Nachricht von einem Eindrucke, der auf das Hautende empfindlicher Nerven gemacht ist, pflanzt sich mit einer für die Individuen ziemlich gleichen Gesschwindigkeit von etwa 180 Fuß in der Secunde, also fast fünfmal langsamer als der Schall, zum Gehirn fort. Sie beträgt gegen 60 Meter in der Secunde, während die Elektricität in derselben Zeit 464,000,000 Meter und das Licht 40,000 Meilen zurücklegt. Es dauert ¾ bis 1/10 Secunde, um auf eine Empfindung mit einer Bewegung (Willensäußerung) zu antworten. Wahrscheinlich ist es, daß die Geschwindigkeit der Leitung nicht gleichmäßig ist, sondern mit zunehmender Ent-fernung von der zuerst erregten Stelle abnimmt. So kommt z.B. eine Nachricht von der großen Zehe etwa 1/30 Secunde später im Gehirn an, als eine vom Ohr oder Gesicht.

...

Denken wir uns die Nerventhätigkeit beispielsweise einmal als ein Erzittern in den Nervenfädchen. Das was dieses Erzittern veranlaßt, würde der Nervenreiz sein. So würden also Lichtstrahlen den Sehnerv, Schall den Gehörnerv, unser Wille bestimmte Bewegungsnerven in Zittern versetzen u.s.f. Dieses Zittern dehnt sich allmählich über den ganzen Nerv, bis zu dessen Ende hin aus und setzt die hier anhängenden Apparate in Thätigkeit (erzeugt durch Bewegungen oder Empfindungen). Wenn nun in einem Nervenmittelpunkte ein zitternder Nerv einen oder mehrere ihm benachbarte Nerven anstößt und ebenfalls in Erzittern versetzt, so nennt man dies eine Überstrahlung oder Reflex. Hierbei sind also die letzteren Nerven nicht selbst durch einen Reiz in Erzittern versetzt worden, sondern erst durch einen anderen Nerv, der in Folge einer Reizung zitterte.

...

Es scheint übrigens als ob dadurch, daß eine Nervenerregung von einer gewissen Stelle aus sehr häufig auf ganz bestimmte Ganglienzellen übertritt, dieses Übertreten so erleichtert wird, daß es ohne weiteren Willenseinfluß sofort vor sich geht. Daher kommt es, daß wir mit bestimmten sensiblen Eindrücken durch fortgesetzte Uebung ganz bestimmte unwillkürliche Bewegungen zu verbinden lernen. Man könnte diese Bewegungen erlernte Reflexe nennen. Zu ihnen gehören die Bewegungen beim Schreiben, Lesen, Tanzen, Musiciren, die rasche Beugung des Rückens Untergebener vor ihrem Vorgesetzten etc. Eine Reflexhemmung findet im Gehirn insofern statt, als der Wille, zumal durch Uebung, eine Menge von Reflexbewegungen zu unterdrücken vermag. So tritt auf Berührung des Augapfels für gewöhnlich ein unwillkürlicher (reflectorischer) Schluß der Augenlider ein; durch den Willen kann man denselben aber verhindern. Hierher gehört wohl auch das Ruhigbleiben und Nichtthätlichwerden bei verletzenden Beleidigungen.

... Aus: „Gesundheits-Handbuch“ (s.S.II)

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Sensumotorische Reaktionen 6-2

Vorbemerkung Einfache sensumotorische Reaktionen dienen als Modell für die Analyse neuromuskulärer Funktionen. Im allgemeinen haben solche Reaktionen folgende innere Struktur:

Als Antwort auf ein zuvor Vereinbartes Signal („Reiz“) wird eine ebenfalls vereinbarte , einfache Bewegung („Reaktion“) ausgeführt (z.B. Lichtsignal ⇒ Drücken einer Taste).

Selbst derart einfache Modelle schließen bereits eine relativ komplexe Folge von Einzelprozessen ein:

• Wahrnehmung und Identifizierung des Reizes (Unterscheidung von anderen, irrelevanten Signalen);

• Verknüpfung des richtig erkannten Reizes mit einer motorischen Aktion; • Erzeugung oder Abruf eines motorischen Aktionsprogrammes; • Ablauf des Programmes innerhalb des Nervensystems; • Übertragung auf die beteiligten Muskelfasern; • Muskelkontraktion und Bewegung.

Der Zeitbedarf für den Ablauf dieser Funktionskette (Reaktionszeit) ist zugleich ein Maß für den „Verarbeitungsaufwand“, den das Nervensystem für die Ablaufsteuerung investieren muß; er setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:

• Zeitbedarf für die Aufnahme des Reizes • Übertragungszeiten an Synapsen • Ausbreitungszeiten auf dendritischen Verzweigungen • Fortleitungszeiten auf Nervenfasern • Übertragungszeiten an den motorischen Endplatten • Ausbreitungszeit auf den Muskelfasern • Kontraktions- und Bewegungszeit.

Deshalb ist anzunehmen, daß Reaktionszeiten länger sind, wenn

• das Nervensystem Aktionsprogramme neu erzeugen muß (unter Beteiligung vieler Synapsen), anstatt ein fertiges Programm „abzurufen“;

• das Aktionsprogramm aufwendig und noch nicht auf das unbedingt erforderliche Maß hin optimiert ist;

• lange Leitungswege zurückzulegen sind (z.B. Fuß); • große Muskelgruppen aktiviert werden müssen; • das notwendige Bewegungsausmaß größer ist.

Lernprozesse, die in diesen Fällen meist als „Übung“ bezeichnet werden, finden vor allem auf der Ebene der zentralen Verarbeitung statt:

• Zunächst „neu erdachte“ Aktionsprogramme werden bei häufiger Benutzung gespeichert und zukünftig als fertige Programme nur noch „abgerufen“;

• aufwendige Programme werden vereinfacht („optimiert“); • häufig benutzte Übertragungsstrecken werden durch Bahnung durchlässiger (schneller).

Überwiegend erstrecken sich Lerneffekte auf den Zeitbedarf bis zur Übertragung der motorischen Impulse auf die Muskelfasern (Pre-Motor-Time; PMT); die Zeit von der Erregung des Muskels bis zur Beendigung der Bewegung (Motor-Time; MT) profitiert nur von der Optimierung des Bewegungsausmaßes. Die einfachste Form der Analyse sensumotorischer Prozesse besteht deshalb in der genauen Bestimmung von Reaktionszeiten. Auf diese Weise können z.B. folgende Fragestellungen bearbeitet werden:

(1) Übungseffekte bei wiederholter Ausführung von sensumotorischen Reaktionen; (2) Unterschiede im Zeitbedarf für die Verarbeitung von Signalen für unterschiedliche

Sinnessysteme (z.B. visuell/akustisch);

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Sensumotorische Reaktionen 6-3

(3) Reaktionszeitunterschiede bei Hand- und Fußreaktionen; (4) Unterschiede im Reaktionsverhalten der beiden Körperseiten (Lateralität):

Solche Fragestellungen spielen nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch für die Gestaltung von Lebensumwelten (Signalquellen, Bedienelemente) vor allem in den Bereichen Arbeit und Verkehr eine Rolle. Reale Lebensbedingungen sind im allgemeinen allerdings komplexer strukturiert als solche einfachen Reiz-Reaktions-Modelle:

Meist sind Signale unterschiedlichster Art gleichermaßen als „Reize“ bedeutsam, und meist sind viele verschiedene „Reaktionen“ möglich, zwischen denen eine Auswahl getroffen werden muß.

Ein erweitertes Modell für solche komplexeren Situationen stellt die Arbeit am „Wahlreaktionsgerät“ oder „Determinationsgerät“ dar:

Das Gerät bietet nach Farbe und Lokalisation unterschiedliche optische und 2 nach Tonhöhe unterschiedene akustische Signale an, die jeweils mit unterschiedlichen, motorischen Reaktionen (Druck auf nach Farbe und/oder Ort unterschiedliche Tasten; Bedienen von Fußpedalen) beantwortet werden müssen. Ausgewertet wird nicht nur die Reaktionsgeschwindigkeit, sondern auch die Reaktionsgenauigkeit, d.h. die Häufigkeit von unterlassenen oder falschen Reaktionen.

Die Aufgabe, jeweils die richtige Reiz-Reaktions-Verknüpfung auszuwählen und herzustellen, entspricht regelmäßig wiederkehrenden Alltagssituationen (z.B. Führen von Fahrzeugen; Überwachungs-, Steuer- und Regelungsaufgaben in der Industrie u.s.w.). Es liegt deshalb nahe, daß die „Reaktionsleistung am Wahlreaktionsgerät“ gelegentlich als Indikator der Eignung für bestimmte Aufgaben betrachtet und auch praktisch verwertet wird; ein Beispiel dafür bietet das vom TÜV zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit eingesetzte Verfahren (s.u.).

Literaturhinweise Becker-Carus, Chr.; Th. Heyden und G. Ziegler: Psychophysiologische Methoden, Stuttgart, Enke-

Verlag 1979, S 67ff Birbaumer, N. und R.F. Schmidt: Biologische Psychologie, Berlin, Springer 1990, S. 282-305 Klebelsberger, D.: Wiener Determinationsgerät, Diagnostika 5 (1960) Mörike, K.D.: Biologie des Menschen/ Mörike; Betz; Mergenthaler. Bearb. v. E.Betz, D. Mecke und K.

Reutter mit einem Beitrag von H. Ritter Heidelberg/Wiesbaden, Quelle und Meyer 12/1989, S. 15-48 - 15-77

Thews, G.; E. Mutschler und P. Vaupel: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen.

Stuttgart, Wiss. Verl.-Ges. 3/1989, S. 441ff

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Sensumotorische Reaktionen 6-4

Zum Versuch Als Meßplatz für sensumotorische Reaktionen steht ein Wahlreaktionsgerät der Fa. ZAK zur Verfügung. Dieses Gerät besteht aus drei Bausteinen:

• Arbeitsplatz für die Versuchsperson • Steuergerät zur Festlegung des Reizprogrammes • Reaktionszeit-Messgerät mit Drucker

Aus technischen Gründen wird nur noch der eigentliche Arbeitsplatz für die Vpn. verwendet, Steuergerät und Reaktionszeitmessung werden durch einen PC mit entsprechender Software ersetzt. Der Arbeitsplatz besteht aus einem Display zur Darbietung der Reize und den zugehörigen Reaktionsmöglichkeiten, siehe Abb. 6-1.

Abb. 6-1: Arbeitsstation des Wahlreaktionsgerätes (Fa. ZAK) Folgende „Reize“ können dargeboten werden:

(1) Lichtreize in 5 Farben (rot, grün, gelb, blau, weiß), die an 5 verschiedenen Stellen des Display (Abb.6-1, D) erscheinen können;

(2) zwei gelbe Lichtsignale über Zusatzlampen rechts und links unten auf der Milchglasscheibe (Abb.6-1, Z);

(3) je ein höherer und ein tieferer Ton über Kopfhörer (Abb.6-1, KH). Folgende Reaktionsmöglichkeiten sind vorgesehen:

(1) Fünf mit der Hand zu bedienende Tasten in den Farben der Lichtsignale (s.o.) auf einem Pult vor dem Display (Abb.6-1, R,Gr, W, B, Ge);

(2) zwei schwarze Handtasten rechts und links oben auf dem Pult (Abb.6-1, S); mit diesen Tasten werden im Regelfall die Schallreize (rechts > „Ton hoch“; links > „Ton tief“) beantwortet;

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Sensumotorische Reaktionen 6-5

(3) zwei Fußtaster (Pedale); sie dienen im Regelfall zur Beantwortung der Zusatzlampen (s.o.); (rechtes Pedal > „Lampe rechts“; linkes Pedal > „Lampe links“) (Abb.6-1; FR, FL).

Zum Wahlreaktionstest Durch die Verwendung eines PC als Steuergerät für den Versuch läßt sich der Reaktionstest in weiten Bereichen frei programmieren. Die variablen Parameter dabei sind:

• Reizauswahl, hier wird festgelegt welche Reizarten verwendet werden sollen

• Zeitgesteuert bedeutet, daß der Versuch nach einem festen Zeitplan abläuft, das Auftreten der Reize ist vorgegeben

• Reaktionsgesteuert bedeutet, daß der nächste Reiz erst dann erscheint, wenn die vereinbarte Reaktion erfolgt ist, der Reiz „Rot“ z.B. mit der „Roten Taste“ beantwortet wurde

• Reizwiederholzeit (RWZ) ist die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Reizen und wird zur Festlegung des zeitgesteuerten Ablaufes benötigt

• Die RWZ wird in vielen Versuchen als Konstante benutzt, kann aber für einige Fragestellungen variabel benutzt werden, so z.B. mit einer regelmäßigen Veränderung in Form einer konstanten Ab-/Zunahme oder randomisiert zwischen einem Max.- und einem Min.-Wert

• Reizdauer (RD) gibt die Zeit an, die ein Reiz für die Vpn sichtbar bzw. hörbar ist

• Verzögerungszeit (VZ) gibt die Zeit zwischen einer „Richtigen Reaktion“ und dem nächsten Reiz bei reaktionsgesteuertem Ablauf an

Die grundlegenden Möglichkeiten werden nachfolgend kurz dargestellt: Demonstration der Reizarten

Über die Tastatur des PC können die einzelnen Reize dargestellt werden, um der Vpn jeden Reiz vorzuführen und eventuelle Verwechslungen auszuschließen. Die Antworttasten werden hierfür nicht benötigt.

Übungsversuch

Der Übungsversuch ist fest programmiert und läßt sich so nicht variieren, es erfolgt auch keine Speicherung des Ablaufes. Es werden 40 Reize dargeboten, wobei alle Reizarten vorkommen. Die Reize erscheinen mit einer RWZ von 1.5 sec und haben eine RD von 1.0 sec.

Reaktionsgesteuerter Versuch

Die Auswahl der Reizarten erfolgt je nach Fragestellung, Reizzahl und Reizdauer werden ebenso frei gewählt. Entscheidend ist hier, daß die Vpn. den Zeitverlauf des Versuches durch die eigene Reaktionsgeschwindigkeit selbst bestimmt.

Zeitgesteuerter Versuch

Diese Form der Versuchsdurchführung ist die in der Praxis gebräuchlichste, hierfür ist das Originalsystem der Fa. ZAK primär ausgelegt. Auswahl der Reizart, RWZ, RD und Reizzahl werden als Konstante vorgegeben.

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Sensumotorische Reaktionen 6-6

Reaktionszeitmessung

Bei der Reaktionszeitmessung spielt die Wahlreaktionsaufgabe in der Regel keine Rolle, hier soll die Reaktion auf unterschiedliche Reizmodalitäten (optisch/akustisch) untersucht werden. Dabei müssen die Reize in einer zeitlich randomisierten Folge dargeboten werden. Untersucht werden die Reaktionszeiten in folgender Kombinationen:

• akustisch / optisch ⇒ Hand • akustisch / optisch ⇒ Fuß

Dynamische Versuche

Bei dieser Art der Versuchsdurchführung wird ein Parameter während des Versuches systematisch verändert, so kann z.B. die RWZ kontinuierlich kleiner bzw. größer werden. Hiermit lassen sich individuelle Grenzen der Reaktionsfähigkeit feststellen.

Schlüssel der Reiz-Codierung

Die Speicherung der Daten im Rechner sowie der Ausdruck auf einem Protokoll erfolgt in codierter Form jedem Reiz/jeder Taste entspricht eine Ziffer nach folgendem Schema:

Code Reiz Reaktion 1 rotes Licht rote Taste 2 grünes Licht grüne Taste 3 gelbes Licht gelbe Taste 4 blaues Licht blaue Taste 5 weißes Licht weiße Taste 6 Ton hoch rechte schwarze Taste 7 Ton tief linke schwarze Taste 8 linke Zusatzlampe linkes Pedal 9 rechte Zusatzlampe rechtes Pedal

Versuchsprotokoll

Am nachfolgenden Beispiel eines Versuchsprotokolles soll dieses erläutert werden. In der 1.Zeile steht der Titel des Versuches, hier „Random-Versuch“, die 2.Zeile gibt die Versuchsparameter an, wie sie oben definiert sind. Der Titel des Versuches kann in der Regel frei eingegeben werden, dies wird bei Reihenuntersuchungen wichtig. Die nachfolgenden Zeilen enthalten in Form einer Tabelle die Daten des Versuchsablaufes.

• Nr gibt die laufende Nummer des Einzelreizes an

• Zeit bedeutet die relative Zeit seit Versuchsbeginn, zu der Reiz gesetzt bzw. die Antwort gegeben wurde

• unter R ist der Code des Reizes (s.o.) ausgedruckt

• unter A steht der Antwortcode (s.o.)

• AZ steht für Antwortzeit, das ist die Zeit zwischen Setzen des letzten Reizes und der momentanen Reaktion

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Sensumotorische Reaktionen 6-7

Protokollausdruck Random-Versuch Reizzahl: 40 RWZmin: 100 RWZmax 400 RD 50

Nr Zeit R A AZ

1 0 6 72 6 72

2 101 6 162 6 61

3 260 4 307 4 47

4 536 6 570 6 34

5 906 4 948 6 42 1075 4 169

6 1231 6 7 1545 4

1612 4 67 8 1737 4

1814 4 77 9 1947 4

1994 4 47 10 2181 4

Zur Deutung der Tabelle: Eine richtige Antwort liegt vor, sobald Reiz ® und Antwort (A) Code übereinstimmen. Bis Reiz Nr. 4 einschließlich ist die Zuordnung zwischenReiz und Reaktion eindeutig, bei Reiz Nr.5 gibt es zwei Antworten, zuerst eine falsche, dann die richtige. Bei Reiz Nr.6 ist keine Antwort erfolgt. Die Reaktionszeit ergibt sich aus der Antwortzeit für die richtige Antwort.

PC- und Softwarebedienung Da die PC-Software für die DTG-Steuerung Veränderungen unterliegen kann, sollte deren Bedienung nur unter Anleitung von MitarbeiterInnen des Biomed. Labores erfolgen.

Versuchsdurchführung Für die Durchführung von Reaktionsversuchen sollen hier nur zwei Beispiele gegeben werden, für die laufende Praktikumsveranstaltung können darüberhinaus weitere Tests vorgegeben werden, die aber nur aus den zuvor beschriebenen Möglichkeiten definiert werden. Reaktionszeitmessung

Ziel des Versuches ist die Bestimmung mittlerer Reaktionszeiten in Abhängigkeit von

⇒ der Reizart (optisch/akustisch) ⇒ der Reaktionsart (Hand/Fuß) ⇒ der Körperseite (links/rechts) ⇒ dem Übungsstand (1./2. Hälfte jedes Versuches)

In diesem Versuch kommen deshalb nur zwei Reize vor

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Sensumotorische Reaktionen 6-8

⇒ Nr. 6 „Ton hoch“ akustisch ⇒ Nr. 1 „rotes Licht“ optisch

Alle übrigen Reize werden ausgeschaltet. Als Reaktionseingabe werden benutzt:

⇒ „gelbe Taste“ rechte Hand Nr.3 ⇒ „weiße Taste“ linke Hand Nr.5 ⇒ „rechtes Pedal“ rechter Fuß Nr.9 ⇒ „linkes Pedal“ linker Fuß Nr.8

Der Versuch wird zeitgesteuert durchgeführt, wobei die RWZ randomisiert zwischen RWZmin = 1sec und RWZmax = 5sec sein soll, entsprechend einer mittleren RWZ = 3sec. Die Reizzahl soll 40 betragen, wobei akustische und optische Reize gemischt vorkommen. Die Reaktion soll nach Hand/Fuß und Körperseite getrennt untersucht werden. Die Auswertung der mittleren Reaktionszeit erfolgt zusätzlich bei jedem Versuch getrennt nach 1./2. Hälfte, um einen Lerneffekt zu prüfen. In der Regel wird entweder ein Hand/Fuß-Vergleich oder ein rechts/links-Vergleich durchgeführt.

„TÜV-Test“ Der nachstehend beschriebene Wahlreaktionstest wurde vom „Technischen Überwachungsverein“ (TÜV) bei Fahrtauglichkeitsuntersuchungen eingesetzt; die Bewertungstabelle stammt von:

TÜV Norddeutschland e.V. Medizinisch-Psychologisches Institut für Verkehr und Industrie Bremen e.V.

Der Test besteht aus drei Abschnitten, für die alle gleichermaßen gilt:

⇒ nur Farblicht-Reize (code 1 - 5) ⇒ nur Farbtasten als Antwort ⇒ Reizzahl 50

Der Test besteht aus drei Abschnitten mit jeweils beschleunigter RWZ:

I. Abschnitt RWZ = 1.2 sec II. Abschnitt RWZ = 1.0 sec III. Abschnitt RWZ = 0.9 sec

Zwischen den drei Abschnitten soll eine kurze Pause eingeschaltet werden. Auswertung: Es werden nur die „richtigen Antworten“ je Abschnitt gezählt In der nachfolgenden Tabelle 6-1 sind Vergleichswerte zur Beurteilung des „TÜV“-Tests dargestellt.

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Sensumotorische Reaktionen 6-9

Prozentrang 1.2 sec 1.0 sec 0.9 sec 96 - 100 50 50 49 - 50 91 - 95 48 81 - 90 49 46 - 47 71 - 80 49 48 45 61 - 70 47 42 - 44 51 - 60 48 45 - 46 41 41 - 50 44 39 - 40 31 - 40 47 42 - 43 36 - 38 26 - 30 46 41 35 21 - 25 45 39 - 40 32 - 34 16 - 20 44 37 - 38 29 - 31 11 - 15 42 - 43 35 - 36 26 - 28 6 - 10 37 - 41 28 - 34 21 - 25 3 - 5 30 - 36 25 - 27 15 - 20

2 25 - 29 23 - 24 10 - 14 1 18 - 24 12 - 22 7 - 9

< 1 0 - 17 0 - 11 0 - 6

Tab.6-1: Vergleichswerte zur Beurteilung des „TÜV-Tests“. Die drei Versuchsabschnitte sind durch die zugehörigen RWZ gekennzeichnet. Die Zahlen in den Spalten entsprechen der Anzahl der jeweils „richtigen“ Reaktionen. Die Benutzung dieser Tabelle setzt voraus, daß der Begriff Prozentrang bekannt ist.

Andere Test-Formen Im Prinzip lassen sich viele Testformen finden, hier kommt ganz entscheidend darauf an, in welchem Zusammenhang soll die Reaktionsfähigkeit oder Reaktionsleistung bestimmt werden. Es kann z.B. untersucht werden der Zusammenhang zwischen Reaktionsleistung und

• Zeitstruktur der Aufgabe • Komplexität der Aufgabe • Störung durch eine Nebenaufgabe • Störung durch Lärm etc. • Tageszeit • Aktiviertheit • u.s.w.

Jede Institution, die den Wahlreaktionstest als Eignungs- oder Auswahltest einsetzt, hat ihre eigene Konfiguration entwickelt und wird diese in den seltensten Fällen veröffentlichen. Daher ist es, abgesehen vom „TÜV-Test“, auch nicht möglich Vergleichswerte für die Reaktionsleistung zu bekommen.

Nebenbei Welchen Einfluß hat körperliche und welchen psychische Belastung auf die Reaktionsfähigkeit? Welchen Einfluß haben z.B. Narkotika oder Alkohol? Ist die Reaktionszeit ein personengebundenes Merkmal? Was ist eine „Schrecksekunde“?

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Ergometrie 7

Versuch Nr. 7

Ergometrie

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Ergometrie 7-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts

Die Vortheile, welche Bewegungen haben, wenn sie dem ganzen Körper genau angepaßt sind, und mit dem richtigen Maß und Ziel, sowie mit der nöthigen Vorsicht angestellt werden, sind nach dem Gesagten etwa folgende: 1. Die Willensthätigkeit des Gehirns lernt leichter und besser vor sich gehen, es bildet sich ein kräftiger Wille mit Unerschrockenheit aus. 2. Das Gehirn wird von psychischem Druck entlastet, in Folge der ableitenden Anregung seiner Willensthätigkeit. 3. Der Schlaf wird befördert, wegen Verbrauch von Sauerstoff, Hirnsubstanz, die sich dann, neben Sauerstoffspeicherung im Schlafe restauriert. 4. Die Musculatur gewinnt an Stärke, Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit bei der Thätigkeit, theils durch die bessere Ernährung, theils durch die Übung derselben. Jede Verbesserung der allgemeinen Muskelernährung macht aber ihren Einfluß auch auf das Herz geltend, hebt dessen Energie und fördert den Blutlauf, durch welchen dann die rmüdenden Stoffe aus dem Muskel- und Nervengewebe flotter ebgeführt werden. 5. Es wird Hunger und Durst erzeugt, in Folge des Verbrauchs von Muskel- und Nervensubstanz, sowie durch Vermehrung flüssiger Absonderungen (besonders des Schweißes und Harns). 6. Die zur Unterhaltung der Ernährung nöthigen Processe werden bethätigt, wie der Blutkreislauf, die Verdauung, der Speisesaft- und Lymphfluß, das Athmen, die Ab- und Aussonderungen, die Wärmeentwicklung. Es gibt kein besseres Mittel zur Hebung von Blutstockungen, Verstopfungen, von Unthätigkeit der Haut u.s.f., als zweckmäßiges Bewegen. 7. Das Gerüst des menschlichen Körpers wird besser entwickelt; die Knochen werden stark und fest, die Brust- und Bauchhöhle gehörig umfänglich, die Wirbelsäule wohlgestaltet. Die Nachtheile, welche Bewegungen dann haben können, wenn sie unzweckmäßig angestellt werden, sind folgende: 1. lähmungsartige Schwäche in Folge von Überanstrengungen. 2. Widernatürliche Ernährung des Bewegungsapparates, die nur auf Kosten der Ernährung anderer Organe und besonders auch auf Kosten der Verstandes- und Gemüthsthätigkeit des Gehirns zu Stande kommt. 3. Zu starker Blutverbrauch und deshalb Blutarmuth und Bleichsucht. 4. Herzvergrößerung mit beschwerlichem Herzklopfen, in Folge zu häufiger und starker Anregung desselben. 5. Widernatürliche Ausdehnung der Lungen mit Athembeschwerden, durch unzweckmäßige Brustübungen. 6. Mißgestaltung des Körpers, wenn nur gewisse und nicht alle Muskelgruppen desselben richtig gebraucht werden. Die breitschultrigen und dünnbeinigen Turner, sowie die dickbeinigen und schmalbrüstigen Tänzerinnen beweisen dies.

... Aus: "Gesundheits-Handbuch" (s.S.II)

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Ergometrie 7-2

Vorbemerkung Als 'Ergometrie' bezeichnet man die Prüfung menschlicher Körperfunktionen unter dosierter körperlicher Belastung. Ziel ist es in der Regel, Reaktionen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung, des Stoffwechsels oder des Temperatur-Regelsystems in Belastungsbereichen zu untersuchen, die Alltagsanforderungen (z.B. gehen, treppensteigen, laufen), den unterschiedlichsten Formen körperlicher Arbeit oder Belastungsintensitäten in Freizeit und Sport entsprechen. Man möchte auf diese Weise herausfinden, ob ein Mensch (dessen Organismus) solchen Belastungen problemlos gewachsen ist, ob er sich durch "Gewöhnung" (d.h. durch gezieltes Training oder durch "training by doing") an Belastungen, denen er regelmäßig ausgesetzt ist, erfolgreich angepaßt hat, oder ob bestimmte Merkmale (z.B. Formänderungen des EKG) erkennen lassen, dass eine Belastung ihn zu überfordern droht. Die Morbiditäts- und Mortalitätsraten des Herz-Kreislauf-Systems geben in der klinischen Medizin der Früherkennung von Funktionsstörungen eine besondere Bedeutung. Da Funktionsstörungen oft erst unter Belastung deutlich werden, liegt hier ein wichtiges Anwendungsgebiet der Ergometrie. Neben der klinischen Medizin bedienen sich die Arbeits- und Sportmedizin und in jüngerer Zeit auch die Kinder- und Jugendphysiologie unterschiedlicher Formen von Belastungsuntersuchungen, um entweder die körperliche Leistungsfähigkeit oder die funktionelle Entwicklung des Organismus beurteilen zu können. Ergometer benutzt man für solchen Untersuchungen, weil dann die "Belastung" (z.B. in Watt, in mkp/min) ziemlich genau bekannt ist und zu den körperlichen Reaktionen (z.B. Änderungen der Herzschlagfrequenz, der Atmung, des Energieumsatzes, des Sauerstoffverbrauchs) direkt in Beziehung gesetzt werden kann. Am gebräuchlichsten sind Fahrrad-, Laufband- oder Handkurbelergometer, aber auch ausgefallene Formen (z.B. Ruder-Ergometer) sind für spezielle Anwendungsbereiche entwickelt worden. Ein Vorteil der Arbeit auf dem Ergometer ist es, dass Probandinnen und Probanden "am Ort" bleiben; das erleichtert die mit einer Belastungsuntersuchung verbundenen Messungen von Körperfunktionen beträchtlich.

Literaturhinweise Hollmann, W., und Th. Hettinger: Sportmedizin - Arbeits- und Trainingsgrundlagen.

Stuttgart - New York, Schattauer 3/1990 Löllgen, H., U.J. Winter, E. Erdmann: Ergometrie.

Berlin etc., Springer 1997 Rost, R., D. Lagerstroem, K. Völker: Die Fahrradergometrie und körperliches Training bei

Herz-Kreislauf-Patienten. Köln, Echo-Verlags GmbH 1996

Mellerowicz, H. (Hrsg.): Ergometrie.

München etc., Urban & Schwarzenberg 1979

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Ergometrie 7-3

Prinzip des Versuches Menschen wissen im allgemeinen, dass bei körperlicher Belastung die Herztätigkeit beschleunigt wird; weniger gut ist bekannt, dass zwischen Belastungsintensität und Herzfrequenz über einen großen Bereich ein einfacher und übersichtlicher Zusammenhang besteht: Die Herzfrequenz steigt mit zunehmende Belastunsgintensität linear an (Abb. 7-1). Dieser Anstieg erfolgt langsamer ("flacher"), wenn das Herz leistungsfähiger ist. Weniger leistungsfähige ("untrainierte") Herzen müssen ihre Tätigkeit bei steigender Belastung stärker (rascher, "steiler") beschleunigen. Dieser Sachverhalt wird bei manchen ergometrischen Verfahren ausgenutzt: Man steigert allmählich die Ergometer-Belastung und beobachtet gleichzeitig mit Hilfe einer EKG-Aufzeichnung, wie rasch und um wieviel sich die Herzfrequenz erhöht. Dabei wendet man im allgemeinen standardisierte Verfahren an, bei denen sich die zu verschiedenen Zeiten oder bei verschiedenen Menschen gewonnenen Ergebnisse untereinander vergleichen lassen. Wenn das Ziel einer solchen Untersuchung eine orientierende Aussage über die "Leistungsfähigkeit" des Herz-Kreislauf-Systems ist, genügt die Beschränkung auf den Parameter Herzfrequenz; bei anderen Fragestellungen kann z.B. die Messung der Sauerstoffaufnahme, der Atmung oder von Stoffwechselparametern (z.B. Milchsäure im Blut) notwendig sein. Als Ergometer benutzen wir ein elektrisch gebremstes Fahrrad-Ergometer, dessen Belastung frei wählbar ist (zwischen 25 und 600 Watt); dass die eingestellte Belastung auch der tatsächlich auf den Probanden einwirkenden Belastung entspricht, wird in regelmäßigen Abständen durch ein für solche Anwendungen zugelassenes Eichverfahren überprüft. Angewandt wird ein von der WHO vorgeschlagener Standard-Test, bei dem die Belastung mit 25 Watt beginnt und alle 2 min um weitere 25 Watt gesteigert wird (Rost u.a. 1996). Die Herzfrequenz wird mit Hilfe des mitregistrierten EKG jeweils in den letzten 10 Sekunden jeder Belastungsstufe ermittelt; die Belastung wird am Ende derjenigen Belastungsstufe abgebrochen, auf der die Herzfrequenz den Wert 130/min (150/min. 170/min) überschreitet. Gesucht wird die "working capacity", das ist diejenige (Ergometer-)Belastung, bei der die End-Herzfrequenz genau erreicht wird; weil dies in der Regel nicht exakt auf einer der benützen Laststufen der Fall ist, wird der exakte Wert durch lineare Interpolation über mehrere Laststufen ermittelt. In Abhängigkeit von der zur Auswertung herangezogenen End-Herzfrequenz wird der gefundene Wert als W130, W150 oder W170 bezeichnet und in [Watt] oder in [Watt/kg Körpergewicht] angegeben. Die den Versuch begrenzende End-Herzfrequenz wählt man in Abhängigkeit vom Trainingszustand, vom Lebensalter und von den äußeren Untersuchungsbedingungen: Je höher die End-Herzfrequenz, desto länger dauert die Untersuchung und desto anstrengender wird sie für die Probandinnen und Probanden; eine Endherzfrequenz von 170/min empfiehlt sich nur bei gesunden und bei belastungsgewohnten Jugendlichen und Erwachsenen; bei durchschnittlich untrainierten Erwachsenen unter 50 Jhr wird man kaum eine Frequenz von 150/min überschreiten; bei eher leistungsungewohnten Erwachsenen und solchen über 50 Jhr bestimmt man in der Regel die W130. Damit wird eine Belastung unterhalb des individuellen Maximums garantiert - eine risikovermindernde Maßnahme bei unerkannten Schäden des Herz-Kreislauf-Systems.

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Ergometrie 7-4

Material, Meßgeräte

Fahrradergometer Steuergerät EKG-System "Custocard" mit PC und Drucker Saugelektrodensystem Sprühflasche mit Wasser zur Elektrodenbefeuchtung Blutdruckmeßgerät (falls Blutdruck nicht bekannt ist) Waage (falls Körpergewicht nicht bekannt ist)

Legende: Probanden ∆HF/∆W 1 trainierende Sportler (Bromann & Wigertz) 0,38 2 trainierende Sportler (Labitzke & Döscher) 0,405 3 Sportstudenten (Labitzke & Döscher) 0,46 4 männl. Nichtsportler 0,60 5 weibl. Nichtsportler 0,78

190

90

100

110

120

130

140

150

160

170

180

3000 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275

HF [1/min]

Belastung [W att]

1

234

5

Abb. 7-1: Belastungsherzfrequenz-Verläufe nach MELLEROWICZ 1979

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Ergometrie 7-5

Versuchsablauf Vorbereitung Auf dem PC muß das Custocard-Programm gestartet und betriebsbereit sein. Dabei brauchen Sie die Unterstützung einer FPMA (freundlichen Praktikumsmitarbeiterin). Auf dem Steuergerät des Ergometers muß das Belastungsprogramm ("L 25") geladen und startbereit sein. In das Computerprogramm werden Probandenkennung und Körpergewicht eingegeben. Der Ergometersattel wird auf die Bedürfnisse der Probandin eingestellt (die Beine sollen bei der tiefsten Pedalstellung nicht ganz gestreckt sein, wenn der Fußballen aufgesetzt wird). Der Griff, mit dem die Arretierung der Sattelsäule gelöst werden kann, befindet sich unter dem Sattel. Eine Proberunde treten lassen! Die Saugelektroden werden auf dem Rücken der Probandin befestigt (rot = rechts oben; gelb = links oben; grün = links unten; schwarz = rechts unten). Es kann nützlich sein, die entsprechenden Hautstellen mit der Sprühflasche etwas anzufeuchten). Der Probandin wird erklärt, dass die Tretgeschwindigkeit auf dem "Tachometer" angezeigt wird, dass es günstiger ist, gleichmäßig im "schwarzen Bereich" (40 - 80 U/min) zu fahren, dass aber in diesem Bereich die Tretgeschwindigkeit frei gewählt werden kann, weil sie keinen Einfluß auf die Belastung hat, dass die Belastung anfangs sehr niedrig sein wird, aber im Laufe des Versuchs alle 2 min ein wenig ansteigt. Ferner soll die Probandin darauf vorbereitet werden, dass Sie den Versuch jederzeit abbrechen kann, dass sie den Versuchsablauf auf dem PC-Monitor beobachten kann, dass sie aber zunächst auf das Kommando für den Start warten und später erst nach dem entsprechenden Kommando die Fahrt beenden möchte. Alle EKG-Spuren auf dem Monitor werden bis auf die Ableitung II gelöscht, damit sich die Beobachtung auf diese Ableitung konzentrieren kann. Das Ruhe-EKG wird beobachtet und auf Auffälligkeiten untersucht; das Belastungsprogramm wird erst gestartet, wenn solche Auffälligkeiten fehlen. Da Sie im allgemeinen nicht wisssen, wie man solche "Auffälligkeiten" erkennt, dürfen Sie ein Belastungsprogramm nur in Anwesenheit einer Fachfrau oder eines Fachmannes starten. Die Sicherheitsvorschriften erfordern, dass ein Defibrillator bereitsteht (wir haben ihn in über 20 Jahren und mehreren Tausend Ergometrien aber noch nie gebraucht). Informieren Sie sich darüber, was ein Defibrillator ist!

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Ergometrie 7-6

Durchführung

Für das Ergebnis einer Belastungsuntersuchung ist das Belastungsprogramm - d.h. die Veränderung der Ergometerbelastung in Abhängigkeit von der Zeit - entscheidend (Abb. 7-2)

0

25

50

75

100

125

150

175

200

2 4 6 8 10 12 14 16

Belastungszeit [min]

Bel

astu

ng [W

att]

Abb. 7-2: Belastungsprogramm "L 25" Das Belastungsprogramm wird in Abstimmung mit der FPMA, die am Computer das Meßprogramm startet, ausgelöst durch Drücken der Enter-Taste auf dem Ergometer-Steurergerät. Das EKG wird auf dem Monitor fortlaufend beobachtet; folgende Phänomene veranlassen den sofortigen Abbruch der Belastungsuntersuchung (siehe auch Versuch 2 in diesem Heft): Ausgeprägte Senkung der ST-Strecke, starke Rhythmusschwankungen, unter Belastung gehäufte Extrasystolen, andere schwerwiegende Reizleitungsstörungen. Sie sehen, warum unter diesen Umständen die Anwesenheit eines Menschen erforderlich ist, der solche Anzeichen erkennen kann. "Fahren" sie die Untersuchung zunächst bis zu der Stufe, auf der eine Herzfrequenz von 130/min erreicht oder überschritten wird. Falls die Probandin nicht über 50 Jhr alt und in sonst guter körperlicher Verrfassung ist (und falls sie dazu bereit ist), können sie bis zu einer Herzfrequenz von 150 "weiterfahren". Die Bestimmung einer W 170 ist nur in besonderen Einzelfällen angezeigt. Nach Abschluß des Versuchs kann die Probandin sich hinsetzen, sich abtrocknen, falls sie geschwitzt hat, duschen, falls sie stark geschwitzt hat. Die Versuchsauswertung erfolgt durch das Custocard-Programm automatisch; für den Aufruf der Auswertung brauchen Sie ein bißchen Hilfe.

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Ergometrie 7-7

Das Protokoll, dass Ihnen dann zur Verfügung steht, enthält die Personenkennung das Versuchsdatum das Körpergewicht der Probandin eine Tabelle der aus den Versuchsdaten errechneten Werte für die absolute W 130 und gegebenenfalls auch W 150 und W 170 in [Watt], und der errechneten Werte für die relative (d.h. auf das Körpergewicht bezogene) W 130 usw. in [Watt/kg]. ein Diagramm über den Versuchsablauf (Laststufen, Herzfrequenzen, Verlauf der ST-Strecke). Sie können sich ferner auf dem Bildschirm die einzelnen Laststufen und die auf diesen Stufen gemessenen Herzfrequenzen (der jeweils letzten 10 Sekunden) anzeigen lassen; die müssen Sie allerdings abschreiben; ein Druckerprotokoll gibt es dafür nicht.

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Ergometrie 7-8

Bestimmung der W130, W150 oder W170 aus Einzelwerten Dass Sie eine fertige Auswertung des Versuchs als Druckerprotokoll erhalten, ist zwar bequem, zugleich aber auch etwas undurchsichtig und wenig lehrreich. Desahalb können Sie die Bestimmung der W130 (oder W150, W170) auch selbst vornehmen: Sie können aus den Einzeldaten über Belastung und Herzfrequenz eine Regressionsgerade rechnerisch bestimmen und feststellen, bei welchem Lastwert diese Regressionsgerade den HF-Wert 130, 150 oder 170 annimmt, oder sie können die Werte für Belastung und Herzfrequenz auf Millimeterpapier (das steht im Biomed. Labor zur Verfügung) in ein X-Y-Diagramm eintragen, die Regressionsgerade grafisch nach Augenmaß festlegen und dann feststellen, bei welchem Lastwert die so ermittelte Regressionsgerade den HF- Wert 130, 150 0der 170 erreicht. Wenden Sie mindestens eins der vorgeschlagenen Verfahren an und vergleichen Sie den selbst bestimmten Wert für die "Working capacity" mit dem Wert im Druckerprotokoll. Bestimmen Sie ferner die relative (gewichtsbezogene) W130, W150 oder W170, indem sie den rechnerisch oder grafisch gefundenen Absolutwert durch das Körpergewicht (in kg) teilen.

Beurteilung Es ist davon auszugehen, dass sich Struktur (z.B. Herzgröße) und Funktion (z.B. Herzfrequenz bei gegebener Belastung) bei verschiedenen Menschen unterscheiden, dass z.B. das Herz größerer Menschen im allgemeinen auch größer ist, und dass sich die Herzgröße auch auf die Funktion niederschlägt. Unter diesen Umständen ist die Beurteilung der absoluten Working capacity weniger sinnvoll als die Bewertung des relativen, d.h. auf das Körpergewicht bezogenen Wertes (ein schwererer Mensch hätte dann eine geringere relative Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit als ein leichterer Mensch mit demselben Absolutwert). Vergleichsdaten sind deshalb meist als Relativwerte in [Watt/kg] angegeben (siehe z.B. Tab. 7-1).

Teilnahmebeschränkungen Folgend Gründe schließen von der Teilnahme am Ergometrieversuch aus: • Herzfunktionsstörungen jeglicher Art; • Einnahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten; • Bluthochdruck • Schilddrüsenüberfunktion, Asthma bronchiale • akute Erkrankungen einschl. schwerer Erkältungskrankheiten

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Ergometrie 7-9

Tab. 7-1: Sollwerte der W130, W150 und W170 nach Rost u.a. (1996)

Frauen

Männer

W 130 [Watt/kg]

1.25

1.5

1.6

2.0

W 170 [Watt/kg]

2.0

2.5

W 150 [Watt/kg]

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Blutdruck 8

Versuch Nr. 8

Blutdruckmessung nach Korotkow/Riva-Rocci

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Blutdruck 8-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts Aus dem Blute quillt das Leben, weil aus dieser rothen, in den Blutgefäßen durch alle Theile des Körpers strömenden Flüssigkeit das Material zur Unterhaltung des Stoffwechsels stammt und das Blut gewissermaßen der verflüssigte Organismus ist. Dieses aus dem Blute hervorquellende Material, welches Ernährungsflüssigkeit genannt wird, ist also nicht roth und so dickflüssig wie das Blut, sondern dünnflüssiger und wasserhell; es enthält die meisten Bestandtheile des Blutes aufgelöst in sich und dringt fortwährend aus dem Blute heraus, während dasselbe die Haargefäße durchströmt.

... Der Lauf des Blutes durch den Körper, welcher immerfort dieselbe Richtung beibehält und zuerst von HARVEY 1619 vollkommen nachgewiesen und 1628 öffentlich bekannt gemacht wurde, geschieht (nach der Geburt) in einer fortwährenden Strömung vom Herzen aus in die Pulsadern (Arterien) und durch deren Stämme, Aeste, Zweige und Reiser zu den Haargefäßen (Capillaren), welche nun die Ernährung und Absonderung besorgen und das Blut sofort in die Blutadern (Venen) überführen, in denen es in entgegengesetzter Richtung, aus den Reisern in die Zweige Aeste und Stämme und endlich in das Herz zurückkehrt, von dem es ausging. Obschon dieser Lauf des Blutes ein einfacher Kreislauf ist, so wird er doch deshalb in zwei Abtheilungen, in den großen und kleinen Kreislauf, geschieden, weil das Blut dabei zweimal das Herz berührt. Es fließt nämlich das Blut (als dunkles) aus der rechten Herzhälfte durch die Lungenpulsader in die Haargefäße der Lungen (wo es in hellrothes verwandelt wird) und kehrt aus diesen (als hellrothes) durch die vier Lungenblutadern zur linken Herzhälfte zurück, d.i. der kleine Kreislauf, die kleine Blutbahn, Lungenblutbahn. Von der linken Herzhälfte aus wird es nun (als hellrothes) mittels der großen Körperpulsader (Aorta) im ganzen Körper verbreitet und, nachdem es in den Haargefäßen in Folge der Ernährung dunkel geworden ist, durch die Hohl- und Herzblutadern zur rechten Herzhälfte zurückgeführt, d.i. der große Kreislauf, die große Blutbahn, Körperblutbahn. Bei der gleichzeitigen Zusammenziehung (Systole) beider Herzkammern, der eine kaum merkliche Verengerung der Vorkammern vorhergeht, drängt sich das kürzer und kugeliger werdende Herz mit seiner vorderen Fläche stärker gegen die Brustwand an und treibt diese etwas hervor, dies bewirkt den Herzschlag, Herzstoß, Herzpuls, Herzchoc oder das gewöhnlich fühl- und sichtbare Herzpochen. Bei dieser Zusammenziehung wird das Blut jeder Kammer gegen die von der Zipfelklappe verschlossene Vorhofs-Kammermündung gepreßt und ein Theil desselben gleichzeitig in die Pulsader gedrängt. Läßt dann die Zusammenziehung wieder nach, so erleiden die Herzkammern wieder eine Ausdehnung (Diastole), wobei der Herzstoß verschwindet und Blut aus den Vorhöfen herab in die Kammern strömt, während die Pulsadermündungen durch die halbmondförmigen Klappen geschlossen sind.

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Blutdruck 8-2

Abb. 8-1: Schematische Darstellung des Blutkreislaufs

Aus: "Gesundheitsbuch" (s.S. II)

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Blutdruck 8-3

Vorbemerkung Der Blutdruck ist eine der wichtigsten Funktionsgrößen des Herz-Kreislauf-Systems. Er wird durch die systolische Kontraktion des Herzmuskels erzeugt und ist umso höher, je größer der durch die Blutgefäße gebildete Widerstand ist, gegen den die Herzarbeit erfolgt. Engstellung von Blutgefäßen läßt ihn also ansteigen, Weitstellung läßt ihn absinken. Ebenso kann eine Zunahme der Förderleistung des Herzens einen Blutdruckanstieg, eine Abnahme der Förderleistung einen Blutdruckabfall zur Folge haben. Außerhalb des Herzens ist der Blutdruck die Antriebsquelle für die Blutströmung; das Blut fließt - vereinfacht dargestellt - immer in Richtung des Druckgefälles. Solange das Blut strömt, kann deshalb der Blutdruck in den verschiedenen Abschnitten des Gefäßsystems nicht den gleichen Wert haben; sowohl im großen (Körper-) als auch im kleinen (Lungen-) Kreislauf ist er in den herznahen Arterien am höchsten, nimmt zu den kleineren Arterien, Kapillaren und Venen hin ab und erreicht seinen tiefsten Wert beim Eintritt in den rechten bzw. linken Herzvorhof. Wenn ohne nähere Eingrenzung vom Blutdruck gesprochen wird, ist jedoch immer der arterielle Blutdruck, in einer relativ herznahen, großen Arterie gemessen, gemeint. Für die Blutversorgung der verschiedenen Organsysteme sind Gefäßweite und Blutdruck die entscheidenden Größen. Es ist deshalb verständlich, daß der Blutdruck ein über Blutdruckrezeptoren und spezialisierte Abschnitte des Gehirns innerhalb gewisser Toleranzgrenzen geregelter Parameter ist. Bei körperlicher Belastung wird zur Sicherstellung des gesteigerten Blutbedarfs ein Blutdruck-anstieg (im wesentlichen aufgrund vermehrter Herzarbeit) ausgelöst; in Körperruhe im Liegen werden etwas niedrigere Blutdruckwerte eingestellt. Dass das zuständige Regelsystem nicht in allen denkbaren Situationen wirksam ist, machen akute Störungen (z.B. sinkender Blutdruck - Mangeldurchblutung des Gehirns - Ohnmacht) oder chronische Entgleisungen (Bluthochdruck- krankheit) deutlich. Insbesondere der krankhafte Bluthochdruck stellt ein sozialmedizinisch wichtigen Risikofaktor dar, der mit verminderter körperlicher Belastbarkeit einhergeht und zahlreiche Folgeschäden begünstigt: Veränderung und nachfolgende Leistungsinsuffizienz des Herzmuskels, Arteriosklerose der Herzkranzgefäße mit vermehrter Infarktneigung, Arteriosklerose von Gehirngefäßen mit Funktions-störungen und vermehrter Neigung zum Schlaganfall, Veränderungen der Blutgefäße des Auges mit nachfolgenden Sehstörungen, Veränderungen der Nierenblutgefäße mit Nierenfunktionsstörungen u.s.w.. Trotz des hohen gesundheitlichen Risikos eines Bluthochdrucks hat die "Münchner Blutdruck-Studie" von 1980/81 bei Frauen einen Bekanntheitsgrad (des eigenen Bluthochdrucks) von nur 84,3%, bei Männern sogar nur 62% ergeben. Dies heißt aber nicht, daß diese bekannten Fälle auch alle behandelt werden (s.Abb. 8-2). Die Zahl der kontrollierten Hypertoniker betrug bei den Männern sogar nur 21,9%, bei den Frauen dagegen bereits 41,9%. Die Blutdruckkrankheit hat oft eine psychosomatische Komponente, zu der Prozesse der Streß-Verarbeitung beitragen. Subjektiv vielfach lästiger ist der chronische Blutunterdruck, der sich durch gesteigerte Ermüdbarkeit, Probleme beim Aufstehen nach dem Schlaf, Neigung zu Schwindelanfällen bis hin zur Ohnmacht bemerkbar macht, bei dem von der Physiologie her keine Spätfolgen bekannt sind.

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Blutdruck 8-4

Abb 8-2: Bekanntheits- und Behandlungsgrad der Hypertonie nach HENSE u. STIEBER Literaturhinweise Birbaumer, N. und R.F. Schmidt: Biologische Psychologie

Berlin etc., Springer 4/1999 Hense, H.W. und J. Stieber: Blutdruck Messkurs

Ges.f.Strahlen- und Umweltforschung München 1986 Lanc, O.: Psychophysiologische Methoden

Stuttgart etc., Kohlhammer 1977 Schmidt, R.F., und G. Thews: Physiologie des Menschen Berlin etc., Springer 26/1995 Thews, G.;E. Mutschler; P. Vaupel: Anatomie, Physiologie, Patophysiologie des Menschen Wiss. Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1989

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Blutdruck 8-5

Prinzip des Versuches Mit jedem Herzschlag wird das Blut in das arterielle System gepumpt, wobei der Druck nicht konstant ist, sondern in Abhängigkeit vom Arbeitsrhythmus des Herzmuskels schwankt.In der Systole, während sich das Herz zusammenzieht und Blut in die große Körperschlagader (Aorta) auswirft, steigt der Blutdruck in den Arterien bis zu seinem Maximum an. In der folgenden Erschlaffungsphase, der Diastole, pumpt das Herz nicht mehr, der Blutfluß in den Gefäßen wird allein durch die elastischen Rückstellkräfte der Aorta aufrechterhalten. In dieser Phase sinkt der arterielle Blutdruck auf sein Minimum ab.

Abb. 8-3: Blutdruckverlauf in der Oberarmarterie während eines Pulsschlages

Entsprechend den Phasen des Herzschlages wird das Maximum der Blutdruckkurve als Systolischer Blutdruck, das Minimum als Diastolischer Blutdruck bezeichnet. Im Prinzip ist es möglich, den arteriellen Blutdruck mit einem in die Arterie eingelegten Meßfühler von der Größe einer Injektionsnadel kontinuierlich zu messen und zu registrieren. Arterienpunktionen sind jedoch technisch nicht ganz einfach, schmerzhaft und nicht völlig risikolos. Sie werden deshalb nur dann durchgeführt, wenn andere Methoden ungeeignet sind. Unter alltäglichen Bedingungen wird deshalb ein völlig anderes, ungefährliches Verfahren angewandt, das allerdings weniger genau ist und nur Momentanwerte des Blutdrucks liefert: Wenn man eine Arterie von außen, z.B. mit einer um den Oberarm gelegten Druckmanschette, komprimiert, kann durch sie kein Blut mehr fließen. Senkt man nun langsam den Kompressionsdruck, so beginnt die Blutströmung wieder, wenn Blutdruck und Manschettendruck praktisch identisch sind. Durch den mit dem Herzschlag synchron schwankenden Blutdruck bedingt, wird bei Entlastung der Kompressionsmanschette deshalb das Blut zunächst nicht kontinuierlich fließen, sondern stoßweise nur in den kurzen Momenten, in denen der Blutdruck den Manschettendruck übersteigt.

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Blutdruck 8-6

Abb. 8-4: Durchgängigkeit der Oberarmarterie in Abhängigkeit vom Manschettendruck Arterie zeitweise durchgängig Diese diskontinuierliche Strömung erzeugt ein Spritzgeräusch, das mit einem unterhalb der Manschette auf die Arterie aufgesetzten Stethoskop wahrgenommen werden kann. In Abhängigkeit von der Elastizität der Gefäßwände und der Menge des durchströmenden Blutes ändern sich diese Geräusche, die als Korotkow-Geräusche bezeichnet werden. Wird der Manschettendruck weiter abgesenkt, wird die Phase der Blutströmung immer länger, weil für einen immer größeren Anteil der Herzphase der Blutdruck oberhalb des Manschettendrucks liegt. Wenn schließlich der Kompressionsdruck auch den diastolischen Blutdruck unterschreitet, kann das Blut wieder kontinuierlich strömen; das Korotkow-Geräusch verschwindet (oder wird schlagartig leiser). Man verwendet denjenigen Manschettendruck, bei dem das Korotkow-Geräusch nach vollständiger Kompression der Arterie erstmals auftritt, als Meßwert des systolischen Blutdrucks. Der Manschet-tendruck, bei dem das Geräusch schließlich wieder verschwindet (oder wesentlich leiser wird), wird als Meßwert des diastolischen Blutdrucks benutzt. Das Ergebnis einer solchen Messung ist also immer ein Zahlenpaar (z.B. 140/85); die größere Zahl gibt den systolischen, die kleinere den diastolischen Blutdruck an. Die früher gebräuchliche Einheit Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) ist neuerdings durch gesetzliche Vorschrift durch die Einheit Kilo-Pascal (kPa) abgelöst worden (1 kPa = 7,5 mm Hg; 1 mm Hg = 0,133 kPa). In der medizinischen Praxis haben sich allerdings die neuen Einheiten bisher nicht durchgesetzt, so daß Blutdruckwerte nach wie vor in mm Hg angegeben werden.

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Blutdruck 8-7

Abb. 8-5: Arterie wieder völlig durchgängig

Abb. 8-6: Entstehung der Korotkow-Geräusche in Abhängigkeit von Manschettendruck und Blutströmung in der Oberarmarterie

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Blutdruck 8-8

Material, Geräte

Blutdruckmeßgerät nach Riva-Rocci mit Oberarm-Manschette mechan. Manometer und Handballon zum Aufpumpen sowie Druckablaß-Ventil mit Stellschraube Circumeter zur Messung des Oberarmumfanges; Stethoskop Untersuchungsliege.

Versuchsablauf Der Proband soll auf der Untersuchungsliege liegen; gemessen wird am rechten Oberarm, der Arm soll mit der Ellenbeuge nach oben aufliegen können. Legen Sie die Manschette des Blutdruckmeßgerätes dicht, aber druckfrei um den Oberarm. Wenn Sie nun das Druckablaßventil am Manometer des Gerätes schließen, können Sie die Manschette mit dem Handballon aufblasen. Kontrollieren Sie den Manschetten dabei kontinuierlich am Manometer und überschreiten Sie nicht 200 mmHg/27 kPa. Setzen Sie das Stethoskop in der Ellenbeuge flach, ohne Verkantung und ohne Druck auf. Wenn Sie jetzt Geräusche hören können, halten Sie das Stethoskop noch zu unruhig (Bewegungsgeräusche). Lassen Sie nun durch Öffnen der Ventilschraube langsam den Druck aus der Manschette ab. Kontrollieren Sie dabei ununterbrochen den langsam sinkenden Zeigerausschlag am Manometer. Sobald erstmals ein Korotkow-Geräusch zu hören ist, merken Sie sich den Zeigerstand (systolischer Wert), ebenso, wenn die Geräusche verschwinden oder plötzlich leiser werden (diastolischer Druckwert). Ein in der Blutdruckmessung erfahrener Mensch sollte im Zusammenhang mit einer derartigen Messung für alle, die das noch nie gemacht haben, die Korotkow-Geräusche einmal demonstrieren. Dann weiß man wenigstens, wie sich das anhört, was man da hören soll. Da dieses Meßverfahren nur ein indirektes ist, gelten die Meßwerte nur unter bestimmten Untersuchungsbedingungen. So hat z.B. die Manschettenbreite einen unmittelbaren Einfluß auf die Genauigkeit der Messung, und dies in Abhängigkeit vom Oberarmumfang. Der empirisch gefundene Zusammenhang ist in der Tab.8-1 dargestellt. In der Regel steht aber nur die Standardmanschette mit 13 cm Breite zur Verfügung. In diesem Falle können die gemessenen Werte an Hand der Tab. 8-2 korrigiert werden. Welche Fehlbeurteilungen die Folge sein können, kann man sich, besonders im Grenzbereich, an einzelnen Beispielen klarmachen.

Anmerkung Die Methode ist ungeübt nicht ganz einfach. Wenn Sie anfangs Schwierigkeiten haben und der ganze Meßversuch sehr lange dauert, müssen Sie der Probandin/dem Probanden auch mal eine Chance geben. Sie unterbrechen nämlich vollständig die Durchblutung seines rechten Armes, das kann etwas unangenehm sein. Spätestens bei eintretender Blauverfärbung der rechten Hand sollten Sie zwischendurch einmal den Druck ganz ablassen, wenn es mit der Messung noch nicht so schnell klappte. Aus dem gleichen Grund hat die Probandin/der Proband eine Pause verdient, bevor Sie die Messung zur Sicherheit noch einmal wiederholen. Da Blutdruckwerte auch für die Betroffenen eine ziemlichen Informationswert haben, sollten Sie Ihre Messung vom Versuchsleiter kontrollieren lassen, bevor Sie die Werte akzeptieren und ins Protokoll eintragen.

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Blutdruck 8-9

Eine Auswertung ist hier nicht erforderlich. Vergleichswerte für gesunde Erwachsene finden Sie in der Tabelle 8-3. Die Blutdruckmessung erfordert eigentlich einige Korrekturen; sie ist nämlich abhängig vom Umfang des Oberarms und von der Breite der Druckmanschette. Tatsächlich werden deshalb Messungen bei Kindern mit schmaleren Manschetten vorgenommen (Tab. 8-1); die auch bei Erwachsenen mit unterschiedlich dicken Oberarmen erforderliche Korrektur (Tab. 8-2) wird meist nicht vorgenommen. Den Studierenden wird empfohlen, den Oberarmumfang bei sich selbst zu messen und die erfoderliche Korrektur abzuschätzen.

Weitere Methoden Moderne Blutdruck-Meßgeräte benutzen z.T. nicht mehr die Korotkow-Geräusche zur Messung, sondern die osziliiertenden Druckschwankungen, die von den mehr oder weniger durchströmten Arterien auf die Druckmanschette ausgeübt und mit einem Drucksensor registriert werden können. Solche Geräte sind besser für die Selbstmessung geeignet, wie sie von HochdruckpatientInnen mehrfach am Tage vorgenommen werden sollte. Ein Gerät dieser Art steht auch im Biomedizinischen Labor zur Verfügung. Bestimmen und protokollieren Sie zum Vergleich auch den mit einem Handgelenk-Automaten gemessenen Blutdruck.

Langzeitmessung

Ebenfalls bei HochdruckpatientInnen führt man gelegentlich Dauermessungen über einen ganzenTag („Blutdruckprofile“) durch. Dazu wird eine Manschette am Oberarm und ein Meßwertspeicher am Schulterband getragen. Die Manschette pumpt sich in regelmäßigen (wählbaren) Abständen selbst auf; die Ergebnise der anschließenden Messung werden gespeichert und später mit einem Computer ausgewertet. Auch eine solche Anordnung ist im Biomedizinischen Labor vorhanden. Nebenbei Können Sie sich vorstellen, warum der Blutdruck in einer Streßsituation ansteigt? Warum schädigt der durch körperliche Arbeit gesteigerte Blutdruch das Herz nicht, wohl aber der krankhaft erhöhte? Versuchen Sie einmal, mit dem im Praktikum verwendeten Meßgerät den Blutdruck bei sich selbst zu messen! Warum dürfen praktizierende Ärzte nur geeichte Blutdruck-Meßgeräte verwenden?

Hinweis:

Sollte bei Ihnen im Praktikum - ohne daß Sie vorher davon wußten - ein zu hoher oder erheblich zu niedriger Blutdruck festgestellt werden, dann kommen Sie bitte einige Tage lang täglich zwischen 9 und 15 Uhr zu einer Nachkontrolle. Bestätigt sich der fehlerhafte Wert, müssen Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen.

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Blutdruck 8-10

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Blutdruck 8-11

Tabellen zur Blutdruckmessung Plenert, W. und W. Heine: Normalwerte; Untersuchungsergebnisse beim gesunden

Menschen unter besonderer Berücksichtigung des Kindesalters Berlin, Volk und Gesundheit, 1978

Tab. 8-1: Optimale Manschettenbreite für verschiedene Meßstellenumfänge MB: Manschettenbreite, MU: Meßstellenumfang

MU / cm MB / cm │ 5.0 - 7.5 2.5 7.5 - 10.0 4.0 10.0 - 12.5 5.5 12.5 - 15.0 7.0 15.0 - 20.0 9.0 20.0 - 23.0 11.0 23.0 - 26.0 12.0 26.0 - 30.0 13.0

Tab. 8-2: Korrekturen für verschiedene Oberarmumfänge bei Verwendung der Standardmanschette (13 cm) sys: systolischer BD, dia: diastolischer BD OAU: Oberarmumfang

OAU Korr. sys OAU Korr. dia ³ cm m Hg cm mm Hg

15 - 18 + 15 15 - 20 0 19 - 22 + 10 21 - 26 - 5 23 - 26 + 5 27 - 31 - 10 27 - 30 0 32 - 37 - 15 31 - 34 - 5 38 - 43 - 20 35 - 38 - 10 44 - 47 - 25 39 - 41 - 15 42 - 45 - 20 46 - 49 - 25

Tab. 8-3: Blutdruck-Normalwerte

Alter/Jahre sys/mm Hg dia/mm Hg 20 - 40 100 - 140 60 - 90 40 - 50 105 - 155 65 - 95 50 - 60 110 - 170 70 - 100 über 60 115 - 175 70 - 100

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9

Versuch Nr. 9

Elektrodermale Aktivität (EDA)

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-1

Einführung - aus der Sicht des 19.Jahrhunderts Häute, Membranen, pflegt man die im menschlichen Körper vorkommenden, der Breite nach ausgebildeten, weichen und dünnen Gewebe zu nennen, welche mehr oder weniger gefäß- und nervenreich sind und entweder Organe als schützende Hüllen überziehen oder Höhlen und Kanäle auskleiden. - Die wichtigste aller dieser Häute ist die, die ganze äußere Oberfläche des Körpers umschließende äußere Haut oder allgemeine Bedeckung, weil sie gleichzeitig der Sitz des Tastsinnes und einer das Blut reinigenden Ausscheidung ist.

...

Es besteht die Haut aus drei über einander liegenden Schichten hautartiger Gebilde, von denen ein jedes anders als das andere gebaut ist. Die wichtigste dieser Hautschichten ist die mittlere; sie bildet die eigentliche Grundlage der allgemeinen Bedeckung und heißt Lederhaut; ihre freie Oberfläche ist mit der Oberhaut bekleidet und ihre untere Fläche wird durch das Unterhautzellgewebe an die unterliegenden Theile geheftet. Die Lükken oder Maschen des Unterhautzellgewebes sind an den meisten, nicht an allen Körperstellen mit Fett erfüllt, weshalb diese unterste Hautschicht auch Unterhautfettgewebe oder Fetthaut genannt wird. In den genannten drei Hautschichten trifft man nun auf Gefühlswärzchen, Gefäßpapillen, Schweißdrüsen und Schweißkanäle, Talgdrüsen und Haarbälge, Haare und Nägel. Die von der Haut abgesetzten Stoffe sind außer den Horngebilden (Oberhaut, Haare und Nägel): Schweiß und Hauttalg.

...

Die Lederhaut ist eine derbe, etwas elastische und vorzugsweise aus Zell- und Bindegewebe gebildete, sehr gefäß- und nervenreiche, röthliche Haut, welche in ihrer tieferen Portion (Netzschicht) locker, in der oberen dagegen dichter gewebt und hier mit zahlreichen Wärzchen besetzt ist(deshalb Wärzchenschicht). Die an der Oberfläche der Lederhaut hervorspringenden Haut- oder Gefühlswärzchen, -Papillen, stellen kleine kegel- oder walzenförmigen Erhabenheiten dar, welche hinsichtlich ihrer Form, Anzahl und Stellung an den verschiedenen Körperstellen große Verschiedenheiten zeigen. Am zahlreichsten finden sie sich in der Handfläche und Fußsohle, an den Finger- und Zehenspitzen; hier haben sie auch die größte Länge. Man unterscheidet zweierlei Papillen, nämlich Nerven- und Gefäßpapillen; die ersten besitzen (Meißner'sche) Tastkörperchen mit Nervenenden (und sind meist gefäßlos).

...

Die Oberhaut, Epidermis, welche überall die freie Oberfläche der Lederhaut mit ihren Vertiefungen und Erhabenheiten überkleidet, ist ganz gefäß- und nervenlos und nur aus Zellen gebildet. Sie besteht aus zwei, ziemlich scharf voneinander getrennten Schichten, von denen die unterste, jüngste, unmittelbar an die Lederhaut (von deren Blutgefäßen sie ernährt wird) stößt und Schleimschicht genannt wird, während die obere und ältere die Hornschicht heißt. Die zahlreichen Blutgefäße der Lederhaut verbreiten sich von der untern nach der obern Schicht, umspinnen die Fettzellen und Haarbälge, die Schweiß- und Talgdrüsen, und dringen endlich in die Wärzchen ein, wo sie Schlingen bilden. Auch sehr zahlreiche Lymphgefäße besitzt die Lederhaut und von Nerven enthält dieselbe eine solche Menge, daß sie als das nervenreichste und deshalb empfindlichste Gebilde des Körpers bezeichnet werden kann. Diese Nerven verbreiten sich vorzugsweise in der oberen Hautschicht zu den Wärzchen, treten mit ihren Enden in die Tastkörperchen ein, und befähigen damit die Haut zum Tasten.

...

Die Fetthaut, das fetthaltige Unterhautzellgewebe, welches eine Art von Polster für die Lederhaut bildet und diese locker oder fest mit den darunter liegenden Theilen verbindet, besteht aus weichem Bindegewebe, in dessen Maschenräumen mehr oder weniger Fettzellen eingelagert sind....Der Nutzen der Fetthaut ist insofern kein unbedeutender, als sie nicht blos den unter dieser liegenden Organen als weiches Polster dient, sondern auch als schlechter Wärmeleiter die Körperwärme zusammenhält und die äußere Kälte abhält, abgesehen noch davon, daß sie durch Ausfüllen von Vertiefungen an der Oberfläche des Körpers die Form desselben voller, runder und schöner macht.

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-2

...

Der Drüsenapparat der Haut besteht aus den Talg- und Schweißdrüsen. - Die Talgdrüsen sind kleine, weißliche, entweder einfache oder zusammengesetzte, länglich birnförmige oder traubenförmige Schläuche, welche sich fast überall in der Haut, besonders aber an behaarten Stellen finden und den Hauttalg oder die Hautschmiere absondern.

...

Die Schweißdrüsen sind einfache, aus einem zarten, mehr oder weniger gewundenen Gang bestehende und den Schweiß absondernde Drüsen, welche, bis auf wenige Stellen, in der ganzen Haut vorkommen und sich mit feinen Öffnungen (Schweißporen) an der Oberfläche derselben ausmünden.

...

Der Schweiß, diese tropfbarflüssige und sauer reagierende Absonderung der Schweißdrüsen, enthält außer Wasser noch die gewöhnlichen Salze, Harnstoff, Fette, Spuren eines Farbstoffes, verschiedene flüchtige Fettsäuren und eine stickstoffhaltige Säure, welche zur Bildung von Ammoniak bei der Zersetzung des Schweißes Veranlassung geben kann. Die Absonderung des Schweißes geschieht nur unter gewissen Umständen und wird befördert durch reichliche Wasseraufnahme und erhöhte Temperatur des Körpers. Da Gemüthsbewegungen die Schweißabsonderung vermehren können, so scheint eine Einwirkung des Nervensystems auf die Schweißbildung zu existieren.

...

Aus: "Gesundheitsbuch"(s.S. II)

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-3

Vorbemerkung Der Alltagsbegriff des Angstschweißes kennzeichnet sehr treffend den Zusammenhang zwischen einem psychischen Zustand und einer Reaktion der Haut des Menschen, denn Schweiß ist ein Ausscheidungsprodukt des Organes Haut beim Menschen. Ein solcher Zusammenhang ist bereits 1880 von Tachanoff berichtet worden (SCHANDRY). Außerdem fand er, daß sich diese Veränderungen in der Haut durch elektrische Messungen in Form von Hautpotentialreaktionen nachweisen lassen. Seitdem spielt die Erforschung des Zusammenhanges zwischen elektrodermaler Aktivität (EDA) und Verhalten bzw. psychischen Ereignissen neben dem kardivaskulären System die größte Rolle in der Psychophysiologie. Ein weiteres Anwendungsbeispiel, allerdings mit eher zweifelhaftem Ruf, ist der Lügendetektor. Organsystem Haut Die Haut als äußere Hülle des menschlichen Körpers bildet die Grenze zwischen Körper und Umwelt, einerseits schützt sie den Körper, andererseits ist sie ein Sinnessystem, das Reize aus der Umwelt aufnimmt. Mit dem Schutz des Organismus verbunden sind Adaptationsaufgaben, wie z.B. Temperaturregulation durch Wärmeabgabe und -aufnahme, sowie Wasserabgabe an die Umgebung. Diese Aufgaben sind bereits in der Darstellung aus dem vorigen Jahrhundert (siehe die Einleitung) enthalten. Nachfolgend eine kurze Darstellung des Aufbaus der Haut, Einzelheiten dazu sind bei BIRBAUMER/SCHMIDT, ROHEN und SILBERNAGEL/DESPOPOULOS nach-zulesen. - Oberhaut (Epidermis) Die für die Registrierung der EDA wichtigste Schicht ist die Epidermis, sie ist über den gesamten Körper sehr unterschiedlich stark ausgebildet, am dicksten jedoch im Bereich der Fußsohlen und der Handinnenflächen. Hier sind die elektrodermalen Phänomene auch am stärksten ausgeprägt. Die beiden obersten Schichten der Epidermis (Abb. 9-1) spielen gemeinsam eine erhebliche Rolle bei der Regulation der Wasserabgabe an die Umgebung. In der untersten Schicht spielen sich Stoffwechselvorgänge ab, die gemeinsam mit der Wasserregulation zu den elektrodermalen Phänomenen beitragen. - Lederhaut (Dermis) Die mittlere Hautschicht, die Dermis, spielt nach bisherigen Erkenntnissen für die EDA keine Rolle, da sie eine sehr stabile elektrische Leitfähigkeit besitzt. Durch sie hindurch laufen lediglich die Schweißdrüsengänge. Sie ist weiter von einem sehr feinen Netz von Kapillaren durchzogen, sowie Nervenfasern mit ihren rezeptorischen Endapparaten (Tast- und Temperatursinn). - Unterhaut (Subcutis) Die unterste der drei Hautschichten, die Subcutis, besteht im wesentlichen aus Fettgewebe, das neben seiner Hauptaufgabe als Kälteschutz auch noch als Energiespeicher dient. In dieser Schicht eingebettet sind die eigentlichen Schweißdrüsen, deren Verteilung auf der gesamten Oberfläche allerdings sehr unterschiedlich ist. Das Sekret dieser Drüsen, der Schweiß, wird durch den Drüsengang auf die Hautoberfläche befördert, erreicht oft aber die Oberfläche nicht, da er vorher bereits wieder resorbiert wird. Der sich außen auf der Hautoberfläche befindende Schweiß ist für die elektrodermalen Phänomene von untergeordneter Bedeutung.

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-4

Abb. 9-1: Schematischer Schnitt durch die Haut (nach SCHANDRY) Terminologie Zur Vereinheitlichung sollen hier kurz die im Zusammenhang mit der EDA verwendeten Begriffe vorgestellt werden, auch wenn sie im einzelnen nicht alle weiter benutzt werden.

Englisch Deutsch Electrodermal Activity EDA Elektrodermale Aktivität Skin Conductance Level SCL Hautleitfähigkeitsniveau

Hautleitwertsniveau Skin Conductance Response SCR Hautleitfähigkeitsreaktion

Hautleitwertsreaktion Skin Resistance Level SRL Hautwiderstandsniveau Skin Resistance Response SRR Hautwiderstandsreaktion Skin Potential Level SPL Hautpotentialniveau Skin Potential Response SPR Hautpotentialreaktion

Tab. 9-1: Terminologie elektrodermaler Größen (nach SCHANDRY) Im Gegensatz zum endosomatischen (körpereigenen) Biosignal "Hautpotential" (SPL und SPR), das in der Praxis nur untergeordnete Bedeutung hat, können die Signale des Hautleitwertes (Hautleitfähigkeit) nur durch Zufuhr elektrischer Energie von außen gewonnen werden; die Hautleitfähigkeit ist also ein exosomatisches Biosignal. In der moderneren Literatur werden praktisch nur noch die Parameter SCL und SCR verwendet. Die Parameter SRL und SRR werden wegen ihrer Nichtlinearität - siehe Abschnitt über Widerstand und Leitwert - nur sehr selten verwendet. In älterer Literatur werden teilweise noch andere Begriffe, wie z.B. GSR für Galvanic Skin Reaction u.a. verwendet. In der Regel sind dies lediglich andere Bezeichnungen für die Parameter aus vorstehender Tabelle. Allgemein wird die Elektrodermale Aktivität (EDA) durch ihre beiden Bestandteile SCL und SCR beschrieben.

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-5

Hautleitfähigkeit Um die elektrische Leitfähigkeit eines Stoffes zu messen, legt man mittels zweier Elektroden eine konstante Spannung an und mißt den Strom, der in diesem Kreis fließt. Die Begriffe Widerstand und Leitwert stehen dabei in reziprokem Zusammenhang. Nach dem Ohmschen Gesetz:

U = R x I (Spannung = Widerstand x Strom) G = 1/R (Leitwert = 1/Widerstand)

ergibt sich eine direkte Proportionalität zwischen dem gemessenen Strom und dem gesuchten Leitwert.

G = I/U (Leitwert = Strom/Spannung)

Über die physiologischen Grundlagen der elektrodermalen Aktivität gibt es bisher noch keine restlose Klärung, die mit Sicherheit an der Veränderung des Hautleitwertes beteiligten Mecha-nismen sollen im folgenden kurz dargestellt werden. Die Schweißdrüsen spielen eine zentrale Rolle für den Hautleitwert

• Die Hautleitfähigkeit ist am größten an Hautpartien mit größter Dichte von Schweißdrüsen, obgleich hier die schlecht leitende Oberhaut am dicksten ist.

• Bei Menschen ohne Schweißdrüsen gibt es keine Hautleitwertreaktionen. • Eine Durchtrennung oder Blockade der Innervationswege der Schweißdrüsen verhindert

eine Hautleitwertreaktion.

Dies schließt aber nicht die mögliche Beteiligung anderer Strukturen bei der Hautleitfähigkeitsänderung aus. Da Schweiß eine elektrisch sehr gut leitende Flüssigkeit ist, liegt es nahe, eine erhöhte Leitfähigkeit mit der Benetzung der Hautoberfläche in Verbindung zu bringen. In Versuchen zeigt sich aber, daß eine Leitwertveränderung schon vor dem Schweißaustritt erfolgt. Erwiesen ist, daß eine Durchfeuchtung der Oberhaut eine drastische Zunahme des Hautleitwertes zur Folge hat. Man geht davon aus, daß die Schweißdrüsengänge im Bereich der Oberhaut, besonders des Corneums, besonders wasserdurchlässig sind. An der Leitwertveränderung ist noch ein zweiter Mechanismus beteiligt, wieder im Zusammenhang mit erhöhter Schweißdrüsenaktivität. Die Schweißdrüsengänge durchziehen die elektrisch sehr gut leitende Dermis und die schlecht leitende Epidermis. Bei Füllung der Gänge mit Schweiß stellen sie eine elektrische Verbindung zwischen den Elektroden und der Dermis her. Je mehr Schweißdrüsen aktiviert sind, umso mehr Gänge bilden einen Leitweg, umso größer wird der Leitwert, wieder nach dem Ohm'schen Gesetz aus der Physik, das besagt, daß der Leitwert eines Leiters proportional dem Querschnitt ist. Die Innervation der Schweißdrüsen erfolgt auf sympathischem Weg, eine parasympathische Beteiligung wird mit untergeordneter Bedeutung nicht ganz ausgeschlossen.

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-6

Messung der Hautleitfähigkeit Die nachfolgende Darstellung der Meßmethode bezieht sich im wesentlichen auf die Standardisierungsvorschläge von Venables & Christie (1973). Eine Vereinheitlichung der Methode ist, auf Grund der Gerätevielfalt, nur sehr begrenzt möglich.

Die Maßeinheit für den Leitwert ist das Siemens (abgekürzt S). Dabei gilt 1 S = 1/Ohm, in der englischsprachigen Literatur steht für 1 S = 1 mho. Da 1 S einen sehr hohen Leitwert darstellt, der in der Physiologie nicht vorkommt, benutzt man in der Praxis die Größe 1 µmho = 10-6 mho = 1/1000000 mho 1 µS = 10-6 S = 1/1000000 S. Da der Leitwert eines Stoffes oder Gewebes proportional zum Querschnitt ist, der für die Messung maßgebend ist, in diesem Falle die Elektrodenfläche, wird er zur besseren Handhabung auf diese Fläche (in cm2) bezogen; damit erhält man den spezifischen Leitwert.

- Elektroden, Ableitorte Um Polarisationsphänomene zu vermeiden, wird empfohlen, nicht polarisierbare Ag/AgCl-Elektroden zu verwenden, wie auch bei anderen physiologischen Größen. Die Elektrodenfläche soll etwa 1 cm2 betragen. In der Regel werden wiederverwendbare Elektroden eingesetzt, die mittels Kleberingen auf der Haut fixiert werden. Die Elektrodenpaste zur Sicherung der elektrischen Verbindung zwischen Haut und Elektrode soll isotonisch sein, d.h. die gleiche Elektrolytkonzentration haben wie der Schweiß. Elektrodermale Messungen werden üblicherweise an der Handinnenfläche vorgenommen, wobei die nicht-dominante Hand wegen der meist dünneren Hornhaut bevorzugt wird. Zur Vorbereitung der Messung soll die Haut lediglich mit Alkohol von Fett gereinigt werden, Waschen mit Wasser und Seife führt zu einem Aufquellen der Haut und damit einer Verringerung der Leitfähigkeit. Beispiele für Ableitorte sind in der folgenden Abbildung dargestellt, die Empfehlungen in der Literatur gehen hier etwas auseinander. C6, C7 und C8 stellen unterschiedliche Dermatome (das sind gleichartig innervierte Hautareale) dar. Die gestrichelten Kreise entsprechen einer Elektrodenplazierung nach Walschburger, die schwarzen nach Venables&Christie.

Abb. 9-2: Ableitungsorte für Hautleitwertmessungen (Schandry 1989)

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-7

Die Hautleitfähigkeit unterliegt, wie andere physiologische Größen auch, sowohl tonischen als auch phasischen Veränderungen. Meßtechnisch stellt dies ein großes Problem dar, denn die langsamen Niveauverschiebungen - tonische Anteile - bewegen sich in der Größenordnung von ca. 2 bis 100 µmho/cm2, die phasischen Leitwertreaktionen dagegen nur bei ca. 0.01 bis 5 µmho/cm2. In der folgenden Abbildung ist ein solcher Verlauf dargestellt.

Abb. 9-3: Beispiel einer Hautleitwertaufzeichnung (Schandry 1989) In der Praxis werden die beiden Anteile des Signals elektrisch voneinander getrennt. Besteht nicht die Möglichkeit der getrennten Registrierung, so benutzt man in der Regel die kombinierte Darstellung, siehe Abb. 9-4, wobei die Länge der auf die Kurve aufgesetzten Spitzen die Amplitude des tonischen Anteils des Leitwertes darstellt, das aktuelle Niveau.

Abb. 9-4: Gemeinsame Aufzeichnung von Leitwertniveau und

Leitwertreaktion auf einer Spur (Schandry 1989)

Kennwerte der Hautleitfähigkeitsmessungen Die Hautleitwertkurve besteht normalerweise aus einer sich langsam verändernden Grundlinie mit darauf aufgesetzten kurzzeitigen Leitwerterhöhungen. In der Psychophysiologie von Bedeutung

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-8

sind sowohl die Amplitude der Grundlinie, als auch die Häufigkeit und die Höhe kurzzeitiger Veränderungen. Der Hautleitwert wird praktisch in zwei Anteile aufgespalten, einen sich eher langsam verändernden tonischen Anteil, der als Maß für eine globale Aktiviertheit steht, und einen nur kurz auftretenden phasischen Teil, der als momentane Reaktion auf einen äußeren Reiz zu betrachten ist. - tonische Anteile Die physiologischen Gründe für Veränderungen des Leitwertniveaus sind die gleichen wie bei allen Leitwerveränderungen, wobei der Füllungszustand der Schweißdrüsengänge vermutlich die Hauptrolle spielt. Der Absolutwert des Leitwertniveaus schwankt intra- und interindividuell sehr stark, ebenso der Variationsbereich unter verschiedenen Bedingungen. Hier werden überwiegend Veränderungsmaße bei der Auswertung verwendet, oder auf Minimum und Schwankungsbreite bezogene Relativwerte. Kurzzeitige Hautleitwerterhöhungen, die regelmäßig ohne äußeren Reiz auftreten, werden auch als Spontanfluktuationen bezeichnet. Der entscheidende Unterschied zu den Hautleitwertreaktionen besteht in dem spontanen, reizunabhängigen Auftreten. Meist erkennt man Spontanfluktuationen in der Registrierung durch eine stärker negative Veränderung des Hautleitwertes als bei den Reaktionen auf äußere Reize.

Abb. 9-5: Spontanfluktuationen (Schandry 1989)

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-9

Die Anzahl solcher Spontanfluktuationen ist ein psychophysiologisches Erregungs- bzw. Aktivierungsmaß. Je mehr Spontanfluktuationen auftreten, desto höher ist die Erregung, wobei die mittlere Amplitude offensichtlich bei erhöhter Aktiviertheit vergrößert ist. Ausgewertet wird hier lediglich die Zahl der Spontanfluktuationen pro Zeit, nicht gezählt werden dürfen alle Fluktuationen auf äußere Reize hin und solche, die eine Folge von unregelmäßiger Atmung sind (z.B. Husten, Räuspern, tiefes Atemholen). Als mittlerer Ruhewert gelten etwa 3-7 Fluktuationen pro Minute. Der Absolutwert ist nur bedingt zu verwenden, der intraindividuelle Vergleich zwischen Ruhe und Experimentalbedingung ist hier vorzuziehen. - phasische Anteile Als Reaktion auf einzelne Reize treten kurzzeitige Änderungen des Hautleitwertes (SCR) auf. Die Form des Reaktionsverlaufes ist nicht einheitlich, jedoch immer eine Leitwerterhöhung (mono-phasische Reaktion). In der nachfolgenden Abbildung ist ein solcher Verlauf einer SCR schematisch dargestellt. Die zu seiner Beschreibung notwendigen Zeit- und Amplitudenmaße sind darin eingetragen.

Abb. 9-6: Hautleitwertreaktion (SCR)

H = Höhe der Reaktion (Amplitude) L = Latenzzeit A = Anstiegszeit G = Gipfelzeit E = Erholungszeit

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-10

Der zur Beschreibung der SCR gebräuchlichste Parameter ist die Amplitude. Daneben werden häufig die Latenz- und die Erholungszeit ausgewertet. Die Auswertung erfolgt mit entsprechenden Schablonen direkt aus den Kurven. Schwierigkeiten entstehen bei der Definition der Basislinie für die Amplitudenbestimmung, wenn zwei SCR unmittelbar aufeinander folgen, oder die SCR aus einer Spontanfluktuation hervorgeht. Hier bedarf es meist einiger Übung und Erfahrung, bzw. genauer Absprachen zwischen auswertenden Personen zwecks "Normierung". Der Vergleich von Amplitudenmaßen als absolute Meßwerte ist praktisch nicht möglich, da der Hautleitwert sowohl interindividuell als auch intraindividuell sehr stark schwankt. Während einer Experimentalsitzung können solche Maße sehr wohl benutzt werden, müssen aber vor einem Vergleich mit Ergebnissen aus anderen Untersuchungen immer transformiert werden. Die Art der Transformation hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Die Bedeutung der einzelnen Parameter, tonischer wie phasischer Anteile, kann hier nur kurz angedeutet werden, die Aussagen der entsprechenden Literatur sind immer sehr speziell auf einzelne Experimental-Settings bezogen. Von den phasischen Maßen scheint die Amplitude immer dann am deutlichsten zu differenzieren, wenn es sich um Intensitäts- und Habituationseffekte handelt. Im übrigen gibt es eine hohe Korrelation zwischen den phasischen Maßen. Bei den tonischen Maßen spielt die Zahl der Spontanfluktuationen die größere Rolle. Versuchsdurchführung Die Versuchsperson sitzt in bequemer Haltung so an einem Tisch, daß der linke Unterarm locker und entspannt auf der Tischplatte liegt. Die Plazierung der Elektroden erfolgt nach Abb. 9-2 (Thenar/Hypothenar). Für die Messung des Hautleitwertes werden wiederverwendbare AgAgCl-Elektroden benutzt. Die Fixierung der Elektroden auf der Haut erfolgt über spezielle Kleberinge, die ein Verrutschen verhindern, nicht aber vor Kabelzug schützen. Der elektrische Kontakt zwischen Haut und Elektrode wird über eine Leitpaste hergestellt, die möglichst blasenfrei und bündig in den Hohlraum gefüllt wird. Die Vorbereitung und das Anlegen der Elektroden soll mit sehr viel Sorgfalt erfolgen, da hierdurch der elektrische Übergangswiderstand möglichst klein gehalten werden kann, der sonst bei der Registrierung eine erhebliche Störquelle sein kann.

!! Wichtig !! Zur Sicherheit des Probanden und zur Unterdrückung von Störpotentialen ist ein Potentialausgleich zwischen Proband und Gerät herzustellen. Eine großflächige Plattenelektrode am Handgelenk wird mit der Gerätemasse verbunden! Das EDA-Modul des Schreibers soll vor Inbetriebnahme folgende Grundstellung haben:

• Meßbereich 3 µS • Schalter SCL SCL • Schalter SCR x 1

Zur besseren Darstellung werden SCL und SCR auf zwei getrennten Spuren des Schreibers registriert, nicht gemeinsam, wie in Abb. 9-4 dargestellt. Bei der Einstellung der Meßverstärker, besonders der Empfindlichkeit, sollte immer mit größter Vorsicht vorgegangen werden, um Zerstörungen durch Übersteuerung zu vermeiden.

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Elektrodermale Aktivität (EDA) 9-11

1. Spontanfluktuationen In einer möglichst reizarmen Situation werden SCL und SCR registriert. Die hierbei auftretenden Reaktionen haben in aller Regel keinen äußeren Reiz als Auslöser, sie werden als Spontanfluktuationen bezeichnet. Die Häufigkeit ihres Auftretens wird als Maß für An- bzw. Entspannung angesehen. Die Untersuchungssituation sollte nicht durch weitere Personen beobachtet werden, ebenso müssen alle Störgeräusche, z.B. Telefonklingeln, laute Nebengeräusche, Gespräche, etc. vom zeitlichen Auftreten her registriert werden. Ausgewertet wird die Zahl der Spontanfluktuationen pro Zeit und die Veränderung des Leitwertniveaus (SCL).

2. Reaktionen auf Reize Die Versuchsperson wird mit optischen und akustischen Reizen konfrontiert, z.B. mittels DTG(Versuch Nr. 6), wobei mehrere Fragen untersucht werden können:

• Unterschiede in der Reaktionsstärke auf opt. und akust. Reize • Änderung der Reaktion bei zeitlich konstanten bzw. randomisierten

Zeitabständen zwischen den Reizen • Habituation • Vigilanz

Ausgewertet wird hier die Amplitude der Reaktion (SCR).

3. Lügendetektor Die wohl bekannteste Anwendung einer EDA-Registrierung ist der Lügendetektor, bei dem allerdings neben EDA auch noch andere physiologische Parameter registriert werde. Für dieses Experiment soll eine - für die Versuchsperson unbekannte - Reihe von Fragen zusammengestellt werden. Die Fragen werden laut vorgelesen und von der Vpn laut beantwortet, wovon ein Teil jedoch bewußt falsch beantwortet werden soll. Ausgewertet werden hier wieder die Amplituden der Reaktionen (SCR) und nach falsch bzw. richtig beantworteten Fragen getrennt.

Weitere Experimentalanordnungen sind hier denkbar, die dier dargestellten sollen lediglich das Grundprinzip elektrodermaler Reaktionen zeigen. Literatur

Boucsein, W.: Elektrodermale Aktivität, Springer (1980) Berlin Schandry, R.: Lehrbuch Psychophysiologie, Psychologie Verlags Union, 2.Aufl. (1989) München-

Weinheim Venables, P.H.; I. Christie: Electrodermal Activity in I. Martin & P.H. Venables(Eds) Techniques in

psychophysiology, Wiley, Chichester

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10

Versuch Nr. 10

Testbatterie für Aufmerksamkeitsprüfungen

(TAP)

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-1

Vorbemerkung Aufmerksamkeit Das Lehrbuch "Biologische Psychologie" von N. Birbaumer und R.F. Schmidt (s.u.) enthält ein eigenes Kapitel "Bewußtsein und Aufmerksamkeit" (Kap. 22, S. 512 ff.). Es ist möglicherweise bezeichnend, dass sich die Autoren intensiv um eine Definition oder zumindest begriffliche Eingrenzung von "Bewußtsein" bemühen, dass im Vergleich dazu "Aufmerksamkeit" einigermaßen stillschweigend hingenommen wird als etwas, das a) an "Bewußtsein" gekoppelt ist und b) jedem aufgrund der Wortbedeutung irgendwie klar ist, so dass "Aufmerksamkeit" auch geteilt, automatisiert oder kontrolliert sein oder eine "begrenzte Kapazität" haben kann. Dem Versuch einer Abgrenzung am nächsten kommt vielleicht noch der Satz: "ZUM VERSTÄNDNIS DER NEUROBIOLOGIE VON AUFMERKSAMKEIT IST DIE KENNTNIS DER INFORMATIONSVERARBEITENDEN UND PRÄPARATORISCHEN (AUF WAHRNEHMUNG UND HANDLUNG VORBEREITENDEN PROZESSE UND STADIEN AUF PSYCHOLOGISCHER EBENE NOTWENDIG EINE NEUROPHYSIOLOGISCHE ANALYSE DER AUFMERKSAMKEITS- UND BEWUßTSEINSPROZESSE OHNE VERSTÄNDNIS DER KOGNITIVEN PSYCHOLOGIE VON AUFMERKSAMKEIT BLEIBT GENAU SO FRAGMENTARISCH WIE DIE REIN KOGNITIVE ANALYSE OHNE BEACHTUNG DER PHYSIOLOGISCHEN GRUNDLAGEN (A.A.O. S. 512). Der "Pinel" (s.u.) beschränkt sich auf die Definition von "selektiver Aufmersamkeit", die er bezeichnet als "DIE FÄHIGKEIT, SICH NUR AUF EINEN KLEINEN TEIL DER REIZE KONZENTRIEREN ZU KÖNNEN, DIE VON DEN SENSORISCHEN ORGANEN GLEICHZEITIG WAHRGENOMMEN WERDEN (PINEL 1997, S. 215; S.U.) Aus solchen und ähnlichen Umschreibungen des Begriffs "Aufmerksamkeit" könnte man folgern, dass Aufmerksamkeit so etwas ähnliches ist wie "DIE FÄHIGKEIT, SENSORISCHE INFORMATIONEN BEWUßT WAHRZUNEHMEN UND DARAUS ABLEITBARE (KOGNITIVE) SCHLUßFOLGERUNGEN ODER (SENSUMOTORISCHE) HANDLUNGEN BEWUßT ZU PLANEN". Ein solcher Definitionsversuch stünde allerdings vor dem Problem, dass nicht automatisch klar ist, was "bewußt" heißt. Weitere gründlichere Versuche, sich dem Begriff der "Aufmerksamkeit" anzunähern, finden sich im Handbuch zur TAP (Teil I, S. 3 ff) von Zimmermann und Fimm (s.u.)

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-2

Vorbemerkung zur TAP

Die TAP wurde als "neuropsychologische" Testbatterie für die Untersuchung einiger elementarer und auch komplexerer, kognitiver Funktionen des menschlichen Gehirns entwickelt. Der Begriff "kognitiv" umfaßt hier Wahrnehmungs-, Gedächtnis und Aufmerksamkeitsfunktionen unterschiedlicher Art. Die neuropsychologische Praxis hat gezeigt, dass solchen Funktionen bei Patienten verändert sein können, die z. B.

• eine Verletzung des Gehirns, • eine Operation wegen eines Gehirntumors, • eine Entzündung • oder eine Phase des Sauerstoffmangels (Erstickungs-, Ertrinkungsunfall)

durchgemacht haben. Alle diese Zustände können einzelne oder mehrere kognitive (und natürlich auch andere) Funktionen beeinträchtigen; eine genaue Kenntnis solcher Funktionsstörungen ist - neben der Kenntnis über die Lokalisation solcher Schäden - Voraussetzung für die Planung und Evaluation eines individuellen Trainingsprogramms mit dem Ziel einer Rehabilitation. Zu diesem Zweck wird die TAP z.B. im Zentrum für Rehabilitationsforschung des Fachbereichs 11 dieser Universität eingesetzt (auch der Studiengang Psychologie gehört dem Fachbereich 11 an). Die meisten der mit dem TAP überprüften Funktionen können dem komplexen Konstrukt der Aufmerksamkeit zugeordnet werden; im einzelnen handelt es sich um die Subtests A Alertness

Reaktionszeit bzw. Reaktionsgeschwindigkeit

B Arbeitsgedächtnis Organisation und Leistungsfähigkeit des Kurzzeit-Gedächtnisses C Augenbewegung Reaktionstest, der Blickbewegungen nach rechts oder links erfordert D Gesichtsfeld/Neglect

Reaktionstest, der die gleichmäßige Berücksichtigung (oder partielle Vernachlässigung - Neglect -) von Bereichen des Gesichtsfeldes prüft

E Geteilte Aufmerksamkeit Fähigkeit, auf einen optischen und gleichzeitig auf einen davon unabhängigen akustischen Reiz zu reagieren F Go/Nogo

Fähigkeit, unter 5 verschiedenen Reizmustern die beiden als "kritisch" vereinbarten Muster zu entdecken

G Inkompatibilität

Reaktion auf optische Reize (Pfeile), die entweder rechts oder links vom Fixationspunkt erscheinen und entweder nach rechts oder nach links zeigen

H Intermodaler Vergleich

Reaktion auf akustische Reize (hoher/tiefer Ton) und optische Reize (Pfeil nach oben/Pfeil nach unten), wenn beide Reize in dieselbe Richtung weisen

I Reaktionswechsel

Wechsel von zwei möglichen Reaktionen auf eine Kombination von zwei optischen Reizen (z.B. Buchstabe und Zahl) nach einer zuvor vereinbarten Regel

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-3

J Verdeckte Aufmerksamkeits-Verschiebung Reaktion auf optische Reize, die rechts oder links vom Fixationspunkt erscheinen und durch Pfeile richtig oder falsch angekündigt werden

K Vigilanz akustisch oder optisch

Belastung der Aufmerksamkeitsausdauer - Reaktion auf (seltene) Änderungen in einer akustischen oder optischen Reizfolge

L Vigilanz akustisch/optisch

Belastung der Aufmerksamkeitsausdauer mit einer etwas komplexeren Aufgabe - Reaktion auf (seltene) Kombinationen von Reizen (einer von zwei Tönen/zwei von acht Buchstaben)

M Visuelles Scanning

Optisches Durchmustern (Scannen) eines Feldes von 5x5 optischen Reizfiguren mit dem Ziel, eine gesuchte Figur entweder zu entdecken oder auszuschließen

Wenn man die entsprechenden Untersuchungen mit hirngeschädigten Patienten durchführt, benötigt man die Ergebnisse, die gesunde Menschen mit denselben Aufgaben erzielen, um Abweichungen erkennen zu können. Solche Untersuchungsergebnisse von Gesunden sind als Vergleichswerttabellen in der ausführlichen, schriftlichen Beschreibung der TAP enthalten; die im Praktikum benötigten Daten sind am Ende dieser Versuchsbeschreibung abgedruckt. Weil das (kognitive) Verhalten in Untertests der TAP erwartungsgemäß auch bei Gesunden streut, macht es durchaus Sinn, auch individuelle Ergebnisse mit den in einer entsprechenden Stichprobe von Gesunden erhobenen und statistisch aufbereiteten (z.B. als Mittelwerte oder Mediane dokumentierten) Resultaten zu vergleichen. Wenn die eigenen Ergebnisse einer solchen Untersuchung von den Vergleichswerten (nach oben oder unten) abweichen, so kann das auf vieles hindeuten: → Ihre individuelle Leistungsfähigkeit in der geprüften Funktion war in diesem Moment

höher (oder niedriger) als der Mittel- oder Medianwert der Vergleichsstichpobe, → möglicherweise unterliegt die Funktion einem circadianen Rhythmus, und es handelt

sich um einen Tageszeiteffekt, oder → Ihre Befindlichkeit war (durch Schlafmangel, durch eine Erkältungkrankheit, durch eine

psychische Belastung) beeinträchtigt, oder → Sie waren durch die Nachwirkungen von Drogen (Alkohol, Nikotin [bzw. Nikotinmangel bei Raucherinnen], Koffein) beeinträchtigt oder stimuliert, oder → Sie waren zu einer derartigen Untersuchung gerade besonders stark oder besonders

wenig motiviert oder → Sie gehören zu den Menschen, die besonders ehrgeizig sind und sich deshalb auch

dann anstrengen, wenn es eigentlich um nichts geht, oder → Sie befürchten, dass Sie in solchen Tests sowieso schlecht abschneiden und dass sich

deshalb besondere Anstrengung nicht lohnt. Wie Sie sehen, ist ein Meßergebnis (das gilt für Untersuchungen jeglicher Art) nicht einfach "gut" oder "schlecht", sondern durch vielfältige Faktoren beeinflußt. Im biopsychologischen Praktikum werden Tests aus der TAP vor allem deshalb aufgenommen, weil Sie dadurch einen Eindruck gewinnen, welche Art der Belastung von Hirnfunktionen solche

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-4

Untersuchungen darstellen; wenn wir mal davon ausgehen, dass Ihr Gehirn gesund ist, dann können Sie sich vielleicht vorstellen (Sie können es zumindest versuchen), vor welchen Problemen dann ein beschädigtes Gehirn stehen könnte. Literaturhinweise Birbaumer, N., und R.F. Schmidt: Biologische. Psychologie.Berlin etc., Springer 41999 Pinel, J.P.J.,: Biopsychology. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag 1997 Zimmermann, P., und B. Fimm: Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP)

Psytest 1993, Version 1.02c, Handbuch Teile 1 und 2

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-5

Versuchsdurchführung Der Versuch ist auf einem Computer mit Tastatur, Monitor, zwei Antworttasten und Drucker (für Ergebnisprotokolle) installiert; eine FPMA (freundliche Praktikums-Mitarbeiterin) hat die Anordnung für Sie betriebsbereit vorbereitet und steht Ihnen während des Versuchs zur Hilfestellung zur Verfügung. Systemkomponenten Zum System gehören als „Hardware“:

Rechner Tastatur Monitor Tasten 1 und 2 mit „Dongle“ Drucker Stromverteiler/Netzfilter Druckerpapier

Als „Software“ gehören zum System: Programmpaket TAP (bereits im Rechner geladen) Handbuch 1 (Erläuterungen zum Testsystem) Handbuch 2 (Statistiken zu den Einzeltests)

Inbetriebnahme Alle Geräte des Systems sollten mit den entsprechenden Kabeln miteinander verbunden sein: Tastatur, Monitor, Taster 1und 2 (mit Dongle) und Drucker müssen mit dem Rechner verbunden sein; alle Netzkabel sollten in einem Stecker des Netzverteilers stecken; das Netzkabel des Netzverteilers sollte nach Beendigung der Arbeit und Abschaltung aller Geräte abends herausgezogen sein.

1. Netzkabel des Stromverteilers in eine Netzsteckdose einstecken. 2. Rechner einschalten 3. Monitor einschalten 4. Drucker einschalten 5. Auf dem Bildschirm erscheinen für einige Sekunden Angaben über den Zustand des

Rechners; als letzte Zeile steht C:\< 6. An dieser Stelle das Kommando date ↵ eingeben; aktuelles Datum ablesen und bei Bedarf

korrigieren. 7. Danach das Kommando time ↵ eingeben, Uhrzeit ablesen und ggf. korrigieren. Diese Schritte sind notwendig, weil in den Testdateien Datum und Uhrzeit mit abgespeichert und später mit den Ergebnissen ausgedruckt werden! Danach sollte wieder C:\< auf dem Bildschirm stehen; jetzt kann mit der Eingabe von tap↵ das Testprogramm gestartet werden.

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-6

Allgemeines zur Testdurchführung Bildschirmoberfläche Wenn das System eingerichtet ist, finden Sie auf dem Monitor den "interaktiven" TAP-Bildschirm vor. Er sieht so aus: Datei Test Auswertung Optionen (Uhr) F1 Hilfe F10 Menu Laufwerk C: 72341965 Bytes Frei Um mit diesem Bildschrim zu arbeiten, haben sie keine "Maus" zur Verfügung, Sie können sich aber mit Hilfe der Cursor-Tasten (←↑→↓), der Return- oder Enter-Taste (↵) und der Escape-Taste (Esc) durch das Programm navigieren. Wie das genau funktioniert, zeigt Ihnen die Praktikums-Mitarbeiterin. Personendaten Die TAP ermöglicht Testdurchführungen, Auswertungen und den Druck von Protokollen nur, wenn mit Hilfe einer Personenkennung erkennbar ist, für wen Daten gesammelt und wessen Daten ausgewertet und ausgedruckt werden sollen. Deshalb geben Sie am besten zunächst die erforderlichen Personendaten der ganzen Gruppe ein. Das Programm benötigt Angaben über eine Personenkennung (Ihre Praktikums-Kennziffer) Ihr Geschlecht Ihr Alter in Jahren Ihren Schulabschluß Die Labormitarbeiterin zeigt Ihnen, wie Sie solche Informationen eingeben können. Vor jeder Test-Durchführung stellen Sie sicher, dass der Test der richtigen Person zugeordnet wird. Zu diesem Zweck müssen Sie die entsprechende Personenkennung aufrufen. Lassen Sie sich von der FPM zeigen, wie das funktioniert. Es macht nur Sinn, einen Subtest zu starten, wenn unten rechts auf dem Bildschirm die richtige Personenkennung erscheint! Standardmäßig führen wir im Praktikum die Subtests

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-7

>A Alertness und >B Arbeitsgedächtnis durch; zu diesen beiden Subtests finden Sie Vergleichswerttabellen in dieser Versuchsbeschreibung, wenn Sie andere Subtests ausprobieren möchten, können Sie ggf. Vergleichswerte in der Testbeschreibung finden. Alertness [aus: Zimmermann/Fimm (s.u.)] Mit dieser Untersuchung soll die phasische Alertness (Sharpless & Jaspers, 1956; Posner & Rafal, 1986; "Arousal" bei Pribram & McGuiness, 1975) erfaßt werden, d.h. die Fähigkeit, in Erwartung eines Reizes hoher Priorität das Aufmerksamkeitsniveau zu steigern und aufrechtzuerhalten (Posner & Petersen, 1990). Ihre Wirkung wäre mit der Situation vergleichbar, in der ein Sportler auf das Startsignal wartet. Nachweisbar ist die Alertnessreaktion durch die Reaktionsbeschleunigung auf einen durch einen Warnreiz angekündigten, kritischen Reiz (Posner, 1975). Nach den bisher vorliegenden Befunden bleibt bei manchen Patienten die Alertnessreaktion aus bzw. kommt es zu einer charakteristischen Inhibition der Reaktion nach dem Warnreiz (Ebner et al.,1987; Fimm, 1988). Nach Eanes & Wood (1984) ist eine verminderte Alertness z.B. nach Verwirrtheitszuständen selbst bei leichten Läsionen über viele Wochen zu beobachten. Elektrophysiologisch wurde die phasische Alertness mit (einem späten Anteil) der "contigent negative variation" (CNV) in Verbindung gebracht, einer langsamen Potentialveränderung im EEG in Erwartung eines kritischen Reizes (Rockstroh et al., 1982; Tecce & Cattanach, 1982; mit Einschränkungen durch Rorbough & Gaillard, 1983 und Gaillard in dem gemeinsamen Beitrag von Rohrbough et al., 1986). In Untersuchungen von Rizzo et al. (1978) und Curry (1981) konnte gezeigt werden, daß nach schweren Schädelhirntraumen pathologische Veränderungen in der CNV zu beobachten sind. Ebner et al. (1987) fanden bei Patienten mit fokalen (häufig frontalen) Läsionen, daß der Ausfall der Alertnessreaktion mit pathologischen Veränderungen der P300-Antwort in den evozierten Potentialen korreliert war. Die Untersuchung besteht darin, daß die Reaktionszeit auf einen visuellen Reiz (ein Kreuz auf dem Bildschirm) mit und ohne einen akustischen Warnreiz (Letourneau, Denis & Londorf, 1986; Posner, Nissen & Klein, 1976) erfaßt wird. Bestimmt wird daher sowohl die einfache Reaktionszeit, welche nach Fimm (1988, 1989) den zuverlässigsten Indikator für einen Faktor der allgemeinen Reaktionsver-langsamung (tonische Alertness) darstellt, wie auch die phasische Alertnessreaktion durch die Differenz der mittleren Reaktionszeiten bei Durchgängen mit und ohne Warnreiz. Von besonderem Interesse ist bei diesem Verfahren auch der Verlauf der Einzelreaktionszeiten, da dieser Hinweise auf kurzzeitige Ausfälle der Aufmerksamkeitszuwendung aufdeckt ("lapses of attention": van Zomeren & Brouwer, 1987; Fimm, 1988). Die Durchführung erfolgt nach einem ABBA-Design (A = Durchführung ohne Warnreiz; B = Durch-führung mit Warnreiz). Bei den Reizdarbietungen mit Warnreiz ist das Intervall zwischen Warnton und kritischem Reiz zufällig. Die Anzahl der Reize pro Serie ist auf eine Standarddurchführung von 20 Reizen pro Block eingestellt. Bei Ausbleiben der Reaktion für länger als 2 Sekunden schaltet das Programm automatisch auf Pause und zeigt die ausgebliebene Reaktion an. Die Untersuchung wird durch das Drücken der Funktionstaste F2 fortgesetzt. Trials, bei denen schon auf den Warnton reagiert wurde (Reaktionszeiten kleiner 100 msec), oder Reizdarbietungen ohne Reaktion (länger als 2 sec) werden wiederholt.

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-8

Instruktion: Teil 1

Instruktion: Teil 2

Ausgabe Während der Untersuchung wird bei jeder Reizdarbietung die Nummer der Reizdarbietungen (die der 3 Übungsitems vor jedem Durchgang mit 0) und die Reaktionszeit jeweils in der linken oberen Ecke des Bildschirms angezeigt. Am Ende der Untersuchungen werden Einzelreaktionszeiten (auf Ver-langen), Mittelwert und Streuung der Reaktionszeiten für jeden Durchgang, sowie die Mediane der Reaktionszeiten für die Durchgänge mit und ohne Warnreiz ausgegeben. Weiterhin wird die Anzahl an Antizipationen und Ausreißern mitgeteilt sowie ein Kennwert für das Ausmaß der Alertnessreaktion. Dieser Kennwert wird bestimmt nach: MD - MD RT.m RT.o AR = ------------------------------- MDRT.ges MD = Median der Reaktionszeiten mit Warnton RT.m MD = Median der Reaktionszeiten ohne Warnton RT.o MDRT.ges= Median aller Reaktionszeiten Auf Wunsch wird eine testspezifische Graphik mit den Medianen der Reaktionszeit in den 4 Blöcken (Warnton nein / ja / ja / nein) ausgegeben.

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-9

Lassen Sie sich von der FPMA zeigen, wie Sie Ihre Testergebnisse grafisch und numerisch über den angeschlossenen Drucker ausgeben können.

Normtabelle PHA

S MD oW

SD oW

MD mW

SD mW

PR T PHAS

MD oW

SD oW

MD mW

SD mW

PR T

-0.38 488 179 423 169 0 20 0.06 228 37 215 35 54 51 -0.38 488 179 423 169 0 21 0.07 224 36 212 33 58 52 -0.38 488 179 423 169 0 22 0.07 223 35 208 32 62 53 -0.38 488 179 423 169 0 23 0.09 220 32 207 30 66 54 -0.38 488 179 423 169 0 24 0.09 217 30 203 28 69 55 -0.34 472 167 422 157 1 25 0.10 210 29 201 28 73 56 -0.28 445 147 420 137 1 26 0.11 209 28 199 26 76 57 -0.22 411 127 412 120 1 27 0.13 204 27 198 25 79 58 -0.20 368 112 384 117 1 28 0.14 202 26 196 25 82 59 -0.19 349 98 354 112 2 29 0.15 199 25 192 24 84 60 -0.17 345 88 336 108 2 30 0.16 196 24 191 23 86 61 -0.14 341 84 324 100 3 31 0.16 192 23 188 21 88 62 -0.13 333 76 317 83 4 32 0.17 191 22 184 20 90 63 -0.12 331 75 309 81 4 33 0.19 189 21 179 20 92 64 -0.11 327 73 307 78 5 34 0.20 187 21 178 20 93 65 -0.10 305 71 293 76 7 35 0.20 186 20 177 19 95 66 -0.08 299 67 287 73 8 36 0.21 184 19 173 19 96 67 -0.07 294 68 65 284 71 10 37 0.22 183 19 171 17 96 -0.07 287 61 274 67 12 38 0.22 183 171 18 17 97 69 -0.06 281 272 58 64 14 39 0.23 180 18 169 16 98 70

276 60 40 176 169 98 71 -0.03 272 55 261 56 18 41 0.24 175 17 168 15 99 72 -0.02 263 54 258 54 21 42 0.24 175 17 168 13 99 73 -0.00 262 52 254 50 24 43 0.24 172 16 166 13 99 74 0.00 258 50 248 48 27 44 0.25 169 16 163 12 99 75 0.01 254 49 241 47 31 45 0.25 167 16 161 12 100 76 0.01 250 47 238 44 34 46 0.25 167 16 161 12 100 77 0.02 245 45 235 42 38 47 0.25 167 16 161 12 100 78

241 42 226 41 42 48 0.25 167 16 161 12 79 0.04 238 41 222 39 46 49 0.25 167 16 161 12 100 80 0.05 233 39 219 38 50

-0.04 57 266 16 0.23 18 15

0.03 100

50

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-10

Arbeitsgedächtnis [aus: Zimmermann/Fimm (s.u.) Die veränderte Vorstellung, daß das Kurzzeitgedächtnis nicht bloß einen passiven Speicher, sondern eine zentrale Instanz für die Steuerung des Informationsflusses darstellt, hat zu dem Konzept des "Working Memory" geführt (Atkinson & Shiffrin, 1971; Baddeley & Hitch, 1974). Nach diesem Konzept wird eine Trennung von Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozessen zunehmend schwieriger (Sohlberg & Mateer, 1987; 1989). Schon im Modell von Atkinson und Shiffrin (1968) sind die postulier-ten Kontrollprozesse von Funktionen der selektiven Aufmerksamkeit nicht zu trennen (Shiffrin, 1975). In diesem Sinn wurden auch von Luria (1973) die Störungen des Gedächtnisses bei frontal-hirngeschädigten Patienten als Folge von Störungen in der "Regulation der mentalen Aktivitäten" in-terpretiert (siehe auch Walsh, 1978). Folgt man einem solchen Konzept, so würde der Arbeitspeicher die zentrale Instanz für die kontrollierte, d.h. aufmerksamkeitsgesteuerte Verarbeitung darstellen. In Übereinstimmung mit einer solchen Auffassung werden heute Tests mit hohen Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis wie die "Paced Auditory Serial Addition Task" (PASAT: Gronwall & Sampson, 1974) oder reine Kurzzeitgedächtnistests wie das Zahlennachsprechen ("Digit Span": Wechsler, 1987) unter die Aufmerksamkeitstests eingereiht. Der vorliegenden Test verlangt vom Probanden eine kontinuierliche Kontrolle des Informationsflusses durch den Kurzzeitspeicher, indem der Vergleich von einem gebenen Reiz - einer auf dem Bildschirm dargebotenen Zahl - mit einem vorher dargebotenen Reiz gefordert ist. Die Aufgabe wird auch von normalgesunden Personen als recht schwer empfunden; daher sind drei Durchführungsformen vorgesehen, die eine gewisse Anpassung an die Leistungsfähigkeit des Probanden erlauben. In der einfachsten Form wird der Vergleich einer dargebotenen zweistelligen Zahl mit der vorangehenden verlangt; in der 2. Schwierigkeitsabstufung wird der Vergleich einer zweistelligen Zahl mit der vorletzten Zahl verlangt; in der 3. Schwierigkeitstufe ist ebenfalls ein Vergleich mit der vorletzten Zahl verlangt, es handelt sich hier jedoch um einstellige Zahlen. Bei Vorliegen eines kritischen Reizes ist die Reaktionstaste zu drücken. Da bei diesem Verfahren die Reize aus Zahlen bestehen, kann dieser Test nicht bei Patienten mit aphasischen Störungen durchgeführt werden. Das Programm verlangt die Eingabe der Reizdarbietungen, die auf 100 Darbietungen (15 kritische Reize) voreingestellt ist und die Wahl der gewünschten Schwierigkeitsstufe. Wenn möglich sollte der Test auf der Stufe 3 durchgeführt werden. Im Anschluß an die Instruktion kann wahlweise dem Patienten die Aufgabe noch einmal anhand einer auf dem Bildschirm erscheinenden Zahlenreihe verdeutlicht werden.

Ausgabe Es wird für jede Reaktion bzw. jeden kritischen Reiz die Art der Reaktion (richtig / falsch) und die Reaktionszeit ausgegeben. Für den Gesamttest werden die Anzahl der richtigen Reaktionen, sowie die Fehler, getrennt nach Auslassungen und falschen Reaktionen, mitgeteilt sowie Median, Mittelwert und Streuung der Reaktionszeiten.

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Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung 10-11

Instruktion

Normwerte

MD ges

SD ges

FE ges

AU ges

PR T MD ges

SD ges

FE ges

AU ges

PR T

1350 923 12 9 0 20 575 166 1 1 54 51 1350 923 12 9 0 21 566 159 1 0 58 52 1350 923 12 9 0 22 550 157 1 0 62 53 1350 923 12 9 0 23 533 141 1 0 66 54 1350 923 12 9 0 24 516 132 1 0 69 55 1350 923 12 9 1 25 500 129 1 0 73 56 1350 922 12 9 1 26 487 119 0 0 76 57 1322 850 11 8 1 27 483 112 0 0 79 58 1286 758 10 7 1 28 475 107 0 0 82 59 1250 674 9 6 2 29 453 102 0 0 84 60 1225 633 8 6 2 30 425 99 0 0 86 61 1158 550 8 6 3 31 416 98 0 0 88 62 1043 466 8 6 4 32 416 88 0 0 90 63 942 432 7 5 4 33 399 84 0 0 92 64 921 420 7 4 5 34 384 81 0 0 93 65

407 7 4 7 35 380 78 0 0 95 66 802 385 7 3 8 36 374 76 0 0 96 67 786 348 6 3 10 37 369 72 0 0 96 68 783 336 6 3 12 38 366 68 0 0 97 69 770 296 4 3 14 363 98 39 64 0 0 70 760 286 4 3 16 40 353 58 0 0 98 71 733 268 4 2 18 41 345 51 0 0 99 72 716 259 4 2 21 42 338 45 0 0 99 73

238 3 2 24 43 40 0 99 74 679 234 3 333 2 27 44 40 0 0 99 75 666 221 3 1 31 45 333 40 0 0 100 76 641 212 3 1 34 46 333 40 0 0 100 77 617 205 3 1 38 47 333 40 0 0 100 78 616 198 333 2 1 42 48 40 0 0 100 79 598 183 2 1 46 49 333 40 0 0 100 80 583 170 2 1 50 50

901

700 333 0