Bipolare Störungen und Sucht - DGBS · Komorbidität Bipolar und Alkohol ... Ausheilung der...

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Bipolare Störungen und Sucht: Therapie der Alkoholabhängigkeit – die neue S3 Leitlinie Prof. Dr. Martin Schäfer 1,2 1 Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchtmedizin, Kliniken Essen-Mitte 2 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charité Mitte, Universitätsmedizin Berlin

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Bipolare Störungen und Sucht:

Therapie der Alkoholabhängigkeit –die neue S3 Leitlinie

Prof. Dr. Martin Schäfer1,2

1 Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchtmedizin, Kliniken Essen-Mitte

2 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charité Mitte, Universitätsmedizin Berlin

Mann K 2002

• Fast 20% der erwachsenen Männer und 10% der Frauen betreiben mindestens einen riskanten Alkoholkonsum

• Der Großteil der Patienten sind zwischen 30 und 40 Jahren

• Psychiatrische Komorbiditäten, insbesondere Depressionen, sind häufig !

• Nur ca. 10% der Patienten mit Alkoholproblemen erreichen derzeit das fachspezifische Suchthilfesystem (Gegensatz zu illegalen Drogen!!)

Eckdaten: Alkoholismus

Alkoholkonsum Deutschland 2000

Kraus u Augustin, Sucht 2001; 47:S3-S86

Repräsentativerhebung, letzte 12 Monate, 18-59 JahreMindestschätzungen aus Selbstangaben

0,9

5,7

14,9

73,7

4,8

Männer (%)

>80

41-80

21-40

< 20

0

g Reinalk. /Tag

>1200,6Hoch

61-1202,0Gefährlich

31-608,3Riskant

< 3082,9Risikoarm

06,2Abstinent lebend

g Reinalk. /Tag

Frauen (%)Konsum

* Schädigung d. psychischen * fehlangepaßtes Muster u. physischen Gesundheit von wiederholtem des Konsumenten Substanzgebrauch

auch in Situationen, indenen es zur körp. Ge-fährdung kommen kann (z.B.

beim Autofahren) u. trotz ständi-ger, durch die Auswirkung des Gebrauchs hervorgerufener

sozialer u. zwischen-menschlicher Probleme

Schädlicher Gebrauch

* Starker Wunsch/Zwang, Substanzen o. Alkohol zu konsumieren

* Reduzierte Kontrollfähigkeit* Substanzkonsum, um Entzugssymptome zu mildern * Körperliches Entzugssyndrom* Toleranzentwicklung* Eingeengtes Verhaltensmuster* Vernachlässigung anderer Vergnügen o. Interessen* Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz Nachweises

schädlicher körperlicher, psychischer undsozialer Folgen

Abhängigkeit (= mindestens drei der folgenden Kriterien)

-Psychiatrische Folgeerkrankungen:Atrophie und Demenz, Amnestisches Syndrom, Depressionen, Suizidalität, Halluzinosen, Delir

- Neurologische Erkrankungen:Polyneuropathie, Sehstörungen, Kleinhirnstörungen

- Internistische Erkrankungen:Leberzirrhose, Diabetes, Oesophagusvarizen, Magenblutungen , Krebs

- andere Störungen:alkoholische Embryopathie (Minderwuchs, Organfehlbildungen,...)

Organische Auswirkungen des Alkoholmißbrauchs

Ursachen für Todesfälle

Mokdad AH, et al. JAMA. 2004; 291(10):1238-45.

Epidemiological Catchment Area Survey (ECA): Comorbidity and Bipolar Disorder

Regier DA et al. JAMA. 1990;264:2511-2518; Chen YW, Dilsaver SC. Am J Psychiatry. 1995;152:280-282;Chen YW, Dilsaver SC. Psychiatry Res. 1995;59:57-64.

13.5

46.2

6.1

40.7

0.8

20.8

2.6

21

0

10

20

30

40

50

General Population

Bipolar Disorder

Alcohol-use

Disorder

Substance-use

Disorder

PanicDisorder

OCD

Komorbidität Bipolar und Alkohol

S3-Leitlinie

Alkoholmißbrauch und Bipolare Störung: Folgen für die Stimmung

1. Jaffee et al. J Clin Psychiatry. 2009 February ; 70(2): 171–1762. Levi et al. Psychiatry Res. 2008 October 30; 161(1): 28–35

1) Patienten mit bipolaren Störungen und mit Alkohlkonsum entwickelten signifikant häufiger akute depressive Phasen als bipolare Patienten ohne Mißbrauch.

Alkohol ist ein Risikofaktor für depressive Verstimmungen.

2) Alkoholmißbrauch bei Patienten mit bipolaren Störungen führt zu deutlichen kognitiven Störungen

Einfluß von Substanzmißbrauch auf die Rückbildung depressiver Symptome bei bipolaren Patienten (STEP-BD)

Ostacher et al. Am J Psychiatry. 2010 March ; 167(3): 289–297

• 3750 bipolar Patienten (BP-I, BP-II)• Beobachtung über 2 Jahre• Vergleich BP-Patienten mit und ohne Suchtanamnese (Alkohol,

Drogen)

• 2154 (57%) entwickelten depressive Episode• 457 (22%) von denen “switchten” in manische Episode• Suchtvorgeschichte hatte keinen Einfluß auf die Dauer bis zur

Ausheilung der Depression, erhöhte aber das Switchrisiko in manische, hypomane oder gemischte Phasen

Sucht destabilisiert !

Alkoholtherapie bei depressiven Patienten mit Bipolarer Störung

• 97 akut depressive bipolare Patienten:

• Vergleich der aktuellen medikamentösen Behandlung bei Patienten mit einer Vorgeschichte einer Alkoholabhängigkeit (n=39) mit den Patienten ohne Suchtanamnese (n=58)

Ergebnisse:• Bipolare Patienten mit einer Suchtvorgeschichte erhielten

bezüglich der depressiven Symptomatik häufiger keine oder eine inadäquate Behandlung als bipolare Patienten ohne Suchtvorgeschichte

• Mgl. Auch hier erhöhtes Suizidrisiko bei Komorbidität

Baca-Garcia et al. J Affect Disord. 2009 May ; 115(1-2): 262–268

Die bipolare Störung und Suchterkrankungen sind dynamische Prozesse

• Wechsel von Stimmungen erhöht Rückfallgefahr bei komorbider Suchterkrank– Manie: unkritischer Konsum– Depression: Versuch der Stimmungsbeeinflussung

• Die komorbide Suchterkrankung führt zu Stimmungsinstabilitäten: – Alkohol, Amphetamine, Cannabis etc. können

Depressionen oder auch euphorische bis dysphorische Zustände auslösen

– Beeinflussung des Neurotransmittergleichgewichtes im Gehirn

AWMF - S3 guidelines for alcohol and tobacco use disorder s

Chair and scientific coordinator: K. Mann, Mannheim, A. Batra (Tobacco), Tübingen

Coordinator, Methods: E. Hoch, Mannheim K. Petersen (Tobacco), Tübingen

Steering group (in alphabetic al order): A. Batra, G. Bühringer, E. Hoch, M. Klein, K. Mann,

K. Petersen, J. Reimer, G. Reymann, R. Thomasius, I. Kopp (AWMF)

… and more than 100 participating scientific associations, professional associations,

patients, other stakeholders, scientists and mental health experts.

Zentralinstitut für

Seelische GesundheitLandesstiftung

des öffentlichen Rechts

Grundlagen der Diagnostik und Therapie der Alkoholabhängigkeit

� 8 Punkte =

Hinweis auf bestehendes

Alkoholproblem

„AUDIT“

(= Alcohol UseDisorders

Identification Test)

Kapitel 7.3.1 Screening und Diagnostik

Folgende Schlüsselempfehlung wurde für dieses Kapitel entwickelt und im Rahmen der Konsensuskonferenz verabschiedet.

Screening und Diagostik in der medizinischen Grundve rsorgungSreening– und Diagnostikinstrumente zur Früherkennung alkoholbezogener Störungen sollten flächendeckend in der medizinischen Grundversorgung (z.B. niedergelassener Arzt, Krankenhaus) eingesetzt werden.

Empfehlungsgrad: KKP

Einsatz des Audit (2.1.5.1)Zum sensitiven Screening von riskantem Alkoholkonsum, schädlichem Alkoholgebrauch oder Alkoholabhängigkeit soll der Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT) eingesetzt werden.

Empfehlungsgrad:

- GOT, GPT und gamma-GT

- MCV (mittleres Erythrozytenvolumen)

- CDT (Carbohydrate Defizienz Transferrin)

Alkoholabhängigkeit: Labordiagnostik

Sensitivität

+

-

++

Spezifität

0+

++

+++

Parameter

- Die Sensitivität ist für das Allgemeinscreening < 50%. - Die Kombination von erhöhter gamma-GT und MCVerhöht die Sensitivität und Spezifität. Überleben Erys (MCV): 120 Tage

- CDT ist bei Männern sensitiver als bei Frauen. HWZ 2 Wochen

Nachweis eines chronischen Alkoholkonsums (2.1.5.2. )

Zum Nachweis von chronischem Alkoholkonsum sollen

a) indirekte Zustandsmarker (z.B. Antilla Index, Alc Index, GGT, MCV, CDT) zur Erhöhung der Sensivität und Spezifität nur in Kombination

und/oder

b) direkte Zustandsmarker (HEtG, PEth)in verschiedenen Kontexten (Hausarztpraxis, stationäre Aufnahme, Notaufnahme, präoperatives Sreening, Intensivstation)

eingesetzt werden.

Therapeutische Angebote

- Abstinenz

- Motivation

- Krankheitseinsicht

- Verbesserung der psycho-sozialen Situation

- Verhinderung organischer Folgeschäden

- Reduzierung der Konsummengen und z.B.

der Trinkphasen

- „kontrolliertes Trinken“, Substitution- „Harm Reduction“ (Schadensbegrenzung)

Individuelle Therapieziele

Kontaktphase/Motivationsphase

QualifizierterEntzug

Entwöhnung/Langzeittherapie

Rückfall-prophylaxe

4 Schritte der Suchttherapie

S3 Leitlinie am Beispiel der Therapie

akuter Entzugssyndrome

Glutamate stimulates

The monoaminergic systems arise fromthe brainstem and modulateneurotransmission in the CNS

GABA inhibits

Substantia nigra (DA)Locus coeruleus (NA)Raphekerne (5-HT)

Doudet et al., Am. J. Psychiatr. 1995

Entzugssyndrom

Symptome über Stunden bis Tage nach Beendigung bzw. Reduktion von Alkohol- (bzw. Medikamenten-)konsum:

• Vegetative Hyperaktivität• Handtremor• Schlaflosigkeit• Nausea / Erbrechen• Psychomotorische Agitiertheit• Psychische Störungen (Angst, Depression, Schlafstörungen)• Grand-mal-Anfälle• Herz-Rhythmus-Störungen• Delir (Halluzinationen)

Therapiedauer

• Alkoholentzug: ca. 8 Tage

• Qualifizierter Alkoholentzug: 14-21 Tage

• Medikamentenentzug: 3-6 Wochen

Pharmakotherapie“

AG 3: „Entgiftung, Entzug,

Pharmakotherapie“

• Prof. Dr. Martin Schäfer, Kliniken Essen-Mitte/Charité Berlin

• Prof. Dr. Norbert Wodarz, Universität Regensburg

• Prof. Dr. Udo Bonnet, Evang. Krhs. Castrop-Rauxel

• PD Dr. Derik Herrmann, ZI-Mannheim

• Dr. Welf Schroeder, Kliniken Wied, Hachenburg

• PD Dr. Gerhard Reymann, LWL-Klinik Dortmund

• Dr. med. Bernd Wessel, Fachklinik Kamillushaus, Essen

• Dr. Arnold Wieczorek, Daun

• Dr. phil. Clemens Veltrup, Fachklinik Freudenholm-Ruhleben, Plön

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Arbeitsschritte

• Entwicklung von Fragestellungen

• Ausarbeitung der Leitlinien Synopsen gemäß Fragestellungen

• Systematische Literaturrecherche– Update Pharmakotherapie ab 2009– Entzug, qualifizierte Entzug

• Ausarbeitung Leitlinien:– Unterteilung der Gruppe nach Fragestellungen in

Pharmakotherapie (Leitung: M. Schäfer) und Entzugsbehandlung mit qualifizierter Entzugsbehandlung (Leitung: N. Wodarz)

– Systematische Literatursuche– Systematische Auf- und Einarbeitung der Informationen

aus den Leitlinien gemäß Leitliniensynopse

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SchlüsselempfehlungenBegriffe und Themenbereiche

KörperlicheEntgiftung

Eine körperliche Entgiftung umfasst die Behandlung von Alkoholintoxikationen mitkörperlich-neurologischen Ausfallerscheinungen und/oder vonAlkoholentzugssymptomen, wie sie bei einem relevanten Anteil deralkoholabhängigen Patienten auftreten können.Ziel ist die Sicherstellung der Vitalfunktionen und die Vermeidung vonKomplikationen (z.B. epileptische Anfälle oder Delirium tremens) sowie dieReduzierung/ Linderung von Entzugserscheinungen.

QualifizierteEntzugsbe-handlung

im Unterschied zur körperlichen Entgiftung, ein Angebot der suchtpsychiatrischenbzw. suchtmedizinischen Akutbehandlung, welches über die reine körperlicheEntgiftung hinausgeht.Sie umfasst neben der medizinisch-psychiatrischen Behandlung der Intoxikations-und Entzugssymptome sowie der Diagnostik und Behandlung der psychischen undsomatischen Begleit- und Folgeerkrankungen umfasst die qualifizierteEntzugsbehandlung psycho- und soziotherapeutische sowie psychosozialeInterventionen zur Förderung der Änderungsbereitschaft, der Änderungskompetenzund der Stabilisierung der Abstinenz. Im Rahmen der QE soll die Motivation zurInanspruchnahme weiterführender Hilfen gesteigert werden (Selbsthilfe,Psychotherapie, Suchtberatung) Bei entsprechender Indikation erfolgt dieVermittlung in ein weiterführendes Angebot im Rahmen des differenziertenUnterstützungssystems für Suchtkranke (z.B. in die soziale oder medizinischeRehabilitation). Die Behandlungsdauer ist länger als in der reinen körperlichenEntgiftung und sollte bei unkompliziertem Verlauf in der Regel 21 Tage betragen, umeine umfassende Differenzialdiagnostik zu leisten und ggf. Behandlung psychischerund somatischer Folge- und Begleiterkrankungen einleiten zu können.

Entzugsbehandlung: Setting

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3.1.3.2.3 Eine stationäre Entzugsbehandlung sollte angeboten werden bei alkoholabhängigen Personen und Personen mit schädlichem Gebrauch, wenn mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt sind:a) (zu erwartende) schwere Entzugssymptomeb) schwere und multiple somatische oder psychische Begleit-oder Folgeerkrankungenc) Suizidalitätd) fehlende soziale Unterstützunge) Misserfolgen ambulanter Entgiftungen

KKP

3.1.3.2.2 Eine stationäre Behandlung in Form einer körperlichen Entgiftung oder qualifizierten Entzugsbehandlung soll angeboten werdena) bei einem Risiko eines alkoholbedingten Entzugsanfalles und/oder Entzugsdelirs und/oderb) bei Vorliegen von gesundheitlichen bzw. psychosozialen Rahmenbedingungen, unter denen Alkoholabstinenz im ambulanten Setting nicht erreichbar erscheintEmpfehlungsgrad A, LoE: IIReferenzguidelines: Treatment of Patients with SUD, APA, 2006; HIV-infected patients, 2008; NICE, 2010

A

Entzugsbehandlung: Setting

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3.1.3.2.4 Eine ambulante Entzugsbehandlung (körperliche Entgiftungoder qualifizierte Entzugsbehandlung) kann angeboten werden,wenn keine schweren Entzugssymptome oder –komplikationenzu erwarten sind, eine hohe Adhärenz und ein unterstützendessoziales Umfeld bestehen.

KKP

3.1.3.2.5 Eine ambulante Entzugsbehandlung sollte nur angebotenwerden durch Ärzte mit:

- ausreichenden Kenntnissen im Alkoholentzug und

- der Möglichkeit engmaschiger klinischer Kontroll-untersuchungen, inkl. Verhaltensbeobachtung und

- organisatorischer Sicherstellung einer 24h Erreichbarkeiteines Notfalldienstes

Empfehlungsgrad B, LoE: III

eferenzguidelines: Treatment of Patients with SUD, APA, 2006; HIV-infected patients, 2008; NICE, 2010)

B

Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE)

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Empfehlungen / Statements Empfehlungs-Grad

3.2.3.1 Es sollte eine Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE) statteiner reinen körperlichen Entgiftung angeboten werden.

Gesamtabstimmung100%

KKP

3.2.3.2 Eine Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE) soll angeboten werden, wenn der Patient weiterführenden Behandlungsmaßnahmen ambivalent gegenübersteht.

Gesamtabstimmung100%

KKP

3.2.3.3 Zur Erhöhung der Effektivität sollte eine Qualifizierte Entzugsbehandlung in der Regel 21 Behandlungstage umfassen. Unter Beachtung von 3.1.3.2.6 kann individuell auch eine längere Behandlungsdauer notwendig werden.

Gesamtabstimmung100%

KKP

Pharmakotherapie

� 3.4.1 Unterteilung nach Substanzgruppen

� Allgemeine Wirksamkeit

� Benzodiazepine

� Clomethiazol

� Antiepileptika

� Andere

� 3.4.2. Differentielle Indikation

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Allgemeine Wirksamkeit

Von der Evidenz zur Empfehlung:

� genereller Nutzen einer Pharmakotherapie gegenüber einer Nicht- bzw. Plazebobehandlung ausreichend durch eine Vielzahl von Studien und durch aktuelle Metaanalysen belegt

� stärkste Effekte = Verhinderung schwerwiegender Komplikationen, insbesondere entzugsbedingter epileptischer Krampfanfälle

� pharmakologische Behandlung kann auch bei leichten Entzügen sinnvoll sein (Nichtvorhersagbarkeit von Komplikationen, Kindling, subjektive LQ), ist aber nicht unbedingt notwendig. Dementsprechend abgeschwächter Empfehlungsgrad.

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Entzugssyndrombehandlung - Alkohol

AK Evidenz* Wirksam-keit

Verträglich-keit

Sicherheit

Clomethiazol orale Gabe, nur stationär Ia +++ ++ ++

Benzodiazepine Ia +++ ++ ++

Carbamazepin Ia ++ + ++

Oxcarbazepin IIa ++ +(+) ++

Valproat Ib +(+) ++ ++

Gabapentin Ib (+) +++ +++

Levetiracetam IV +(+) +++ +++

*in Anlehnung an das Leitlinienmanual der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ) und der AWMF (Helou et al 2000) nach 4 Evidenzstärken bewertet:

Ia - Vorliegen von einer Metaanalyse oder von mindestens 2 gut kontrollierten, randomisierten StudienIb - Vorliegen von mindestens einer gut kontrollierten, randomisierten StudieIIa - Vorliegen von mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie (Fallkontroll- oder Kohortenstudie)IIb - Vorliegen von mindestens einer Therapieverlaufsstudie, quasi experimentell und gut angelegtIII - Vorliegen von mindestens einer gut angelegten deskriptiven Studie (Vergleichsstudie, Kohortenstudie)

IIV - Vorliegen einer Kasuistik oder Expertenmeinung bzw. eines Review-Artikels ohne quantitative Datenanalyse

Entwöhnung und Rückfallprophylaxe:

Beispiel Alkohol

KLINIKEN ESSEN-MITTE Evang. Huyssens-Stiftung/Knappschaft GmbH

Einflussfaktoren auf Rückfälle

Selbstwirksamkeit

explizites Craving unbew. Craving

Analysefähigkeit /Reflexion

Selbstoffenbarung

Ressourcen-erfahrung

funktionalesProblemlösen

Krankheitskonzept

Rückfall-wachsamkeit

dysfunktionalesProblemlösen

Risikobewusstseinzum Rückfall

• Entwöhnung von Alkohol dient der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit, der Vorbeugung oder Besserung einer Behinderung, jeweils auf der Grundlage einer abstinenten Lebensführung.

• Sie wird stationär, teilstationär und/oder ambulantdurchgeführt.

• Im Verlauf dieser Behandlung sind zentrale Themen: das Erarbeiten eines Krankheitsverständnisses, das Akzeptieren der eigenen Sucht, Veränderung der Grundeinstellungen und des Verhaltens mit dem Ziel, den Alltag suchtmittelfrei zu bewältigen.

Entwöhnungs- oder Langzeittherapie(Postakutbehandlung)

Therapieansprechen und Langzeitprognose der Alkoholentwöhnung

Süß 1995, Mann 2002

Therapie-

dauer

Ort Abstinenzrate

3-6 Wochen Akutstation 36-48% nach

6-12 Monaten

6 Monate stationär

Fachkliniken 60-67% nach

12 Monaten

6 Wochen

1 Jahr

Stationär +

ambulant

67-68% nach

12 Monaten

Medikamentöser Versuch, das Alkoholverlangen („Craving“) zu reduzieren und somit

• das Rückfallrisiko

• die Rückfallschwere

• die Häufigkeit

• die Dauer von Trinkphasen

zu verringern

Medikamentöse Rückfallprophylaxe

Rückfallprophylaxe

• Disufiram (Antabus)• Antidepressiva (SSRI)•Antiepileptika

• Acamprosat (Campral)• Naltrexon (Adepent)• Nalmefen(Neu: Selincro)

Komorbidität: Alkoholabhängigkeit und Depression/Bipolare Störung

Bipolar und Sucht: Therapiebesonderheiten

• Berücksichtigung von Stimmungsschwankungen

• Suchttherapie (Entzug) vor Depressionsbehandlung

• Manitherapie und Entzugsbehandlung gleichzeitig

• Manietherapie vor Suchtlangzeittherapie

• Keine Motivation oder Absichtsbildung in akuten bipolaren Krankheitsphasen

• Berücksichtigung der Langzeitmedikation (AD, Mood-Stabilizer, Neuroleptika)

• Besondere Beachtung von somatischen Komorbiditäten

Valproatbehandlung bei bipolaren Patienten mit Alkoholabhängikeit

Pat. mit Valproat:

• weniger heavy drinks• weniger drinks per drinking day

• weniger drinks pro heavy drinking day

• bessere Leberwerte

Korrelation zwischen Valproatspiegel undBesserer Therapieresponse

Salloum et al. Arch Gen Psychiatry. 2005;62:37-45

Naltrexon bei Bipolarer Störung und Alkoholabhängigkeit

• 50 BP-I oder II Patienten plus Alkoholabhängigkeit

• Aktiver Konsum

• Naltrexon (50mg/Tag) oder Placebo

Ergebnisse:• Positiver Trend für Naltrexon für

- höhere Reduktion der Trinktage

- Craving (Suchtdruck)

- Leberenzyme

Brown et al. Alcohol Clin Exp Res. 2009 November ; 33(11): 1863–1869

AWMF - S3 Leitlinien Alkohol

Erscheinungsdatum evtl. noch im Oktober 2014 zum

Deutschen Suchtkongress in Berlin

Zentralinstitut für

Seelische GesundheitLandesstiftung

des öffentlichen Rechts